Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle: Eine verfassungsrechtliche Untersuchung über Grundlage, Gegenstand und Grenzen der parlamentarischen Kontrolle unter besonderer Berücksichtigung der ministerialfreien Räume und der Privatisierung [1 ed.] 9783428524587, 9783428124589

Jörg Schmidt entwickelt eine verfassungsrechtliche Dogmatik der parlamentarischen Kontrolle. Dazu greift er das im Staat

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Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle: Eine verfassungsrechtliche Untersuchung über Grundlage, Gegenstand und Grenzen der parlamentarischen Kontrolle unter besonderer Berücksichtigung der ministerialfreien Räume und der Privatisierung [1 ed.]
 9783428524587, 9783428124589

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1064

Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle

Von

Jörg Schmidt

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

JÖRG SCHMIDT

Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1064

Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle Eine verfassungsrechtliche Untersuchung über Grundlage, Gegenstand und Grenzen der parlamentarischen Kontrolle unter besonderer Berücksichtigung der ministerialfreien Räume und der Privatisierung

Von

Jörg Schmidt

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Fakultät der Rechtswissenschaften der Universität Bielefeld hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 361 Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-12458-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Fern von den Ablenkungen Berlins hatte ich in dieser Zeit Gelegenheit, eine liebenswerte Grenzregion kennenzulernen. Für sie und ihre Bewohner möchte ich an dieser Stelle eine Lanze brechen. Mit einem Satz: Ein Ort, der gefunden werden will, den zu suchen sich lohnt. Mein Dank gilt vor allem Herrn Prof. Dr. Christoph Gusy. Er hat die Arbeit von Anfang an begleitet und Mühe und Geduld auch für jedes Teilergebnis aufgewendet. Sein kritischer Rat zum einen, der Freiraum zur Entfaltung eigener Ideen zum anderen sind der Rahmen, der jedem Doktoranden zu wünschen ist. Für die Bereitschaft zur Übernahme der Zweitkorrektur sei Herrn Prof. Dr. Andreas Fisahn gedankt. Zu besonderem Dank bin ich außerdem Herrn Prof. Dr. Sigurd Littbarski verpflichtet, der mir an seinem Lehrstuhl die notwendige Zeit für diese Arbeit gegeben hat. Für die vielfältige Unterstützung danke ich schließlich meinen Eltern, meiner Großmutter, den Freunden und Kollegen. Ohne ihren Rat, ihre Geduld und ihre Zuwendung wäre diese Arbeit nicht entstanden. Für alles: Danke! Berlin, im März 2007

Jörg Schmidt

Inhaltsübersicht 1. Kapitel Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle

19

I.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

II.

Thematische Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

III.

Die demokratische Legitimationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

IV.

Die Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . .

63

V.

Instrumente der parlamentarischen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

VI. Der demokratische Gehalt der parlamentarischen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . 121

2. Kapitel Staatsgewalt als Gegenstand und Rahmen der parlamentarischen Kontrolle

125

I.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

II.

Die Stellung der Staatsgewalt im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

III.

Staatsgewalt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . 130

IV.

Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

V.

Abgrenzung in funktionaler Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

VI. Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

3. Kapitel Beschränkungen der parlamentarischen Kontrolle: Ministerialfreie Räume

175

I.

Einführung in das Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

II.

Ministerialfreie Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

III.

Ministerialfreie Räume in der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

8

Inhaltsübersicht

IV.

Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

V.

Verstoß gegen das Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

VI. Rechtfertigung der Ministerialfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 VII. Eigener Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

4. Kapitel Beschränkungen der parlamentarischen Kontrolle: Privatisierung

368

I.

Bedeutung des Themas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368

II.

Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

III.

Organisationsprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372

IV.

Aufgabenprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420

V.

Funktionale Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425

VI. Beleihung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 VII. Weitere Privatisierungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 VIII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel

I. II.

III.

Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle

19

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

Thematische Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

1.

Der Begriff der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

2.

Die Kontrollbeziehungen des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

3.

Parlamentarische Kontrolle aus verfassungsgeschichtlicher Sicht . . . . . .

22

4.

Parlamentarische Kontrolle als Parlamentsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

Die demokratische Legitimationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

1.

Das Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

2.

Die Verantwortungsstruktur als Bedingung für demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

a) Verantwortung als Ordnungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

aa) Die begriffliche Zuordnung von Verantwortung und Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

bb) Der Inhalt der Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

cc) Der Inhalt der Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

dd) Modalitäten der Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

(1) Rechenschaftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

(2) Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

(3) Beeinflussungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

(4) Ausnahme: Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

ee) Verantwortlichkeitsketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

b) Die Verantwortung im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

bb) Rechtliche und politische Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

cc) Die Verantwortungsstruktur der vollziehenden Gewalt . . . . . . . . .

42

(1) Die Verantwortungsstruktur der Regierung . . . . . . . . . . . . . . . .

43

(2) Der Gegenstand der Regierungsverantwortung . . . . . . . . . . . .

44

(3) Verantwortung für Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

10

Inhaltsverzeichnis

3.

4.

dd) Die Verantwortungszurechnung zwischen Parlament und Regierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Exkurs: Die Verantwortung der Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Legitimationsmodell: Elemente der demokratischen Legitimation . . a) Die institutionell-funktionelle Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die personelle Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Sachlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundlage: Die demokratische Legitimation parlamentarischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sachlegitimation durch Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sachlegitimation durch parlamentarische Kontrolle . . . . . . . . . . . . Legitimation und Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49 49 50 51 52 54 54 56 56 57

IV.

Die 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . Dogmatischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Vertrauensverhältnis als Zurechnungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Kontrollmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Kontrollzeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Verantwortungsvermischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besondere Kontrollfunktionen des Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Parlamentarische Rechtskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kontrolle durch Regierungsmehrheit und Opposition . . . . . . . . . . . . . . c) Sanktionsbefugnisse des Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Parlamentarische Kontrolle im Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . e) Parlamentarische Mitwirkungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Das parlamentarische Budgetrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Haushaltsaufstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Haushaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechnungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 64 65 68 70 72 74 74 76 79 81 82 86 86 87 88

V.

Instrumente der parlamentarischen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die parlamentarischen Rechenschafts- und Informationsrechte . . . . . . . . a) Materieller Umfang der Rechenschafts- und Informationsrechte . . . . b) Die Abgeordneten als Inhaber der Rechenschafts- und Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Rechenschafts- und Informationsrechte im einzelnen . . . . . . . . . . aa) Das Zitierungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Frage- bzw. Interpellationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Recht auf Akteneinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gesetzliche Berichtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Parlamentarische Kontrolleinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die parlamentarischen Fachausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89 91 91 96 98 98 100 102 104 107 107

Inhaltsverzeichnis b) c) d) e) f) g) h) i)

Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Parlamentarische Kontrollgremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Kontrollgremium nach Art. 13 Abs. 6 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . Das Kontrollgremium nach § 23c Abs. 8 ZFdG . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Parlamentarische Gremium nach § 4a BWpVerwG . . . . . . . . . . . . Der Wehrbeauftragte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Petitionsausschuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Enquête-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 109 112 113 114 115 115 117 119

VI. Der demokratische Gehalt der parlamentarischen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . 121

2. Kapitel Staatsgewalt als Gegenstand und Rahmen der parlamentarischen Kontrolle

125

I.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

II.

Die Stellung der Staatsgewalt im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

III.

Staatsgewalt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . 130

IV.

Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff der Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Selbstverwaltung und Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wortlaut und Systematik des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Parlamentarische Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Der Gang der wissenschaftlichen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Abgrenzung nach formalen Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Negation der Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Hoheitsbefugnisse als Indikator der Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . d) Die Abhängigkeit vom Staat als Indikator der Staatsgewalt . . . . . . . . e) Die Staatsaufgabe als Indikator der Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Kritik an den vorgestellten Modellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Betroffenenbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Insbesondere: Rundfunk und Universität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Einordnung als Selbstverwaltungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rundfunk und Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

132 133 133 136 138 139 141 143 144 145 147 149 150 155 156 159 160 160 160 161 161 163

12

Inhaltsverzeichnis bb) Öffentliche Hochschulen und Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 10. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

V.

Abgrenzung in funktionaler Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

VI. Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

3. Kapitel Beschränkungen der parlamentarischen Kontrolle: Ministerialfreie Räume

175

I.

Einführung in das Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

II.

Ministerialfreie Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gliederung der Ministerialverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die unmittelbare Staatsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die mittelbare Staatsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Zuordnung der Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Zuordnung zum Kreis der ministerialfreien Räume . . . . . . . . 3. Die Bedeutung des Weisungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Recht zur Weisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Weisungsfreiheit als Bedingung der Ministerialfreiheit . . . . . . . . . 4. Zum Bezug von Ministerialfreiheit und Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abgrenzungsfragen der Ministerialfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zur Bestimmung der Weisungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsaufsicht trotz Weisungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gebundenes Verwaltungshandeln als Fall der Weisungsfreiheit . . cc) Notwendige Weisungsfreiheit von Kollegialorganen . . . . . . . . . . . dd) Faktische Weisungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonderfall: Keine Ministerialfreiheit trotz Weisungsfreiheit . . . . . . . . c) Grenzen der Ministerialfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Staatsgewalt als Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Exekutive als Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Ministerialsystem als Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Verhältnis zum parlamentsfreien Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

176 176 177 177 178 178 180 181 181 183 184 186 191 191 191 192 193 194 196 198 198 199 200 201

III.

Ministerialfreie Räume in der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Echte ministerialfreie Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

203 204 204 207

Inhaltsverzeichnis c) d) e) f) g)

2.

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien . . . . . . . . . . . . . . Die Vergabekammern beim Bundeskartellamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Bundespersonalausschuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung und die Seeämter . . . . . . aa) Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Seeämter der Wasser- und Schiffahrtsdirektionen . . . . . . . . . cc) Entwicklungslinien des Seeamtsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Zur Selbstverwaltung: Die Bundesrechtsanwaltskammer . . . . . . . . . . . Angebliche und frühere ministerialfreie Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Deutsche Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Beschlußabteilungen beim Bundeskartellamt . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Bundesschuldenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Das Bundessortenamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Bundeswehrverwaltung: Musterungsausschüsse und Musterungskammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Bundeswehrverwaltung: Ausschüsse und Kammern für Kriegsdienstverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Das Deutsches Patent- und Markenamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post . . . . . . . . j) Der Untersuchungsführer nach § 56 BDO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 208 210 211 212 215 216 217 218 220 222 222 224 225 228 233 234 235 236 239 243

IV.

Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 1. Vorteile der Weisungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 2. Nachteile der Weisungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

V.

Verstoß gegen das Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einwand zum Umfang der ministeriellen Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . 2. Einwand zum Umfang der demokratischen Legitimation . . . . . . . . . . . . . a) Wortlautdeutungen von Art. 20 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Politische Tragweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Alternative Formen der demokratischen Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . a) Legitimationsniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Legitimationsniveau in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Legitimationsniveau als Maß der Volkssouveränität . . . . (2) Das kompensatorische Legitimationsniveau . . . . . . . . . . . . . . . b) Unmittelbare Volkskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Modifikationen zum Legitimationssubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Funktionale Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

247 248 252 252 254 257 257 257 259 262 262 263 267 268 270

14

Inhaltsverzeichnis

4.

bb) Kommunale Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 d) Autonome Legitimation der Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

VI. Rechtfertigung der Ministerialfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorrechtliches Gesamtbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Natur der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Effektivitätsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verzicht auf parlamentarische Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Treuhandcharakter ministerialfreier Räume . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wiederherstellung der Gewaltenbalance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkrete Verfassungsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundrechtlicher Pluralismusschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundrechtliche Organisationswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Öffentlich-rechtlicher Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wissenschaftliche Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Staatliche Kultureinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Staatliche (Kunst- und Wissenschafts-)Förderung . . . . . . . . . . (5) Asylverfahren und Kriegsdienstverweigerung . . . . . . . . . . . . . (6) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzesvorbehalt gemäß Art. 86 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kommunale Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Funktionale Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Arbeitnehmermitbestimmung – BVerfGE 93, 37 ff. . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzen der Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

276 276 276 277 281 283 286 286 287 290 290 294 295 295 296 298 299 302 303 303 305 305 307 308 308 309 311 314

VII. Eigener Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundlagen der Staatswillensbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Materielle Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Demokratisches Gemeinwohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Volkssouveränität als demokratischer Prozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das demokratische Optimierungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Theoretischer Ansatz: Das Prinzip der Optimierung . . . . . . . (2) Die Bestimmung des Optimums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

315 315 317 318 320 320 321 321 323

Inhaltsverzeichnis

3.

(3) Grundlegende Zuordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das grundgesetzliche Demokratiemodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die verfassungsrechtlichen Legitimationsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die parlamentarisch-repräsentativen Strukturbestimmungen . . . . bb) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kommunale Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bundesrechnungshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Grundrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Legitimationsstruktur der ministerialfreien Räume . . . . . . . . . . . . aa) Ausschluß von Einwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einfluß auf die Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einfluß auf die Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Demokratieprinzip und außerparlamentarischer Raum . . . . . . (4) Einflußnahme als demokratisches Problem . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Prozedurale Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Folge für die demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Funktionale Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Demokratische Kriterien der Ministerialfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aufgabenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aufgabenerfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Regelungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Abgrenzungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zum Verhältnis von Rechtsaufsicht und Ministerialfreiheit . . . . . dd) Begründungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Regelungsdichte der Aufgabenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . (2) Politische Tragweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Grundrechtlicher Aufgabenbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Rechtskontrolle über die Einrichtung ministerialfreier Stellen . . ff) Rechtsstaatliche Begrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Beobachtungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kritische Einwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abgrenzung zur Verzichtstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bestimmungsrecht des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gewaltenteilungsprinzip und die Leitungsbefugnis der Regierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Beschränkung von Oppositionsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Optimierungsansatz in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Folgerungen für die parlamentarische Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 330 331 331 331 333 334 335 335 336 337 337 338 339 339 342 343 344 345 349 349 350 350 351 352 354 354 355 355 356 356 358 359 359 360 360 361 362 363 365

16

Inhaltsverzeichnis 4. Kapitel Beschränkungen der parlamentarischen Kontrolle: Privatisierung

368

I.

Bedeutung des Themas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368

II.

Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

III.

Organisationsprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Organisationsprivatisierung durch Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organisationsprivatisierung durch Einflußsicherung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organisationsprivatisierung und Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedingungen der parlamentarischen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Parlamentarische Kontrolle im Privatisierungsvorgang . . . . . . . . . . . . . b) Parlamentarische Kontrolle gegenüber privatrechtsförmigen Verwaltungsträgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zur Herstellung des demokratischen Verantwortungszusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Gesetzlicher Regelbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Möglichkeiten der privatrechtlichen Rechtsgestaltung . . (c) Verwaltungsgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Rechenschaftspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der eingetragene Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Sonderfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der Zurechnungszusammenhang bei gemischt-öffentlichen Vereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Organisationsprivatisierung durch externe Einwirkungen (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswirkungen auf die parlamentarischen Kontrollinstrumente . . (1) Frage- und Interpellationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gesetzliche Berichtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Enquête-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Der Petitionsausschuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Haushaltsrecht und Rechnungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Legitimitätskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erkennbarkeit des Kontrollbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wahrnehmbarkeit von Kontrollmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . (3) Defizite der Einwirkungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

372 372 374 375 376 384 385 387 388 391 391 392 393 395 396 396 398 399 399 400 401 402 403 403 404 405 407 408 408 410 411

Inhaltsverzeichnis

17

(4) Geheimnisschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kompensations- und Rechtfertigungsansätze für Legitimationsdefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unmittelbare parlamentarische Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wirtschaftlichkeit als Verfassungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verfassungsrechtliche Sonderregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Übertragung des Optimierungsgedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

412 412 413 414 415 416 417 420

IV.

Aufgabenprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufgabenprivatisierung und Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedingungen der parlamentarischen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

420 420 421 421

V.

Funktionale Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Funktionale Privatisierung und Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedingungen der parlamentarischen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

425 425 430 433

VI. Beleihung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beleihung und Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedingungen der parlamentarischen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

435 435 437 437

VII. Weitere Privatisierungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Verfahrensprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Public-Privat-Partnerships . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermögensprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

439 439 440 441

VIII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480

1. Kapitel

Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle I. Einleitung Parlamentarische Kontrolle ist staatsrechtlich und politikwissenschaftlich anerkannt. Im politischen Tagesgeschäft, in Bundestagsdebatten und in der Berichterstattung der Medien ist sie allgegenwärtig. Als Versäumnis wird sie bei rechtlichen und politischen Fehlentwicklungen ins Feld geführt. Sie dient der Zuschiebung von Regierungsverantwortlichkeit und wird zugleich für die Wahrung von Mitspracherechten der Opposition in Anspruch genommen. Sie ist Schlagwort und Kampfbegriff. Ihr Gebrauch ist dementsprechend vielseitig, so daß es nicht übertrieben ist zu behaupten, fast jede parlamentarische Tätigkeit ließe sich zugleich als Ausdruck von parlamentarischer Kontrolle deuten. Diesem Verständnis folgt die inhaltliche Bedeutungslosigkeit jedoch auf den Fuß. Politikwissenschaftlich verliert die parlamentarische Kontrolle dadurch ihren argumentativen Gehalt, staatsrechtlich ihre Substanz. Aus ihr lassen sich weder Rechte und Pflichten noch organisationsrechtliche Bedingungen ableiten. Folge der inhaltlichen Beliebigkeit ist, daß über die Erforderlichkeit der Funktion selbst keine verläßlichen Aussagen getroffen werden können. In einer Zeit, in der die Aufgaben des Staates stärker als je zuvor in Frage gestellt werden, tritt dieser Mangel besonders deutlich hervor. Ziel der Untersuchung ist daher eine Konkretisierung, die den Begriff inhaltlich bestimmt und so für staatsrechtliche Aussagen anwendbar macht. Dazu ist eine mehrfache Begrenzung erforderlich: Es geht nicht um Kontrolle schlechthin, sondern um die vom Parlament ausgeübte. Umgekehrt ist nicht die Kontrolle durch das Parlament in einem allgemeinen Sinne angesprochen, sondern gerade seine spezifische Kontrollaufgabe, die in der demokratischen Legitimation ihre Grundlage hat. Im Anschluß an diese inhaltliche Bestimmung ist nach der Begrenzung der Funktion, also nach den Grenzen ihres verfassungsrechtlichen Anwendungsbereichs zu fragen. Dazu werden hier die Gesichtspunkte der Staatsgewalt, der ministerialfreien Räume und der Privatisierung herangezogen. Ihren sachlichen Bezug findet diese Untersuchung im Verhältnis zwischen Bundestag und Bundesregierung. Soweit nicht anders gekennzeichnet sind sie gemeint, wenn im folgenden von Parlament und Regierung die Rede ist.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

II. Thematische Hinführung Die parlamentarische Kontrolle hat die Exekutive respektive die Regierung zum Gegenstand. Als solche wird ihr besondere Bedeutung beigemessen: Sie gehöre zu den „essentiellen Merkmalen des demokratischen Aufbaus einer staatlichen Ordnung“1. Mithin sei sie als Grundelement der Demokratie zu betrachten2. Bezogen auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes übe das Parlament die Doppelfunktion von Gesetzgebung und Regierungskontrolle aus3, damit korrespondierend seien die Bundesregierung, also der Bundeskanzler und die Bundesminister, der parlamentarischen Kontrolle unterworfen4. Diese sei – wenn nicht sogar Hauptaufgabe – so doch zumindest eine politische Kernfunktion des Parlaments5. Gemessen an diesen Aussagen, wäre eine Regelung der parlamentarischen Kontrolle im Grundgesetz oder zumindest ihre Erwähnung an hervorgehobener Stelle zu erwarten. Untersucht man aber das Grundgesetz als Grundlage und Bauplan unserer Staatsordnung auf Aussagen zur parlamentarischen Kontrolle, ergibt sich der eigenartige Befund, daß dazu – von zwei nachträglichen Einfügungen abgesehen6 – gerade keine Regelung getroffen ist. Weder findet sich expressis verbis eine allgemeine Anordnung zur parlamentarischen Kontrolle als Parlamentsfunktion7 noch zu ihrem Gegenstand und Maßstab8. Immerhin enthält das Grundgesetz eine Reihe von Regelungen, die mit der parlamentarischen Kontrolle in Verbindung gebracht werden. Herzog sieht sie in Art. 65, 67, 69 Abs. 2, 43 Abs. 1, 44 und 110 GG begründet9. Zudem schreiben die Art. 17, 43, 44, 45a Abs. 2, 45b, 114 GG Rechte des Bundestages fest, die als Ausschnitte seines Kontrollrechts zu betrachten sind. Für alle gilt jedoch der Satz, daß das Prinzip der parlamentarischen Kontrolle nicht aus der Summe einzelner Kontrollrechte im Grundgesetz abgeleitet werden kann, sondern daß 1

Friedrich, JBöR 24, 61, 63. Scheuner: in: Ritterspach, Festschrift Müller, 379, 384; Gehrig, Parlament, Regierung, Opposition, 65. 3 Leibholz, Strukturprobleme in der modernen Demokratie, 295; H. H. Klein, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 50, Rn. 15. 4 Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 65, Rn. 91. 5 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 120. 6 Dies sind Art. 13 Abs. 6 und Art. 45b GG, wo die parlamentarische Kontrolle im Zusammenhang mit der technischen Überwachung von Wohnungen bzw. der Einrichtung des Wehrbeauftragten zumindest begrifflich Erwähnung gefunden hat. 7 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 120. 8 Meyer, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 4, Rn. 66. Friedrich, JBöR 24, 61, 63. 9 Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 65, Rn. 92. Gleichzeitig merkt er aber an, daß die sedes materiae wegen der „Verstreutheit der Verfassungsbestimmungen“ im Grundgesetz nur schwer auszumachen seien, a. a. O., Rn. 91. 2

II. Thematische Hinführung

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umgekehrt nur Aussagen zu einzelnen Kontrollrechten anhand des Prinzips getroffen werden können10. Dies ist zudem durch die Erkenntnis abgesichert, daß die speziellen Kontrollmittel des Grundgesetzes nicht ausschließlich und abschließend sind11, die Kontrolle als Funktion des Parlaments der Einzelregelung also übergeordnet sein muß. 1. Der Begriff der Kontrolle Der Klarheit über die Funktion muß die begriffliche Klarheit vorausgehen. Die Kontrolle ist darum an erster Stelle ihrer Ergänzungen um Kontrollsubjekt, -objekt und Funktionszuschreibungen zu entkleiden und auf die begriffliche Grundlage zu reduzieren. Etymologisch betrachtet leitet sich Kontrolle aus dem lateinischen contra rotulus bzw. altfranzösischen contre rôle ab und bedeutet Gegenrolle, Gegenaufzeichnung oder Gegenregister12. Der ursprünglich enge Bedeutungsgehalt beschränkte sich auf die Anlage eines Duplikats als Vergleichsmöglichkeit. In diesem Sinne geht es allein um die Feststellung der Richtigkeit eines Sachverhalts13. Davon zu unterscheiden ist die Kontrolle in der Bedeutung von „Beherrschen“14. Sie enthält eine viel weitergehende Aussage, denn wer in diesem Sinne kontrolliert, vergleicht nicht nur anhand eines Maßstabs, sondern entscheidet auch selbst über den Maßstab und über die Sanktionen als Folge der Kontrolle. Synonyme für Kontrolle sind dementsprechend Herrschaft, (indirekte) Leitung, eine Situation in der Hand haben, Lenkung, Aufsicht, kritische wie berichtigende Einwirkung15. Allgemeiner Natur sind hingegen Begriffe wie Inspektion, Prüfung und Rechenschaftspflicht. Sie zeigen nur einen Überwachungsvorgang an und sagen nichts über mögliche Ingerenzen aus. Auch wenn man zunächst die verfassungsrechtliche Betrachtung der Kontrolle beiseite läßt und sich ihrem Inhalt zuwendet, ist festzustellen, daß sich an dieser Stelle der Mangel einer ausdrücklichen Regelung fortsetzt. Der Begriff der Kontrolle ist variabel und erlaubt verschiedene Deutungsmuster. 10 Ebenso Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 120; Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, 355, 363. 11 Bodenheim, Kollision parlamentarischer Kontrollrechte, 45; Badura, ZParlR 11, 573, 577. 12 Gehrig, Parlament, Regierung, Opposition, 3; Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 4; Steffani, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 49, Rn. 2. 13 Steffani, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 49, Rn. 2. 14 Gehrig, Parlament, Regierung, Opposition, 4. 15 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1; Scheuner, in: Ritterspach, Festschrift Müller, 379, 390; Steffani, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 49, Rn. 4.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

2. Die Kontrollbeziehungen des Grundgesetzes Im Verhältnis zwischen Kontrollsubjekt und Kontrollobjekt werden diese unterschiedlichen Bedeutungen von Kontrolle wirksam. Eine erste Bezugnahme auf das Grundgesetz ist hier möglich. Das Grundgesetz kennt eine Vielzahl von Kontrollbeziehungen zwischen den Verfassungsorganen. Was darunter fällt, hängt vom jeweils angelegten Kontrollbegriff ab. Am offensichtlichsten ist die Rechtskontrolle der Judikative16, deren ureigene Aufgabe die Beurteilung von Sachverhalten anhand gesetzlicher Maßstäbe ist. Zu nennen ist neben der Kontrolle des Parlaments über die Regierung aber auch umgekehrt die Kontrolle der Exekutive über die Legislative17, die verwaltungsinterne Kontrolle, Kontrolle innerhalb des Parlaments, vertikale Kontrolle zwischen den Staatsebenen18, die Parlamentswahl selbst19 sowie die Beziehung zwischen gesellschaftlichen Kräften und Parlament, was insbesondere die Kontrolle durch die Öffentlichkeit und die Medien einschließt. Die Unterschiede dieser Kontrollbeziehungen sind so offensichtlich, daß sie keiner weiteren Erläuterung bedürfen. Daran wird deutlich, daß es für das Grundgesetz keinen einheitlichen Kontrollbegriff geben kann. Für die Funktion der parlamentarischen Kontrolle ist daher eine individuelle Bestimmung erforderlich. Zudem stehen die Kontrollvorgänge nicht isoliert nebeneinander, sondern sind durch vielfältige Überschneidungen und Überlagerungen gekennzeichnet. Eine genauere Betrachtung kommt folglich nicht ohne eine Abschichtung derjenigen Vorgänge aus, die nicht zur parlamentarischen Kontrolle zu zählen sind. Festzuhalten ist hier einerseits, daß die Funktion der parlamentarischen Kontrolle nicht eigens im Grundgesetz geregelt ist, und andererseits, daß weder der Begriff der Kontrolle noch die Betrachtung anderer Kontrollbeziehungen des Grundgesetzes für ein genaueres Verständnis fruchtbar gemacht werden können. 3. Parlamentarische Kontrolle aus verfassungsgeschichtlicher Sicht Versucht man sich der Funktion der parlamentarischen Kontrolle aus rechtsgeschichtlicher Sicht zu nähern, geht der Blick zunächst nach England, wo der Ursprung der parlamentarischen Kontrolle ideengeschichtlich verortet wird20. 16

Karehnke, DÖH 16, 140, 142, Fn. 10. Bäumlin, ZSR 1966, 165, 252; dazu Lattmann: „Die Ministerialbürokratie kontrolliert die Abgeordneten weit mehr als umgekehrt.“, zitiert bei Bischoff/Bischoff, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 54, Rn. 59. 18 Achterberg, Parlamentsrecht, 409. 19 Gehrig, Parlament, Regierung, Opposition, 132. 20 Ellwein/Görlitz, Parlament und Verwaltung, 42, m.w. N. 17

II. Thematische Hinführung

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Nach der englischen Parlamentstheorie des 19. Jahrhunderts steht die Regierung dem Parlament gegenüber und muß ihr Tun vor diesem begründen. In deren grundsätzlichen Auseinandersetzungen über unterschiedliche politische Konzepte und Vorstellungen unter Beteiligung der Öffentlichkeit – wofür das Stichwort government by discussion steht21 – wurde erstmalig parlamentarische Kontrolle definiert. Die Entwicklung im deutschen Konstitutionalismus führte zu einer ähnlichen Ausgangslage. War unter Regierung ursprünglich noch die ganze staatliche Tätigkeit, also Gesetzgebung, Justiz und Verwaltung zu verstehen22, verengte sich dieser Begriff stetig und das Parlament wurde zum Instrument des liberalen Bürgertums, seine Interessen zu vertreten. Das Bestreben ging einerseits dahin, das Parlament selbst vom Einfluß der Regierung zu emanzipieren23, was unter anderem durch eine Demokratisierung des Wahlverfahrens, die innere Selbstverwaltung des Parlaments sowie die Immunität der Abgeordneten geschah24. Damit standen sich Regierung (König und Minister, nicht vom Parlament eingesetzt) und Parlament zunehmend unabhängig gegenüber25. Andererseits ging es um Einflußnahme des Parlaments auf die Regierungspolitik, was durch die Bindung der Staatsgewalt an die Gesetzesbeschlüsse des Parlaments erreicht wurde. Eng damit verknüpft war das Bestreben, daneben auch Einfluß auf die konkrete Verwaltungstätigkeit zu erlangen, insbesondere wenn sie nicht der Gesetzesbindung unterlag. Ebenso wie in England26 war eines der Instrumente dazu die Verantwortlichkeit der Minister27. Eine parlamentarische Verantwortlichkeit des Königs schied aufgrund seiner nach dem monarchischen Prinzip unabhängigen Stellung von vornherein aus. Seine Akte wurden jedoch erst durch Gegenzeichnung der von ihm eingesetzten Minister gültig28, was nicht nur deren Verantwortung begründete, sondern auch zur Beschränkung der Staatsmacht des Königs führte29. Realisiert wurde die Ministerverantwortung wegen Mißachtung der Verfassung oder Verletzung der Gesetze mittels der justizförmigen Ministeranklage zum Zweck der Amtsenthebung30. Eine rein politische Verantwortlich21

Ellwein/Görlitz, Parlament und Verwaltung, 13. O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, 2. 23 Loewenstein, Verfassungslehre, 191. 24 Loewenstein, Verfassungslehre, 191. 25 Leibholz, Strukturprobleme in der modernen Demokratie, 295, 298. 26 Dazu Scheuner, in: Ritterspach, Festschrift Müller, 379, 389. 27 Enthalten etwa in Art. 44 PreußVerf 1850, § 4 BayVerf 1818, Art. 17 RV 1871, zur Begriffsgeschichte der Ministerverantwortlichkeit: Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 12 ff. 28 Gehrig, Parlament, Regierung, Opposition, 53. 29 Badura, ZParlR 11, 573, 575. 30 Badura, ZParlR 11, 573, 575; als Relikt besteht die Ministeranklage noch heute in einigen Landesverfassungen: Art. 57 BadWürttVerf; Art. 59, 61 BayVerf; Art. 40 NdsVerf; Art. 63 NRWVerf; Art. 131 RhlPfVerf. 22

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

keit vor dem Parlament entwickelte sich hingegen erst zögerlich und zu einem späteren Zeitpunkt31. Ihr stand insbesondere entgegen, daß – anders als heute – die Regierung nicht vom Vertrauen des Parlaments abhängig war. Die verfassungsgeschichtliche Betrachtung vermittelt im wesentlichen zweierlei: Zunächst bestätigt sie den begrifflichen Befund, daß Kontrolle ein Mittel der Einflußnahme ist, sodann macht sie deutlich, daß die Verantwortung der Anknüpfungspunkt in der Auseinandersetzung um die Macht im Staat ist32. Man sollte sich gleichwohl hüten, die parlamentarische Kontrolle im demokratischen Staat mit der im Konstitutionalismus gleichzusetzen und daraus Schlußfolgerungen für das Grundgesetz zu ziehen. Der Unterschied ist ein grundsätzlicher. Mit dem Übergang zum demokratischen Verfassungsverständnis blieb zwar der Begriff der parlamentarischen Kontrolle erhalten, entscheidend verändert haben sich aber ihre Rahmenbedingungen. Wenn die parlamentarische Kontrolle unter dem Grundgesetz eine dezidiert demokratische Funktion hat, muß es sich um etwas anderes handeln als zur Zeit des Konstitutionalismus. Allenfalls kann man sagen, daß sich darin die Anfänge zur Überwindung der monarchischen Staatsform abzeichnen. Hinzu kommt jedoch noch ein weiterer Aspekt, der mit den Unterschieden und Eigenheiten der Verfassungsordnungen nur mittelbar zu tun hat: Die tatsächlichen Veränderungen der Parlamentsarbeit. Hier gilt, daß auch ein und dieselbe Verfassung in ihren Funktionen dem Wandel unterworfen ist33. Historisch gesehen war der aufgabenbegrenzte, der legitime Staat der Idealtypus. Kontrolle bedeutete daher die Überwachung der Rechtmäßigkeit staatlicher Handlungen34. Dem steht ein enormes Anwachsen der Staatsaufgaben und insbesondere der Leistungsverwaltung gegenüber, was den Inhalt der Kontrolle vom Begrenzen hin zum Beeinflussen verschoben hat. Die Pluralisierung der Gesellschaft und die Aufweichung allgemeiner Wertvorstellungen relativiert zudem die „richtige Entscheidung“35, so daß Kontrolle anhand eines Maßstabes im Sinne von richtig oder falsch nicht mehr ohne weiteres möglich ist. 4. Parlamentarische Kontrolle als Parlamentsfunktion Die Gesetzgebung, die Kontrolle von Regierung und Verwaltung und die Wahl der Regierung werden von der Parlamentslehre seit Bagehot unterschied-

31 Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, 281 f.; Scheuner, in: Ritterspach, Festschrift Müller, 379, 386 ff. 32 Eichenberger, in: Imboden/Bäumlin/ders., Festschrift Huber, 109, 124. 33 Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 3. 34 Ellwein/Görlitz, Parlament und Verwaltung, 49. 35 Ellwein/Görlitz, Parlament und Verwaltung, 18 f.

II. Thematische Hinführung

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lichen Parlamentsfunktionen zugeordnet36. In Ansehung der variablen Kontrollbegriffe erweist sich diese scheinbar so klare Unterscheidung aber als brüchig. Wer in Kontrolle durch das Parlament ein Mittel der Mäßigung in einem von Gewaltenteilung und -verschränkung geprägten Verhältnis der Staatsgewalten sieht, kommt nicht umhin, auch die Gesetzgebung und selbst die Wahl des Bundeskanzlers als Ausdruck von Kontrolle zu betrachten37. Beide sind Formen vorauswirkender Kontrolle, in denen das Element der Beherrschung deutlich hervortritt. Unter diesem Gesichtspunkt handelt es sich weniger um eigenständige Parlamentsfunktionen, als vielmehr um besonders intensive Formen der Kontrolle. Nicht anders verhält es sich, wenn man Kontrolle als Bestandteil von Entscheidungsprozessen betrachtet und damit den Blickwinkel ändert: Das Gesetzgebungsverfahren wie auch die Kreationsfunktion beruhen auf der Auswahl von Alternativen durch das Parlament, in die eine Vielzahl von Entscheidungskriterien eingestellt sein können. Der darin vorgenommene Vergleich zwischen Soll- und Istwert ist Kontrolle. Dieser Vorgang ist in jeder parlamentarischen Entscheidung enthalten, so daß sich Kontrolle nicht auf einzelne Parlamentsfunktionen beschränken läßt38. Daraus zieht Krebs den Schluß, daß „eine Sonderung der parlamentarischen Kontrolle von anderen Parlamentsfunktionen weder verfassungsrechtlich geboten“, noch „überhaupt trennscharf möglich zu sein“ scheint39. Parlamentarische Kontrolle sei vielmehr „eine vom Parlament wahrzunehmende Funktion in solchen staatlichen Entscheidungsprozessen, die entweder in den ausschließlichen parlamentarischen Kompetenzbereich fallen oder an denen (auch) die Parlamente beteiligt sind“40. Dieses Ergebnis ist in Ansehung des gewählten Kontrollbegriffs richtig, bedingt aber zugleich, daß es nicht nur über einzelne Parlamentsfunktionen, sondern selbst über das Parlament hinaus Anwendung auf alle staatlichen Entscheidungen finden muß. Sein Aussagewert ist darum gering41. Auch ist fraglich, ob sich die Parlamentsfunktionen auf diese Weise noch angemessen beschreiben 36 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 21 f.; H.-P. Schneider, AöR 105, 4, 16; Ellwein/Görlitz, Parlament und Verwaltung, 26. Kritisch zur Bezugnahme auf Bagehot, Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 123, Fn. 25. 37 Zur Gesetzgebung: H. H. Klein, in: Isensee/Kirchof, HBStR III, § 50, Rn. 33; Achterberg, DVBl. 1974, 693, 696; ders., Parlamentsrecht, 411 ff.; Berg, in: Dolzer/ Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 45a, Rn. 55; Maiwald, Berichtspflichten, 93; SchulzeFielitz, Parlamentarische Gesetzgebung, 292 ff. Zur Kreationsfunktion: E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 22; Zeh, in: Schneider/ders., Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 39, Rn. 6. 38 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 122; Achterberg, Parlamentsrecht, 409 f. 39 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 127. 40 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 128. 41 Kritisch ebenfalls Schulze-Fielitz, Parlamentarische Gesetzgebung, 296.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

lassen. Tatsächlich liegt hier eine Gleichsetzung von parlamentarischer Aufgabenzuständigkeit und allgemeiner Entscheidungslehre vor, die den Besonderheiten der parlamentarischen Kontrolle nicht gerecht werden kann. Solange sich in der Kritik die Gesetzgebungsfunktion über das Gesetz als Handlungsform und die parlamentarische Kontrolle über ihren Inhalt bestimmt, ist ein gültiges Abgrenzungskriterium ohnehin nicht zu erwarten. Der Gegenüberstellung beider Funktionen fehlt insoweit die Vergleichbarkeit. Der Nachweis, daß parlamentarische Kontrolle keine eigenständige Parlamentsfunktion darstellt, ist damit nicht erbracht. Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen ist, daß die Unterscheidung von Parlamentsfunktionen ein Mittel zur Gliederung der parlamentarischen Aufgaben ist42. Sie wird nicht nur an das Grundgesetz herangetragen, sondern steht in einer verfassungsrechtlichen Tradition, auf die auch das Grundgesetz aufbaut. Die hervorgehobene Bedeutung, die dem Parlamentsgesetz im Grundgesetz eingeräumt wird, aber auch die zwischenzeitliche Einfügung des Begriffs der parlamentarischen Kontrolle in Art. 13 Abs. 6 und Art. 45b GG legen davon beredtes Zeugnis ab43. Die eingangs genannte Funktionstrias beschreibt unterschiedliche Formen, mit denen das Parlament im Rahmen der Gewaltengliederung an der staatlichen Willensbildung teilhat. Damit ist weder gesagt, daß sie den ganzen Bereich parlamentarischer Aufgaben abdecken, noch daß sie sich in einem Verhältnis absoluter Trennung gegenüberstehen44. Auszugehen ist daher nicht von dem scheinbar offensichtlichen Merkmal der Gesetzesform, sondern von dem jeweiligen Funktionsschwerpunkt, der für ihre Bestimmung maßgeblich ist. Als weitgehend unproblematisch erweist sich dabei die Kreationsfunktion. Sie bezieht sich auf den abgegrenzten Bereich der Einsetzung der Regierung und hat damit rein personalen Charakter45. Sie bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Von größerer Bedeutung sind hingegen Gesetzgebung und parlamentarische Kontrolle, weil in erster Linie ihr Verhältnis als Begründung dafür herhält, daß parlamentarische Kontrolle keine eigenständige Parlamentsfunktion sei. Ausgehend von der Gewaltengliederung umfaßt die Gesetzgebungsfunktion den Bereich, in dem die staatliche Willensbildung dem Parlament als eigene

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Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 38, Rn. 28. Vgl. auch Art. 7 NdsVerf, Art. 79 Abs. 1 RhlPfVerf, Art. 27 Abs. 2 BadWürttVerf, wo expressis verbis zwischen der Ausübung der Gesetzgebung und der Überwachung der vollziehenden Gewalt als Aufgaben der Landtage unterschieden wird. Angedeutet auch im Entwurf zu Art. 29 ChE (heute Art. 28 GG), wo neben der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auch „deren Überwachung durch demokratisch gewählte Organe“ eigens genannt wurde. 44 So aber der Untersuchungsansatz bei Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 124. 45 Siehe zur Frage des konstruktiven Mißtrauensvotums 1. Kap., IV. 6. c). 43

II. Thematische Hinführung

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Entscheidung obliegt und dessen Verantwortung begründet. Typische Erscheinungsform dazu ist das abstrakt-generelle Gesetz, dessen Vorrang mittels Art. 20 Abs. 3 GG abgesichert ist. Zu der allgemein verbindlichen Festlegung von Rechtsnormen gehören jedoch nicht nur Rechtsregeln, sondern auch Grundsatzund Statusbestimmungen sowie Pläne46. Verbindendes Kennzeichen ist ihr normativer Charakter. Parlamentarische Kontrolle ist demgegenüber Ausdruck der Funktionenverschränkung. Sie hat ihren unmittelbaren Bezug in der fremden Entscheidung, also in den Entscheidungszuständigkeiten der vollziehenden Gewalt sobald diese aktualisiert werden. Sie definiert sich daher nicht aus der Abwesenheit gesetzlicher Regelungen47, sondern über ihren Gegenstand, in dessen Zentrum die Verantwortung der vollziehenden Gewalt steht. Parlamentarische Kontrolle ist darum stets konkret. Ihre Intensität ist hingegen variabel und für die Zuordnung ohne Belang. Sie reicht von der Rechenschaft und der informellen Einflußnahme bis zu Aufhebungs- und Zustimmungsrechten des Parlaments. Diese Merkmale sind für die Parlamentsfunktionen konstitutiv, dürfen aber nicht als Ausschlußkriterien verstanden werden. Wenn Gesetze stets eigene Entscheidungen des Parlaments sind, heißt das nicht, daß eigene Entscheidungen nicht auch außerhalb der Gesetzgebungsfunktion, namentlich im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle, möglich sind48. Umgekehrt ist der Funktion der parlamentarischen Kontrolle die gesetzliche Handlungsform nicht verschlossen, solange sie auf eine konkrete Entscheidung der vollziehenden Gewalt bezogen ist. Gesetzgebung und parlamentarische Kontrolle sind also keine Gegensätze, sondern stehen nebeneinander. Ihre Unterscheidung ist nicht als Trennung, sondern als jeweilige Zuordnung zu verstehen. Vor diesem Hintergrund können drei Handlungskreise benannt werden: Nur zur Gesetzgebungsfunktion gehören alle abstrakt-generellen Gesetze. Weil sie den Rechtsrahmen für das Handeln der Exekutive bilden, fehlt ihnen der konkret-kontrollierende Bezug auf eine in diesem Rahmen ergehende Verwaltungsentscheidung. Ebenso verhält es sich mit konkret-individuellen Gesetzen, wenn für ihren Inhalt nicht auch eine Entscheidungszuständigkeit der Exekutive besteht. Umgekehrt fallen ausschließlich in den Funktionsbereich der parlamentarischen Kontrolle alle Kontrollmittel, die auf eine konkrete fremde Entscheidung bezogen und nicht Gesetz sind. Eine Schnittmenge bilden schließlich diejenigen Gesetze, die im Hinblick auf konkrete Entscheidungen der Exekutive ergehen. Sie sind sowohl Gesetzgebung als auch Ausdruck parlamentarischer Kontrolle. Gliedert man jede Funktion in ei46

H. Schneider, Gesetzgebung, Rn. 22, 29. So die von Achterberg, Parlamentsrecht, 410, im Wege der Subtraktionsmethode vorgeschlagene Unterscheidung, mit der er die Form zum Abgrenzungskriterium macht, zugleich aber den materiellen Gehalt der Kontrolle preisgeben muß. 48 Vgl. dazu aber Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 124 f. 47

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

nen Schwerpunkt- und einen Randbereich, so handelt es sich hier um den jeweiligen Randbereich von Gesetzgebung und parlamentarischer Kontrolle, der auch in tatsächlicher Hinsicht die Ausnahme ist. Seine genauere Bestimmung bleibt der Behandlung der parlamentarischen Mitwirkungsrechte vorbehalten49. Gegenüber einem weiten Kontrollverständnis, das die Wirkung jeder Handlung auf ein anderes Rechtssubjekt bereits als Kontrolle betrachtet, ordnet die hier vorgenommene Bestimmung der parlamentarischen Kontrolle eine konkrete Funktion im Rahmen der Gewaltengliederung zu und macht sie einer verfassungsrechtlichen Betrachtung zugänglich. Auf diesem Wege wird es möglich, auch diejenigen parlamentarischen Zuständigkeiten, die über die Gesetzgebungskompetenz hinausgehen, zu systematisieren und ihrer Funktion nach zu beschreiben.

III. Die demokratische Legitimationsfunktion Die Staatsrechtslehre hat sich nur zögerlich mit der Funktion der parlamentarischen Kontrolle befaßt. Inzwischen liegt ein vielfältiges Schrifttum vor, das aber eine tragfähige Konzeption weiterhin vermissen läßt. „Während über die grundsätzliche Aufgabe des Parlaments zur Kontrolle von Regierung und Verwaltung auf einer abstrakten Ebene Einigkeit herrscht, gilt dies weder für die konkret möglichen Inhalte der Kontrolle noch für die hierfür der Volksvertretung zur Verfügung stehenden Mittel und Formen“50. Ursache dafür ist regelmäßig der Ansatz der Betrachtung. Dieser ist im wesentlichen beschreibend-systematisierend hinsichtlich der einzelnen grundgesetzlich vorgesehenen Kontrollrechte und weniger begründend hinsichtlich der Funktion der Kontrolle, was – mit den Worten Ellweins – „nicht viel zur Aufhellung dessen beiträgt, was Kontrolle ist und wie sie vollzogen wird“51. Teil der Schwierigkeiten einer verfassungsrechtlichen Einordnung ist die Notwendigkeit, parlamentarische Kontrolle als Teil des politischen Prozesses zu beschreiben. Das Politische selbst ist aber mit juristischen Kategorien nicht ohne weiteres greifbar52. Wie ohnehin das Verhältnis von Politik und Recht ein nicht geklärtes Verhältnis ist53, trifft es zu, daß das Verfassungs- und Verwaltungsrecht die Verfassungsfunktionen nur in juristisch-normativer Hinsicht zu verdeutlichen mag, nicht aber die Regierungstätigkeit und die politischen Handlungsabläufe54.

49 Siehe dazu 1. Kap., IV. 6. e). Zur Frage der Kontrolle im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens 1. Kap., IV. 6. d). 50 Vitzthum, Petitionsrecht, 45 f. 51 Ellwein/Görlitz, Parlament und Verwaltung, 223. 52 Achterberg, DÖV 1975, 833, 837, spricht vom Parlamentsrecht als lex de iure imperfecta, de politicis perfecta. 53 Gehrig, Parlament, Regierung, Opposition, 14.

III. Die demokratische Legitimationsfunktion

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Die funktionale Zuordnung der parlamentarischen Kontrolle beschränkt sich zumeist auf den Grundsatz der Gewaltenteilung, der zugleich als verfassungsrechtlicher Anhaltspunkt für ihre Inhaltsbestimmung herhalten muß55. Der Gedanke von „checks and balances“ wird hier zwanglos mit Kontrolle assoziiert. Das ist insoweit richtig, als die Ursache für die parlamentarische Kontrolle in der Gewaltenteilung liegt. Die Aussagen zu ihrer Funktion reichen dann allerdings auch nicht über die Machtbegrenzung hinaus. Im Sinne eines größtmöglichen Antagonismus wird sie konsequent der Opposition zugeordnet56. Folge dieser Auffassung ist aber, daß der parlamentarischen Kontrolle daneben keine andere Qualität zukommen kann als allen übrigen staatlichen Kontrollmechanismen, die ebenfalls auf die Gewaltenteilung zurückgeführt werden. Ein anderer Blickwinkel ergibt sich dagegen, wenn man nicht nur die vollziehende Gewalt als Kontrollobjekt, sondern den Bundestag als spezifisches Kontrollorgan betrachtet. Die Funktion leitet sich dann aus der besonderen Stellung ab, die dieser im parlamentarisch-repräsentativen Regierungssystem beansprucht. Ebenso wie die parlamentarische Gesetzgebung der Staatsgewalt ihre demokratische Legitimation vermittelt, müssen auch seine Einwirkungen im Wege der parlamentarischen Kontrolle verstanden werden57. Aber selbst wenn dieser Zusammenhang formuliert wird, ist seine Begründung nicht selbstverständlich58. Funktion und Inhalt der parlamentarischen Kontrolle sind darum im folgenden hinsichtlich der demokratischen Legitimation zu untersuchen. 1. Das Demokratieprinzip Nach Art. 20 Abs. 1 GG ist die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Dieses ebenso eindeutige wie abstrakte Bekenntnis zur Demokratie erhält durch Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG eine normative Anbindung an die Volkssouveränität: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Der Wille des Volkes bestimmt – nur sein Wille kann Legitimation für staatliche Herrschaftsakte sein, andere Legitimationsquellen sind ausgeschlossen. Mit dem folgenden Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG wird dies durch eine repräsentative Ausgestaltung der Demokratie konkretisiert, die umgekehrt als Absage an identitäre 54 Karehnke, DÖH 16, 140, 145; vergleiche außerdem K. Hesse, Grundzüge, Rn. 532. 55 Kritisch hierzu Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, 216 ff., der darauf hinweist, daß der Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG gerade kein allgemeiner Kontrollgehalt entnommen werden könne. 56 Siehe dazu im einzelnen 1. Kap., IV. 6. b). 57 Instruktiv Gusy, ZRP 1998, 265. 58 So etwa v. Danwitz, AöR 120, 595, 606, der parlamentarische Kontrolle zwar Wesensbestandteil und unabdingbare Voraussetzung der demokratischen Legitimation nennt, zur Erklärung aber auf das wenig aussagekräftige Bild der kommunizierenden Röhren ausweicht.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

Demokratiekonzepte zu lesen ist59: Das Volk nimmt an der Staatsgewalt selbst mittels Wahlen teil, die damit zu dem ihm verfügbaren Legitimationsmittel werden60. Im übrigen handeln an Stelle des Volkes besondere Organe, nämlich Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung. Das Grundgesetz will damit einen demokratischen Staat konstituieren, der die Volkssouveränität in jedem Akt der Staatsgewalt61 aktualisiert. Dies bedeutet für staatlich ausgeübte Herrschaft nicht mehr und nicht weniger, als daß sie dem Erfordernis der demokratischen Legitimation unterliegt. Anders gewendet ist demokratische Legitimation die Frage nach der Rechtfertigung von Herrschaft62. Legitimation und Rechtfertigung bezeichnen also den gleichen Vorgang, nämlich die Herstellung legitimer Herrschaft. Bezogen auf das Demokratieprinzip ist das ihre Herleitung aus einer Willensentscheidung des Volkes63. Daher steht das Demokratieprinzip als Grundprinzip an der Spitze der Verfassungsprinzipien und das Grundgesetz ist selbst bereits eine Konkretisierung des demokratischen Gedankens64, wie die Präambel unmißverständlich zum Ausdruck bringt. Das Demokratieprinzip in seiner repräsentativen Ausformung fordert nicht die unmittelbare demokratische Legitimation aller Staatsorgane. Vielmehr genügt es, daß staatliche Gewalt vom Volk ableitbar ist. Dem Parlament kommt dabei eine besondere Rolle zu. Es ist das einzige vom Volk unmittelbar legitimierte Staatsorgan und zugleich Repräsentant des Souveräns65. Das bedeutet zum einen, daß das Verhältnis zwischen Volk und Parlament nicht mit Delegation oder Auftrag zu vergleichen ist. Das Parlament handelt als Repräsentationsorgan aus eigenem Recht66. Der Wille des Volkes wird repräsentativ im Parlament gebildet und nicht etwa nur verlautbart67. Zum anderen ist das Parlament im Staatsaufbau das Zahnrad für alle weiteren Legitimationsakte, womit auch seine zentrale Aufgabe als „Subjekt legitimatorischer Rückbindung aller staatlichen Gewalt an den Volkswillen“68 angesprochen ist69. Eine Legitimation am Parlament vorbei ist ausgeschlossen70. 59

Bäumlin, ZSR 1966, 165, 220 f. Kremmendahl, in: LZ für politische Bildung, Demokratie als Teilhabe, 19. Die in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG gleichfalls genannten Abstimmungen werden wegen ihrer untergeordneten Stellung hier nicht weiter behandelt. 61 Ausführlich zum Inhalt der Staatsgewalt im 2. Kapitel dieser Untersuchung. 62 Kriele, Staatslehre, 206; Emde, Demokratische Legitimation, 26, 29 f. 63 Emde, Demokratische Legitimation, 33. 64 Stein/Frank, Staatsrecht, § 8 II 3. Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, 207, spricht darum vom Grund-Grundprinzip. 65 Bodenheim, Kollision parlamentarischer Kontrollrechte, 103. 66 H. H. Klein, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 50, Rn. 1. 67 Gehrig, Parlament, Regierung, Opposition, 74 f. 68 Bodenheim, Kollision parlamentarischer Kontrollrechte, 103 f. 60

III. Die demokratische Legitimationsfunktion

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Die parlamentarische Legitimation findet primären Ausdruck in der parlamentarischen Entscheidung. Das Mehrheitsprinzip ist dabei das zentrale Mittel zur Herstellung von Entscheidungen im demokratischen Staat71. Folglich ist die demokratische Legitimation konstruktiv an eine Mehrheitsentscheidung geknüpft. Im allgemeinen genügt dazu die einfache Parlamentsmehrheit gemäß Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG, in Abhängigkeit vom Legitimationsobjekt können jedoch auch andere Mehrheiten erforderlich sein. Damit sind bereits wesentliche Strukturen des demokratischen Legitimationsvorgangs vorweggenommen. Sie sind vom Parlament auf alle anderen staatlichen Einrichtungen zu erweitern, soweit sie Staatsgewalt ausüben. Es wird einerseits erkennbar, daß demokratische Legitimation die Berechtigung voraussetzt, anstelle und für das Volk Staatsgewalt auszuüben, andererseits deren inhaltliche Bestimmung in einem Ableitungszusammenhang vom Volk. Insoweit ist von personeller und sachlicher Legitimation zu sprechen. 2. Die Verantwortungsstruktur als Bedingung für demokratische Legitimation Vor einer Konkretisierung der einzelnen Legitimationselemente und einer systematischen Zuordnung der parlamentarischen Kontrolle soll an dieser Stelle die demokratische Legitimation als ein den gesamten Staatsaufbau durchdringendes Prinzip näher beleuchtet werden. Dafür ist auf den bereits angesprochenen Zusammenhang von Legitimation und Rechtfertigung zurückzukommen. Rechtfertigung verweist auf den Begriff der Verantwortung. Dort wo Verantwortung besteht, geht es auch um Rechtfertigung. Der Legitimation entsprechend finden sich das personale Element des Verantwortlichen und das sachliche Element der „Verantwortung für etwas“. Staatsrechtlich gewendet ist zu folgern, daß Verantwortung für die Ausübung von Staatsgewalt auf ein Legitimationsbedürfnis hinweist. Die Verantwortung wird daher zum Ausgangspunkt der genaueren Bestimmung des Legitimationsprozesses72. Auf den ersten Blick scheint damit jedoch nicht viel gewonnen. Statt sich auf dogmatisch sicheres Terrain zu begeben, stellt man der unsicheren Kategorie der Legitimation einen Terminus zur Seite, der in uns eher moralische und phi69 Steffani, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 49, Rn. 143. Diese Feststellung mündet in die Frage, ob dem Parlament unter den staatlichen Gewalten eine in „Parlamentssuprematie“ mündende Vorrangstellung zuwächst. Siehe dazu 1. Kap., IV. 1. 70 Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, 74; ders., in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 16. 71 Gusy, AöR 106, 329, 330. 72 Etwas anders der Akzent bei Emde, Demokratische Legitimation, 341, der Verantwortung für ein Element der demokratischen Legitimation hält.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

losophische Assoziationen weckt, kurz: der dem Bereich des Sittlichen zuzuordnen ist73. Das bedeutet freilich nicht, daß sich mit ihm nicht ein gefestigter Inhalt verbindet. Tatsächlich liegt der Verantwortung ein Ordnungsdenken zugrunde, das in der Staatsorganisation weithin Anwendung findet, denn „daß politische Macht zu verantworten ist, ist Grundprinzip des modernen Rechtsstaats“74. Seine Bedeutung wird durch den Textbefund im Grundgesetz bestätigt: Während von Legitimation an keiner Stelle die Rede ist, finden sich für Verantwortung bzw. Verantwortlichkeit immerhin zehn Belege75. Dies gibt zugleich den weiteren Gang der Untersuchung vor: Zunächst ist Verantwortung in allgemeiner Sicht zu beleuchten, anschließend ist auf ihre demokratische Konkretisierung im Grundgesetz zu sprechen zu kommen.

a) Verantwortung als Ordnungsprinzip aa) Die begriffliche Zuordnung von Verantwortung und Verantwortlichkeit Verantwortung und Verantwortlichkeit sind nicht nur ähnlich lautend, sondern auch sinnverwandt und werden dementsprechend häufig gleichgesetzt76 oder zumindest ohne erkennbare Differenzierung verwendet77. Luhmann unterscheidet demgegenüber wie folgt78: Verantwortung entstehe allgemein durch die Pflicht, Entscheidungen treffen zu müssen. Die Verantwortlichkeit bezeichne hingegen, unter welchen Bedingungen aus einem fehlerhaften Handeln Konsequenzen erwachsen. Sie sei damit auf den Fall beschränkt, wenn es um die Verletzung der Pflicht zu fehlerfreiem Handeln gehe. Dem soll hier eine weitere Begriffsbildung vorgezogen werden, die das personale und das sachliche Element deutlicher aufnimmt und auch im Sprachgebrauch überzeugend ist79. Verantwortung besteht danach für ein eigenes Tun 73

Wilke, DÖV 1975, 509; Magiera, Parlament und Staatsleitung, 270. Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, 91. Ähnlich Vitzthum, Petitionsrecht, 47, der Verantwortung einen rechtlich geprägten Begriff nennt. 75 Dies sind die Präambel, Art. 20a; 23 Abs. 5 und 6; 28 Abs. 2; 34; 42 Abs. 3; 46 Abs. 1 und 2; 65; 143a Abs. 1; 143b Abs. 3 GG. Schon deshalb wird man sich kaum mit der Feststellung, Verantwortung sei lediglich ein heuristischer Begriff ohne dogmatische Bedeutung, begnügen können. Zu dieser Frage mit weiteren Nachweisen Kahl, Staatsaufsicht, 390, Fn. 300. 76 Wilke, DÖV 1975, 509, 512; E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 40 f. 77 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 650 (Personen- und Sachregister). 78 Luhmann, Fiktion und Folge formaler Organisation, 172. 79 Siehe zum folgenden bereits die Grafik zum verfassungsrechtlichen Verantwortungszusammenhang 1. Kap., III. 2. b). 74

III. Die demokratische Legitimationsfunktion

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und ist deshalb – Luhmann vergleichbar – an eine Entscheidungsmöglichkeit geknüpft. Diese betrifft zum einen die Frage, ob eine Entscheidung getroffen wird, und zum anderen, wie sie getroffen wird. Im Gegensatz dazu markiert Verantwortlichkeit das Verhältnis zwischen zwei Personen und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen. Die Personen können natürlicher, im weiteren Sinne juristischer oder metaphysischer Natur sein. Im folgenden ist daher zwischen dem sachlichen Bezug der Verantwortung und dem personalen Bezug der Verantwortlichkeit zu unterscheiden80. bb) Der Inhalt der Verantwortung Verantwortung spiegelt eine Verbindung von Freiheit und Verpflichtung. Dies setzt einerseits voraus, daß derjenige, der Verantwortung tragen soll, selbständige Entscheidungsbefugnisse hat81. Nur wo es echte Entscheidungsalternativen gibt, kann Verantwortung entstehen82. Diese Entscheidungsfreiheit wird andererseits erst durch die Entscheidungszuständigkeit begründet, die das verpflichtende Moment der Verantwortung bildet83. Sie stellt einen besonderen Entscheidungsstatus her, der die getroffene Entscheidung der bloßen kausalen Zurechnung enthebt. Der Verantwortungsumfang steht in Abhängigkeit von der Entscheidungszuständigkeit. Wenn eine Entscheidungspflicht besteht, folgt Verantwortung nicht nur aus positivem Tun, sondern auch aus dessen Unterlassung. Aus der Definition folgt zudem, daß keine Verantwortung entsteht, wenn dem Tun die Entscheidungsfreiheit ermangelt. Das ist der Fall, wenn eine materielle Bindung, etwa ein Auftrag, besteht. Eine eigene Entscheidung ist dann nur durch eine – unzulässige – Abweichung von der Bindung möglich. Regelmäßig liegt indessen eine Mischung aus Bindung einerseits und Entscheidungsfreiheit andererseits vor. Dabei gilt: Je größer die eigene Einwirkungsmöglichkeit ist, desto größer ist auch die Verantwortung84. Sie bestimmt sich nicht qualitativ, sondern rein quantitativ. Als Status für eine getroffene Entscheidung impliziert Verantwortung daher entgegen der negativen Konnotation im Sprachgebrauch noch kein Werturteil über ihren Inhalt85. 80 Ähnlich Lampe, in: ders., Verantwortlichkeit und Recht, 286, der in Verantwortung die Beziehung einer Person zu einem Gegenstand und in Verantwortlichkeit den Grund, weshalb die Person verantwortlich ist, sieht. 81 RhPfVerfGH NVwZ-RR 1994, 666, 669; Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 18; Scheuner, in: Ritterspach, Festschrift Müller, 379, 391. 82 BVerfGE 9, 268, 282 und HessStGH PersV 1986, 227, 231, im Anschluß an BayVerfGH 4, 30, 47; Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, 37. 83 Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, 32; Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 4; Schambeck, Die Ministerverantwortlichkeit, 8. 84 Gusy, ZRP 1998, 265, 267.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

cc) Der Inhalt der Verantwortlichkeit Die verantwortungsbegründende Entscheidungszuständigkeit besteht nicht nur als Pflicht der Aufgabenerledigung, sondern insbesondere als Verpflichtung gegenüber einer anderen Person. Mit der Verantwortung korrespondiert insoweit die Verantwortlichkeit gegenüber dem Verantwortungsgläubiger. Sie ist das Gegenstück zu dem Vertrauen, das mit der Übertragung der Entscheidungszuständigkeit eingeräumt wird86. In diesem Verhältnis wird ein besonderer Anspruch wirksam, der die Art der Aufgabenerledigung betrifft. Unbeschadet der Entscheidungsfreiheit besteht er in einer Erwartungshaltung, die auf Fehlerfreiheit gerichtet ist87. Sie wird anschaulich in einer Deutung Luhmanns, die den besagten Zusammenhang von Verantwortung und Entscheidung zum Inhalt hat88: Für ihn ist Verantwortung ein Merkmal aller Systeme, in denen Entscheidungen getroffen werden. Dabei handle es sich um ein Kommunikationsproblem, nämlich um Unsicherheitsabsorption. Für jeden Entscheidungsträger stelle sich nämlich die Notwendigkeit, auch in Unkenntnis aller Informationen handeln zu müssen, die für die einzig richtige Entscheidung erforderlich wären. Mit seiner Entscheidung gebe er folglich mehr Informationen vor, als er tatsächlich habe. Für diesen ungedeckten Informationswert übernehme der Entscheidungsträger die Verantwortung. Mit ihm verbinden sich die Kategorien von richtig und falsch. dd) Modalitäten der Verantwortlichkeit An diesen Grundtatbestand eines Verantwortlichkeitsverhältnisses knüpfen verschiedene Ausgestaltungen an, die häufig mit Verantwortlichkeit gleichgesetzt werden, hier aber im Interesse größtmöglicher Klarheit unterschieden bleiben sollen. (1) Rechenschaftspflicht Verantwortlichkeit geht über die Entscheidungszuständigkeit hinaus und berechtigt den Verantwortungsgläubiger zu einem Werturteil über die Verantwortung. Dies setzt eine Pflicht des Verantwortungsträgers zur Rechenschaftsable85 Vgl. dagegen Scheuner, in: Ritterspach, Festschrift Müller, 379, 385; Zippelius, in: Lampe, Verantwortlichkeit und Recht, 257, 263; differenzierend Höffe, in: Lampe, Verantwortlichkeit und Recht, 12, 14 f. 86 Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, 87; Masing, ZRP 2001, 36, 37. 87 Luhmann, Fiktion und Folge formaler Organisation, 172. Übertragen auf den staatlichen Zusammenhang ist hier gleichfalls der bedeutsame Gedanke des Amtes zu verorten. 88 Luhmann, Fiktion und Folge formaler Organisation, 172 ff.; ähnlich Scholz, VVDStRL 34, 145, 149.

III. Die demokratische Legitimationsfunktion

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gung voraus89. Erst ihr Hinzutreten läßt die bloße Verpflichtung zur Verantwortung werden. Sie wird nicht nur durch den Wortsinn der Verantwortlichkeit nahegelegt, nämlich Antwort zu geben, sondern kommt auch in der häufigen Wendung des sich Verantwortens zum Ausdruck90. Beispiel für eine staatsrechtliche Rechenschaftspflicht bildet Art. 43 Abs. 1 GG, wonach der Bundestag und seine Ausschüsse die Anwesenheit jedes Mitgliedes der (gemäß Art. 65 S. 1 und S. 2 GG verantwortlichen) Bundesregierung verlangen können91. (2) Sanktionen An der Rechenschaft entscheidet sich, ob der Verantwortungsträger „zur Verantwortung zu ziehen“ ist, ob mit anderen Worten Konsequenzen aus seiner Verantwortung zu ziehen sind. Damit ist der Bereich der Sanktionen angesprochen. Sanktionen sind kein notwendiger Teil der Verantwortlichkeit, können aber vorgesehen werden92. Sie sind in unterschiedlicher Form denkbar: Hinsichtlich ihres Objekts als Folge für die Person des Verantwortlichen, instrumentell als rechtliches oder politisches Mittel93. Zu unterscheiden sind Sanktionen von den Einwirkungsmöglichkeiten auf die noch zu treffenden Entscheidungen, da sie zeitlich stets nachfolgen. (3) Beeinflussungsrecht Der Entscheidungszuständigkeit kann ein Beeinflussungsrecht des Verantwortungsgläubigers gegenüberstehen94. Es handelt sich um einen zurückgehaltenen Entscheidungsvorbehalt, der die Rechenschaftspflicht zur Voraussetzung hat. An ihm verdeutlicht sich nicht nur ein Rangverhältnis in der Verantwortlichkeitsbeziehung, sondern auch das Motiv der Verantwortlichkeit, nämlich Macht zu übertragen, aber nicht abzugeben. Im Maße seiner Aktualisierung sinkt die Entscheidungsfreiheit des Verantwortungsträgers und damit seine Verantwortung zugunsten der des einflußberechtigten Verantwortungsgläubigers95. Folglich sind 89 Gehrig, Parlament, Regierung, Opposition, 25; Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, 35; Emde, Demokratische Legitimation, 341; Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 5 f., zu ihrem Inhalt, 19 f. 90 Zippelius, in: Lampe, Verantwortlichkeit und Recht, 257; Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, 94. 91 Im einzelnen dazu 1. Kap., V. 1. c) aa). 92 H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 37; Bahlmann, in: Badura, ZParlR 11, 573, 586 (Diskussion); differenzierend Wilke, DÖV 1975, 509, 512, der die sanktionsrechtliche Verantwortung neben die kompetenzrechtliche Verantwortung stellt. 93 Dazu Masing, ZRP 2001, 36 ff. 94 Ermacora, Allgemeine Staatslehre, 824 f. 95 Schwarze, DVBl. 1974, 893, 899.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

für das Ergebnis die Verantwortungsanteile zweier Personen zu unterscheiden. Dies wird unter dem Stichwort der Verantwortungsvermischung thematisiert und problematisiert96. Aus dieser Sicht steht das Beeinflussungsrecht dem Zweck von Verantwortung entgegen. Das Beeinflussungsrecht gehört nicht zu den zwingenden Elementen von Verantwortlichkeit, sondern ist nur eine besondere Form ihrer Ausgestaltung. (4) Ausnahme: Unabhängigkeit Das Gegenteil zu Rechenschaft, Sanktion und Beeinflussung ist die Unabhängigkeit bzw. Autonomie des Entscheidungsträgers. Mit zunehmender Unabhängigkeit kann sich Verantwortlichkeit bis auf bloße Entscheidungszuständigkeit reduzieren. Im gleichen Maße bedeutet unabhängig dann „nicht-verantwortlich“ 97. Die Unabhängigkeit kann sich auch auf eine der genannten Verantwortlichkeitsmodalitäten beschränken. Ob dies einem Ausschluß von Verantwortlichkeit gleichsteht, richtet sich nach deren Bedeutung für das jeweilige Verantwortlichkeitsverhältnis98. Im übrigen ist nicht ausgeschlossen, daß Verantwortlichkeit gegenüber einer anderen Person als dem konkreten „Verantwortungsgläubiger“ bestehen bleibt99. Eher mißverständlich und nicht damit zu verwechseln ist in diesem Zusammenhang der synonym gebrauchte Begriff der Eigenverantwortlichkeit. Verantwortlichkeit besteht prinzipiell nur im Hinblick auf Dritte100. Sich selbst gegenüber ist man hingegen frei. Insoweit handelt es sich um eine widersprüchliche Aussage, die auf eine Negation der Verantwortlichkeit gegenüber Dritten schließen läßt. Sie kann aber auch als Hinweis auf die für Verantwortlichkeit schlechthin erforderliche Entscheidungsfreiheit verstanden werden101. Eigenverantwortlichkeit steht dann nicht für Unabhängigkeit in einem absoluten Sinne, sondern für einen Vorbehaltsbereich eigener Entscheidungsbefugnisse102. Die Vorsilbe „Eigen-“ ist jedoch nur bedingt tauglich, die96

Siehe dazu im einzelnen 1. Kap., IV. 5. Wegen ihrer moralischen Konnotation soll hier von „Unverantwortlichkeit“ nicht die Rede sein. 98 Vgl. dazu Emde, Demokratische Legitimation, 341. 99 So auch im Ergebnis Ermacora, Allgemeine Staatslehre, 825, der die Verantwortlichkeit durch Unabhängigkeit nur auf ein Minimum reduziert oder verlagert sieht. 100 Eichenberger, in: Imboden/Bäumlin/ders., Festschrift Huber, 109, 118. Der notwendige Dualismus wird gleichfalls hergestellt, wenn die Verantwortlichkeit gegenüber dem Gewissen oder Gott besteht. 101 In diesem Sinne wohl Schröder, JuS 1986, 371; ähnlich H. Röhl, Die Verwaltung, Beiheft 2, 33, 39 f. 102 Bei Scholz, VVDStRL 34, 145, 149, steht Eigenverantwortlichkeit für einen prinzipalen Funktionsvorbehalt, den er aus der Gewaltenteilung ableitet. Es handelt sich offenbar um einen Kernbereich an Kompetenzen, die der öffentlichen Verwaltung zur verantwortlichen Erledigung stets verbleiben muß. Praktisches Beispiel dazu ist 97

III. Die demokratische Legitimationsfunktion

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sen Bedeutungsgehalt zweifelsfrei zu veranschaulichen, da sie sprachlich nicht auf Verantwortlichkeit hinweist, sondern diese eher zu verneinen scheint. ee) Verantwortlichkeitsketten Anhand dieser inhaltlichen Konkretisierungen lassen sich nun auch umfangreichere Verantwortlichkeitsbeziehungen genauer fassen. Dazu ist von einer Verantwortlichkeitskette von wenigstens drei Gliedern auszugehen. In ihr werden mehrere Verantwortlichkeitsverhältnisse planvoll aneinandergereiht, so daß das eine Endglied nur Verantwortungsgläubiger, das andere nur Verantwortungsträger ist. Alle Glieder dazwischen sind hingegen sowohl Verantwortungsgläubiger als auch -träger. Für diese entsteht Verantwortung nicht nur aus eigenem Tun, sondern auch aus der Übernahme von fremder Verantwortung. Dazu muß einem Verantwortungsgläubiger ein Beeinflussungsrecht auf das fremde Tun seines nachgeordneten Verantwortungsträgers eröffnet sein. Seine Wahrnehmung stellt sich als Entscheidung dar und begründet eigene Verantwortung des Verantwortungsgläubigers, so daß er gegenüber seinem Verantwortungsgläubiger zum Verantwortungsträger wird. In einer Verantwortlichkeitskette bestehen nunmehr folgende Möglichkeiten für die Verantwortungsverteilung: Wenn der Verantwortungsgläubiger eine Entscheidung seines nachgeordneten Verantwortungsträgers an sich zieht, wird nur er selbst, nicht aber der Verantwortungsträger verantwortlich. Das gleiche gilt in dem Maße, wie er die Entscheidungsfreiheit des Verantwortungsträgers einschränkt. Dessen Verantwortung bleibt auf seine verbleibenden Entscheidungsmöglichkeiten beschränkt. Soweit auch auf sie eine Einflußnahme möglich ist, die der Verantwortungsgläubiger aber nicht geltend macht, wird dieser gleichwohl verantwortlich, weil auch die Nichtentscheidung eine Entscheidung darstellt. Folglich trägt der Verantwortungsgläubiger Verantwortung bereits für die Möglichkeit der Einflußnahme. Umgekehrt kann er mittels ihrer Ausübung die Verantwortung seines nachgeordneten Verantwortungsträgers einschränken. Anders stellt sich die Situation für das Glied an der Spitze der Verantwortlichkeitskette dar, das nur Verantwortungsgläubiger ist, ohne selbst für seine Entscheidungen verantwortlich zu werden. Weder ist es verpflichtet, noch ist es selbst Rechenschaftspflichten oder Beeinflussungsrechten unterworfen. Die Verantwortlichkeitskette bildet wegen der Beeinflussungsrechte aller Glieder einen durchgehenden Zurechnungszusammenhang für die Verantwortung von unten nach oben. Dieser wird unterbrochen, wenn ein Glied in der Kette unabhängig ist. In diesem Fall kann die Verantwortung für dessen EntArt. 59 Abs. 2 S. 1 GG: Die Ausdehnung seines Anwendungsbereichs, also des parlamentarischen Mitwirkungsrechts, scheitert am Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung im Bereich der auswärtigen Gewalt (K. Hesse, Grundzüge, Rn. 534).

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

scheidung nicht auf das nächsthöhere Glied übertragen werden, so daß die Verantwortlichkeitskette ihre Funktion verliert. Das Beeinflussungsrecht muß hier zum wesentlichen Inhalt der Verantwortlichkeit gezählt werden. b) Die Verantwortung im Grundgesetz Mit der so getroffenen begrifflichen wie inhaltlichen Eingrenzung läßt sich der Begriff der Verantwortung staatsrechtlich fruchtbar machen und im Gesamtzusammenhang des Grundgesetzes konkretisieren103. Allgemein ist von einem verfaßten Gemeinwesen auszugehen, das nicht auf Herrschaft verzichtet. Die politische Führung eines solchen Staates setzt voraus, „daß der Wille jener, die verfassungsrechtlich die politischen Entscheidungen im Staat zu treffen haben, auf allen Ebenen der Staatstätigkeit auch tatsächlich vollzogen werde“. Als Mittel dazu dient die „Verantwortlichkeit jener Menschen, denen die Ausübung der staatlichen Macht anvertraut ist“, denn sie vermittelt „den Rückbezug der Gewaltausübenden zur Autorität und Souveränität im Staate“104, ohne aber Identität zwischen Herrschenden und Beherrschten herzustellen. Diese Vorstellung liegt auch dem Grundgesetz zugrunde. Die von ihm konstituierte demokratische und rechtsstaatliche Herrschaftsordnung macht erkennbare Verantwortlichkeit im Staat und insbesondere eine verantwortliche Regierung erforderlich105. „Die eindeutige Festlegung der politischen Verantwortung ist für das Funktionieren des parlamentarischen Regierungssystems völlig unentbehrlich“106. Darum ist es richtig, daß parlamentarische Verantwortlichkeit „essentielles Institut der repräsentativen Demokratie“107 ist. Staatsrechtliche Verantwortlichkeit ist dabei in verschiedener Hinsicht denkbar, was deren vielfältiger Gebrauch im Grundgesetz demonstriert. Im Hinblick auf die Herrschaftsorganisation besteht sie zum einen unmittelbar gegenüber dem Souverän im Staat. Daher bedeutet demokratische Verantwortlichkeit im weiteren Sinne, daß sich jedes Staatsorgan für die von ihm ausgeübte Staatsgewalt vor dem Volk rechtfertigen muß. Anknüpfungspunkt dafür ist Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG108. Jeder Amtsträger ist insoweit dem Volk direkt verantwort103

Magiera, Parlament und Staatsleitung, 271. Ermacora, Allgemeine Staatslehre, 824. 105 BVerfGE 9, 268, 281; 93, 37, 66 ff.; Schwarze, DVBl. 1974, 893, 894; Achterberg, Parlamentsrecht, 438; Emde, Demokratische Legitimation, 378. 106 Ritter, zitiert nach E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 36. 107 H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 38. Zur Herleitung Kunig, Rechtsstaatsprinzip, 173. 108 Diesem Gedanken sah sich auch der Entwurf im Parlamentarischen Rat zu Art. 21 Abs. 3 S. 2 (jetzt Art. 20 GG) verpflichtet: „Die Regierung ist dem Volk verantwortlich“ (Allg. Redaktionsausschuß, 16.11.1948, JöR 1, 199, bzw. 02.05.1949, JöR 1, 201). 104

Volk

Wahl

eigenes Tun

Verantwortlichkeit

eigenes Tun

Verantwortlichkeit

eigenes Tun

Zurechnung

Verantwortung

Verwaltung

Entscheidungsmöglichkeit

Inhalt/Maß

Zurechnung fremden Tuns

Einflußmöglichkeit

Zurechnung

Verantwortung

Regierung

Entscheidungsmöglichkeit

Inhalt/Maß

Zurechnung fremden Tuns

Einflußmöglichkeit

Zurechnung

Verantwortung

Parlament

Entscheidungsmöglichkeit

Inhalt/Maß

Verantwortlichkeit

Grafik zum Verantwortungszusammenhang

III. Die demokratische Legitimationsfunktion 39

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

lich, was nicht nur in § 35 Abs. 1 S. 1 BRRG, sondern auch darin zum Ausdruck kommt, daß richterliche Urteile „im Namen des Volkes“ ergehen109. Demgegenüber bezeichnet Verantwortlichkeit im engeren Sinn die konkreten Verantwortlichkeitsbeziehungen im gewaltenteilenden Staat, die erst mittelbar den Bezug zum Volk herstellen. Für sie ist Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG zu nennen. Um sie geht es im folgenden. aa) Überblick Das Grundgesetz enthält eine demokratische Verantwortungsstruktur, die den bereits abstrakt herausgearbeiteten Verantwortungsprinzipien entspricht. Ausgangspunkt und Spitze der Verantwortlichkeitskette ist das Volk, das nur Verantwortungsgläubiger ist, aber als Souverän selbst nicht verantwortlich wird110. Ihm ist der Bundestag, also das Parlament, als Verantwortungsträger unmittelbar nachgeordnet. Dessen Verantwortlichkeit wird durch Wahl begründet, die Verpflichtung besteht in der Vertretung des Volkes. Dabei wird Repräsentation zum Synonym eines besonderen Verantwortlichkeitsverhältnisses, das den Volksvertretern einerseits umfassende Entscheidungsfreiheiten einräumt, andererseits aber keine rechtlich wirksamen Sanktionen gegenüberstellt111. Die Neuwahl des Bundestages hat zwar sanktionierenden Charakter, stellt aber im eigentlichen Sinne die Neubegründung der Verantwortlichkeit dar. Von den verantwortungsbegründenden parlamentarischen Aufgaben wird in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG die Gesetzgebung hervorgehoben. Umgekehrt sind seine Aufgaben nicht darauf begrenzt, sondern primär an seiner Repräsentationsfunktion zu bemessen. Aus ihr folgt eine demokratische Allzuständigkeit, die jedoch durch die verfassungsmäßige Ordnung und insbesondere durch den Grundsatz der Gewaltenteilung ausgestaltet wird. Die Verantwortung des Parlaments entsteht einerseits aus der Wahrnehmung dieser Aufgaben, andererseits aus der Zurechnung fremder Verantwortung. Dafür kommt in erster Linie die Bundesregierung in Betracht, der gegenüber seinerseits ein Verantwortlichkeitsverhältnis besteht. Begründet wird es durch die Wahl des Bundeskanzlers, der wiederum zur Bildung der Regierung berufen ist. Aus der Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben, die plakativ als Staatsleitung umrissen werden können, erwächst ihre Verantwortung. Sie wird durch Art. 65 GG in besonderer Weise hervorgehoben und dem Bundestag in dem Maße zugerechnet, wie dessen Einflußmöglichkeiten darauf bestehen112. Die so zurechenbare Verantwortung der Bundesregierung ist noch 109

Zum letzteren Eichenberger, Richterliche Unabhängigkeit, 106. Scheuner, in: Ritterspach, Festschrift Müller, 379, 388. Dies gilt unbeschadet der in der Präambel genannten Verantwortung vor Gott und den Menschen, die auf einen metaphysischen bzw. praeterkonstitutionellen Bezugspunkt verweisen. Vgl. Huber, in: Sachs, Grundgesetz, Präambel, Rn. 35 f. 111 Badura, in: Lampe, Verantwortlichkeit und Recht, 246, 247. 110

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um die Verantwortung der ihr hierarchisch nachgeordneten Verwaltung nach dem gleichen Prinzip zu erweitern. Die Verantwortlichkeitskette endet damit bei dem Amtsträger auf der untersten Hierarchiestufe, der selbst nur für eigenes Tun, nicht aber durch die Zurechnung fremder Verantwortung verantwortlich wird, also nur Verantwortungsträger ist. Soweit zwischen allen Gliedern der Verantwortlichkeitskette ausreichende Einflußmöglichkeiten vorhanden sind, entsteht eine durchgängige Verantwortlichkeitskette vom Volk bis zum jeweils letzten Verantwortungsträger. Erst dadurch gewinnt die Verantwortlichkeit ihre eigentliche demokratische Bedeutung, denn nur dann gibt sie „der Autorität und Souveränität im Staate ein Mittel in die Hand zu verhindern, daß sich Gewaltausübende von dem Bereich der legitimen Machtausübung entfernen“113. Demokratische Verantwortlichkeit setzt ein Beeinflussungsrecht in jedem Verantwortlichkeitsverhältnis also zwingend voraus. Als einziger unmittelbarer Verantwortungsträger gegenüber dem Volk vermittelt der Bundestag diesen Zurechnungszusammenhang gegenüber allen anderen Staatsorganen. Dieser Umstand ist mit der Feststellung gemeint, daß das Parlament die Verantwortung anderer Verfassungsorgane für das Volk geltend mache114. bb) Rechtliche und politische Verantwortung Die verfassungsrechtliche Verantwortung läßt sich nicht nur zuordnen, sondern auch noch inhaltlich differenzieren115. Zum einen besteht sie als Verantwortung für gesetzmäßiges Handeln. Ihre Grundlage ist die verfassungsrechtliche Bindung des Bundestages an die verfassungsmäßige Ordnung und die der vollziehenden Gewalt sowie der Rechtsprechung an Recht und Gesetz, die in Art. 20 Abs. 3 GG konstituiert ist. Jeweils handelt es sich um Gesetze, die den genannten Verfassungsorganen durch ein höheres Glied in der Verantwortlichkeitskette vorgegeben werden. Wie bereits allgemein festgestellt, besteht im Rahmen dieser Gesetze keine Verantwortung für die Entscheidungsträger, so112 Daß das Parlament abweichend von Art. 56 S. 1 WRV in Art. 65 GG nicht mehr als Adressat der Verantwortung genannt wird, bedeutet dabei keinen sachlichen Unterschied (Schröder, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 65, Rn. 54). Im Parlamentarischen Rat war allerdings zunächst vorgesehen, Art. 20 Abs. 1 GG um den Halbsatz „deren Regierung den Volksvertretern verantwortlich ist“ zu ergänzen (Grundsatzausschuß, 11. Sitzung, 14.11.1948, Entwurf zu Art. 21 Abs. 1, JöR 1, 197 f.). 113 Ermacora, Allgemeine Staatslehre, 824, spricht insoweit von effektiver Verantwortlichkeit. 114 Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 11; Scheuner, in: Ritterspach, Festschrift Müller, 379, 395. Vgl. auch Ermacora, Allgemeine Staatslehre, 838. 115 Zum folgenden: Ermacora, Allgemeine Staatslehre, 833 f.; Schambeck, Die Ministerverantwortlichkeit, 24; Masing, ZRP 2001, 36 ff.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

weit die Entscheidungen durch sie bestimmt werden. Umgekehrt ist Verantwortung aber nicht ausgeschlossen. Selbst dann, wenn die gesetzesanwendende staatliche Stelle in ihrer Entscheidung durch ein Gesetz gebunden ist, entsteht ihre Verantwortung, indem sie entgegen dem Gesetz handelt. Verantwortungsbegründende Entscheidungsfreiheit kann also nicht nur im Rahmen der Gesetze bestehen, sondern auch in der Frage der Anwendung der Gesetze. Dieser Inhalt der Verantwortung ist nicht mit rechtlicher Verantwortung zu verwechseln116. Darunter wird im allgemeinen eine justizförmige Art der Geltendmachung von Verantwortung verstanden und verweist damit im eigentlichen Sinne auf ihre besondere Sanktionsform117. Darum soll, soweit es um die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit geht, im weiteren von Vollzugsverantwortung die Rede sein118. Im Beamtenrecht findet sich diese Verantwortung in § 38 Abs. 1 BRRG. Zum anderen und hier vorrangig ist die Verantwortung für dasjenige Handeln zu unterscheiden, das befugtermaßen über rechtliche Bindungen hinausgeht. In der Terminologie von Schmidt-Aßmann119 kann von Entfaltungsverantwortung und von Verantwortung für Programmverwirklichung gesprochen werden. Anders als die Fälle der Vollzugsverantwortung ist sie vorgesehene Freiheit und darum Kern der Verantwortungsstruktur. Auch wenn sich damit der Gedanke politischer Gestaltung verbindet, ist sie nicht mit der politischen Verantwortung gleichzusetzen120. Diese steht der rechtlichen Verantwortung gegenüber und bezeichnet im allgemeinen den rein politischen Charakter der Sanktion gegenüber dem Verantwortungsträger. Sie ist unabhängig vom jeweiligen Inhalt der Verantwortung und bezieht sich darum auch auf die Vollzugsverantwortung. Ausprägung der politischen Verantwortung ist im Grundgesetz das konstruktive Mißtrauensvotum gemäß Art. 67 Abs. 1 GG. cc) Die Verantwortungsstruktur der vollziehenden Gewalt An der vorgestellten Grafik zur verfassungsrechtlichen Verantwortungsstruktur fällt auf, daß in Abweichung von den drei Staatsgewalten die vollziehende Gewalt in Regierung und Verwaltung untergliedert ist, während die Judikative überhaupt keine Berücksichtigung findet. Diese Auswahl erfolgt im thematischen Vorgriff auf die zu beleuchtende Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, die sich auf die zweite Gewalt richtet. Die Unterscheidung 116

Vgl. Scheuner, in: Ritterspach, Festschrift Müller, 379, 386 ff. Zwingend ist eine justizförmige Geltendmachung rechtlicher Verantwortung ebensowenig wie eine persönliche Haftung. Ins Grundgesetz hat sie nur mit der Präsidentenanklage gemäß Art. 61 GG Eingang gefunden. 118 Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34, 221, 233. 119 Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34, 221, 233. 120 Badura, ZParlR 11, 573. 117

III. Die demokratische Legitimationsfunktion

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zwischen Regierung und Verwaltung begründet sich aus deren funktionalen Gliederung121. Unter dem Gesichtspunkt der Verantwortlichkeit bedarf es hier einer weiteren Differenzierung. (1) Die Verantwortungsstruktur der Regierung Gemäß Art. 62 GG besteht die Regierung aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern. Ihre Verantwortung wird durch Art. 65 S. 1 und S. 2 GG konkretisiert122. Danach trägt der Bundeskanzler die Verantwortung für die Richtlinien der Politik, während die Bundesminister ihre Geschäftsbereiche unter eigener Verantwortung leiten. Diese Formulierung darf nicht mit umfassender Unabhängigkeit der Minister verwechselt werden. Die Eigenverantwortlichkeit bezieht sich auf das Ressortprinzip, wonach die Ressortleitung von anderen Regierungsmitgliedern unabhängig ist123, schließt aber die Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament nicht aus124. Für die Verantwortlichkeitskette gilt zweierlei: Zum einen setzt Art. 65 GG voraus, daß der Bundestag Verantwortungsgläubiger der Regierung ist. Umgekehrt deutet sich aber auch an, daß ihm als unmittelbarer Verantwortungsträger für die vollziehende Gewalt nur die Regierung im Sinne von Art. 62 GG gegenübersteht. Staatssekretäre bzw. die nachgeordnete Verwaltung sind dem Bundestag damit nicht direkt verantwortlich125. Die Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers gegenüber dem Bundestag liegt in seiner Wahl begründet, mit der das Mandat zur Wahrnehmung der Regierungsaufgaben erteilt wird. Weil diese Aufgaben aber über die „Bestimmung der Richtlinien der Politik“ hinausgehen, besteht seine Verantwortung zumindest auch für die Kabinettsbildung gemäß Art. 64 GG sowie für Kollegialbeschlüsse der Regierung als „Akte der Gesamtleitung“126. Art. 65 S. 1 GG dient insoweit nicht der Verantwortungsbegrenzung des Bundeskanzlers, sondern deren Zuordnung innerhalb der Regierung. Seine Stellung ist die, wie es Anschütz formulierte, „eines nicht für die Einzelheiten, sondern für das Ganze verantwortlichen leitenden Staatsmannes“127. Der Zweck der Richtlinienkompetenz besteht in der Herstellung und Sicherung der Einheitlichkeit der Regierungstätigkeit. Im Ver121

Vgl. K. Hesse, Grundzüge, Rn. 530 ff., insbesondere Rn. 538. Dazu umfassend Kröger, Ministerverantwortlichkeit, passim. 123 Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 74. 124 Siehe dazu die Ausführungen zur Eigenverantwortlichkeit 1. Kap., III. 2. a) dd) (4). 125 Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 8, 109; E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 36. Zu Ausnahmen von diesem Grundsatz und seiner Begründung siehe das 3. Kapitel dieser Untersuchung. 126 Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 21, 31, 38. 127 Anschütz, Die Verfassung des deutschen Reichs, Art. 65, Anm. 1. 122

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

hältnis zur Verantwortung der Minister bedeutet sie deren Rahmen. In ihm erfüllen die Minister ihre Aufgaben selbständig und in eigener Verantwortung. Art. 65 GG wird insoweit von § 1 GO BReg konkretisiert. Demgegenüber ist die parlamentarische Verantwortlichkeit der Bundesminister nicht unumstritten128. Nach früherer Ansicht, die sich bis auf den parlamentarischen Rat zurückverfolgen läßt129, besteht diese Verantwortlichkeit nur für den Bundeskanzler, da nur er vom Parlament gewählt wurde. Die vom Bundeskanzler benannten Minister können folglich nur dem Bundeskanzler verantwortlich sein. Dies wäre dann richtig, wenn man das Verhältnis zwischen Bundeskanzler und Bundesminister als Teil des Hierarchiesystems mit der Richtlinienkompetenz als Weisungsrecht verstünde. Hinzu kommt das Argument, daß die parlamentarische Verantwortlichkeit im Mißtrauensvotum ihren Ausdruck finde130 und ein Sanktionsmittel des Parlaments zur Geltendmachung von Verantwortung mit dem konstruktiven Mißtrauensvotum gemäß Art. 67 GG nur gegenüber dem Bundeskanzler bestehe131. Die parlamentarische Ministerverantwortung darf allerdings nicht mit der ohnehin zweifelhaften Frage ihrer Geltendmachung gleichgesetzt werden132. Dazu wurde bereits festgestellt, daß die Verantwortung von den Sanktionsmitteln zu trennen ist. Maßgeblich ist vielmehr, daß der Bundeskanzler und die Bundesminister gemäß Art. 62 GG als Regierung zusammengefaßt werden. Ausweislich ihrer verfassungsrechtlichen Stellung kommt ihr besonderes Gewicht zu. Nicht die Frage der Wahl, sondern die Zugehörigkeit zu diesem Organ ist darum entscheidend. Art. 65 S. 2 GG bringt insoweit gerade die eigenständige Verantwortlichkeit der Bundesminister gegenüber dem Parlament zum Ausdruck. Andernfalls wäre die Regelung in dieser Form überflüssig. (2) Der Gegenstand der Regierungsverantwortung Die Regierungsmitglieder sind zunächst für den Eigenbereich der Regierung verantwortlich133. Damit sind ihre Entscheidungen als Organ der politischen Führung gemeint, in denen der Regierung ein besonderes Maß an Ermessen zukommt, das sie zugleich von der Verwaltung im übrigen unterscheidet134. Sie 128 Dazu Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 6; E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 27 ff.; Schröder, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 65, Rn. 54. 129 Nach schriftlichem Bericht des Parlamentarischen Rats bestehe „eigene Verantwortung des Bundesministers nicht als Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament, sondern gegenüber dem Bundeskanzler“, zitiert bei Badura, ZParlR 11, 573, 577. 130 BVerfGE 9, 268, 281. 131 Anders noch Art. 54 S. 2 WRV, wonach auch Ministern das Mißtrauen ausgesprochen werden konnte. 132 Emde, Demokratische Legitimation, 341. 133 Gusy, ZRP 1998, 265, 266 f.

III. Die demokratische Legitimationsfunktion

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gehören zu einem funktionalen Kern politischer Gestaltung, die der Regierungsverantwortung überlassen bleiben muß135. Verantwortung ist allerdings nicht auf politische Grundsatzentscheidungen beschränkt, also Akte, deren Entscheidungscharakter deutlich hervortritt. Die verantwortungsbegründenden Entscheidungen sind in einem umfassenden Sinn zu verstehen. Verantwortung entsteht also durch sämtliche Äußerungen und Betätigungen, die geeignet sind, politische Führung zu bestimmen oder zu beeinflussen. Wie schon im Verantwortungsschema beschrieben, wird der Regierung aber auch die Verantwortung der ihr nachgeordneten Verwaltung zugerechnet, soweit ihre Einflußmöglichkeit auf deren Aufgabenerledigung reicht136. Der organisatorische Rahmen dafür ist das Ministerialsystem, das an die in Art. 65 S. 2 GG angedeutete Ressortaufteilung anknüpft. Das Ministerialsystem ist das grundlegende Prinzip für den Aufbau der Exekutive137 und kann darum auch als Drehund Angelpunkt des staatlichen Aufbaus bezeichnet werden. Es wurde vom Grundgesetz vorgefunden und in den demokratischen Staatsaufbau integriert138. Die ministerielle Leitung der Verwaltung gilt als ein unverzichtbares Strukturelement der parlamentarischen Demokratie139. Seinen Namen trägt das Ministerialsystem, weil jeder Minister als Exekutivspitze in seinem Ressort an oberster Stelle steht. Jedes Ressort ist hierarchisch aufgebaut. Hierarchie bezeichnet dabei ein Prinzip vertikaler Gliederung arbeitsteiliger, formalisierter Leitungssysteme, nach dem die Gesamtheit der Aufgaben und Befugnisse zwischen den engeren Handlungseinheiten in einer festen Stufenfolge von oben nach unten angeordnet ist140. Die Tätigkeit jeder Stufe wird von der Spitze her beeinflußbar und über die jeweilige Zwischenstufe hinweg durchlaufend durch sie gesteuert. Hierarchie ist – mit den Worten Loeschelders141 – „ein notwendiges und zentrales Bauelement der staatlichen Exekutive, organisierter Staatlichkeit überhaupt“. Indem die hierarchische Struktur Regierung und Verwaltung verklammert, wird sichergestellt, daß alle selbständig gebildeten Verwaltungszweige im Regierungskabinett vertreten sind142. 134 Schambeck, Die Ministerverantwortlichkeit, 14; Bischoff/Bischoff, in: Schneider/ Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 54, Rn. 64. 135 BVerfGE 22, 106, 113. Vgl. V. Busse, DÖV 1989, 45 ff.; Scholz, VVDStRL 34, 145, 149, sowie hier bereits 1. Kap., III. 2. a) dd) (4). 136 Dies gilt im Prinzip auch für die mittelbare Staatsverwaltung, für die aber eine positive Zuordnung erforderlich ist. Siehe im einzelnen dazu 3. Kap., II. 4. 137 Wilke, DÖV 1975, 509, 511, Burgi, in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 51, Rn. 28. 138 Fichtmüller, AöR 91, 297, 301 ff. 139 Emde, Demokratische Legitimation, 338, unter Hinweis auf Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 69 ff. 140 W. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 68, Rn. 10, im Anschluß an Max Weber. 141 W. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 68, Rn. 3.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

Die Hierarchie beruht auf den Grundsätzen zur Verantwortung. Erst aufgrund des Zusammenhangs zwischen Entscheidung und Verantwortung ist nämlich der Aufbau einer hierarchischen Struktur möglich, in der jede Einzelstelle für ihren Beitrag zur Informationsverarbeitung durch Rechenschaftspflicht gegenüber dem Vorgesetzen verantwortlich gemacht werden kann143. Die Möglichkeit der Zurechenbarkeit wird im hierarchischen System formalisiert und zur Systemvoraussetzung. Zudem macht die Hierarchie eine Struktur materieller Zuständigkeiten notwendig144. Dadurch werden Aufgabe, Befugnis und Verantwortung einander korrelativ zugeordnet145. Mit der Formalisierung von Entscheidungsgängen in der Hierarchie wird erreicht, daß ein Mitglied im System einer Entscheidung nicht ausweichen kann. Die Notwendigkeit besteht darin, weil eine Nicht-Entscheidung nicht zu Nicht-Verantwortlichkeit führen darf. Auch die Nicht-Entscheidung wird daher zur Entscheidung, für die Verantwortung zu tragen ist. Als besondere Ausprägungen der Verantwortung sind mit dem hierarchischen System das Prinzip der Unteilbarkeit der Verantwortung, das Prinzip, daß Verantwortung nicht delegierbar ist, und das Prinzip der Übereinstimmung von Befugnis und Verantwortung verbunden146. In der Hierarchie ist das durch den Verantwortungsbegriff vorgegebene Erfordernis der Handlungsfreiheit durch ein eigenes Entscheidungsrecht jeder Hierarchiestufe einerseits, die Zuständigkeit für eine bestimmte Aufgabe andererseits verwirklicht. Hinzu tritt das Weisungsrecht der übergeordneten Hierarchiestufe, das als Einflußmöglichkeit die Zurechnung der Verantwortung auf die jeweils höhere Stufe gewährleistet147. Das Weisungsrecht, das sich etwa in § 37 BRRG findet, besteht im Verhältnis zwischen Vorgesetztem und Untergebenem148. Es nimmt seinen Anfang beim Minister als Ressortchef und durchläuft die gesamte Verwaltungshierarchie. Die Verantwortung jedes Amtswalters besteht nach Maßgabe der Weisung, mit der sich die Verantwortung auf die übergeordnete Stufe überträgt149. Folglich setzt sich die Verantwortung für eine Entscheidung von der unteren Entscheidungsstelle bis zur Hierarchiespitze fort, durchläuft also die gesamte Hierarchie. Dem Weisungsrecht von oben nach unten entspricht die Übernahme der Verantwortung von unten nach oben. Verantwortung besteht dementsprechend in erheblichem Maße auch für Unterlassen, da fehlerhaftes Handeln regelmäßig auf das Fehlen entsprechender Weisungen zurückgehen 142 Emde, Demokratische Legitimation, 339; W. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 68, Rn. 40. 143 Luhmann, Fiktion und Folge formaler Organisation, 179 f. 144 Schambeck, Die Ministerverantwortlichkeit, 8; Gusy, ZRP 1998, 265, 266 f. 145 Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 115. 146 Vgl. Luhmann, Fiktion und Folge formaler Organisation, 180 f. 147 Eingehend zu Bedeutung und Inhalt des Weisungsrechts 3. Kap., II. 3. a). 148 Zu diesem Verhältnis BVerfGE 83, 60, 73. 149 W. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 68, Rn. 92 ff.

III. Die demokratische Legitimationsfunktion

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wird. Für die parlamentarische Verantwortung der Minister wird damit deutlich: Ihre Verantwortung kann nur bestehen, wenn echte Leitungsbefugnis besteht150. Der Umfang ihrer Verantwortung reicht ebenso weit wie das Weisungsrecht in der Verwaltungshierarchie. Umgekehrt folgt aus diesem Zusammenhang, daß für diejenigen Verwaltungsbereiche innerhalb der ministeriellen Ressorts, die der ministeriellen Leitung entzogen sind, auch keine Verantwortungszurechnung möglich ist151. Damit ist das Problem der sogenannten ministerialfreien Stellen angesprochen, das an späterer Stelle noch zu vertiefen ist152. Die Hierarchie ist also einerseits ein Gliederungsmittel, das der eindeutigen Zuordnung von Verantwortung dient, andererseits ist sie das Steuerungsmittel zur Weiterleitung von Tätigkeitsimpulsen, zur Rückkoppelung und zur Verbindung von Zielsetzung und Zielverwirklichung153. Die Menge aller Entscheidungen am unteren Hierarchieende bilden den Umfang der Verantwortung an der Hierarchiespitze. Das Ministerialsystem beruht auf diesem Zusammenhang. Die Verantwortung der Minister als Exekutivspitze erstreckt sich folglich auf den gesamten Bereich der unterstellten Verwaltung154, für die Aufsichts- bzw. Weisungsbefugnisse bestehen. Dies sind zum einen die nachgeordneten Bundesbehörden, zum anderen die mit der Ausführung der Bundesgesetze beauftragten Landesbehörden gemäß Art. 84, 85 GG155. Der Unterschied zwischen Regierung und Verwaltung stellt sich wie folgt dar: Während die Verwaltung stets nur Teilverantwortung trägt, hat die Regierung Gesamtverantwortung156. In der Verwaltung besteht die Rechenschaftspflicht nur gegenüber dem Vorgesetzten, die der Regierung gegenüber dem Parlament. Das Tun der Verwaltung ist auf die Verwaltungsspitze bezogen. Die Regierung ist aber darüber hinaus noch Organ der Staatsleitung. (3) Verantwortung für Unterlassen Mit dem Unterlassen ist ein weiterer strittiger Punkt anzusprechen, der für den Umfang der Verantwortung entscheidend ist. Daß auch das Nichthandeln ministerielle Verantwortung begründen kann, ist offensichtlich157. Das gilt 150

Loening, DVBl. 1954, 173, 176. E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 37. 152 Siehe dazu das 3. Kapitel dieser Untersuchung. 153 W. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 68, Rn. 27; Papier, in: Kloepfer, Seminar Bettermann, 33, 36. 154 Gusy, ZRP 1998, 265, 266 f.; Bischoff/Bischoff, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 54, Rn. 64. 155 Kröger, Ministerialverantwortlichkeit, 77. 156 W. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 68, Rn. 26, 87; Schambeck, Die Ministerverantwortlichkeit, 14 f. 157 BVerwGE 101, 323, 326. 151

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

grundsätzlich auch für die Wahrnehmung der Aufsicht. Unklar ist hingegen, ob die Kenntnis über das Fehlverhalten im Ressort dafür eine Voraussetzung bildet. Für die Verwaltungshierarchie wurde bereits festgestellt, daß aufgrund des formalisierten Systems auch eine Nicht-Entscheidung zur Entscheidung wird. Aber ist dies auf die Nichtausübung von Leitungsrechten übertragbar? Kann dies für die ministerielle Verwaltungsspitze gelten, in der die Verantwortung eines ganzen Ressorts kumuliert? Nach Herzog scheidet die Verantwortung aus, wenn es keinen Fehler bei der Beaufsichtigung untergeordneter Stellen gab158. Zurechnung wird hingegen angenommen im Fall eines Organisationsmangels oder der Billigung des Verwaltungshandelns159. Problematisch ist an diesem Ansatz zunächst die Verengung auf ein Fehlverhalten. Sie macht den Tatbestand der Verantwortung in unzulässiger Weise von einem Werturteil abhängig. Demgegenüber wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Beurteilung darüber in die Hand des Verantwortungsgläubigers gelegt ist und nicht für das Vorhandensein von Verantwortung maßgeblich ist. Der richtige Ansatz für die Verantwortung für Unterlassen lautet darum, ob eine Überwachungspflicht bestand, deren Nichtausübung der Verantwortung für eine tatsächliche Weisung gleichsteht. Dafür muß man sich den Zweck der Verantwortlichkeit und des darauf basierenden Ministerialsystems vor Augen führen160: Sie dienen dazu, einen politischen Adressaten zu benennen. Sie von den persönlichen Konsequenzen her zu konzipieren bedeutet hingegen, Verantwortungslücken in Kauf zu nehmen161. Die Argumentation für ein persönliches Zurechnungserfordernis widerspricht nicht nur dem formalisierten System, sondern scheint zudem auf einem Mißverständnis zu beruhen: Der Minister steht nicht für ein fremdes Fehlverhalten ein, denn aufgrund seines Weisungsrechts ist das eigene Handeln der Anknüpfungspunkt. Problematisch ist daher nicht die Billigung der Handlung einer untergeordneten Stelle, sondern die fehlende Weisung in Folge mangelnder Kenntnis einer Weisungsnotwendigkeit. Die Verantwortung dafür besteht aber unabhängig von persönlicher Zurechenbarkeit. Der Vergleich mit einer Gefährdungshaftung ist durchaus berechtigt162.

158 Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 65, Rn. 93 ff.; ebenso E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 40. 159 Angeführt bei Schröder, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 65, Rn. 57. 160 Ritter, zitiert bei Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 19, und E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 36; Badura, ZParlR 11, 573, 577. Siehe auch Gusy, ZRP 1998, 265, 266 f. 161 Schröder, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 65, Rn. 57. 162 Vgl. Zippelius, in: Lampe, Verantwortlichkeit und Recht, 257, 264; Schüler, in: Badura, ZParlR 11, 573, 585 (Diskussion).

III. Die demokratische Legitimationsfunktion

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dd) Die Verantwortungszurechnung zwischen Parlament und Regierung Das Verantwortlichkeitsverhältnis zwischen Parlament und Regierung ist durch Gesetzgebung und parlamentarische Kontrolle geprägt. Beide sind parlamentarische Einwirkungsmittel, deren Wechselbeziehung für die Zurechnung der Regierungsverantwortung maßgeblich ist. Im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG trägt die Regierung keine Verantwortung, soweit ihr Handeln durch Gesetz gebunden ist. Der Grund ist einleuchtend: Der Inhalt des Gesetzes beruht auf einer parlamentarischen Entscheidung. Für sie trägt das Parlament bereits die Verantwortung, die zugleich alle weiteren Entscheidungen mit diesem Inhalt umfaßt. Für die Zurechnung von Bedeutung ist diejenige Verantwortung, die bei der Regierung jenseits der Gesetzesbindung entsteht. Als Mittel zur Herstellung des für sie erforderlichen Verantwortungszusammenhangs läßt sich nunmehr zwanglos die parlamentarische Kontrolle benennen. Ihre demokratische Funktion erweist sich darin, die Verantwortungskette an dieser Stelle zu schließen. Aus den bisher formulierten Bedingungen ist zu folgern, daß sie ein Beeinflussungsmittel sein muß, das geeignet ist, die Verantwortung der Regierung auf das Parlament überzuleiten. Die dazu verfassungsrechtlich wirksamen Mechanismen, ihre Voraussetzungen und Instrumente sind im weiteren Verlauf dieser Untersuchung noch eingehend zu erörtern. An dieser Stelle soll es genügen, die Funktion der parlamentarischen Kontrolle in der staatlichen Verantwortungsstruktur benannt zu haben. ee) Exkurs: Die Verantwortung der Judikative Die Judikative nimmt ob ihrer verfassungsrechtlichen Unabhängigkeit gemäß Art. 97 Abs. 1 GG eine Sonderstellung ein. Unabhängigkeit bedeutet zunächst, über die Bindung an Recht und Gesetz hinaus keinen Weisungen ausgesetzt zu sein. Weil zudem die mittelbare Einflußnahme über personale Abhängigkeit ausgeschlossen ist, kann nur von Verantwortlichkeit im weiteren Sinn gesprochen werden163. Die Unabhängigkeit wird jedoch funktional durch die strenge Gesetzesbindung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG ergänzt, so daß sich ihre Bedeutung für den Zurechnungszusammenhang relativiert. Rechtsprechung ist auf Rechtmäßigkeitsprüfung anhand gesetzlicher Maßstäbe angelegt. Die Verantwortung für den Inhalt der Gesetze liegt beim Parlament. Daher wächst den Richtern „eigene Verantwortung“ vorwiegend für gesetzwidrige Entscheidungen, für Gesetzesauslegung sowie im Bereich der Rechtsfortbildung zu. Der hier maßgebliche Unterschied zur Verwaltung besteht darin, daß die Unab163

Siehe dazu 1. Kap., III. 2. b).

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

hängigkeit der Richter einer Verantwortungszurechnung entgegensteht164. Auf die Begründung, wie sich dies mit Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG vereinbaren läßt, ist an späterer Stelle zurückzukommen165. 3. Das Legitimationsmodell: Elemente der demokratischen Legitimation Die Darstellung der Verantwortlichkeitsstruktur dient als Grundlage für eine genauere Beleuchtung des für Art. 20 Abs. 2 GG erforderlichen Legitimationsvorgangs, mit dem sichergestellt wird, daß alle Staatsgewalt im Rahmen der Gewaltengliederung vom Volke ausgeht. Von demokratischer Legitimation der Staatsgewalt ist zu sprechen, wenn sich für deren Ausübung die Verantwortungszurechnung zum Volk realisiert166. Weil sich Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG auf alle Staatsgewalt erstreckt, muß jeder Akt der Staatsgewalt vor dem Volk verantwortet werden. Daraus folgt als Grundsatz, daß das Grundgesetz keine Herrschaft ohne Verantwortung kennt167. Das Gebot demokratischer Legitimation ist dementsprechend umfassend. Die Bedingungen der Verantwortungszurechnung lassen sich im Bereich der Exekutive einzelnen Legitimationsmodi zuordnen, die in ihrem Zusammenwirken das verfassungsrechtliche Legitimationsmodell bilden. Im Hinblick auf den Verantwortungsträger ist von personeller Legitimation, bei der ihm zugewiesenen Aufgabe ist von institutionell-funktioneller Legitimation zu sprechen. Für die in diesem Rahmen zu verantwortenden Entscheidungen gilt schließlich die Sachlegitimation. Bereits an dieser Stelle muß darauf hingewiesen werden, daß dieses Legitimationsmodell und sein Geltungsanspruch zunehmend in Frage gestellt werden168. Weil sich die Kritik jedoch noch nicht zu einem alternativen Legitimationskonzept verdichtet hat, sondern stets auf Einzelaspekte bezogen ist, soll sie nicht in abstrakter Form dargestellt werden. Richtiger erscheint es, ihre Argumente in ihrem konkreten Kontext zu diskutieren, sobald sie sich im Rahmen dieser Untersuchung stellen. 164 Die Rechtsfortbildung führt aber zugleich zu der Frage, ob nicht auch das Parlament als Gesetzgebungsorgan Verantwortung dafür trägt, daß es die zur Entscheidung verpflichteten Richter nicht mit den dafür nötigen Gesetzen versorgt hat (C. Starck, VVDStRL 34, 43, 87). 165 Siehe dazu 3. Kap., VII. 3. a) bb). 166 BVerfGE 83, 60, 72. 167 K. Hesse, VVDStRL 17, 11, 42; Kriele, VVDStRL 29, 46, 60; Emde, Demokratische Legitimation, 327; Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 243, 247; Schwarze, DVBl. 1974, 893, 894. 168 Hanebeck, DÖV 2004, 901 ff.; Blanke, KJ 1998, 452 ff.; ders., in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, 32 ff.; Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, 59 ff.

III. Die demokratische Legitimationsfunktion

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a) Die institutionell-funktionelle Legitimation Die institutionell-funktionelle Legitimation169 macht bereits begrifflich deutlich, daß ihr Bedeutungsgehalt kein einheitlicher ist. In institutioneller Hinsicht geht es um den organisationsrechtlichen Bestand der zur Entscheidung berufenen Stelle. Demgegenüber wird mittels der funktionellen Legitimation der Aufgabenbereich geregelt, für den die Zuständigkeit besteht. Jedoch rechtfertigt der systematische Bezug die begriffliche Zusammenfassung. Die institutionell-funktionelle Legitimation der drei Staatsgewalten erfolgt durch die pouvoir constituant im Grundgesetz selbst. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG ist ihr normativer Anknüpfungspunkt170. Zwar handelt es sich dabei um den bedeutendsten Fall, die institutionell-funktionelle Legitimation ist aber nicht auf die Gewaltenteilung beschränkt171, sondern auch in einfachgesetzlichen Regelungen über jedes andere staatliche Organ, das Staatsgewalt ausübt, enthalten172. Die zuvor erläuterten Verantwortlichkeitsbedingungen haben hinreichend deutlich gemacht, daß die Zuständigkeit eine hervorgehobene Bedeutung hat, die es rechtfertigt, als gesonderter Legitimationsbestandteil ausgewiesen zu werden. Dabei geht es weder allein darum, „eigenständige, je für sich demokratisch legitimierte Staatsgewalten“173 zu konstituieren, noch um die Ersetzung personeller und sachlicher Legitimation174, sondern allgemein um eine Zuordnung staatlicher Aufgaben zu ihren Trägern zur eigenständigen Wahrnehmung. Auch erscheint es verkürzt, sie zum bloßen Annex der personellen oder materiellen Legitimation zu erklären oder ihren demokratischen Gehalt in Frage zu stellen175. Diese Auffassung beruht auf einer nicht hinreichenden Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Legitimationselementen 176. Der Grund dafür ist darin zu vermuten, daß die institutionell-funktionelle Legitimation nicht nur die „umstrittenste“177, son-

169 Gleichbedeutend damit ist die organisatorisch-funktionelle Legitimation, vergleiche Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 33 f. 170 BVerfGE 49, 89, 125; Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 15; Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 676. 171 So aber Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 357 f. Nach Auslegung Waechters, Geminderte demokratische Legitimation, 33 f., auch Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 15. 172 Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 34; erweiternd wohl auch Tettinger/Mann, in: dieselben/Salzwedel, Wasserverbände, 1, 19; Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 562. 173 Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 676. 174 Jestaedt, Kondominialverwaltung, 279 mit Fn. 63. 175 So aber Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 357 f.; Weisel, Privatisierung und Beleihung, 125 f. 176 Unter dem Stichwort des Legitimationsniveaus führt dies zu deren fast beliebigen Austauschbarkeit. Vgl. Mehde, Neues Steuerungsmodell, 503. Ausführlich dazu 3. Kap., V. 3. a). 177 Mehde, Neues Steuerungsmodell, 179.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

dern auch die am wenigsten erforschte unter den anerkannten Modi demokratischer Legitimation ist. Gerade der Aufgabenbestimmung eignet eine demokratische Dimension, die an dieser Stelle zwar noch nicht ausgeführt, aber zumindest angedeutet werden kann178. Mit ihr wird der Inhalt der demokratischen Aufgabenerledigung abgesteckt, so daß sie zugleich zum Rahmen der anderen Legitimationsstränge wird179. Hier wird der Grundstein dafür gelegt, daß die Organisationsstruktur des Staates mit seiner Legitimationsstruktur zusammenfällt180. Schon daraus erklärt sich, weshalb die institutionell-funktionelle Legitimation an erster Stelle zu nennen ist. b) Die personelle Legitimation Die personelle demokratische Legitimation181 betrifft die mit der Ausübung von Staatsgewalt betrauten Amtswalter. Sie wird herkömmlich als Teil einer Legitimationskette gedeutet, die auf das Volk zurückführen muß182. Von personeller Legitimation kann daher nur gesprochen werden, wenn die Einsetzung von einem Organ ausgeht, das seinerseits über personelle Legitimation verfügt183. Zur Begründung könnte man wiederum auf Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG zurückgreifen: Denn wenn es darauf ankommt, daß sich der Inhalt aller Staatsgewalt vom Volk ableiten läßt, dann ist es nicht weniger wichtig zu bestimmen, wer die Staatsgewalt für das Volk ausübt. Einleuchtender läßt sich dies jedoch auch hier anhand des Verantwortungsgedankens darstellen. Das Verantwortlichkeitsverhältnis wird durch die individuelle Übertragung einer materiellen Entscheidungszuständigkeit an einen Entscheidungsträger begründet184. Auf diesem Weg wird die für Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG erforderliche Verantwortlichkeitskette 178

In einzelnen dazu 3. Kap., VII. 2. b) bb). Vgl. Wilke, DÖV 1975, 509, 513, im Hinblick auf die Zuständigkeit als Bedingung für Verantwortung, sowie Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 364 f. Im Ergebnis vertreten dies auch die Gegner der institutionell-funktionellen Legitimation, sie bestreiten jedoch, daß die Einrichtung der Gewaltenteilung durch die pouvoir constituant selbst einen demokratischen Gehalt hat, dazu insbesondere Jestaedt, Kondominialverwaltung, 279. 180 Emde, Demokratische Legitimation, 42. 181 Gleichbedeutend damit ist die „organisatorisch-personelle demokratische Legitimation“ bei Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 14, 16. 182 BVerfGE 47, 253, 275; 49, 89, 125; 83, 60, 73; 93, 37, 67 f.; Emde, Demokratische Legitimation, 42 f.; Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 360; Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 16 ff. 183 Vgl. zum Problem der Beteiligung nichtlegitimierter Mitglieder eines Kollegialorgans an Auswahlentscheidungen Mehde, Neues Steuerungsmodell, 181 f. 184 Grundlegend Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20, II, Rn. 52 f. Anderer Ansicht zum „Prinzip der individuellen Bestellung der Amtswalter“ neuerdings Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 373 ff; Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 551 f. Deren Ansatz einer durch Parlamentsgesetz vermittelten kollektiven personellen Legitimation für die funktionale Selbstverwaltung ist aber mit der institutionell-funktionellen 179

III. Die demokratische Legitimationsfunktion

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aufgebaut, die den Zurechnungszusammenhang zum Volk ermöglicht. Weil sie beim Volk ihren Ausgangspunkt hat, kann die Erweiterung der Verantwortlichkeitskette selbst nur durch ihr bereits angehörende, also personell legitimierte Entscheidungsträger vorgenommen werden. Darüber hinaus muß die Einsetzung eines neuen Verantwortungsträgers noch zu deren Entscheidungszuständigkeit gehören185. Gleichwohl werden Zweifel an der „legitimatorischen Wirkung aus Ernennungsakten“186 geäußert. Sie beruhen im wesentlichen auf der Länge der Legitimationsketten, der nur begrenzten Auswahlmöglichkeit unter den Bewerbern und deren Ernennung auf Lebenszeit. Dagegen spricht jedoch, daß es bei der personellen Legitimation weniger um die Auswahl eines Bewerbers nach Kriterien geht, in denen der Wille des Volkes auch in Legitimationsketten und über einen langen Zeitraum wirksam bliebe, zumal richtigerweise auf die Schranken des Art. 33 Abs. 2 GG hingewiesen wird. Aus dem Verantwortungsgedanken folgt, daß die personelle Legitimation noch keine Gewähr für die sachliche Legitimation von Staatsgewalt, sondern nur eine ihrer Voraussetzungen ist187. Mit ihr wird das Verantwortlichkeitsverhältnis begründet, das die Zurechnung konkreter Verantwortung möglich macht. Mit der individuellen Einsetzung verbindet sich darum ein eigenständiger verfassungsrechtlicher Wert, der gar nicht den Anspruch weitergehender Wirkung erhebt. Der Kritik liegen hingegen Vorstellungen zugrunde, die die demokratische Legitimation in die Nähe eines quasi-identitären Demokratieersatzes rücken oder hier zumindest einen Teil sachlicher Legitimation vorwegnehmen wollen188. Das Scheitern eines solchen Modells im Praxisvergleich kann nicht als Argument gegen das demokratische Legitimationsmodell gewendet werden. Unter den hier beschriebenen Voraussetzungen ist jeder Verantwortungsträger für die Ausübung von Staatsgewalt persönlich legitimiert. Der repräsentativ-demokratischen Ausprägung des Grundgesetzes folgend geht die personelle Legitimation mittelbar vom Volk aus und führt auch hier stets über das Parlament als Legitimationsmittler.

Legitimation identisch, so daß diese Ansicht im Kern die personelle Legitimation entfallen läßt. 185 Zur Legitimationsbefugnis Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 362. 186 Mehde, Neues Steuerungsmodell, 503 ff.; ders., Verw.Archiv 91, 540, 552 f., 554. Ähnlich das OVG NW NWVBl. 1996, 254, 259, das die personelle Legitimationskette „eher bedeutungslos“ nennt. Im Anschluß daran Fisahn, KritV 1996, 267, 270 f. 187 Emde, Demokratische Legitimation, 332. 188 So das OVG NW NWVBl. 1996, 254, 259, das seine Kritik an der personellen Legitimation damit begründet, daß aus der Übertragung des Amtes keine demokratische Legitimation der Amtsführung erwachsen könne.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

c) Die Sachlegitimation Institutionell-funktionelle und personelle Legitimation dienen der Konstituierung der demokratischen Verantwortlichkeitsstruktur zwischen den staatlichen Organen. Sie bildet den Rahmen, in dem die Verantwortung für die Ausübung von Staatsgewalt dem Volk zugerechnet werden kann. Von Sachlegitimation ist zu sprechen, wenn diese Zurechnung erfolgt. Auf die dazu erforderlichen Bedingungen wurde bereits hingewiesen. Auch hier ist eine Legitimationskette erforderlich, in der sich Verantwortung – abhängig von der Stelle, wo sie entsteht – von unten nach oben überträgt. Dabei hat jedes Bindeglied, über das sich die Zurechnung vollzieht, Legitimationsfunktion. Auf diesem Weg läßt sich demokratische Legitimation auch im ergänzenden Zusammenwirken der Staatsgewalten relativ sicher zuordnen. aa) Grundlage: Die demokratische Legitimation parlamentarischer Entscheidungen Ausgangspunkt der Staatsgewalt bzw. Endpunkt ihrer Zurechnung ist das Volk. Ihm unmittelbar nachgeordnet in der Legitimationskette ist das Parlament. Wie schon bei der personellen Legitimation hat es als Repräsentationsorgan auch für sämtliche Vorgänge demokratischer Sachzurechnung eine hervorgehobene Bedeutung. Die Parlamentsfunktionen treten im Grundgesetz zum überwiegenden Teil deutlich hervor, so daß die demokratische Legitimation der von ihnen ausgehenden Staatsgewalt schwerlich bestritten werden kann. Der Versuch, sie anhand der Verantwortlichkeitsstruktur zu erklären, führt jedoch zu Problemen. Zutreffend ist hier die Feststellung, der Begriff der Repräsentation diene auch dem Zweck, die Frage nach dem Zustandekommen der Legitimation zu verdecken189. Die Parlamentswahl ist die im Grundgesetz vorgesehene Form personeller Legitimation durch das Volk. Ein auf parlamentarische Sachentscheidungen gerichtetes Beeinflussungsrecht, das die Verantwortungszurechnung ermöglicht, besteht hingegen nicht und wird durch Art. 38 Abs. 1 GG sogar ausdrücklich ausgeschlossen190. Als Alternative dazu ist der Druck der öffentlichen Meinung in Erwägung zu ziehen, dem die Abgeordneten zweifellos ausgesetzt sind191. Sie trägt maßgeblich zur Staatswillensbildung bei und ist insbesondere mittels

189 Dazu W. Schmidt, VVDStRL 33, 183, 211; ebenso Meyer, VVDStRL 33, 146 (Aussprache). Ähnlich schon Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 30 f. 190 Eindeutig stellt Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 40, darum die Unverantwortlichkeit der unabhängigen Abgeordneten gegenüber den Wählern fest. 191 Eingehend zur demokratischen Bedeutung der öffentlichen Meinung 1. Kap., III. 4.

III. Die demokratische Legitimationsfunktion

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der Kommunikationsgrundrechte abgesichert. In der Verfassungswirklichkeit nimmt sie unter dem Stichwort der Mediendemokratie bisweilen plebiszitär-demokratische Züge an192. Dagegen spricht jedoch, daß der ihr zugrundeliegende gesellschaftliche Impuls im Gegensatz zu den demokratischen Egalitätsanforderungen steht und sich weder mit dem demokratischen Mehrheitserfordernis noch mit dem Prinzip der parlamentarischen Repräsentation in Übereinstimmung bringen läßt. Schon deshalb kann die öffentliche Meinung keine demokratische Sachlegitimation vermitteln193. Statt dessen sind die Zurechnung innerhalb der Verantwortlichkeitskette und das Verhältnis zwischen Volk und Parlament im besonderen zu unterscheiden. Nach erstem Anschein ist die Verantwortungszurechnung zum Volk nicht möglich, wurde doch in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Verantwortlichkeitskette durch Unabhängigkeit unterbrochen wird. Dies beträfe hier nicht nur die demokratische Legitimation parlamentarischer Entscheidungen, sondern auch die gesamte dem Parlament nachfolgende Legitimationskette. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG gebietet indessen ein durchgängiges Beeinflussungsrecht zur Zurechnung der Verantwortung zum Volk. Wohlgemerkt: Es ist erforderlich, damit ein Verantwortungsgläubiger innerhalb der Verantwortlichkeitskette selbst verantwortlich wird. Das Volk steht jedoch an der Spitze der Verantwortlichkeitskette und bleibt Verantwortungsgläubiger, ohne selbst Verantwortung übernehmen zu müssen194. Eine Zurechnung ist demnach nicht notwendig, so daß die Unabhängigkeit des Parlaments nicht zu einer Unterbrechung der Verantwortlichkeitskette führt. Diese muß folglich nicht das Volk einschließen, sondern nur unmittelbar bis zum Volk reichen. Es ändert nichts an dem Prinzip, daß alle Staatsgewalt durch das Parlament vor dem Volk verantwortet wird, sondern betrifft die Frage, wie die Verantwortung des Parlaments durch das Volk geltend gemacht wird. Mit anderen Worten: Demokratische Legitimation bedeutet für das Parlament nicht Übernahme der Verantwortung durch das Volk, sondern nur dessen Einfluß in Form regelmäßiger Parlamentswahlen. Das Verantwortlichkeitsverhältnis zwischen Parlament und Volk hat insoweit eine besondere Prägung. Der Grund dafür und zugleich die Antwort auf die Frage, warum die fehlende Sachlegitimation nicht zu einem demokratischen Defizit des Parlaments führt, liegt in der Entscheidung für das repräsentative Demokratiemodell195. Für den weiteren Gang der Untersuchung genügt die Feststellung, daß die verfassungsrechtlich vorgesehene demokratische Legitimation der parlamentarischen Entscheidungen in erster Linie auf personeller und institutionell-funktioneller Legitimation beruht196. 192 193 194 195

Schambeck, Die Ministerverantwortlichkeit, 49. Petersen, Volonté générale, 48. Scheuner, in: Ritterspach, Festschrift Müller, 379, 388. Siehe dazu 3. Kap., VII. 3. a) aa).

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

bb) Sachlegitimation durch Gesetz Unter den Parlamentsfunktionen nimmt die Gesetzgebung zweifellos den ersten Rang ein. Aus dem Vorstehenden folgt, daß alle Parlamentsgesetze demokratisch legitimiert sind. Wegen des Gesetzmäßigkeitsprinzips gemäß Art. 20 Abs. 3 GG geht ihre demokratische Bedeutung weit über das Gesetzgebungsverfahren hinaus. Dem liegt wiederum ein Gedanke zugrunde, der bereits im Verantwortlichkeitsmodell ersichtlich wurde: Bindende Handlungsvorgaben an den Verantwortungsträger lassen dessen Verantwortung im gleichen Umfang entfallen. Dementsprechend gehört der gesetzesgebundene Inhalt von Entscheidungen, seien es Gerichtsurteile oder Verwaltungsakte, nicht zur Sachverantwortung der Entscheidungsträger, so daß kein Bedürfnis nach Verantwortungszurechnung und damit auch keine Notwendigkeit für Sachlegitimation besteht. Die demokratische Legitimation solcher Entscheidungen setzt sich aus der institutionellfunktionellen und der personellen Legitimation des Amtswalters und der sachlichen Legitimation des Parlamentsgesetzes zusammen. cc) Sachlegitimation durch parlamentarische Kontrolle Der Bedeutung der Gesetzgebung entsprechend, die im Gesetzesvorrang gemäß Art. 20 Abs. 3 GG und den verfassungsgesetzlichen Parlamentsvorbehalten breit angelegt und neben der Wesentlichkeitstheorie bis zur Frage nach einem Totalvorbehalt197 gesteigert wurde, vermitteln Parlamentsgesetze einen großen Teil sachlich-demokratischer Legitimation von Staatsgewalt. Aber bereits aus dem Umstand, daß Gesetze in den seltensten Fällen Vollregelungen sein können198 und dem Amtswalter zudem stets die Entscheidung über die Anwendung eines Gesetzes als Vollzugsverantwortung verbleibt, folgt die Begrenztheit der gesetzlichen Sachlegitimation. Ihr gegenüber stehen die Bereiche der gesetzesfreien Verwaltung, der Ermessens- und Auslegungsspielräume, der Rechtsfortbildung und schließlich der Entscheidungen contra legem. Für sie übernimmt zunächst allein der Entscheidungsträger die Verantwortung, die folglich noch einer legitimationsbegründenden Ableitung bedarf. Hält man sich dafür erneut das Bild der Verantwortlichkeitskette vor Augen, so ist im hierarchischen Ministerialsystem mittels der durchgehenden Weisungsbefugnis eine Zurechnung zumindest bis zum jeweiligen Ressortminister gegeben. Für den notwendigen Übertrag auf das Parlament verbleibt eine Lücke, die durch die parlamentari196 Es handelt sich dabei jedoch nur um einen Teilaspekt des Demokratieprinzips, der um die Legitimität dieser Entscheidungen zu ergänzen ist. Im einzelnen dazu 1. Kap., III. 4. 197 Dazu Schulze-Fielitz, Parlamentarische Gesetzgebung, 158 f. 198 Zu den Grenzen gesetzlicher Steuerung H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 200 ff.; Fisahn, KritV 1996, 267, 274 f.

III. Die demokratische Legitimationsfunktion

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sche Kontrolle geschlossen wird199. Unbeschadet einer genaueren Eingrenzung kommt ihr die Funktion demokratischer Legitimation zu. Sie ist Sachlegitimation. Dieser Feststellung steht die eingangs getroffene These gegenüber, daß die Begründung und die Funktion der parlamentarischen Kontrolle unklar und im einzelnen umstritten seien. Dabei kann die besondere Problematik, die sich mit der Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle verbindet, im wesentlichen auf zwei Wurzeln zurückgeführt werden: Zum einen stellt der spezifisch demokratisch-legitimatorische Gehalt nur einen Ausschnitt aus der parlamentarischen Kontrollfunktion dar, der darüber hinaus noch rechtsstaatliche und andere demokratische Aspekte zu eigen sind200. Insoweit stellt sich ein Abgrenzungsproblem. Zum anderen ist der Legitimationskette im Verhältnis zwischen Parlament und Regierung der Grundsatz der Gewaltenteilung vorgegeben, der hierarchische Beeinflussung im Sinne von Weisungsrechten ausschließt. Hier stellt sich die Aufgabe, einen weithin politisch geprägten Vorgang mit dem im übrigen rechtsstaatlich angelegten Legitimationsmodell in Einklang zu bringen, also eine positive Beschreibung dessen zu finden, was demokratische Legitimation durch parlamentarische Kontrolle bedeutet. 4. Legitimation und Legitimität So einleuchtend der Befund ist, daß demokratische Volkssouveränität mittels besonderer Legitimationsmodi hergestellt wird, gemessen an ihrer Konkretisierung handelt es sich um eine radikale Vereinfachung, die lediglich ein Konstruktionsprinzip wiedergibt. Demokratie kann sich schon deshalb niemals auf rein personelle und sachliche Legitimation reduzieren, weil sie im und für den Einzelfall stets in besonderer Weise ausgestaltet ist. So bedürfen Wahlen und Abstimmungen unterschiedlicher Mehrheiten, für richterliche Entscheidungen sind die Besetzung der Spruchkörper und der Instanzenzug zu regeln, Verwaltungsverfahren können Beteiligungsmöglichkeiten und Öffentlichkeit in unterschiedlicher Intensität vorsehen. Obwohl sie alle Teil des Legitimationsvorgangs sind, lassen sie sich allein mit dem Gedanken der Volkssouveränität nicht begründen. Unbeschadet anderer Verfassungsprinzipien beruhen sie auf der Vorstellung von Legitimität. Legitimität bezeichnet nach hier vertretener Auffassung die Akzeptanz des Staates, seiner Einrichtungen und deren Entscheidungen jenseits rechtsstaatlicher Maßstäbe201. Es geht nicht um Legitimität im Sinne der Ableitung aus 199

H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 128 f. Wilke, DÖV 1975, 509, 514. 201 Ähnlich Kriele, VVDStRL 29, 46, 65; Gusy, AöR 106, 329, 334; Hofmann, Legitimität und Rechtsgeltung, 77. Instruktiv zum Legitimitätsbegriff Würtenberger, Die 200

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

einer übergeordneten Regel, deren Begründung unweigerlich in einen infiniten Regreß führt202. Gemeint sind vielmehr die Bedingungen der Anerkennung der verfassungsmäßigen Ordnung und der von ihr ausgehenden Herrschaft durch die ihr Unterworfenen. Diese sind – abstrakt gesprochen – die stets zu beachtenden Gewährleistungen, unter denen das Volk bereit ist, sich als pouvoir constituant selbst an die Verfassung zu binden und in ihr fortan nur mehr als pouvoir constitué existent zu sein. Legitimität ist insoweit eine wesentliche Voraussetzung für den Erhalt des politischen Systems. Geschichtlich kann keine Staatsform ohne Legitimität vor dem Volk bestehen, das in ihr verfaßt ist. Die Demokratie ist eine Staatsform, deren Legitimität auf einem konsensbildenden Verfahren beruht. Im Gegensatz zu totalitären Regimen ist ihr Wesensmerkmal der Gedanke der Freiheit des Einzelnen und dessen Teilhabe am Staat. Sie zielt auf Rationalität und Integration. Das Mittel der Legitimität erweist sich umgekehrt aber auch als die Freiheit vom demokratischen Staat bis hin zur Möglichkeit seiner Selbstabschaffung203. Daher ist Legitimität für die Demokratie von besonderer Bedeutung. Sie zu sichern liegt den verfassungsrechtlichen Organisationsprinzipien zugrunde und ist den politischen Entscheidungsträgern als fortwährende Verpflichtung auferlegt204. Nicht selten werden Legitimation und Legitimität gleichbedeutend verwendet. Insbesondere dem Begriff der demokratischen Legitimation wird dabei ein Bedeutungsgehalt beigemessen, der im engeren Sinne der Legitimität entspricht205. Richtig daran ist, daß demokratische Legitimation zweifach beschrieben werden kann: Zum einen ist sie für die Herstellung von Volkssouveränität rechtsstaatlich verpflichtend, zum anderen und zugleich dient sie der staatlichen Legitimität. Für ihre Bestandteile gilt die apriorische Vermutung, daß sie Legitimität gewährleisten. Ob dies tatsächliche der Fall ist, hat zumindest für den Legitimationsvorgang keine Relevanz206. Es handelt sich um eine idealtypische LegiLegitimität staatlicher Herrschaft; ders., JuS 1986, 344 ff.; Vokuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 674. Zum Begriff der Akzeptanz Stein/Frank, Staatsrecht, § 25 II; Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Kap., Rn. 103 ff. 202 Dazu eingehend Gusy, Legitimität im demokratischen Pluralismus, passim. 203 Dies gilt unbeschadet der verfassungsrechtlichen Sicherungen in Art. 20 Abs. 4, Art. 79 Abs. 3 GG, die hier nicht vertieft werden können. 204 Hoffmann-Riem/Ramcke, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 47, Rn. 71, sprechen im Hinblick auf die „Legitimations- bzw. Integrationsfunktion“ der Enquête-Kommissionen von „Einflußnahme auf die Akzeptanz politischer Entscheidung, auf das politische Klima und die Sicherung der Massenloyalität“. 205 Beispielhaft Würtenberger, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 45c, Rn. 22, wonach das Petitionsrecht zur demokratischen Legitimation beitrage. Vgl. dagegen 1. Kap., V. 2. h). 206 Anschauliches Beispiel sind die Gerichtsschöffen: Sie sind Teil der demokratischen Legitimation gerichtlicher Entscheidungen und steigern deren Legitimität. Ob Gerichtsschöffen auch heute noch das Vertrauen des Volks in die Rechtspflege stärken, mag aber mit Recht bezweifelt werden, zumal ihnen mit einer obrigkeitshörigen Be-

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timitätsfiktion. Die Feststellung, Legitimität sei das Ergebnis von Legitimation207, hat daher durchaus seine Berechtigung. Anschaulich wird dieses Verhältnis in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vertrauensfrage208: „Insbesondere verfehlt es grundsätzlich den Sinn des Art. 68 GG wie der vom Grundgesetz geformten repräsentativen Demokratie, die Auflösung des Bundestages und Neuwahlen mit der Behauptung zu fordern, ein über ein konstruktives Mißtrauensvotum neu gewählter Bundeskanzler bedürfe neben seiner verfassungsmäßigen Legalität noch einer durch Neuwahlen vermittelten Legitimität. Demgegenüber ist von Verfassungs wegen festzustellen: Auch der über Art. 67 GG gewählte Bundeskanzler besitzt wegen der Verfassungsmäßigkeit seiner Wahl die volle demokratische Legitimität. Es wäre im Hinblick auf die Bewahrung des demokratischen Rechtsstaates, den das Grundgesetz verfaßt hat, ein unverantwortliches Unterfangen, verfassungsmäßige Verfahren mit der Behauptung abzuwerten oder auszuhöhlen, sie erforderten daneben weitere Legitimation. Nach dem Grundgesetz bedeutet verfassungsmäßige Legalität zugleich demokratische Legitimität.“

Das Bundesverfassungsgericht bestätigt zunächst die hier vertretene Auffassung, daß demokratische Legitimation (i. e. „verfassungsmäßige Legalität“) zugleich für die Legitimität der Entscheidung steht. Daher ist es richtig, daß der über Art. 67 GG gewählte Bundeskanzler die volle demokratische Legitimität besitzt und eine zusätzliche, durch Neuwahlen vermittelte Legitimität verfassungsrechtlich nicht erforderlich ist. Indem sich das Bundesverfassungsgericht nicht mit der Forderung nach zusätzlicher Legitimität an sich, sondern mit ihrer Vereinbarkeit mit Art. 68 GG befaßt, bleibt es zudem im Rahmen seiner Prüfungskompetenz, die sich nicht auf Legitimitätswertungen erstreckt209. Das Demokratieprinzip erschöpft sich nicht in der demokratischen Legitimation von Staatsgewalt210. Diese umgibt ein ebenfalls auf Legitimität gerichteter demokratischer Rahmen, der einen nur mittelbaren Bezug zum konkreten Ableitungszusammenhang der Staatsgewalt hat und im Verhältnis zwischen Volk und Parlament wirksam wird. Die Parlamentswahl ist unstreitig der reine demokratische Legitimationsakt. Die Legitimität der parlamentarischen Entscheidungen rufsrichterkaste auch das ursprüngliche Bezugsobjekt abhanden gekommen ist. Siehe dazu Prantl, Die Beischläfer, Süddeutsche Zeitung, 14.11.2003. 207 Mehde, Neues Steuerungsmodell, 168; Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 674. 208 BVerfGE 62, 1, 43. 209 Ein Beispiel für die unzutreffende Verwendung des Legitimationsbegriffs findet sich hingegen in BVerfGE 105, 252, 270; 105, 279, 303, wonach das Schweigen der Regierung trotz öffentlicher Informationsbedürfnisse als Versagen gewertet werde und zu „Legitimationsverlusten“ führe. Die Regierung ist jedoch vor- wie nachher gleichermaßen legitimiert. Hier sinkt allein ihre Legitimität. 210 Emde, Demokratische Legitimation, 41; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 134. SchmidtAßmann, Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Kap, Rn. 102, spricht von ideelen Schichten des Demokratieprinzips, die im Interesse dogmatischer Präzision von den Legitimationsvorstellungen zu trennen seien.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

beruht aber nicht nur darauf, sondern auch auf dem fortwährenden Meinungsbildungsprozeß durch die öffentliche Meinung, der ihnen vorausgeht211. Dies wird durch die Kommunikationsgrundrechte verbürgt, die insoweit vorrangig Legitimitäts- und nur mittelbar Legitimationsfunktion haben. Damit läßt sich der erhebliche, nicht zu verkennende Einfluß der öffentlichen Meinung demokratisch zuordnen, der in dem reinen Legitimationsschema außerhalb der Wahltermine keinen Platz hat212. Es handelt sich um eine plebiszitäre Ergänzung des im übrigen repräsentativen Systems213, die zwar keine Legitimationsfunktion hat, aber dessen Legitimität dient214. Von dieser Unterscheidung ausgehend kann im Fall der demokratischen Legitimation von Staatswillensbildung im engeren Sinne und im Fall der plebiszitären Einflußnahme darauf von Staatswillensbildung im weiteren Sinne gesprochen werden. Die Staatswillensbildung im weiteren Sinne ist der Ort der Auseinandersetzung über politische Anforderungen an den Staat. Sie beruht vorrangig auf dem Gedanken der Freiheit und bedarf daher des gesellschaftlichen Impulses. Zutreffend spricht das Bundesverfassungsgericht folglich von einer „Erscheinung des gesellschaftlich-politischen nicht des staatsorganschaftlichen Bereichs“215. Sie kann allenfalls institutionell unterfangen werden, wobei neben den schon genannten Kommunikationsgrundrechten und dem Petitionsrecht216 insbesondere an die parlamentarischen Oppositionsrechte zu denken ist. Der demokratischen Legitimation liegt hingegen ein Bestand rechtlich zwingender und verifizierbarer Bedingungen zugrunde. Sie sind verfassungs- oder einfachgesetzlich geronnene Legitimitätsvorstellungen. Ein treffendes Beispiel dazu bilden die eingangs genannten Mehrheitsquoren217. Grundsätzlich steigt die Legitimität eines Gesetzes mit seiner parlamentarischen Zustimmungsquote. Die im Grundgesetz ent-

211

Vgl. Petersen, Volonté générale, 48; Schmitt Glaeser, VVDStRL 31, 179, 210. W. Schmidt, VVDStRL 33, 183, 210 f.; Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 348; BVerfGE 8,104, 112 f.; 20, 56, 98 f.; 44, 125, 139 f. 213 Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR V, § 115, Rn. 133; H. Dreier, in: ders., GGKommentar II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 73. 214 Vgl. aber Gehrig, Parlament, Regierung, Opposition, 78, der von zwei verschiedenen parlamentarischen Legitimationsprinzipien spricht, nämlich dem demokratischplebiszitären und dem parlamentarisch-repräsentativen. 215 BVerfGE 8, 104, 113. 216 Vgl. Würtenberger, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 45c, Rn. 22 ff., wonach das Petitionsrecht das Verständnis des Bürgers für die Probleme des Gemeinwesens fördert, der Staatsverdrossenheit entgegenwirkt und damit Akzeptanz bewirkt. 217 Beispiele aus dem Grundgesetz: Zweidrittelmehrheit: Art. 42 Abs. 1 GG (Ausschluß der Öffentlichkeit); Art. 80a Abs. 1 S. 2 GG (Feststellung Spannungsfall); qualifizierte Zweidrittelmehrheit: Art. 79 Abs. 2 GG (Verfassungsänderung); Art. 77 Abs. 4 S. 2 (Zurückweisung eines mit Zweidrittelmehrheit erhobenen Einspruchs des Bundesrats); Mitgliedermehrheit: Art. 63 Abs. 2 und Art. 68 Abs. 1 S. 2 GG (Wahl des Bundeskanzlers); Art. 67 Abs. 1 GG (Mißtrauensvotum); Art. 77 Abs. 4 S. 1 GG (Zurückweisung eines Einspruchs des Bundesrats). 212

III. Die demokratische Legitimationsfunktion

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haltenen qualifizierten Mehrheitserfordernisse sind jedoch zugleich Bedingung der Rechtmäßigkeit und damit auch Teil des demokratischen Legitimationsvorgangs. Sie sind so zu verstehen, daß der Verfassungsgeber für die demokratische Legitimation dieser Entscheidungen wegen ihrer besonderen Bedeutung eine höhere Legitimität für notwendig hielt. Aus den unterschiedlichen Funktionen ist zu folgern, daß Fragen der Legitimität nicht gegen die Voraussetzungen der demokratischen Legitimation ausgespielt werden dürfen. Deren Legitimität ist vorrangig, worauf auch das Bundesverfassungsgericht in der zitierten Entscheidung hingewiesen hat. Zwar hat demokratische Legitimation stets Legitimität zum Ziel, umgekehrt geht der Bereich der Legitimität aber über die demokratischen Legitimationsakte hinaus. Zum einen sind dies auf Legitimität gerichtete Faktoren wie die öffentliche Meinung, die die demokratische Legitimation lediglich begleiten. Schwieriger abzugrenzen sind dagegen die legitimitätsbezogenen Elemente, die für den konkreten Legitimationsvorgang rechtlich verbindlich sind. Sie sind zwar unmittelbar auf die Hervorbringung von Staatsgewalt gerichtet, haben jedoch selbst keine eigenständige Legitimationsfunktion218. Ihre Verletzung läßt eine Entscheidung nur deshalb als undemokratisch erscheinen, weil ihre Beachtung für diese Entscheidung angeordnet ist. Als Bestandteile des Legitimationsvorgangs werden sie damit zugleich zur Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Trotz mancher Unklarheit im Detail ist hier zu berücksichtigen, daß sich demokratische Legitimation von Staatsgewalt, also deren Ableitung vom Volk, nicht qualitativ, sondern quantitativ vollzieht. Anders gewendet: Staatsgewalt kann nicht besonders gut vom Volk ausgehen, sondern – auch wenn man es so nicht zu bezeichnen pflegt – nur mehr oder weniger umfassend219. Jegliche Argumentation zur demokratischen Legitimation muß diese Abgrenzung zur Legitimität beachten. Dagegen verstößt offenkundig, wer den „Verzicht auf klassische Legitimationsketten“ durch anderweitige „Legitimationszuwächse, etwa die Erzielung von Akzeptanz“ aufwiegen will220. Die Erzielung von Akzeptanz ist keine Form der Legitimation, sondern setzt diese voraus. Richtigerweise kann daher allenfalls von Legitimitätszuwächsen die Rede sein. Diese allein können die „klassischen Legitimationsketten“ aber nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Die Legitimationsketten werden als demokratischer Ableitungszusammenhang vom Volk noch in weiterer Hinsicht problematisiert: Je näher eine staatliche Entscheidung mit dem Legitimationssubjekt verbunden ist, desto höher ist ihre Legitimität. Dieser Umstand ist vermutlich gemeint, wenn mit zunehmender 218 Ein gewichtiges Beispiel dazu ist die Partizipation. Zu deren Abgrenzung von der demokratischen Legitimation siehe 3. Kap., VII. 3. b) cc). 219 Ähnlich Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, 170. 220 Hoffmann-Riem, in: Schmidt-Aßmann/ders., Steuerungsressource, 355, 376.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

Länge der sogenannten Legitimationskette, also der Ableitungsglieder zum Volk, von einer „geringeren Legitimation“ gesprochen wird221. Richtig ist indessen, daß die demokratische Legitimation auch in diesen Fällen erhalten bleibt – jedenfalls solange man die Legitimationskette für die verfassungsrechtlichen Legitimationsanforderungen als ausreichend betrachtet. Prägnant zieht SchmidtAßmann daraus den Schluß: „Daß die kürzere Kette eine höhere demokratische Dignität verleihe, ist ein politisches Werturteil, das in der rechtlichen Dogmatik keine Entsprechung findet“222. Folglich sinkt mit zunehmender Distanz zum Legitimationssubjekt allein die Legitimität, wobei der Ableitungszusammenhang sicherstellen sollte, daß die verfassungsrechtliche Mindestlegitimität stets erhalten bleibt. In der Legitimationskette steht das Parlament unmittelbar hinter dem Volk und verfügt daher über die höchste Legitimität aller Staatsorgane223. An sie knüpft der Vorrang des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an224. Die Rangordnung gleichermaßen demokratisch legitimierter Normen rührt von ihrer unterschiedlichen Legitimität her. Dieser Umstand liegt auch den verfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalten zugrunde. Sie beruhen auf dem Erfordernis nach höherer Legitimität, was insbesondere bei Grundrechtseingriffen sinnfällig wird225. Einen Sonderfall der Wechselwirkung zwischen Legitimation und Legitimität bildet indessen die Wesentlichkeitslehre, weil sie die Art der demokratischen Legitimation, also durch Parlamentsgesetz oder parlamentarische Kontrolle, der Beurteilung der Legitimität anheimstellt. Dabei geht es um den „Vorbehalt der Entscheidung grundlegender, einer Normierung im Gesetzgebungsverfahren zugänglicher Fragen durch den Gesetzgeber“226 auch ohne ausdrückliche verfassungsrechtliche Bestimmung. Nach welchen Kriterien die Wesentlichkeit von Entscheidungen zu bestimmen ist, ist umstritten und kann hier nicht weiter ausgeführt werden227. Maßgeblich ist, daß Fälle der Wesentlichkeit eine höhere Legitimität erfordern, die erst durch die Legitimationsform des Parlamentsgesetzes hergestellt wird. 221 Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, 273 f.; Schmitt Glaeser, VVDStRL 31, 179, 218; Muckel, NZS 2002, 118, 120; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 358 f.; Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 552 f.; Hebeler, DÖV 2002, 936, 941. 222 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 360. 223 Siehe zur weiteren Begründung der Stellung des Parlaments 3. Kap., VII. 3. a) aa). 224 Gusy, JuS 1983, 189, 190. In diesem Sinne auch v. Brünneck, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, 253, 260, der aber keine Unterscheidung zur Legitimität trifft und den Vorrang des Gesetzes darum mit dessen höchsten demokratischen Legitimation begründet. Inhaltlich entspricht sie der der Legitimität. Ähnlich Roellecke, VVDStRL 34, 7, 32 f. 225 Vgl. BVerfGE 45, 400, 417; 47, 46, 78 f.; 49, 89, 127; 83, 130, 142; 98, 218, 251 f. 226 K. Hesse, Grundzüge, Rn. 508. 227 Dazu Schulze-Fielitz, Parlamentarische Gesetzgebung, 162 ff.

IV. Die Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle

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Diese allgemeinen Ausführungen zum Verhältnis von demokratischer Legitimation und Legitimität bilden den notwendigen Hintergrund für die Feststellung, daß parlamentarische Kontrolle funktional sowohl auf die demokratische Legitimation wie auch auf die Legitimität bezogen werden kann. Auch wenn es nicht falsch ist, statt von demokratischer Legitimation von demokratischer Legitimität zu sprechen, bedarf es für den weiteren Verlauf dieser Untersuchung einer genauen Abgrenzung. Dabei wird sich zeigen, daß die parlamentarische Kontrolle unter den Legitimationselementen dasjenige ist, das sich den rechtsstaatlichen Kriterien am ehesten entzieht und umgekehrt der Legitimität am nächsten steht, was wesentlich zu ihrer verfassungsrechtlichen Unbestimmtheit beiträgt.

IV. Die Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle Der Zugang zum Verständnis von demokratischer Legitimation durch parlamentarische Kontrolle erfolgt über ihre Funktion, nämlich die Zurechnung von Verantwortung der Regierung zur Volksvertretung. Bereits hier liegt die Gefahr für ein erstes Mißverständnis, wenn Kontrolle ausschließlich mit Rechenschaftspflichten assoziiert wird. Parlamentarische Kontrolle kann sich nicht in den parlamentarischen Informationsrechten erschöpfen. Zurechnung erfordert vielmehr die Möglichkeit der Einflußnahme. Damit ist der Weg zu einem zweiten Mißverständnis eröffnet, das parlamentarische Kontrolle allein an den parlamentarischen Sanktionsmitteln mißt. Demgegenüber ist die Sanktion ein Mittel, das sich auf das personale Verantwortlichkeitsverhältnis bezieht. Mit ihm werden Konsequenzen aus der Verantwortung gezogen, es dient jedoch nicht ihrer Zurechnung. Richtigerweise macht Zurechnung einen Entscheidungsvorbehalt des Verantwortungsgläubigers nötig. In Ansehung des Weisungsrechts als entscheidendem Beeinflussungsmittel des Ministerialsystems führt dessen Fehlen im Verhältnis zwischen Parlament und Regierung zu dem dritten Mißverständnis, daß sich die Legitimation in diesem Fall nicht über Verantwortungszurechnung vollziehen könne. Parlamentarische Kontrolle wird darum häufig mit parlamentarischer Kritik gleichgesetzt und erscheint im Ergebnis als verfassungsrechtlich institutionalisierter Teil einer Überwachungsfunktion, die im übrigen der öffentlichen Meinung zukommt. Dies bedingt jedoch eine Reihe von Widersprüchen, die sich nicht auflösen lassen und darum auf den Fehler in dieser Deutung zurückverweisen. Zunächst verliert demokratische Legitimation ihre Konsistenz, weil sie an dieser Stelle den Verantwortungszusammenhang durchbrechen würde. Entweder muß dann auf das Zurechungskriterium verzichtet werden oder seine Bedingungen sind zur Unkenntlichkeit abzuschwächen. Daran schließt sich un-

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

mittelbar das Problem an, von wem diese Form der Kontrolle tatsächlich ausgeht: Die parlamentarische Opposition hat im Hinblick auf ihre Wahlchancen ein besonderes Interesse an der Kritik der Regierungspolitik, während die regierungstragende Parlamentsmehrheit gerade darauf bedacht sein dürfte, dies zu vermeiden. Letzteres kann schwerlich parlamentarische Kontrolle sein, weil eine Parlamentsfunktion nicht in einer Weise definiert werden kann, die auf ihre Nichtausübung hinausliefe. Umgekehrt würde Oppositionskontrolle die Legitimation durch die parlamentarische Minderheit bedingen, was mit demokratischen Grundsätzen nicht in Einklang zu bringen ist. Die Beschränkung von parlamentarischer Kontrolle auf Kritik führt notwendig zu dem (unausgesprochenen) Schluß, daß die Legitimationsfunktion in ihrem bloßen Stattfinden liege. Nicht beantwortet ist dann aber die Frage nach der Folge von Kritik: Fehlt dem inkriminierten Verwaltungshandeln demokratische Sachlegitimation und welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen? Wie verhält es sich demgegenüber mit dem überwiegenden Teil der Staatsgewalt, der überhaupt nicht in den Blick des Parlaments gerät? Was folgt aus unterschiedlichen Auffassungen, die innerhalb des Parlaments vertreten werden? Schließlich ist auch der zeitliche Aspekt einzubeziehen: Nimmt die Verwaltung bis zur Kontrolle durch das Parlament einen Legitimationskredit in Anspruch oder führen institutionell-funktionelle und personelle Legitimation zu einem Legitimationsvorschuß, der wieder zurückgenommen werden kann? All dies zeigt zumindest, daß es auf die konkrete Approbation oder Reprobation durch das Parlament nicht ankommen kann und sich demokratische Legitimation sogar auf die bloße Möglichkeit parlamentarischer Kontrolle beschränken müßte. Sie wäre dann mit der bereits genannten Rechenschaftspflicht gleichzusetzen und bedeutete die Preisgabe der Verantwortungszurechnung. Dies anzunehmen wäre aber voreilig, solange nicht der Nachweis geführt wurde, daß sich eine Verantwortungszurechnung tatsächlich nicht begründen läßt. 1. Dogmatischer Ansatz Die Ausleuchtung des Legitimationsverhältnisses zwischen Parlament und Regierung muß an erster Stelle deren institutionell-funktionelle Legitimation in Betracht ziehen. Sie fällt mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung zusammen. Ihre vorrangige Aussage besteht hier in der Zuordnung von Aufgaben, die von den gleichrangigen Staatsgewalten ihrer jeweiligen Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise nach am besten wahrgenommen werden können228. Keine Gewalt darf der zur Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Auf-

228

Zum Grundsatz der Gewaltenteilung BVerfGE 68, 1, 86; 95, 1, 15.

IV. Die Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle

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gaben erforderlichen Zuständigkeiten beraubt werden229. Insbesondere darf die positive Kompetenzordnung nicht im Interesse demokratischer Legitimation überspielt werden230. Ein Gewaltenmonismus in Gestalt von Parlamentssuprematie ist folglich ausgeschlossen. Für alle Bestimmungsrechte des Parlaments über Funktionen der vollziehenden Gewalt ist ein verfassungsrechtlicher Kompetenztitel erforderlich231. Darum scheitert eine parlamentarische Aufsicht über die vollziehende Gewalt, die bindende Weisungsrechte einschließt, nicht erst an ihrer praktischen Durchführbarkeit232, sondern bereits an ihrer verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit233. Gewaltenteilung entbindet jedoch nicht von der Notwendigkeit eines demokratischen Zurechnungszusammenhangs zum Volk und nicht jede parlamentarische Einflußnahme auf die vollziehende Gewalt bedeutet schon einen Verstoß gegen sie234. Solange sie sich als Mittel der Mäßigung erweist, entspricht die Funktionenverschränkung gerade den Zielen, die mit der Funktionentrennung verfolgt werden. Die Betonung der Verantwortung in Art. 65 GG kann als Hinweis darauf gedeutet werden, daß die Gewaltenteilung dem Verantwortlichkeitsverhältnis zwischen Parlament und Regierung nicht entgegensteht235. Wesensmerkmal der parlamentarischen Kontrolle ist demnach die Anerkennung des Funktionsvorrangs der vollziehenden Gewalt. Sie muß deren Funktionsvorbehalt wahren und gleichzeitig die Zurechnung von Verantwortung ermöglichen. Die demokratische Ableitung der institutionell-funktionellen Legitimation dient der Widerspruchsfreiheit des Legitimationsvorgangs. 2. Das Vertrauensverhältnis als Zurechnungsrahmen Die Alternative zum unzulässigen parlamentarischen Aufsichtsrecht ist in der Abhängigkeit der Regierung von der sie tragenden Parlamentsmehrheit zu suchen. Die Entscheidung über die Einsetzung der Regierung, also die Begründung des Verantwortlichkeitsverhältnisses, setzt ein Vertrauensverhältnis vor229

BVerfGE 9, 268, 279 f.; 95, 1, 15. BVerfGE 49, 89, 125 f.; 68, 1, 87; V. Busse, DÖV 1989, 45, 48; Wrege, Jura 1996, 436. 231 Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 38, Rn. 44, nennt dafür: Art. 59 Abs. 2; 110 Abs. 2; 115 Abs. 1; 115a Abs. 1; 115l Abs. 2 GG. 232 Magiera, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52, Rn. 52. 233 Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20, V, Rn. 62; Wilke, DÖV 1975, 509, 514. 234 BVerfGE 9, 268, 280; Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 87. Zur Wahrung der Gewaltenteilung wird der Parlamentskontrolle verschiedentlich ein Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung entgegengesetzt. Siehe dazu 1. Kap., V. 1. a). 235 Dies zeigt im Umkehrschluß auch die ausdrückliche Unabhängigkeit durch Art. 97 Abs. 1 GG für die Judikative. 230

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

aus236. Das Recht des Bundestages, mittels konstruktiven Mißtrauensvotums gemäß Art. 67 Abs. 1 GG über den Bestand der Bundesregierung zu entscheiden, macht deutlich, daß die Regierung fortwährend vom Vertrauen abhängig bleibt237. Der Unterschied zum Verhältnis zwischen Volk und Parlament ist offensichtlich: Die Abgeordneten sind für eine Legislaturperiode uneinholbar legitimiert, so daß das Volk als pouvoir constitué keine Möglichkeit hat, ihnen das Vertrauen vor dem nächsten Wahltermin zu entziehen. Praktisch bedeutsamer ist jedoch, daß Parlament und Regierung funktional voneinander abhängig sind. Ebenso wie die Regierung zur Bewilligung der notwendigen Haushaltsmittel und zur Schaffung notwendiger Gesetze auf die Parlamentsmehrheit angewiesen ist238, ist diese bestrebt, ihre politischen Ziele im staatlichen Handeln zu realisieren. Das macht eine Rücksichtnahme auf die gegenseitige Interessenlage erforderlich und führt zu einer gemeinsamen Regierungspolitik von Regierung und Parlamentsmehrheit. Bei Friesenhahn heißt es treffend: „Die Staatsleitung aber steht Regierung und Parlament gewissermaßen zur gesamten Hand zu“239. Das impliziert, daß sowohl Regierung als auch Parlament Einfluß auf die Gestaltung der Politik nehmen, wobei das Parlament gerade nicht nur auf sein formelles Handlungsmittel der Gesetzgebung beschränkt ist. Die gemeinsame Politik umfaßt den gesamten Bereich des Zusammenwirkens, der das sich Abstimmen und Planen, Verabredungen treffen, Kompromisse schließen etc. zum Inhalt hat. Kehrseite der Staatsleitung zur gesamten Hand ist die parlamentarische Verantwortung dafür240. Sie stellt zugleich die demokratische Sachlegitimation für das Regierungshandeln her. Das umfaßt sowohl eigene Entscheidungen der Regierung wie auch die ihr zugerechnete Verantwortung der Ministerialverwaltung. Offensichtlich wird die Verantwortungszurechnung bei staatlichem Handeln, für das die Initiative bei der parlamentarischen Regierungsmehrheit lag. Sie ist insoweit, nicht jedoch im Rang ihrer Legitimität, mit der Gesetzeslegitimation vergleichbar. Nicht anders verhält es sich bei Regierungsvorhaben, deren Inhalt auf parlamentarischen Druck verändert wird, weil auch hier die Parlamentsmehrheit ihre Auffassung durchsetzt. Von untergeordneter Bedeutung ist, ob diese Vereinbarungen im Rahmen von parlamentarischen Ausschüssen, Fraktionsarbeitskreisen, in Koalitionsrunden, erweiterten Kabinettssitzungen oder

236

Ermacora, Allgemeine Staatslehre, 829. Ermacora, Allgemeine Staatslehre, 836. 238 K. Hesse, Grundzüge, Rn. 533. 239 Friesenhahn, VVDStRL 16, 9, 38. Zum Verständnis dieser Formel Maurer, VVDStRL 56, 149 (Aussprache). 240 Insoweit ist die „gemeinsame Verantwortung von Parlament und Regierung für das Staatswohl“, von der Magiera, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52, Rn. 68, spricht, auch im engeren Sinne zutreffend. 237

IV. Die Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle

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von parteipolitischen Gremien getroffen werden, solange sie nur als Inhalt einer gemeinsamen Politik gewertet werden. Die Konzeption der Gewaltenteilung impliziert aber notwendig, daß die Regierung auch entgegen parlamentarischer Vorbehalte handeln kann, sei es daß sie den Wünschen der Parlamentsmehrheit nicht folgt, sei es daß es sich um Teile eines Kompromisses handelt. Anders als der erste Anschein vermuten läßt, ist in diesem Fall gleichwohl von demokratischer Legitimation zu sprechen, weil die fortdauernde Unterstützung der Regierung im Hinblick auf die Verantwortungszurechnung als Akzeptanz dieser Entscheidungen gewertet werden muß. Ähnlich einer protestatio facto contrario bildet die Hinnahme einen Zurechnungstatbestand, der nicht durch anderslautende Willensbekundungen abgewendet werden kann. Daran schließt sich zuletzt noch der weite Bereich des von der Regierung zu verantwortenden Verwaltungshandelns an, das nur selten in den Blick des Parlaments gerät und trotzdem demokratisch legitimiert ist. Hier gilt die Annahme eines Einverständnisses, dessen Zurechnungswirkung allein auf der Möglichkeit der Einflußnahme beruht. Zwingende Voraussetzung dafür ist die Verantwortung der Minister im Rahmen des Ministerialsystems. In dieser Annahme mag eine Abschwächung des Zurechnungsgedankens gesehen werden, sie ist aber durchaus systemgerecht. Auch im Ministerialsystem erfolgt die Verantwortungszurechnung bereits über die bloße Möglichkeit des ministeriellen Weisungsrechts. Beiden Fallgestaltungen liegt der Gedanke zugrunde, daß auch ein Unterlassen Verantwortung begründet. Insgesamt erweist sich das Vertrauen dabei als die eigentlich entscheidende Variable für die demokratische Legitimation. Wenn das Parlament mehrere Vorgänge nur widerwillig hinnimmt, kann damit zugleich das Vertrauen sinken, so daß bei einem weiteren Vorfall Konsequenzen auf personaler Ebene erforderlich werden. Eine Gesetzmäßigkeit besteht dafür nicht, was dem politischen Charakter der Kontrolle geschuldet ist. Die Möglichkeiten der Parlamentsmehrheit, der Regierung eine Störung des Vertrauensverhältnisses anzuzeigen, sind vielfältig: Neben den Aussprachen auf unterschiedlichen Ebenen kommen parlamentarische Entschließungen241, Mißbilligungsvoten, die Ablehnung von Regierungsvorlagen und Tagesordnungen bis hin zur Budgetverweigerung in Betracht. Wenn die Regierung nicht mehr das Vertrauen der Mehrheit hat, also eine Verständigung auf eine Linie gemeinsamer Regierungspolitik nicht möglich ist, bleibt als letzte Konsequenz die Wahl einer anderen Regierung. Die Zurechnung der Sachverantwortung wird also erst mit der Rücknahme der personellen Legitimation beendet. Wenn das Parlament die Verantwortung der Regierung nicht mehr übernehmen will, muß es ihr die Entscheidungsbefugnis entziehen. 241 Magiera, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52, Rn. 32 ff.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

Zwar handelt es sich bei dem konstruktiven Mißtrauensvotum um eine eher theoretische Frage, die unter dem Grundgesetz bislang erst einmal erfolgreich zur Anwendung kam242, doch kristallisiert sich an ihr die Abhängigkeit der Regierung vom Vertrauen des Parlaments. Nach Maßgabe der beidseitigen institutionell-funktionellen Legitimation erfolgt die Verantwortungszurechnung zwischen Parlament und Regierung also nicht über Aufsichtsrechte, sondern mittels der Möglichkeit informeller Einflußnahme. Sie entfaltet im Regelfall keine mit Art. 20 Abs. 3 GG vergleichbare rechtliche Bindung, sondern wirkt rein politisch. Der Grundsatz der Gewaltenteilung konstituiert für diesen Prozeß gewissermaßen den äußeren Rahmen. Er enthält ein Spannungsfeld, in dem Einflußnahme des Parlaments und Aufgabenwahrnehmung der vollziehenden Gewalt aufeinandertreffen und zu einem Ausgleich gebracht werden müssen. Das Fehlen einer grundgesetzlichen Regelung über den Einfluß des Parlaments auf die Verantwortung der Regierung außerhalb der Gesetzgebung kann daher nicht bedeuten, daß eine solche Einflußnahme nicht vorgesehen ist, sondern lediglich, daß dieser Ausgleich der gestaltenden Kraft der Staatsorgane überlassen bleiben soll. Die Grundlage dafür bildet die enge personale und politische Verknüpfung zwischen Parlamentsmehrheit und der von ihr getragenen Regierung. Weil bereits die Möglichkeit der Einflußnahme genügt, wird auf diesem Wege die Gesamtheit der Regierungsverantwortung dem Parlament zugerechnet und damit demokratisch legitimiert. Dieser Ausschnitt aus der staatlichen Legitimationsstruktur ist allein der parlamentarischen Kontrolle zuzuordnen. 3. Der Kontrollmaßstab Kontrolle enthält das Element der Bewertung und bedingt damit notwendig einen Maßstab, an dem der zu kontrollierende Tatbestand gemessen wird. Soweit man unter Kontrolle nur einen – nachträglichen – Soll-/Ist-Vergleich versteht, ist er unabdingbar. Denn: „Ohne feste Bewertungsgrundsätze bleibt Kontrolle ein wirres Tasten“243. Anders als bei der Rechtskontrolle, für die die Gesetze als Maßstab zur Verfügung stehen244, ist der Kontrollmaßstab sowohl seinem Inhalt als auch seiner Funktion nach aber umstritten, soweit die parlamentarische Kontrolle selbst die demokratische Sachlegitimation vermittelt. Die Bedeutung dieser Frage beruht darauf, daß mit ihr erst die Kriterien für den Kontrollvorgang bestimmt werden. Derjenige, der den Maßstab bildet, ent242 Am 01.10.1982 gegen Bundeskanzler H. Schmidt. Dem lag eine Störung im Vertrauensverhältnis der SPD-FDP-Koalition zugrunde, die zu einer neuen Mehrheitsbildung im Parlament führte. 243 Eichenberger, SJZ 1965, 269, 270. 244 Achterberg, DVBl. 1974, 693, 697; Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, 336.

IV. Die Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle

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scheidet über richtig oder falsch der kontrollierten Handlung. In einem Über-/ Unterordnungsverhältnis hat er damit die Bestimmungsmacht über den Inhalt aller Entscheidungen. Dies trifft im Verhältnis zwischen Bundestag und Bundesregierung nur auf die Parlamentsgesetze zu, weil die vollziehende Gewalt gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden ist. Das Über-/Unterordnungsverhältnis wird in diesem Fall durch die Gesetzesbindung, nicht aber durch den Vorrang des Parlaments hergestellt. Eine rechtliche Bindung an die parlamentarische Kontrolle ist hingegen – von den expliziten Mitwirkungsrechten abgesehen – ausgeschlossen245. Sie vollzieht sich rein politisch. Das entbindet das Parlament jedoch nicht von der Notwendigkeit eines Maßstabs, der seiner Einflußnahme zugrunde liegt. Er wird im politischen Raum, also rechtlich informell gebildet und fällt mit der Willensbildung des Parlaments zusammen246. Er ist vom Maßstab der Regierung unabhängig247. Der Maßstab kann darum auch nicht als starre Vorgabe verstanden werden, die als Richtigkeit248, Gemeinwohl oder volonté générale bereits vor dem Kontrollvorgang feststeht249. Wenn man darum überhaupt von einem Maßstab sprechen mag, muß dieser fortwährend neu gebildet und den dynamischen politischen Prozessen angepaßt werden250. In diesem Zusammenhang erhebt sich die Frage, ob die Abgeordneten in ihrer Willensbildung frei sind oder – unbeschadet der verfassungsrechtlichen Bindungen des Art. 20 Abs. 3 GG – ihrerseits an Vorgaben gebunden sind251. Zu denken wäre hier an die politischen Programme der Parteien und die Wahlkampfversprechen, unter deren Eindruck sich die Parlamentswahl vollzieht. Nach der Mandatsdoktrin ist das Mandat auf diese Inhalte begrenzt252. Diese Theorie setzt ein anderes Verantwortlichkeitsverhältnis zwischen Volk und Parlament voraus, indem sie die Repräsentation dem Auftrag annähert. Für die parlamentarische Kontrolle würde sie deren Verrechtlichung bedeuten253. Demokra-

245

Ausführlich zu den Mitwirkungsrechten 1. Kap., IV. 6. e). Bäumlin, ZSR 1966, 165, 236; E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 42; Schröder, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 65, Rn. 52; Kirchhof, in: Isensee/ders., HBStR III, § 59, Rn. 188. 247 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 162 f.; kritisch Eichenberger, SJZ 1965, 269, 271, der festzustellen meint, daß das Parlament die Maßstäbe anlegt, die ihm die Exekutive an die Hand gibt. 248 Zur Richtigkeit als Maßstab für Auskünfte der Regierung Gusy, JuS 1995, 878, 880 f. 249 Dahingehend aber Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, 387, 389, die verbindliche und akzeptierte Kriterien als Grundkonsens aller Beteiligten verlangen; ähnlich Badura, ZParlR 11, 573, 579 f. 250 Meyer, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 4, Rn. 75. 251 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 145. 252 Dazu Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, 286 ff., 373, m.w. N. 253 Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, 287. 246

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

tische Legitimation wäre nicht nur einem allgemeinen rechtlichen, sondern auch einem besonderen mandatsmäßigen Rahmen unterworfen. Parlamentarische Kontrolle müßte darauf gerichtet sein, die Wahrung des vorgegebenen Rahmens durch die vollziehende Gewalt zu überprüfen. Eine solche Beschränkung ist dem parlamentarisch-repräsentativen Leitbild des Grundgesetzes fremd. Die Unabhängigkeit der Abgeordneten geht aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG deutlich hervor. Zwar ist ihre Partei- und Fraktionsbindung als politisch wirksamer Faktor – auch für die parlamentarische Kontrolle – nicht zu bestreiten. Eine rechtliche Bindung, wie sie die Mandatsdoktrin vorsieht, läßt sich daraus aber nicht ableiten254. 4. Der Kontrollzeitpunkt Der Zeitpunkt der parlamentarischen Kontrolle ist in besonderem Maße mit ihrem Zweck verbunden. Er ist die Nagelprobe für die Schlüssigkeit des Legitimationskonzepts. Nach überkommenem Verständnis ist Kontrolle vergangenheitsbezogen. Sie setze eine tatsächliche Handlung voraus, die anschließend anhand des Kontrollmaßstabs überprüft werde. Das Ergebnis sei die Feststellung eines Übereinstimmens oder Abweichens, was in die Bewertung als richtig oder falsch münde. An sie schließe sich die Entscheidung über Reaktionen und Sanktionen an. Parlamentarische Kontrolle galt in diesem Sinne lange als ausschließlich nachträgliche Überprüfung der vollziehenden Gewalt durch den Bundestag255. Eine Erweiterung wurde mit der Erkenntnis nötig, daß Kontrolle auch vor- und mitwirkend möglich sei, wenn sie sich auf laufende Vorgänge und sogar Absichten bzw. künftiges Handeln der Regierung beziehe256. Mithin könne sie in allen Phasen des Entscheidungsprozesses stattfinden257. Die ursprüngliche Wortbedeutung der Kontrolle kommt aber nach wie vor in dem Unbehagen zum Ausdruck, mit dem betont wird, daß die zeitliche Vorverlegung kein Kontrollverzicht sei258. Darum wird sie alternativ auch als „kontrollierende Mitsteuerung“, „control“ oder „controlling“ bezeichnet259. 254 Kremmendahl, in: LZ für politische Bildung, Demokratie als Teilhabe, 21; Friesenhahn, VVDStRL 16, 9, 26, 67. 255 Vgl. Scheuner, in: Ritterspach, Festschrift Müller, 379; Ellwein/Görlitz, Parlament und Verwaltung, 172; Karehnke, DÖH 16, 140, 142; Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 28, 92; Bäumlin, ZSR 1966, 165, 236. 256 Troßmann, JöR 28, 1, 49; Hübner/Oberreuter, Parlament und Regierung, 74 f.; Kewenig, Probleme parlamentarischer Mitregierung, 14 f. 257 Haberland, Bedeutung der Opposition, 41; Achterberg, Parlamentsrecht, 494 f., nennt die Beschränkung der Kontrolle auf vollzogene Tatsachen gar eine petitio principii. Einschränkend Schwarze, DVBl. 1974, 893, 894, der darin keine Kontrolle, sondern nur einen Ersatz für später nicht mehr erzielbare wirksame Kontrolle sieht. Kritisch auch Berg, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 45a, Rn. 59. 258 Mössle, Regierungsfunktion, 188.

IV. Die Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle

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Soll Kontrolle sicherstellen, daß staatliche Entscheidungen in Übereinstimmung mit dem parlamentarischen Mehrheitswillen ergehen, muß sie ex ante erfolgen. Nur wenn Sachkontrolle staatlichem Handeln vorausgeht, eröffnet sich die Möglichkeit der Einflußnahme260. Dem steht die begleitende Kontrolle gleich. Die Idee demokratischer Legitimation wird in diesen Fällen am deutlichsten. Weil die Verantwortung für den Inhalt der Staatsgewalt in diesen Fällen unmittelbar dem Parlament zugerechnet wird, kann darüber hinausgehende Verantwortung der Regierung hier nur noch durch eine Abweichung von den politischen Vereinbarungen entstehen. Soweit dieses Risiko demokratisch nicht akzeptabel erscheint, findet die anfängliche Kontrolle in parlamentarischen Zustimmungsrechten ihre konsequente Fortsetzung261. Demgegenüber hat nachfolgende Sachkontrolle stets einen legitimierten Sachverhalt zum Inhalt, weil die Verantwortung dafür dem Bundestag bereits unmittelbar mit der Entscheidung zugerechnet wird. Eine parlamentarische Bestätigung kann zwar die Legitimität ex post erhöhen, ihre Ablehnung führt aber nicht zur Rücknahme der demokratischen Legitimation. Sachkontrolle durch nachgängige Überwachung im wörtlichen Sinne entspricht folglich nicht dem demokratischen Legitimationskonzept. Tatsächlich wird aber eine große Zahl der Verwaltungsvorgänge, für die die Verantwortungszurechnung über die Ministerialspitze erfolgt, dem Parlament erst ex post bekannt, so daß eine Einflußnahme auf die konkrete Entscheidungsfindung praktisch überhaupt nicht möglich ist. Dies führt allerdings weder zu einer Entwertung des Kontrollgedankens noch der demokratischen Legitimation. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß eine allgegenwärtige parlamentarische Kontrolle nicht vorgesehen ist und darum nicht zum Maßstab genommen werden kann. Der Parlamentsmehrheit verbleibt die Möglichkeit, die konkrete Entscheidung zu akzeptieren, so daß sich die demokratische Legitimation bestätigt, oder auf einen actus contrarius hinzuwirken, der allerdings einen neuen Legitimationsvorgang zum Inhalt hat. Überwiegt aber die Gefahr, daß ein Akt der Staatsgewalt nachträglich nicht mehr beseitigt werden kann, sind auch hier besondere Kontrollrechte, etwa Berichtspflichten oder außerordentliche rechtsverbindliche Mitwirkungsrechte, ein Weg, in demokratisch sensiblen Fällen die anfängliche Kontrolle auch in tatsächlicher Hinsicht zu erzwingen262. Ungeachtet der tatsächlichen Rücknahmemöglichkeit wird damit jede Unsicherheit über das Bestehen demokratischer Legitimation der Staatsgewalt

259 Zeh, in: Schneider/ders., Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 39, Rn. 12; Battis/Gusy, Staatsrecht, Rn. 132. 260 Schulze-Fielitz, Parlamentarische Gesetzgebung, 293, nennt nachträgliche Kontrolle darum „deutlich wirkungsloser“. 261 Siehe dazu 1. Kap., IV. 6. e). 262 Vgl. BVerfGE 90, 286, 357; Schwarze, DVBl. 1974, 893, 894.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

vermieden263. Zugleich erweist sich das System als offen für nachträgliche Veränderungen legitimer Staatsgewalt, denen aber eine Abwägung über die Rechtssicherheit der Betroffenen zugrunde zu legen ist. Der entscheidende Gesichtspunkt für die Grenzen der demokratischen Legitimation im Wege der parlamentarischen Kontrolle ist schließlich, daß die Zurechnung nur dann erfolgen kann, wenn dem Bundestag die Möglichkeit zur anfänglichen oder begleitenden Kontrolle offenstand. Andernfalls ist eine demokratische Legitimation in jedem Fall ausgeschlossen. 5. Exkurs: Verantwortungsvermischung Die Zuordnung von Bundestag und Bundesregierung in einer Verantwortlichkeitsstruktur sowie deren jeweilige Beiträge an der Staatsleitung werden unter dem Stichwort der Verantwortungsvermischung problematisiert. Die Kritik kristallisiert sich in der Frage des Kontrollzeitpunkts: „Zurückhaltung erscheint angebracht gegenüber jeder Form präventiver Kontrolle. Hier besteht die Gefahr einer Vermengung von Verantwortlichkeiten. Es ist nicht die Sache des Parlaments oder seiner Organe, an Verwaltungsentscheidungen mitzuwirken, sondern getroffene Entscheidungen auf ihre Recht- und Zweckmäßigkeit zu überprüfen“264. Daß dieser Kritik ein gänzlich anderes Verantwortungsverständnis zugrunde liegt, kann an dieser Stelle nicht mehr hinterfragt werden. Von Interesse ist aber, was mit Verantwortungsvermischung gemeint ist und welche Bedenken sich damit verknüpfen. Eine Vermischung von Verantwortung wird angenommen, wenn Regierung und die sie tragende Mehrheit die Regierungspolitik gemeinsam gestalten265. Einer Mittäterschaft vergleichbar sei ihr Inhalt beiden Teilen zuzurechnen, was gerade bei vor- bzw. mitwirkender Einflußnahme offenkundig werde. Sie führe zu einer parlamentarischen Selbstbindung, so daß eine weitere Kontrolle über die Regierung insoweit ausscheiden müsse. Besonders deutlich wird dies im Falle expliziter parlamentarischer Mitwirkungsrechte, deren Folge eine „zunehmende Paralyse der Kontrollfunktion des Parlaments“266 bzw. eine Verunklarung der Rechenschaft sei267. Eine genauere Betrachtung läßt jedoch den Kern dieser Kritik entfallen. Bereits begrifflich kann trotz „Verantwortungsvermischung“ differenziert werden: Die Bundesregierung trägt die Entscheidungsverantwortung, der Bundestag hin263 Dies betrifft insbesondere den Zeitraum zwischen Ausübung der Staatsgewalt und nachfolgender Kontrolle sowie nachträglicher Ablehnung durch den Bundestag. 264 Borgs-Maciejewski, Aus Politik und Zeitgeschichte 1977, B 6, 12, 26. 265 Gehrig, Parlament, Regierung, Opposition, 89. 266 Lichterfeld, zitiert von Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 104. 267 Scheuner, in: Ritterspach, Festschrift Müller, 379, 402.

IV. Die Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle

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gegen Kontrollverantwortung. Kontrolle respektive Einflußnahme läßt die Entscheidungsverantwortung nicht entfallen, sondern führt nur zum Hinzutreten der Kontrollverantwortung. Sie unterscheidet sich insoweit von der Gesetzgebungsfunktion, wo die Verantwortung der vollziehenden Gewalt im Rahmen der parlamentarischen Entscheidungsverantwortung gar nicht erst entsteht. Wenn die Regierung im Sinne der parlamentarischen Mehrheit handelt, ist die demokratische Legitimation der Staatsgewalt offensichtlich. Neben der Bindung an Recht und Gesetz verwirklicht sich gerade damit die vom Grundgesetz vorgesehene Begrenzung staatlicher Macht im Wege der positiven, demokratischen Gestaltung. Zugleich verliert die Kontrolle darüber ihre Notwendigkeit. Ebensowenig wie die parlamentarische Einflußnahme die Entscheidungszuständigkeit der vollziehenden Gewalt entfallen läßt, führt sie dazu, daß der Bundestag nicht auf eine abermalige Korrektur drängen kann. Der Unterschied besteht nun darin, daß sie im Vertrauensverhältnis zur Bundesregierung keine Bedeutung erlangt. Verantwortungsklarheit scheint demgegenüber nur eine idealtypische Vorstellung zu sein, die sich im parlamentarischen Regierungssystem als Nachhall konstitutionellen Denkens erweist und nicht mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen zu vereinbaren ist268. Umgekehrt ist sie selbst als theoretischer Gedanke in Frage zu stellen: Eine Beschränkung auf nachgängige Kontrolle würde die Regierung im Zweifel zu einer vorauseilenden Anpassung an die parlamentarischen Vorstellungen zwingen, um sich dadurch fortwirkendes Vertrauen zu sichern. Ihre alleinige Verantwortung besteht auch dann nur scheinbar. Verantwortungsvermischung erweist sich damit als Synonym für den prinzipiell unaufhebbaren Widerspruch zwischen Verantwortung und Kontrolle269. Sie ist im verfassungsrechtlichen Verhältnis zwischen Bundesregierung und Bundestag angelegt und nicht vermeidbar. Davon zu unterscheiden ist die Fallgestaltung, daß sich die parlamentarische Kontrolle unter Mißachtung der ministeriellen Hierarchie unmittelbar auf die nachgeordnete Verwaltung richtet. Sie wird insbesondere dann relevant, wenn spezielle parlamentarische Kontrolleinrichtungen bestimmten Verwaltungseinheiten zugeordnet sind. Praktisches Beispiel dazu ist das Parlamentarische Kontrollgremium. § 3 PKGrG stellt ausdrücklich klar, daß die Verantwortung der Bundesregierung davon unberührt bleibt. Diese Verantwortungsvermischung, die tatsächlich eine Verantwortungskonkurrenz von Parlament und Regierung darstellt, ist verfassungsrechtlich prekär.

268 Daß sie in anderen Bereichen Geltung beansprucht, soll hier indessen nicht in Abrede gestellt werden. In Betracht kommt dabei insbesondere das Bundesstaatsprinzip mit seinen unterschiedlichen Legitimationsquellen. 269 Schwarze, DVBl. 1974, 893, 894; Kewenig, Probleme parlamentarischer Mitregierung, 32 f.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

6. Besondere Kontrollfunktionen des Parlaments Die Fokussierung auf die parlamentarische Kontrolle als gesonderte Parlamentsfunktion darf nicht den Blick auf die bereits getroffene Feststellung verstellen, daß jede Einwirkung des Parlaments auf die vollziehende Gewalt als Kontrolle verstanden werden kann. Auch wenn die anderen Parlamentsfunktionen außerhalb des Untersuchungsgegenstandes liegen, sind sie für die Konturierung der parlamentarischen Kontrolle in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung: Ihre Wirksamkeit hängt entscheidend vom Ineinandergreifen der einzelnen Parlamentsfunktionen ab. Insoweit geht es im folgenden weniger um die anderen Parlamentsfunktionen als vielmehr um deren Bezug auf die parlamentarische Kontrolle. Daraus ergibt sich umgekehrt aber die Aufgabe der Abgrenzung, was insbesondere dann problematisch ist, wenn die Zuordnung einer Parlamentsaufgabe umstritten ist. Die Ausführungen dienen damit auch dazu, den Umfang der parlamentarischen Kontrolle näher zu bestimmen. a) Parlamentarische Rechtskontrolle Rechtskontrolle ist der Teil der parlamentarischen Kontrolle, der die Rechtmäßigkeit des Regierungshandelns bzw. der ihr nachgeordneten Verwaltung zum Inhalt hat. Sie ist das Gegenstück zu deren Vollzugsverantwortung270. Rein äußerlich unterscheidet sie sich von der politischen Kontrolle bereits dadurch, daß sie mit den Rechtsnormen über einen feststehenden Kontrollmaßstab verfügt. Diese bilden zugleich das Abgrenzungskriterium, weil von Rechtskontrolle stets zu sprechen ist, wenn die vollziehende Gewalt in Anwendung eines Gesetzes gehandelt hat oder hätte handeln müssen. Unterschiedlich ist aber vor allem ihre Funktion innerhalb der Verantwortlichkeitsbeziehung zwischen Parlament und Regierung. Die demokratische Dimension der politischen Kontrolle beruht – wie zuvor ausgeführt – auf der Möglichkeit des Parlaments, auf die Staatsleitung Einfluß zu nehmen. Sie führt zur Zurechnung der Verantwortung der Regierung. Dies kann jedoch dort nicht gelten, wo das Parlament die Verantwortung für das Staatshandeln bereits mittels seiner Gesetzgebung trägt. Die (Sach-)Verantwortung der Regierung beginnt erst dort, wo der Regelungsgehalt der Gesetze endet. Nur insoweit bedarf sie der demokratischen Sachlegitimation im Wege der parlamentarischen Kontrolle. Zusätzliche, nicht damit zu verwechselnde Vollzugsverantwortung trägt die Regierung für die Richtigkeit der Gesetzesanwendung. Sie beruht nicht auf der vorgesehenen Freiheit zur politischen Gestaltung, sondern auf der tatsächlichen Macht, gegen gesetzliche Bindungen verstoßen zu können. Bei rechtswidrigem Handeln entfällt nicht nur die originäre Sachverantwortung des Parlaments, sondern zugleich die damit vermittelte 270

Siehe zur Erläuterung 1. Kap., III. 2. b) bb).

IV. Die Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle

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demokratische Legitimation. Zwar führt die parlamentarische Billigung auch hier zu einer Mitverantwortung des Parlaments, wesentlich ist aber der Unterschied, daß in diesem Fall die demokratische Legitimation im Wege der Verantwortungszurechnung zum Parlament – trotz Möglichkeit der Einflußnahme – ausgeschlossen ist. Grund dafür ist einerseits die Gesetzesbindung der vollziehenden Gewalt, andererseits die Bindung des Gesetzgebers an die verfassungsmäßige Ordnung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG. Nicht die parlamentarische Approbation gesetzeswidriger Regierungsakte, sondern der verfassungsrechtlich vorgesehene Weg der Gesetzesänderung ist in diesem Fall das Mittel, legitime Staatsgewalt solchen Inhaltes zu ermöglichen. Die Legitimationsfunktion der Rechtskontrolle ist darum eine besondere. Ihr Zweck, die Überwachung der Gesetzmäßigkeit staatlichen Handelns, ist auf den Zustand gerichtet, der bereits nach Gesetz legitimiert wäre271. Sie steht insoweit in einem Komplementärverhältnis zur Gesetzgebungsfunktion. Anders als die politische Kontrolle dient sie dabei nicht der Herstellung, sondern der Sicherung der demokratischen Legitimation. Die demokratische Bedeutung der Rechtskontrolle wird dadurch nicht in Frage gestellt. Wenn die demokratische Verantwortung ermöglicht, daß „alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht“, kann sie sich nicht auf die abstrakte Formulierung des Inhalts der Staatsgewalt im Wege der Gesetzgebung beschränken. Staatsgewalt ist stets ausgeübte Staatsgewalt, wie Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG verdeutlicht. Demokratische Legitimation ist darum auch für die Vollzugsverantwortung, die der Gesetzesvollzug mit sich bringt, zu beanspruchen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung ist für die Rechtskontrolle in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Obschon dazu in erster Linie die Gerichte berufen sind, ist sie doch Bestandteil der parlamentarischen Arbeit272. Die Stellung der Rechtsprechung als eigene Staatsgewalt steht ihr nicht entgegen. Im Gegensatz zu den Gerichten hat das Parlament aber grundsätzlich keine eigenen Befugnisse zur Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen oder zu deren Selbstvornahme, sondern bleibt auf seine politischen Einflußmöglichkeiten beschränkt273. Die Rechtskontrolle entspricht insoweit der parlamentarischen Kontrolle im übrigen. Der Grund ist darin zu sehen, daß der Bundestag nicht zum verfassungsrechtlichen Rechtsaufsichtsorgan über die Bundesregierung bestellt ist274. 271 Dies übersieht beispielsweise Junge, in: Müller-Henneberg/Schwartz, GWB-Gemeinschaftskommentar, § 48, Rn. 2, der im Fall eines bloßen Gesetzesvollzugs ohne jedes wirtschaftspolitische Ermessen durch das Bundeskartellamt dessen formale Unabhängigkeit und damit den Ausschluß der parlamentarischen Kontrolle für gerechtfertigt hält. Vgl. 3. Kap., II. 5. a) bb) zur Gesetzesbindung, 3. Kap., III. 2. c) zum Bundeskartellamt. 272 Vgl. Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34, 221, 239. 273 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 133 f. 274 BVerfGE 68, 1, 72 f.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

Das erklärt sich schon daraus, daß das Parlament ein der Rechtsprechung vergleichbares Kontrollniveau nicht gewährleisten kann. Trotz dieser Beschränkung entfaltet die parlamentarische Rechtskontrolle ihre Bedeutung in mehrfacher Hinsicht: Sie tritt – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – kumulativ neben die Gerichte, was insbesondere durch das Petitionsrecht abgesichert ist275. Wenn den Bürgern der Zugang zu den Gerichten mangels subjektiver Rechte versperrt ist, bleibt sie die einzige Rechtskontrolle außerhalb der vollziehenden Gewalt. Anders als die bloße Feststellung und Aufhebung der Rechtswidrigkeit durch die Rechtsprechung steht dem Parlament auch der Weg der politischen Sanktion offen. Die Drohung des Vertrauensentzugs geht weit über die jeweilige Entscheidung hinaus und entfaltet ihre Wirkung darum bereits im voraus. Die parlamentarische Rechtskontrolle ist aber auch ein Mittel der Selbstkontrolle. Sie gestattet dem Parlament eine Prüfung von Effizienz und Sinnhaftigkeit der von ihm erlassenen Gesetze. Die sich daraus ergebenden Impulse für Gesetzesänderungen führen zu einer Neubestimmung der gesetzlichen Legitimation. Obwohl Rechtskontrolle also auch insoweit Bedeutung für die demokratische Legitimation hat, verläßt sie an dieser Stelle den Funktionskreis der parlamentarischen Kontrolle und wechselt in den der Gesetzgebung. Offensichtlich wird das daran, daß sie nicht mehr auf Legitimationssicherung, sondern auf Legitimationsänderung zielt. b) Kontrolle durch Regierungsmehrheit und Opposition Gegen die Zuordnung von parlamentarischer Kontrolle, demokratischer Legitimation und Parlamentsmehrheit richtet sich der weit verbreitete Einwand, die Mehrheit habe kein Interesse an einer Überwachung der von ihr getragenen Regierung276. Kontrolle erfordere vielmehr eine kritische Distanz zwischen Kontrollsubjekt und Kontrollobjekt277. Sie werde in Frage gestellt, wenn Regierung und die sie tragende Mehrheit im Parlament die „Staatsleitung zur gesamten Hand“ ausüben. An die ursprüngliche Stelle der Gewaltenteilung zwischen Parlament und vollziehende Gewalt sei nunmehr die Gegenüberstellung von Regierungsmehrheit und Opposition getreten278. Die Funktion der parlamentarischen Kontrolle komme folglich vorrangig der Opposition zu279. Sie richte sich nicht nur auf die Verantwortung der Regierung, sondern auch auf die der Regierungs275

Zu dessen Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle 1. Kap., V. 2. h). Meyer, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 4, Rn. 67; Gehrig, Parlament, Regierung, Opposition, 94 f.; Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 38, Rn. 45. 277 Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 28; Scheuner, in: Ritterspach, Festschrift Müller, 379, 392. 278 Abwägend Thaysen, Parlamentarisches Regierungssystem, 64 f.; kritisch Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20, V, Rn. 33. 276

IV. Die Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle

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mehrheit280. Eine gewisse Erweiterung dieses Kontrollgedankens ergibt sich noch aus der Feststellung, daß die Regierungsmehrheit nicht homogen und monolithisch zusammenstehe. Daher erfolge parlamentarische Kontrolle auf der Mehrheitsseite auch durch Parteiflügel und einzelne kritische Abgeordnete sowie als Folge von Koalitionsdifferenzen281. Die Oppositionskontrolle ist aus dieser Sicht nicht nur Teil des grundgesetzlichen Systems von checks and balances, sondern im Verhältnis zwischen Parlament und Regierung wesensbestimmender Inhalt der parlamentarischen Kontrolle. Daß das Handeln der Opposition Kontrolle ist, kann auf der Grundlage eines weiten Kontrollbegriffs nicht bestritten werden. Ob es zugleich den spezifischen Gehalt der parlamentarischen Kontrollfunktion erfüllt, steht jedoch in Frage. Dies betrifft zum einen die Gewaltengliederung selbst. Hier ist zunächst der Ausgangspunkt, nämlich der Übergang der parlamentarischen Kontrolle vom ganzen Parlament auf die Opposition, kritikwürdig. Weil es um die Kontrollfunktion nach dem Grundgesetz geht, kann ihr Inhalt nicht unter Rückgriff auf andere Verfassungsordnungen, insbesondere die des Konstitutionalismus, bestimmt werden282. Daß sich seit Inkrafttreten des Grundgesetzes das Verhältnis von Bundestag und Bundesregierung grundlegend verändert hat, läßt sich nicht bestätigen283. Vor diesem Hintergrund ist nicht erklärlich, wie der Aspekt der „balances“ durch eine einflußlose Opposition ausgefüllt werden soll, deren vorrangiges Einflußmittel der Appell an die Öffentlichkeit ist, die im übrigen aber auf der Stufe der Kritik verharren muß284. Im offenen Widerspruch dazu stehen diejenigen verfassungsmäßigen Kontrollrechte, die in die Hand der Parlamentsmehrheit gelegt sind und damit bereits im Ansatz der Opposition verschlossen bleiben285. Inhaltlich liegt das Interesse der Opposition weniger in der gemein-

279 Achterberg, Parlamentsrecht, 438; Karehnke, DÖH 16, 140, 151; Stern, Staatsrecht I, 1035; H.-P. Schneider, in: ders./Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 38, Rn. 41; Bischoff/Bischoff, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 54, Rn. 59 ff.; Wrege, Jura 1996, 436, 438. 280 Gehrig, Parlament, Regierung, Opposition, 94. 281 Steffani, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 49, Rn. 80; Mössle, Regierungsfunktion, 121. 282 Wenn es heißt, daß unter den Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems die Kontrollfunktion des Parlaments als Gesamtorgan nicht mehr erklärbar sei (Meyer, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 4, Rn. 67), wird zugleich die Vorstellung zugrunde gelegt, daß sich Parlament und Regierung als politische Handlungsblöcke gegenüberstehen. Dies aber entspricht dem Konstitutionalismus und ist mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren. 283 Daß dieses Verhältnis erst mit Verzögerung wahrgenommen wurde, ist eine andere, davon zu unterscheidende Frage. Sie betrifft den Anteil konstitutionellen Denkens im Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. 284 Vgl. Schulze-Fielitz, Parlamentarische Gesetzgebung, 256. 285 Entsprechend findet sich auch die Forderung einer Umgestaltung des Zitierungsrechts gemäß Art. 43 Abs. 1 GG in ein Minderheitsrecht, dazu Schröder, in: Dolzer/

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samen Willensbildung und im Erfolg der Regierungsarbeit, als vielmehr in deren Desavouierung und mittelbar in deren Ablösung durch veränderte Mehrheitsverhältnisse. Ihr Standpunkt ist nicht das Vertrauen, sondern das Mißtrauen. Einen solchen Kontrollmaßstab trägt die Gewaltengliederung jedoch nicht. Ihr primäres Anliegen ist positive Machtbegrenzung durch Zuständigkeitsverteilung und Kooperation, nicht durch Konfrontation und Verhinderung. Zum anderen läßt sich die Oppositionskontrolle auch nicht mit demokratischer Legitimation vereinbaren. Hier fehlt es an dem bereits ausführlich beschriebenen Konnex zwischen demokratischer Legitimation und Mehrheitserfordernis und damit an der grundlegenden Voraussetzungen, Verantwortung zu übernehmen. Überspitzt nennt Ellwein den postulierten Zusammenhang von Kontrolle und Opposition denn auch ein Ammenmärchen286. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß Oppositionskontrolle keine Bedeutung für die Funktion der parlamentarischen Kontrolle habe. Ausgangspunkt dafür ist, daß auch die Opposition als Teil des Bundestages zu den Verantwortungsgläubigern der Regierung gehört. Aus diesem Grund stehen ihr die parlamentarischen Rechenschaftsmittel grundsätzlich offen. Kontrolle ist insoweit die Sache des ganzen Bundestages. Mit deren „Übergang auf die Opposition“ kommt zum Ausdruck, daß die Instrumente der Rechenschaft in größerem Maße von ihr genutzt werden287. Umgekehrt liegt aber die für die Regierung maßgebliche Einflußnahme in der Hand der Regierungsmehrheit. Diese ist Orientierungspunkt sowohl für das Vertrauensverhältnis als auch für die Verantwortungszurechnung. Ihr Kontrollinteresse beruht darin, ihre politischen Auffassungen durchzusetzen und gleichzeitig Abweichungen davon zu verhindern. Daß sie dabei vornehmlich im Stillen wirkt, tut dem keinen Abbruch288. Einen äußeren Antrieb dazu liefert der politische Wettbewerb vor dem Forum der Öffentlichkeit. Hier ist es der Opposition möglich, die Regierung und insbesondere die sie tragende Mehrheit zu zwingen, ihre politischen Konzepte und Entscheidungen darzustellen und zu verteidigen. Werden ihre politischen Angriffe auf die Regierung und die Alternativvorschläge von der Mehrheit zurückgewiesen, so liegt die demokratische Legitimation nicht in der OppositionsVogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 43, Rn. 48; ähnlich Würtenberger, in: Dolzer/Vogel/ Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 45c, Rn. 135. 286 Ellwein, zitiert bei: Gehring, Parlament, Regierung, Opposition, 100; kritisch auch Meyer, VVDStRL 33, 69, 101. 287 Insoweit spricht H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 134, denn auch nur davon, daß die Mittel und Instrumente der parlamentarischen Kontrolle zu Oppositionsrechten geworden seien. 288 Meyer, VVDStRL 33, 69, 101; anderer Ansicht Scheuner, in: Ritterspach, Festschrift Müller, 379, 393; Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 38, Rn. 45, der Kontrolle von Öffentlichkeit abhängig macht. Zur gleichen Aufgabenverteilung zwischen Regierungsmehrheit und Opposition wie hier kommt auch Brüning, Der Staat 43, 511, 517.

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arbeit, sondern in der spiegelbildlichen Akzeptanz des Regierungshandelns durch die Regierungsmehrheit. Gelingt es ihr, für bestimmte Vorhaben die öffentliche Meinung zu mobilisieren und dadurch der Regierungsmehrheit ihre Meinung aufzudrängen, vollzieht sich die demokratische Legitimation gleichwohl über die Mehrheitsentscheidung. Sieht man darin den Kern der parlamentarischen Kontrolle, so dient die „Oppositionskontrolle“ deren Effektuierung. Sie legitimiert nicht, sondern entfaltet ihre Bedeutung auf der Ebene der Legitimität. c) Sanktionsbefugnisse des Parlaments Die verfassungsrechtlich vorgesehenen Sanktionen des Bundestages gegenüber der Regierung beschränken sich auf das konstruktive Mißtrauensvotum gemäß Art. 67 GG289. Danach kann der Bundestag einem Bundeskanzler dadurch das Mißtrauen aussprechen und den Bundespräsidenten um Entlassung ersuchen, indem er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt. Will der Bundestag die Bundesregierung rechtsverbindlich „zur Verantwortung ziehen“, so zieht er mit dem Mißtrauensvotum im Verantwortlichkeitsverhältnis die Konsequenz aus der Sachverantwortung, die er nicht länger zu übernehmen bereit ist. Zum Verständnis seiner Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle ist danach zu unterscheiden, ob der Grund für das Mißtrauen, mit dem der parlamentarische Vertrauensverlust korreliert, in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegt. Als nachfolgende Sanktion hat das konstruktive Mißtrauensvotum keinen unmittelbaren Einfluß auf die bereits erfolgte Verantwortungszurechnung und die demokratische Sachlegitimation290. Solange kein actus contrarius erfolgt, haben die betroffenen Akte der Staatsgewalt legitimen Bestand. Die Neuwahl einer Regierung eröffnet hier lediglich die Möglichkeit, diese rückgängig zu machen. Damit steht allerdings die allgemein selbstverständliche Zuordnung des konstruktiven Mißtrauensvotums zur parlamentarischen Kontrolle als deren „ultima ratio“291 in Frage. Im engeren Sinne enthält das konstruktive Mißtrauensvotum die Neuwahl des Bundeskanzlers als rein personellen Legitimationsakt und ist damit Ausübung der parlamentarischen Kreationsfunktion. Der Vertrauensentzug gegenüber der alten Regierung wird lediglich mittelbar manifestiert. Die Kontrollwirkung des konstruktiven Mißtrauensvotums ist dadurch nicht ausgeschlossen. Sie liegt zum einen in dem Moment parlamentarischer Beherrschung. Wie aber bereits festgestellt, das allein ist kein ausschließliches Kriterium parlamentarischer Kontrolle, sondern in weitaus größerem Maße auch für die 289 Im weiteren Sinne gehört auch die – nur politisch wirksame – Entlastung gemäß Art. 114 Abs. 1 GG zu den Sanktionen. Dazu im einzelnen 1. Kap., IV. 6. f) cc). 290 Vgl. H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 37. 291 Stern, Staatsrecht I, 991.

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anderen Parlamentsfunktionen charakteristisch. Zum anderen gibt das Damoklesschwert des Art. 67 GG der politischen Einflußnahme im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle entscheidendes Gewicht und wird dadurch zum wesentlichen Faktor in der Machtbalance zwischen Regierung und Parlament. Sie wirkt jedoch nur auf künftiges Regierungshandeln und hat für die Vergangenheit keine Bedeutung. Der Vorstellung einer ultima ratio kommt das konstruktive Mißtrauensvotum darum näher, wenn es der Verhinderung eines konkreten Regierungsvorhabens dient, für das die Parlamentsmehrheit die Verantwortung nicht übernehmen und auf diesem Weg die demokratische Legitimation versagen will. Aber auch hier ist die Wirkung nur eine mittelbare und rechtfertigt nicht, das konstruktive Mißtrauensvotum selbst zum Teil der parlamentarischen Kontrolle zu machen. Es ist vielmehr – wie auch im Fall der Gesetzgebungsfunktion – Ausdruck des Ineinandergreifens der verschiedenen Parlamentsfunktionen. Dem konstruktiven Mißtrauensvotum geht regelmäßig ein Zeitraum voraus, in dem sich das Vertrauensverhältnis zwischen Regierung und Parlamentsmehrheit in zunehmender Auflösung befindet. Der Regierung wird es hier schwer fallen, eine parlamentarische Mehrheit für ihre Vorhaben zu finden. Weil in diesem Fall die „Staatsleitung zur gesamten Hand“ faktisch entfallen ist, steht zugleich der Kerngedanke parlamentarischer Kontrolle zur Disposition. Darum stellt sich die Frage, ob hier noch die Voraussetzungen für die Verantwortungszurechnung vorliegen. Der Verfassungsgeber beantwortet sie dadurch, daß die Möglichkeit einer ersatzlosen Abwahl gerade nicht eingeräumt wurde. Die Ausgestaltung als konstruktives Mißtrauensvotum bezweckt eine größere Regierungsstabilität und erklärt sich mit den konkreten Erfahrungen der Weimarer Republik. Vordergründig vermindert es die Parlamentsabhängigkeit der Regierung292 und scheint mit einer Abschwächung der Verantwortlichkeit verbunden zu sein. Zugleich wirkt es stabilisierend, weil es die bestehende Mehrheit enger zusammenschließt. Die erschwerte Ablösung führt dazu, daß der politische Druck auf die Regierung sinkt. Entscheidend ist aber, daß die Verantwortungszurechnung einschließlich der Legitimation selbst dann noch erfolgt, wenn ein konkretes Vertrauensverhältnis nicht mehr vorhanden ist. Dies ist insoweit folgerichtig, als hier die frühere Wahl des Bundeskanzlers bzw. der Regierung gemäß Art. 63 Abs. 1 GG nachwirkt. Eine parlamentarische Vertrauenskrise ist ein verfassungsrechtlicher Ausnahmezustand. Maßstab kann daher nicht der idealtypische Vorgang demokratischer Legitimation sein, sondern der Vergleich zu den denkbaren Alternativen. Nach der Konzeption des Grundgesetzes liegt die ersatzlose und in diesem Sinne destruktive Abwahl der Regierung außerhalb der parlamentarischen Kreationsfunktion und ist darum im Hinblick auf die Gewaltenteilung unzulässig. Sie 292

Oldiges, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 67, Rn. 14.

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würde die bestehende personelle Legitimation lediglich beseitigen, ohne ein neues Vertrauensverhältnis zu begründen, so daß gegenüber einer demokratisch gewählten, aber rückhaltlosen Regierung sogar ein Minus an demokratischer Legitimation zu verzeichnen wäre293. d) Parlamentarische Kontrolle im Gesetzgebungsverfahren Die Ergebnisse zum Verhältnis von Gesetzgebung und parlamentarischer Kontrolle können – soweit die beiden Funktionen im Einzelfall nicht zusammenfallen294 – folgendermaßen zusammengefaßt werden: In einem Komplementärverhältnis sind beide darauf gerichtet, demokratische Sachlegitimation herzustellen295. Die Gesetzgebungsfunktion zeichnet sich dabei durch ihren Vorrang aus, der auf ihrer höheren demokratischen Dignität, ihrer besonderen Legitimität, beruht. Ein Ineinandergreifen der Funktionen ist bei der parlamentarischen Rechtskontrolle zu beobachten. Diese basiert einerseits auf dem Kontrollmaßstab der Parlamentsgesetze und bildet zugleich den Impuls zur Aktivierung der Gesetzgebungsfunktion, um den Kontrollmaßstab zu ändern. Im Anschluß an die Unterscheidung zwischen den Parlamentsfunktionen kann das Verfahren der Gesetzgebung nicht als Form der parlamentarischen Kontrolle aufgefaßt werden296. Dies legen zwar die parlamentarischen Beratungen über Gesetzesvorlagen der Regierung nahe, weil sich hier sowohl der Überprüfungsvorgang als auch der Bezug auf die vollziehende Gewalt als typische Merkmale der parlamentarischen Kontrolle finden. Der Kontext des Gesetzgebungsverfahrens ist indessen ein anderer: Die Kompetenz der Regierung zur Gesetzesinitiative gemäß Art. 76 Abs. 1 GG ist keine Sachentscheidungsbefugnis, an deren Wirksamkeit das Parlament ein Mitspracherecht hat. Die Kontrolle über einen Gesetzentwurf ist Teil der parlamentarischen Willensbildung, die im Gesetzesbeschluß des Plenums ihren Abschluß findet. Das Parlament macht sich den Gesetzentwurf der Regierung insoweit zu eigen und beansprucht die volle Souveränität über die weitere Gestaltung. Abgesehen von der Rücknahme des ganzen Entwurfs sind der Regierung Nachbesserungen oder Änderungen verwehrt297. Damit geht aber zugleich der für parlamentarische Kontrolle erforderliche Bezug auf Entscheidungszuständigkeiten der Regierung verloren. Die Entscheidung über den Gesetzesinhalt liegt nämlich – von den bundesstaatlichen 293 Zu den stabilisierenden Wirkungen des konstruktiven Mißtrauensvotums Oldiges, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 67, Rn. 16 ff. 294 Siehe zur Begründung 1. Kap., II. 4. 295 Vgl. Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 22. 296 Anders Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 126. Etwas anderes ist es freilich, in der Gesetzgebung ein Druckmittel, also eine Art unselbständiges Kontrollinstrument zu sehen, dazu Gusy, ZRP 1998, 265, 266. 297 Lücke, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 76, Rn. 13.

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Beiträgen abgesehen – beim Parlament. Die Gesetzesberatung ist daher allein der Gesetzgebungsfunktion zuzuordnen. Sie ist trotz ihres Kontrollgehalts keine parlamentarische Kontrolle in engeren Sinn298. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens keine parlamentarische Kontrolle stattfindet. Tatsächlich geht es zugleich um die Überprüfung der im sachlichen Zusammenhang stehenden Gesetze und die Art ihres Vollzugs299. Offensichtlich ist dies, wenn es sich um eine Gesetzesänderung handelt. Die Funktionen der Gesetzgebung und der parlamentarischen Kontrolle können also zeitlich und gegenständlich „uno actu“ zusammenfallen, was jedoch nicht damit zu verwechseln ist, daß das Gesetz zum Mittel der parlamentarischen Kontrolle würde. e) Parlamentarische Mitwirkungsrechte Unter parlamentarischen Mitwirkungsrechten werden hier rechtsverbindliche Entscheidungsbefugnisse des Bundestages verstanden, die sich auf Aufgabenzuständigkeiten der vollziehenden Gewalt beziehen. Ihr Gegenstand ist stets eine konkrete Exekutiventscheidung, deren Wirksamkeit unter einem Zustimmungsvorbehalt steht. Dazu zählen sowohl Einwilligungen und Genehmigungen als auch Aufhebungsrechte. Diese Mitwirkungsrechte stellen nicht nur die Gewaltengliederung, sondern auch die Zuordnung und Abgrenzung der parlamentarischen Kontrolle in mehrfacher Hinsicht in Frage300. Zu betrachten sind zunächst solche verbindlichen Mitwirkungsrechte, die als schlichte Bundestags- bzw. Ausschußbeschlüsse ergehen301. Mit der Gesetzgebungsfunktion ist es dem Bundestag zwar in die Hand gelegt, sich solche Parlamentsvorbehalte selbst zu schaffen. Ihre Zuordnung innerhalb der Parlamentsfunktionen ist jedoch nicht bruchlos möglich. Obwohl es sich um abschließende Entscheidungsrechte handelt, können sie mangels Gesetzesform nämlich nicht zur Gesetzgebungsfunktion gerechnet werden. Umgekehrt stellen sie als Teil der parlamentarischen Kontrolle aber deren eingangs genannten Bezug auf exe298 Gerade an diesem Kontrollgehalt im Gesetzgebungsverfahren erweist sich aber, daß parlamentarische Kontrolle und Gesetzgebung keinen Gegensatz markieren, sondern lediglich Kontrollverfahren in unterschiedlichen Funktionen sind. 299 Zeh, in: Schneider/ders., Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 39, Rn. 12. 300 Vgl. insoweit 1. Kap., II. 4., IV. 1. 301 Zum Begriff der schlichten Parlamentsbeschlüsse Grimmer, in: v. Westphalen, Parlamentslehre, § 9, 188. Zu nennen sind hier: §§ 64 Abs. 2, 65 Abs. 7 BHO, die für die Fälle der Veräußerung von Grundstücken oder Unternehmensanteilen von erheblichem Wert oder besonderer Bedeutung die Einwilligung des Bundestages verlangen, §§ 5 Abs. 1 S. 1; 8 Abs. 2 Artikel 10-G, § 25 Abs. 4 StUG für das Recht des Parlamentarischen Kontrollgremiums, qualifizierte Sperrvermerke zum Haushaltsplan, Einwilligungs- bzw. Aufhebungsvorbehalte zu Rechtsverordnungen (dazu Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 64, Rn. 51 ff.).

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kutive Entscheidungszuständigkeiten in Frage302. Hier geht es nicht mehr nur um den Einfluß auf fremde Entscheidungen, sondern scheinbar um deren Selbstvornahme. Gleichwohl ist die Zuordnung zur parlamentarischen Kontrolle richtig. Den schlichten Mitentscheidungsrechten ist gemeinsam, daß es sich ihrem Inhalt nach um Exekutivfunktionen handelt. Sie setzen stets eine eigene Entscheidung der vollziehenden Gewalt voraus, deren endgültige Wirksamkeit in die Hand des Bundestages gelegt ist. Dieser hat kein Initiativrecht und im Regelfall auch kein Abänderungsrecht. Darum sind sie keine Selbstvornahme, sondern Mitwirkung. Insoweit stellen sich die Mitwirkungsbefugnisse als rechtlich verbindliche Form der ansonsten informellen parlamentarischen Kontrolle dar. Die Begründung dafür liegt darin, daß es sich aus parlamentarischer Sicht um Angelegenheiten von erhöhter politischer Bedeutung handelt, die in abstrakt-genereller Gesetzesform nicht ausreichend determinierbar sind303. In diesen Fällen genügt die Legitimität einfacher parlamentarischer Kontrolle nicht, sei es, daß man eine unmittelbare parlamentarische Entscheidung fordert, sei es, daß man die Effektivität der parlamentarischen Einwirkung im Wege anfänglicher Kontrolle als unzureichend ansieht304. Damit wird die bisher vorausgesetzte Form der Funktionenverschränkung durch parlamentarische Kontrolle von einer Betonung des demokratischen Gedankens überlagert, die zu einer Parlamentarisierung exekutiver Entscheidungszuständigkeiten führt. Gegenüber der parlamentarischen Kontrolle durch bloße Einflußnahme sind sie kein aliud, sondern eine demokratische Steigerung. Diese Herleitung rechtfertigt es, Mitwirkungsrechte weiterhin als Teil der parlamentarischen Kontrolle zu betrachten. Von den schlichten Mitwirkungsrechten zu unterscheiden sind solche, die der Gesetzesform bedürfen. Zu ihnen gehört in erster Linie die Zustimmung zu völkerrechtlichen Verträgen gemäß Art. 59 Abs. 2 GG. Schon wegen ihrer Form ist sie der Gesetzgebungsfunktion zuzuordnen. Anders als es bei Parlamentsgesetzen regelmäßig der Fall ist, hat sie aber keine abstrakt-generelle Regelung zum Inhalt. Gemeinhin wird sie darum als „nur formelles Gesetz“ bezeichnet. Als weiterer Unterschied und darin in Übereinstimmung mit den vorgenannten Mitwirkungsrechten ist sie auf die Wirksamkeit konkreter Entscheidungen der vollziehenden Gewalt bezogen. Anderen Regelungskompetenzen des Bundestages fehlt gerade diese Abhängigkeit305. Das Bundesverfassungsgericht spricht von einem „Regierungsakt in der Form eines Bundesgesetzes“306 bzw. von einer 302

Siehe dazu 1. Kap., II. 4. Anschauliches Beispiel dafür ist die finanzielle Tragweite der Entscheidung im Fall von §§ 64 Abs. 2, 65 Abs. 7 BHO sowie die Grundrechtsrelevanz bei §§ 5 Abs. 1 S. 2, 8 Abs. 2 Artikel 10-G bzw. § 25 Abs. 4 StUG. 304 Vgl. BVerfGE 90, 286, 357. 305 Aus diesem Grund fallen unter anderem Art. 87 Abs. 1 S. 2; 87 Abs. 3; 85 Abs. 1; 86; 24 Abs. 1 GG nicht unter die Mitwirkungsrechte. 306 BVerfGE 1, 372, 395; 90, 286, 357. 303

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

„Parlamentarisierung von Exekutivfunktionen“307. Diese funktionale Herkunft hat sich im Fall von Art. 59 Abs. 2 GG darin erhalten, daß der Bundestag kein Initiativrecht hat, sondern auf Entscheidungsvorlagen der Regierung angewiesen ist. Der Bundestag ist dabei nicht „Herr des Geschäfts“. Eine Abgrenzung zu schlichten Zustimmungsrechten läßt sich nicht entwickeln. Sie ist darum ebenfalls Teil der parlamentarischen Kontrollfunktion. Die Gründe für die parlamentarische Mitwirkung liegen wiederum in den gesteigerten demokratischen Anforderungen, die sich aus dem Entscheidungsinhalt ableiten308. Ihnen gegenüber genügt einfache parlamentarische Kontrolle nicht, wenn – wie im Fall des Art. 59 Abs. 2 GG – die Gefahr besteht, daß das „Kontrollrecht dadurch unterlaufen wird, daß ein Vertrag eine völkerrechtliche Bindungswirkung erzeugt, die durch eine spätere parlamentarische Mißbilligung nicht mehr beseitigt werden kann“309. Erklärungsbedürftig bleibt aber, weshalb der Verfassungsgeber eine Entscheidung in Gesetzesform für notwendig erachtet hat, so daß zusätzlich eine Zuordnung zur Gesetzgebungsfunktion erfolgen muß. Die Antwort darauf ist nicht eindeutig. Sachlich relevant sind hier einerseits Zweckmäßigkeitserwägungen. Für das Gesetzgebungsverfahren spricht dessen Beratungsintensität310, für die schlichten Parlamentsbeschlüsse deren höhere Flexibilität. Andererseits spielen auch historische Bedingungen eine Rolle, die zugleich zeigen, daß die Zuordnung variabel ist: Während die Art. 11 Abs. 2 RV 1871311 noch die Zustimmung des Parlaments zu Kriegserklärungen vorsah, ordnete Art. 45 Abs. 2 WRV dafür einen Parlamentsvorbehalt in Gesetzesform an. Unter dem Grundgesetz ist für die Feststellung des Verteidigungsfalls wiederum gemäß Art. 59a Abs. 1 a. F.312, 115a Abs. 1 GG ein qualifizierter Parlamentsbeschluß erforderlich. Maßgeblich sind schließlich auch normative Erfordernisse, die zur parlamentarischen Kontrollfunktion hinzutreten. Der Beschluß in Gesetzesform gemäß Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG ist nicht nur eine Kontrolle über den völkerrechtlichen Vertrag, sondern bewirkt zugleich dessen Transformation ins nationale Recht, was durch einen schlichten Parlamentsbeschluß nicht möglich wäre313. Die genannten Mitwirkungsrechte des Bundestages sind damit – unabhängig von ihrer Form – außerordentliche Mittel der parlamentarischen Kontrolle. So307

BVerfGE 68, 1, 85; 90, 286, 357. Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 390; H. Schneider, Gesetzgebung, 20. 309 BVerfGE 90, 286, 357. 310 Vgl. Schulze-Fielitz, Parlamentarische Gesetzgebung, 372, der darum unter Verweis auf BVerfGE 7, 282, 302, von einem größeren Rechtswert spricht. 311 RGBl. 1918, 1274. 312 BGBl. I, 1956, 111. 313 H. Schneider, Gesetzgebung, Rn. 221; Streinz, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 59, Rn. 60. 308

IV. Die Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle

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weit sie der Gesetzesform bedürfen, handelt es sich um den bereits festgestellten Überschneidungsbereich zur Gesetzgebungsfunktion. Mit ihr haben alle Mitwirkungsrechte gemeinsam, daß die demokratische Legitimation unmittelbar vom Bundestag ausgeht. Daran erweist sich zugleich, daß die notwendige Intensität der parlamentarischen Kontrolle in Abhängigkeit von der zu kontrollierenden Aufgabe steht. Als Mittel der Gewaltenverschränkung begründet sich ihre Eingriffstiefe mit dem Demokratieprinzip. Die Verfassungsordnung etabliert hierzu eine Sequenz von Kontrollinstrumenten mit steigendem Verbindlichkeitsgrad314, an deren Spitze die Mitentscheidungsrechte stehen315. Durch sie werden andere Kontrollinstrumente mit geringerer Eingriffsintensität grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Namentlich bei Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG ist dem Eindruck entgegenzutreten, bei der Zustimmung handle es sich um die einzige Form parlamentarischer Kontrolle einer von der Regierung im übrigen autonom wahrzunehmenden auswärtigen Gewalt316. Zum einen bleibt es dem Bundestag unbenommen, auf die Gestaltung der dort angesprochenen Verträge Einfluß zu nehmen. Zum anderen bedarf auch die auswärtige Gewalt umfassender demokratischer Legitimation. Das Spannungsverhältnis zwischen demokratischen Anforderungen und der Notwendigkeit außenpolitischer Handlungsfähigkeit der Regierung hat der Verfassungsgeber dadurch aufzulösen versucht, daß er die Entscheidungszuständigkeit weithin der Regierung zugewiesen hat317. Die Alternative bestand hier zwischen den verschiedenen Formen der parlamentarischen Kontrolle, nicht aber zwischen Kontrolle oder Unabhängigkeit.

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Wolfrum, VVDStRL 56, 127 (Aussprache). Umstritten ist deren Zulässigkeit insbesondere bei den qualifizierten Sperrvermerken im Haushaltsplan und den Zustimmungsvorbehalten zu Rechtsverordnungen, weil hierzu kein eindeutiger Maßstab für das Maß zulässiger Funktionsverschränkung besteht (Achterberg, Parlamentsrecht, 493 f.). Ablehnen wird sie, wer auf einer strikten Trennung der Verantwortungssphären beharrt (Stern, Staatsrecht II, 1225; Hirsch, Haushaltsplanung, 140; ähnlich Kisker, in: Isensee/Kirchhof, HBStR IV, § 89, Rn. 104). Weil das Parlament mit seiner Entscheidung stets die Verantwortung übernehme, bestehe die Gefahr – etwa im Fall der qualifizierten Sperrvermerke im Haushaltsplan – daß die spätere Entlastung nicht verweigert werden könne. Auf der Basis der hier entwickelten Verantwortungslehre kann dieses Argument jedoch keine Rolle spielen. Abzugrenzen ist zunächst in gegenständlicher Hinsicht: Nur dort wo der Bundestag regelungsbefugt ist, wird er sich ein konkretes Mitentscheidungsrecht vorbehalten können. Darüber hinaus ist auf den Wesentlichkeitsgedanken abzustellen. Je weiter ein parlamentarisches Kontrollrecht in den Funktionsbereich der vollziehenden Gewalt eingreift, desto wesentlicher muß die betroffene Entscheidung für die gesamtstaatlichen Belange sein. Damit ist zwar kein Maßstab, aber zumindest ein Argumentationsraster gefunden, das als Grundlage für eine Maßstabsbildung dienen kann. Im Ergebnis bejahend v. Mutius, VVDStRL 42, 147, 183. 316 Ebenso BVerfGE 90, 286, 364. Tatsächlich handelt es sich um deren Erweiterung. Vgl. dagegen Hailbronner, VVDStRL 56, 7, 11. 317 BVerfGE 90, 286 (Leitsatz 7). 315

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

f) Das parlamentarische Budgetrecht Das parlamentarische Budgetrecht gilt gemeinhin als erstrangiges parlamentarisches Kontrollinstrument318 und rechtfertigt darum eine exemplarische Betrachtung. Die weitgehende Abhängigkeit der politischen Organisation und Gestaltung von ihrer finanziellen Ausstattung macht den Haushalt zu einem zentralen Steuerungsmittel im Staat. Gerade darum bedarf es auch einer sorgfältigen demokratischen und rechtsstaatlichen Absicherung. Unbeschadet seiner historischen Wurzeln im Konstitutionalismus319 erklärt sich daraus heute, daß der Haushaltsplan gemäß Art. 110 Abs. 2 GG mit der höheren Legitimität des Haushaltsgesetzes festgestellt wird. Die hervorgehobene Stellung des Parlaments wird dadurch bekräftigt, daß die Rechte des Bundesrates auf den einfachen Einspruch beschränkt sind. Aber die Gesetzesform indiziert auch, daß es beim Budgetrecht nicht ausschließlich um parlamentarische Kontrolle gehen kann. Es handelt sich um einen vielgliedrigen Vorgang, der eine Zuordnung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse zu den Mitwirkungsrechten als Form der parlamentarischen Kontrolle erforderlich macht. aa) Haushaltsaufstellung Die Haushaltsaufstellung wird für den Bundestag mit der Einbringung der Gesetzesvorlage durch die Bundesregierung eingeleitet. Ihm schließen sich die Haushaltsberatungen an, für die das Schwergewicht beim Haushaltsausschuß – dem Treuhänder des parlamentarischen Budgetrechts320 – liegt. Auf seine Beschlußempfehlung hin stellt der Bundestag den Haushaltsplan durch das Haushaltsgesetz fest. Dabei handelt es sich zunächst um ein Gesetzgebungsverfahren in einer politisch besonderen Angelegenheit. Die Zuordnung zur Gesetzgebungsfunktion steht qua Form fest. Ob sich mit der Haushaltsaufstellung aber zugleich parlamentarische Kontrolle im engeren Sinn verbindet, steht in Frage und soll nicht dadurch umgangen werden, das Budgetrecht als Parlamentsfunktion sui generis auszuweisen. Seinen für die parlamentarische Kontrolle konstitutiven Bezug auf eine konkrete Entscheidungszuständigkeit der vollziehenden Gewalt könnte es in der Bewilligung finden, die im Haushaltsplan enthaltenen Ausgaben zu leisten und Verpflichtungen einzugehen. Wie § 3 BHO zum Ausdruck bringt, handelt es sich dabei allerdings um Ermächtigungen. Die Budgetbewilligung ist insoweit nur ein Lenkungsinstrument. Der Gesetzgeber selbst spricht in § 2 S. 2 318 319 320

Rn. 1.

BVerfGE 55, 274, 303; 70, 324, 356. Dazu Kisker, in: Isensee/Kirchhof, HBStR IV, § 89, Rn. 5 ff. Eickenboom, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 44,

IV. Die Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle

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BHO von einer Grundlage für die Haushalts- und Wirtschaftsführung. Damit fehlt der erforderliche Kontrollbezug auf die konkrete Entscheidung, wenngleich einzuräumen ist, daß es angesichts der Gliederung der Einzelpläne nicht immer möglich erscheint, eine prinzipielle Trennung aufrechtzuerhalten. Entscheidend dürfte sich hier jedoch auswirken, daß die Haushaltsaufstellung um vielfältige Formen der nachlaufenden, begleitenden und mitsteuernden Vollzugskontrolle ergänzt wird, so daß in ihnen der Schwerpunkt parlamentarischer Kontrolle eindeutig ausgemacht werden kann. Wie schon im allgemeinen bei der Gesetzgebung findet parlamentarische Kontrolle aber auch gemeinsam mit oder – um den Unterschied hervorzuheben – parallel zu den Haushaltsberatungen statt. Sie richtet sich als Rechtskontrolle insbesondere auf die Ansätze, die auf gesetzlichen Ansprüchen beruhen, und umfaßt die Anwendung dieser Gesetze und ihren Erfolg oder Mißerfolg321. bb) Haushaltskontrolle Mit dem Haushaltsplan übernimmt der Bundestag die Grundsatzverantwortlichkeit322, so daß die Verwaltung insoweit über demokratische Legitimation verfügt, die darin bewilligten Ausgaben zu leisten und Verpflichtungen einzugehen. Trotz seines Umfangs lassen sich mit dem Haushaltsplan die Handlungsabläufe der Verwaltung aber nur beschränkt steuern323. Von dem geringen Anteil sogenannter Gestaltungshaushalte abgesehen, wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Haushaltsplan gemäß § 3 Abs. 1 BHO lediglich ermächtigt, aber keine Verpflichtung für die Verwaltung darstellt324. Außerdem verlangen die Interessen einer flexiblen Verwaltung ein höheres Maß an Vollzugselastizität325. Der parlamentarischen Kontrolle sind darum auch die sich öffnenden Handlungsspielräume zugewiesen. Die vorbehaltlos erteilten Ausgaben- und Verpflichtungsermächtigungen stehen ihr nicht entgegen. Der Haushaltsplan bildet vielmehr einen auch für das Parlament rechtswirksamen Handlungsrahmen. Dem Parlament kommt dabei nicht nur die Rechtskontrolle über die Einzelpläne des Haushaltsplans zu326, sondern insbesondere die parlamentarische Kontrolle über deren Konkretisierung. Bereits hierzu findet eine laufende Unterrichtung des Bundesministers der Finanzen über den Haushaltsvollzug statt, die die Möglich-

321 Eickenboom, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 44, Rn. 24; Mehde, Neues Steuerungsmodell, 224, verweist hier auf deren außerordentliche Extensität, die sich für den Bundestag aus dem Vollständigkeitsprinzip ergibt. 322 BVerfGE 90, 286, 385. 323 Vogel, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 30, Rn. 33. 324 Kisker, in: Isensee/Kirchhof, HBStR IV, § 89, Rn. 25, 28. 325 Hirsch, Haushaltsplanung, 127 f. 326 Gröpl, Haushaltsrecht, 86 f.; Hirsch, Haushaltsplanung, 46.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

keit der Einflußnahme auf den Gang der Ausgabenpolitik eröffnen327. Sie erst stellt das erforderliche Maß demokratischer Legitimation her328. Offenkundig notwendig wird die parlamentarische Kontrolle zur Herstellung demokratischer Legitimation dort, wo kein ordnungsgemäßer Haushalt vorliegt. In Anbetracht der politischen Bedeutung der Haushaltsermächtigung kommt dieser Fall nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich wenn über- und außerplanmäßige Ausgaben erforderlich werden und Art. 112 GG dafür ein ministerielles Notbewilligungsrecht vorsieht. Dafür wird der Zugang zu den Sachinformationen als Grundlage effektiver parlamentarischer Kontrolle durch die Unterrichtungspflicht gemäß § 37 Abs. 4 BHO besonders abgesichert329. Sie wird arrondiert durch die in § 37 Abs. 1 BHO vorgesehene Einwilligungspflicht des Bundesministers der Finanzen, so daß zugleich eine unmittelbare Verantwortung der Ministerialspitze hergestellt wird. Anders verhält es sich aber, wenn die Feststellung des Haushaltsplans nicht rechtzeitig zu Beginn des Haushaltsjahres ergeht. Hier folgt die Legitimation im begrenzten Rahmen des Art. 111 GG unmittelbar aus dem Grundgesetz selbst. cc) Rechnungskontrolle An den Haushaltsvollzug schließt sich die Rechnungsprüfung an. Sie ist das klassische Beispiel nachgängiger Kontrolle, das aber zugleich die ganze Fragwürdigkeit eines darauf reduzierten Kontrollbegriffs fokussiert. Dabei erfolgt zunächst gemäß § 88 BHO eine nachträgliche Überprüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung durch den Bundesrechnungshof, auf dessen Bemerkungen sich die Beratungen durch den Haushaltsausschuß stützen. Ihr Inhalt ist die Einhaltung der politischen Zielvorstellungen des betreffenden Haushalts im Haushaltsvollzug330. Dazu gehört im einzelnen, ob die in Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung aufgeführten Beträge übereinstimmen, ob die Einnahmen und Ausgaben ordnungsgemäß belegt sind sowie ob haushaltsrelevante Vorschriften und Grundsätze beachtet wurden331. Außerdem achtet der Haushaltsausschuß in diesem Zusammenhang auf die Einleitung von Disziplinarverfahren und die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen. Ihren Abschluß findet 327 Engels, in: v. Westphalen, Parlamentslehre, § 11, 281; Eickenboom, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 44, Rn. 31 ff. Kritisch hingegen Kisker, in: Isensee/Kirchhof, HBStR IV, § 89, Rn. 54; Hirsch, Haushaltsplanung, 138, konstatiert eine „seltsame Verfilzung legislativer und exekutiver Funktionen“. 328 Anders Gröpl, Haushaltsrecht, 266 f., der das haushaltsrechtliche Legitimationsmodell offenbar auf das Budgetbewilligungsrecht und die personelle Legitimation beschränkt. 329 Maiwald, Berichtspflichten, 101. 330 Eickenboom, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 44, Rn. 39. 331 Achterberg, Parlamentsrecht, 500.

V. Instrumente der parlamentarischen Kontrolle

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die Rechnungskontrolle in der Entscheidung des Bundestages über die Entlastung der Regierung, mit der er nach überkommener Vorstellung die Verantwortung für die Haushaltsführung übernimmt. Eine Mißbilligung hat keine rechtlichen Konsequenzen, sondern verbleibt im politischen Bereich332. Nach den bisherigen Ergebnissen dieser Untersuchung kann mit der Entlastung keine zusätzliche demokratische Legitimation verbunden sein333. Dieser Befund findet nunmehr darin Bestätigung, daß infolge der zeitlich verzögerten Rechnungskontrolle die Entlastungsentscheidung jenseits der Diskontinuität erfolgen kann. Die geringe politische Bedeutung der Entlastungsentscheidung ist ein weiteres Indiz dafür. Die Haushaltsentlastung symbolisiert insoweit den ordnungsgemäßen Abschluß der verfahrensmäßigen Rechnungskontrolle und hat damit eher buchhalterische als verfassungsrechtliche Qualität. Sie ist, in den Worten von v. Mutius, zu „einem reinen parlamentarischen Ritual denaturiert“334. Die Rechnungskontrolle ist gleichwohl nicht bedeutungslos. Die Entlastungsentscheidung beinhaltet gemäß § 114 Abs. 5 BHO die Möglichkeit, einzelne Sachverhalte ausdrücklich zu mißbilligen. Dies ändert zwar nichts am Bestand der demokratischen Legitimation, ist aber eine Warnung im Hinblick auf das Vertrauensverhältnis zwischen Bundesregierung und Parlamentsmehrheit. Ihr Zweck liegt darum nicht in der demokratischen Legitimation vergangener, sondern künftiger Haushaltsangelegenheiten. Damit ist die Mißbilligung Ausdruck der konkreten parlamentarischen Kontrolle im Rahmen der Rechnungskontrolle: Soweit sie nicht die Aufdeckung, Korrektur und Verfolgung rechtswidriger Handlungen zum Inhalt hat, also die bestehende gesetzliche Legitimation sicherstellt, zielt sie mittelbar auf die demokratische Legitimation der folgenden Haushalte und entfaltet dadurch ihr Einwirkungspotential auf die Bundesregierung335.

V. Instrumente der parlamentarischen Kontrolle Unter den geschilderten Voraussetzungen sind demokratische Legitimationslücken zwischen Regierung und Parlament praktisch ausgeschlossen. Die Parlamentsfunktionen Kreation, Gesetzgebung und parlamentarische Kontrolle bilden einen demokratischen Dreiklang. Im Anschluß an ihre Funktionsbeschreibung

332 Achterberg, Parlamentsrecht, 501. Eickenboom, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 44, Rn. 47. 333 Anderer Ansicht Achterberg, Parlamentsrecht, 501, der darin die Legitimation des exekutiven Handelns sieht. 334 v. Mutius, VVDStRL 42, 147, 186. 335 Engels, in: v. Westphalen, Parlamentslehre, § 11, 282.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

tritt nunmehr das Wesen parlamentarischer Kontrolle besser hervor, so daß sich auch die einzelnen Kontrollinstrumente zuordnen lassen. Eine wesentliche Schwierigkeit und zugleich Ursache für die Verwirrung um die parlamentarische Kontrolle gründet darin, daß die festgestellte Eigenart des demokratischen Legitimationsprozesses nur ihre Möglichkeit gebietet. Anders als die Gesetzgebung, die nur dann demokratische Legitimation erzeugt, wenn ein Parlamentsgesetz auch ergeht, kommt es für die politische Legitimation nicht auf einen tatsächlichen Kontrollvorgang an. Wenn also von der Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle die Rede ist, geht es im eigentlichen Sinne um die Bedingung, daß parlamentarische Kontrolle möglich ist. Die folgenden Ausführungen dienen der Eingrenzung dessen, was tatsächliche parlamentarische Kontrolle im Hinblick darauf zum Inhalt hat. In Anlehnung an die eingangs untersuchte Wortlautbedeutung von Kontrolle geht es um den Teil des Überwachungsvorgangs, der sich auf die Feststellung der zu legitimierenden Entscheidungsinhalte bezieht. Dabei ist die Rechenschaft im Verantwortlichkeitsverhältnis zwischen Parlament und Regierung der zentrale Gedanke. Hier hat das Parlament besondere, in sich differenzierte Rechte zur Informationsbeschaffung. Ihnen zur Seite stehen Einrichtungen, die dem Parlament mittels besonderer Gremien, Organe und Hilfsorgane eine spezialisierte Kontrolle ermöglichen, die dem Plenum als solchem nicht möglich wäre. Auch wenn diese Kontrolle nicht selten pars pro toto gilt – Informationsrechte werden gemeinhin als Kontrollrechte bezeichnet –, erschöpft sich die parlamentarische Kontrolle in ihrer demokratischen Dimension darin nicht336. Sie verschafft dem Parlament lediglich die zur eigenen Willensbildung notwendigen Informationen. Von Kontrolle kann darum nur in einem tatsächlichen Sinn gesprochen werden, die sich unter dem Aspekt der Gewaltenteilung im informatorischen Zugriff auf die Regierung realisiert. Der spezifische Gehalt parlamentarischer Kontrolle wird demgegenüber erst dann erreicht, wenn man Kontrolle in ihrer Bedeutung als materielle Einwirkung einbezieht. Dies zeigt schon, daß sich erst im Verlauf der parlamentarischen Willensbildung entscheidet, für welche der verschiedenen Parlamentsfunktionen die gewonnenen Informationen Bedeutung erlangen337. Obwohl in der parlamentarischen Praxis bereits Rechenschaft und Information einerseits und materieller Einfluß auf die Regierung andererseits fließend ineinander übergehen und damit einer trennscharfen Unterscheidung entgegenstehen, ist zumindest gedanklich daran festzuhalten, daß es sich hierbei nur um einen Ausschnitt aus der parlamentarischen Kontrolle handelt.

336 337

Achterberg, Parlamentsrecht, 432, Fn. 82. Vitzthum, Petitionsrecht, 50.

V. Instrumente der parlamentarischen Kontrolle

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1. Die parlamentarischen Rechenschaftsund Informationsrechte Rechenschaft ist nicht nur allgemeiner Ausdruck von Kontrolle, sondern auch wesentlicher Bestandteil von Verantwortlichkeit und darum im Verhältnis zwischen Parlament und Regierung erforderlich338. Sie dient dazu, das Vertrauensverhältnis zwischen Regierung und Parlament, insbesondere seiner Mehrheit, zu festigen und die Grundlage für die Willensbildung des Parlaments zu schaffen. Insoweit hat sie nicht nur Pflichtencharakter, sondern liegt auch im eigenen Interesse von Regierung und Parlament339. Im Hinblick auf die parlamentarische Willensbildung wäre es verkürzt, nur die Rechenschaftspflichten der Regierung in den Blick zu nehmen. Als Verantwortungsträger verfügt sie über Informationen aus erster Hand. Aus der Sicht des Parlaments handelt es sich um Fremdinformationen, die den Sachstand und das Meinungsbild der Regierung vermitteln. Sie führen jedoch, was Auswahl und Bewertung der Informationen angeht, zu einer ungewollten Abhängigkeit. Demgegenüber steigt das Gewicht des Parlaments mit zunehmendem Informationsstand340. Erst eine Pluralität der Informationen läßt eine eigene Bewertung über deren Richtigkeit zu. Daher sind zusätzlich Mittel der Selbstinformation heranzuziehen, die es dem Parlament ermöglichen „sich selbst eine eigene Anschauung von den Informationsgrundlagen zu bilden“341. a) Materieller Umfang der Rechenschafts- und Informationsrechte Es ist ein Gemeinplatz, den Informationsbedarf des Parlaments an der Breite seiner verfassungsmäßigen Zuständigkeiten zu bemessen. Als Folge des Abberufungsrechts gemäß Art. 67 GG gehört dazu auch der Handlungsbereich der Regierung342. Genauer fassen läßt sich diese Erklärung mit dem demokratischen Verantwortungsgedanken: Mit dem umfassenden Legitimationsgebot von Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG korrespondiert die Notwendigkeit umfassender Informationen. Weil im repräsentativ-parlamentarischen System des Grundgesetzes die gesamte demokratische Legitimation über das Parlament vermittelt wird, müssen alle Informationen dafür verfügbar sein. Sie sind Grundlage und Bedingung für die dem Parlament zur Seite stehenden Einflußmöglichkeiten343. Damit „parla-

338

H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 37 f. H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 78. Zum Zusammenhang zwischen Vertrauen und Transparenz BVerfGE 40, 296, 327. 340 Würtenberger, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 45c, Rn. 32. 341 Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 38, Rn. 42. 342 Steffani, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 49, Rn. 21. 339

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

mentarische Kontrolle wirksam sein kann“344, müssen Rechenschafts- und Informationsrechte des Parlaments mit der zu legitimierenden Staatsgewalt also gleichumfänglich345 sein. Weil es für eine wirksame Kontrolle außerdem darauf ankommt, daß die parlamentarische Einflußnahme auf das Regierungshandeln auch praktisch möglich ist, ergeben sich enge Voraussetzungen an die Rechtzeitigkeit von Information und Beteiligung346. Diesen Anforderungen gegenüber steht der Grundsatz der Gewaltenteilung, der durch die parlamentarischen Rechenschafts- und Informationsrechte berührt wird, soweit sie sich gegen die Regierung bzw. die ihr nachgeordnete Verwaltung richten. Eingriffscharakter haben dabei nicht das parlamentarische Auskunftsverlangen, sondern die Mitwirkungspflichten von Regierung und Exekutive. Der erforderliche Ausgleich zwischen den verfassungsrechtlichen Kompetenzen der vollziehenden Gewalt mit der Kontrollfunktion des Parlaments wird durch die verfassungsrechtlichen- bzw. einfachgesetzlichen Kontrollbefugnisse des Parlaments hergestellt. Die Regelungen der Rechenschafts- und Informationsrechte verfolgen darum eine zweifache Zielsetzung: Zum einen sind sie Konkretisierung der unterschiedlichen Informationsbedürfnisse des Parlaments, zum anderen begründen sie erst dessen Befugnisse. Ein allgemeines verfassungsrechtliches Informationsrecht des Parlaments besteht demgegenüber nicht347. Auf der Grundlage dieser Regelungen ist die Regierung zur Auskunft verpflichtet. Von der Konkretisierung zu unterscheiden sind jedoch hinzutretende Begrenzungen der Informationsansprüche. Eine natürliche Grenze bildet zunächst das bei der Regierung vorhandene oder ermittelbare Wissen348. Rechtliche Grenzen werden darüber hinaus aus Gründen des Geheimnisschutzes, der Funktionsfähigkeit der Regierung und grundrechtlich geschützter Privatinteres343 Vgl. die Argumentation in BVerfGE 70, 324, 355; 80, 188, 218, wonach Parlamentsentscheidungen eine Beratung darüber voraussetzen. Diese verfehle ihren Zweck, wenn keine oder nur unzureichende Informationen zur Verfügung stehen. 344 BVerfGE 67, 100, 130. 345 Begriff bei Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 38, Rn. 41. 346 Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 38, Rn. 44, unter Hinweis auf BVerfGE 90, 286, 357; ähnlich Würtenberger, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 45c, Rn. 36. 347 Anders Linck, DÖV 1983, 957, 958, und Magiera, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52, Rn. 56, die aus den parlamentarischen Kompetenzen auf die dazu nötigen Informationsrechte schließen. Aus einem Informationsbedürfnis heraus die Befugnis zur Informationserhebung herzuleiten, hieße jedoch den Grundsatz der Gewaltenteilung zu ignorieren und einen Parlamentsvorrang zu begründen. 348 Vgl. Gusy, JuS 1995, 878, 881, zur Vollständigkeit des Antwortanspruchs gegen die Regierung. Davon zu unterscheiden ist beim Zitierungsrecht jedoch die persönliche Verhinderung zur Rechenschaftslegung, bei der man unter dem Gesichtspunkt der „genügenden“ Entschuldigung abwägen muß. Dazu Schröder, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 43, Rn. 41.

V. Instrumente der parlamentarischen Kontrolle

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sen vertreten349. Im Grundsatz geht es um die Frage der Zurückhaltung bzw. Vorenthaltung von Informationen. Sie berührt das Demokratieprinzip, wenn in ihrer Folge das Legitimationsgebot weiter geht als das dazu nötige Kontrollrecht. Soweit dies zu einer Einschränkung der demokratischen Legitimation führt, bedürfen sie einer daran zu messenden Rechtfertigung350. An dieser Stelle ist dazu lediglich ein Überblick möglich, der die Beurteilung im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Kontrollfunktion freilich nicht ersetzen kann: (1) Eine zwingende Grenze bildet das Bundesstaatsprinzip für die Verbandszuständigkeit351. Bei Vorgängen, die der demokratischen Legitimation durch ein Landesvolk unterliegen, ist kein Raum für parlamentarische Kontrolle durch den Bundestag. Ein Legitimationsdefizit ist deshalb nicht möglich. Besonderheiten ergeben sich allerdings, wo es um den Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder geht. (2) Die Wahrnehmung von Rechenschafts- bzw. Informationsrechten ist Ausübung hoheitlicher Gewalt. Soweit sie sich gegen grundrechtlich geschützte Positionen richtet, handelt es sich um rechtfertigungsbedürftige Grundrechtseingriffe. Die Grundrechte stehen der parlamentarischen Kontrolle nicht prinzipiell entgegen und sind mit dem jeweiligen öffentlichen Interesse, das an der Information besteht, abzuwägen352. Bevor sie zu einem Ausschluß der parlamentarischen Informationsrechte führen – was vorrangig bei Informationen mit streng persönlichem Charakter denkbar ist –, sind Vorkehrungen der parlamentarischen Geheimhaltung in Erwägung zu ziehen353. (3) Der Grundsatz der Gewaltenteilung wirkt sich bereits bei der Konkretisierung der Informationsrechte als Begrenzung aus. Als weniger schwere Eingriffe genießen die Mittel der Fremdinformation den Vorrang vor den Selbstinformationsrechten, die sich gegen die vollziehende Gewalt richten354. Ansonsten steht die Eingriffstiefe jedoch in Abhängigkeit vom jeweiligen Kontrollgegenstand und läßt sich darum abstrakt kaum benennen. Grundsätzlich gilt, daß sich parlamentarische Kontrolle unbeschadet der genannten Einschränkungen auf jeden Vorgang aus dem Bereich der vollziehenden Gewalt beziehen kann, wie gerade die Arbeit des Petitionsausschus349

Maunz, in: ders./Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 8 (1960). Ähnlich H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 96. 351 Für die Untersuchungsausschüsse Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschußgesetz, 78 f. 352 Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 44, Rn. 28. Zum öffentlichen Interesse BVerfGE 67, 100, 142; 76, 363, 387 f.; 77, 1, 46 f. 353 BVerfGE 67, 100, 144. 354 Vgl. Magiera, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52, Rn. 58. 350

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

ses zeigt355. Es ist daher unzutreffend, die parlamentarische Kontrolle auf allgemeine Tätigkeiten und typische Abläufe zu beschränken356. Eine „verfassungsrechtlich unzulässige Totalkontrolle“ ist dem Parlament weder modal noch funktional möglich und darum nicht zu befürchten. Erhebliche Kontroversen bestehen hier um den sogenannten Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung357. Dafür wird aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung ein grundsätzlich unausforschbarer Initiativ-, Beratungsund Handlungsbereich der Exekutive abgeleitet, der parlamentarischen Rechenschafts- und Informationsrechten verschlossen sei358. Obwohl für die Grenzen des Enquête-Rechts des Bundestages entwickelt, läßt sich der Gedanke auf andere Rechenschafts- und Informationsrechte übertragen359 und kann darum in allgemeiner Form diskutiert werden. Aus demokratischer Sicht bestehen Bedenken gegenüber allen Arkanbereichen der vollziehenden Gewalt, beschränkt sich die demokratische Legitimation in diesen Fällen doch zwangsläufig auf die institutionell-funktionelle und die personelle Legitimation. Demgegenüber wurde bereits herausgearbeitet, daß die Gewaltenteilung der demokratischen Legitimation nicht entgegensteht, sondern sie nur auf eine besondere Form verpflichtet. Darin liegt einerseits das Argument gegen die Kernbereichsthese, andererseits ein Ansatz, der sie in engen Grenzen zu stützen vermag. Weil parlamentarische Kontrolle den Funktionsvorrang der vollziehenden Gewalt wahren muß, endet sie, sobald sie in deren Funktionsfähigkeit eingreift. Dies ist nicht nur bei Mitwirkungsrechten der Fall, die darum der verfassungsrechtlichen Begründung bedürfen, sondern schon dann denkbar, wenn die parlamentarischen Rechenschaftsund Informationsrechte die Grundlagen der exekutivischen Willensbildung in Frage stellen360. Hier ist von einer unzulässigen Eingriffswirkung auszugehen, wenn sie eine (parlaments-)öffentliche Positionierung zu einem Zeit355 Dazu 1. Kap., V. 2. h), 4. Kap., III. 3. b) bb) (4). Ebenso dienen die gesetzlichen Berichtspflichten auch dazu, konkrete Informationen aus dem Bereich von Regierung und Verwaltung zu erlangen [vgl. 1. Kap., V. 1. c) dd)]. 356 So aber Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, 387, 390, unter Hinweis auf § 2 S. 2 PKGrG, wo die Berichtspflicht über „sonstige Fälle“ den Bereich der parlamentarischen Kontrolle verlasse. 357 Zum Begriff bereits 1. Kap., III. 2. a) dd) (4). 358 BVerfGE 67, 100, 139; Scholz, AöR 105, 564, 598; Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, 34. Einschränkend: Achterberg, Parlamentsrecht, 431, Fn. 79; Oldiges, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 62, Rn. 42 f.; Glauben, in: ders./Brokker, Untersuchungsausschüsse, § 5, Rn. 50. 359 Vgl. § 2b Abs. 2 PKGrG, wo der Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung auch begrifflich Eingang gefunden hat. Zum Bereich der Regierungsplanung Achterberg, Parlamentsrecht, 431, Fn. 79. 360 Anderer Ansicht Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschußgesetz, 73, der offenbar jede parlamentarische Beeinflussung auf nicht abgeschlossenes Regierungshandeln oder Verwaltungsverfahren ausschließt.

V. Instrumente der parlamentarischen Kontrolle

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punkt erzwingen, in dem eine innere Positionierung noch nicht abgeschlossen ist361. Der Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung beschränkt darum die Reichweite mitwirkender Kontrolle. Dagegen ist die nachträgliche Überprüfung durch das Parlament grundsätzlich möglich362. (4) Praktische Bedeutung erlangt schließlich die Frage der Begrenzung bei den Belangen des Geheimnisschutzes. Die Argumentation erfolgt nicht im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der vollziehenden Gewalt, sondern die des Staates oder die Rechte seiner Bürger. Ihr steht gegenüber, „daß das Parlament ohne Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte“363. Gerade wenn es sich um besonders sensible Bereiche handelt, kann die Lösung im Hinblick auf die demokratische Bedeutung der Auskunft nicht in deren Verweigerung, sondern nur in besonderen Bedingungen liegen, unter denen die Kontrolle stattfindet364. Vor diesem Hintergrund enthalten die gesetzlichen Regelungen über die parlamentarischen Informationsrechte Vorschriften über den Ausschluß der Öffentlichkeit und der Geheimhaltung. Für Verschlußsachen, also Angelegenheiten, die durch besondere Sicherheitsmaßnahmen gegen die Kenntnis durch Unbefugte geschützt werden müssen, gilt die gesonderte Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages365. Beispiel für die Berücksichtigung der Belange des Geheimnisschutzes im Grundgesetz ist Art. 45 Abs. 2, 3 GG, der die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen auf dem Gebiet der Verteidigung ausschließt und an deren Stelle den Ausschuß für Verteidigung setzt. Wesensmäßig auf Geheimhaltung angewiesen sind die Nachrichtendienste, was sich folgerichtig auch in den Formen der parlamentarischen Kontrolle niederschlagen muß. Neben den Besonderheiten im Budgetrecht gemäß § 10a BHO dient ihr die Schaffung des Parlamentarischen Kontrollgremiums366.

361 Ähnlich restriktiv Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 44, Rn. 26, der die Arbeitsunfähigkeit des kontrollierten Organs zur Grenze macht. Ausgehend vom Recht der obersten Staatsorgane auf eine eigenständige Willensbildung, schützt H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 106 f., „lediglich die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der internen Willensbildung der Regierung“. 362 BremStGH DVBl. 1989, 453, 457. 363 BVerfGE 67, 100, 135. 364 Vgl. dazu die Beispiele ab 1. Kap., V. 2. c). 365 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, Anlage 3. 366 Für das Haushaltsrecht 1. Kap., Fn. 375, für das Parlamentarische Kontrollgremium 1. Kap., V. 2. c).

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

b) Die Abgeordneten als Inhaber der Rechenschaftsund Informationsrechte Die Rechenschafts- und Informationsrechte lassen das enge Verhältnis von Regierung und Parlamentsmehrheit auseinander treten und verweisen diese auf ihre jeweiligen Funktionen zurück. Darin ist das ganze Parlament, nicht nur seine politische Mehrheit, Verantwortungsgläubiger der Regierung367. Grundlage dafür ist die Wahl der Abgeordneten durch das Volk. Sie vermittelt jedem Abgeordneten in gleichem Maße das Mandat zur Vertretung des Volkes, was in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG zum Ausdruck kommt368. Die Unterscheidung zwischen Mehrheit und Minderheit wird daher nicht bereits durch die Wahl der Abgeordneten begründet, sondern erst im Ergebnis ihrer Beschlußfassungen, die gemäß Art. 42 Abs. 2 GG dem Mehrheitsprinzip unterliegen. Den Beschlüssen voran gehen die Verhandlungen gemäß Art. 42 Abs. 1 GG. Als Bedingung der parlamentarischen Willensbildung sind sie wesentlicher Teil der Abgeordnetenrechte. Es geht um die Beratung der dem Bundestag zugewiesenen Aufgaben. Ohne die dafür notwendigen Informationen ist sie jedoch nicht denkbar. Weil die Gleichheit der Teilhabe jedem Abgeordneten die Möglichkeit geben muß, seine Vorstellungen einzubringen, müssen die Rechenschafts- und Informationsrechte nicht nur dem Parlament als solchem, sondern allen Abgeordneten gleichermaßen zustehen369. Das umfaßt nicht nur Teilhabe an den vorhandenen Informationen, sondern auch das Bestimmungsrecht über Art und Inhalt der Informationsbeschaffung370. Es handelt sich dabei um eine notwendige Bedingung der parlamentarischen Willensbildung, die in ihrer rechtlichen Ausgestaltung dem Schema der Gewaltenteilung entspricht und nicht von der Konkurrenz zwischen Regierungsmehrheit und Opposition überlagert werden darf. Zwischen Gesetzgebung und parlamentarischer Kontrolle besteht auf dieser Ebene kein grundsätzlicher Unterschied. Gleichwohl sind die Abgeordnetenrechte Beschränkungen ausgesetzt, die im Ergebnis auch den Gleichheitsgrundsatz betreffen. Neben den bereits genannten materiellen Grenzen für den Informationsanspruch als solchen bestehen sie für den einzelnen Abgeordneten in Abhängigkeit von der Arbeitsfähigkeit des Parlaments, der Eingriffstiefe gegenüber der Regierung und der Mißbrauchsgefahr. Grundlegende Entscheidung ist insoweit die verfassungsrechtlich anerkannte Verlagerung wesentlicher Teile der parlamentarischen Arbeit in die Ausschüsse. Ihr entspricht, daß der einzelne Abgeordnete keinen Anspruch auf

367

Ähnlich Badura, ZParlR 11, 573, 580. BVerfGE 40, 296, 317 f.; 80, 188, 218. 369 BVerfGE 70, 324, 355 f. 370 Dies findet sich etwa in § 70 Abs. 2 GO-BT (Hearing), § 17 Abs. 2 PUAG (Enquête-Recht). 368

V. Instrumente der parlamentarischen Kontrolle

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Mitgliedschaft in den zahlenmäßig begrenzten Gremien hat371. Zum Orientierungspunkt wird vielmehr die Gliederung der Gesamtheit der Abgeordneten in Fraktionen, deren Stärke sich gemäß § 12 GO-BT in der Besetzung der Ausschüsse niederschlagen muß. Die Informationsrechte der Abgeordneten werden auf ihre Fraktionen transponiert und durch deren verhältnismäßige Beteiligung mittelbar ausgeübt372. Dabei folgt aus der Gleichheit der Abgeordneten, daß die Bestimmung der jeweiligen Mitglieder der Ausschüsse gemäß § 57 Abs. 2 GOBT in der Hand der Fraktionen verbleiben muß. Als Grundsatz ist hier zu beachten: Die Fraktionsbildung läßt zwar die Aufteilung in Mehrheit und Minderheit in besonderer Deutlichkeit hervortreten, wie schon für die einzelnen Abgeordneten gilt aber auch für sie, daß sie gleichen Rechts sind373. Leitgedanke dazu ist: „Mit Art. 38 Abs. 1 GG ist nicht vereinbar, daß die Mehrheit über das Recht der Minderheit auf Teilhabe am parlamentarischen Prozeß entscheidet“374. Umgekehrt schließt Art. 38 GG aber nicht nur einen Vorrang der Mehrheit, sondern auch besondere Minderheitsprivilegien aus. Dies gilt jedoch nicht für Regelungen zum Schutz der parlamentarischen Minderheit und ihrer Rechenschafts- und Informationsrechte vor dem Zugriff der Kraft ihrer zahlenmäßigen Stärke überlegenen Mehrheit375. Regelungen zugunsten der Minderheit 371

BVerfGE 70, 324, 354. BVerfGE 70, 324, 380, 382 (abweichende Meinung Böckenförde). 373 Vgl. BVerfGE 70, 324, 366, 368 (abweichende Meinung Mahrenholz). 374 BVerfGE 70, 324, 366 f. (abweichende Meinung Mahrenholz). 375 Als ausgesprochen problematisch stellt sich darum die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (E 70, 324 ff.) zur Besetzung des Vertrauensgremiums (nunmehr § 10a Abs. 2 BHO) dar. Das Vertrauensgremium besteht im Interesse des Geheimschutzes bestimmter Wirtschaftspläne und ist eine Sonderregelung des Haushaltsrechts. Ihm obliegt die Billigung von Wirtschaftsplänen, während der Bundestag nur über die Gesamtsumme der Haushaltsansätze beschließt. Die Besetzung des Vertrauensgremiums erfolgt in entsprechender Anwendung von § 4 Abs. 2, 3 PKGrG. Mehrheitsabhängig ist danach die Bestimmung der Zahl der Mitglieder und der Zusammensetzung des Vertrauensgremiums sowie die Wahl der einzelnen Mitglieder. In dem zugrundeliegenden Fall erhielt der Kandidat der Grünen-Fraktion nicht die erforderliche Mehrheit, so daß auch seine Fraktion nicht im Vertrauensgremium vertreten war. Eine Verletzung der Abgeordnetenrechte vermochte das Bundesverfassungsgericht darin nicht zu erkennen (E 70, 324, 355 ff.). Zutreffend ist, daß der Bundestag im Einzelfall zur Einrichtung eines sehr kleinen Gremiums berechtigt sein kann, selbst wenn dies dazu führt, daß nicht alle Fraktionen darin vertreten sind. Die Abgeordnetengleichheit wird jedoch verletzt, wenn die Parlamentsmehrheit willkürlich über die Beteiligung der Parlamentsminderheit bestimmen kann. Das bedeutet zum einen, daß die Beteiligung der Fraktionen abstrakten Regelungen folgen muß, wofür sich die Größenverhältnisse anbieten. Vom Ausschluß betroffen sein können dann nicht nur Fraktionen der Minderheit, sondern auch der Juniorkoalitionspartner der Mehrheit. Zu gewährleisten ist jedenfalls, daß sich die Mehrheitsverhältnisse des Parlaments im Gremium spiegeln. Die Geschäftsordnung des Bundestages erfüllt diese Anforderungen. Mit § 126 GO-BT enthält sie überdies einen Minderheitsschutz gegen willkürliche Ausnahmen. Zum anderen müssen die beteiligungsberechtigten Fraktionen – § 57 Abs. 2 GO-BT entsprechend – ihre Gremienmitglieder selbst bestimmen können. Äußerstenfalls mag der Mehrheit hier ein Wahlrecht unter Vorschlägen der Minderheitsfraktion zugebilligt 372

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

sind in diesem Fall keine Vorrechte, sondern Gewährleistungen der parlamentarischen Gleichheit. Die Übertragung der Gleichheitsrechte der Abgeordneten auf die vergröberten Einheiten der Fraktionen findet ihre Fortsetzung darin, daß die Ausübung der Rechenschafts- und Informationsrechte im Bundestag wie auch in den Ausschüssen im überwiegenden Teil von der Fraktionsstärke oder bestimmten Zustimmungsquoren abhängig ist. Der Grund dafür ist nicht nur die Arbeitsfähigkeit des Parlaments, sondern vor allem die Eingriffstiefe in die Regierungskompetenzen sowie die jeweils damit verbundenen Mißbrauchsgefahren. Die Abwägung dieser Kriterien findet ihre Grenze in den Gleichheitsrechten der Abgeordneten, die jedenfalls einer Mehrheitsentscheidung entgegenstehen. Zudem kann die politische Notwendigkeit, bestimmte Informationen zu erlangen, gegen ein zu hohes Quorum sprechen. Die vom Grundgesetz vorgegebenen und durch die Geschäftsordnung des Bundestages vervollständigten Rechenschaftsund Informationsrechte müssen diese Bedingungen in einem abgestuften System in Ausgleich bringen. c) Die Rechenschafts- und Informationsrechte im einzelnen Die Wege, auf denen das Parlament an die erforderlichen Informationen gelangt, können nicht abschließend beschrieben werden. Sie sind vielfältig und haben zum Teil informellen Charakter. Immerhin lassen sich bestimmte Rechenschafts- und Informationsrechte eingrenzen, deren Funktion nicht nur in der Beschaffung von Informationen, sondern gerade in der Überwachung der Regierung liegt376. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sollen diese im folgenden beleuchtet werden. aa) Das Zitierungsrecht Ob seiner ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Normierung in Art. 43 Abs. 1 GG scheint das Zitierungsrecht unter den parlamentarischen Rechenschafts- und Informationsrechten im Vordergrund zu stehen. Danach können der Bundestag und seine Ausschüsse377 die Anwesenheit jedes Regierungsmitgliedes verlangen378. Es handelt sich also um ein Mittel der Fremdinformation379.

sein (ebenso BVerfGE 70, 324, 380, 384, abweichende Ansicht Böckenförde). Das seinerzeit gewählte Verfahren stellt sich vor diesem Hintergrund als willkürlich dar. 376 Keine nähere Betrachtung finden daher die Hearings gemäß § 70 GO-BT. 377 Zur Frage, welchen Bundestagsorganen neben seinen Ausschüssen noch das Zitierungsrecht zusteht, Schröder, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 43, Rn. 26 ff. 378 Im einzelnen dazu Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 43, Rn. 4 f., 8 ff.

V. Instrumente der parlamentarischen Kontrolle

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Für seine rechtsverbindliche Ausübung ist gemäß Art. 42 Abs. 2 GG ein Mehrheitsbeschluß erforderlich, so daß es im engeren Sinne nur der legitimationsbefugten Parlamentsmehrheit zukommt380. Es richtet sich ausschließlich gegen die Mitglieder der Regierung im Sinne von Art. 62 GG. Ob sie neben dem persönlichen Erscheinen auch zu Rede und Antwort verpflichtet sind, ist umstritten, kann aber im Ergebnis mit der herrschenden Meinung bejaht werden381. Denn auch wenn der Wortlaut von Art. 43 GG hierüber keinen Aufschluß gibt, ist eine entsprechende Auslegung möglich. Als Maßstab gilt, daß die Rechenschaftspflicht notwendiger Teil in jedem Verantwortlichkeitsverhältnis ist382. Sie wird mit der Präsenzpflicht als Rechtsgrundlage aktualisiert. Die zu ihrer Geltendmachung erforderliche Mehrheitsentscheidung tritt als Indiz hinzu, weil sie auf ein weitergehendes parlamentarisches Recht hindeutet. Das eigentliche Problem des Zitierungsrechts ist gerade diese Mehrheitsbindung, weil sie vom Grundsatz der Gleichheit der parlamentarischen Beteiligungsrechte abweicht. Ihr genügt nicht, daß der Antrag auf Herbeirufung gemäß § 42 GO-BT auch von einer Fraktion oder von anwesenden fünf von hundert der Mitglieder des Bundestages gestellt werden kann. Die Beteiligung liegt vielmehr in der Zitierung selbst. Solange man das Zitierungsrecht für ein Mittel der Fremdinformation hält, das zu den verfassungsrechtlich geschützten Rechenschafts- und Informationsrechten der Abgeordneten zählt, ist die Regelung trotz ihrer verfassungsrechtlichen Legitimation begründungsbedürftig. Zu berücksichtigen ist dabei sicherlich die verfassungsrechtliche Tradition dieses Instituts, deren Folge seine mangelnde Stringenz sein kann. In Betracht zu ziehen ist auch, daß das Zitierungsrecht bereits eine gesteigerte Einwirkung auf die Regierung darstellt383. Die Präsenz des einzelnen Regierungsmitglieds eröffnet einen Weg der Einflußnahme, indem ihm persönlich die Auffassung des Parlaments bzw. einzelner Abgeordneter und Fraktionen mitgeteilt wird384. Auch wenn es sich dabei um Elemente des Legitimationsvorgangs handelt, sind sie doch nur Folge des Herbeirufungs- bzw. Auskunftsrechts. Das Mehrheitserfordernis kann nicht auf sie erstreckt werden. Maßgeblich ist indessen der Zweck 379

Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz 2, Art. 43,

Rn. 2. 380 Dazu, daß die Regierung einer formlosen Aufforderung bereits deshalb nachkommt, weil sie auf die Zusammenarbeit mit der Parlamentsmehrheit angewiesen ist, Schröder, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 43, Rn. 24. 381 Maunz, in: ders./Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 8 (1960); Schröder, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 43, Rn. 42 ff.; H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 69 ff.; anderer Ansicht Achterberg, Parlamentsrecht, 462; zum Für und Wider Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz 2, Art. 43, Rn. 12 f. 382 Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 6. 383 Linck, DÖV, 1983, 957, 960. 384 Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 43, Rn. 8.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

des Zitierungsrechts, der in Abgrenzung zu den formalisierten Fragerechten und dem Enquête-Recht vornehmlich Ausdruck der Unzufriedenheit des Parlaments mit dem zitierten Regierungsmitglied ist385. Er geht bereits zur Geltendmachung dessen Verantwortlichkeit über und hat insoweit sanktionierenden Charakter386. Das Mehrheitserfordernis ist als Abwägung dieser Implikationen zu deuten. bb) Die Frage- bzw. Interpellationsrechte Obwohl von größerer Bedeutung als das Zitierungsrecht, sind die Frage- bzw. Interpellationsrechte387 nicht im Grundgesetz, sondern in der Geschäftsordnung des Bundestages geregelt. Es handelt sich um formalisierte Fragerechte. Zu ihnen zählen: (1) Die große Anfrage gemäß § 100 GO-BT, (2) die kleine Anfrage gemäß § 104 GO-BT, (3) die mündliche Anfrage gemäß § 105 GO-BT, (4) die aktuelle Stunde gemäß § 106 Abs. 1 GO-BT, (5) die Regierungsbefragung gemäß § 106 Abs. 2 GO-BT. Sie sind als Rechte des ganzen Bundestages ausgestaltet (§ 75 GO-BT; Anlage 4 GO-BT Nr. I. 1.; Anlage 5 GO-BT Nr. I. 1.), so daß sie – je nach Fragerecht – auch von einzelnen Abgeordneten, von einer Mindestanzahl von Abgeordneten oder von einer Fraktion geltend gemacht werden können. Im Unterschied zum Zitierungsrecht richten sie sich nicht an einzelne Regierungsmitglieder, sondern an die Bundesregierung als Kollegialorgan. Auch ist persönliche Anwesenheit nicht erforderlich. Das Verhältnis der formalisierten Fragerechte zum Zitierungsrecht ist umstritten. So werden sie zum Teil als Ausschnitt daraus betrachtet. Art. 43 Abs. 1 GG enthalte das Zitierungsrecht einschließlich des Frage- und Interpellationsrechts, so daß sich die §§ 100 ff. GO-BT als Konkretisierung dazu erwiesen388. Damit deutet sich aber schon der Sinn dieser Zuordnung an: §§ 100 ff. GO-BT sind Regelungen des Innenrechts des Bundestages, aus denen sich darum keine 385

Vgl. H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 36. Daß das Zitierungsrecht wegen der engen Bindung zwischen Parlamentsmehrheit und Regierung leer laufe, wie Brüning, Der Staat 43, 511, 521, beklagt, ist nach dieser personalen Lesart weniger erheblich, als es sich zunächst darstellt. 387 Ursprünglich wurde nur die große Anfrage Interpellation genannt. Seit der Umbenennung ist die Bedeutung der Interpellation ungewiß. Zum Teil wird sie als Synonym für alle parlamentarischen Informationsrechte benutzt, dazu Schröder, in: Dolzer/ Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 43, Rn. 2, 3. 388 Maunz, in: ders./Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 1 (1960); Maiwald, Berichtspflichten, 146-155. 386

V. Instrumente der parlamentarischen Kontrolle

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Antwortpflichten der Bundesregierung ableiten lassen. Dazu bedarf es einer (verfassungs-)gesetzlichen Grundlage389. Gegen Art. 43 Abs. 1 GG spricht jedoch eine Reihe von systematischen Gründen390: Die Geschäftordnung des Bundestages regelt das Zitierungsrecht (§ 42 GO-BT) und die Fragerechte (§§ 100 ff. GO-BT) an unterschiedlichen Orten. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Ausgestaltung als Mehrheits- oder Minderheitsrecht und in der Person des Adressaten. Eine Präsenzpflicht besteht gemäß Art. 43 Abs. 1 GG nur im Fall des Zitierungsrechts. Diese Umstände lassen keinen Raum für die Konkretisierungsthese. Der Ausschluß von Art. 43 Abs. 1 GG heißt aber nicht, daß keine andere verfassungsrechtliche Absicherung für die Fragerechte in Betracht käme. Vorgeschlagen wird dazu das Verfassungsgewohnheitsrecht, die Verfassungsorgantreue, das parlamentarische Regierungssystem, die Ministerverantwortlichkeit sowie eine Annex-Kompetenz zur parlamentarischen Kontrolle391. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die formalisierten Fragerechte ein Mittel der Abgeordneten, sich die Informationen zu verschaffen, die sie für ihre Arbeit benötigen392. Daher seien sie in deren Statusrecht gemäß Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG enthalten. Zum überwiegenden Teil entstammen diese Deutungsmuster einem gemeinsamen Argumentationspotential393. Sein Kern tritt am ehesten in der Bezugnahme auf Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG zu Tage, weil hier der Informationsanspruch als allgemeines Abgeordnetenrecht zu verorten ist. Eine verfassungsrechtliche Eingriffsgrundlage für die formalisierten Fragerechte läßt sich damit aber nicht ohne weiteres begründen. Wie das Bundesverfassungsgericht selbst feststellt, erwächst den Abgeordneten aus ihrem in Art. 38 Abs. 1 GG gewährleisteten Status ein Recht darauf, daß ihnen grundsätzlich diejenigen Informationen nicht vorenthalten werden, derer sie bedürfen, um ihren Aufgaben genügen zu können394. Die Ordnung ihrer konkreten Befugnisse zu einem abgestuften System „parlamentarischer Kontrollrechte“ ist hingegen anderen verfassungs- und einfachgesetzlichen Regelungen überlassen. Wollte man die formalisierten Fragerechte unmittelbar aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ableiten, müßte dies ebenso für das Enquête-Recht und alle anderen Rechenschafts- und Informationsrechte einschließlich der umstrittenen Akteneinsichts389 Schröder, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 43, Rn. 5; H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 24. 390 Schröder, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 43, Rn. 6 ff.; Achterberg/ Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz 2, Art. 43, Rn. 7; H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 80, 85. 391 Zur Übersicht Schröder, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 43, Rn. 11 ff., m.w. N. 392 BVerfGE 13, 123, 125; 92, 130, 137; 105, 279, 306. 393 H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 81. 394 BVerfGE 70, 324, 355.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

rechte möglich sein395. Sie alle würden auf der Deduktion beruhen, daß Teil des Rechts ist, was zu seinen notwendigen Voraussetzungen gehört396. Der Bezug auf Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ist also eine bloße Hilfskonstruktion, um das Fehlen einer Rechtsgrundlage zu überbrücken397. Weil es sich bei den formalisierten Fragerechten aber um den anerkannten Kernbestand parlamentarischer Rechenschafts- und Informationsrechte handelt, sollte es hier verfassungsrechtlich genügen, sie aus der Summe aller die Verantwortungsstruktur tragenden Verfassungsnormen abzuleiten. cc) Das Recht auf Akteneinsicht Das Recht auf Akteneinsicht398 ist ein Mittel der Selbstinformation und geht qualitativ deutlich über die formalisierten Fragerechte und das Zitierungsrecht hinaus399. Seine Geltung ist umstritten. Einigkeit über das Recht auf Akteneinsicht besteht lediglich in den geregelten Teilbereichen. Für die Untersuchungsausschüsse wurde es zunächst aus Art. 44 GG als Teil der parlamentarischen Kontrolle abgeleitet400. Inzwischen ist es in § 18 Abs. 1 PUAG ausdrücklich geregelt401. In dem von Art. 44 Abs. 1 GG genannten Beweiserhebungsrecht sieht das Bundesverfassungsgericht die Befugnis enthalten, auch darüber zu entscheiden, welche Beweise erhoben werden sollen402. Darin sei das Recht eingeschlossen, die Vorlage von Akten zu verlangen. Es gehöre zum „Wesenskern“ des Untersuchungsrechts403. In gleicher Weise kommt das Akteneinsichtsrecht dem Verteidigungsausschuß zu, der gemäß Art. 45a Abs. 2 GG i.V. m. § 34 PUAG die Rechte eines Untersuchungsausschusses hat. Ausdrückliche Regelungen finden sich weiterhin für das Parlamentarische Kontrollgremium in § 2a PKGrG, für den Petitionsausschuß in Art. 45c GG i.V. m. § 1 GGArt45cG, für den Wehrbeauftragten in Art. 45b GG i.V. m. § 3 Nr. 1 S. 1 WBeauftrG und den Wahlprüfungsausschuß gemäß Art. 41 GG i.V. m. § 5 Abs. 4 S. 1 WahlprüfG404. 395 So offenbar Magiera, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52, Rn. 53, 56, 59. 396 Dazu Gusy, JuS 1995, 878, 879, ähnlich Brüning, Der Staat 43, 511, 532. 397 Nicht umsonst hatte das Bundesverfassungsgericht zunächst nur allgemein von einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung gesprochen, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen (E 13, 123, 125). 398 Zu den Akteneinsichtsrechten ist auch der Zugang zu Datenbanken der Regierung zu rechnen. 399 Vgl. H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 118. 400 BVerfGE 67, 100, 128 ff. 401 Dazu Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschußgesetz, 231 f. 402 BVerfGE 67, 100, 128. 403 BVerfGE 67, 100, 132, im Anschluß an Partsch, Gutachten für den 45. DJT, Verh. 45. DJT, Bd. I, Teil 3, S. 126 f.

V. Instrumente der parlamentarischen Kontrolle

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Ob darüber hinaus ein allgemeines parlamentarisches Akteneinsichtsrecht besteht, läßt sich damit nicht beantworten. Immerhin belegen diese Normen, daß Akteneinsicht nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Die Frage führt zurück auf die Notwendigkeit einer Befugnisnorm. Art. 43 Abs. 1 GG kommt hierfür nicht in Betracht, handelt es sich dabei doch lediglich um ein Mittel der Fremdinformation405. Aufschlußreicher ist die Begründung des Bundesverfassungsgerichts zum Akteneinsichtsrecht der Untersuchungsausschüsse. In ihr deutet sich an, daß sich diese Befugnis auch darüber hinaus erstrecken könnte406: Nachdem das Bundesverfassungsgericht zunächst nämlich allein den Wortlaut von Art. 44 Abs. 1 GG betrachtet, fragt es im Anschluß nach dem Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens und ordnet die Akteneinsicht in den übergreifenden Zusammenhang der parlamentarischen Kontrolle ein407. Im Verhältnis dazu stellt das Enquête-Recht nur einen Teilbereich dar. Weil der Grundsatz der Gewaltenteilung eine Auslegung des Grundgesetzes gebiete, „daß parlamentarische Kontrolle wirksam sein kann“, ist Art. 44 GG nicht mehr Ableitungsnorm, sondern nur noch Bezugspunkt für das Akteneinsichtsrecht. Konsequent verweist das Bundesverfassungsgericht denn auch auf Art. 45c GG sowie seine Rechtsprechung zum parlamentarischen Interpellationsrecht. Mit ihnen korrespondieren jeweils die Verpflichtungen der Regierung, die für die Ausübung der parlamentarischen Kontrolle notwendig sind. Folgt man dieser Argumentation, müßte das gleiche für die Auslegung der Abgeordnetenrechte in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gelten. Demgegenüber wurde bereits festgestellt, daß Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG keine Rechenschafts- und Informationsbefugnisse der Abgeordneten begründet. Ohne hinzutretende Befugnisnorm läßt sich darum ein parlamentarisches Akteneinsichtsrecht nicht begründen408. Dieses Ergebnis läßt sich wertungsmäßig anhand der bestehenden Regelungen zur Akteneinsicht bestätigen, die die parlamentarischen Informationsbedürfnisse mit den Eingriffen in den Kompetenzbereich der Regierung in einen ordnenden Ausgleich bringen. Als Mittel der Selbstinformation gelten dabei jeweils erhöhte Anforderungen: Der Untersuchungsausschuß ist eines der schärfsten Kontrollmittel. Ihm gegenüber erlauben die formalisierten Fragerechte zunächst eine Begrenzung auf bestimmte Informationsinhalte. Sie sind sie von geringerer 404 Das Akteneinsichtsrecht gemäß § 15 Abs. 5 Nr. 2 Artikel 10-G findet hier keine Berücksichtigung, weil die G 10-Kommission nach hier vertretener Auffassung nicht zu den parlamentarischen Kontrollgremien gehört. Vgl. 1. Kap., Fn. 422. 405 Vetter, DÖV 1986, 590, 595. 406 BVerfGE 67, 100, 127 ff. 407 Magiera, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52, Rn. 31. Anderer Ansicht H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 118, Fn. 3. 408 Im Ergebnis ebenso Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz 2, Art. 43, Rn. 18; Schröder, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 43, Rn. 18; H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 118; Vetter, DÖV 1986, 590, 593.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

Eingriffsintensität und darum vorrangig. Bilden sie aber Anlaß für weiteren Aufklärungsbedarf steht das Enquête-Recht einschließlich des Akteneinsichtsrechts als adäquates Mittel der Selbstinformation zur Verfügung. Das Rangverhältnis wird über das erhöhte Zustimmungsquorum gemäß Art. 44 Abs. 1 GG sichergestellt409. Der Petitionsausschuß ist eine grundrechtlich verbürgte Kontrolleinrichtung. Das Akteneinsichtsrecht besteht hier vor dem Hintergrund, daß er nicht nur der parlamentarischen Kontrolle dient, sondern in erster Linie dem individuellen Rechts- und Interessenschutz. Das gleiche gilt für das Akteneinsichtsrecht des Wehrbeauftragten, der zum Schutz der Grundrechte der Soldaten berufen ist. Die erweiterten Informationsrechte des Verteidigungsausschusses fügen sich in das Bild, daß das Grundgesetz der Integration und Kontrolle über das Militär einen erhöhten Stellenwert beimißt, so daß das Akteneinsichtsrecht nur folgerichtig ist. Nichts anderes gilt schließlich für das Parlamentarische Kontrollgremium, das parlamentarische Kontrolle in einem besonders sensiblen Bereich und unter erhöhter Geheimhaltung wahrzunehmen hat. dd) Gesetzliche Berichtspflichten Mittels gesetzlich angeordneter Berichtspflichten verpflichtet der Bundestag die Regierung, ihn in zeitlich vorgegebenen Abständen über bestimmte Themenkreise zu informieren410. In gewisser Vereinfachung unterscheidet man ihrem Inhalt nach zwischen Global-, Politikbereichs- und Maßnahmenberichten411. Für das Parlament stellen sie sich als eine Form der Fremdinformation dar. Gerade ihre gesetzliche Regelung führt zu einer Verstetigung und damit zu einer Aufwertung der parlamentarischen Kontrolle. Sie beseitigt die Zufälligkeit der sonst üblichen Informationsgewinnung, die auf Nachfrage angewiesen ist, und führt zugleich zu einer Selbstbindung des Parlaments an seinen antizipierten Kontrollwillen. Darüber hinaus hält die Berichtspflicht die Verwaltung dazu an, sich fortwährend über ihre Tätigkeit zu vergewissern, so daß sie disziplinierende Wirkung hat. Die Behandlung der Berichte ist in §§ 75 Abs. 1 e), 77 GOBT geregelt. 409 Zur Gefahr der Umgehung dieses Rangverhältnisses auf dem Weg des Organstreits Gusy, JuS 1995, 878, 882. 410 Beispielhaft: Art. 13 Abs. 6, 23 Abs. 2, 53a Abs. 2 S. 1 GG; § 14 Abs. 1 S. 2 PKGrG; § 23c Abs. 8 ZFdG; §§ 4 f. LWG; § 35 BAFöG; § 84 SGB VIII; § 21 ROG; § 39 WohngeldG. § 26 Abs. 1 BDSG nimmt eine Sonderstellung ein, weil die dort geregelte Berichtspflicht nicht die Bundesregierung, sondern den Bundesbeauftragten für den Datenschutz trifft. Siehe zu dessen organisationsrechtlicher Stellung 3. Kap., III. 1. a). Umfassend: Maiwald, Berichtspflichten, Anhang I, 219 ff.; zu den Berichtspflichten der Landesverfassungen Brüning, Der Staat 43, 511, 526. 411 H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 43, Rn. 116; Maiwald, Berichtspflichten, 26 ff.

V. Instrumente der parlamentarischen Kontrolle

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Ihre Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle unterscheidet sich je nach Zielsetzung der Berichtspflicht412. In einer ersten Gruppe geht es um Gesetze, die lediglich Ziele vorgeben und die dazu erforderlichen Maßnahmen weithin in die Hand der Regierung legen413. Hier ist die gesetzlich vermittelte Legitimation gering, so daß sich der Bedarf an parlamentarischer Kontrolle in besonderer Weise stellt. Die Berichtspflicht dient also dazu, den aktuellen Stand der angestrebten politischen Entwicklung zu überwachen und dadurch rechtzeitig auf Fehlentwicklungen reagieren zu können. In einer zweiten Gruppe geht es um Politikbereiche, die das Parlament nicht den allgemeinen Kontrollinstrumenten überlassen will. Die Gründe dafür liegen im Bereich der Legitimität. Sie können die politische Bedeutung der erfaßten Regelungsbereiche sein, ihre Mißbrauchsanfälligkeit oder Grundrechtsrelevanz, bei der Fehlentwicklungen „angesichts der Schwere der Eingriffe nicht hinnehmbar sind“414. Unabhängig von der Regelungsdichte wird die erhöhte parlamentarische Kontrolle hier durch den Berichtsgegenstand indiziert. Dem Parlament geht es dabei um eine Steigerung seines Steuerungspotentials. Schließlich kann es dem Gesetzgeber in einer dritten Gruppe um die Auswirkungen und Erfahrungen bei der Anwendung eines Gesetzes gehen. Die Berichtspflicht dient dann der nachträglichen Gesetzesfolgenabschätzung, was die Gesichtspunkte der Normeffizienz, der Normauslegung und des Ermessensgebrauchs einschließt. Sie ist auf Rechtskontrolle gerichtet und kann Anlaß für Gesetzesänderungen sein415. Dieser Aspekt tritt besonders deutlich hervor, wenn das Gesetz zusätzlich mit einer zeitlichen Befristung versehen ist416. Die Berichtspflicht soll das Parlament dann erst in die Lage versetzen zu beurteilen, ob sich das Gesetz bewährt hat. Seine demokratische Legitimation bedarf in diesem Fall der aktiven Bestätigung. Die zu beobachtende Zunahme von Berichtspflichten ist eine Reaktion auf den – allgemein beklagten – Einflußverlust des Parlaments infolge der gewachsenen Aufgaben von Regierung und Verwaltung417. Der erweiterte Einfluß auf einfachgesetzlicher Grundlage kann aber im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung in Frage gestellt werden. Zu prüfen ist insbesondere, ob das Parlament auf dem Weg der Berichtspflichten in eine aufsichtsähnliche Stellung 412

Zu den anderen Funktionen der Berichtspflichten Maiwald, Berichtspflichten,

93 ff. 413

Mössle, Regierungsfunktion, 182. Beispiel dazu ist § 1 i.V. m. §§ 4 f. LWG. Cassardt, in: Umbach/Clemens, GG-Mitarbeiterkommentar I, Art. 13, Rn. 156. 415 Maiwald, Berichtspflichten, 93, 99. 416 Beispiel dazu sind die Eingriffsbefugnisse des Zollkriminalamtes in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gemäß §§ 23a ff. i.V. m. § 47 ZFdG. 417 Linck, DÖV 1979, 116, 117. Weitergehend Brüning, Der Staat 43, 511, 540 f., der für eine verfassungsrechtlich abgesicherte Informationspflicht der Regierung plädiert. 414

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

gegenüber der Regierung gelangt. Dafür spricht die Prinzipienumkehr bei der Art der Informationsgewinnung zugunsten des Parlaments. Wer sich Informationen durch Fragen verschafft, muß zumindest wissen, wonach er fragen will. Mit der Berichtspflicht tritt an die Stelle dieser Vorleistung der Abgeordneten eine Bringschuld der Regierung. Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß die Formulierung des Berichtsauftrags ausschließlich in der Hand der Parlamentsmehrheit liegt, während die Minderheit auf die formalisierten Fragerechte und die Auswertung der Berichte beschränkt bleibt. Dagegen ist aber zu bedenken, daß die Berichtspflicht dem Parlament zunächst nur ein Mehr an Information gewährt, ohne ihm zusätzliche rechtliche Einflußmittel zu verschaffen418. Wie das Beispiel von § 26 Abs. 1 BDSG zeigt, wo der Berichtszeitraum von zunächst einem Jahr auf zwei Jahre erhöht werden mußte, ist es dem Parlament gar nicht möglich, diese Informationsfülle angemessen zu verarbeiten. Daher müssen sich die gesetzlichen Berichtspflichten ohnehin nur auf wenige, dafür aber besonders bedeutsame Handlungsbereiche beschränken. Ihnen stehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen419. Neben den gesetzlichen Berichtspflichten sind Regierungsberichte auf freiwilliger Basis für die parlamentarische Kontrolle von Bedeutung420. Es handelt sich um Berichte, die auf Regierungsinitiative oder auf Ersuchen des Parlaments ergehen. Berichte, mit denen sich die Regierung an das Parlament wendet, sind mit Vorstellungen, die parlamentarische Kontrolle als Ausdruck einer antagonistischen Überwachung verstehen, nicht zu vereinbaren. Um so mehr spiegelt sich in ihnen das Verantwortlichkeitsmodell, handelt es sich für die Regierung doch um einen denkbaren Weg, sich durch aktive Einbeziehung des Parlaments von ihrer Verantwortung zu entlasten und dem Parlament die Möglichkeit der Einflußnahme zu eröffnen421. Auch wenn dies für sich nicht zu beanstanden ist, wird der Vorgang prekär, wenn die Regierung auf diesem Weg die Entscheidung dem Parlament überlassen sollte. Sie würde sich damit nicht nur ihrer originären Funktion entziehen, sondern auch das Modell der demokratischer Willensbildung zur Disposition stellen. Zum anderen erfolgen Regierungsberichte auch auf schlichten Parlamentsbeschluß hin. Als Instrument der Informationsgewinnung ist das Ersuchen von eingeschränktem Wert, weil die Erfüllung mangels rechtlicher Bindungswirkung dem Ermessen der Regierung anheim gestellt ist. Tatsächlich wird sich die Regierung solchen Wünschen politisch kaum entziehen können, zumal sie in diesem Fall mit dem Einsatz parlamentarischer Kontrollrechte rechnen müßte. 418

Linck, DÖV 1979, 116, 119. Magiera, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52, Rn. 28, 40 f.; Mössle, Regierungsfunktion, 185; Brüning, Der Staat 43, 511, 535. 420 Zur Unterscheidung Maiwald, Berichtspflichten, 23 ff. 421 Vgl. Magiera, Parlament und Staatsleitung, 135; Berg, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 45a, Rn. 52. 419

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2. Parlamentarische Kontrolleinrichtungen Parlamentarische Kontrolle läßt sich nicht nur durch die unmittelbaren Rechenschafts- und Informationsrechte, sondern auch unter organisatorischen Gesichtspunkten beschreiben. Ein großer Teil der Überwachung der Regierungstätigkeit wird nicht vom Bundestag als Plenum, sondern von einer Vielzahl von Ausschüssen, Kommissionen und anderen Organen wahrgenommen. Wenn diese nicht bereits vom Grundgesetz selbst als ständige Kontrolleinrichtung vorgesehen sind, können sie vom Bundestag eigens dafür eingesetzt werden. Umgekehrt scheiden damit alle Organe aus der Betrachtung aus, die nicht dem Bundestag zugerechnet werden können. Auch wenn sie einen eigenen Kontrollauftrag verfolgen, stellt sich ihre Tätigkeit aus der Sicht des Bundestages als Fremdinformation dar, die lediglich Anlaß für eigene Kontrolltätigkeit sein kann, diese aber nicht zu ersetzen vermag422. Der Anteil der parlamentarischen Kontrolleinrichtungen an der parlamentarischen Kontrolle ist unterschiedlich bemessen. Am deutlichsten tritt sie im Fall der Fachausschüsse hervor, die die natürlichen Arbeitsgremien des Bundestages sind. Ihnen zur Seite stehen spezialisierte Kontrolleinrichtungen, deren Existenz sich vornehmlich aus ihrem jeweiligen Kontrollgegenstand erklärt. Von mittelbarer Bedeutung sind schließlich parlamentarische Einrichtungen, deren Arbeit Kontrollwirkung hat oder zur Grundlage parlamentarischer Kontrolle werden kann. Wegen ihrer Bedeutung für die Maßstabbildung gehören zu ihnen auch die zur parlamentarischen Willensbildung berufenen Organe423. a) Die parlamentarischen Fachausschüsse Während das Bundestagsplenum der Ort der Aussprache, der politischen Debatte und der Beschlußfassung ist, bilden die Bundestagsausschüsse die Ebene der parlamentarischen Detailarbeit424. Die geringe Wahrnehmung der Ausschußarbeit infolge ihrer Nichtöffentlichkeit gemäß § 69 Abs. 1 GO-BT läßt verkennen, daß gerade hier der wesentliche Teil der Parlamentsarbeit und insbesondere 422 Keine Berücksichtigung finden darum der Bundesbeauftragte für den Datenschutz sowie die G 10-Kommission, weil sie nach hier vertretener Ansicht nicht dem Parlament und seinen Kontrollorganen, sondern der vollziehenden Gewalt zuzurechnen sind. Siehe dazu 3. Kap., III. 1. a). Eine Kontrolleinrichtung eigener Art bildet der Bundesrechnungshof. Art. 114 Abs. 2 GG i.V. m. § 1 BRHG machen deutlich, daß er kein parlamentarisches Hilfsorgan ist, sondern eine Sonderstellung im Gewaltenschema einnimmt. Vgl. 3. Kap., Fn. 141. 423 Dies sind insbesondere die Enquête-Kommissionen gemäß § 56 GO-BT, der Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56a GO-BT und die parlamentarischen Hilfsdienste. Von ihnen werden im folgenden nur die Enquête-Kommissionen gesondert dargestellt. 424 Dach, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 40, Rn. 49.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

der parlamentarischen Kontrolle stattfindet. Rechtsgrundlage dafür ist § 62 Abs. 1 S. 3 GO-BT, der den Ausschüssen ein eigenständiges Befassungsrecht zu Fragen außerhalb der ihnen überwiesenen Aufgaben gibt425. Die zumeist spiegelbildlich zur Ressortverteilung organisierten Fachausschüsse sind dabei nicht nur Instrument der Informationsgewinnung, sondern vor allem Ort der parlamentarischen Willensbildung und der Einflußnahme. Entscheidende Faktoren sind dabei zum einen, daß die Zusammensetzung der Ausschüsse gemäß § 12 GO-BT dem Kräfteverhältnis der Bundestagesfraktionen entsprechen muß. Nur als „verkleinertes Abbild des Parlaments“426 können sie für die demokratische Legitimation überhaupt relevant werden. Zum anderen ist die Ausschußarbeit von einer engen personalen Beteiligung von Regierungsvertretern geprägt, was durch das Zitierungsrecht und das Zutrittsrecht gemäß Art. 43 Abs. 1 und 2 GG beidseitig abgesichert wird. Sie erlaubt nicht nur vielfache und detailgenaue Anfragen der Abgeordneten, sondern auch selbstinitiative, entscheidungsnahe Berichte der Ministerien, so daß Einflußnahme unmittelbar möglich wird427. Gerade in den Ausschüssen erfolgt parlamentarische Kontrolle also nicht nur nachlaufend, sondern begleitend428. Das Hauptgewicht der Ausschußarbeit liegt gleichwohl – abhängig vom jeweiligen Zuständigkeitsbereich – in der Beratung der überwiesenen Gesetzesvorlagen, die in Abschlußbericht und Beschlußempfehlung an das Bundestagsplenum gemäß § 66 GO-BT münden429. Die bereits beschriebene Abgrenzungsfrage von Gesetzgebungs- und Kontrollfunktion stellt sich hier in aller Schärfe. Die parlamentarische Kontrolle in den Ausschüssen führt zu der Frage nach deren demokratischem Legitimationspotential. Im Grundsatz gilt, daß sich ihre Tätigkeit – von begrenzten Ausnahmen abgesehen – auf das Parlament beziehen muß. Gerade im Hinblick auf das Selbstbefassungsrecht gemäß § 62 Abs. 1 S. 3 GO-BT werden den Ausschüssen sowohl die Beschlußfassung als auch die Beschlußempfehlung an das Plenum bestritten430. Problematisch seien deshalb aber schon „Meinungsäußerungen von Ausschüssen gegenüber Regierungsvertretern, die zumindest den Anschein erwecken, als würde Regierungsvorhaben parlamentarische Rückendeckung gegeben“431. Diese Diskussion wird der Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle allerdings nicht gerecht. Ihr notwendig informeller Charakter ist vielmehr auf Verständigungen dieser Art 425 Berg, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 45a, Rn. 47; zur Entwicklung: Kewenig, Probleme parlamentarischer Mitregierung, 12 f. 426 BVerfGE 80, 188, 222; 84, 304, 323. 427 Siehe Berg, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 45a, Rn. 45. 428 Zeh, in: Schneider/ders., Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 39, Rn. 11. 429 Zeh, in: Schneider/ders., Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 39, Rn. 2. 430 BT-Drs. 8/3460, 94; Troßmann, in: ders./Roll, Parlamentsrecht, § 62, Rn. 2.2; Dach, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 40, Rn. 38. Anderer Ansicht Achterberg, Parlamentsrecht, 678.

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angewiesen, so daß es auf die Frage nach der rechtlichen Formalisierung überhaupt nicht ankommen kann. Ausreichend ist darum allein die Vorverlagerung der Repräsentation aus dem Parlament in die Ausschüsse432. Auch wenn die Gegenfrage nach der möglichen Alternative nur selten als Argument zählen kann, stellt sie sich hier doch eindringlich: Den Kontrollaktivitäten der Ausschüsse fehlt eine § 66 GO-BT entsprechende Übertragungsmöglichkeit an den Bundestag. Behauptete man dessen Kontrollvorbehalt, wäre die Geschäftsordnung entweder unvollständig oder die Wirksamkeit der parlamentarischen Kontrolle bliebe darauf angewiesen, daß Ausschußmitglieder sie über ihre Fraktion in das Plenum tragen. Dort fehlt es zudem an einer Parlamentsbefugnis, deren Legitimationswirkung dem Gesetzesbeschluß vergleichbar wäre. Mittel der Wahl bliebe der schlichte Parlamentsbeschluß, der angesichts von Kontrollumfang und Kontrollzeitpunkt inadäquat und nicht zuletzt politisch unerwünscht wäre. Ein Plenarvorbehalt über die parlamentarische Kontrolle wäre nur um den Preis ihrer Effektivität zu haben. Zudem ist es nicht sachgerecht, einen „nahezu plenumsunabhängigen Dialog zwischen Ausschüssen und dem jeweils korrespondierenden Ministerium“433 zu beklagen und damit den Anschein einer Dezentralisierung parlamentarischer Steuerung zu erwecken. Damit wird nicht nur ein unzutreffendes Bild der Leistungsfähigkeit des Bundestagsplenums zugrunde gelegt, sondern auch die personelle Verflechtung zwischen Ausschüssen, Fraktionen und Plenum ausgeblendet. Es bestehen keine Bedenken dagegen, daß die Fraktionen gerade ihre Experten in die jeweiligen Ausschüsse entsenden und mit der Kontrolle betrauen. Diese präjudizieren nicht nur die Meinungsbildung ihrer Fraktionen, sondern sind ihnen umgekehrt auch verantwortlich und auf ihre Unterstützung angewiesen. b) Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse Das Enquête-Recht des Bundestages wird gemäß Art. 44 Abs. 1 GG i.V. m. §§ 1 ff. PUAG434 durch die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ausgeübt. Es handelt sich um nichtständige Sonder- bzw. Ad-Hoc-Ausschüsse zur Aufklärung von besonderen Sachverhalten, die das Parlament in Erfüllung seines Verfassungsauftrages als Vertretung des Volkes für aufklärungsbedürftig hält435. Der Untersuchungsausschuß ist ein Mittel der Selbstinformation und gilt 431 Berg, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 45a, Rn. 49, der insbesondere die „kenntnisnehmenden Ausschußstellungnahmen“ zu geplanten Regierungsvorhaben diskutiert. Kritisch auch Kröger, Ministerverantwortlichkeit, 97 f. 432 BVerfGE 70, 324, 363. 433 Berg, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 45a, Rn. 51. 434 Untersuchungsausschußgesetz vom 19. Juni 2001. 435 BVerfGE 49, 70, 85; 77, 1, 43.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

als schärfstes parlamentarisches Kontrollinstrument436. Er ist Hilfsorgan des Parlaments und darum gemäß der Korollartheorie437 auf den Rahmen der verfassungsrechtlichen Parlamentszuständigkeiten begrenzt. Gegenständlich sind hier die sogenannten Kontrollenquêten438 zu betrachten, die das Handeln von Regierung und Verwaltung prüfen. Die Arbeit des Untersuchungsausschusses gliedert sich einerseits in die Feststellung von Tatsachen und andererseits in politische Bewertungen und Empfehlungen an Regierung und Bundestag439. Gerade für die Unterscheidung zwischen allgemeinem parlamentarischem Informationsrecht und Einflußnahme bildet dies ein gutes Beispiel. Soweit es allein um die Informationsbeschaffung geht, erfolgt die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Art. 44 Abs. 1 GG i.V. m. § 2 PUAG nicht nur durch Mehrheitsbeschluß des Bundestages, sondern auch auf Antrag eines Viertel seiner Mitglieder. Entsprechend sind auch die Entscheidungen über die Beweiserhebung gemäß § 17 Abs. 2 PUAG als Minderheitsrecht ausgestaltet440. Demgegenüber macht die politische Bewertung im Abschlußbericht und das ihm innewohnende Einflußpotential eine Mehrheitsentscheidung erforderlich, die nur durch Sondervoten der Minderheit ergänzt werden kann. Obwohl das Enquête-Recht also im Einklang mit den Grundsätzen demokratischer Legitimation zu stehen scheint441, erhebt sich die Frage, ob darin auch sein vorwiegender Zweck liegt. Bereits der Ursprung des heutigen EnquêteRechts weist in eine andere Richtung442. Die Minderheitsregelung wurde – auf Vorschlag von Max Weber – gerade deswegen in Art. 34 WRV aufgenommen, um dem Untersuchungsrecht seine Wirksamkeit zu erhalten, die man in der Hand der regierungstragenden Parlamentsmehrheit als nicht gesichert sah. Anknüpfend an das konstitutionelle Kontrollverständnis wurde das Kontrollverhältnis dabei lediglich auf die Opposition einerseits und die Regierung bzw. Parla-

436

Dazu Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, 15 f. Schröder, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 46, Rn. 3, Fn. 6; differenzierend Achterberg, Parlamentsrecht, 446 f., m.w. N. 438 Daneben werden im allgemeinen noch die Gesetzgebungsenquêten, die Sachstands- bzw. Perspektivenquêten, die Kollegialenquêten und die Mißstands- bzw. Skandalenquêten unterschieden, die jedoch keinen unmittelbaren Legitimationsbezug haben. Dazu im einzelnen Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschußgesetz, 46 ff.; Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, 12 f.; BVerfGE 77, 1, 44 f. 439 Battis/Gusy, Staatsrecht, Rn. 133. 440 Zu den Minderheitsrechten im übrigen Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschußgesetz, 87 f. 441 Kritisch Steffani, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 49, Rn. 34, der in der Parität zwischen Mehrheits- und Minderheitsrecht eine nichtdemokratische Minderheitsdominanz, wenn nicht eine Zerstörung des Untersuchungsrechts als parlamentarisches Kontrollmittel sieht. 442 Vgl. zum Folgenden Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, 21 ff. 437

V. Instrumente der parlamentarischen Kontrolle

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mentsmehrheit andererseits übertragen443. Die demokratische Dimension des Untersuchungsrechts mußte auch hier erst später entwickelt werden. Nach verbreiteter Ansicht darf die Kontrolle mittels parlamentarischer Untersuchung nur ex post erfolgen444. Die unmittelbare Legitimationsfunktion wäre damit ausgeschlossen. Zur Begründung wird auf die Einflußnahme verwiesen, die von der Enquête auf noch nicht abgeschlossenes Regierungshandeln oder Verwaltungsverfahren ausgehe. Es handelt sich um die Theorie vom Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung. Demgegenüber wurde bereits festgestellt, daß die Gewaltenteilung einer mitwirkenden Kontrolle im Grundsatz nicht entgegensteht445. Ausnahme davon ist zum einen die Funktionsfähigkeit von Regierung und Verwaltung, die durch die Informationsbeschaffung nicht beeinträchtigt werden darf. An der Kernbereichstheorie ist darum in engem Umfang festzuhalten. Zum anderen darf die Untersuchung keine faktische Bindungswirkung für die Regierung entfalten, die in ein Aufsichtsverhältnis führt. Die Gefahr eines „Mitbestimmungsinstruments“ mag gerade bei der öffentlichen Bedeutung der Untersuchungsausschüsse naheliegen und stellt wohl den eigentlichen Grund für die postulierte Beschränkung auf die ex-post-Kontrolle dar446. Ein grundsätzlicher Ausschluß mitwirkender Kontrolle läßt sich damit – auch im Interesse wirksamer Kontrolle – für das Enquête-Recht aber nicht begründen447. Gleichwohl wird diese Frage selten relevant, wie ein Blick auf die Untersuchungsgegenstände belegt. Der Zweck der Kontrollenquête liegt in der Aufklärung bekannt gewordener Regierungs- oder Verwaltungsvorgänge, deren „Gesetzlichkeit oder Lauterkeit“ angezweifelt wird. Es handelt sich damit typischerweise um Vorgänge der Vergangenheit, so daß eine mitwirkende Kontrolle überhaupt nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Das Enquête-Recht dient darum auch weniger der demokratischen Sachlegitimation als vielmehr der Rechtsstaatlichkeit und als Mittel des politischen Wettbewerbs, in dessen Zentrum das Vertrauen in die Exekutivspitze steht448.

443 Dies machte zugleich den Weg frei für die Kollegialenquête, die parlamentsinterne Vorgänge zum Inhalt hat. Vgl. BVerfGE 49, 70, 85 f. 444 BVerfGE 67, 100, 139; Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschußgesetz, 70, 73 m.w. N.; Vetter, DÖV 1986, 590, 595. 445 In diesem Zusammenhang ebenso H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 44, Rn. 149. 446 Vgl. etwa HessStGH DÖV 1967, 51, 55, demzufolge die Begrenzung auf das nachgängige Untersuchungsrecht allgemein eine laufende Verwaltungskontrolle verhindern soll, in der das Parlament zur letzten Verwaltungsinstanz würde. 447 Ebenso H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 44, Rn. 153. 448 Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 44, Rn. 9, spricht von einem politisch-propagandistischen Kampfmittel im Wettbewerb mit dem parteipolitischen Gegner. Ähnlich Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschußgesetz, 29 f., 36. Zu Recht weist Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, 17, darauf hin, daß sich das Enquête-Recht in der Hand der Mehrheit auch gegen die Opposition richten kann.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

c) Das Parlamentarische Kontrollgremium Nachrichtendienstliche Tätigkeit ist wesensmäßig auf Geheimhaltung angelegt. Wie schon im allgemeinen für den Geheimnisschutz angesprochen, findet sich auch hier in Form des Parlamentarischen Kontrollgremiums eine besondere Ausgestaltung parlamentarischer Kontrolle. Seine geheimen Beratungen gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 PKGrG, die Art der Bestimmung seiner Mitglieder gemäß § 4 PKGrG449 und deren Verpflichtung zur Geheimhaltung gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 PKGrG werden einerseits durch die Geheimhaltung der Tätigkeit bedingt, andererseits ist diese selbst der Grund für das besondere Kontrollinteresse450. Die Notwendigkeit dieser Kontrolle wird durch § 5 Abs. 4 PKGrG hervorgehoben, wonach das Parlamentarische Kontrollgremium seine Tätigkeit abweichend von der Diskontinuität solange ausübt, bis der Bundestag zu Beginn der Wahlperiode ein neues Gremium gewählt hat. Bei der Kontrolle der Nachrichtendienste soll jede Kontrollücke vermieden werden. Die hervorgehobene Bedeutung des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird durch eine Reihe von Zustimmungsrechten dokumentiert, die es in den Stand eines Entscheidungsorgans versetzen. Auf ihre Funktion für die parlamentarische Kontrolle wurde bereits hingewiesen451. Gegenstand der Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium ist gemäß § 1 Abs. 1 PKGrG die Bundesregierung „hinsichtlich der Tätigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Militärischen Abschirmdienstes und des Bundesnachrichtendienstes“452. Dazu stehen ihm weitreichende Rechte der Fremd- und Selbstinformation zu, die neben der Unterrichtungspflicht durch die Bundesregierung gemäß § 2 PKGrG453 auch die Akteneinsicht und Anhörung gemäß § 2a PKGrG und die Beauftragung von Sachverständigen gemäß § 2c PKGrG einschließen. Dabei gelten jedoch gemäß § 2b PKGrG die allgemeinen Begrenzungen der Unterrichtungspflicht. Insbesondere ist zu beachten, daß das Geheimhaltungsinteresse insoweit kein Hinderungsgrund sein kann, als das Parlamentarische Kontrollgremium gerade aus diesem Grunde eingerichtet wurde. 449 Vgl. insoweit die Ausführungen zur Besetzung des Vertrauensgremiums 1. Kap., Fn. 375. 450 Arndt, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 50, Rn. 1; Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, 387, 388. 451 Vgl. 1. Kap., IV. 6. e). 452 Besondere Regelungen dazu finden sich in §§ 1 Abs. 2, 14 Artikel 10-G, §§ 8 Abs. 10; 9 Abs. 3 Nr. 2; 17 Abs. 2 BVerfSG, § 10 Abs. 3 BPolG. 453 § 2 S. 1 PKGrG regelt den Umfang der regelmäßigen Unterrichtungspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Parlamentarischen Kontrollgremium. Satz 2 gibt diesem darüber hinaus die Befugnis, auf Anfrage Aufklärung auch über sonstige Vorgänge fordern zu können. Damit verläßt das Gesetz nicht den Bereich der politischen Kontrolle, sondern bleibt im Rahmen der dem Bundestag zukommenden Kontrollrechte. Anders Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, 387, 390 („Möglichkeit einer verfassungsrechtlich unzulässigen Totalkontrolle“).

V. Instrumente der parlamentarischen Kontrolle

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Eine Verweigerung der Unterrichtung kommt denn auch nur bei „zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangs“ gemäß § 2b Abs. 2 S. 1 Alt. 1 PKGrG in Frage. Gemeint ist der Fall von V-Leuten, wenn die Weitergabe von Erkenntnissen auch unter Wahrung des Geheimschutzes zu Beeinträchtigungen der Arbeit der Nachrichtendienste führen kann454. Weil hier die parlamentarische Kontrolle die Aufgabenerfüllung der Exekutive beeinträchtigen kann, handelt es sich eigentlich um einen Ausschnitt aus dem geschützten Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung455. Die Tätigkeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist Teil der parlamentarischen Kontrolle und folgt damit deren bisher erarbeiteten dogmatischen Grundlage. Daraus erklärt sich, daß jedes seiner Mitglieder gemäß § 5 Abs. 3 PKGrG die Einberufung und Unterrichtung verlangen kann. Wie § 1 Abs. 2 PKGrG klarstellt, tritt die Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium neben die vom Bundestag und seinen Ausschüssen ausgeübte Kontrolltätigkeit456. Sein tatsächlicher Kontrollvorrang folgt darum nicht aus einem Kontrollvorbehalt, sondern aus seiner höheren Kontrollintensität. Die Anbindung an die parlamentarische Kontrolle des Bundestages wird über die Berichtspflicht gemäß § 6 PKGrG sichergestellt. d) Das Kontrollgremium nach Art. 13 Abs. 6 S. 2 GG Die Neufassung von Art. 13 GG beruht auf dem Gesetz zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität457. Ihr Zweck ist es, die verfassungsrechtliche Grundlage zur technischen Überwachung von Wohnraum zu schaffen. Sie erlaubt Grundrechtseingriffe von hoher Intensität, so daß Art. 13 Abs. 6 GG besondere Absicherungen vorsieht: Der bereits erwähnten Unterrichtungspflicht über den Einsatz technischer Mittel durch die Regierung ist ein neues Bundestagsgremium zur Seite gestellt, das auf Grund dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle ausübt. Nach Art. 45b GG handelt es sich um die zweite Verfassungsnorm, die wörtlichen Bezug auf die Funktion der parlamentarischen Kontrolle nimmt. Die Statuierung des Kontrollgremiums ist kein Rechtswegersatz und unterscheidet sich insoweit vom Vorbild des Art. 10 Abs. 2 GG. Auch bleibt die parlamentarische Kontrolle durch das Bundestagsplenum – entgegen der mißverständlichen Formulierung in Art. 13 Abs. 6 S. 2 GG – unberührt. Sein Zweck muß vielmehr als Effektivierung der parlamentarischen Kontrolle durch 454

Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, 387, 391. Siehe dazu 1. Kap., V. 1. a). 456 BT-Drs. 8/1599, 6; Arndt, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 50, Rn. 11. 457 Dazu Meyer/Hetzer, NJW 1998, 1017 ff. 455

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

spezifische Zuständigkeit gedeutet werden, die mit der Unterrichtungspflicht der Bundesregierung korrespondiert. Auf diesem Weg soll gewährleistet werden, daß das Parlament die zur Verfügung stehenden Informationen angemessen verarbeitet und damit die Ziele der Unterrichtungspflicht auch erreicht werden. Weil zu ihnen die Grundrechtssicherung gehört, liegt die Aufgabe des Kontrollgremiums in der Rechtskontrolle. Daß es hierbei aber nicht um die Überprüfung einzelner Maßnahmen auf ihre Rechtmäßigkeit gehen kann, liegt weniger im Gewaltenteilungsgrundsatz, sondern in der Systematik der parlamentarischen Kontrollrechte begründet458. Richtigerweise ist die gesetzgeberische Beobachtung hier auf die Normeneffizienz gerichtet. Sie umfaßt einerseits die Wirksamkeit der Überwachungsmaßnahmen nach Art. 13 Abs. 3–5 GG im Hinblick auf die Strafverfolgung bzw. Gefahrenabwehr und andererseits die Frage der Grundrechtssicherung durch gesetzgeberische Maßnahmen. Insoweit ist die Kontrolle auf den Bestand bzw. die Veränderung der gesetzlichen Legitimationsgrundlage gerichtet. e) Das Kontrollgremium nach § 23c Abs. 8 ZFdG Zur besseren Bekämpfung illegaler Rüstungsexporte hat das Zollkriminalamt gemäß § 23a ZFdG Befugnisse, das Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis unter besonderen Voraussetzungen zu beschränken459. Diese gesetzgeberische Entscheidung wird flankiert durch eine Unterrichtungspflicht des Bundesministeriums der Finanzen, die sich gemäß § 23c Abs. 8 ZFdG an ein eigens dafür geschaffenes parlamentarisches Kontrollgremium richtet. Ähnlichkeit besteht insoweit zu § 14 Abs. 1 Artikel 10-G, ohne daß die Unterrichtungspflicht aber mit einem Ausschluß des Rechtswegs für die Betroffenen verbunden ist. Sie dient allein der Unterrichtung des Parlaments. Auch hier handelt es sich um 458 Im Anschluß an den Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 13 GG), BT-Drs. 13/8650, 5, wird zum Teil vertreten, daß die parlamentarische Kontrolle hier deshalb keine nachgehende parlamentarische Rechtmäßigkeitskontrolle einzelner Maßnahmen sein könne, weil sie ohne Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip nur dort möglich sei, wo – wie bei Art. 10 Abs. 2 GG – Rechtsschutz durch die Gerichte von Verfassungswegen ausgeschlossen sei, Meyer/Hetzer, NJW 1998, 1017, 1025; Cassardt, in: Umbach/Clemens, GG-Mitarbeiterkommentar I, Art. 13, Rn. 157. Unklar ist an dieser Auffassung bereits die Bedeutung von „nachgehende Kontrolle“. Soweit sie lediglich nachträgliche Prüfung ohne Aufhebungs- oder Abänderungsbefugnisse zum Inhalt hat, ist darin kein Verstoß, sondern eine der Funktionen parlamentarischer Kontrolle angesprochen. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob sie gerade von dem Kontrollgremium gemäß Art. 13 Abs. 6 GG wahrgenommen werden soll. 459 Die ursprünglich in § 39 ff. AWG a. F. enthaltene Regelung war mit Art. 10 GG unvereinbar. Die Neuregelung im Zollfahndungsdienstgesetz erfolgte durch das Gesetz zur Neuregelung der präventiven Telekommunikations- und Postüberwachung durch das Zollkriminalamt und zur Änderung der Investitionszulagengesetze 2005 und 1999 vom 21.12.2004 (BGBl. I, 3603).

V. Instrumente der parlamentarischen Kontrolle

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eine institutionelle Absicherung für die Kenntnisnahme grundrechtsrelevanter und darum besonders sensibler Informationen. Es sollte nicht verkannt werden, daß bereits darin eine Steigerung gegenüber der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle liegt460. Ein weiterer Zweck liegt in der Beobachtung der Gesetzesanwendung und der Normeneffizienz, was in § 23c Abs. 8 S. 2 ZFdG mit dem Ziel der Evaluierung drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes ausdrücklich hervorgehoben wird. Der Bezug auf die gesetzliche Legitimation tritt dadurch deutlich hervor. f) Das Parlamentarische Gremium nach § 4a BWpVerwG Teil der Neuordnung der Bundeswertpapierverwaltung vom 11.12.2001461 war die Einführung des Parlamentarischen Gremiums gemäß § 4a BWpVerwG, das vom Bundesminister der Finanzen über alle Fragen des Schuldenmanagements des Bundes zu unterrichten ist. Dieses Gremium war im ursprünglichen Gesetzesentwurf nicht vorgesehen462 und wurde erst auf Vorschlag des Haushaltsausschusses eingefügt463. Ausweislich der Begründung soll damit die parlamentarische Kontrolle zu Fragen der Staatsverschuldung sichergestellt werden. Indem sich der Gesetzgeber nicht mit der parlamentarischen Kreditermächtigung, der Rechnungsprüfung und den allgemeinen Mitteln parlamentarischer Kontrolle begnügen will, bestätigt er zugleich die hervorgehobene Bedeutung der Finanzpolitik für das Gemeinwesen. Sie ist der Grund für die hier bereits erörterten Regelungen des Haushaltsrechts und war schon – wenn auch in völlig anderer Form – für die besondere Organisationsstruktur der früheren Bundesschuldenverwaltung bestimmend464. g) Der Wehrbeauftragte Der Wehrbeauftragte des Bundestages wird gemäß Art. 45b GG zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle berufen. Besondere Aufmerksamkeit verdient diese Bestimmung schon deshalb, weil in ihr die parlamentarische Kontrolle überhaupt zum ersten Mal ausdrückliche Erwähnung im Grundgesetz fand. Sie erklärt sich mit der verfassungsrechtlichen Zielsetzung, die Armee vollständig in

460 Kritisch Riegel, Datenschutz bei den Sicherheitsbehörden, 186, der – im Hinblick auf das Außenwirtschaftsgesetz – von einem „reinen Feigenblatt“ spricht. 461 Bundeswertpapierverwaltungsgesetz, BGBl. I 2001, 3519 ff. 462 BT-Drs. 14/7010. 463 BT-Drs. 14/7479. 464 Siehe 3. Kap., III. 2. d).

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

den demokratischen Staat zu integrieren465. Im gleichen Zusammenhang zu sehen sind der Verteidigungsausschuß, den Art. 45a GG als Pflichtausschuß mit besonderen Untersuchungsrechten unmittelbar im Grundgesetz verankert, die Zuweisung der Befehls- und Kommandogewalt an den parlamentarisch verantwortlichen Bundesminister für Verteidigung gemäß Art. 65a GG und die Anbindung von Organisationsrechten an das parlamentarische Budgetrecht gemäß Art. 87a Abs. 1 S. 2 GG. Der Wehrbeauftragte ist in seinem gesamten Zuständigkeitsbereich ein Organ des Bundestages, was § 1 Abs. 1 WBeauftrG klarstellt466. Er ist sowohl parlamentarisches Kontrollinstrument als auch Beschwerdeinstanz und Vertrauensperson. Die Kontrolle durch den Wehrbeauftragten ist gesetzlich ebenso eindeutig herausgestellt und anerkannt wie zweischneidig in ihrer Funktionszuweisung. Die Problematik deutet sich bereits in der Abgrenzung zur parlamentarischen Kontrolle durch den Verteidigungsausschuß bzw. den Bundestag an. Hier muß gefragt werden, ob der Wehrbeauftragte als Hilfsorgan in einem begrenzten Aufgabenfeld eigene, bessere parlamentarische Kontrolle ausübt467 oder sie zum Zweck besserer Erledigung lediglich vorbereiten soll468. Zweifellos ist die gesamte Tätigkeit des Wehrbeauftragten im Verhältnis der Staatsgewalten Kontrolle. Darüber hinaus muß der Einrichtung eines Wehrbeauftragten als parlamentarischem Kontrollinstrument die Wertung zugrunde gelegt werden, daß die allgemeine parlamentarische Kontrolle als nicht ausreichend betrachtet wurde469. Von besonderer Bedeutung ist dabei die institutionelle Ausgestaltung: Der Wehrbeauftragte wird vom Bundestag gemäß § 13 WBeauftrG mit Mitgliedermehrheit gewählt. Unabhängigkeit erlangt er, weil § 14 Abs. 2 WBeauftrG für seine Amtsdauer fünf Jahre bestimmt und sie damit von den Mehrheitsverhältnissen der jeweiligen Legislaturperiode trennt. Hinzu kommt, daß er zwar zur Aufklärung bestimmter Vorgänge gemäß § 1 Abs. 2 WBeauftrG vom Bundestag bzw. Verteidigungsausschuß angewiesen werden kann, für die Art der Aufgabenerledigung gemäß § 5 Abs. 2 WBeauftrG aber von Einzelweisungen frei bleibt. Darüber hinaus wird er auch aufgrund eigener Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen tätig. Dies erhellt zum einen, daß es dem Gesetzgeber auf eine möglichst sachrichtige, ungestörte Aufgabenerledigung des Wehrbeauftragten ankommt. Kurz: Es geht ihm nicht um mehr, sondern um bessere Kontrolle. Zum anderen ist es wegen der Unabhängigkeit

465 Vgl. dazu Busch, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 51, Rn. 1 ff. 466 Heun, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 45b, Rn. 4. 467 Busch, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 51, Rn. 9, 15. 468 Maurer, Wehrbeauftragter und Parlament, 45, 48. 469 Maurer, Wehrbeauftragter und Parlament, 11; Busch, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 51, Rn. 11.

V. Instrumente der parlamentarischen Kontrolle

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zweifelhaft, dieser Kontrolle die Funktion unmittelbarer demokratischer Legitimation zuzuordnen. Weil die Kontrolltätigkeit des Wehrbeauftragten in besonderem Maße auf die Verletzung der Grundrechte der Soldaten und der Grundsätze der Inneren Führung bezogen ist, wird es sich im überwiegenden Teil der Fälle um Rechtskontrolle handeln470. Auf die Legitimationsfunktion kommt es dabei nicht an. Für sie steht ein Kontrollmaßstab zur Verfügung, der durch die hervorgehobene Unabhängigkeit des Wehrbeauftragten noch an Bedeutung gewinnt. Mit seinen Amtsbefugnissen gemäß § 3 Nr. 2 und Nr. 3 WBeauftrG, wonach er den zuständigen Stellen Gelegenheit zur Regelung einer Angelegenheit geben bzw. den Vorgang der für die Einleitung des Straf- oder Disziplinarverfahrens zuständigen Stelle zuleiten kann, übt er eigene Rechtskontrolle aus. Ebenso wie dem Bundestag verwehrt der Grundsatz der Gewaltenteilung auch ihm eigene Gestaltungs- und Weisungsrechte gegenüber der Exekutive471. Seine Berichtspflichten, die gemäß § 2 WBeauftrG Jahres- und Einzelberichte sein könnten, bilden zusätzlich die Grundlage für die hinzutretende Rechtskontrolle durch den Bundestag bzw. den Verteidigungsausschuß. Darüber hinaus ist der Wehrbeauftragte zu einer politischen Maßstabsbildung nicht berufen: „Der Wehrbeauftragte soll überhaupt keine Politik betreiben, sondern sachlich berichten“472. Der von seiner Kontrolltätigkeit faktisch ausgehende Einfluß auf die Wehrverwaltung, der mit wachsender Anerkennung der Institution des Wehrbeauftragten zweifellos an Gewicht gewonnen hat, entfaltet keine demokratische Legitimation473. Dazu bedarf es noch der parlamentarischen Kontrolle durch den Bundestag bzw. den Verteidigungsausschuß, für die die Informationen des Wehrbeauftragten Anlaß und Inhalt sein können, aber im Rang einer Hilfsfunktion verbleiben. Aus diesem Grund richten sich die Berichtspflichten nicht nur an die Öffentlichkeit, sondern stets und in erster Linie an das Parlament474 h) Der Petitionsausschuß Der Petitionsausschuß ist gemäß Art. 45c Abs. 1 GG dazu berufen, die als Petitionen nach Art. 17 GG vorgebrachten Bitten und Beschwerden zu behan470 H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 45b, Rn. 13. Dazu aber Busch, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 51, Rn. 28, daß nicht jeder Verstoß gegen die Grundsätze der Inneren Führung eine Rechtsverletzung ist. 471 Heun, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 45b, Rn. 18; Busch, in: Schneider/ Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 51, Rn. 21. 472 Maurer, Wehrbeauftragter und Parlament, 38. 473 Soweit die Schlußberichte der Überprüfungsverfahren Maßstäbe setzen „für Orientierungen und Verhaltensweisen in der Truppe“ (Busch, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 51, Rn. 38), sind sie ihrerseits legitimationsbedürftig. 474 Vgl. Heun, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 45b, Rn. 19.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

deln. Seine Kernaufgabe gliedert sich in deren Prüfung und Beratung und anschließende Berichterstattung und Beschlußempfehlung an das Bundestagsplenum475. Dazu wird dem Petitionsausschuß als Annexkompetenz zu Art. 17 GG das Petitionsinformationsrecht zugesprochen. Soweit es sich um Beschwerden handelt476, räumt ihm Art. 45c Abs. 2 GG i.V. m. dem Petitionsausschußgesetz kumulativ weiterreichende Befugnisse ein, sich über den Gegenstand der Petition selbst zu informieren. Aus diesem Grund wird die Tätigkeit des Petitionsausschusses auch als Teil der parlamentarischen Kontrolle wahrgenommen477. Eine gewisse Einschränkung dieser Zuordnung ergibt sich daraus, daß die erweiterten Informationsrechte mehrheitsabhängig sind478. Die im Gesetzgebungsverfahren für das Petitionsgesetz zunächst vorgesehene Behandlungspflicht auf Antrag von einem Viertel der Mitglieder wurde nicht in das Petitionsgesetz aufgenommen479. Die Kritik richtet sich darum bis heute gegen die zu geringen Oppositionsrechte, die der Kontrolle ihre Effektivität nähmen480. Den bisherigen Untersuchungsergebnissen entsprechend ist dieser Einwand aber zu undifferenziert, weil er Kontrolle vorrangig der Opposition zuordnet und damit auf die Funktionentrennung reduziert. Im Sinne der Legitimationsfunktion ist es folgerichtig, daß die Beschlußvorlagen an den Bundestag von einer Mehrheitsentscheidung abhängig sind. Die Petitionsüberweisung an die Regierung bzw. den zuständigen Bundesminister „zur Berücksichtigung“ bzw. „zur Erwägung“ sind zwar auf Einflußnahme gerichtet, entfalten der Funktionentrennung gemäß aber keine rechtliche Bindungswirkung481. Erklärungsbedürftig bleibt dagegen, warum auch die Informationsrechte der Minderheit verschlossen bleiben sollen. Entscheidend ist die Einordnung: Das Petitionsrecht gewährleistet als Grundrecht den Rechts- und Interessenschutz des Einzelnen482. Ihr ist die Behandlung der Petitionen durch den Petitionsausschuß verpflichtet. Abweichend von der parlamentarischen Kontrolle besitzt der Petitionsausschuß kein Selbstbefas475 Im einzelnen zum Ablauf des Petitionsverfahrens gemäß §§ 108 ff. GO-BT H. Bauer, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 45c, Rn. 23. 476 Petitionen in Form von Bitten zielen auf die Gesetzgebungsfunktion des Parlaments und wurden zur Vermeidung von Zuständigkeitskonflikten mit den anderen am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Fachausschüssen davon ausgenommen. 477 Würtenberger, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 45c, Rn. 23, spricht von einem parlamentarischen Kontrollorgan; bei Achterberg, DÖV 1975, 833, 839, ist von einem Hilfsorgan bzw., ders., Parlamentsrecht, 455, von einer Doppelfunktion die Rede. 478 §§ 74, 48 Abs. 2 GO-BT. 479 § 9 Entwurf eines Gesetzes über die Befugnisse des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drs. 7/581, 3). 480 Würtenberger, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 6, Art. 45c, Rn. 135. Darüber hinaus hält H. Bauer, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 45c, Rn. 15, dafür, den Ausschußvorsitz aus den Reihen der Opposition zu besetzen. 481 Vitzthum, Petitionsrecht, 64 ff. 482 Vitzthum, Petitionsrecht, 52 f.; Stöhr, ZParl 1989, 87, 93.

V. Instrumente der parlamentarischen Kontrolle

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sungsrecht und ist an die konkrete Petition gebunden. Demzufolge ist die parlamentarische Kontrolle hier nicht Zweck, sondern Folge des Petitionsrechts. Sie ist „petitionsveranlaßt“483. Das Petitionsinformationsrecht gründet nicht im Verantwortlichkeitsverhältnis, sondern in der Beauftragung des Parlaments durch Art. 17 GG. Minderheitsrechte bei der Informationsgewinnung würden nicht nur den Kontrollcharakter in den Vordergrund stellen, sondern die einzelne Petition auch zum Spielball der politischen Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition machen484. Trotz dieser Einordnung soll der Kontrollbezug des Petitionsrechts nicht bestritten werden. Weit mehr als es das Parlament aus eigener Kraft je könnte, wird es so mit rechtlich oder politisch kritischen Sachverhalten aus allen Teilen der Verwaltung konfrontiert. Es ist Hilfe zur Kontrolle, Kontrollanregung, -aktivierung und -herausforderung485. Soweit es um Beschwerden gegen ein Handeln oder Unterlassen der Exekutive geht, handelt es sich um nachgängige Verwaltungskontrolle. Darum hat sie für den unmittelbaren Legitimationsvorgang der vorgetragenen Entscheidung zwar keine Bedeutung mehr, richtet den Blick und die Möglichkeit der Einflußnahme aber zugleich auf die künftige Behandlung gleichgelagerter Sachverhalte. Insoweit kann zu Recht von einem „sozialen Frühwarnsystem“ gesprochen werden486. i) Die Enquête-Kommissionen Enquête-Kommissionen werden gemäß § 56 GO-BT zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe vom Bundestag eingesetzt. Es handelt sich weder um parlamentarische Fachausschüsse noch um Untersuchungsausschüsse gemäß Art. 44 GG, sondern um Gremien eigener Art487. Dafür spricht in erster Linie, daß zu ihren Mitgliedern auch parlamentsfremde, insbesondere sachverständige Dritte gehören. Weil EnquêteKommissionen auf der Organisationsgewalt des Bundestages gemäß Art. 40 Abs. 1 GG beruhen, sind sie Teil des Parlaments488. Ob ihnen das Zitierungsrecht nach Art. 43 Abs. 1 GG zusteht, ist umstritten489.

483

BremStGH NVwZ-RR 1997, 145, 146. BT-Drs. 7/3252, 3. 485 Vitzthum, Petitionsrecht, 54 f. 486 BT-Drs. 6/3829, 29. 487 Hoffmann-Riem/Ramcke, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 47, Rn. 4. Zur Abgrenzung Achterberg, DÖV 1975, 833, 835. 488 Kretschmer, DVBl. 1986, 923, 924. 489 Dafür Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 43, Rn. 9; Kretschmer, DVBl. 1986, 923, 928; dagegen Hoffmann-Riem/Ramcke, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 47, Rn. 34. 484

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

Zu einer Minderheitsenquête ist der Bundestag gemäß § 56 Abs. 1 S. 2 GOBT bereits dann verpflichtet, wenn ein Viertel seiner Mitglieder den Antrag auf Einsetzung einer Enquête-Kommission unterstützt490. Von einer Mehrheitsenquête ist hingegen zu sprechen, wenn weniger als ein Viertel der Mitglieder des Bundestages den Antrag unterstützt, so daß die Bundestagsmehrheit darüber entscheidet. Auch im Fall der Enquête-Kommissionen bestätigt sich folglich die Annahme, daß die Informationsbeschaffung nicht nur der Parlamentsmehrheit zustehen soll. Das Antragsquorum ist eine Einschränkung, die mit dem Interesse der Arbeitsfähigkeit des Parlaments zu erklären ist. Im Hinblick auf den Abschlußbericht und die Empfehlungen an den Bundestag wird an der Mehrheitsregel festgehalten, so daß sich die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse gemäß § 56 Abs. 2 S. 2 GO-BT in der Enquête-Kommission spiegeln. Der analytische Zweck der Enquête-Kommissionen schließt aber die Information über alternative und abweichende Meinungen ein, die in Form von Sondervoten in den Berichten enthalten sind. Die Enquête-Kommission ist ein parlamentarisches Beratungsgremium. Es dient der Mobilisierung von Sachverstand und Tatsachenmaterial zur Vorbereitung der Gesetzgebungsarbeit und der politischen Planung des Bundestages491. Etwas weiter gefaßt besteht ein Bezug zu Parlamentsentscheidungen, was Entschließungen, Anfragen und Gesetzesinitiativen einschließt. Anders als bei den Untersuchungsausschüssen gemäß Art. 44 GG geht es weder darum, Mißstände aufzudecken noch konkrete Informationen zur Kontrolle der Regierung zu beschaffen492. Wohl aus diesem Grund werden Enquête-Kommissionen nicht oder nur ausnahmsweise im Zusammenhang mit parlamentarischer Kontrolle gesehen493. Dies ist richtig, soweit man ausschließlich den nachgängigen Kontrollbegriff zugrunde legt. Ausscheiden müssen auch diejenigen Vorarbeiten, die der Gesetzgebungsfunktion zuzuordnen sind. Im übrigen bildet die Arbeit der Enquête-Kommissionen aber die Grundlage zur Maßstabs- und Willensbildung des Parlaments und hat damit eine zumindest mittelbare Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle494. Ihre Legitimationsfunktion aktualisiert sich, wenn sich das Staatshandeln auf dieser Grundlage vollzieht.

490 Vgl. Hoffmann-Riem/Ramcke, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 47, Rn. 7. 491 BT-Drs. 7/5924, 57 (Enquête-Kommission Verfassungsreform). 492 Anderer Ansicht Achterberg, DÖV 1975, 833, 836, der keinen Unterschied bei den Untersuchungsgegenständen sieht. 493 Hoffmann-Riem/Ramcke, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 47, Rn. 34; Vetter, DÖV 1986, 590, 592. 494 Vgl. BT-Drs. 7/5924, 58, wonach in der Arbeit der Enquête-Kommission zumindest ein „Element zur Verbesserung der Kontrolle der Regierungstätigkeit durch das Parlament“ liege.

VI. Der demokratische Gehalt der parlamentarischen Kontrolle

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VI. Der demokratische Gehalt der parlamentarischen Kontrolle Verantwortung und parlamentarische Kontrolle bilden Grundelemente der demokratischen Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Der parlamentarischen Kontrolle kommt darin eine doppelte Bedeutung zu: Sie ist zum einen abstrakte Strukturbedingung der demokratischen Legitimation und zum anderen deren konkrete Ausgestaltung. Um ihren insoweit auch doppelten demokratischen Gehalt erfassen zu können, müssen beide Gesichtspunkte unterschieden werden. Parlamentarische Kontrolle bezeichnet einen notwendigen Ausschnitt aus der demokratischen Legitimationsstruktur, die ihrerseits einen durchgehenden Verantwortungszusammenhang voraussetzt. Dabei wäre es ebenso verkürzt zu sagen, die Verantwortung selbst bewirke die demokratische Legitimation, wie umgekehrt, daß diese mit der parlamentarischen Kontrolle identisch sei. Parlamentarische Kontrolle im Sinne einer Einwirkung des Parlaments auf die Regierung ist vielmehr eine notwendige Bedingung für den Ableitungszusammenhang der Staatsgewalt vom und zum Volk. Demokratische Legitimation ist also nicht in jenem identitären Sinne zu verstehen, daß jeder Akt der Staatsgewalt einer positiven Bestätigung durch das Volk bedürfte495, sondern als vom Volk ableitbare Begrenzung für deren Ausübung. Anders gewendet: Die demokratische Legitimation des Exekutivhandelns erfüllt sich darin, daß das Parlament mit der parlamentarischen Kontrolle über ein Mittel verfügt, auf dieses Handeln korrigierend einzuwirken, nicht aber darin, daß jeder Exekutivakt mit parlamentarischer Zustimmung ergeht. Für das Verhältnis zwischen den beiden Staatsgewalten ergibt sich daraus als Tendenz, daß die Regierung nicht um ständige demokratische Legitimation nachsuchen muß, sondern umgekehrt das Parlament von seinen Kontrollmöglichkeiten Gebrauch zu machen hat. Zugespitzt läßt sich darum sagen, daß auch politische Fehler der Regierung im Namen des Volkes gemacht werden und über die gleiche demokratische Legitimation verfügen. Für die bereits diskutierte Unterscheidung der Parlamentsfunktionen ergibt sich daraus ein weiteres Merkmal: Gesetzgebung bedeutet danach positive Legitimation durch das Parlament, weil mit ihr der Inhalt des Staatshandelns selbst festgelegt wird. Dagegen liegt der parlamentarischen Kontrolle das Staatshandeln voraus, so daß sie gewissermaßen dessen negative Legitimation ist. Dies

495 Dies entspricht dem Modell Mehdes, Neues Steuerungsmodell, 456, das er dem hier vertretenen Ansatz der „demokratischen Einflußmöglichkeit“ gegenüberstellt. Damit wird ein offenkundig unerreichbares Ziel vorgegeben, dessen eigentliche Intention darin liegt, die legitimatorische Notwendigkeit der Weisungsbindung in Frage zu stellen. Mit seinem Hinweis auf die unmittelbare Legitimation durch Gesetz übersieht er, daß auch hier die inhaltliche Zurechnung zum Volk keine unmittelbare ist.

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

erklärt zugleich, weshalb in mißverständlicher Weise häufig von „demokratischer Legitimation und Kontrolle“ die Rede ist. Die Zuordnung der parlamentarischen Kontrolle zu den notwendigen Bedingungen des demokratischen, in dieser Form aber abstrakten Ableitungszusammenhangs bildet allerdings nur den äußeren Rahmen für die Verwirklichung des demokratischen Prinzips496. Sie ist notwendige, im Kern aber „ideelle Zurückführung aller im Staat ausgeübten Macht auf dieses Volk als höchsten Gewaltträger“497. Dieser Zusammenhang muß zunächst bei der institutionellen und verfahrensmäßigen Ausgestaltung der Staatsaufgaben Berücksichtigung finden. Sie ist aber darüber hinaus auch auf die Richtigkeit der Aufgabenerfüllung auszurichten, was nicht nur durch Zuständigkeitsregelungen und enge gesetzliche Vorgaben gewährleistet wird, sondern vor allem effektive Kontrollsysteme erforderlich macht. Zu ihnen gehört die parlamentarische Kontrolle in besonderem Maße, wobei ihr spezifischer Wert in der Art der Maßstabsbildung liegt, mit der sie sich von jeder anderen rechtsstaatlichen Kontrolle unterscheidet. Wenn es aber, wie bereits ausgeführt, nur auf die Möglichkeit der parlamentarischen Kontrolle ankommt, erweist sich ihre demokratische Qualität an der Frage, wie diese Möglichkeit genutzt wird. Konkret geht es um die verfassungsrechtliche Anforderung, daß parlamentarische Kontrolle effektiv ist. Hier gilt der Satz: „Das ,Ausgehen der Staatsgewalt‘ vom Volk muß für das Volk wie auch die Staatsorgane jeweils konkret erfahrbar und praktisch wirksam sein“498. Maßgeblich sind dafür die institutionellen und verfahrensmäßigen Kontrollmittel, die das Parlament in die Lage versetzen, seinen demokratischen Kontrollauftrag zu erfüllen499. Wie die bisherige Untersuchung erkennen läßt, werden sie teils in allgemeiner, teils in spezieller Form vom Grundgesetz selbst vorausgesetzt. Darüber hinaus hat es das Parlament als Gesetzgeber weithin in der Hand, die Voraussetzungen des Kontrollvorgangs selbst zu schaffen500. In welchem Maße sie erforderlich sind, läßt sich weder dem Demokratieprinzip noch dem Gedanken des parlamentarischen Regierungssystems unmittelbar entnehmen. Hierzu ist vielmehr auf den Gedanken der Legitimität zurückzukommen, also die Frage nach der Akzeptanz, die sich mit der demokratischen Legitimation der Staatsgewalt verbinden muß und in einem bestimmten Legitimationsniveau mündet501. Der Verfassungsgeber beantwortet sie mit den im Grundge496 Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, 592, zur formalen Natur der demokratischen Legitimation staatlicher Herrschaft. 497 Peters, in: Görres-Gesellschaft, Staatslexikon – „Demokratie“, Bd. 2, Sp. 561. 498 BVerfGE 107, 59, 91. 499 Zum Organisations- und Verfahrensrecht als Speicher praktischer Legitimationsleistungen Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 365. 500 Für den Bereich staatlicher Planung Achterberg, Parlamentsrecht, 425, Fn. 60. 501 Besser wäre es freilich, von Legitimitätsniveau zu sprechen. Zum Ursprung und zur Problematik dieses Begriffs eingehend im 3. Kap., V. 3. a).

VI. Der demokratische Gehalt der parlamentarischen Kontrolle

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setz statuierten Kontrollinstrumenten, mit denen Legitimitätsvorstellungen zum rechtsstaatlichen Inhalt des demokratischen Legitimationsprozesses werden. Im übrigen obliegt diese Aufgabe jedoch an erster Stelle dem parlamentarischen Gesetzgeber. Ihm sind die rechtspolitischen Wertungen über die erforderliche Legitimität staatlichen Handelns sowie die daraus zu ziehenden Konsequenzen für ihre institutionelle und verfahrensmäßige Absicherung zugewiesen. Daß es sich dabei nicht nur um eine Mehrheitsentscheidung handelt, sondern um das Ergebnis der Staatswillensbildung im weiteren Sinn, muß hier nicht eigens betont werden. Von Bedeutung ist jedoch, welche verfassungsrechtlichen Kriterien dafür zu berücksichtigen sind. Ausgangspunkt einer Beurteilung muß der Inhalt des Staatshandelns sein, der zugleich Gegenstand der parlamentarischen Kontrolle ist. Berührt er verfassungsrechtlich in besonderer Weise geschützte oder hervorgehobene Werte, wie es insbesondere mit den Grundrechten oder Staatszielbestimmungen der Fall ist, sind die Anforderungen an die Legitimität höher. Ebenso verhält es sich mit staatlichen Entscheidungen, die das Gemeinwesen besonders nachhaltig betreffen, sei es, daß sie besondere volkswirtschaftliche Anstrengungen erfordern, sei es, daß sie nur schwer oder gar nicht revidierbar sind. Unbeschadet des Gesetzesvorbehalts haben sie gemeinsam: Je intensiver das staatliche Handeln, desto höher muß seine Legitimität sein. Der Bedarf an besonderen Kontrollvorrichtungen richtet sich nach diesem Verhältnis. Die Möglichkeiten, Legitimität im Wege der parlamentarischen Kontrolle zu steigern, sind variabel. Auf der Ebene der Entscheidungszuständigkeit kann dies durch eine Verlagerung auf ein höheres Glied in der Verantwortlichkeitskette gewährleistet werden. Die Verkürzung der Verantwortlichkeitskette zwischen Parlament und Verantwortungsträger ist ein Weg, Einflußnahme zu intensivieren. Die Ministererlaubnis ist ein Beispiel dafür502. Weil parlamentarische Kontrolle lediglich als Möglichkeit erforderlich ist, liegt ein anderes Mittel der Legitimitätssteigerung darin, der Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrolle einen verpflichtenden Charakter zu geben. Modal sind dafür zum einen die Berichtspflichten zu nennen, die das Parlament zwingen, von bestimmten Verwaltungsvorgängen Kenntnis zu nehmen. Zum anderen gehört dazu auch die Einrichtung besonderer Kontrolleinrichtungen, deren vorrangige Aufgabe die Überwachung eines konkreten Sachzusammenhangs ist. Daß diese zugleich die parlamentarische Kontrollkompetenz durch Spezialisierung erhöhen, dient der Legitimität in weiterer Hinsicht. Schließlich sind noch die Mitwirkungsrechte zu nennen, die in Ausnahmefällen die Legitimität staatlichen Handelns durch parlamentarische Entscheidungsvorbehalte steigern. Systematisierend läßt sich danach sagen, daß diese Mittel zu einer Intensivierung der parlamentarischen Kontrolle hinsichtlich ihrer Wahrnehmung, ihrer Sachkompetenz und ihrer Ein-

502

Eingehend zur Ministererlaubnis gemäß § 42 Abs. 1 GWB im 3. Kap., III. 2. c).

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1. Kap.: Legitimationsfunktion durch parlamentarische Kontrolle

flußmöglichkeit führen. Welche von ihnen vorzuziehen sind, richtet sich wiederum nach dem jeweiligen Inhalt der Staatsgewalt. Eine Frage der Legitimität sind auch angebliche oder tatsächliche Kontrolloder Verantwortungsdefizite, weil mit ihnen ein qualitativer Mangel der demokratischen Legitimation beklagt wird. Soweit sie Folge veränderter staatlicher Aufgabenwahrnehmung sind, bedarf es ihrer Reflektion und verfassungspolitischer Verarbeitung. Das Ziel ist dabei die funktionssichernde Kompensation der eingetretenen oder zu erwartenden Kontrolldefizite durch eine Veränderung der Kontrollstruktur. Ob dies die oben genannten Kontrollmittel sein können oder andere Formen der Kontrolle nötig macht, richtet sich auch hier nach dem jeweiligen und insoweit abzuwägenden Einzelfall. Davon zu unterscheiden ist indessen die Frage, ob diese Kontrollmittel auch über die nötige bzw. unterstellte Wirksamkeit verfügen. Sie kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden, sondern bedarf rechtstatsächlicher Untersuchungen, auf deren Ergebnisse in der rechtspolitischen Diskussion zurückzugreifen ist. Aber selbst mit der Kategorie der Legitimität läßt sich die demokratische Dimension der parlamentarischen Kontrolle noch nicht abschließend erfassen. Aus dem Spannungsverhältnis zwischen den Anforderungen demokratischer Legitimation und der Gewaltenteilung erwächst ihr eine Rezeptionsfähigkeit gegenüber gesellschaftlicher Pluralität, die über alle anderen Legitimationsmechanismen hinausgeht. Der Verzicht auf ausdrückliche Mehrheitsentscheidungen korrespondiert hier mit der Vermehrung der Chance für alle Beteiligten, ihre Meinung in den Prozeß der Staatswillensbildung wirksam einzubringen. Dieses auf Richtigkeit zielende Verfahren begründet einen originären demokratischen Wert der parlamentarischen Kontrolle, zu dessen Bedingungen gehört, sich rechtsstaatlichen Kriterien in besonderem Maße zu entziehen.

2. Kapitel

Staatsgewalt als Gegenstand und Rahmen der parlamentarischen Kontrolle Anhand des Verantwortungsprinzips wurden Grundlage und Funktionsweise der demokratischen Legitimation im allgemeinen und der parlamentarischen Kontrolle im besonderen entwickelt. Dabei wurden als Bezugspunkt zunächst nur die Entscheidungen der Verantwortungsträger genannt. Verfassungsrechtlich gewendet entspricht diesen Entscheidungen die Staatsgewalt, die vor dem Volke zu verantworten ist. Die erkennbar gewordenen Schwierigkeiten, den demokratischen Prozeß zu beschreiben und zu gliedern, darf aber nicht vergessen lassen, daß es sich gerade bei der Staatsgewalt um dessen Anlaß und eigentlichen Mittelpunkt handelt. Das Grundgesetz selbst kommt dem nach, indem es an zentraler Stelle – in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG – bestimmt, daß alle Staatsgewalt vom Volk auszugehen hat. Mit dem Begriff der Staatsgewalt liegt damit ein unmittelbarer verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt vor, um die demokratische Funktion der parlamentarischen Kontrolle im Anschluß an die bisherigen Ausführungen näher zu bestimmen. Nunmehr geht es nicht um die Frage, wie der Ableitungszusammenhang hergestellt wird, sondern wofür eine Ableitung zum Volk erforderlich ist. Dies ist in zweifacher Hinsicht von Bedeutung: Zunächst kann Staatsgewalt in Gegenüberstellung zur Gesellschaft in einem organisatorischen Sinne gesehen werden. Hier beschreibt Staatsgewalt den gesonderten Anwendungsbereich des Demokratieprinzips. Unbeschadet der Frage nach der Geltung des Demokratieprinzip auch im gesellschaftlichen Bereich, bedarf es jenseits dieser Staatsgewalt jedenfalls keiner demokratischen Legitimation im Sinne von Art. 20 Abs. 2 GG1. Soweit parlamentarische Kontrolle darüber hinaus stattfindet, entbehrt sie ihrer demokratischen Legitimationsfunktion. Staatsgewalt ist in diesem Sinne 1 Gusy, ZRP 1998, 265. Im folgenden wird hier stets von Staatsgewalt gemäß Art. 20 Abs. 2 GG die Rede sein. Damit ist ebensowenig eine Beschränkung auf die bundesstaatliche Ebene intendiert wie eine Festlegung darauf, daß Art. 20 Abs. 2 GG eine Durchgriffsnorm für staatliche Gewalt in Bund und Ländern ist. Wegen Art. 28 Abs. 1 GG besteht dafür auch keine Notwendigkeit. Insoweit gelten die folgenden Ausführungen für Bund und Länder gleichermaßen. Zur Geltung von Art. 20 Abs. 2 GG in Bund und Ländern H. Dreier, in: ders., GG-Kommentar II, Art. 28, Rn. 49; Meyer, in: ders./Stolleis, Hessisches Staats- und Verwaltungsrecht, 142; Schmidt-Aßmann, in: Selmer/v. Münch, Gedächtnisschrift Martens, 249, 259 f.

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

eine kategoriale Grenze, die nicht rechtfertigungsbedürftig ist. Hieraus kann im Umkehrschluß aber nicht gefolgert werden, daß alles innerhalb dieses Bereichs der Staatsgewalt legitimationsbedürftig ist. Hier kommt vielmehr die Staatsgewalt in ihrer zweiten Bedeutung ins Spiel, wo sie als nähere Bestimmung dessen zu verstehen ist, worauf sich der demokratische Legitimationsprozeß im einzelnen beziehen muß. Dabei ist insbesondere auf das bereits genannte Entscheidungselement zurückzukommen. Für sie („Alle“) ordnet Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG eine umfassende Geltung demokratischer Legitimation an, so daß Ausnahmen davon, also Fälle, in denen trotz Staatsgewalt keine demokratische Legitimation stattfindet, rechtfertigungsbedürftig sind. Die Bedeutung des Begriffs der Staatsgewalt für die Funktion der parlamentarischen Kontrolle liegt damit auf der Hand. Um ihr gerecht zu werden, bedarf es jedoch einer genaueren Eingrenzung dessen, was Staatsgewalt im jeweiligen Sinn zum Inhalt hat. Weil sich das Grundgesetz auch hier einer positiven Bestimmung enthält2, muß es im folgenden darum gehen, Kriterien einer Konkretisierung zu entwickeln. Daß dieser Frage im Rahmen der vorliegenden Untersuchung Raum für eine ausführliche Erörterung eingeräumt wird, trägt nicht nur der hervorgehobenen verfassungsrechtlichen Stellung der Staatsgewalt Rechnung, sondern kann auch als Zeichen gegen ihre Vernachlässigung in der verfassungsrechtlichen Diskussion verstanden werden.

I. Vorbemerkung Die Konturierung des gegenständlichen Bereichs der Staatsgewalt erfolgt im Hinblick auf die Gesellschaft als ihr verfassungsmäßiges Gegenüber. Diese Dichotomie wird vom Grundgesetz vorgegeben. Ihr entsprechen die Gegensätze von Legitimationssubjekt und -objekt, von Grundrechtsverpflichtung und -berechtigung, von Citoyen und Bourgeois3. In ihnen schwingen aber zugleich Vorstellungen von einer bestimmten staatstheoretischen Auffassung, die den Gang der weiteren Untersuchungen – auch aus dem Blick des Lesers – beeinflussen können. Daher erscheint eine Vorbemerkung von dieser Seite ratsam. Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft leidet bis heute unter dem Richtungsstreit zwischen anstaltlicher und körperschaftlicher Staatsauffassung4. Die erste, die Theorie von der vorausgesetzten Einheit des Staates, geht von einem Dualismus zwischen monolithischem Staat einerseits und Gesellschaft andererseits aus. Ihre Wurzeln liegen in der liberalen Staatsrechtslehre des 19. Jahrhunderts5. Sie setzt der Vielheit der Gesellschaft die Einheit des Staates 2

Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR II, § 15, Rn. 24. Rupp, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 31, Rn. 18. 4 Zu den verschiedenen Theorien Kahl, Jura 2002, 721 f. Grundlegend K. Hesse, DÖV 1975, 437 ff. 3

I. Vorbemerkung

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entgegen. Obwohl sie mit dem Ende der konstitutionellen Monarchie um die Mechanismen einer demokratischen Verfassung ergänzt wurde, hielten ihre Vertreter an der überlegenen Stellung des Staates fest. Sie nehmen für sich in Anspruch, daß dieses Verhältnis auch heute noch in der Verfassung zum Ausdruck komme und durch sie gefestigt werde. Gegen dieses Verständnis richtet sich die zweite, die Theorie von der aufgegebenen Einheit des Staates6. Sie überführt beide Teile in ein übergeordnetes politisches Gemeinwesen, in dem dem Staatsapparat die Aufgabe der Meinungs- und Willensbildung, der Führung, Koordinierung und Lenkung im Interesse der Einheit des Ganzen zukommt7. Dies führt zu einer Relativierung der staatstheoretischen Unterscheidung von Staat und Gesellschaft sowie zu deren Reduzierung auf den Rang einer Binnenunterscheidung. Dementsprechend können die Normen der Verfassung nicht nur auf das staatliche Subsystem bezogen, sondern auch als Leitprinzipien zur gesamtstaatlichen Integration verstanden werden8. Wie weit dieser Auflösungsprozeß geht, ist umstritten9, in letzter Konsequenz kann er jedoch zu einer völligen Verflüchtigung des Staatsbegriffs führen10. Für das hier besonders interessierende Demokratieprinzip würde das einen Auftrag zur Demokratisierung der Gesellschaft bedeuten. Es nimmt daher nicht wunder, daß jeder Versuch einer Unterscheidung von Staat und Gesellschaft unter einen gewissen Rechtfertigungsdruck gerät11. Abseits der staatstheoretischen Überlegungen kann hier jedoch nur das Verfassungsrecht von Bedeutung sein, das an die Vorgaben des Grundgesetzes gebunden ist12. Tatsächlich ist eine strikte Trennung eines in sich geschlossenen Staates von der Gesellschaft nicht feststellbar, ein Festhalten daran erscheint anachronistisch13. Statt dessen ist ein vielfältiges, wechselseitiges Ineinandergreifen zu beobachten, das teilweise schon im Grundgesetz angelegt ist, zum guten Teil aber auch Ergebnis neuerer Rechtsentwicklungen ist14. Eine Einheit der Staatsorganisation kann im Hinblick darauf nur noch normativ angenommen werden15. Umgekehrt ist eine völlige Aufhebung der Unterscheidung von Staat 5

Eingehend Möllers, Staat als Argument, 232 f. Möllers, Staat als Argument, 238. 7 K. Hesse, Grundzüge, Rn. 11; ders., DÖV 1975, 437 f. 8 K. Hesse, Grundzüge, Rn. 17. 9 Einschränkend K. Hesse, Grundzüge, Rn. 24 ff. Vgl. W. Schmidt, AöR 101, 24, 27, 42 f. 10 Möllers, Staat als Argument, 238. 11 Vgl. etwa die dauernde Selbstabgrenzung Emdes zum Verdacht, etatistische Auffassungen zu vertreten, Demokratische Legitimation, 244 f., 247, 253. 12 Möllers, Staat als Argument, 245; Kahl, Jura 2002, 721, 723. 13 Finckh, Regulierte Selbstregulierung, 100. 14 Mehde, Verw.Archiv 91, 540 ff. Gegen diese Entwicklung argumentierend: Di Fabio, VVDStRL 56, 235, 264, 274, Fn. 152; D. Ehlers, in: Erichsen/ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1, Rn. 51. 6

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

und Gesellschaft nur um den Preis der freiheitssichernden Garantien möglich, die in dieser Unterscheidung verankert sind16. Mit der hier angestrebten Unterscheidung von Staat und Gesellschaft ist keine Stellungnahme zu staatstheoretischen Konzepten beabsichtigt. Sie folgt der vom Grundgesetz dogmatisch vorgegebenen Struktur, in der das Volk Ausgangspunkt und die Staatsgewalt Adressat und Gegenstand der demokratischen Legitimation ist17.

II. Die Stellung der Staatsgewalt im Grundgesetz Im Grundgesetz erscheint der Begriff der Staatsgewalt in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG an hervorgehobener Stelle18. Dort heißt es ebenso eindeutig wie umfassend: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Damit wird klargestellt, daß alles, was Staatsgewalt ist, dem demokratischen Prinzip unterfällt19. Die Staatsgewalt wird vom Grundgesetz zwar nicht näher bestimmt, immerhin kann aber gesagt werden, daß Staatsgewalt nicht im Sinne einer ursprünglichen Volkssouveränität besteht. Erst durch die Verfassung wird Staatsgewalt begründet, verteilt und inhaltlich gebunden. Sie ist insoweit durch die Rechtsordnung konstituierte und limitierte Zuständigkeit. Maßgeblich sind einerseits die institutionellen Regelungen der Staatsorganisation, andererseits die Gewährleistungen zur Befolgung deren Entscheidungen, die im Gewaltmonopol Ausdruck finden20. Schon Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG enthält einen Teil dieser Konkretisierung, nämlich die Verteilung der Staatsgewalt auf die drei Gewalten Legislative, Exekutive und Judikative21. Diese nehmen nicht nur funktional, sondern auch organisatorisch an der Staatsgewalt teil. So fundamental diese Entscheidung des Verfassungsgebers ist, so enthält sie doch kein genaues Bild über die Gestalt der Staatsgewalt und ihre Träger22. Wenn ihre Ausübung unter anderem der vollziehenden Gewalt zuge15 Möllers, Staat als Argument, 245 ff.; Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 86, Rn. 38 f., spricht von „notwendiger Fiktion“. Allgemein zur Einheit der Verwaltung, Sachs, NJW 1987, 2338 ff. 16 Stern, Staatsrecht I, 616, 633; K. Hesse, DÖV 1975, 437, 439; W. Schmidt, AöR 101, 24, 44; Di Fabio, VVDStRL 56, 235, 274-277; Henke, VVDStRL 28, 149, 166; Bethge, Reorganisation, 24; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, 37 ff. Kritisch zu dieser Ableitung Fisahn, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, 71, 78. 17 Stern, Staatsrecht I, 627 ff. Zu den wachsenden Zweifeln daran: Möllers, Verw.Archiv 90, 187, 197 f. 18 Auch in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG ist von „staatlicher Gewalt“ die Rede. Weil hier aber der demokratische Zusammenhang beleuchtet werden soll, ist Art. 20 Abs. 2 GG die sachnähere Norm. 19 Das Grundgesetz macht insoweit keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Formen der Staatsgewalt. Sichtbar wird dies erst wieder in der institutionell-funktionellen, der personellen und der sachlichen Legitimation. 20 Stein/Frank, Staatsrecht, § 25 II. 21 Schnapp, JuS 1989, 1.

II. Die Stellung der Staatsgewalt im Grundgesetz

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wiesen wird, kann beides nicht im Wege eines Umkehrschlusses miteinander gleichgesetzt werden23. Ergänzend könnte daher an die vom Grundgesetz in Art. 1 Abs. 1 S. 2 und Art. 19 Abs. 4 S.1 bzw. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a eingeführten Begriffe der staatlichen Gewalt bzw. der öffentlichen Gewalt gedacht werden. Ebenso wie in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG ist in ihnen die Polarität zwischen Freiheit und Beherrschung enthalten24. Ob diese Begriffe identisch sind, so daß Erkenntnisse, insbesondere zur Grundrechtsbindung nach Art. 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 GG, auf Art. 20 Abs. 2 GG übertragbar sind, ist umstritten25. Festzuhalten ist zunächst, daß auch Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 19 Abs. 4 S. 1 bzw. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG keine genauere Bestimmung als Art. 20 Abs. 2 GG enthalten. Der Wortlaut des Grundgesetzes selbst trägt auch hier nicht dazu bei, den Schleier um die Staatsgewalt etwas zu lüften. Wenn es also der Auslegung überlassen bleibt, mag vor allem die systematische Stellung von Art. 1 Abs. 1 S. 2 und Art. 19 Abs. 4 S. 1 bzw. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG zu weiteren Erkenntnissen verhelfen. Die unterschiedliche Funktion ist aber zugleich das Argument dagegen, diese unbesehen für Art. 20 Abs. 2 GG zu übernehmen26. So ist selbst bei Annahme eines Entsprechungszusammenhangs zwischen Grundrechtsbindung und Legitimationserfordernis fraglich, ob mit Blick auf die Staatsgewalt bzw. staatliche Gewalt von deren vollständiger Identität ausgegangen werden kann27. 22

Oebbecke, Verw.Archiv 81, 349, 355. Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 338. 24 Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR II, § 15, Rn. 148. 25 Dagegen: Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR II, § 15, Rn. 148. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 78; ders., Verw.Archiv 81, 349, 355; Tettinger/ Mann, in: dieselben/Salzwedel, Wasserverbände, 1, 9; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, 54 ff. Bei Emde, Demokratische Legitimation, 213, 227 f., findet sich auch die Deutung, daß die Entstehungsgeschichte von Art. 30 GG zwar ein extensives Verständnis im Sinne von Staatsgewalt nahelegt, gleichzeitig eine Übertragung auf Art. 20 Abs. 2 GG nicht möglich sei. Dafür hingegen Jestaedt, Kondominialverwaltung, 234 ff., der von einem Entsprechungszusammenhang bzw. einer Korrespondenzfunktion zwischen Staatsgewalt in Art. 20 Abs. 2 GG, staatlicher Gewalt in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG und öffentlicher Gewalt in Art. 19 Abs. 4 S. 1, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG ausgeht. Während C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ders., Bonner Grundgesetz 1 (3. Aufl.), Art. 1 Abs. 3, Rn. 138, noch von einem grundlegenden Unterschied ausging, weil er Staatsgewalt im Sinne von Art. 20 Abs. 2 GG auf die unmittelbare Staatsverwaltung beschränkt sehen wollte, ist er in der 4. Auflage zu Art. 1 Abs. 3, Rn. 189 (5. Aufl.: Rn. 221), davon abgerückt und scheint der Auffassung Jestaedts zuzuneigen. 26 Ebenso Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 338; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 78; Möllers, Staat als Argument, 298, vermutet, daß der Staatsbegriff relativ ist und sich deshalb je nach Problemzusammenhang unterscheidet. 27 Anders Jestaedt, Kondominialverwaltung, 237. Gleichwohl muß auch er Unterschiede einräumen, 237, Fn. 157, 262 f. Ein Beispiel dafür auch bei Emde, Demokratische Legitimation, 213. Der Ansatz Jestaedts, auf die breite Diskussion zu Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG zurückzugreifen, wird aus diesem Grund hier nicht verfolgt. Ungeeignet erscheint der bei Hebeler, DÖV 2002, 936, 938, erkennbare Gedanke, von einer 23

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

Solange der Nachweis dafür noch nicht zweifelsfrei geführt ist, sollte der Rückgriff auf Art. 1 Abs. 1 S. 2, Art. 19 Abs. 4 S. 1 und Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben.

III. Staatsgewalt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Nach einer allgemeinen und stets zitierten Formel des Bundesverfassungsgerichts gehört zur Staatsgewalt jedenfalls das gesamte amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter28. Sie umfasse alle rechtsverbindlichen Entscheidungen der öffentlichen Gewalt mit und ohne Außenwirkung einschließlich der Wahrnehmung von Mitentscheidungsbefugnissen. Das Bundesverfassungsgericht ordnet die Staatsgewalt damit primär dem Teil ihrer Bewirkung zu. Hier erscheint die organisierte Staatlichkeit also nicht als Staatsgewalt, sondern nur als das zu ihrer Ausübung zuständige Organ. Zugleich spricht die an Beliebigkeit grenzende Weite der Formel aber auch für ein extensives Verständnis von Staatsgewalt29. Tatsächlich ist in der Entwicklung der Rechtsprechung eine ständige Ausdehnung zu verzeichnen. Hierbei darf nicht verkannt werden, daß der Mangel an inhaltlicher Bestimmtheit auch eine restriktive, rechtsfolgenorientierte Anwendung im Einzelfall erlaubt. Dessen ungeachtet sollte die Formel des Bundesverfassungsgerichts als teleologisch gewonnene Interpretation verstanden werden, die auf dem Gedanken der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns beruht30. Dies schließt eine wörtliche Auslegung, wonach Gewalt auf Zwang (vis) und Staat auf öffentlichrechtlich reduziert wird, aus31. Staatsgewalt kann daher nicht mehr, wie noch von der Staatslehre des 19. Jahrhunderts vertreten, auf das Monopol an physiGrundrechtsrelevanz auf das Legitimationserfordernis zu schließen. Mehde, Verw. Archiv 91, 540, 545 f. und Fn. 32, vermutet zumindest einen Zusammenhang. Die neueren Erkenntnisse zu den kooperativen Verwaltungsmodellen legen eher das Gegenteil nahe. Jedenfalls erscheint die häufig anzutreffende Gegenüberstellung der „Sphären grundrechtsgeschützter gesellschaftlicher Freiheit und demokratisch legitimierter hoheitlicher Staatlichkeit“ etwas voreilig und undifferenziert. 28 BVerfGE 47, 253, 273; 83, 60, 73; 93, 37, 68, 107, 59, 87; im Anschluß daran BVerwGE 106, 64, 75 f.; BremStGH DÖV 1992, 164 ff. 29 Kritisch anzumerken ist, daß das Bundesverfassungsgericht die Bestimmung der Staatsgewalt zunächst auf den nicht weniger konkreten Begriff des amtlichen Handelns verlagert. Vgl. Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 548, 556. 30 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 79; Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 12. Hier wird die schon erwähnte Wechselbeziehung zwischen Staatsgewalt und Demokratieprinzip erkennbar, in der das Demokratieprinzip nicht nur auf die Staatsgewalt bezogen ist, sondern auch auf deren Umfang Einfluß nimmt. 31 Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz 2, Art. 20, Rn. 139; Jestaedt, Kondominialverwaltung, 234.

III. Staatsgewalt in der Rechtsprechung des BVerfG

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scher Gewalt beschränkt werden32, sondern umfaßt zumindest auch die Verwaltung öffentlicher Mittel, also die Leistungsverwaltung, sowie die staatliche Planung33. Tatsächlich geht es Art. 20 Abs. 2 GG nicht darum, allein Eingriffe in die Freiheit der Bürger deren Steuerung zu unterwerfen, sondern um „die Innehabung und maßgebliche Steuerung“ der Staatsgewalt als Gestaltung von Lebensbedingungen durch das Volk selbst34. In der Bestimmung der Staatsgewalt verwirklicht sich also die Auffassung, daß im demokratischen System der Bereich der staatlichen Herrschaft der Gesellschaft unterstellt ist35. Daran – wie überhaupt an der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft – wird deutlich, daß die Begriffe Staatsgewalt und Staat in gewisser Hinsicht gleichzusetzen sind. Gemeint ist damit weder der Staat als Gemeinwesen noch der Staat als Körperschaft, sondern die durch das Grundgesetz konstituierte Organisation eines Staatsapparates, in dem verschiedene staatliche Ebenen und Gliederungen zusammengefaßt sind36. Das schließt umgekehrt nicht aus, daß zwischen formaler Staatsorganisation als Funktionsträger und materiellem Staatshandeln als jeweiliger Funktion differenziert werden kann und muß37. Beide gehören zum Begriff der Staatsgewalt. Das ist insofern wichtig, als die parlamentarische Kontrolle, die im Mittelpunkt dieser Untersuchung steht, zwar nur auf die demokratische Legitimation eines Ausschnitts des staatlichen Handelns gerichtet ist, dieses Bezugsobjekt aber nicht isoliert bestimmt werden kann. Weil sich staatliches Handeln nicht auf besondere Formen hoheitlichen Handelns reduziert, muß es primär im Zusammenhang mit den handelnden Organen der Staatsgewalt zugeordnet werden. Daraus folgt, daß eine Bestimmung der Staatsgewalt bei den Funktionsträgern ansetzen muß, um anschließend zur wahrgenommenen Funktion kommen zu können38. Dahinter steht auch die Überlegung, daß die Ausübung von Staatsgewalt zwar nicht dem Staat vorbehalten ist, umgekehrt staatliche Stellen nur in Form der Staatsgewalt handeln können39. Diese einerseits formalen, andererseits materiellen Ausprägungen der 32

G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 429 f. H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 177. 34 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 12; Jestaedt, Kondominialverwaltung, 246 f., 256. 35 Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 243 f. 36 Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR II, § 15, Rn. 145. 37 Dürig, in: Maunz/ders., Grundgesetz, Art. 1, Abs. 3, Rn. 100 f.; Schnapp, JuS 1989, 1 f.; Stern, Staatsrecht III/1, 1204. 38 Bei Jestaedt, Der Staat 32, 29, 31, handelt es sich lediglich um eine Vorfrage für die Anwendbarkeit des Demokratieprinzips, die die Beschäftigung mit der Staatsgewalt erst erlaubt. Ohne den Gedanken hier vertiefen zu können, ist zu vermuten, daß an dieser Stelle die zuvor skizzierten unterschiedlichen staatstheoretischen Auffassungen zu Staat und Gesellschaft in den Vordergrund treten. 39 Schnapp, JuS 1989, 1, 6. Selbstredend kann nicht jedes staatliche Handeln die Qualität von Staatsgewalt erreichen, gemeint ist hier, daß ein nichtstaatliches, deutlicher: ein gesellschaftliches Handeln ausgeschlossen ist. 33

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

Staatsgewalt wiederholen sich in den zuvor unterschiedenen Formen der institutionellen, der personellen und der sachlichen Legitimation40. Sie sind im folgenden in organisatorischer und in qualitativer Hinsicht näher zu bestimmen.

IV. Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht Für eine erste Bestimmung könnte man sagen, daß zur Staatsgewalt im organisatorischen Sinne zumindest die Träger hoheitlicher Gewalt und ihre Organe zu zählen sind41. Der Bezug auf die Rechtsträgerschaft legt sodann nahe, die Bestimmung der Staatsgewalt aus den Kategorien der unmittelbaren und mittelbaren Staatsverwaltung abzuleiten. Dagegen spricht jedoch, daß diese Begriffe verwaltungsrechtliche Funktionszusammenhänge beschreiben42, während es hier um den staatsrechtlichen Begriff der Staatsgewalt geht. Möglich ist es aber, sich zur Bestimmung der Staatsgewalt an den vorhandenen Organisationsstrukturen der unmittelbaren und mittelbaren Staatsverwaltung zu orientieren. Der gesamte Bereich der in sich hierarchisch strukturierten unmittelbaren Staatsverwaltung ist unproblematisch der Staatsgewalt zuzuordnen. Dazu gehören auch die als ministerialfreie Räume bekannten Behörden, die über eigenverantwortliche Entscheidungsspielräume verfügen. Ebenso verhält es sich mit den aus dem Staat ausgegliederten Verwaltungsträgern, die zwar eine eigene Rechtspersönlichkeit haben, zugleich aber einer umfassenden staatlichen Rechts- und Fachaufsicht unterliegen. Für das begriffliche Verständnis ist das insoweit von Bedeutung, als die Staatsgewalt nicht auf einen Rechtsträger beschränkt ist. Schwierigkeiten ergeben sich allerdings für die dem Staat vor- und ausgelagerten Organisationen, in denen die schon erwähnte Verflechtung mit der Gesellschaft Realität wird. Diese pauschal als mittelbare Staatsverwaltung zu bezeichnen, ist nur eingeschränkt möglich43. In ihrer Vielfalt ist an eine systematische Erschließung an dieser Stelle nicht zu denken44. Unter ihnen sollen hier jedoch die Einrichtungen der Selbstverwaltung herausgegriffen werden, weil sie auf einem einheitlichen Regelungsprinzip beruhen und zudem über eine gewisse verfassungsmäßige Festigung verfügen45. Im Rahmen dieser Untersuchung sind sie auch deshalb von Bedeutung, weil sie – wie 40 Insofern besteht ein Unterschied zu Art. 1 Abs. 3 GG. Diesem ist ein nur organisatorisches, also formales Verständnis zugrunde zu legen, weil eine Funktion (Handlung) nicht Adressat subjektiver Rechte sein kann. Vgl. Schnapp, JuS 1989, 1 f. 41 H. Dreier, in: ders., GG-Kommentar II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 79; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz 2, Art. 20, Rn. 140; SchmidtAßmann, AöR 116, 329, 343; D. Ehlers, Jura 1997, 180, 183. 42 Emde, Demokratische Legitimation, 244, 246. Als Beispiel für fehlende Kongruenz nennt er die Begriffsbildung bei Wolff/Bachof. 43 Eingehend zur Problematik des Begriffs auch 3. Kap., II 2. b). 44 Eine Typologie hält Di Fabio, VVDStRL 56, 235, 269, Fn. 137, angesichts zunehmender Diversifizierung für immer schwieriger.

IV. Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht

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zu zeigen sein wird – der parlamentarischen Kontrolle nur eingeschränkt offenstehen. Nicht minder wichtig sind zudem die Erscheinungsformen der Privatisierung. Sie sollen aber im Hinblick auf ihre Zuordnung zum Staat und ihre Auswirkungen auf die parlamentarische Kontrolle gesondert behandelt werden46. 1. Der Begriff der Selbstverwaltung Zur Selbstverwaltung gehören eine Vielzahl von Einrichtungen, die in der Regel als Körperschaften des öffentlichen Rechts, gelegentlich aber auch als Anstalten organisiert sind47. Zu unterscheiden sind zum einen Kreise und Gemeinden als Gebietskörperschaften, zum anderen die vorwiegend mitgliedschaftlich strukturierte funktionale Selbstverwaltung. Der Begriff der Selbstverwaltung ist weit und war in seiner Entwicklungsgeschichte zahlreichen Änderungen ausgesetzt, die bis in die heutige Zeit wirken48. Dazu gehört auch die (staats-)bürgerschaftliche Selbstverwaltung, also die ehrenamtliche Mitwirkung der Bürger an öffentlichen Belangen49. Sie ist Selbstverwaltung im politischen Sinn. Nachfolgend soll es jedoch nur um die körperschaftliche bzw. anstaltliche Selbstverwaltung gehen, die auf der eigenverantwortlichen Erfüllung von öffentlichen Aufgaben durch besondere rechtsfähige Organe beruht. Sie ist Selbstverwaltung im Rechtssinne50. 2. Selbstverwaltung und Staatsgewalt Einrichtungen der Selbstverwaltung werden nach heute verbreitetem Verständnis51 als Relativierung der Staatlichkeit, als staatsdistanziert, entstaatlicht,

45 Schmidt-Aßmann, in: Selmer/v. Münch, Gedächtnisschrift Martens, 249, 254, spricht von einem staatsorganisatorischen Prinzip, Isensee, Subsidiaritätsprinzip, 103, von einem technischen Organisationsschema. 46 Siehe dazu das 4. Kapitel dieser Untersuchung. 47 Hendler, Selbstverwaltung, 191 ff., 208 f.; Frotscher, in: v. Mutius, Festgabe v. Unruh, 127, 143; Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 65. 48 Zur Geschichte der Selbstverwaltung Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, § 25 I. Für den Untersuchungsgegenstand ist die durch das Grundgesetz vorgesehene Staatsordnung maßgeblich. Die Entwicklungsgeschichte der Selbstverwaltung kann insoweit nur Anhaltspunkte geben. Daher soll sie auch nur bedarfsweise, nicht aber gesondert herangezogen werden. 49 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 2 (5. Aufl.), § 84, Rn. 33; Schuppert, AöR 114, 127, 131 f. 50 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 2 (5. Aufl.), § 84, Rn. 34; Schmidt-Aßmann, in: Selmer/v. Münch, Gedächtnisschrift Martens, 249 f.; kritisch zur Formalisierung des Selbstverwaltungsbegriffs Hendler, Selbstverwaltung, 272 ff., zur Begriffsgeschichte, 163 f.

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

nichtstaatlich, staatsfremd, wenn nicht als gesellschaftsbezogen beschrieben52. Im Verhältnis zum Staat sind sie eigenverantwortlich handelnd nur den Gesetzen unterworfen. Insoweit unterscheiden sie sich von anderen rechtsfähigen Trägern der mittelbaren Staatsverwaltung, die einer umfassenden staatlichen Steuerung unterliegen, also gerade nicht eigenverantwortlich handeln, und lediglich eine organisatorische Ausgliederung aus der staatlichen Verwaltung darstellen. Deutet man „Staatlichkeit“ somit im Sinne eines in sich geschlossenen Verantwortungszusammenhangs einer Organisationseinheit53, so erfüllen die Selbstverwaltungsträger keine staatlichen Aufgaben, sondern Angelegenheiten, die aus dem Aufgabenbereich des Staates ausgegliedert sind54. Eine unbefangene semantische Betrachtung dieser „nichtstaatlichen Selbstverwaltung“ weckt daher Zweifel: Wie, so ist zu fragen, kann etwas nichtstaatlich und zugleich Staatsgewalt sein? Die Betonung der Staatsunabhängigkeit scheint nicht nur eine Zuordnung zur mittelbaren Staatsverwaltung unmöglich zu machen, sondern auch die Antwort auf die Frage nach der Staatsgewalt zu implizieren55. Systematisch lassen sich diese Zweifel den beiden wesentlichen Merkmalen der Selbstverwaltung zuordnen, der Betroffenenbeteiligung und der Unabhängigkeit: (1) Die Betroffenenbeteiligung deutet auf eine legitimationsartige Struktur hin, die von Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG nicht vorgesehen zu sein scheint, und wenn doch zumindest eine Verletzung demokratischer Gleichheit vermuten läßt56. Läßt man die Frage demokratischer Teilvölker und die Interpretation von Art. 28 Abs. 1, 86, 87 GG als konkretisierender Ergänzung zu Art. 20 Abs. 2 GG beiseite57, liegt der Schluß nahe, hier handle es sich um eine Betätigung im status negativus. Dann aber kann es keine demokratische Legitimation, sondern nur gesellschaftliche Partizipation sein58. (2) Mit der Eigenverantwortlichkeit der Selbstverwaltungsträger, die mit der Betroffenenbeteiligung im Zusammenhang steht, verbindet sich hier eine zumindest partielle Unabhängigkeit vom Ministerialsystem und seiner Ver-

51 Kritisch insbesondere Burmeister, Neukonzeption, 5, mit seinem Vorwurf, daß die (überwundene) liberalistische Gegenüberstellung von Staat und kommunaler Selbstverwaltung in der Interpretation der herrschenden Meinung bis heute lebendig sei. 52 Salzwedel, VVDStRL 22, 206, passim; Hendler, in: Isensee/Kirchhof, HBStR IV, § 106, Rn. 36; Köttgen, JöR 3, 67, 106; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 121; Dittmann, Die Bundesverwaltung, 91. 53 Vgl. zu den Begriffen staatlicher Einheit Möllers, Staat als Argument, 228. 54 Salzwedel, VVDStRL 22, 206, 234. 55 Vgl. nur die Forderung Knemeyers, DVBl. 1985, 808 f., den Begriff der mittelbaren Staatsverwaltung ganz aufzugeben. 56 Siehe dazu 3. Kap., V. 3. d). 57 Dazu im einzelnen 3. Kap., V. 3. c), VI. 2. c). 58 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 344 f., 380.

IV. Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht

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antwortungsstruktur59. Sie führt zu einer Durchbrechung der Einheit des Staates. Der Annahme eines status in statu scheint man nur durch eine gesellschaftliche Ausdeutung entraten zu können. Demgegenüber kommt man nicht umhin festzustellen, daß die Selbstverwaltung – trotz der „gesellschaftlichen“ Verortung – Zweckschöpfung des Staates ist. Ihre öffentlich-rechtliche Organisationsform ist dabei ein erstes Indiz für die Zugehörigkeit zur öffentlichen Verwaltung60. Insoweit könnte sie sich als staatlich zu qualifizierendes Regelungsinstrument erweisen, womit der Blick auf die Frage ihrer demokratischen Legitimation gelenkt wird. Und tatsächlich existiert darüber eine langanhaltende Diskussion, die ohne die Grundlage der Staatsgewalt nicht nachvollziehbar wäre61. Festzuhalten ist insbesondere, daß es darin nicht um das Erfordernis demokratischer Legitimation geht, sondern ausschließlich um das Problem ihrer Begründung. Symptomatisch für diese „weitgehend offene Frage der Staatstheorie und Verfassungsrechtslehre, wie die sachlichen Beziehungsstrukturen von Demokratie und Selbstverwaltung im näheren zu bestimmen sind“62, ist, daß diese Diskussion den Begriff der Staatsgewalt im wesentlichen ausklammert. Unumstritten ist, daß Selbstverwaltung eine Reihe demokratieförderlicher Merkmale enthält63. Wenn Selbstverwaltung aber ein „entscheidender Baustein des modernen demokratischen Staates“ sein soll64, ja in ihr ein Ausdruck der gegliederten Demokratie gesehen werden soll, stellt sich unmittelbar das Problem nach ihrer positiven Zuordnung. Es kann also nicht nur darum gehen, daß Selbstverwaltung irgendeine demokratische Bedeutung hat, sondern darum, ob es sich bei Selbstverwaltung und demokratischer Staatlichkeit um zwei Parallelordnungen handelt oder ob das eine Teil des anderen ist. Der vom Grundgesetz hierfür vorgegebene Ansatzpunkt ist die Staatsgewalt65. Die Frage „der konkreten und differenzierten Zuordnung von Staat und Gesellschaft“66, die in der 59 Vgl. erneut zur Problematik des Begriffs der Eigenverantwortlichkeit 1. Kap., III. 2. a) dd) (4). 60 Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 73. 61 Es handelt sich dabei im wesentlichen um solche Beiträge, die allein auf die Rechtfertigung vor Art. 20 Abs. 2 GG abstellen, also die Staatsgewalt voraussetzen. Wie schon bei Jestaedt, Der Staat 32, 29, 51, festgestellt, bleibt für Ausführungen zum „Wie“ jedoch kein Raum, wenn das logisch vorrangige „Ob“ demokratischer Legitimation verneint wird. 62 Hendler, Selbstverwaltung, 304. 63 Frotscher, in: v. Mutius, Festgabe v. Unruh, 127, 131–133. 64 F. Mayer, in: Demokratie und Verwaltung, 327. 65 Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 542 f. und Fn. 56. Anders ist dies, wenn man in Art. 20 Abs. 2 GG nicht den alleinigen verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt für das Demokratieprinzip sieht, vergleiche Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 257. 66 K. Hesse, DÖV 1975, 437, 440, 442.

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

Selbstverwaltung zu Tage tritt, ist an ihr zu messen. Die Antwort ist keineswegs eindeutig und wird durch die heterogene gesetzliche Ausgestaltung der Selbstverwaltungseinrichtungen, die von verfassungsrechtlichen Regelungen nur zum geringen Teil erfaßt werden, erschwert. Generalisierende Ausführungen dazu werden jedoch insoweit für möglich gehalten, als es sich bei der Betroffenenbeteiligung sowie der begrenzten Unabhängigkeit um wiederkehrende, typische Merkmale handelt. Das in der Selbstverwaltung wirkende „Oppositions- bzw. Zuordnungsprinzip“ wird durch sie nur unterschiedlich stark betont67. Um die Relevanz der Frage zu verdeutlichen, sei daran erinnert, daß es um nicht weniger geht als die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit des Demokratieprinzips68. 3. Wortlaut und Systematik des Grundgesetzes Eine Betrachtung von Art. 20 Abs. 2 sowie Art. 28 Abs. 1, 86, 87 Abs. 2, Abs. 3 GG als den maßgeblichen verfassungsrechtlichen Regelungen führt zu ersten Anhaltspunkten. Zwar ist – wie schon für die Staatsgewalt im allgemeinen – der reine Wortlaut auch im Hinblick auf die Selbstverwaltung unergiebig. Aber Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG stellt immerhin einen Zusammenhang zwischen (kommunaler) Selbstverwaltung und Demokratieprinzip her. Vorschnelle Schlüsse sind dennoch fehl am Platz, weil es durchaus nicht eindeutig ist, ob es sich um eine affirmativ-konkretisierende oder eine konstitutive Regelung des Demokratieprinzips handelt69. Im einen Fall würde lediglich wiederholt, konkretisiert und gegen Einschränkungen geschützt, was nach Art. 20 Abs. 2 GG ohnehin gilt, im anderen Fall fände Art. 20 Abs. 2 GG mangels Staatsgewalt der kommunalen Selbstverwaltung keine Anwendung. In diesen Alternativen spiegeln sich nicht nur die grundlegenden Theorien der kommunalen Selbstverwaltung, sondern auch das hier zu erörternde Problem der Selbstverwaltung. Einerseits werden die Gemeinden nämlich als natürlicher Zusammenschluß von Bürgern im Bereich der Gesellschaft gesehen. Selbstverwaltung ist dann die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheit70, zumindest aber das Zusammenwirken von Individualgrundrechten der Betroffenen71. Andererseits werden die Gemeinden als vom Staat eingerichtete und abgeleitete Verwaltungseinheiten qua67 Isensee, Subsidiaritätsprinzip, 103, versteht darunter einerseits die Abschirmung der Glieder gegen den Staat, andererseits die Hinlenkung der Glieder auf das zentrale Gemeinwohl. Anders Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie, 84, 118; ihm folgend Schuppert, AöR 114, 127, 129. 68 Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 543, Fn. 56. 69 Vgl. Emde, Demokratische Legitimation, 267, Fn. 27. Im Sinne der Konkretisierung Oebbecke, Verw.Archiv 81, 349, 357. 70 Dem entsprach die grundrechtliche Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 127 WRV. Dazu Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung, 231 ff. 71 Rupp, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 31, Rn. 48 ff.

IV. Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht

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lifiziert. Sie bilden damit ohne Ansehung von eigenem oder übertragenem Aufgabenkreis eine staatliche Verwaltungsebene72. In systematischer Hinsicht kann auch Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG genannt werden, der die Regelung über die Errichtung von selbständigen Bundesoberbehörden und bundesunmittelbaren Körperschaften und Anstalten enthält. Die Bundesoberbehörden verfügen über keine eigene Rechtspersönlichkeit. Zwar stehen sie organisatorisch außerhalb der Ministerialverwaltung, sind aber zugleich in den hierarchischen Aufbau der Bundesverwaltung eingebunden73. Daher ist für sie die Frage der Staatsgewalt unstreitig. Die Körperschaften hingegen sind auch und gerade als Selbstverwaltungseinrichtungen zu verstehen. Sowohl die gleichberechtigte Nennung beider Organisationstypen wie auch ihr gemeinsamer Standort im 8. Kapitel des Grundgesetzes, das unter anderem die Regelung über die Bundesverwaltung enthält, spricht dafür, auch die Selbstverwaltungseinrichtungen zur Bundesverwaltung zu zählen74. Diese ist jedoch Teil der vollziehenden Gewalt im Sinne von Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG und damit Staatsgewalt im organisatorischen Sinne. Art. 87 Abs. 3 S.1 GG ist insoweit zu entnehmen, daß Angelegenheiten, für die ein staatliches Regelungsbedürfnis besteht, durch Bundesoberbehörden oder Selbstverwaltungskörperschaften erledigt werden können. Es handelt sich jeweils um staatliche Regelungsmodelle. Dies ist um eine weitere Überlegung zu ergänzen: Mit dem Modell Selbstverwaltung darf sich keine nur abstrakte Zuordnung zu Staat oder Gesellschaft verbinden. Jedenfalls könnte dann der Gesetzgeber – selbst Teil der Staatsgewalt – nicht durch seine Organisationsentscheidung darüber befinden. Das bedeutet: Wenn sich die Organisation als Bundesoberbehörde oder Selbstverwaltungskörperschaft in der unterschiedlichen Zuordnung zu Staat und Gesellschaft spiegelt, kann dies nur Folge der konkreten Ausgestaltung sein. Also sind es die Wesensmerkmale der Selbstverwaltung, auf die das Augenmerk zu richten ist. Deutlichere Aussagen als im Grundgesetz finden sich in den Verfassungen der Bundesländer, unter denen insbesondere die des Landes Baden-Württemberg hervorzugeben ist. Art. 25 Abs. 3 BadWürttVerf ordnet der Staatsgewalt die vollziehende Gewalt zu und konkretisiert sie als Regierung und Selbstverwaltung. Ebenso Art. 68 BadWürttVerf: „Die Verwaltung wird durch die Regierung, die ihr unterstellten Behörden und durch die Träger der Selbstverwaltung ausgeübt.“ Die hervorgehobene Nennung der Selbstverwaltung rückt diese eindeutig in die staatliche Sphäre. Eine Besonderheit stellt schließlich der auf

72 Burmeister, Neukonzeption, 97 ff.; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56, 160, 163, Fn. 6; zu den Theorien der kommunalen Selbstverwaltung Waechter, Kommunalrecht, Rn. 51. 73 Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 180; Badura, in: Kunst/Grundmann, Evangelisches Staatslexikon – „Bundesverwaltung“, 366, 374 f. 74 Emde, Demokratische Legitimation, 262 f. Entsprechendes hat für die Selbstverwaltung auf Länderebene zu gelten.

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

Druck der amerikanischen Besatzungskräfte entstandene Art. 179 BayVerf dar: „Die in dieser Verfassung bezeichneten sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Körperschaften, Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft und Organisationen der Erzeuger, Verteiler und Verbraucher (Art. 34, 36, 154, 155, 164) sind keine öffentlichen Behörden und dürfen keine staatlichen Machtmittel ausüben. Zwangsmitgliedschaft bei ihnen ist ausgeschlossen.“ Ihm lagen Bedenken an der Demokratietauglichkeit dieser Organisationen zugrunde, so daß sie nur als gesellschaftliche Verbände in Betracht kamen. Art. 179 BayVerf steht anderen Körperschaften mit hoheitlichen Befugnissen und Zwangsmitgliedschaft nicht entgegen, allerdings konnten diese nicht Mitglied des inzwischen abgeschafften bayerischen Senats sein75. Festzuhalten ist hier, daß es offensichtlich einen rechtlich bedeutsamen Unterschied macht, ob eine Selbstverwaltungseinrichtung mit Hoheitsrechten und Zwangsmitgliedschaft ausgestaltet ist oder nicht. 4. Der Parlamentarische Rat Sowohl Staatsgewalt wie auch die Selbstverwaltung haben in den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates eine Rolle gespielt, allerdings ohne Bezug aufeinander. Es ist dabei zu beachten, daß es sich um Diskussionsbeiträge handelt, die für eine darauf beschränkte Argumentation kaum tragfähig sind. Sie können jedoch ein Meinungsbild wiedergeben und sind insoweit wertvolle Hinweise. So forderte Carlo Schmid in der Diskussion um eine Definition der Selbstverwaltung: „Wir müssen überhaupt dazu kommen, die Gemeinden in ganz anderer Weise als bisher zu allgemeinen Trägern der ersten Stufe der Obrigkeit zu machen.“76, womit er eine Stärkung, nicht etwa die Beseitigung der Selbstverwaltung meinte. Die Ausübung obrigkeitlicher Befugnisse war für ihn aber nichts anderes als Staatsgewalt77. Was hier recht deutlich zum Ausdruck kommt, klingt auch in der Diskussion um die berufständischen Kammern an: Es wurde als unhaltbarer Zustand bezeichnet, daß diese nach dem schon erwähnten Art. 179 BayVerf keine Behörden sein und keine staatlichen Machtmittel haben durften, also von Verfassungs wegen privatisiert wurden78. In der Tendenz ist festzustellen, daß die Mitglieder im Parlamentarischen Rat von einer Staatlichkeit der Selbstverwaltung ausgingen. Selbstverwaltung wurde dabei als

75 T. Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 179, Rn. 1 f.; Art. 34–42 BayVerf wurden zum 1.1.2000 aufgehoben. 76 11. Sitzung des Grundsatzausschusses am 14.10.1948, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5/I, 309. 77 20. Sitzung des Grundsatzausschusses am 10.11.1948, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5/II, 524. 78 16. Sitzung des Zuständigkeitsausschusses am 18.11.1948, Der Parlamentarische Rat, Bd. 3, 638.

IV. Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht

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besondere Organisationsform aufgefaßt, die in die staatlich-hierarchische Verwaltungsstruktur integriert ist79. 5. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Von Staatsgewalt ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur auszugehen, wenn der Staat, sei es als Bund oder als Land, selbst in Erscheinung tritt, sondern auch, wenn er sich zur Erfüllung seiner Aufgaben eines „selbständigen Rechtsgebildes“80 bedient. Diese Gebietskörperschaften, Personalkörperschaften, Anstalten, Stiftungen etc. seien lediglich besondere Erscheinungsformen der einheitlichen Staatsgewalt. Insoweit könnte man den Schluß ziehen, auch die diesen Formen entsprechenden Selbstverwaltungseinrichtungen seien Teil der Staatsgewalt. Zwar nimmt das Bundesverfassungsgericht im gleichen Zusammenhang die Kirchen ausdrücklich aus und ordnet sie dem außerstaatlichen Bereich zu81, offen bleibt jedoch, ob die Ausnahmen damit abschließend benannt sind. Zudem verbindet sich mit der Bezugnahme auf die Aufgaben des Staates die Frage, ob es daneben andere Aufgaben gibt, für die dieser Schluß nicht gezogen werden kann. Insoweit kommt es auf die Konkretisierung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die jeweilige Selbstverwaltungseinrichtung an. Dabei kann insbesondere zwischen kommunaler und funktionaler Selbstverwaltung unterschieden werden82. Die Gemeinden ordnet das Bundesverfassungsgericht der Staatsgewalt zu83: In der Leitentscheidung, die zur Volksbefragung in hessischen Gemeinden über Atomwaffen ergangen ist, bringt das Bundesverfassungsgericht unmißverständlich und ohne Unterscheidung zwischen eigenem und übertragenem Aufgabenbereich zum Ausdruck, daß die Gemeinden in den Staat, d.h. das jeweilige Bundesland, eingegliedert seien und abgeleitete Hoheitsmacht bzw. Staatsgewalt im weiteren Sinn ausübten84. Während abgeleitete Hoheitsmacht im Hinblick auf ihren organisatorischen Bezug eindeutig erscheint, darf „Staatsgewalt 79 Es wäre sicherlich eine Fehlinterpretation, die Aussage von Strauß, „Selbstverwaltungskörperschaften sind keine Staatsbehörden“ als Gegenargument ins Feld zu führen. Damit bezog er sich im Sachzusammenhang der Staatsbehörden des Bundes auf Körperschaften der Länder. 16. Sitzung des Zuständigkeitsausschusses am 18.11. 1948, in: Der Parlamentarische Rat, Bd. 3, 637. 80 BVerfGE 21, 362, 370. 81 BVerfGE 21, 362, 374. Vgl. auch BVerfGE 18, 385, 386 f. 82 Der Rechtsprechung zur grundrechtlich-funktionalen Selbstverwaltung ist ein eigener Abschnitt gewidmet, 2. Kap., IV. 9. 83 BVerfGE 8, 122, 132–135; 38, 258, 269 ff.; VerfGH NW OVGE 39, 292, 294 f. 84 BVerfGE 8, 122, 132, ebenso zur abgeleiteten Hoheitsmacht bzw. Staatsgewalt im weiteren Sinne BVerfGE 38, 258, 270; zur Gleichstellung von eigenem und übertragenen Wirkungskreis auch BVerfGE 83, 37, 54.

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

im weiteren Sinn“ nicht zu dem Schluß verführen, es handle sich um Staatsgewalt minderer Art, für die die Bestimmungen von Art. 20 Abs. 2, 28 Abs. 1 S. 1 GG nur eingeschränkt Geltung beanspruchen85. Vielmehr deutet der Sinnzusammenhang eher darauf, daß es sich dabei um einen Hinweis auf die Unabhängigkeit der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften handeln soll. Inzwischen scheint das Bundesverfassungsgericht den Zusatz völlig aufgegeben zu haben86. Die Zuordnung zum Staat wiederholt das Gericht bei der Beurteilung der Stimmabgabe der Gemeindebürger: „Sie betätigen sich dabei im status activus,“ und: sie gehört „nicht in den Bereich des Gesellschaftlichen“87. In der Stimmabgabe verwirkliche sich die Betroffenenmitwirkung als konstitutives Element der Selbstverwaltung. Sie sei Staatsgewalt, die – in staatsrechtlicher Diktion – das „Gemeindevolk“88 als Staatsorgan ausübe. In weiteren Entscheidungen wird diese Rechtsprechung fortgeführt und insbesondere um die Entwicklungsgeschichte der kommunalen Selbstverwaltung argumentativ ergänzt89: Ausgehend von der Steinschen Städteordnung vom 19. November 1808 und ihrer nachfolgenden Instrumentalisierung sei dabei ein Wandel von den gesellschaftlichen, staatsabwehrenden Korporationen der Bürger zu einem staatlichen Organisationsmodell, das nun in Art. 28 GG niedergelegt sei, zu verzeichnen. Die Rechtsprechung zur funktionalen Selbstverwaltung fällt im Vergleich dazu zurück. In einer frühen Entscheidung entwickelt das Bundesverfassungsgericht inhaltliche Kriterien für die Zulässigkeit eines Wasserverbandes90. Ohne explizit auf die Staatsgewalt zu sprechen zu kommen, ordnet es jedoch die Aufgabenwahrnehmung durch öffentlich-rechtliche Körperschaften derjenigen durch Anstalten oder staatliche Behörden gleich. Dabei sei „die Art und Weise der organisatorischen Bewältigung öffentlicher Aufgaben Sache des gesetzgeberischen Ermessens“91. Damit ist zumindest festgestellt, daß die Selbstverwaltung ein staatliches Regelungsinstrument ist, das sich in der Qualität seiner Aufgabenerfüllung nicht von staatlichen Behörden oder Anstalten unterscheidet92. Diese Rechtsprechung führt das Bundesverfassungsgericht bei der Entscheidung zu den Industrie- und Handelskammern fort93: Mit ihrer Hilfe erfülle der Staat

85 Anders Emde, Demokratische Legitimation, 212, der eine absichtsvolle Unbestimmtheit vermutet. 86 BVerfGE 83, 37, 54. 87 BVerfGE 8, 122, 133. 88 Mit dieser Formulierung soll nicht auf die Frage der Teilvölker Bezug genommen werden. 89 BVerfGE 11, 266, 274 f.; 83, 37, 54. 90 BVerfGE 10, 89, 102 ff. 91 BVerfGE 10, 89, 104. 92 BVerfGE 10, 89, 108. Ausdrücklich für die gesetzlichen Krankenkassen BVerfGE 39, 302, 313 f. 93 BVerfGE 15, 235, 240 f.

IV. Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht

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eine öffentliche Aufgabe, für die nur in dieser Form eine Abwägung und ein Ausgleich der Gesamtinteressen der gewerblichen Wirtschaft gewährleistet werden könne. Sie seien „Hilfsorgane der Staatsregierung“, womit sich das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungsgerichts zu den Handelskammern zu eigen macht94. Schon damals stellte das Gericht diese Körperschaften den kaufmännischen Korporationen entgegen, von denen sie sich durch ihren Auftrag, das Gesamtinteresse wahrzunehmen, unterschieden. Wegen ihrer daraus erwachsenden Funktion für die Erfüllung staatlicher Aufgaben seien sie ihm untergeordnete Körperschaften95. Auch ohne explizite Bezugnahme auf die Frage der Staatsgewalt wird anhand der beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts jedoch klar, daß die Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung – zumindest in den genannten Fällen – zur staatlichen Sphäre zählen. Obwohl sich die Qualifikation als Staatsgewalt damit von selbst ergibt, hat das Bundesverfassungsgericht seine Zurückhaltung ausdrücklicher Zuordnung bis heute nicht aufgegeben. So vermerkt Unruh zur jüngsten Entscheidung über die nordrhein-westfälischen Wasserverbände96: „Hier hätte deutlicher ausgesprochen werden können, daß es sich bei der Tätigkeit der beiden Wasserverbände um eine vor dem Hintergrund des Art. 20 Abs. 2 GG legitimationsbedürftige Ausübung von Staatsgewalt handelt.“97

6. Der Gang der wissenschaftlichen Diskussion In der wissenschaftlichen Diskussion hat die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft Tradition. Die etatistische Staatsrechtslehre vom Anfang des vergangenen Jahrhunderts führte sie lange Zeit unter den Vorzeichen der inneren Souveränität des Staates98. Die Zuordnung der Selbstverwaltung erfolgte allerdings – trotz deren begrenzten Unabhängigkeit – unproblematisch zum Staat. Anknüpfungspunkt dafür war weniger der Begriff der Staatsgewalt als vielmehr der der öffentlichen Verwaltung: Selbstverwaltungseinrichtungen wurden stets als Organe der vollziehenden Gewalt angesehen99. Eine Entsprechung findet dieser Befund darin, daß die Staatsgewalt auch für die Geltung des Demokratieprinzips keine Bedeutung erlangte100. Überhaupt galten Selbstverwaltung und

94

Preuß. OVGE 19, 62 ff. Preuß. OVGE 19, 62, 67. 96 BVerfGE 107, 59, 86 ff. Dazu noch eingehend im 3. Kap., VI. 2. c) bb). 97 Unruh, JZ 2003, 1061, 1062. 98 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 435 ff. 99 Herrnritt, Grundlehren, 187 f.; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, 2; Bernatzik, AöR 5, 169, 303 f.; Meyer/Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, 386; Peters, Grenzen der kommunalen Selbstverwaltung, 36. 100 Vgl. dazu die Untersuchung bei Emde, Demokratische Legitimation, 224. 95

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

Demokratie gemeinhin als unvereinbar101. Im übrigen war der Begriff der Selbstverwaltung Gegenstand kontroverser Diskussionen, in der um die heute noch gültige Unterscheidung von politischer und juristischer Selbstverwaltung gerungen wurde102. Parallel dazu deutete sich eine Abkehr von der Identifikation von Selbstverwaltung mit staatlicher Aufgabenerfüllung und einer Betonung deren eigenen Aufgaben an103. Der Zweifel über die Zuordnung der Selbstverwaltung war somit schon damals, wenn auch unausgesprochen, wirksam. Obwohl die Auseinandersetzung um die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft nie verstummt ist und für sie neue Diskussionsfelder erschlossen wurden – beispielhaft kann die Staatsaufgabenlehre genannt werden –, sind dezidierte Stellungnahmen zu Staatsgewalt und Selbstverwaltung bis heute eher selten, zunehmend aber in der neueren Steuerungsdebatte zu finden. Das Problem stellt sich weniger darin, daß die Staatsgewalt für die Selbstverwaltung geleugnet wird, als daß der Frage offenkundig ausgewichen, sie unsubstantiiert beantwortet oder durch die Betonung der gesellschaftlichen Verortung verunklart wird104. Ursache dafür dürfte zu einem guten Teil der ungeklärte Selbstverwaltungsbegriff sein, der, „seit mehr als 100 Jahren wissenschaftlich bearbeitet, nach wie vor als ungeklärt gilt“105.

101 Peters, Grenzen der kommunalen Selbstverwaltung, 43 f. Ein Umkehrschluß auf den Umfang der Staatsgewalt ist aber nur eingeschränkt möglich, weil die Grundlage der Diskussion über Selbstverwaltung und Demokratie auch die mit der Selbstverwaltung verbundene Beschränkung der Volkssouveränität sein kann und aus diesem Grund als demokratisches Problem erscheint. 102 Dazu umfassend Peters, Grenzen der kommunalen Selbstverwaltung, 6 ff. 103 Bernatzik, AöR 5, 169, 303 f., wies frühzeitig darauf hin, daß Selbstverwaltungskörperschaften sowohl staatliche Organe wie auch Rechtssubjekte seien, deren Zwecke sich mit denen des Staates zu einer Interesseneinheit verbinden: „(. . .) werden Gemeinden entweder lediglich als staatliche Organe betrachtet, (. . .) oder aber sie werden behandelt, als ob sie keine staatlichen Organe wären, weil sie ,eigene‘ Rechte auf ihre Competenz besitzen. Für letztere Auffassung ist die Unfähigkeit unserer Autoren, die Begriffe ,eigenes Recht‘ und Organstellung zu verbinden geradezu verhängnisvoll geworden (. . .).“ 104 Als Indikator dieses Umstands dürfte sich dabei das „Zweifellos“ erweisen: Oebbecke, Verw.Archiv 81, 349, 357 f., nennt es zwar „nicht zweifelhaft, daß die Träger nicht-kommunaler Selbstverwaltung Staatsgewalt ausüben“, seine Begründung reicht aber über einen Zirkelschluß nicht hinaus: Danach bedarf der Legitimation gemäß Art. 20 Abs. 2 GG, was Staatsgewalt ist. Diese definiert er aber über das Legitimationserfordernis für staatliches Handeln. Ähnlich Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 542: „Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Tätigkeit der EmscherG in diesem Sinne als Ausübung von Staatsgewalt zu betrachten ist.“ Tettinger/Mann, in: dieselben/Salzwedel, Wasserverbände, 1, 19 und 35: „(. . .) dürfte nicht zu bezweifeln sein, daß auch die Verwaltung durch Träger funktionaler Selbstverwaltung (. . .) grundsätzlich einer demokratischen Legitimation bedarf.“ 105 Hendler, Selbstverwaltung, 269.

IV. Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht

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a) Die Abgrenzung nach formalen Kriterien Für Forsthoff stellte die aufgeworfene Frage noch eine Selbstverständlichkeit dar, die keiner besonderen Erwähnung wert war106. Seine mehr oder weniger unterschiedslose Gleichstellung der mittelbaren Staatsverwaltung verbietet eine an Unabhängigkeit reichende Distanzierung der Selbstverwaltung, so daß er sie zweifellos der Staatsgewalt zuordnen würde. Staatlichkeit und Selbstverwaltung sind deckungsgleich107. Das öffentliche Recht als Sonderrecht des Staates ist die verbindende Klammer. An diese Sicht knüpft auch H. H. Klein an, der die Staatsgewalt in staatlicher wie auch vom Staat abgeleiteter Macht erblickt108. Zu ihr gehöre die Selbstverwaltung als eine vom Staat zu verantwortende Schöpfung, die in allen ihren Formen „Bestandteil der vollziehenden Gewalt i. S. der Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 2 und 3 GG“ sei. Die darin erkennbaren Abgrenzungskriterien sind formaler Natur. Sie gehören bis heute zum gängigen Katalog der wissenschaftlichen Praxis. Neben der bereits angesprochenen Rechtsnatur als juristische Person des öffentlichen Rechts und dem staatlichen Errichtungsakt sind noch zu nennen: die hoheitlichen Eingriffsbefugnisse, das Handeln in den Formen des öffentlichen Rechts, die Grundrechtsbindung sowie die staatliche Aufsicht. Jedoch erscheinen diese zum Teil holzschnittartigen Kriterien angesichts zunehmender Kritik ebenso undifferenziert wie die bloße Feststellung, die Selbstverwaltung sei als Teil der Exekutive in den Staatsverband eingegliedert109. Denn gerade dafür fehlen die maßgeblichen Symptome in Gestalt der Weisungsrechte der Zentrale110. Es besteht vielmehr der Verdacht, daß es sich um eine traditionelle, im Empfindungsmäßigen ruhende Verortung handelt. Das Problem stellt sich auf zwei Ebenen: Zum einen – in eher genereller Hinsicht – muß nicht alles, was Körperschaft des öffentlichen Rechts heißt, auch statusmäßig zum Staat gehören111. Als Beleg 106 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, § 25 I b). Siehe dazu auch 3. Kap., II. 2. b). 107 Argumentativ wird dies durch eine weitgehende Verdrängung des Merkmals der Betroffenenbeteiligung und die Hinwendung zur Rechtsfähigkeit des Verbandes möglich, was Hendler als „Selbstverwaltungslehre ohne Selbstverwaltung“ bezeichnet, Selbstverwaltung, 274. 108 H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 177, 183. 109 Hendler, in: Isensee/Kirchof, HBStR IV, § 106, Rn. 45; ähnlich Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie, 81. Ausführliche kritische Betrachtung der formalen Kriterien bei Emde, Demokratische Legitimation, 265 ff.; Möllers, Staat als Argument, 309 ff., 315, 318 ff.; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, 155 f.; Ossenbühl, Rundfunk, 21, 30. 110 Isensee, Subsidiaritätsprinzip, 157. 111 BVerfGE 18, 385, 386 f.; 21, 362, 374; Obermayer, in: Maunz/ders./Berg /Knemeyer, Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 102. Vgl. insoweit die Untersuchungen bei Emde, Demokratische Legitimation, 217, 265; Möllers, Staat als Argument, 309– 314; Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 78 ff., 151 f., 168.

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

kann auf Art. 140 GG für die Kirchen, aber auch auf Art. 179 BayVerf verwiesen werden. Körperschaften des öffentlichen Rechts in diesem Sinne sind Körperschaften im nur formellen Sinn112. Ob es verallgemeinerungsfähige Kriterien der Zuordnung gibt, bleibt zu prüfen. Zum anderen gehören die früher so klaren Grenzen einer dualistischen Staatstheorie angesichts kooperativer Organisationsstrukturen unter Einsatz von Selbstregulierung, Selbstorganisation und Eigenverantwortlichkeit wohl endgültig der Vergangenheit an. Erst deren Installation macht eine rechtsdogmatische Betrachtung der Abgrenzungsprobleme unausweichlich, die es schon früher gab, aber als wenig virulent empfunden wurden113. Daher kann es nicht nur um eine pauschale Zuordnung der Selbstverwaltung gehen, vielmehr muß gerade für die scheinbaren oder tatsächlichen nichtstaatlichen Elemente eine Erklärung gefunden werden. b) Die Negation der Zuordnung Als extreme Gegenposition wird vertreten, auf eine Abgrenzung gänzlich zu verzichten und sie damit als dogmatischen Anhaltspunkt aufzugeben. An ihre Stelle solle eine Skala treten, die lediglich die fließenden Übergänge zwischen den rein staatlichen und rein privaten Polen abbildet114. Der Grund dafür liege zum einen in tatsächlichen Abgrenzungsproblemen, zum anderen in veränderten Verwaltungsmodellen, die sich nicht in das gängige Legitimationsschema einfügen ließen. Ihre Zulässigkeit könne daher nur über eine Veränderung dieses Schemas oder die Negation seiner Voraussetzungen begründet werden. Diesen Folgerungen stehen jedoch schwerwiegende Bedenken gegenüber. Man muß nicht so weit gehen wie Merkl, der in dem Verzicht auf Zuordnung nur ein Geständnis dafür sah, „daß eine praktische Gegebenheit theoretisch nicht bewältigt ist“115. Zum einen aber – es wurde schon darauf hingewiesen – ist die Dichotomie im Grundgesetz angelegt. Für Art. 20 Abs. 2 GG gibt es nur Staatsgewalt oder nicht116. Der Frage, ob es sich um einen Ausdruck gesellschaftlicher Freiheit oder um mediatisierte Staatsgewalt handelt, kann nicht durch eine Erweiterung der Kategorien ausgewichen werden117. Eine graduelle Abstufung ist allen112 Obermayer, in: Maunz/ders./Berg /Knemeyer, Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 97 f. Ebenso ist Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 73, zu verstehen, der darauf abstellen will, ob eine Organisation nicht nur formell, sondern auch materiell zur öffentlichen Verwaltung gehört. 113 Das Thema ist keineswegs neu: Vgl. Köttgen, JöR 3, 67, 114, 117 sowie Merkl, VVDStRL 22, 338 (Aussprache): „Die Grenzen zwischen Staat und Nichtstaat sind fließend, doch die Wissenschaft ist sich dieser Tatsache nicht bewußt und behilft sich mit Worten, deren Unvollkommenheit offen zutage liegt, wie die so häufige unkritische Qualifikation von Neuschöpfungen des Rechtslebens, Grenzerscheinungen zwischen unbestritten staatlichem und nichtstaatlichem Bereich ,als halbstaatlich‘.“ 114 Sie wird als Lehre vom Dritten Sektor insbesondere von Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 78, 93, 166, vertreten. 115 Merkl, VVDStRL 22, 338 (Aussprache).

IV. Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht

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falls für einzelne Elemente denkbar, die für eine Zuordnung entscheidend sein können – für deren Ergebnis ist sie ausgeschlossen. Zum anderen müßte sich eine abgeschwächte Staatsgewalt in einer abgeschwächten demokratischen Legitimation niederschlagen. Wie diese bemessen sein soll, ist allerdings nicht mit dem erforderlichen Grad an Allgemeingültigkeit bestimmbar. Letztlich können die Ansätze dieser Diskussion zu einer Ablösung des Begriffs der Staatsgewalt von den Formen staatlicher Organisation führen. Damit würde aber der Begriff der Staatsgewalt selbst unschlüssig. Möglicher Anknüpfungspunkt demokratischer Legitimation könnte dann die Kategorie der strukturellen Gewalt sein118. Vom Boden des Grundgesetzes ist das freilich weit entfernt. Mit der Zurückweisung dieser Auffassung erscheint die hier gestellt Aufgabe klarer: Es sind Abgrenzungskriterien zu finden, die einerseits eine Zuordnung erlauben, andererseits das Spezifische dieses Regelungsmodells zu erfassen vermögen. Dazu kann nach dem Beispiel der Diskussion um Grundrechtsverpflichtung und -berechtigung auch gehören, daß Kooperationsbereiche, soweit dies möglich ist, in ihre jeweiligen Beiträge aufgelöst werden müssen119. Die Untersuchung beschränkt sich folglich auf solche Ansätze, die einerseits diesen Anforderungen gerecht werden, andererseits ihren Bezug gerade zur Selbstverwaltung haben. Eine rezipierende Darstellung aller Abgrenzungsmodelle kann hingegen nicht geleistet werden. c) Die Hoheitsbefugnisse als Indikator der Staatsgewalt Wenn Art. 179 BayVerf zur Sicherung der Nichtstaatlichkeit Hoheitsbefugnisse und Zwangsmitgliedschaft ausschließt, muß der Blick darauf gerichtet werden, ob die Kriterien auch unabhängig von dieser Bestimmung Bestand haben. Zu diesem Zweck kann hier Schmidt-Aßmann herangezogen werden, wenngleich sich dessen Ansatz zunächst anders darzustellen scheint120. Er schlägt vor, mittels einer „wertenden Gesamtanalyse“ der staatlichen und privaten Faktoren zu entscheiden, ob eine Einrichtung als Repräsentant staatlicher Gewalt anzusehen ist121. Zu den maßgeblichen Faktoren zählt er die Rechts116 Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 564; Finckh, Regulierte Selbstregulierung, 100, nennt als weitere Bereiche der Unterscheidung den gerichtlichen Rechtsschutz, die Staatshaftung und die Grundrechtsbindung. 117 Lediglich angedeutet aber ohne nähere Ausführung ist die Auffassung Schachtschneiders, VVDStRL 56, 310 (Aussprache), der in Alternative zur Dichotomie von verschiedenen Ebenen der Staatlichkeit ausgehen will, von denen die Selbstverwaltung eine sei. 118 Vgl. insoweit die Auffassung Meyers, VVDStRL 56, 334 f. (Aussprache), der Private bei Ausübung struktureller Gewalt für grundrechtsverpflichtet hält. 119 Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR II, § 15, Rn. 148. 120 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329 ff. 121 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 343.

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form der Einrichtung, ihre wahrgenommenen Aufgaben, die Aufsichtsbefugnisse und ihre haushaltsrechtliche Einbettung. Eine genauere Betrachtung zeigt jedoch, daß für Schmidt-Aßmann diese Gesamtanalyse auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt. Das entscheidende Merkmal staatlicher Gewalt sieht er nämlich zunächst in der öffentlich-rechtlichen Organisationsform. Zu den Trägern von Staatsgewalt gehören danach nicht nur die gesamte unmittelbare Staatsverwaltung, sondern auch die mittelbare Staatsverwaltung sowie alle Selbstverwaltungseinrichtungen. Maßgeblich dafür sei, daß die öffentlich-rechtlichen Organisationsformen „ein solches Maß staatlicher Herrschaftsmöglichkeit“ gewähren, daß sie „über eine demokratische Legitimation für diesen äußeren Tatbestand verfügen müssen“122. Darunter versteht er zumindest „aktuelle oder potentielle Möglichkeiten zu autoritativer Entscheidung oder Selbstdarstellung“123. Die öffentliche Rechtsform ist damit nur insoweit von Belang, als sie auch Hoheitsrechte gewährt. Von besonderem Interesse sind zudem seine Folgerungen für das eingangs hinterfragte Verhältnis von Staatsgewalt und nichtstaatlicher Selbstverwaltung. Ausdrücklich bezieht er Selbstverwaltungsträger ein, „die nicht staatliche Aufgaben, sondern eher private Rechts- oder Interessenverfolgung wahrnehmen“124. Damit trennt er die Frage der Staatsgewalt zunächst vom Charakter der Aufgabenwahrnehmung125. Insoweit darf man es nicht als Widerspruch empfinden, daß die Träger auch nichtstaatlicher Aufgaben zur Staatsgewalt zählen, solange ihnen hoheitliche Befugnisse zur Verfügung stehen. Staatsgewalt und Staat im engeren Sinne haben zwar eine begriffliche Ähnlichkeit, sind im übrigen aber nicht kongruent. Der Vollständigkeit halber ist allerdings schon hier anzumerken, daß Schmidt-Aßmann die Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft auf der Ebene der demokratischen Legitimation wieder aufnimmt: Die Betroffenenbeteiligung sei keine besondere Form staatlicher Willensbildung, sondern bleibe gesellschaftliche Herrschaft, die lediglich staatlich verfaßt sei. Nur weil die jeweiligen staatlichen und gesellschaftlichen Beiträge der Kooperation nicht trennbar seien, ordnet er sie zunächst insgesamt der Staatsgewalt zu126. Daraus folge eine „doppelschichtige Legitimationsordnung“127. Hinsichtlich der demokratischen Legitimation soll Art. 20 Abs. 2 GG jedoch nur für die staatlichen 122 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 344; ebenso schon im Ergebnis ders., in: Selmer/v. Münch, Gedächtnisschrift Martens, 249, 258, jedoch mit deutlich anderer Begründung. 123 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 344. Ebenso wohl Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 542. 124 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 344. 125 Damit steht er freilich im Gegensatz zu solchen Auffassungen, die Staatsaufgabe und Staatsgewalt gleichsetzen, ja zum Anknüpfungspunkt ihrer Bestimmung der Staatsgewalt machen. Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, 248 f. 126 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 377. 127 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 344, 378.

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Beiträge gelten und durch den institutionellen Gesetzesvorbehalt sowie „gewisse gesetzliche Steuerung und den Vorbehalt einer Rechtsaufsicht“ gewährleistet werden128. d) Die Abhängigkeit vom Staat als Indikator der Staatsgewalt Eine neuere Tendenz der Staatsrechtslehre leugnet die Eignung formaler Kriterien zur Bestimmung der Staatsgewalt, darunter insbesondere die Rechtsform, die Art der Aufgabe, aber auch die Hoheitsbefugnisse. An ihre Stelle soll eine funktionale Zuordnung treten, die die Staatsgewalt danach bestimmt, ob die wahrgenommene Aufgabe bzw. ihr Träger zum staatlichen oder zum gesellschaftlichen Bereich gehört. Dies wird von Emde vertreten und anhand der funktionalen Selbstverwaltung entwickelt129. Er läßt sich von der Überzeugung leiten, daß ein undifferenziertes Anknüpfen an die staatsrechtliche Tradition Forsthoffs für den planenden, lenkenden und leistenden Sozialstaat nicht mehr möglich sei. Ohne die damit verbundene Gewißheit vom Herrschaftsmonopol des Staates scheidet für ihn aber eine Identifizierung von öffentlich-rechtlicher Organisation mit Staatlichkeit aus130. Daher stellt er sich die Aufgabe, nach anderen Kriterien zur Abgrenzung von Staat und Gesellschaft zu suchen, an deren prinzipiellen Notwendigkeit auch er festhält. Ausgangspunkt seiner Überlegung ist die Gleichsetzung von staatlicher Verwaltung mit Staatsgewalt und von Nichtstaatlichkeit mit Gesellschaft. Eine „nichtstaatliche Staatsgewalt“ sei insoweit unmöglich. Unproblematisch zur Staatsgewalt rechnet er folglich die mittelbare Staatsverwaltung im engeren Sinn sowie die unmittelbare Staatsverwaltung. Für die Einrichtungen der Selbstverwaltung hingegen sei eine abstrakte Zuordnung nicht möglich, weil sie nicht in ihrer Gesamtheit nichtstaatlich seien. Vielmehr müsse noch zwischen gebundener, also staatlicher, und freier, nichtstaatlicher Selbstverwaltung unterschieden werden. Die Abgrenzung zwischen den Bereichen von Staat und Gesellschaft verlagert er dadurch auf die Abgrenzung zwischen dieser gebundenen und freien Selbstverwaltung. Dies führt Emde zu einer eingehenden Beschäftigung mit Salzwedel, der bereits einen ähnlichen Ansatz zur Bestimmung der Selbstverwaltung verfolgt hatte131. Salzwedel unterscheidet zwischen der echten, nämlich staatsfreien Selbstverwaltung einerseits und der unechten Selbstverwaltung andererseits. Letztere sei nichts anderes als ein zweites staatliches Vollzugsorgan und müsse daher der mittelbaren Staatsverwaltung zugeordnet 128

Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 377 f. Emde, Demokratische Legitimation, 264 ff. 130 Vgl. Ossenbühl, Rundfunk, 20 f. 131 Salzwedel, VVDStRL 22, 206 ff.; bei Emde, Demokratische Legitimation, 241 ff. 129

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

werden132. Das wesentliche Kriterium der echten Selbstverwaltung sei demgegenüber die vom Gesetzgeber überlassene Eigenverantwortlichkeit, die sich in einer Begrenzung der Staatsaufsicht und dem Verzicht des Staates auf Herrschaft spiegle133. Salzwedel kommt damit zu dem Ergebnis, daß die meisten Selbstverwaltungseinrichtungen zur echten Selbstverwaltung zu rechnen seien: „Der Kernbereich der Selbstverwaltung ist also heute gesellschaftliche Selbstverwaltung“134. Obwohl es Salzwedel in seinem Bericht allein um die Frage der „Staatsaufsicht in der Verwaltung“ ging, überträgt Emde dessen Ergebnisse auch auf die Staatsgewalt, so daß er daraus die „Freistellung der gesellschaftlichen Selbstverwaltung von den Legitimationsanforderungen für staatliches Handeln“135 folgert – angesichts deren Weite ein für Emde untragbares Ergebnis. Die Selbstbindung Emdes an sein Begriffskonstrukt aus Staatsgewalt und Staatsverwaltung zwingt ihn nun dazu, das „materiale Selbstverwaltungskonzept“ Salzwedels anzugreifen, nicht aber seine eigene Schlußfolgerung daraus in Zweifel zu ziehen136. Um dennoch zu einem Ergebnis zu gelangen, das verfassungsrechtliche Ableitungen möglich macht und insbesondere im Hinblick auf das Legitimationserfordernis akzeptabel scheint, greift Emde auf die Funktion der jeweiligen Selbstverwaltungseinrichtung als Abgrenzungskriterium zurück137. Soweit sie einem staatlichen Zweck diene, müsse sie der staatlichen Funktionseinheit zugerechnet werden und daher denselben verfassungsrechtlichen Bindungen unterliegen138. Außerhalb dessen sei sie nicht der Staatsgewalt zuzuordnen. Damit verschiebt er das Problem der Kriterienbildung jedoch nur auf eine andere Ebene, wo nun zu fragen sei, ob es sich um eine staatliche oder eine nichtstaatliche Funktion handle. Eindeutige Antworten darauf seien nur in geringem Maße möglich, nämlich aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben, wie etwa Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG für die Rundfunkanstalten139. Soweit sie die Unabhängigkeit der Funktion gebieten, ziehe das die Eigenständigkeit der Insti132

Salzwedel, VVDStRL 22, 206, 223. Salzwedel, VVDStRL 22, 206, 222 f. 134 Salzwedel, VVDStRL 22, 206, 236. Er nennt explizit Gemeinden, Krankenkassen, Handwerkskammern, Landesversicherungsanstalten, öffentlich-rechtliche Kreditinstitute, Universitäten, öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, Innungen, Industrieund Handelskammern, Wasser- und Bodenverbände sowie die Sozialversicherungsträger, VVDStRL 22, 207, passim. 135 Emde, Demokratische Legitimation, 242 f. Allerdings räumt er ein, a. a. O., 241, daß Salzwedel „nicht explizit zur Bindung der Selbstverwaltung an das demokratische Prinzip Stellung nimmt“, vermutet aber eine entsprechende Sicht darauf. 136 Emde, Demokratische Legitimation, 242 f., 261 f., spricht von: „unkonventionelle Dogmatik“, „eigenwilliges Gedankengebäude“, „ohne weiteres widerlegt“, „verfehlte Zuordnung“. 137 Tatsächlich wurde dieser Ansatz schon von Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 168 f., entwickelt, jedoch nur zu einer graduellen Einstufung genutzt. 138 Emde, Demokratische Legitimation, 264 f. 139 Emde, Demokratische Legitimation, 267. 133

IV. Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht

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tution nach sich. Im übrigen stellt er fest: „Die Entwicklung eines abstraktgenerellen und formalisierten Zuordnungsschemas erscheint als ein Ding der Unmöglichkeit“140, so daß er auf Einzelfallbetrachtungen ausweichen muß. Maßgeblich sei dabei die Abhängigkeit der Selbstverwaltungseinrichtung vom Staat141. Ab einer gewissen Schwelle führe sie funktional seine Geschäfte. Als Indizien nennt er eine dichte gesetzliche Programmierung sowie Lenkungs- und Kontrollbefugnisse der staatlichen Aufsichtsbehörden, die die eigenständigen Gestaltungsaufgaben aushöhlten. Je stärker also die staatliche Reglementierung einer Einrichtung sei, desto mehr neige sie selbst dem Staat zu. Umgekehrt spreche eine geringe staatliche Reglementierung für eine staatsgewaltausschließende Staatsferne. Weil es sich um eine Gesamtbetrachtung handle, soll sich das Ergebnis jeweils auch auf die gesamte Selbstverwaltungseinrichtung erstrekken. So reiche die Feststellung der Staatlichkeit über die dafür entscheidende Abhängigkeitsstruktur hinaus, weil auch die verbleibenden Befugnisse zu eigenverantwortlichen Entscheidungen „seinen staatlichen Charakter nicht in Frage stellen, er übe – anders als die ,freien‘ Selbstverwaltungsträger – gleichwohl Staatsgewalt aus“142. Im Ergebnis konstatiert Emde für den überwiegenden Teil der Selbstverwaltungseinrichtungen einen staatlichen Charakter, so daß sie als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung auch zur Staatsgewalt zählen und der demokratischen Legitimation bedürfen143. e) Die Staatsaufgabe als Indikator der Staatsgewalt Der funktionale Ansatz kann jedoch auch in einer anderen Hinsicht weiterverfolgt werden, ohne auf die Abhängigkeit vom Staat als maßgeblichem Kriterium abzustellen. In Betracht kommt dafür die Staatsaufgabenlehre, wenn sie 140 Emde, Demokratische Legitimation, 268. Ebenso schon Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 169. 141 Emde, Demokratische Legitimation, 268; ebenso Finckh, Regulierte Selbstregulierung, 104. Der Begriff der Abhängigkeit wird auch von Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 74 II b), zur Bestimmung der Selbstverwaltung herangezogen und ist durchaus mit dem Ansatz von Salzwedel vergleichbar. Weil aber „Selbstverwaltungsangelegenheiten letztlich staatliche Angelegenheiten bleiben“, ebenda, § 74 II b) 2., werden daraus explizit nicht die von Emde gewünschten verfassungsrechtlichen Schlußfolgerungen gezogen, so daß sie ihm als „halbherzig“ erscheinen müssen. Auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 86, Rn. 40 f., greift unter der Bezeichnung „substantieller Zurechenbarkeit“ auf das Kriterium der Abhängigkeit zurück, um die Zuordnung der Selbstverwaltung zur Bundesverwaltung gemäß Art. 86 GG zu bestimmen. 142 Emde, Demokratische Legitimation, 270. Auf diesem Weg erhält sich Emde seinen Untersuchungsgegenstand: Die Legitimationsproblematik betrifft für ihn Selbstverwaltungseinrichtungen, die wegen ihres staatlichen Charakters dem Demokratieprinzip unterliegen, ohne zugleich vollständig staatlich gesteuert zu sein. 143 Emde, Demokratische Legitimation, 263. Er konkretisiert das anhand der Bundesanstalt für Arbeit, den Sozialversicherungseinrichtungen und den Kammern, 271 ff.

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Schlußfolgerungen für Art. 20 Abs. 2 GG zuläßt144. Die These lautet daher: Zur Staatsgewalt zählen nur solche Verwaltungseinheiten, die staatliche Aufgaben bzw. Staatsaufgaben wahrnehmen. Hingegen ist von gesellschaftlicher, zumindest aber nichtstaatlicher Verortung auszugehen, wenn es sich um öffentliche oder private Aufgaben handelt. Anders als bei Schmidt-Aßmann soll nach dieser aufgabenorientierten Betrachtung die Qualifizierung einer Aufgabe als staatliche, öffentliche oder private einen Rückschluß auf den Funktionsbereich der mit ihr betrauten Organisation ermöglichen. Die Staatsaufgabe ist also mit der Staatsverwaltung zu assoziieren: „Staatsverwaltung – gleichgültig ob mittelbar oder unmittelbar – kann es, soll der Begriff überhaupt einen Sinn haben, nur dort geben, wo der Inhalt der Verwaltung sich auf die Erfüllung staatlicher Aufgaben richtet“145. Damit bleibt es auch hier bei der von Emde vorgenommenen Gleichsetzung von Staatsgewalt und Staatsverwaltung, die nun mit der Staatsaufgabe auf einen Dreiklang erweitert wird. Erforderlich wird darum eine Bestimmung der Staatsaufgaben. Der Begriff ist nicht vorgegeben, so daß Zuordnungskriterien entwickelt werden müssen. Nach verbreiteter Ansicht gehört zu den Staatsaufgaben alles, was „durch die Verfassung oder durch eine im Rahmen der Verfassung getroffene Entscheidung des demokratischen Gesetzgebers zu einer staatlichen Aufgabe erklärt und entsprechend organisiert“146 werde bzw. was „der Staat nach der geltenden Verfassungsordnung zulässigerweise für sich in Anspruch nimmt“147. Zu unterscheiden sind insoweit obligatorische und fakultative Staatsaufgaben. Ihr Bezugsobjekt ist jeweils der Staat. Er ist es, der – im Rahmen der Verfassung – über die Einordnung einer Aufgabe entscheidet und von dem ihre Qualifikation abhängt. 7. Kritik an den vorgestellten Modellen Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Bestimmung der Staatsgewalt der Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft nicht ausweichen kann. Demgegenüber erscheint es als Widerspruch, daß gerade die Träger der Selbstverwaltung als Brücke zur Überwindung des Gegensatzes zwischen Staat und Gesellschaft betrachtet werden. So richtig dies für ihre spezifische Funktion ist, darf es doch nicht über die Erkenntnis hinwegtäuschen, daß sie diese nur auf der Grundlage einer vorigen Differenzierung erfüllen. Emde kommt wie kaum einem anderen der Verdienst zu, in neuerer Zeit einen differenzierten Blick auf das Verhältnis der Selbstverwaltung zur Staatsge144

Eingehend zur Staatsaufgabenlehre noch im 4. Kapitel dieser Untersuchung. Ossenbühl, Rundfunk, 27. 146 Böckenförde, in: ders., Staat, Gesellschaft, Freiheit, 185, 202. 147 Peters, in: Dietz, Festschrift Nipperdey, 877, 880; differenzierend Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 119 f. 145

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walt gerichtet zu haben. Bei näherer Betrachtung ist seine Bewertung jedoch nicht nachvollziehbar. Entscheidend für die Bestimmung der Staatsgewalt und zugleich Anlaß für kritische Nachfrage ist die von ihm gewählte Abhängigkeit des Selbstverwaltungsträgers vom Staat. Von Salzwedel unterscheidet er sich damit weniger in der Herangehensweise als vielmehr im – ergebnisorientierten – Maßstab und den daraus gezogenen Schlußfolgerungen. Emde hat die Folgen seiner Zuordnung zur Staatsgewalt, nämlich die Bindung an das demokratische Prinzip, stets im Auge. Ruft man sich in Erinnerung, daß staatliche Steuerung zugleich Mittel der demokratischen Legitimation ist148, muß man feststellen, daß er das Legitimationserfordernis, also die Bedingung, durch das Maß der bestehenden Legitimationsvorkehrungen, also deren Erfüllung, bestimmt. Somit steht hohe Legitimation für Staatsgewalt, niedrige hingegen für Gesellschaft. Eine große Abhängigkeit hat die Tendenz, eine Steigerung dieser Abhängigkeit zu fordern, während geringe Abhängigkeit diese Notwendigkeit verneint. Emde dreht damit das Verhältnis von Art. 20 Abs. 2 GG um, denn richtigerweise muß das legitimiert werden, was Staatsgewalt ist149. Lücken in der demokratischen Legitimationsstruktur sind nach diesem Konzept nicht einfach ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip, sondern bereits eine Negation der Staatsgewalt, die in der Gesamtschau über die Zuordnung entscheidet. Eine Differenzierung zwischen fehlender staatlicher Einheit und gesellschaftlicher Freiheit findet jedoch nicht statt. Zur Begründung kann sich Emde auch nicht auf die Position Salzwedels zur Staatsaufsicht berufen. Obwohl Emdes Auslegung im Einklang mit einem verbreiteten Verständnis von Salzwedels Ausführungen steht150, soll dies hier zumindest mit einem Fragezeichen versehen werden. Grund dafür ist nicht nur, daß Salzwedel selbst den Schluß auf die Staatsgewalt nicht zieht. Auch in anderem Zusammenhang gibt er vielfältige Hinweise, die durchaus im Sinne einer Zuordnung von Selbstverwaltung und Staatsgewalt interpretierbar sind151. Daher ist zunächst festzuhalten, daß die Frage nach der Staatsgewalt nicht ohne weiteres im Hinblick auf die Rechtsfolgen für die Selbstverwaltung beantwortet werden kann. Legitimationserfordernis und Eigenverantwortlichkeit geraten dabei notwendig in einen Konflikt, der nicht auf der Ebene der Staatsgewalt ausgetragen werden darf, sondern nur eine Folge ihrer Bejahung sein kann. Die Zuordnung zur Staatsgewalt muß unabhängig davon sein, ob die jeweilige Selbstverwaltungseinrichtung mehr oder weniger unter staatlichem Einfluß 148

Zum Zusammenhang Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 12. Zum logischen Vorrang von Staatsgewalt gegenüber ihrer Legitimation Jestaedt, Der Staat 32, 29, 51. 150 Ebenso die Einschätzung bei Frotscher, in: v. Mutius, Festgabe v. Unruh, 127, 142; Hendler, Selbstverwaltung, 278; H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 176. 151 Salzwedel in: Tettinger/Mann/ders., Wasserverbände, 67, 70 f., 86, 88. Gleichwohl ist anzuerkennen, daß die Ausführungen Salzwedels zur Selbstverwaltung begrifflich mißverständlich sind, etwa VVDStRL 22, 206, 225, 227. 149

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steht, zumindest muß jedoch der Grund für die Unabhängigkeit ermittelt werden152. Mit seiner Abgrenzung stellt Emde zudem den Begriff der Selbstverwaltung in Frage. Mit dem Grad der Abhängigkeit ist die Eigenverantwortlichkeit als entscheidendes Wesensmerkmal der Selbstverwaltung angesprochen153. Echte Selbstverwaltung, nämlich weitgehend eigenverantwortliche, scheidet er nicht nur aus der Sphäre der Staatsgewalt, sondern auch aus seiner Untersuchung, der „Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung“, aus. Für diese bleibt – immerhin der größere Teil der Selbstverwaltungskörperschaften – die Selbstverwaltung in der mittelbaren Staatsverwaltung, die nach seiner Argumentation zu Unrecht Selbstverwaltung genannt wird. Das entscheidende Mißverständnis Emdes liegt in seiner begrifflichen Gleichsetzung von Staatsgewalt mit einem auf die staatliche Ebene verengten Begriff von Staatlichkeit154. Sie wird augenfällig in seiner Ablehnung jeder formal-organisatorischen Abgrenzung der Staatsgewalt, weil sich dadurch „der Staat durch eine kleine juristische Operation, die Gründung eines mit dem schmückenden Beiwort der Selbstverwaltung drapierten rechtsfähigen Verwaltungsträgers, bei der Erfüllung seiner Verwaltungsaufgaben dem strengen Regiment der Verfassung entziehen könnte“155. Der Gedanke, daß auch (freie bzw. echte) Selbstverwaltung zur Staatsgewalt zählen könnte und die „kleine juristische Operation“ ins Leere laufen würde, erscheint an keiner Stelle. Emde ist insoweit Gefangener seiner eigenen Begriffsbildung, deren Mängel sich mit ihrer Konkretisierung erweisen. Dazu gehört etwa, daß die kommunale Selbstverwaltung heute fast unstreitig der Staatsgewalt zugeordnet wird. Wohl in Anbetracht dieser herrschenden Auffassung weicht er der Feststellung, daß die kommunale Selbstverwaltung in seinem System wegen Art. 28 Abs. 2 GG nicht zur Staatsgewalt gehören kann, dadurch aus, daß er die Frage als rein rechtstheoretisch abtut156. Die öffentlichen Hochschulen werden für ihn ob der Formulierung in § 58 Abs. 1 HRG zu einem echten Zuordnungsproblem. Auch der andere funktionalistische Ansatz, die Staatsaufgabenlehre, kann keinen überzeugenden Lösungsbeitrag leisten. So eingängig und nachvollziehbar 152 Konsequenterweise dürften sonst auch die ministerialfreien Räume im Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung nicht zur Staatsgewalt gehören. Das Problem ihrer Legitimation fände eine andere, völlig unerwartete Lösung. 153 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 2 (5. Aufl.), § 84, Rn. 36. 154 Emde, Demokratische Legitimation, 304 f. 155 Emde, Demokratische Legitimation, 264. Zur Unzulässigkeit dieser Annahme Frotscher, in: v. Mutius, Festgabe v. Unruh, 127, 144; Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 543, Fn. 56. 156 Emde, Demokratische Legitimation, 267, Fn. 27. Gleiches gilt für das ungeklärte Verhältnis, wenn Selbstverwaltungsträger nicht zur Staatsgewalt gehören sollen, wohl aber über ihre Eingriffsbefugnisse Staatsgewalt ausüben können, 213, 215. Ob sie insoweit von der demokratischen Legitimation ausgenommen sind, was nichts anderes als einen Bagatellvorbehalt bedeuten würde, oder dem Status von Beliehenen vergleichbar sind, bleibt offen.

IV. Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht

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ihre Bildung unterschiedlicher Kategorien ist, es stellt sich doch die Frage, ob sie genügt. Ossenbühl trifft den Kern des Problems, wenn er fragt, „wie man erkennen kann, ob der Staat eine Agende als die seinige prädiziert oder aus dem gesellschaftlichen Raum evoziert hat“157. Nur für wenige Fälle scheint es negative verfassungsrechtliche Bestimmungen über Aufgaben zu geben, die dem Staat grundsätzlich verschlossen sind, nach dieser Lesart also nie Staatsaufgabe sein können. Genannt werden hier gemeinhin der öffentlich-rechtliche Rundfunk gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und die Hochschulen gemäß Art. 5 Abs. 3 GG. Aber erneut zeigen sich an Art. 28 Abs. 2 GG für die kommunale Selbstverwaltungen die Grenzen eindeutiger Aussagen. Zudem verbindet sich mit diesen Verfassungsnormen die Frage, ob sie tatsächlich einen gänzlichen Ausschluß aus der staatlichen Sphäre oder nur eine besondere – nämlich unabhängige – Organisationsform gebieten. Einheitliche Zuordnungskriterien sind also nicht erkennbar158. Der Grund dafür stellt zugleich die Eignung der Kategorie der Staatsaufgabe zur Bestimmung der Staatsgewalt in Frage. Denn ebenso, wie der tatsächliche Aufgabenbestand des Staates von den politischen Vorstellungen abhängt, die sich in den staatlichen Entscheidungsinstanzen institutionalisieren und durchsetzen159, ist die Beurteilung, was eine staatliche Aufgabe sein soll, vom Urteil des Betrachters abhängig. Daneben bestehen grundsätzliche Einwände gegen die ausschließliche Verknüpfung von Staatsaufgabe und Staatsgewalt160. Wie schon für die grundrechtsnahen Einrichtungen stellt sich allgemein die Frage, ob die Nichtstaatlichkeit der Aufgabe auch auf die materielle Zuordnung der mit ihrer Ausübung befaßten Einrichtungen zur Gesellschaft durchschlägt oder nur eine besondere Form der Aufgabenerfüllung erfordert. Zum anderen wurde in der Staatsaufgabenlehre neben den staatlichen und den privaten Aufgaben die Figur der öffentlichen Aufgabe entwickelt, die an einer Überwindung des Dualismus von Staat und Gesellschaft orientiert ist161. Aber ebensowenig wie die öffentliche Aufgabe mit Staatsgewalt identisch ist, ist sie es mit deren definitionsmäßigen Gegenpol162. Daher löst eine Trias bzw. eine Trichonomie163 das Problem nicht, sondern steht der erforderlichen Unterscheidung sogar entgegen164. Dies nährt 157

Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 155. Übersicht zum Meinungsstand bei Emde, Demokratische Legitimation, 250 ff.; Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 154 f. 159 Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 153 f.; Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 157. 160 Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 546. 161 Ossenbühl, Rundfunk, 19, 36. 162 Di Fabio, VVDStRL 56, 235, 264. 163 Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 88, m.w. N. 164 Die auf dieser Vorstellung aufbauende Lehre vom Dritten Sektor wurde darum bereits aus der Untersuchung ausgeschlossen. Möllers, Staat als Argument, 320; Kahl, Jura 2002, 721, 723 f. 158

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

den Verdacht, daß hier schon ein Fehler im Ausgangspunkt besteht. Soweit Staatsgewalt durch den Begriff der Staatsaufgabe bestimmt werden soll, dieser aber nicht ohne Rückgriff auf den Staat auskommen kann, handelt es sich um eine zirkuläre Argumentation165. Eine ausschließliche Gleichsetzung von Staatsgewalt und Staatsaufgabe ist unzulässig und in den Abhandlungen dazu wohl nicht stets intendiert. Auch Emde, der diese Ableitung propagiert, formuliert wohlweislich zurückhaltend: „Diese Konsequenz ist zwar bislang nicht zuletzt wegen der damit verbundenen verfassungsrechtlichen Folgelasten – Bindung an das demokratische Prinzip – von Rechtsprechung und Wissenschaft gescheut worden (. . .)“166. Damit muß auch der Aufgabenbegriff als Kriterium zur Bestimmung der Staatsgewalt außer Betracht bleiben. Schmidt-Aßmann stellt die Ausübung von Herrschaft in den Mittelpunkt seiner Abgrenzung von Staat und Gesellschaft. Obwohl er allgemein von Entscheidung und Selbstdarstellung spricht, werden erst die hoheitlichen Befugnisse zu deren Durchsetzung zum eigentlichen Merkmal der Staatsgewalt. Damit führt er zwar die traditionelle Linie der Staatsrechtslehre fort, ohne jedoch auf eine Gleichsetzung des Öffentlich-Rechtlichen mit dem Staat zu rekurrieren. Richtigerweise bestehen diese „Herrschaftsmöglichkeiten“ nicht originär und als Ausdruck individueller Freiheit, sondern sind staatlich verliehen, so daß für sie grundsätzlich ein demokratisches Legitimationsbedürfnis besteht. In seinen weiteren Ausführungen dazu wird allerdings erkennbar, daß seine Zuordnung zumindest mit einem Fragezeichen zu versehen ist. Weil er die Selbstverwaltungsträger als Kooperationsorgane betrachtet, in denen sich bildlich gesprochen Staat und Gesellschaft mit jeweils eigenen Beiträgen treffen, bleibt es dabei, daß nur die staatlichen Bestandteile bzw. übertragenen staatlichen Aufgaben der demokratischen Legitimation gemäß Art. 20 Abs. 2 GG unterliegen. Der Grund dafür ist – so muß man schlußfolgern –, daß nur sie Staatsgewalt im eigentlichen Sinne sind. Nur weil dieser Bereich die Selbstverwaltung organisatorisch umgebe und eine Trennung in die staatlichen und gesellschaftlichen Kooperationsbeiträge nicht möglich sei, ordnet er sie insgesamt der Staatsgewalt zu167. Deren intermediären Status näher käme es jedoch, nur von „Staatsgewalt im weiteren Sinne“, und zwar in der Bedeutung einer abgeschwächten Form, zu sprechen oder die Zuordnung nur soweit vorzunehmen, wie die staatlichen Beiträge reichen168. Berechtigte Zweifel erheben sich auch gegenüber den Folgen 165

Ebenso Jäkel, DVBl. 1983, 1133 f. Emde, Demokratische Legitimation, 257. Andererseits wäre der Widerspruch zum Grundgesetz wohl zu offensichtlich, wollte man für den intermediären Bereich den Begriff der öffentlichen Gewalt erschließen und in Abgrenzung bringen, weshalb dieser Schritt – soweit erkennbar – noch nicht unternommen wurde. 167 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 377. 168 Auf eine entsprechende Diskussion für die Grundrechtsverpflichtung und -berechtigung kann hier verwiesen werden. 166

IV. Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht

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seiner Einteilung auf der Ebene der demokratischen Legitimation. Obwohl es sich um ein „spezifisches Zusammenwirken“ handelt, das eine Trennung auf der Ebene der Staatsgewalt nicht erlaubt, soll dies nun aber notwendig werden, weil „die staatlichen Beiträge zum Kooperationsbereich, die dazu veranlassen, in diesem Bereich von einer Ausübung von Staatsgewalt zu sprechen, einer Legitimation im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG bedürfen“169. Für die praktische Durchführbarkeit dieser Legitimation genügen der „institutionelle Gesetzesvorbehalt“ sowie „gewisse gesetzliche Steuerung und der Vorbehalt der Rechtsaufsicht“ sicher nicht. 8. Eigener Ansatz Das Argument der Hoheitsbefugnisse wie auch die übrigen bereits genannten formalen Abgrenzungskriterien liefern wichtige Hinweise für die Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft. Auf ihre Gesamtschau kann schon deshalb nicht verzichtet werden, weil ein singuläres Erklärungskonzept nicht ersichtlich ist. Ihre jeweiligen Schwächen, die jedes Ergebnis in Frage zu stellen vermögen, nötigen jedoch dazu, sich gerade den Aspekten zuzuwenden, die den Kern unserer Zweifel ausmachen. Zwei grundlegende Gedanken sind an den Anfang zu stellen: Zum einen hat der Staat im Verhältnis zur Gesellschaft eine spezifische Funktion, die mit den Begriffen Ordnung und Steuerung belegt werden können170. Zum anderen wird diese Funktion durch das Gewaltmonopol gewährleistet. Für Art. 20 Abs. 2 GG bedeutet das: Während Organisationen mitsamt ihrem Wirkungsbereich nur legitimationsbedürftig sind, wenn sie staatlich sind, bedarf hoheitliche Gewalt immer der demokratischen Legitimation, weil sie nur staatlich sein kann. Sie ist differentia specifica. Die Schlußfolgerung, alle Organisationen, die über Hoheitsbefugnisse verfügen, müssen staatlich, ergo zu legitimierende Staatsgewalt sein, wäre allerdings zu kurz gegriffen. Sie gibt keine Antwort auf die Frage nach den Handlungen jener intermediären Einrichtungen, die gerade keine Ausübung von Hoheitsgewalt sind171. Der Grund dafür liegt darin, daß das Kriterium der hoheitlichen Befugnisse im Hinblick auf das Demokratieprinzip keine Entsprechung findet, für das aber hier der Anwendungsbereich gesucht wird. Daher ist zusätzlich die konkrete Ausgestaltung der Ordnungs- und Steuerungsfunktion zu beachten, die in einer Vielzahl hochdifferenzierter, abgestufter Regelungsmechanismen zum Ausdruck kommt. In dem hier interessierenden Zu169 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 377. Diese Frage ist im kommenden Kapitel genauer zu untersuchen. 170 K. Hesse, DÖV 1975, 437, 439. 171 Man denke dabei nur an den beliehenen Unternehmer, den man damit in allen seinen Lebensäußerungen dem staatlichen Bereich zurechnen könnte. Dazu Isensee, Subsidiaritätsprinzip, 156.

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

sammenhang bewegen sie sich zwischen den Polen staatlicher Regulierung und Regelung gesellschaftlicher Selbstorganisation, zwischen Staat und Gesellschaft. Aber auch diese sind letztlich nur Anhaltspunkte, die sich in das verfassungsmäßige Gefüge von Staat und Gesellschaft fügen müssen. Worum es sich im konkreten Fall handelt, ist nur in wenigen Fällen durch das Grundgesetz bestimmt, sonst aber der gesetzgeberischen Entscheidung überlassen172. Um diese zu systematisieren bietet es sich an, die von Hoffmann-Riem unterschiedenen Grundtypen staatlicher Regulierung heranzuziehen, in denen er die Abstufungen der jeweiligen Regulierungsfunktionen nachzeichnet173. Das Modell der Selbstverwaltung ist danach „staatliche Regulierung unter Einbau selbstregulativer Elemente“. Die begrenzte Selbstregulierung wird durch die staatliche Regulierung erst geschaffen und in das staatliche Regelungskonzept integriert. Die staatliche Erfüllungsverantwortung soll durch den Spielraum zu autonomen Entscheidungen lediglich verbessert, nicht aber in Frage gestellt werden174. Insoweit bleibt sie mediatisierte staatliche Regulierung. Sie ist keine Form gesellschaftlicher Selbstorganisation, die lediglich in einem öffentlich-rechtlichen „Regelungsgefäß“ stattfindet175. Weil uns gerade das „selbstregulative Element“ an der Zuordnung zweifeln läßt, ist dafür eine besondere Begründung erforderlich. Es beruht auf den Aspekten der Betroffenenbeteiligung und der Unabhängigkeit, deren Rolle für das Regelungskonzept erklärt werden muß. a) Die Betroffenenbeteiligung Nach der hier vertretenen Auffassung liegt in dem Zweck der Betroffenenbeteiligung zugleich das entscheidende Abgrenzungs- und Zuordnungskriterium. Erweist sie sich als Mittel im Dienst eines übergeordneten Ziels der Gemeinwohlverwirklichung, tritt ihr gesellschaftlicher Ursprung in den Hintergrund. Sie ist dann nicht mehr allein Ausdruck gesellschaftlicher Freiheit und bloßer staatsbürgerlicher Teilnahme176. Ob es sich so verhält, hängt insbesondere vom Inhalt der gesetzlichen Regelungen im übrigen ab. In ihnen muß das bereits 172

Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann, Wechselseitige Auffangordnung, 261,

298. 173 Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann, Wechselseitige Auffangordnung, 261, 300. Ein ähnliches Schema findet sich schon bei Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 166, der zwischen staatlichen, quasi-staatlichen, fast-staatlichen und nichtstaatlichen Einheiten unterscheidet, damit aber nur eine jeweils abgestufte Zuordnung zwischen Staat und Gesellschaft verbindet. 174 Hier gilt letztlich das gleiche Prinzip, das Di Fabio, VVDStRL 56, 235, 278, These 2, bei der Selbstregulierung festgestellt hat: „Der Staat mobilisiert Steuerungsressourcen, indem er normative und faktische Grenzen zwischen Staat und Gesellschaft gezielt unscharf werden läßt.“ 175 Ebenso, aber kategorischer Di Fabio, VVDStRL 56, 235, 270: „Selbstverwaltung ist Staat, Selbstregulierung bleibt Gesellschaft.“ 176 Hendler, Selbstverwaltung, 278.

IV. Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht

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erwähnte staatliche Organisations- und Steuerungsinteresse die Beteiligung zur Voraussetzung machen. Es ist diese Form von Abhängigkeit, auf die es für die Staatsgewalt ankommt177. Anders aber als bei Emde wird die Zugehörigkeit zur Staatsgewalt hier nicht von der Dichte der Abhängigkeit bestimmt, sondern von der jeweiligen Funktion, den die „nichtstaatliche“ Mitwirkung darin einnimmt. Während Emde seinen Ansatz quantitativ bestimmt, geht es hier um den qualitativen Aspekt einer öffentlichen Zwecksetzung178. Tatsächlich entspricht es allgemeiner Ansicht, daß das Modell der Selbstverwaltung – und hier kann eine generalisierende Formulierung gewählt werden – die Beteiligung stets als Mittel der Informations- und Entscheidungsverbesserung vorsieht179. Es besteht die Vermutung, daß die Verwaltungsleistung in staatsunmittelbarer oder in mittelbarer weisungsunterworfener Organisation nicht vergleichbar erbracht werden könnte. Beteiligung ist insoweit unverzichtbarer Teil – nach Hendler konstitutives Element – des Regelungsmodells Selbstverwaltung, das in der Charakterisierung als „Disziplinierung von Sozialbereichen“ vielleicht nur unzureichend Ausdruck gefunden hat180. Daß in ihnen zugleich partikulare Interessenverfolgung zum Tragen kommen kann, muß als notwendiger, aktivierender Teil des Regelungszwecks verstanden werden181. Aus der Funktion der Betroffenenbeteiligung folgt zugleich, daß die Aufteilung zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Beiträgen innerhalb der jeweiligen Selbstverwaltungseinrichtung nicht nur nicht möglich182, sondern auch nicht erforderlich ist. Die originären Selbstverwaltungsbeiträge stehen – entgegen der Auffassung von Schmidt-Aßmann – in funktionalem Zusammenhang zur Staatsgewalt. Anders als bei Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht hier jedoch keine

177 Bei Schmidt-Aßmann, in: Selmer/v. Münch, Gedächtnisschrift Martens, 249, 258, kommt das treffend als staatliche Substanz zum Ausdruck, also ein besonderes Maß an staatlichem Erfüllungs- und Abwicklungsinteresse. 178 Dieser scheint viel eher einer funktionalen Unterscheidung von Staat und Gesellschaft zu entsprechen. Näher dazu Rupp, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 31, Rn. 26; Frotscher, in: v. Mutius, Festgabe v. Unruh, 127, 142. 179 BVerfGE 15, 235, 242 f.; 33, 125, 159; Oebbecke, Verw.Archiv 81, 349, 352; Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 536 f., 553; H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 175; Salzwedel, in: ders./Tettinger/Mann, Wasserverbände, 67, 81; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, 251. Ihre genaue Funktion wird erst im Rahmen der Legitimationsfrage eine Rolle spielen. 180 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, § 25 I a). Treffender ist es wohl, sie mit den Worten Carl Schmitts als Institution zu bezeichnen, „die also solche immer etwas Umschriebenes und Umgrenztes, bestimmten Aufgaben und bestimmten Zwecken Dienendes ist“, Verfassungslehre, 171. 181 Ausdrücklich nunmehr BVerfGE 107, 59, 92 f. Ebenso Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 537; Jäkel, DVBl. 1983, 1133, 1138 f. 182 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 377, räumt selbst ein, daß diese Fragmentierung im spezifischen Zusammenwirken der Selbstverwaltung nicht möglich sei. Seine pauschale Zuordnung muß dadurch erklärt werden.

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

Staatsgewalt vom „Selbstverwaltungsvolk“ aus183. Vielmehr handelt es sich um einen Modus ihrer inhaltlichen Bestimmung. Daher ist es nicht grundrechtliche Freiheit, sondern die staatliche Zulassung, die die Einflußmöglichkeit auf die Willensbildung der Selbstverwaltungsorgane rechtfertigt184. Selbstverwaltung kann daher nur im weiteren Sinne als echte Kooperationsform zwischen Staat und Gesellschaft bezeichnet werden185. Die Zuordnung der Selbstverwaltung zur Staatsgewalt über die Funktion der Betroffenenbeteiligung findet in der üblichen Ausgestaltung als Zwangsverbände eine weitere Bestätigung, weil sie erst die wesentliche Voraussetzung zur unverzichtbaren Kanalisierung des Willensbildungsprozesses ist186. Die Organisationsform der Selbstverwaltung als Körperschaft bzw. Anstalt des öffentlichen Rechts ist insoweit von Bedeutung, als sie im Interesse der „unabhängigen Wahrnehmung ihrer Aufgaben“ besteht187. Damit ist nicht nur die Unabhängigkeit vom Staat gemeint, sondern die erforderliche demokratische und rechtsstaatliche Distanz einer staatlichen Einrichtung zur Gesellschaft im übrigen. Unter diesem Gesichtspunkt sollte die Unabhängigkeit sichernde Organisationsform – so zweifelhaft diese als Kriterium auch sein mag – nicht gering geschätzt werden188. Schließlich erleichtert es diese Zuordnung, die Geltung der Rechtsaufsicht für die Selbstverwaltung zu begründen, da sie damit insgesamt der Gesetzesbindung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG unterfällt189.

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Vgl. F. Mayer, in: Demokratie und Verwaltung, 327, 333. Gleichermaßen grenzt Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 86, Rn. 39, die Wahrnehmungszuständigkeiten der Selbstverwaltungsträger vom Handeln aus eigenem Recht ab. H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 173, spricht davon, daß die Verwaltungsangelegenheiten ohne Anerkennung eines darauf gerichteten Anspruchs überlassen werden. Ein Grund für die Mißverständnisse über die Selbstverwaltung mag historisch darin begründet sein, daß das Bürgertum die ihm gewährte Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert zum Mittel politischer Mitsprache im Staat machte. Sie wurde also zum Ausgangspunkt für die Ausdehnung der gesellschaftlichen Freiheitssphäre. Mit dem ursprünglichen Zweck hatte dies nichts mehr zu tun, die gedankliche Gleichsetzung hält freilich bis heute an. 185 Anders als bei Di Fabio angedeutet, VVDStRL 56, 235, 241 f., ist auch die Selbstverwaltung kein Gesetzesvollzug durch gesellschaftliche Kräfte, sondern allein Ausübung öffentlicher Gewalt. 186 BVerfGE 15, 235, 242 f. Der Vollständigkeit halber ist allerdings auf Einrichtungen hinzuweisen, deren Mitgliedschaft auf Freiwilligkeit beruht. Dazu gehören etwa die Universitäten und Handwerksinnungen. Gegen das Kriterium der Zwangsmitgliedschaft Oebbecke, Verw.Archiv 81, 349, 359. Vgl. auch Jäkel, DVBl. 1983, 1133, 1139. 187 Lüthje, in: Denninger, HRG, § 58, Rn. 17. 188 Anders Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 168 f. 189 H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 177, Fn. 64. 184

IV. Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht

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b) Die Unabhängigkeit Die Unabhängigkeit ist die notwendige Ergänzung zur Verwirklichung der Betroffenenbeteiligung. Sie steht der Staatsgewalt allerdings nicht entgegen, sondern ist nur eine mehr oder weniger starke Betonung des Oppositions- bzw. Zuordnungsprinzips190. Ihr eigentliches und schwerwiegendes Problem liegt auf der Ebene der demokratischen Legitimation bei der Begrenzung der parlamentarischen Kontrolle. Insoweit unterscheidet sich die Selbstverwaltung nicht von den unabhängigen – ministerialfreien – Organisationseinheiten innerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung191. Tatsächlich ist es allein die Funktion der Betroffenenbeteiligung, die über die Zuordnung zur Staatsgewalt entscheiden kann. Die verbreitete Gleichsetzung der begrenzten Unabhängigkeit in der Selbstverwaltung mit gesellschaftlicher Freiheit erweist sich daher als vordergründig, weil der Einzelne hier Zugang zur Staatsgewalt erhält, der er sich sonst gegenübersieht192. Treffender ist dagegen die Abgrenzung bei Isensee: „Wo immer der organisierten Staatsgewalt rechtsstaatliche Grenzen gesteckt werden, entstehen jene ,staatsfreien Räume‘, welche die Gesellschaft auffüllt“193. Das bedeutet hier, daß der gesellschaftliche Bereich zu finden ist, wo die Staatsgewalt endet, nicht aber dort, wo die Unabhängigkeit vom „Staat“ beginnt. Welche Rolle spielen hier aber die eingangs erwähnten Hoheitsbefugnisse, auf die auch Schmidt-Aßmann seine Argumentation aufbaute? Auf die Ausstattung der Selbstverwaltungsträger mit Hoheitsbefugnissen kommt es insoweit an, als sie nicht nur Indiz, sondern auch Notwendigkeit zur potentiellen Durchsetzung der Regelungsziele sind194. Ohne die Durchsetzungsmittel wäre ein staatlich zu nennendes Organisationsmodell unvollständig195. In ihnen erweist sich der Staat als Staat und der Unterschied zum Bürger. Umgekehrt wurde hier aber dargetan, daß sich Staatsgewalt auch bei den Selbstverwaltungseinrichtungen nicht auf die Ausübung von Hoheitsbefugnissen beschränkt und an ihnen erkennbar wird, nur weil sie sich durch diese definiert196. 190 Vgl. 2. Kap., IV. 2. Im Verhältnis zu den neueren Formen der gesellschaftlichen Selbstregulierung ist diese Unabhängigkeit allerdings ein erster Schritt der „Abkehr von der imperativen Zweckverwirklichung“, dazu Schmidt-Preuß, VVDStRL 56, 160, 162. 191 Zur Begründung 3. Kap., II. 2. b) bb). 192 Vgl. dazu BVerfGE 10, 89, 104. 193 Isensee, Subsidiaritätsprinzip, 153. 194 Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR II, § 15, Rn. 89. Auf den im Hinblick auf zunehmenden Souveränitätsverlust beklagten Mangel an Durchsetzungsmächtigkeit kommt es demgegenüber nicht an, weil Staatsgewalt hier qualitativ bestimmt wird. Vgl. Herzog, Allgemeine Staatslehre, 181 ff. 195 Möllers, Staat als Argument, 249. 196 Möllers, Staat als Argument, 315.

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

9. Insbesondere: Rundfunk und Universität a) Problemstellung Im Verhältnis zur Selbstverwaltung im allgemeinen wird die Diskussion über die grundrechtlich-funktionelle Selbstverwaltung und ihr Verhältnis zu Staat und Gesellschaft besonders intensiv geführt. Es handelt sich dabei um diejenigen Selbstverwaltungsträger, deren Unabhängigkeit unmittelbare Folge grundrechtlicher Schutzbereiche ist197. Im wesentlichen ist das Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Art. 5 Abs. 3 GG für die öffentlichen Hochschulen. Die verfassungsrechtliche Sonderstellung, aber auch die bis heute nicht überwundenen Gegensätze der Lehrmeinungen erfordern eine gesonderte Erörterung. b) Die Einordnung als Selbstverwaltungseinrichtungen Ihrer Rechtsnatur nach handelt es sich sowohl bei Hochschulen wie auch bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten um Selbstverwaltungseinrichtungen. Die öffentlichen Hochschulen sind, wie es in § 58 Abs. 1 HRG ausdrücklich heißt, Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die die Selbstverwaltung kennzeichnende Betroffenenbeteiligung hat im Modell der Gruppenuniversität einen komplexen Ausdruck erhalten198. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten hingegen sind rechtsfähige Anstalten, die aber aufgrund der pluralen Besetzung der Rundfunkräte über körperschaftliche Elemente verfügen und daher ebenfalls zu den Selbstverwaltungsträgern gezählt werden199. Daß diese Zuordnung nicht auf der Hand liegt, deutet sich jedoch schon bei Hendler an, der – zur Wahrung seines Selbstverwaltungsbegriffs – den Rundfunkanstalten eine spezielle Form der Betroffenenverwaltung zuschreiben muß, in der die Betroffenen mit der Gesamtbürgerschaft der BRD identisch seien200. Wer demgegenüber an der Abgrenzbarkeit der Selbstverwaltungseinrichtungen gegenüber der Allgemeinheit festhält, muß die Rundfunkanstalten konsequent aus diesem Kreis ausnehmen201. Darauf ist hier allerdings nicht weiter einzugehen, da nicht die Frage der genauen Gestalt der Selbstverwaltung, sondern die Zuordnung einer unabhängigen Verwaltungseinrichtung zur Staatsgewalt im Vordergrund steht.

197 Zur Unterscheidung zwischen grundrechtlich-funktioneller und institutionellfunktioneller Selbstverwaltung, Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 381 ff. 198 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 40; Hailbronner, in: ders., Hochschulrahmengesetz, Ordner 2, § 58, Rn. 8. 199 BVerfGE 31, 314, 327; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, D, Rn. 13. 200 Hendler, Selbstverwaltung, 286 f.; ebenso: Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 123. 201 Schmidt-Aßmann, in: Selmer/v. Münch, Gedächtnisschrift Martens, 249, 262.

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aa) Rundfunk und Staatsgewalt (1) Überblick Während die Selbstverwaltung im allgemeinen zwar als staatsdistanziert, zugleich aber nur so vage beschrieben wird, daß Schlußfolgerungen für die Frage der Staatsgewalt häufig nicht gezogen werden können, lassen es die Ausführungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk diesbezüglich an Klarheit nicht vermissen. Ein gewisser Konsens herrscht darüber, daß Rundfunk eine öffentliche Aufgabe ist, in deren Gestaltung der Staat aufgrund von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG weitreichenden Bindungen unterliegt. Im übrigen ist das Meinungsbild aber vielfältig und von grundsätzlichen Meinungsunterschieden geprägt. Aus der Rundfunkfreiheit wird zum Teil der Schluß gezogen, daß die Rundfunkanstalten trotz ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform weder Teil der mittelbaren Staatsverwaltung noch sonst Teil organisierter Staatlichkeit sein können202. Der Staat schaffe insoweit lediglich eine organisatorische Hülle für ein im übrigen gesellschaftliches Medium. Weniger weitgehend wollen andere diese Exemtion auf die Reichweite der grundrechtlichen Gewährleistung beschränken: Soweit der Bezug zu einem grundrechtlichen Lebensbereich reiche, entziehe sich die öffentlich-rechtliche Rechtsperson auch dem Begriff der Staatsverwaltung und sei damit auch keine mittelbare Verwaltung mehr203. Daher könne jedenfalls die inhaltliche Tätigkeit der Rundfunkanstalten selbst bei öffentlich-rechtlicher Organisation niemals öffentliche Verwaltung sein. Gemeinsam ist beiden Positionen eine mehr oder weniger weitgehende Ausgrenzung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bzw. der Rundfunkveranstaltung aus dem Bereich der öffentlichen Verwaltung und damit auch aus der Staatsgewalt204. Entsprechend wird der Bezug zum Demokratieprinzip allein über die demokratische Funktion der freien Rundfunkveranstaltung gesucht, nicht aber über deren demokratische Legitimation. Eine dem entgegengesetzte Ansicht zieht aus der Bindung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG jedoch nicht den Schluß, Rundfunk müsse außerhalb des Staates orga-

202 Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 1, Art. 5, Abs. 1 und 2, Rn. 763; Ossenbühl, Rundfunk, 15; Scheuner, Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit, 39 f., 42; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, D, Rn. 13; C. Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/ders., Bonner Grundgesetz 1, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2, Rn. 113, 130; Sondervotum der Richter Geiger, Rinck und Wand zu BVerfGE 31, 315, 337, 340; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56, 160, 164 f., Fn. 6; Bethge, DVBl. 1987, 663 f.; A. Hesse, Rundfunkrecht, Kap. 4, Rn. 50 ff. 203 Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 86, Rn. 85; BGHZ Gr. Senat 66, 182, 185 ff.; kritisch dazu, weil es sich um einen untrennbaren Bereich handle, A. Hesse, Rundfunkrecht, Kap. 4, Rn. 55. 204 Emde, Demokratische Legitimation, 267.

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

nisiert werden205. Weil es im Kern nur um das Lenkungs- und Herrschaftsverhältnis gehe, sei allein die Unabhängigkeit von staatlichen Weisungen entscheidend. Staatsfreiheit des Rundfunks bedeute insoweit, daß die Gestaltung des Programms unabhängig von der Regierung durch die Rundfunkgremien selbst zu erfolgen habe206. Unter Beachtung dieser Vorgaben könne Rundfunk sogar staatsunmittelbar organisiert werden207. Der Zuordnung zur Staatsgewalt stehen von dieser Seite keine Hindernisse entgegen208. Maßgeblicher Bezugspunkt der wissenschaftlichen Diskussion ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Schon früh hat es die Rundfunkveranstaltung als öffentliche Aufgabe und darüber hinaus auch als staatliche Aufgabe bezeichnet209. Ihre Erfüllung durch Anstalten des öffentlichen Rechts falle in den Bereich der öffentlichen Verwaltung. Insbesondere die Wertung als staatliche Aufgabe war seither Gegenstand heftiger Angriffe und wurde mehrheitlich auf die dem Urteil zugrundeliegende Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern nach Art. 30 GG bezogen210. Auf den nur begrenzten Aussagewert der Kategorien öffentlicher und staatlicher Aufgaben wurde bereits an anderer Stelle hingewiesen211. Daher soll dieser Frage auch nicht weiter nachgegangen werden. Wichtiger ist hier, daß das Bundesverfassungsgericht an seiner Rechtsprechung – allerdings unter Vermeidung des Begriffs der staatlichen Aufgabe – 205 BVerwG DÖV 1987, 205 f.; Püttner, DÖV 1988, 357 f.; Hain, Rundfunkfreiheit, 142 f.; Rudolf, Über die Zulässigkeit privaten Rundfunks, 68 f.; Möllers, Staat als Argument, 332; Frotscher, in: v. Mutius, Festgabe v. Unruh, 127, 143. 206 Bullinger, in: Isensee/Kirchhof, HBStR VI, § 142, Rn. 127. 207 Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2, Rn. 213 a; siehe auch Fichtmüller, AöR 91, 297, 347, Fn. 286; Sachs, NJW 1987, 2338, 2340. Dagegen jedoch BVerfGE 31, 314, 329, daß die Länder die Aufgaben der Rundfunkanstalten wegen des Gebots der Staatsfreiheit nicht unmittelbar wahrnehmen können. 208 Vgl. auch E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 130 ff. und Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 368 ff., die die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu den ministerialfreien Räumen zählen und damit Staatsgewalt voraussetzen. Ebenso zunächst Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 43 f., jetzt aber zweifelnd, ders., Verw.Archiv 81, 349, 357. Dagegen differenzierend: Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 110 f. 209 BVerfGE 12, 205, 243 ff.: „Die Veranstaltung von Rundfunksendungen ist nach der deutschen Rechtsentwicklung eine öffentliche Aufgabe. Wenn sich der Staat mit dieser Aufgabe in irgendeiner Form befaßt, wird sie zu einer ,staatlichen Aufgabe‘ (. . .).“ Zuvor schon BVerfGE 7, 99, 104. 210 Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 119, Fn. 242; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 1, Art. 5, Abs.1 und 2, Rn. 763; Scheuner, Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit, 39 f.; Ossenbühl, Rundfunk, 33; vergleiche auch das Sondervotum der Richter Geiger, Rinck und Wand zu BVerfGE 31, 315, 337, 341. 211 Der vehementen Ablehnung von Rundfunk als staatlicher Aufgabe kann etwa das Verständnis von Bullinger, in: Isensee/Kirchhof, HBStR VI, § 142, Rn. 127, 130, 132, entgegengesetzt werden, wonach die Bezeichnung als „öffentliche Aufgabe“ lediglich dem Eindruck der Verstaatlichung – und zwar im Sinne staatlicher Lenkung – entgegen treten soll. Unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben könne dagegen durchaus von einer Staatsaufgabe gesprochen werden.

IV. Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht

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im wesentlichen festgehalten hat212: Rundfunkanstalten erfüllten danach eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung. Ihre Tätigkeit vollziehe sich im öffentlich-rechtlichen Bereich. (2) Abwägung Zunächst empfiehlt es sich, die Frage der Staatsgewalt der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten anhand der formalen Zuordnungskriterien zu prüfen. Ist sie bereits an dieser Stelle zu verneinen, bedarf es keiner weiteren Erörterung der grundrechtlichen Sondersituation. Die Antwort darauf ist jedoch schnell gefunden: Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten beruhen insbesondere auf einem staatlichen Schöpfungsakt, sie sind öffentlich-rechtlich organisiert, zu Hoheitsakten ermächtigt und unterliegen, wenn auch begrenzt, der Staatsaufsicht. Deutliche Indizien für Staatsgewalt liegen also vor. Aber auch hier stellt sich das Problem der in den Rundfunkgremien wirksamen Betroffenenbeteiligung, der eine von der Regierung unabhängige Leitung übertragen ist. Diese Situation wird gegenüber der allgemeinen Selbstverwaltung verschärft, weil die Rundfunkveranstaltung in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG fällt. Die in der Unabhängigkeit liegende Distanzierung vom Staat gewinnt dadurch einen qualitativ anderen Charakter: Beruht sie im üblichen auf dem freien Entschluß des Gesetzgebers, so ist dieser hier in seiner Organisationshoheit gebunden213. Zugleich wird das Zusammenfallen von Grundrechtsbindung und Grundrechtsverpflichtung in einer Hand als Paradoxie empfunden und daher im allgemeinen abgelehnt214. Um dies zu vermeiden, kann den Rundfunkanstalten ob ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform eine Sonderstellung215 eingeräumt oder die Grenze zwischen Staat und Gesellschaft durch diese juristische Person hindurch geführt werden216. Diese Sicht ist jedoch nicht zwingend. Richtigerweise folgen daraus keine Gründe, öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht der Staatsgewalt zuzurechnen: Zum besseren Verständnis ist zunächst darauf hinzuweisen, daß für das Rundfunkwesen lange Zeit aufgrund technischer Gegebenheiten kein dem Pressewesen vergleichbarer Pluralismus möglich war. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk war dementsprechend der einzige Anwendungsfall für Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Die Dogmatik wurde in und aufgrund dieser besonderen Situation entwickelt. In den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts war sie stets wiederkehrender Topos. Auch das Hinzutreten des Privatfunks, für den die Grundrechtsberechtigung ebenfalls anerkannt ist217, hat daran nicht geändert, wenngleich 212 213 214 215 216

BVerfGE 31, 315, 329; 47, 198, 225. Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, D, Rn. 13. Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2, Rn. 210. Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 1, Art. 5, Abs. 1 und 2, Rn. 763. Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR II, § 15, Rn. 148.

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

auf längere Sicht eine Veränderung möglich erscheint218. Vor diesem Hintergrund erfolgte die funktionale Ausformung des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG durch das Bundesverfassungsgericht, der sich nicht in der Abwehr staatlicher Einflußnahme erschöpft219: Rundfunkfreiheit muß danach als eine der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dienende Freiheit verstanden werden. Geschützt ist also der dahin führende Kommunikationsprozeß, in dem der Rundfunk Medium und Faktor ist. Nicht nur die staatliche Einflußnahme, sondern auch die Überlassung an eine gesellschaftliche Gruppe ist unzulässig. In diesem Zusammenhang interessiert an erster Stelle, was unter dem Verbot „staatlicher Einflußnahme“, also der Staatsfreiheit, zu verstehen ist. Solange der Staat zugleich „Garant der Staatsfreiheit“ ist220, kann der Begriff nicht zu wörtlich genommen werden. Daran entscheidet sich auch, was es heißt, daß es dem Gesetzgeber freistehe, in welcher Form er den Rundfunk organisiere221. Damit kann nämlich nicht nur die Wahl zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Organisationsmodellen gemeint sein, sondern auch die zwischen Staat und Gesellschaft. Eine Durchsicht der Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht mit der Staatsfreiheit argumentiert, muß zu dem Schluß führen, daß sich damit kein fester Bedeutungsgehalt verbindet222. Bereits für das 1. Fernsehurteil würde ein weitgehendes Verständnis im Sinne einer Exemtion aus der Sphäre des Staates zu inneren Widersprüchen führen. Dem Bundesverfassungsgericht ist der Vorwurf zu machen, daß es seinen Staatsbegriff für diesen Zusammenhang ungeklärt läßt223. Deutlich klarer tritt jedoch das Ziel der „Staatsfreiheit“ zu Tage: Es handelt sich stets um die unbeeinflußte Programmgestaltung. Damit bestätigt sich: Rundfunkfreiheit ist insbesondere Programmfreiheit224. Daraus ist abzuleiten, daß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht vor staatlichem Rundfunk an sich schützt, sondern primär vor einem Rundfunk, der einen staatlichen Einfluß auf die Meinungsbildung erlaubt, denn: „es kommt allein darauf an, daß freie, umfassende und wahrheitsgemäße Meinungsbildung im dargelegten Sinne gewährleistet ist“225. Dazu genügt allerdings schon eine gegenständliche Beschränkung der Leitungsbefugnis der Regierung, also eine Durchbrechung der 217

BVerfGE 95, 220, 234; 97, 298, 311 f. Vgl. Bullinger, in: Isensee/Kirchhof, HBStR VI, § 142, Rn. 127. 219 BVerfGE 57, 295, 319, 321; 87, 181, 197. 220 Stock, Medienfreiheit, 195. 221 BVerfGE 57, 295, 321. 222 Dazu der Überblick bei Wilhelmi, Verfassungsrechtliche Probleme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 179 ff. 223 Bettermann, DVBl. 1963, 41, 43. Dies gilt darüber hinaus für einen nicht unbeträchtlichen Teil der wissenschaftlichen Stellungnahmen zur Rundfunkfreiheit. 224 BVerfGE 97, 298, 310. 225 BVerfGE 57, 295, 321; E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 130 ff.; Brugger, Rundfunkfreiheit, 33, 38. 218

IV. Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht

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Einheit der Verwaltung226. Die „institutionelle Freiheit“, von der das Bundesverfassungsgericht spricht, muß in diesem Sinne verstanden werden227. Das bedeutet zugleich, daß Staatsfreiheit nicht mit „Staatsgewaltfreiheit“ zu verwechseln ist. Die Vertreter eines staatsfreien Rundfunks im weitergehenden Sinn verharren zumeist in einer negativen Argumentation, die jede Art von Staatlichkeit leugnet, also vom Staat wegführt. Unberücksichtigt bleibt jedoch, wohin diese Argumentation führt, mit anderen Worten: ob das Resultat – in einem positiven Sinn – tatsächlich rechtlich umhegter, gesellschaftlicher Freiheit entspricht. Der Gesetzgeber hat seinen Handlungsauftrag, für eine den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG entsprechende Organisation zu sorgen, in der Errichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems verwirklicht. In ihm wird ein die freie, individuelle und öffentliche Meinungsbildung gewährleistender Pluralismus künstlich hergestellt. Dieses Künstliche steht jedoch im Widerspruch zu der allenthalben postulierten gesellschaftlichen Unabhängigkeit. Sie ist im binnenpluralistischen Rundfunkmodell der Maxime der Ausgewogenheit untergeordnet. Gesellschaftliche Freiheit sollte jedoch gerade die Freiheit zur Unausgewogenheit implizieren und erst in ihrem Zusammenwirken die freie, individuelle und öffentliche Meinungsbildung, kurz: das ausgewogene Spektrum der Meinungen, schaffen. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird dies vorweggenommen. Das darin zu erkennende „pluralistische Prinzip“228 ist demzufolge kein staatsfreies Modell einer gesellschaftlichen Legitimation, die an die Stelle von Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG tritt229. Wie schon bei der Selbstverwaltung im allgemeinen beruht die Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen auf staatlicher Zulassung. Sie erfüllen einen vom Gesetzgeber zugewiesenen Zweck, an den dieser nun aber selbst durch die Verfassung gebunden ist. Im System der nunmehr dualen Rundfunkordnung hat sich an diesem Zweck nicht nur nichts geändert, in der Gegenüberstellung tritt er sogar etwas klarer hervor. Um die Unterscheidung zwischen beiden Säulen zu kennzeichnen, kann privater Rundfunk als negative Gewährleistung230, öffentlich-rechtlicher Rundfunk als positive Gewährleistung der Rundfunkfreiheit durch den Staat bezeichnet werden. 226 Zum Begriff: Sachs, NJW 1987, 2338 ff. Damit wird ein Unterschied zur Selbstverwaltung im allgemeinen erkennbar: Während deren Unabhängig nur eine konsequente, aber nicht zwingende Durchführung der Betroffenenbeteiligung ist, handelt es sich bei den Rundfunkanstalten wie auch bei den Hochschulen um eine unverzichtbare Bedingung, die in Form der Betroffenenbeteiligung ausgestaltet werden kann. 227 BVerfGE 12, 205, 261. Ähnlich Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 77, 80 ff., die Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG als institutionelle Rahmen- oder Strukturgarantie interpretieren. Anders: Emde, Demokratische Legitimation, 267. 228 Bethge, DVBl. 1987, 663, 665. 229 So aber Bethge, DVBl. 1987, 663, 665. 230 Allerdings gilt auch hier, daß Rundfunkfreiheit in ihrem Kern fremdnützig, nämlich der Meinungsfreiheit dienend bleibt.

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

Kehren wir an dieser Stelle zu der Frage zurück, ob das bisherige Ergebnis gegen den Grundsatz verstößt, daß Grundrechtsbindung und Grundrechtsfähigkeit nicht in einer Hand zusammenfallen können231. Das Bundesverfassungsgericht läßt dies zu, „wenn ausnahmsweise die betreffende juristische Person des öffentlichen Rechts unmittelbar dem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen ist“232. Dies gilt ausdrücklich für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Damit wird auf dieser Ebene deren Zuordnung zur Staatsgewalt sogar bestätigt, weil andernfalls nicht die Frage der Grundrechtsberechtigung, sondern die der Grundrechtsverpflichtung zu stellen wäre. Herzog sieht die Ausnahme schon in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG angelegt, der vom Parlamentarischen Rat im Hinblick auf den öffentlich-rechtlich organisierten Rundfunk formuliert worden sei233. Seine Argumentation ist jedoch nur unter der Prämisse richtig, daß eine öffentlich-rechtliche Organisation stets mit Staatlichkeit gleichzusetzen wäre bzw. auch der Parlamentarische Rat dieses Verständnis hatte. Zustimmung verdient jedenfalls die Feststellung, daß es sich um eine Durchbrechung des Grundsatzes handelt. Weil sie auf Einrichtungen des Staates beschränkt sind, „die Grundrechte in einem Bereich verteidigen, in dem sie vom Staat unabhängig sind“234, müssen die Ausnahmefälle „staatlicher Grundrechtsberechtigung“ zwangsläufig mit organisatorischer Unabhängigkeit einhergehen. In Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ist insoweit eine verfassungsrechtlich normierte Form der Gewaltenteilung angelegt235. Zusammenfassend ist also festzustellen, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Staatsgewalt gehören. Ihre besondere grundrechtliche Situation ändert nichts im Verhältnis zu den Selbstverwaltungseinrichtungen im übrigen. bb) Öffentliche Hochschulen und Staatsgewalt Für die öffentlichen Hochschulen wird die Diskussion über ihr Verhältnis zum Staat parallel geführt, wenngleich sie wegen der anerkanntermaßen staatlichen Aufgabenzuweisungen nicht so sehr in den Vordergrund tritt. Anders als beim Rundfunk, der auf die Verwirklichung eines grundrechtlichen Freiheitsrechts gerichtet ist, gehören die Hochschulen zur staatlichen Kulturverwal231 BVerfGE 21, 362, 370. Zu dieser Frage auch: Bethge, Reorganisation, 85; Bettermann, DVBl. 1963, 41 f. 232 BVerfGE 15, 256, 262; 21, 362, 373; 31, 314, 322. 233 Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2, Rn. 210. 234 BVerfGE 31, 314, 322. 235 Weitergehend Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 113, für den die „Staatsfreiheit“ nicht aus dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit, sondern aus einer Kontrollfunktion des Rundfunks im demokratischen Prozeß folgt. Eingehend dazu 3. Kap., VI. 2. a) bb) (1).

IV. Abgrenzung in organisatorischer Hinsicht

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tung236. Sie bestehen nicht um der Freiheit der Wissenschaft Willen, sondern nehmen diese als zwingendes Verfassungsgebot in ihre organisatorische Gestaltung auf. Damit ist die Frage verbunden, ob Art. 5 Abs. 3 GG über die individualrechtliche personale und sachliche Freiheitsgarantie hinaus auch die institutionelle Selbstbestimmung umfaßt237. Für die Frage der Staatsgewalt ergibt sich daraus jedoch keine Änderung gegenüber den bisherigen Feststellungen zur Selbstverwaltung: Auch die öffentlichen Hochschulen gehören sowohl nach den formalen Zuordnungskriterien238 als auch unter Berücksichtigung ihrer Unabhängigkeit, der Betroffenenbeteiligung und der grundrechtlichen Verbürgung zur Staatsgewalt239. 10. Zwischenergebnis Festzustellen ist also, daß die öffentlich-rechtlich organisierte Selbstverwaltung zur Staatsgewalt gehört. Das gilt für alle Formen: gebietskörperschaftliche, institutionell-funktionelle und grundrechtlich-funktionelle. Ihre Träger sind dem Staat als „verlängerter Arm“ zugeordnet240. Sie ist identisch mit der Staatsgewalt des Art. 20 Abs. 2 GG. Ob sie staatliche oder öffentliche Aufgaben wahrnehmen, ist dafür ohne Belang. Sämtliche Umstände, die unser Unbehagen an einer Zuordnung der Selbstverwaltung zur Staatsgewalt weckten, haben sich damit als unbegründet erwiesen oder bedürfen einer anderen Erklärung. Ein nicht geringer Teil des Labyrinths von Staat und Gesellschaft, vor dem Emde warnt241, besteht in begrifflicher Verwirrung. Die Selbstverwaltungsträger sind tatsächlich „staatsunabhängig“, „entstaatlicht“, „staatsfrei“ oder „nichtstaatlich“, als sie vom Staat als Rechtsträger getrennt sind und nicht den Weisungen der Staatregierung unterliegen242. Ansonsten sind die Begriffe „überschießend“243, 236

Scheuner, Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit, 42. Rupp, in: v. Mutius, Festgabe v. Unruh, 919, 921 f. 238 Gerade die Entwicklungsgeschichte der Universitäten kann hier von Interesse sein: Ihre Gründung beruht nicht auf freiwilligen Zusammenschlüssen von Lehrenden und Lernenden, sondern wurde vom Landesherrn initiiert. Sie waren staatliche Ausbildungsstätten, wie es auch in PrALR § 1 II 12) zum Ausdruck kommt: „Schulen und Universitäten sind Veranstaltungen des Staates (. . .).“ Ihre körperschaftliche Organisation wurde durch diese Formulierung nicht in Frage gestellt. Vgl. insoweit Lüthje, in: Denninger, HRG, § 58, Rn. 3, 7. 239 BVerfGE 15, 256, 262; Möllers, Staat als Argument, 329; Frotscher, in: v. Mutius, Festgabe v. Unruh, 127, 143; Hailbronner, in: ders., Hochschulrahmengesetz, § 58, Rn. 9; anderer Ansicht etwa Karpen, DÖV 1983, 89, 91. 240 Ebenso Möllers, Staat als Argument, 328 f.; H. Dreier, in: ders., GG-Kommentar II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 79, 120; Kahl, Jura 2002, 721, 724, Fn. 48.; Hendler, Selbstverwaltung, 284, 291; Frotscher, in: v. Mutius, Festgabe v. Unruh, 127, 140 f.; im Ergebnis Oebbecke, Verw.Archiv 81, 349, 357 f.; Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 542; Di Fabio, VVDStRL 56, 235, 270; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56, 160, 163 f., Fn. 6; F. Mayer, in: Demokratie und Verwaltung, 327 f., 333. 241 Emde, Demokratische Legitimation, 208. 237

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

weil die Zugehörigkeit zur Einheit des Staates dadurch nicht prinzipiell in Frage gestellt wird, wiewohl anzuerkennen ist, daß sie äußerlich im Widerspruch zur Entscheidungseinheit steht, die mit der Staatsgewalt einhergeht244. Dieses Problem stellt sich jedoch auf der Ebene der demokratischen Legitimation. Ebendies gilt für die Betroffenenmitwirkung, die in die unabhängigen Bereiche stößt. Sie mag den Anschein erwecken, den Dualismus zwischen Staat und Gesellschaft in den Staat hineinzutragen, der entweder zu einem Dualismus im Staat führen muß oder zur Aussonderung dieses Bereichs aus dem Staat zwingt245. Tatsächlich verraten diese Folgerungen mehr über das jeweilige Bild von Staat und Gesellschaft, als sie zur Lösung des Problems beitragen246. Die Beteiligung hat zwar einen gesellschaftlichen Ursprung, aber genauso wenig wie etwa die Wahl zum Parlament oder das Parlament selbst der Gesellschaft zugeordnet wird247, darf auch hier ihre Funktion nur unter diesem Aspekt betrachtet werden. Fest steht damit zugleich, daß für die Selbstverwaltungseinrichtungen ein demokratisches Legitimationsbedürfnis, also auch ein Erfordernis für parlamentarische Kontrolle besteht. Wie dies gerade im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Selbstverwaltung und die Betroffenenbeteiligung erklärt werden kann, ist Inhalt des nächsten Kapitels.

V. Abgrenzung in funktionaler Hinsicht Die Zuordnung einer Organisationseinheit unter den Begriff der Staatsgewalt läßt die Frage offen, ob das gleiche für ihre Handlungen gilt. Damit steht zwar das Erfordernis einer institutionellen Legitimation fest, die Frage, ob dies zugleich für die sachliche Legitimation, d.h. hier die parlamentarische Kontrolle, gilt, harrt aber noch einer Antwort. Auch in dieser Hinsicht ist die Abgrenzung nicht minder schwierig, weil weder die Ausübung von Staatsgewalt an besondere Handlungsformen gebunden noch das Demokratieprinzip auf bestimmte Arten der Ausübung von Staatsgewalt begrenzt ist248. Jedoch ist dies der eigent242 Um der inhaltlichen auch eine semantische Übereinstimmung folgen zu lassen, kann man entweder Staatsgewalt gemäß Art. 20 Abs. 2 GG als öffentliche Gewalt lesen oder die Unterscheidung zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Selbstverwaltung deutlicher betonen. Tatsächlich wurde im Parlamentarischen Rat vorgeschlagen, die aus Art. 1 S. 2 WRV übernommene Staatsgewalt durch öffentliche Gewalt zu ersetzen, in: Der Parlamentarische Rat, Bd. 5/I, 291. 243 Stock, Medienfreiheit, 365. 244 Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR II, § 15, Rn. 106. 245 Rupp, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 31, Rn. 8. 246 Deutlich dazu Frotscher, in: v. Mutius, Festgabe v. Unruh, 127, 142, der gerade in der Unterteilung der Selbstverwaltung in staatliche und gesellschaftliche ein Wiederaufleben des Dualismus von Staat und Gesellschaft sieht. 247 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 468 f. 248 BVerfGE 47, 253, 273.

V. Abgrenzung in funktionaler Hinsicht

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liche Anwendungsbereich der schon zitierten Formel des Bundesverfassungsgerichts, wonach zur Staatsgewalt jedenfalls das gesamte amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter gehört249. Die darin enthaltene Tendenz extensiver Auslegung der Staatsgewalt begründet für das Handeln der zur Staatsgewalt zählenden Organe die Vermutung, Ausübung von Staatsgewalt zu sein250. Hinsichtlich der Rechtsform ist die Ausübung von Staatsgewalt nicht nur in öffentlich-rechtlichen, sondern auch in privatrechtlichen Formen möglich. Dazu gehören die sogenannten privatrechtlichen Hilfsgeschäfte ebenso wie die erwerbswirtschaftliche Betätigung251. Sie gesellen sich zu den öffentlich-rechtlichen Handlungsformen staatlicher Tätigkeit, die von der Rechtssetzung über den Verwaltungsakt, den Verwaltungsvertrag bis zum schlicht-hoheitlichen Handeln reichen252. Sie alle kommen potentiell und unabhängig von ihrer Außenwirkung für die Ausübung von Staatsgewalt in Betracht253. Allerdings ist man sich weitgehend einig darüber, daß bloß vorbereitende, rein konsultative Tätigkeiten sowie technische Hilfsfunktionen vom Begriff der Staatsgewalt ausgeschlossen sind254. Die Abgrenzung ist gleichwohl unsicher wie die folgenden Beispiele zeigen: Während die administrative Beratung zur internen Vorbereitung, insbesondere 249

Siehe 2. Kap., III. Ähnlich umfassend Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 13. 251 Dem steht auch nicht entgegen, daß es sich nicht um vollziehende Gewalt i. S. v. Art. 1 Abs. 3 GG handeln soll. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 1 (11. Aufl.), § 23, Rn. 21. 252 Als Vertreter eines wesentlich engeren Begriffs von Staatsgewalt wird Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20, II, Rn. 54, von Jestaedt, Kondominialverwaltung, 227, genannt („restriktivste Auffassung“). Ebenso Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 80, Fn. 8, („zu eng“). Tatsächlich schreibt Herzog: „Einseitig verbindliche Hoheitsakte (d.h. Akte der Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG) können unter der Geltung des Grundgesetzes allein von solchen Amtswaltern ausgehen, die ihren Auftrag in lückenloser Reihe auf das Staatsvolk zurückführen können (. . .).“ Ob das Zitat die weitreichende Einschätzung Jestaedts trägt, ist zweifelhaft. Dagegen sprechen nicht nur dessen Kürze und Zusammenhang, sondern auch anderslautende Äußerungen. So bezieht Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20, II, Rn. 48, das Legitimationsgebot von Art. 20 Abs. 2 GG – allerdings ohne Nennung der Staatsgewalt – auf die inhaltliche Bindung der Staatstätigkeit bzw. auf das „gesamte Staatshandeln“, was mit einem allzu engen Begriff von Staatsgewalt schwerlich zu vereinbaren ist. Schon in seiner Allgemeinen Staatslehre, 154 ff., 167 ff., geht Herzog ausführlich darauf ein, daß Staatsgewalt weit über den klassischen Eingriffsbegriff hinausgeht. 253 Beispielsweise werden auch Entscheidungen erfaßt, die noch der Umsetzung durch andere Behörden bedürfen. Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 342. 254 BVerfGE 47, 253, 273; 83, 60, 74; Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 13; Emde, Demokratische Legitimation, 214 f.; anders als bei Sachs, in: ders., Grundgesetz, Art. 20, Rn. 29, Fn. 75, zitiert, vertritt auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, 207 ff., 257, 261, dazu keine abweichende Meinung. Vgl. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz 2, Art. 20, Rn. 140, Fn. 5. 250

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

durch Expertengremien und Beiräte255, nicht darunter fallen soll, ist staatliche Informationstätigkeit durchaus Staatsgewalt256. Auch wenn sich „die unverbindliche, bloß beratende Teilhabe an der Verwaltung zur Mitentscheidung“ verdichtet, kann sie die Qualität von Staatsgewalt annehmen257. Staatliches Realhandeln kann Ausübung von Staatsgewalt sein, bloße technische Hilfstätigkeiten sind es jedoch nicht. Die Begründung für die jeweilige Einordnung erschließt sich nicht auf Anhieb. Bei genauerer Betrachtung zeichnet sich aber der bereits in der Formel des Bundesverfassungsgerichts angeklungene Entscheidungscharakter als maßgebliches Kriterium für die Ausübung von Staatsgewalt ab258, soweit sie für Dritte einen gewissen Grad von Verbindlichkeit erlangt259. Darunter fallen auch Teil- und Mitentscheidungsbefugnisse sowie selbstbindende Vorentscheidungen260. Auf diese Weise wird der Bereich der Entscheidungsvorbereitung ein von der Staatsgewalt abgrenzbarer Raum. An der Zuordnung ändert auch die Möglichkeit der Ersetzungs- und Abänderungsmöglichkeit durch eine übergeordnete Stelle nichts261. Deshalb übt eine weisungsunterworfene Stelle Staatsgewalt auch dann aus, wenn sie unter dem Vorbehalt der Änderung steht262. Die davon betroffene Entscheidung ist bis dahin gleichwohl wirksam und daher auch Ausdruck von Staatsgewalt.

255

BVerfGE 83, 60, 74; Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 551 mit kritischen Nachwei-

sen. 256 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 342. Zur Verbreitung von Informationen als Teil der Staatsleitung BVerfGE 105, 252, 268; 105, 279, 301. 257 BVerfGE 83, 60, 74. 258 Zur Entwicklung des bremischen Beiratsgesetzes zwischen 1979 und 1989 mit einer rechtlich bedeutsamen Veränderung der Entscheidungsbefugnisse: BremStGH, DÖV 1992, 164 ff. 259 Dritte können in diesem Zusammenhang auch andere Verwaltungsorgane sein. Ob die Entscheidung aber, wie Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 81, meint, auch Regelungscharakter haben muß, wird hier in Frage gestellt. Dies wäre sicherlich zu eng, wenn darunter nur solche Erklärungen zu verstehen sind, die Gebote, Verbote oder Erlaubnisse enthalten. Zweifelhaft ist der Terminus auch wegen seiner Nähe zur Außenwirkung. Solange man ihn aber lediglich mit „Verbindlichkeit“ im Sinne von rechtlicher Erheblichkeit gleichsetzt, ist er zutreffend. Emde, Demokratische Legitimation, 215, spricht von „rechtlich belangvollen Maßnahmen“. Siehe auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, 257 f. Insgesamt weitergehend Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz 2, Art. 20, Rn. 140. 260 BVerfGE 47, 253, 274; 83, 60, 73; BremStGH DÖV 1992, 164 f. 261 BVerfGE 47, 253, 274 f.; 83, 60, 73. Mißverständlich ist in diesen Entscheidungen, daß das Bundesverfassungsgericht und im Anschluß daran der BremStGH DÖV 1992, 164 f., die Frage, ob die Bezirksvertretung, -versammlung und Beiräte Staatsgewalt ausüben, gerade an den übergeordneten Ingerenzrechten des Stadtrats bzw. des Senats und der Bürgerschaft orientiert. Zu beachten ist jedoch, daß diese Fälle von der besonderen Problematik zweier konkurrierender Legitimationsquellen geprägt sind. Die Ingerenzrechte stellen nicht die Staatsgewalt an sich in Frage, sondern die der eigenen Legitimation überlassene Staatsgewalt. Dazu 3. Kap., V. 3. a) bb). 262 Sachs, in: ders., Grundgesetz, Art. 20, Rn. 29.

V. Abgrenzung in funktionaler Hinsicht

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Gewisse Zweifel an diesem Ergebnis wecken Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung zur Volksbefragung. Zur Ausübung von Staatsgewalt durch Verfassungsorgane führt es aus: „Sie üben Staatsgewalt aus, nicht nur wenn sie rechtsverbindliche Akte setzen, sondern auch, wenn sie von Befugnissen Gebrauch machen, die nicht unmittelbar verbindliche Wirkungen hervorrufen“263. Es folgert daraus, daß das Volk als Verfassungsorgan Staatsgewalt nicht nur dann ausübe, „wenn seiner Äußerung rechtlich verbindliche Wirkung, ,entscheidende‘ Bedeutung zukommt.“264. Dies könnte nun zu dem Gedanken führen, die hier getroffene Bestimmung administrativer Staatsgewalt sei auf Verfassungsorgane nicht übertragbar oder für diese sei auf das Kriterium der Staatsgewalt ganz zu verzichten265. Tatsächlich ist fraglich, wie man nach dieser Judikatur von Staatsgewalt ausgehen kann, wenn man zugleich an der „Rechtsverbindlichkeit“ als eine ihrer Voraussetzungen festhalten will266. Richtigerweise – es wurde bereits betont – muß sich die Verbindlichkeit auch auf rechtliche Erheblichkeit erstrecken. Aber das Beispiel der Verfassungsorgane macht zugleich deutlich, daß die ausgeübte Staatsgewalt nicht von den ausübenden Organen getrennt gesehen werden darf. Vielmehr ist zu fragen, welche Handlungsformen den Verfassungsorganen zur Verfügung stehen und für diese typisch sind. So wäre es falsch, Staatsgewalt zu verneinen, wenn ein Verfassungsorgan in Erfüllung seiner grundgesetzlich vorgesehenen Aufgaben handelt. Vor diesem Hintergrund sind die vom Bundesverfassungsgericht genannten Beispiele für die Ausübung von Staatsgewalt durch den Bundespräsidenten, den Bundestag, den Bundesrat zutreffend267. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß für die Staatsgewalt der Begriff der verbindlichen Entscheidung maßgeblich ist. Das Maß der erforderlichen Verbindlichkeit variiert jedoch in Abhängigkeit von der konkreten Funktion. Auch das Verhältnis von Entscheidung und Ausführungshandlung bedarf einer genaueren Betrachtung: Es geht um die Frage, ob auch staatliche Maßnahmen, die – sei es durch Gesetz oder Weisung – vollständig programmiert sind, also keiner weiteren Entscheidung mehr bedürfen, als Ausübung von Staatsgewalt zu qualifizieren sind268. Grund dafür könnte die Überlegung sein, daß für die Ausführungshandlung keine weitere Legitimation erforderlich ist. Dann aber 263

BVerfGE 8, 104, 114. BVerfGE 8, 104, 115. 265 Jestaedt, Kondominialverwaltung, 260 f. 266 Jestaedt, Kondominialverwaltung, 261. 267 BVerfGE 8, 104, 114. Im Anschluß an BVerfGE 105, 252, 268; 105, 279, 301 wird man an dieser Stelle auch auf das Informationshandeln der Regierung verweisen können. 268 Diese Frage kann mit der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den hamburgischen Bezirksversammlungen verknüpft werden, BVerfGE 83, 60, 74, wo das Gericht verschiedene Erwägungen zu Staatsgewalt und Legitimation macht, ohne allerdings deutlich zwischen diesen Ebenen zu trennen. 264

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

könne es sich auch nicht um Staatsgewalt handeln269. Diese Sicht stellt Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG gewissermaßen auf den Kopf, weil nicht das, was legitimiert werden muß, Staatsgewalt ist, sondern für Staatsgewalt ein Legitimationserfordernis besteht. Tatsächlich handelt es sich primär um eine Frage des richtigen Legitimationsverständnisses, denn nicht nur die gesetzgeberischen Entscheidungen, sondern auch die darauf beruhenden Ausführungshandlungen der Exekutive sind als Staatsgewalt zu betrachten. Die Entscheidung ist mit der Staatsgewalt somit nicht identisch, sondern eher deren Kern und Mindestgehalt. Ohne auf das Kriterium der Entscheidung verzichten zu müssen, kann zudem gesagt werden, daß der Entscheidungsträger nicht mit dem ausführenden Organ zusammenfallen muß. An diesen Feststellungen ändert nichts, daß die Legitimation nur die Entscheidung zum Anknüpfungspunkt hat, da sie auch die Ausführungshandlung umschließt270. Richtig ist aber, daß sich Staatgewalt und Legitimation gleichermaßen auf den Aspekt der Entscheidung beziehen. Eine zusätzliche Einschränkung der Staatsgewalt könnte aus einer Bemerkung des Bundesverfassungsgerichts abgeleitet werden, die allgemein als Bagatellvorbehalt bekannt ist271. In einer ersten Entscheidung stellte das Gericht die These auf, besonders unwichtige Aufgaben würden „nicht mehr unter den Begriff ,Ausübung von Staatsgewalt‘ fallen“272. Überlegungen dazu, wie die Wichtigkeit von Aufgaben bemessen werden kann, hat das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht angestellt. Es ist auch nicht vorstellbar, wie dies praktisch möglich sein soll. Zu sehr hängt die Beurteilung von den Umständen, dem Zeitpunkt und der Person des Betrachters ab273. Aber nicht nur auf Grund fehlender Maßstäbe ist diese Auffassung abzulehnen: Ihr steht auch das teleologisch 269 Ausgesprochen mißverständlich äußert sich hier Jestaedt, Kondominialverwaltung, 259, 261: „Demgegenüber wird geltend gemacht, daß alle staatlichen Maßnahmen, also auch alle ,Maßnahmen, die vollständig programmiert und unverbindlich sind‘ dem Begriff ,Ausübung von Staatsgewalt‘ und damit dem Gebot umfassender demokratischer Legitimation unterfielen. Dem ist zu widersprechen.“ 270 So auch Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 80, der allein die Entscheidung zum Bezugspunkt der Legitimation macht. Zumindest verkürzt ist es, wenn Jestaedt, Kondominialverwaltung, 259, Fn. 260, seine Position auf diese Fundstelle bezieht. 271 BVerfGE 47, 253, 274. Ihm folgend Püttner, DVBl. 1984, 165, 167 f.; Tettinger, Mitbestimmung in der Sparkasse, 55; Schäfer, Mitbestimmung in Eigengesellschaften, 43. Der Begriff soll auf Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 83, zurückgehen. Unzutreffend ist es, wenn dieser, a. a. O., Fn. 26, diese Ansicht Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 160, zuschreibt. Dessen Äußerung deckt sich vielmehr mit der auch hier vertretenen Bestimmung der Staatsgewalt. 272 BVerfGE 47, 253, 274. Einen gewissen Vorläufer hatte diese Auffassung schon in BVerfGE 9, 268, 282 zum Bremischen Personalvertretungsgesetz, wo Aufgaben von politischer Tragweite zum Mindestbestand der Regierungsverantwortung erklärt werden, so daß umgekehrt Aufgaben unterhalb dieser Schwelle von dieser Anforderung entbunden sein sollten. Um die Kategorie der Staatsgewalt ging es dabei jedoch nicht. Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, 229; Brosius-Gersdorf, Bundesbank und Demokratieprinzip, 37.

VI. Zuordnung

173

gewonnene extensive Verständnis der Staatsgewalt gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG entgegen274. Aus diesem Grund kann Staatsgewalt nur nach der Qualität der Handlung, nicht aber nach ihrem Inhalt bestimmt werden. Auf diese Linie scheint auch das Bundesverfassungsgericht in einer weiteren Entscheidung einzuschwenken, in der es auf den „Entscheidungsgehalt“ abstellt275. Unklar bleibt dabei aber, ob nun als Folge des geringen Entscheidungsgehalts das Kriterium der Staatsgewalt zu verneinen ist oder auf der Ebene der demokratischen Legitimation die Anforderungen zu senken sind. Erschwerend tritt hinzu, daß eine mißverständliche Verweisung auf die Vorentscheidung offen läßt, ob das Gericht zusätzlich an der „Wichtigkeit“ der Aufgabe festhält oder nur auf die damals gezogenen Schlußfolgerungen hinweisen will276. Weil es in beiden Entscheidungen aber vorrangig um die mögliche Rechtfertigung mangelnder demokratischer Legitimation ging, soll eine nähere Untersuchung dieser Fragen dem folgenden Kapitel überlassen werden277.

VI. Zuordnung Die Bestimmung der Staatsgewalt ist abzuschließen mit der Feststellung, in welchem Verhältnis Staatsgewalt im organisatorischen und im funktionalen Sinn zueinander stehen. Jestaedt verlangt das Zusammentreffen von formeller und materieller Staatsgewalt278. Dies ist einerseits zutreffend, andererseits aber auch undifferenziert. Richtigerweise muß zunächst das Vorliegen von Staatsgewalt in 273 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 83; H. Dreier, in: ders., GG-Kommentar II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 81; D. Ehlers, Jura 1997, 180, 183 f.; Jestaedt, Der Staat 32, 29, 34. 274 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 83. Unzureichend ist hingegen dessen Argument, wonach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG die Legitimation aller Staatsgewalt fordere. Das Bundesverfassungsgericht deutet in BVerfGE 47, 253, 273 an, daß unwichtige Aufgaben gerade keine Staatsgewalt sein sollen, so daß auch kein Legitimationserfordernis besteht. Ebenfalls kritisch Jestaedt, Kondominialverwaltung, 252, Fn. 233. Richtigerweise muß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG aber auch das Verständnis für den Umfang der Staatsgewalt entnommen werden. Zumindest mißverständlich D. Ehlers, Jura 1997, 180, 184. 275 Mit BVerfGE 83, 60, 74 kann die Vermutung aufgestellt werden, daß das Bundesverfassungsgericht an seiner Bemerkung zum Bagatellvorbehalt nicht festhält. Diese wird zu Aufgaben mit einem „besonders geringen Entscheidungsgehalt“ in Bezug gesetzt. Folglich ist weniger der Inhalt als vielmehr die Qualität staatlichen Handelns zur Bestimmung der Staatsgewalt maßgeblich. Jestaedt, Kondominialverwaltung, 253, weist zu Recht darauf hin, daß die vom Inhalt getragene Wichtigkeit, die Wesentlichkeit, in einem anderen Zusammenhang eine Rolle spielt: Sie ist für die Frage nach der Art der Legitimation der Staatsgewalt entscheidend, wie sich schon im Namen der Wesentlichkeitstheorie andeutet. 276 Der BremStGH, DÖV 1992, 164 f., interpretiert diese Entscheidung im Sinne geringerer Legitimationsanforderungen. 277 Siehe 3. Kap., V. 3. a) bb), Fn. 482. 278 Jestaedt, Kondominialverwaltung, 225.

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2. Kap.: Staatsgewalt und parlamentarische Kontrolle

organisatorischer Hinsicht geprüft werden. Sodann ist für deren Handlungen die Ausübung von Staatsgewalt festzustellen. Erst in dieser Abfolge kann von Staatsgewalt „im vollgültigen Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG“ gesprochen werden. Weitere Voraussetzungen hat sie nicht. Insbesondere ihre Verfassungsmäßigkeit ist kein konstituierendes Merkmal, sondern dem Aspekt der Legitimationsfähigkeit zuzuordnen279. Andernfalls würde dies bedeuten, einen Teil der Legitimation in den Begriff der Staatsgewalt zu implementieren und damit vorwegzunehmen. Mit dieser Konkretisierung der Staatsgewalt läßt sich zum einen an den demokratischen Verantwortungszusammenhang und die einzelnen Legitimationselemente anschließen. Während sich institutionell-organisatorische und personelle Legitimation auf die Staatsgewalt im organisatorischen Sinn beziehen, bedarf Staatsgewalt im funktionalen Sinne der Legitimation durch Gesetz bzw. parlamentarische Kontrolle. Zum anderen können im Anschluß diejenigen Fälle untersucht werden, in denen Staatsgewalt die Notwendigkeit von parlamentarischer Kontrolle zwar indiziert, diese aufgrund gesetzlicher Regelung aber ausgeschlossen ist.

279

Anders Jestaedt, Kondominialverwaltung, 263 f.

3. Kapitel

Beschränkungen der parlamentarischen Kontrolle: Ministerialfreie Räume I. Einführung in das Thema Ausgangspunkt dieser Untersuchung war die Funktion der parlamentarischen Kontrolle als elementarer Bestandteil des im Grundgesetz vorgesehenen Demokratieprinzips. Im Anschluß ist es gelungen, mit der Staatsgewalt den Anwendungsbereich des Demokratieprinzips und damit auch den der parlamentarischen Kontrolle näher zu bestimmen. Beschränkungen der parlamentarischen Kontrolle innerhalb dieses Rahmens haben unmittelbare Folgen für die Verwirklichung des Demokratieprinzips. Aus diesem Grund sind sie nicht nur verfassungsrechtlich begründungsbedürftig, sondern auch wissenschaftlich von besonderem Interesse. Zu den bekanntesten dieser Einschränkungen gehören die ministerialfreien Räume, deren kritische Diskussion schon bald nach Inkrafttreten des Grundgesetzes begann1 und bis heute nicht verstummt ist. Wie im Anschluß zu zeigen sein wird, ist es auch nach über fünfzig Jahren nicht gelungen, ein überzeugendes Konzept zur Rechtfertigung ministerialfreier Räume vorzulegen, geschweige denn wissenschaftliche Übereinstimmung herzustellen2. Zudem eilt die tatsächliche Entwicklung der Verwaltungsmodernisierung mit großen Schritten voran und reißt in einer kaum noch zu überblickenden Vielfalt an neuen Organisationsmodellen weitere große Löcher in die gesicherten Positionen staatsrechtliche Dogmatik. Wenn hier trotz der damit erkennbaren gewaltigen Herausforderungen an Staats- und Verwaltungswissenschaft noch die Frage der ministerialfreien Räume in den Mittelpunkt gestellt wird, hat dies folgenden Grund: Zunächst sei die – fast banale – Bemerkung vorangestellt, daß die neuen Entwicklungen, die zeitweise in den Vordergrund drängen, nicht davon dispensieren, sich weiterhin um die Lösung „alter“ Fragestellungen zu bemühen. Wichtiger 1 Obwohl die Entdeckung der ministerialfreien Räume im allgemeinen Loening, DVBl. 1954, 173 ff. zugeschrieben wird, finden sich erste Überlegungen dazu schon bei Grewe, Verhandlungen des 39. Deutschen Juristentages, D 24, 153. 2 So auch Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 4: „Von einer Klärung ist die Frage nach wie vor deutlich entfernt.“ H. Dreier, in: ders., GG-Kommentar II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 116.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

scheint indessen die Feststellung, daß die in den ministerialfreien Räumen enthaltenen Problemstellungen, teils offen teils versteckt, in den neueren Entwicklungen wiederkehren3. Im Hinblick auf die vom Neuen Steuerungsmodell geschaffenen Spielräume der Verwaltung spricht Mehde von „ministerialfreien Räumen eigener Art“4. Wie – so fragt sich der unbefangene Beobachter – will man jenen Herr werden, wenn schon die Lösung einer klar präparierten Fragestellung wie die der ministerialfreien Räume so unendlich große Mühe bereitet.

II. Ministerialfreie Räume 1. Bestimmung Weil der Begriff des ministerialfreien Raumes rechtlich nicht determiniert ist, wird sein Bedeutungsgehalt unterschiedlich definiert5. Seine Bestimmung ist allerdings nicht beliebig, sondern rechtsfolgenorientiert. Wesentliches Kennzeichen ist, daß der demokratische Verantwortungszusammenhang an einer Stelle durchbrochen ist, so daß parlamentarische Kontrolle als Legitimationsmittel ausfällt. Mit Blick auf die bisherigen Untersuchungsergebnisse sind ministerialfreie Räume zur Exekutive zählende, aber der Regierung nachgeordnete Einheiten, die Staatsgewalt ausüben und darin – zumindest teilweise – von dem zuständigen Ressortminister oder der Regierung unabhängig sind. Auf der Grundlage des hier entwickelten Verantwortungsbegriffs heißt das zunächst, daß keine Verantwortungszurechnung stattfinden kann. Das Handeln ministerialfreier Räume entzieht sich damit zugleich der parlamentarischen Kontrolle. Gemessen an Art. 20 Abs. 2 GG erweist sich dies als demokratisches Problem. Die Begriffe ministerialfreier Raum und Ministerialfreiheit sind synonym. Ihnen ist der negative Bezug auf das System der Ministerialverwaltung gemeinsam6. Daraus ergibt sich zur weiteren Konkretisierung, daß die Ministerialverwaltung systematisch als Oberbegriff zu sehen ist, zu dem die ministerialfreien Räume im Verhältnis der Ausnahme stehen7. Daneben erfassen sie aber auch diejenigen Bereiche der Verwaltungsorganisation, die begrifflich nicht mehr als

3 Sommermann, in: ders., Gremienwesen, 9, 12. Nicht ohne Grund empfiehlt Di Fabio, VVDStRL 56, 235, 269, denn auch die Fortentwicklung der bekannten dogmatischen Figuren, wie die der Selbstverwaltung. 4 Mehde, Neues Steuerungsmodell, 378. 5 Vgl. dazu im einzelnen E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 43, 58, 66; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 7; Fichtmüller, AöR 91, 297 f.; Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 66 ff.; Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 39, 359; Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 14; Müller, JuS 1985, 497 f. 6 Die Ministerialverwaltung – auch Ministerialsystem genannt – war bereits Gegenstand ausführlicher Erörterung. Vgl. dazu 1. Kap., III. 2. b) cc) (2). 7 Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 71.

II. Ministerialfreie Räume

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Ministerialverwaltung im engeren Sinn bezeichnet werden können, aber dem Ressort eines Ministers „quasi-hierarchisch“ zugeordnet sind8. Daher bedeutet Ministerialverwaltung hier nicht nur Verwaltung durch Ministerien, sondern die Unterstellung von Behörden unter die Leitungsgewalt eines Ministers i. S. v. Art. 65 S. 2 GG9. Wie im folgenden zu zeigen sein wird, drückt sich in diesem Rangverhältnis kein einheitliches Organisationsprinzip aus, vielmehr handelt es sich um die bloße Feststellung, daß im gewaltenteiligen System des Grundgesetzes die Regierung an der Spitze der Exekutive steht und für diese verantwortlich ist10. 2. Gliederung der Ministerialverwaltung a) Die unmittelbare Staatsverwaltung Im Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung, also der Verwaltung durch staatseigene Behörden, bildet das hierarchische Ministerialsystem den Regelfall der Ministerialverwaltung11. Es gewährleistet eine durchgängige Leitungsbefugnis über alle Sachentscheidungen innerhalb der Hierarchie. Zur Durchsetzung der ministeriellen Leitung stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung, deren Zweck die Koordination und Vereinheitlichung der Verwaltungstätigkeit sowie die Kontrolle der einzelnen Behörden ist12. Als umfassendstes Steuerungsmittel erscheint dabei das Weisungsrecht, dessen Fehlen sich als wesentliches Kennzeichen der ministerialfreien Räume in deren Bezeichnung als „weisungsfreie“ ausdrückt. Von ministerialfreien Räumen innerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung ist also zu sprechen, sobald einzelne Verwaltungseinheiten der umfassenden Leitungsbefugnis entzogen sind. Nicht zu verwechseln sind damit die im Bereich der Bundesverwaltung anzutreffenden selbständigen Bundesoberbehörden gemäß Art. 87 Abs. 3 GG. Deren „Selbständigkeit“ beschränkt sich auf den Tatbestand einer im Außenverhältnis relevanten organisatorischen und funktionalen Ausgliederung aus der Einheit einer obersten Bundesbehörde, die aber nicht auf eine sachliche Unabhängigkeit im Sinne eines ministerialfreien Raumes zielt13. 8 Sachs, NJW 1987, 2338, 2342; B. Becker, Öffentliche Verwaltung, 236 f., bezeichnet sie als nichtministerielle Verwaltungsbehörden. Mit Ministerialfreiheit hat dies per se nichts zu tun. 9 Emde, Demokratische Legitimation, 337 f.; Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 14. 10 Oldiges, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 62, Rn. 18 f. 11 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 56. Zum Begriff bzw. zur Entwicklung des Ministerialsystems Fichtmüller, AöR 91, 297 f., 301 ff. 12 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 22, Rn. 31. 13 Sachs, in: ders., Grundgesetz, Art. 87, Rn. 66; Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 87f, Rn. 112; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 271 f.;

178

3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

b) Die mittelbare Staatsverwaltung Zur öffentlichen Verwaltung gehört zum anderen der Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung. Dazu rechnen die rechtsfähigen Verwaltungsträger auf Bundes- und Landesebene. Herkömmlich geht es um Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Von der unmittelbaren Staatsverwaltung sind sie durch ihre rechtlich und organisatorisch verselbständigte Stellung zu unterscheiden. Sie sind nicht in den engeren staatlichen Verwaltungsaufbau integriert und darum Glieder der staatlichen Organisation14. Aufgrund ihrer aufsichtsrechtlichen Zuordnung zu den Bundesministerien gehören auch sie zur Ministerialverwaltung im hier vorausgesetzten Sinn. aa) Die Zuordnung der Selbstverwaltung Eine breite Diskussion entzündet sich an der Frage, ob auch Einrichtungen der Selbstverwaltung unter dem Begriff der mittelbaren Staatsverwaltung zusammengefaßt werden dürfen15. Sie tragen zusätzlich zur rechtlichen Verselbständigung noch das Merkmal der Betroffenenmitwirkung, was sie von den übrigen Organen der mittelbaren Staatsverwaltung unterscheidet16. Als entscheidendes Argument wird indessen der unterschiedliche materielle Gehalt beider Begriffe vorgetragen. Während sich die mittelbare Staatsverwaltung auf all jene Institutionen beschränken soll, die Verwaltungsaufgaben des Staates, also staatliche Aufgaben wahrnehmen, umfasse die Selbstverwaltung darüber hinaus auch öffentliche, aber sogenannte nichtstaatliche Aufgaben17. Zwischen mittelbarer

Burgsmüller, Bundesoberbehörden, 17 ff., 25 ff., Paulweber, Regulierungszuständigkeit, 102 f. 14 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 74 II a). 15 Als Kronzeuge einer Kongruenz beider Begriffe gilt gemeinhin Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, § 25 I b). 16 Weitergehend sind die Schlußfolgerungen Schmidt-Aßmanns, in: Selmer/v. Münch, Gedächtnisschrift Martens, 249, 257, für den das Merkmal der politischen Teilnahme zu einer Unterscheidung von der mittelbaren Staatsverwaltung an sich führt. Selbstverwaltung und Staatsverwaltung sollen sich insoweit konkurrierend gegenüberstehen, ebenda, 260. Die entgegengesetzte Position nimmt Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, § 25 I a), a. E., ein, wonach die mitgliedschaftlichen Mitwirkungsbefugnisse kein besonderes Kennzeichen der Selbstverwaltung sein sollen. Kritisch dazu Emde, Demokratische Legitimation, 7 f. Zur Formalisierung des Selbstverwaltungsbegriffs bei Forsthoff, Hendler, Selbstverwaltung, 272 ff. Die Betroffenen-Mitwirkung als konstitutives Merkmal der Selbstverwaltung macht ein Ausschlußverhältnis beider Begriffe jedoch nicht zwingend. Richtig scheint vielmehr, die Selbstverwaltung als den spezielleren Terminus zu begreifen, zu dem der allgemeinere der mittelbaren Staatsverwaltung im Verhältnis der Überordnung steht. 17 Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 120 f.; Emde, Demokratische Legitimation, 10; Hendler, in: Isensee/Kirchhof, HBStR IV, § 106, Rn. 42 f.; Tettinger, Mitbestimmung in der Sparkasse, 38.

II. Ministerialfreie Räume

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Staatsverwaltung und Selbstverwaltung gebe es daher lediglich eine Schnittmenge, im übrigen seien sie jedoch nicht deckungsgleich und in Teilen sogar von Verfassung wegen unvereinbar18. Tatsächlich wiederholen sich an dieser Stelle die Konfliktlinien, die bereits in der Zuordnung der Selbstverwaltungseinrichtungen zur Staatsgewalt erkennbar geworden sind. Mit deren Bejahung verflüchtigen sich aber auch die Bedenken, die gegenüber dem Begriff der mittelbaren Staatsverwaltung bestehen. Eine Festlegung der mittelbaren Staatsverwaltung auf den unsicheren Begriff staatlicher Aufgaben ist nämlich nicht zwingend19. Sie kann auch als unpräziser Hinweis darauf gewertet werden, daß Selbstverwaltungseinheiten Teil der öffentlichen Verwaltung sind20. Neben der materiell begrenzenden Auslegung des Begriffs Staatsverwaltung erlaubt eine Betonung der Mittelbarkeit zudem, das distanzierte, nämlich dezentralisierte Verhältnis zum Staat in den Vordergrund zu stellen21. Der Begriff gewinnt dadurch eine systematische Bedeutung, hinter der der materielle Aspekt zurücktreten kann. Die Aussagekraft des Begriffs der mittelbaren Staatsverwaltung sollte sich folglich auf die Zusammenfassung aller vom Staat gesonderten rechtsfähigen Träger des öffentlichen Rechts beschränken, die gleichwohl Staatsgewalt im organisatorischen Sinne sind. Sie ist in dem hier zugrundegelegten Sinn eine rein formale Systematisierungskategorie, die auch die Selbstverwaltung umfaßt22. Ein Verzicht hieße indessen, einen ebenso verbreiteten wie anschaulichen Begriff aufzugeben, ohne einen wirklichen Ersatz dafür zu haben23. Wollte man künftig nur von Selbstverwaltung sprechen, wäre einerseits eine Abgrenzung zur gesellschaftlichen und politischen Selbstverwaltung notwendig, andererseits würde eine mit den übrigen Gliedern mittelbarer Staatsverwaltung verbindende Einheit fehlen, die sowohl die rechtliche Verselbständigung wie auch die gemeinsame Zuordnung zum

18

Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 121. Zum Aufgabenbegriff erneut im 4. Kapitel dieser Untersuchung. 20 Hendler, DÖV 1986, 675, 677; H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 177; Schmidt-Aßmann, in: Selmer/v. Münch, Gedächtnisschrift Martens, 249, 258, 260. 21 Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 168. 22 Hendler, in: Isensee/Kirchhof, HBStR IV, § 106, Rn. 44; Mauerer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 1; Schuppert, AöR 114, 127, 130; Schmidt-Aßmann, in: Selmer/v. Münch, Gedächtnisschrift Martens, 249, 257, Fn. 39; Burgi, in: Erichsen/ Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52, Rn. 11. 23 Verzichtforderung bei Knemeyer, DVBl. 1985, 808 f. Auch die von Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 333 ff., vorgeschlagene Terminologie der „verselbständigten Verwaltungseinheit“ kommt nicht in Betracht. Sie vermeidet zwar eine Unterscheidung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Aufgaben. Zugleich führt ihre inhaltliche Reduktion zum Verlust jeglicher Unterscheidungskraft. Mit ihr läßt sich die rechtliche Verselbständigung nicht mehr von der Ministerialfreiheit differenzieren, was für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand von weitreichender Bedeutung ist. 19

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

Staat umfaßt. Richtiger erscheint es daher, eine Identifizierung der mittelbaren Staatsverwaltung mit der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben zu unterlassen. bb) Die Zuordnung zum Kreis der ministerialfreien Räume Die mittelbare Staatsverwaltung steht außerhalb des hierarchischen Verwaltungsaufbaus der Ministerialverwaltung im engeren Sinn und ist der ihr inhärenten Weisungsbefugnis entzogen. Es wäre indessen ein fehlerhaftes Verständnis der Ministerialverwaltung, allein daraus die Ministerialfreiheit der mittelbaren Staatsverwaltung ableiten zu wollen. Die Frage ist vielmehr, ob Rechtsträger der mittelbaren Staatsverwaltung dann ministerialfrei sein können, wenn für sie im Rahmen der Staatsaufsicht keine umfassenden staatlichen Ingerenzen vorgesehen sind. Die Möglichkeit, den Anwendungsbereich der ministerialfreien Räume auf die mittelbare Staatsverwaltung zu erstreckten, ist nicht unumstritten. Eine andere Ansicht wurde schon frühzeitig von Loening geäußert, der „die mittelbare Staatsverwaltung im weitesten Sinn“ unter Hinweis auf ihre Rechtsfähigkeit aus dem Thema ausklammert24. Deshalb können sie „wesensmäßig nicht ministerieller Leitung, sondern in der Regel nur einer begrenzten Aufsicht unterliegen“. Das gleiche wird auch im besonderen für die Selbstverwaltung behauptet25. Daher passe der Ausdruck der Ministerialfreiheit in seiner Bedeutung als Ausnahme vom Ministerialsystem nicht. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß dieser Begriff nicht die Zugehörigkeit zum staatlich-hierarchischen Ministerialsystem im engeren Sinne voraussetzt, sondern lediglich die Unabhängigkeit von der Exekutivspitze bzw. im Umkehrschluß deren fehlende Einflußmöglichkeit zum Ausdruck bringen soll26. Gerade die Gegenüberstellung von Aufsicht und Leitung muß bei Loening zu einem Mißverständnis führen, weil Leitung i. S. v. Art. 65 S. 2 GG nicht nur die rechtlich unselbständige Bundesverwaltung, sondern auch die zum Geschäftsbereich gehörenden, rechtlich verselbständigten juristischen Personen zum Objekt hat27. Wie von den Gegnern eines weiten Begriffs der Ministerialfreiheit selbst vorgetragen wird, unterliegen auch die Or24 Loening, DVBl. 1954, 173. Ebenso H. Dreier, in: ders., GG-Kommentar II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 116, Rn. 306; ders., Hierarchische Verwaltung, 136, 227; Müller, JuS 1985, 497, 498. Nicht zu dieser Ansicht ist Fichtmüller zu rechnen, AöR 91, 297 f.: Zwar beschränkt er seine Definition auf die unmittelbare Staatsverwaltung, ohne Rücksicht darauf zählt er aber im weiteren Verlauf auch die Selbstverwaltung zu den ministerialfreien Räumen, AöR 91, 297, 313 f., 317. 25 Kahl, Staatsaufsicht, 479, Fn. 55. 26 Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 69. Deutlich wird dies auch anhand der verwandten Begriffe der Weisungsfreiheit bzw. Parlamentsfreiheit, in denen ein Bezug auf die Ministerialverwaltung nicht angelegt ist. Diese Sicht verstellt sich, wer von vornherein den Ausnahmencharakter der Ministerialfreiheit betont. Richtigerweise wird dieser aber erst durch die verfassungsrechtliche Zulässigkeit bestimmt.

II. Ministerialfreie Räume

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gane der mittelbaren Staatsverwaltung einer mehr oder weniger weitgehenden Aufsicht28. Bereits das damit angedeutet Verhältnis genügt hier aber, sie zum potentiellen Kreis der ministerialfreien Räume zu zählen29. Die Begründung für die Beschränkung der Aufsicht bzw. die Gründe für die Ministerialfreiheit im einen wie im anderen Fall ist eine davon zu trennende Frage. Das gilt etwa für die Hinweise auf den engen Bezug des Grundgesetzes zur Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2, 86, 87 Abs. 2, Abs. 3, 130 Abs. 3 GG. Darin ist zwar eine mögliche Rechtfertigung angesprochen, die aber für die Festlegung des Kreises der ministerialfreien Räume ohne Belang ist30. Der Begriff der ministerialfreien Räume reduziert sich nicht auf die mangels verfassungsrechtlicher Regelung problematischen Fälle. Er beschreibt vielmehr ein übergreifendes organisationsrechtliches Merkmal31. 3. Die Bedeutung des Weisungsrechts a) Allgemeine Bestimmung Nachdem nun bereits mehrfach auf den Zusammenhang zwischen Ministerialfreiheit und Weisungsfreiheit hingewiesen wurde, ist eine genauere Bestimmung der Weisung angezeigt32. Das Weisungsrecht ist deshalb hervorzuheben, 27 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 36; Sachs, NJW 1987, 2338, 2342. 28 Loening, DVBl. 1954, 173; Müller, JuS 1985, 497 f. Siehe zur Unterordnung der mittelbaren Staatsverwaltung unter die Aufsicht der Regierung Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 82 II. 29 Ebenso Mayen, DÖV 2004, 45, 46; Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 18; Brosius-Gersdorf, Bundesbank und Demokratieprinzip, 105 f.; für Anstalten Breuer, VVDStRL 44, 211, 237. Stern, Staatsrecht II, 790, sieht bei ministerialfreien Räumen der unmittelbaren Staatsverwaltung und bei der begrenzten Staatsaufsicht gegenüber juristischen Personen die gleiche Problematik und hält beide darum zumindest für verwandt. In diesem Sinne auch H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 171, 179 f. 30 Diese Ansicht unterstellt die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Weisungsfreiheit im Bereich der Selbstverwaltung. Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 98, 101, wie auch Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 10, ordnen zwar auch die mittelbare Staatsverwaltung den ministerialfreien Räumen zu, klammern sie aber unter Hinweis auf ihre offensichtliche Zulässigkeit aus ihren Untersuchungen aus. 31 Aus diesem Grund ist eine Unterscheidung zwischen Ministerialfreiheit und Selbstverwaltung, die Emde, Demokratische Legitimation, 11, „im Dienste der Vereinfachung der Verständigung“ für erforderlich hält, hier unangebracht. Aus derlei pragmatischer Sicht läßt sich im übrigen auch für die Einbeziehung streiten: Wenn für ministerialfreie Räume innerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung ein verfassungsrechtliches Verbot festgestellt wird, muß auch dessen Umgehung mittels einer Selbstverwaltungsregelung fragwürdig sein. 32 Ausführlich Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 11 ff., insbesondere 16; E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 44 ff.; Roller, Wei-

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

weil es sich um das intensivste sachliche Steuerungsmittel handelt, das dem Verwaltungsrecht bekannt ist, und für die Frage der ministerialfreien Räume von besonderer Bedeutung ist33. Oebbecke nennt es das zuverlässigste, kostengünstigste und immer verfügbare Steuerungsmittel34. Allgemeinsprachlich kann die Weisung als ein Befehl bezeichnet werden, der die Anordnung des Willens des Vorgesetzten gegenüber dem untergeordneten Weisungsempfänger enthält35. Verwaltungswissenschaftlich handelt es sich um eine konkrete, inner- oder zwischenbehördliche, jedenfalls verwaltungsinterne und verbindliche Direktive für das Verwaltungshandeln, insbesondere für die Gesetzesauslegung und den Ermessensgebrauch36. Weisungsbefugnis und Gehorsamspflicht sind dabei komplementäre Begriffe37. Die Weisung kann jeden – rechtlich zulässigen und tatsächlich möglichen – Inhalt haben38. Weil sie folglich nicht allein auf die Verwirklichung gesetzlicher Vorgaben beschränkt ist, sondern auch die der Verwaltung offenstehenden Ermessens- und Beurteilungsspielräume umfaßt, kann die Verwaltungsspitze auf diesem Weg jeden Bereich der ihr nachgeordneten Verwaltungstätigkeit – im Rahmen von Recht und Gesetz – steuern. Das Weisungsrecht ist daher als „modal bestimmte Kompetenz“ bezeichnet worden39. Wesentlich ist die Feststellung, daß das umfassende Weisungsrecht nicht durch andere Steuerungsinstrumente gleichwertig ersetzt werden kann40. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind zu nennen: Zustimmungs- und Genehmigungsvorbehalte der Regierung, Beanstandung, Widerspruch, Kassation, Selbsteintrittsrecht, Rechtsbehelfe, darunter insbesondere der Insichprozeß, die personellen Optionen der Ernennung, Wiederernennung und Entlassung, die aber im Gegensatz zur initiativen Weisung reaktive, die Einzelentscheidung nicht versungsfreie Ausschüsse, 26-33; F. Loschelder, Die Durchsetzbarkeit von Weisungen, 35, 71 f. 33 Aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht ordnet Oebbecke das Weisungsrecht als Mittel der Selbsterledigung systematisch der Steuerung zu. Diese diente neben Zielformulierung und Kontrolle der Führung einer (staatlichen) Organisation, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 11-15 mit weiteren Nachweisen. 34 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 16 f. 35 Mit ähnlicher Definition Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 6. 36 BVerfGE 81, 310, 335 f.; Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 153, 359; Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 26 f.; Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52, Rn. 47; F. Loschelder, Die Durchsetzbarkeit von Weisungen, 35. 37 Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen, 60. 38 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 45. 39 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 10. 40 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 48 ff.; Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 128; Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 360 f. Jestaedt, Kondominialverwaltung, 405. Die Bedeutung des Weisungsrechts folgt aus diesem Umstand. Daher ist es von untergeordneter Bedeutung, daß neben der Weisungsfreiheit noch weitere Formen der Selbständigkeit bestehen. Vgl. dazu Fichtmüller, AöR 91, 297 f.

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bindlich determinierende Mittel sind41. Der Grund dafür liegt in ihren funktionalen Unterschieden. Zu Recht weist Fichtmüller darauf hin, daß etwa personalpolitische Einflußmöglichkeiten „regelmäßig nicht zur Einwirkung auf einzelne Sachentscheidungen bestimmt“ sind42. Zudem darf ein konkretes Weisungsverbot auf diesem Weg auch nicht umgangen werden43. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang noch der Unterschied zwischen der abstrakt-generellen Weisung in Form einer Verwaltungsvorschrift und der konkret-individuellen (Einzel)Weisung44. Die Steuerungsfunktion von Verwaltungsvorschriften hängt stark von ihrer Ausgestaltung ab. So können sie einer vollständigen Weisungsgebundenheit nahe kommen45. Im Zweifelsfall aber kann der übergeordnete Wille nur mit der Einzelweisung auch punktuell zur Geltung gebracht werden, so daß die Verwaltungsvorschrift ihr gegenüber ein Minus darstellt46. Die Ausführungen zum demokratischen Legitimationsvorgang haben ergeben, daß Verantwortungszurechnung nicht auf die Geltendmachung von Einflußrechten angewiesen ist, solange diese nur als Möglichkeit vorhanden sind. In eben diesem Verhältnis spiegelt sich das ministerielle Weisungsrecht, das auch bei Nichtausübung soweit legitimiert, wie sein Einflußpotential reicht. Nichtausübung bedeutet in diesem Rahmen allerdings nicht zugleich „Nichtwirkung“. Tatsächlich ist hier von einer „influenzierenden Verhaltenskontrolle“ auszugehen, die sich in faktischen Kontroll- und Steuerungseffekten ausdrückt47. Bedeutung kommt ihnen freilich weniger für den Legitimationsvorgang als vielmehr für dessen Legitimität zu. b) Das Recht zur Weisung Die Weisungsbefugnis ist Bestandteil des hierarchischen Verwaltungsmodells, ohne daß sich für sie eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage findet48. Unrichtig ist es, auf § 55 BBG bzw. § 37 BRRG abzustellen49, die lediglich eine Re41

Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 16. Fichtmüller, AöR 91, 297, 298. 43 Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 126. 44 Verwaltungsvorschriften werden auch als Richtlinien, Erlasse, Rundverfügungen und innerdienstliche Weisungen bezeichnet. Die Unterscheidung von den Einzelweisungen findet sich auch im Grundgesetz, wenngleich auf das Bund-Länder-Verhältnis bezogen, in Art. 84 Abs. 2 bzw. Art. 85 Abs. 2 einerseits und in Art. 84 Abs. 5 bzw. Art. 85 Abs. 3 andererseits. 45 Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 127. 46 Fichtmüller, AöR 91, 297, 298. Er spricht dabei von partieller Ministerialfreiheit. 47 Mayen, DÖV 2004, 45, 49. 48 Bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates wurde sie für so selbstverständlich gehalten, daß man trotz entsprechender Vorschläge auf eine verfassungsrechtliche Regelung verzichtete. Mit weiteren Nachweisen Brandner, DÖV 1990, 966, Fn. 4. 49 So aber Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 783. 42

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gelung über die Gehorsamspflicht enthalten und die Weisungsbefugnis im übrigen voraussetzen. Ihre Existenz ist vielmehr denknotwendig mit der hergebrachten bürokratischen Verwaltungsorganisation verbunden50. Verfassungsrechtlich ist die Ministerverantwortlichkeit gemäß Art. 65 S. 2 GG anzuführen, aus der die Notwendigkeit umfassender Steuerungsfähigkeit für das jeweilige Ressort folgt51. Hier ist jedoch zu unterscheiden: Wenn der Minister für sein Ressort verantwortlich sein soll, bedarf es der dazu erforderlichen Steuerungsmittel, zu denen in erster Linie die Weisungsbefugnis zu zählen ist. Daß der Minister aber für sein Ressort verantwortlich sein muß, folgt aus seiner Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament, die – wie bereits erörtert – Bedingung der demokratischen Legitimation ist. Die Weisungsbefugnis ist demzufolge ein „Strukturelement“52 des Legitimationsmechanismus, der damit zumindest als eine ihrer Grundlagen genannt werden kann. Weil es sich bei der umfassenden Steuerbarkeit der Verwaltung um den verfassungsrechtlich vorgestellten Regelfall handelt, ist im Grundsatz von einer allgemeinen Erwartung zugunsten der Weisungsbefugnis auszugehen53. c) Die Weisungsfreiheit als Bedingung der Ministerialfreiheit Weisungsfreiheit ist die zielgerichtete vollständige oder teilweise Einschränkung der Weisungsbefugnis54. Sie läßt diese Kompetenz und damit auch die Steuerungsmöglichkeit entfallen, soweit sie den Bereich der sachlichen Entscheidung betrifft55. Führt sie zu einem Steuerungsdefizit, ist zudem von Ministerialfreiheit zu sprechen, weil die Verantwortung des Ressortministers nur soweit bestehen kann, wie seine tatsächliche Steuerungsfähigkeit reicht. Steht also das unbeschränkte Einzelweisungsrecht für die weitestgehende Einflußmöglichkeit der Verwaltungsspitze56, so reduziert sich diese im Maße der gewährten Selbständigkeit. Eine weisungsfreie Stelle trifft Entscheidungen, die dem sach50 51 52 53

Brandner, DÖV 1990, 966 f. F. Loschelder, Die Durchsetzbarkeit von Weisungen, 21 f. Rudolf, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52, Rn. 45. Emde, Demokratische Legitimation, 63. Paulweber, Regulierungszuständigkeit,

101. 54

Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 127; Sodan, Kollegiale Funktionsträger,

153. 55 Demgegenüber sollen nach Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 37, organisatorische und technische Weisungen möglich bleiben, solange sie nicht das ob, wann und wie der sachlichen Entscheidung betreffen. 56 In diesem Zusammenhang kann auf die unzutreffenden Ansätze Brandners, DÖV 1990, 966 ff., zur Begrenzung des Weisungsbefugnis hingewiesen werden. So macht er zum einen die umfassende Sachverhaltsermittlung zu deren Voraussetzung. Zum anderen überträgt er die strengen Anforderungen des Selbsteintritts auf die Weisungsbefugnis selbst.

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lichen Einflußbereich der Ressortspitze ganz oder zum Teil entzogen sind57. Der Begriff der Ministerialfreiheit wird hier sinnfällig, ohne daß er mit umfassender Selbständigkeit gleichgesetzt werden muß. Weil die Weisungsbefugnis als nicht kompensierbar gilt, können Weisungsfreiheit und Ministerialfreiheit regelmäßig gleichgesetzt werden58. Weil sie zudem die Ausnahme zum oben genannten Regelfall ist, muß für sie – unabhängig von den noch zu erörternden verfassungsrechtlichen Fragen – der Gesetzesvorbehalt gelten59. Gleichwohl ergehende Weisungen sind nicht nur rechtswidrig, sondern auch unbeachtlich. In § 55 S. 2 BBG kommt das darin zum Ausdruck, daß die Gehorsamspflicht des Beamten besteht, „sofern es sich nicht um Fälle handelt, in denen er nach besonderer gesetzlicher Vorschrift an Weisungen nicht gebunden“ ist. Andererseits dispensiert Weisungsfreiheit nicht vom Vorrang des Gesetzes: Auch der weisungsfreie Beamte bleibt gemäß § 55 S. 2 a. E. BBG „dem Gesetz unterworfen“60. Demgegenüber ist eine rechtswidrige Weisung einer im übrigen weisungsbefugten Instanz grundsätzlich beachtlich61. Weil der weisungsunterworfene Beamte nach § 56 Abs. 1 BBG gleichzeitig die persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner Handlungen trägt, steht ihm gemäß § 56 Abs. 2 BBG ein Remonstrationsrecht zu. Wird die Weisung dabei bestätigt, muß er sie bei Befreiung von eigener Verantwortung ausführen, es sei denn, daß das angewiesene Verhalten erkennbar ordnungswidrig oder strafbar wäre oder gegen die Menschenwürde verstoßen würde. Das Gesetzmäßigkeitsprinzip selbst ist daher erkennbar kein Fall der Weisungsfreiheit62. Eine rechtswidrige 57 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 6 f. Insbesondere entfällt mit dem Weisungsrecht auch jede Form des Selbsteintritts übergeordneter Stellen; vergleiche Geiger/Klinghardt, Stasi-Unterlagen-Gesetz, § 35, Rn. 10; Schmidt/Dörr, Stasi-Unterlagen-Gesetz, § 35, Rn. 5. Im Fall einer behördeninternen Weisungsfreiheit ist das nicht selbstverständlich, steht doch dem Behördenleiter kraft seiner Führungsverantwortung und Organisationsmacht stets ein intrabehördliches Selbsteintrittsrecht zu; ebenso F. Loschelder, Die Durchsetzbarkeit von Weisungen, 47 f.; Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen, 110 f. In diesem Fall bedeutet die Weisungsfreiheit aber zugleich eine nicht überwindbare funktionale Zuständigkeit, die dem Selbsteintrittsrecht entgegensteht. Vgl. zur Möglichkeit einer Angliederung ministerialfreier Verwaltungsstellen an ministerialgebundene Behörden Müller, JuS 1985, 497, 505. 58 Dies gilt zumindest dann, wenn das Verwaltungshandeln nicht vollständig gesetzlich determiniert ist. Zu dieser Ausnahme 3. Kap., II. 5. b). 59 Es handelt sich um einen Teil der institutionellen Legitimation, weil die Exekutive selbst keine Veränderungen an ihrem eigenen verfassungsmäßigen Status vornehmen darf. Dazu Böckenförde, Organisationsgewalt, 96; Müller, JuS 1985, 497, 504; Schmidt-Aßmann, in: Stödter/Thieme, Festschrift Ipsen, 333, 348; Groß, Kollegialprinzip, 246; aus der Sicht der Verzichtstheorie E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 216. Anderer Ansicht Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 468 ff., scheinbar ebenso HessStGH PersV 1986, 227, 231. 60 Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 33; Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 113 f. 61 Vgl. dazu Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen, 83 ff.

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Weisung ist folglich von der gesetzlich vorgesehenen Freiheit von Weisung zu unterscheiden. 4. Zum Bezug von Ministerialfreiheit und Aufsichtsrecht Das Weisungsrecht besteht nicht für sich, sondern ist seinerseits ein regelndes Mittel der Aufsichtsführung63. Dieser Zusammenhang erlaubt es, Ministerialfreiheit nicht nur modal zu bestimmen, sondern auch in einen organisationsrechtlichen Kontext zu bringen, der insbesondere die bereits angesprochenen Begriffe der mittelbaren und unmittelbaren Staatsverwaltung wie auch den der Selbstverwaltung umschließt. Auf diesem Weg ist eine Konturierung und letztlich eine weitere Eingrenzung des Themas möglich. Abstrakt kann Aufsicht als Beaufsichtigung von nachgeordneten Gliedern, Organen und Ämtern durch die ihnen vorgesetzten definiert werden, was „auch die Beeinflussung der Tätigkeit des Beaufsichtigten durch Verwaltungsvorschriften, durch Verwaltungsakte oder Weisungen im Einzelfall sowie durch tatsächliche Maßnahmen“ einschließt64. Daran wird zunächst erkennbar, daß Aufsicht ebenso wie der Begriff des Ministerialsystems nicht auf das innenrechtliche Hierarchiemodell der unmittelbaren, dekonzentrierten Staatsverwaltung beschränkt ist, sondern auch selbständige, dezentralisierte Verwaltungsträger erfaßt65. Es handelt sich stets um ein Verhältnis der Über- und Unterordnung, an dessen Spitze nach dem Grundgesetz der Minister steht66. In einem übergreifenden Sinn ist Aufsicht neben Lenkung, Kontrolle und Leitung eine Form staatlicher Steuerung67. Ihr Zweck liegt in der demokratischen und rechtsstaatlichen Kompensation intrafunktionaler Gewaltenteilung, also der Dekonzentration und Dezentralisation der Verwaltung. Aufsicht ist daher ein Oberbegriff, der nicht nur auf die Koordination und Vereinheit62 Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 127. Zumindest mißverständlich ist es, wenn Klaue, in: Immenga/Mestmäcker, GWB Kommentar, § 51, Rn. 11 ff., aus dem Gesetzmäßigkeitsprinzip verschiedene Kategorien der Weisungsbindung ableitet. Kritisch dazu auch Nägele, in: Glassen/v. Hahn/Kersten/Rieger, Frankfurter Kommentar, § 51, Fn. 4. 63 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 77 II d) 2.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 22, Rn. 32 f.; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Ausschüsse, 9. 64 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 77 II a). Siehe auch Schröder, JuS 1986, 371. 65 Ihre Reichweite entspricht damit dem schon erörterten Begriff der Leitung in Art. 65 S. 2 GG. 66 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 9. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 77 II a), sprechen gar von einem „administrativen hierarchischen Zusammenhang“, was eine Betonung des etatistischen Zusammenhangs darstellt. Hebeler, DÖV 2002, 939, 936. 67 Kahl, Staatsaufsicht, 355; Schröder, JuS 1986, 371; Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52, Rn. 40 f. Eine etwas andere Einteilung nimmt Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 11, vor, der Steuerung und Kontrolle als unterscheidbare Funktionen von Führung beschreibt.

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lichung der Staatsverwaltung, sondern auch auf die Eingliederung in den Staat zielt. Für die verschiedenen Formen staatlicher Aufsicht hat die verwaltungswissenschaftliche Organisationslehre keine abschließenden Begriffsbestimmungen hervorgebracht68. Im Grundgesetz ist die Aufsicht nur an wenigen Stellen erwähnt69. Der Oberbegriff Aufsicht meint staatliche Aufsicht. Damit steht der Staat im weiteren Sinn als Aufsichtssubjekt fest, während das Aufsichtsobjekt unbestimmt bleibt. Ein Teilbereich der Aufsicht wird vom Begriff der Staatsaufsicht erfaßt, der als Bestimmung des Aufsichtsobjekts zu verstehen ist. Es muß sich um Aufsicht durch den Staat gegenüber einer ihm zurechenbaren Stelle handeln. Sie ist Staatsaufsicht im weiteren Sinne70. Die als Überwachung privater Tätigkeit verstandene Wirtschaftsaufsicht kann aus diesem Grund keine Staatsaufsicht sein71. Für den Staat im engeren Sinn, also die unmittelbare Staatsverwaltung, ist von Organ- bzw. Behördenaufsicht zu sprechen72. Es handelt sich um Aufsicht des Staates über seine eigenen Organe und Behörden. In Form der besonderen Organ- bzw. Behördenaufsicht ist sie mit Recht- und Zweckmäßigkeitskontrolle verbunden, so daß hier ein umfassendes – ungeschriebenes – Weisungsrecht besteht, soweit gesetzlich nichts anderes geregelt ist. Im Unterschied dazu findet gegenüber verselbständigten Verwaltungseinheiten Staatsaufsicht im engeren Sinn statt. Dabei ist Verselbständigung nicht allein mit Selbständigkeit gleichzusetzen, die, wenn auch in geringerem Maße, ebenso für die beaufsichtigte unmittelbare Staatsverwaltung kennzeichnend ist73. Hier handelt es sich vielmehr um unterstaatliche juristische Personen des öffentlichen Rechts, die zuvor unter dem Begriff der mittelbaren Staatsverwaltung zusammengefaßt wurden. Während die Organ- bzw. Behördenaufsicht das Aufsichtsobjekt betont, liegt der begriffliche Bezug der Staatsaufsicht i. e. S. nun wieder beim Aufsichtsträger74. Darüber hinaus sind allgemeine Aussagen nur 68 Ausführungen zum unterschiedlichen Sprachgebrauch bei Kahl, Staatsaufsicht, 350 ff. 69 Dies sind Art. 7 Abs. 1 und 3, Art. 84 Abs. 3, Art. 85 Abs. 4, Art. 87 Abs. 2, Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 und Art. 130 Abs. 3. 70 Ebenso Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52, Rn. 39. 71 Eingehend zu Begriff und Meinungsstand Kahl, Staatsaufsicht, 362, 364; Schröder, JuS 1986, 371 f.; Groß, DVBl. 2002, 793, 795. 72 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 44, 47, wählt dafür den Begriff der Dienstaufsicht. Als mißverständlich lehnen dies ab: Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 77 II b) 4., 6.; Kahl, Staatsaufsicht, 394; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 151; Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52, Rn. 44. 73 Schröder, JuS 1986, 371. 74 Der Bezug auf das Aufsichtsobjekt kommt hingegen in den Synonymen Körperschafts- bzw. Verbandsaufsicht zum Ausdruck.

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schwer zu treffen, weil das Verhältnis insbesondere der Selbstverwaltungskörperschaften zum Staat keinem einheitlichen Schema folgt. Die folgenden Ausführungen finden ihre Richtschnur in der kommunalen Selbstverwaltung, deren Aufsichtsstrukturen am deutlichsten erkennbar sind. Anders als bei der unmittelbaren Staatsgewalt ist die Staatsaufsicht i. e. S. aufgabenorientiert differenziert75. Sie erstreckt sich typischerweise auf Rechtskontrolle und ist damit Rechtsaufsicht. Diese stellt den Vorrang des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG sicher und gilt uneingeschränkt und unbedingt für den gesamten Bereich der Verwaltung. Daher gilt sie üblicherweise auch dann für ministerialfreie Stellen und Selbstverwaltungseinrichtungen im besonderen, wenn sie im übrigen aufsichtsfrei bleiben76. Für die Rechtsaufsicht ist im einzelnen zwischen präventiven und repressiven Aufsichtsmitteln zu unterscheiden. Letztere stehen im Einzelfall nur in verhältnismäßiger Stufung zur Verfügung. Sie reichen von der Auskunft über die Beanstandung, die Anordnung und Selbstvornahme bis zur Einsetzung eines Staatskommissars77. Es ist auffällig, daß der Begriff der (Rechts-) Weisung nicht vorgesehen ist. Gleichwohl sollte die Rechtsaufsicht nicht als weisungsfreie Aufsicht bezeichnet werden78. So richtig dies für das konkrete Fehlen des Weisungsmittels sein mag, kann es nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Mittel der Rechtsaufsicht im Ergebnis einer Rechtmäßigkeitsweisung entsprechen und die Frage echter Weisungsfreiheit in Abhängigkeit von der jeweiligen Fachaufsicht steht79. Die Fachaufsicht80 als Zweckmäßigkeitskontrolle und Teil der Staatsaufsicht i. e. S.81 besteht zumindest im Bereich der übertragenen staatlichen Aufgaben 75 Schmidt-Aßmann, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, 1. Kap., Rn. 32; Erichsen, DVBl. 1985, 943 f. 76 Die Rechtsaufsicht erklärt sich daher aus der Zuordnung der Selbstverwaltung zur Staatsgewalt. Ebenso Erichsen, DVBl. 1985, 943 f. Für die kommunale Selbstverwaltung Schmidt-Aßmann, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, 1. Kap., Rn. 41. Zu einer anderen Auffassung werden diejenigen gelangen, die die Selbstverwaltung mehr oder minder dem gesellschaftlichen Bereich zuordnen. Zu den jeweiligen Rechtsfolgen Schröder, JuS 1986, 371, 372 f. 77 Schröder, JuS 1986, 371, 374; Erichsen, DVBl. 1985, 943, 945. 78 So aber Erichsen, DVBl. 1985, 943 f. 79 Auch der Umkehrschluß, daß Rechtsaufsicht nie durch Weisungen erfolgen kann, ist unrichtig, wie die besondere Organ- bzw. Behördenaufsicht lehrt. 80 Der Begriff der Fachaufsicht hat seinen Bezugspunkt allein im sachlichen Verwaltungshandeln, nicht aber im Verhältnis zwischen Aufsichtssubjekt und Aufsichtsobjekt. Daher ist Fachaufsicht entgegen einem weitverbreiteten Sprachgebrauch auch nicht auf verselbständigte Verwaltungsträger beschränkt. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 22, Rn. 32 f.; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 150; Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht II, § 77 II 5; Schröder, JuS 1986, 371 f.; anderer Ansicht jedoch Kahl, Staatsaufsicht, 394. Allgemein zur Fachaufsicht: Groß, DVBl. 2002, 793 ff. 81 Diese Zuordnung ist nicht unumstritten. Während Erichsen, DVBl. 1985, 943 f., sie bejaht, behandelt sie Schröder, JuS 1986, 371 f., als eigene Kategorie neben der

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sowie der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung82. Schon dieser Begriff macht deutlich, daß für die Fachaufsicht das Weisungsmittel vorbehaltlich besonderer Bestimmungen zur Verfügung steht. Sie ist in diesem Umfang Leitungsmacht und entspricht insoweit der unmittelbaren Staatsverwaltung83. Im übrigen, also außerhalb der bezeichneten Aufgabenbereiche und insbesondere für die Formen der Selbstverwaltung, ist hingegen das Fehlen der Fachaufsicht typisch. Folglich ist im Begriff der Staatsaufsicht i. e. S. eine gedankliche Einschränkung der Aufsicht bereits enthalten, die jedoch keine Gleichsetzung von rechtlicher Verselbständigung mit personeller oder materieller Unabhängigkeit erlaubt84. Umgekehrt läßt sich aber die Frage anschließen, ob die Aufsicht gegenüber der mittelbaren Staatsverwaltung zugleich „ein Maximum zulässiger Bundesingerenz festlegt“85. Zu denken ist dabei insbesondere an eine Beschränkung der Fachaufsicht auf die Tatbestände der übertragenen Staatsaufgaben. Eine pauschale Antwort darauf verbietet sich jedoch schon deshalb, weil die mittelbare Staatsverwaltung nicht ausschließlich von Selbstverwaltungsträgern gebildet wird, die einer solchen Differenzierung zugänglich sind. Richtigerweise und durch die Weisungsbefugnisse des Bundes gegenüber den Ländern gemäß Art. 85 Abs. 3, Abs. 4 GG bestätigt, ist eine umfassende Aufsicht gegenüber verselbständigten juristischen Personen zulässig86. Dies gilt auch – vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Selbstverwaltungsgarantien – für die Selbstverwaltungsträger, wobei im einzelnen geprüft werden muß, ob es sich materiell noch um Selbstverwaltung handelt87. Der Umfang der Weisungsbefugnis ist demnach eine Frage der Ausgestaltung der Aufsicht. Sie reicht von einem totalen Aufsichtsrecht, das ein unbeschränkStaatsaufsicht. Offengelassen bei Schmidt-Aßmann, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, 1. Kap., Rn. 32. Groß, DVBl. 2002, 793 nennt die Fachaufsicht den dogmatischen Zwillingsbruder der Staatsaufsicht. 82 Insbesondere die dem Weinheimer Entwurf folgende monistische Kommunalverfassung macht eine eingehende, jedoch nicht zweifelsfrei mögliche Abgrenzung des Weisungsrechts erforderlich. Vgl. dazu Erichsen, DVBl. 1985, 943 f., 946; SchmidtAßmann, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, 1. Kap., Rn. 37 ff. Im Rahmen dieser Untersuchung besteht kein Bedarf, dieser Frage im einzelnen nachzugehen. 83 Kahl, Staatsaufsicht, 358 f. Ein Unterschied besteht darin, daß sie als Organaufsicht Durchgriffsaufsicht ist, während sich Staatsaufsicht im engeren Sinn nur an die verselbständigte Verwaltungseinheit als ganzes richten kann. Art. 85 Abs. 3 S. 2 GG macht jedoch deutlich, daß auch hier Abweichungen denkbar sind. 84 Fichtmüller, AöR 91, 297, 337, bringt dies mit der Feststellung auf den Punkt, daß Rechtsfähigkeit und Weisungsfreiheit nicht notwendig aufeinander bezogen sein müssen; ebenso E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 106; Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 254 f. Zur Fachaufsicht gegenüber Anstalten K. Lange, VVDStRL 44, 169, 199 f. 85 Sachs, NJW 1987, 2338, 2342. 86 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 36; Sachs, NJW 1987, 2338, 2342. 87 Emde, Demokratische Legitimation, 63, 84 f., 262.

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tes Weisungsrecht impliziert, bis zu Formen der Sonder- bzw. Einzelaufsicht, deren Steuerungsmittel an besondere tatbestandliche Voraussetzungen geknüpft sind88. Für die Frage der Ministerialfreiheit ist diese Abstufung insoweit von Belang, als deren Merkmal gerade eine Einschränkung, wenn nicht sogar das Fehlen der Weisungskompetenz der übergeordneten Stelle ist. Andersherum kann man sagen: Ministerialfreiheit ist jedes Minus von einem umfassend gedachten, am Mittel der Einzelweisung orientierten Aufsichtsrecht. Die zu untersuchende Problematik ministerialfreier Räume liegt daher nur auf den ersten Blick in der Weisungsfreiheit. Richtigerweise handelt es sich um ein mit der Aufsichtsbeschränkung verbundenes Steuerungsproblem89. Aus der Betrachtung der Aufsicht folgt zudem eine wesentliche Erkenntnis zum konstruktiven Unterschied zwischen ministerialfreien selbständigen Verwaltungsträgern und ministerialfreien Räumen innerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung. Die Aufsicht staatlicher Aufsichtsbehörden über rechtsfähige Verwaltungseinheiten ist ein Rechtsverhältnis, für das der Gesetzesvorbehalt gilt90. Demzufolge bestehen Aufsichtsumfang und -mittel nur, soweit sie geregelt sind91. A limine sind sie jedoch begrenzt. Die Vermutung spricht daher gegen ein Aufsichtsrecht. Dies ist nur scheinbar ein Widerspruch zum demokratischen Legitimationsgefüge, weil sich dessen Anforderungen in diesen Fällen gegen den Gesetzgeber richten, für entsprechende Aufsichtsrechte zu sorgen92. Anders ist es bei den ministerialfreien Räumen innerhalb der Staatsverwaltung: Hier spricht die Vermutung für umfassende Aufsicht, die durch eine gesetzliche Regelung widerlegt werden muß. Für die schon angesprochene Frage der Wei88

Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 77 II c). Schröder, JuS 1986, 371, 373. Anderer Ansicht Emde, Demokratische Legitimation, 12, 21 f. Ihm ist zwar darin Recht zu geben, daß mit Blick auf die Selbstverwaltungseinrichtungen deutliche Unterschiede zu den übrigen ministerialfreien Stellen erkennbar sind. Diese können sich als Gründe für die Weisungsfreiheit oder als Alternative zur Weisungsbindung erweisen, betreffen aber nicht die Tatsache einer Abweichung vom Modell ministerieller Steuerung. Die Verwechslung wird daran deutlich, daß Emde die „Reduktion der ministeriellen Leitungsgewalt“ zum Abgrenzungskriterium der ministerialfreien Räume von der funktionalen Selbstverwaltung macht, 12. 90 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52, Rn. 42; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 33; Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte im Verfassungssystem, 169; Groß, DVBl. 2002, 793, 799; Kahl, Staatsaufsicht, 396, 501 ff. mit Nachweisen zum Diskussionsstand und entgegengesetzten Meinungen. 91 Vgl. dazu Spreng/Birn/Feuchte, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 71, Ziff. 4: Der dargestellte Streit, ob ein Weisungsrecht im Falle einer den Gemeinden übertragenen Aufgabe den Zusatz „nach Weisung“ voraussetzt, kann nicht allein damit beantwortet werden, daß das fachaufsichtliche Weisungsrecht in diesen Fällen stets bestehe. Erforderlich ist vielmehr, daß die Kommunalverfassung das Weisungsrecht ausdrücklich einräumt, was in allgemeiner Form jedoch nur im dualistischen System möglich ist. 92 Im Ansatz auch K. Lange, VVDStRL 44, 169, 201, der die Verantwortung des Staates dafür betont, daß die von ihm geschaffenen Anstalten ihre rechtlichen Schranken einhalten. 89

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sungsbefugnis bedeutet dies, daß diese im einen Fall eingeräumt werden muß, im anderen aber vorausgesetzt werden kann. 5. Abgrenzungsfragen der Ministerialfreiheit Die Bestimmung ministerialfreier Räume in der Verwaltungsorganisation kann sich im Einzelfall schwierig gestalten. Zunächst ist es nicht immer eindeutig, wann von Weisungsfreiheit auszugehen ist. Sodann sind Fallgestaltungen denkbar, in denen trotz Weisungsfreiheit kein Steuerungsdefizit festzustellen ist. Schließlich sind definitionsmäßige Grenzen der Ministerialfreiheit zu beachten. Dies ist im folgenden zu untersuchen. a) Zur Bestimmung der Weisungsfreiheit Behörden oder Teile davon werden in keinem Fall ausdrücklich als ministerialfrei bezeichnet. Anknüpfungspunkt ist vielmehr der gesetzliche Ausschluß der Weisungsbefugnis im besonderen oder der Aufsicht im allgemeinen. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung wie auch die Gesetzgebungsmaterialien sind oftmals eindeutig. Problematisch erscheinen demgegenüber die Fälle, in denen Ministerialfreiheit oder zumindest die Weisungsfreiheit diskutiert wird, ohne daß dafür ein gesetzgeberischer Wille erkennbar ist93. Wegen des geltenden Gesetzesvorbehalts muß hier ausgesprochene Zurückhaltung geübt werden94. aa) Rechtsaufsicht trotz Weisungsfreiheit Anders als im Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung differenziert der Gesetzgeber in der unmittelbaren Staatsverwaltung nicht zwischen Fach- und Rechtsaufsicht. Regelungen zur Weisungsfreiheit sehen daher häufig, wenn auch nicht immer, einen pauschalen Ausschluß der Weisungsbefugnis vor. Al93 Dies geschieht in der Regel unter dem Gesichtspunkt der vorgeblichen Richtigkeit der zu treffenden Entscheidungen der angeblich weisungsfreien Verwaltungsstelle. Die dazu erforderlichen teleologischen und systematischen Bemühungen führen jedoch zumeist zu einer im Bereich der Beliebigkeit liegenden Überdehnung der gesetzlichen Bestimmung. 94 Schlicht abwegig ist das Vorgehen bei Ahlf, Das Bundeskriminalamt als Zentralstelle, 114 ff., der ohne Ansehung der gesetzlichen Regelung nach Gründen für eine Ministerialfreiheit des Bundeskriminalamtes sucht und dies im Ergebnis bejaht. Richtig daran ist nur, daß die Verfassung die Unabhängigkeit im Einzelfall gebieten kann. Das ist beim Bundeskriminalamt jedoch nicht der Fall. Mit seiner Argumentation mißachtet Ahlf nicht nur den Gesetzesvorbehalt, sondern auch das für die Weisungsfreiheit geltende Regel-Ausnahmeverhältnis. Ablehnend auch Gusy, DVBl. 1993, 1117, 1124 f.; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 64.

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lein der gesetzliche Wortlaut legt daher nahe, darunter einen Ausschluß sowohl der Sach- wie auch der Rechtsweisungen zu verstehen. Dies kann man von Ausnahmen bestätigt sehen, in denen die Rechtsaufsicht ausdrücklich erhalten bleibt oder auf andere Weise gesichert wird. Gleichwohl wird – auf der Grundlage rechtsstaatlicher Überlegungen – gefordert, Weisungsfreiheit auf den Ausschluß von Sachweisungen zu beschränken95. Konstruktiv sei dazu der Weg der verfassungskonformen Auslegung angezeigt96. Eine solche Feststellung ist an dieser Stelle noch nicht möglich. Solange die Frage der Verfassungsmäßigkeit der ministerialfreien Räume, was auch den Umfang der Weisungsfreiheit mit einschließt, noch nicht geklärt ist, muß der gesetzliche Wortlaut maßgeblich bleiben97. Weisungsfreiheit ist insoweit umfassend zu verstehen. bb) Gebundenes Verwaltungshandeln als Fall der Weisungsfreiheit Es wird verschiedentlich die Auffassung vertreten, auch gebundenes Verwaltungshandeln, also solches ohne Ermessen, gehöre zu den Fällen der Weisungsfreiheit98. Dahinter ist die Vorstellung zu vermuten, daß Weisungen zumindest eine Entscheidungsalternative voraussetzten. Andernfalls stehe der gesetzmäßig handelnden Behörde ohnehin nur eine Handlungsmöglichkeit offen. Eine trotzdem ergehende Weisung wäre allenfalls überflüssig, wenn nicht sogar rechtswidrig. Diesen Behauptungen ist jedoch unbedingt zu widersprechen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß Weisungen jeden Inhalt annehmen können. Sie beschränken sich nicht auf die Zweckmäßigkeit, sondern können außerdem die Rechtmäßigkeit und das Verwaltungsverfahren mit aufnehmen99. Bei allgemeinen Weisungen in Form von Verwaltungsvorschriften bildet die Gesetzesauslegung sogar eine eigene Kategorie. Es bedarf dazu auch nicht der Ergänzung um die Beurteilungsspielräume auf der Ebene des Tatbestands. Ebenso wie jede ermessensleitende Weisung an die gesetzesvollziehende Verwaltung zwangsläufig gesetzeswiederholende Elemente aufnimmt, kann sie zur Herstellung rechtmäßi-

95 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 214; Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 400 f., 418 f.; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 133 ff.; Schröder, JuS 1986, 371 f.; offensichtlich auch Gusy, DVBl. 1993, 1117, 1124, der unter Ministerialfreiheit die Beschränkung auf Rechtsaufsicht versteht; Sachs, NJW 1987, 2338, 2342, unter Hinweis auf Art. 130 Abs. 3 GG als allgemeinen Rechtsgedanken. Anderer Ansicht Wippermann, DÖV 1994, 929, 933. 96 Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 400 f., 418 f. 97 Siehe dazu aber noch 3. Kap., VII. 3. c) cc). 98 Fritz/Baumüller/Brunn, Kriegsdienstverweigerungsgesetz, § 5, Rn. 28; Schulte, Patentgesetz, § 26, Rn. 12. 99 Unklar bei Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52, Rn. 47, der von „Weisungen und anderen Aufsichtsmaßnahmen der Zweckmäßigkeit“ spricht.

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ger Entscheidungen auch darauf beschränkt werden100. In Anlehnung an die Terminologie der Kommunalaufsicht ist zwischen Zweckmäßigkeitsweisungen und Rechtmäßigkeitsweisungen zu unterscheiden101. Verfassungsrechtlich läßt sich der weite Anwendungsbereich der Weisung darauf zurückführen, daß die Verantwortung des Ministers gemäß Art. 65 S. 2 GG sowohl Zweckmäßigkeit wie auch Gesetzmäßigkeit umschließt. Ihm obliegen Fach- und Rechtsaufsicht. Fehlende Handlungsspielräume der Verwaltung führen folglich nicht notwendig zu einem weisungsfreien Zustand, für den Ministerialfreiheit in Betracht zu ziehen wäre. cc) Notwendige Weisungsfreiheit von Kollegialorganen Eine hervorgehobene Rolle unter den ministerialfreien Räumen spielt in der Verwaltung die Organisationsform der Kollegialorgane102. Mit ihrer Einrichtung verbindet sich eine verbreitete Erwartung, die eine Weisungsbindung des Organs ausschließt103. Als Anknüpfungspunkt ist dabei entweder das Organ als Ganzes oder das einzelne Mitglied zu unterscheiden104. Als Grund dafür wird vorgebracht, daß das Weisungsrecht einer übergeordneten Stelle dem Zweck kollegialischer Entscheidungsfindung nicht gerecht werde, ihn „ad absurdum“ führe und darüber hinaus sogar den Prozeß der Entscheidungsfindung im Wege vorauseilenden Gehorsams beeinflussen könne. Den Typus der hierarchischen, weisungsgebundenen Verwaltung repräsentiere allein das monokratische Organ. Diese Ansicht sieht sich von der häufiger anzutreffenden ausdrücklichen Weisungsfreiheit von Kollegialorganen bestätigt, ohne daß jedoch im Umkehrschluß deren Fehlen für Weisungsbindung spreche. Es sei von deklaratorischen Regelungen auszugehen. Ausgangspunkt der Überlegung muß sein, daß für die Verselbständigung einzelner Verwaltungseinheiten der institutionelle Gesetzesvorbehalt gilt. Kollegial100 Ebenso E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 45; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 6; Fichtmüller, AöR 91, 297, 338; F. Loschelder, Die Durchsetzbarkeit von Weisungen, 61. 101 Gern, Kommunalrecht, Rn. 809, 822. 102 Zu den Begriffen des kollegialen und des monokratischen Prinzips Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 75 II, III; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, § 23 2. b). Zur Definition der Kollegialverwaltung Groß, Kollegialprinzip, 45 ff. 103 In diesem Sinne etwa Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 117, 147 f., demzufolge die allgemeine Weisung eher mit dem Sinn von kollegialer Beratung und Beschlußfassung zu vereinbaren ist als die Einzelweisung. Ebenso Badura, in: Erichsen/ Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 35, Rn. 2; Paulweber, Regulierungszuständigkeit, 105; Neumüller, Mitteilungen 1968, 28 f.; Groß, in: Sommermann, Gremienwesen, 17, 20; ähnlich Müller-Terpitz, ZG 1997, 257, 272. 104 Vgl. § 105 GWB einerseits, § 19 Abs. 4 JuSchG andererseits. Groß, Kollegialprinzip, 50.

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organe machen davon keine Ausnahme105. Ihre gesetzliche Einrichtung ist jedoch nicht geeignet, den Ausschluß von Weisungsrechten zu indizieren106. Die Unterscheidung zwischen dem monokratischen und kollegialischen Entscheidungsmodell eignet sich nämlich nicht, den Bereich der ministerialfreien Verwaltung näher zu bestimmen. Mit der Gegenüberstellung wird eine Trennung angedeutet, die so nicht besteht. Richtigerweise sind Kollegialstrukturen in den hierarchischen Verwaltungsaufbau integriert. Kollegialorgane, genauer: ihre Vorsitzenden und ihre Mitglieder können durchaus weisungsunterworfen sein, wie auch umgekehrt Beschränkungen des Weisungsrechts mit der monokratischen Behördenverfassung kompatibel sind107. Der Befund ausdrücklicher Weisungsfreiheit für Kollegialorgane ist noch keine verallgemeinerungsfähige Gesetzmäßigkeit, was anhand zahlreicher Gegenbeispiele nachgewiesen werden kann108. Verworfen wird damit einerseits die – vereinzelt gebliebene – Ansicht, die von einer prinzipiellen Unvereinbarkeit zwischen Kollegialprinzip und Weisungsbindung ausging109, andererseits die Ansicht, die damit zumindest eine Vermutungsumkehr zu Gunsten von Weisungsfreiheit verbindet. Zu Recht wird allerdings auf das Problem hingewiesen, Weisungen gegenüber Kollegialorganen durchzusetzen110. Das rechtfertigt aber nicht den Schluß, Kollegialorgane seien stets und sogar entgegen dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut weisungsfrei. dd) Faktische Weisungsfreiheit Die Befugnis zur Weisung bedeutet nicht, daß davon auch Gebrauch gemacht wird. Vielmehr steht dies – abgesehen von Fällen der Rechtsaufsicht – im Ermessen des Berechtigten111. Weil die Weisung eine Form der Selbstentschei105

Im Grundsatz Groß, Kollegialprinzip, 246. So aber Groß, Kollegialprinzip, 247, der deshalb für Kollegialorgane eine positive Anordnung der Fachaufsicht für notwendig hält. Ähnlich Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 157. 107 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 75 II b) 1.; Nägele, in: Glassen/v. Hahn/ Kersten/Rieger, Frankfurter Kommentar, § 51, Rn. 6. Möschel, ORDO 48, 241, 246, nennt die direkte ministerielle Anweisung zwar nicht denkunmöglich, aber zumindest einen normativen Fremdkörper im Prozeß der Entscheidungsfindung. 108 Vgl. insoweit die zahlreichen Beispiele weisungsgebundener Kollegialorgane bei Groß, Kollegialprinzip, 50 f. 109 Dagtoglou, Kollegialorgane, 48, der selbst bei entgegenstehendem Gesetzeswortlaut für Weisungsfreiheit plädiert. Ebenso im Ergebnis Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 149, für Einzelweisungen, der jedoch die dem widersprechende Auffassung des Gesetzgebers anerkennt. 110 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 46; Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 155 ff. 111 BVerwGE 101, 323, 326. Für die Geltung des Opportunitätsprinzips sowohl bei Rechts- wie auch Fachaufsicht Schröder, JuS 1986, 371, 374. 106

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dung ist, steht der Berechtigte vor der Alternative, die Verantwortung für eine fremde Entscheidung, nämlich die der ihm nachgeordneten Behörde, oder für seine eigene Weisungsentscheidung zu übernehmen. Gründe der größeren Sachnähe und der Fachkompetenz, die organisatorisch auch durch Kollegialgremien abgesichert sein können, werden häufig dazu führen, in die Entscheidungsfindung der zuständigen Behörde nicht einzugreifen112. Indessen wird aus dem dauernden Nichtgebrauch einer Weisungsbefugnis zum Teil ein Verzicht darauf abgeleitet, der zu einem Zustand faktischer Weisungsfreiheit führe113. Ob dieser jedoch der ausdrücklichen Weisungsfreiheit gleichsteht und damit Ministerialfreiheit begründen kann, ist fraglich114. Man kann diese Frage unter Hinweis auf ihre mangelnde praktische Bedeutung abtun115. Insbesondere ist daran zu erinnern, daß die förmliche Weisung vielfach bereits im Wege informeller Absprachen vermieden wird116, so daß es sich schwerlich um einen Weisungsverzicht handelt. Aber auch ein zunächst theoretisches Problem kann jederzeit relevant werden, zumal die Diskussion darüber tatsächlich geführt wird. Zunächst ist festzuhalten, daß die fehlende Inanspruchnahme einer Kompetenz nicht zu deren Verlust führt. Erst der Verzicht darauf oder der Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens könnte dem Gebrauchmachen entgegenstehen. Im verfassungsrechtlichen Kontext der Weisungsbefugnis kommt dies jedoch nicht Betracht. Die ministerielle Aufsicht ist fremdnützig gegenüber dem Parlament, so daß der jeweils zuständige Minister sich seiner Verantwortung nicht durch Verzicht entziehen kann117. Darüber hinaus handelt es sich um eine organisationsrechtliche Frage, die dem Gesetzesvorbehalt unterliegt118. Ein Verzicht kann zwar zu faktischer Weisungsfreiheit führen, jedoch nur in dem Sinne, daß der Minister dem Parlament für den Nichtgebrauch des Weisungsermessens verantwortlich ist119. Eine Rechtsverwirkung 112 Man kann sich fragen, ob dies nicht auch die stets für ungeschriebene Weisungsfreiheit genannten, scheinbar unwiderleglichen Beispiele des Theaterdirektors einer städtischen Bühne oder des Chefarztes einer Klinik in kommunaler Trägerschaft betrifft. Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen, 115, will in diesen Fällen die Weisungsgrenzen aus der Natur der Sache herleiten. Richtiger erscheint es demgegenüber, auf die Verantwortungsgrenze abzustellen. 113 Neumüller, Mitteilungen 1968, 28 f.; zum Kartellamt Geberth, AG 1991, 295 f. 114 Kritisch Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 255; Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, 244 f., 375 f.; Mayen, DÖV 2004, 45, 46. 115 Schultz, in: Langen/Bunte, Kommentar zum Kartellrecht, § 51, Rn. 5; MüllerTerpitz, ZG 1997, 257, 271. 116 Ähnlich Schmidt-Aßmann, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, 1. Kap., Rn. 42. 117 Dies entspricht den Argumenten gegen die sogenannte Verzichtstheorie zur Rechtfertigung ministerialfreier Räume. Dazu 3. Kap., VI. 1. d). 118 Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, 376. 119 BVerwGE 101, 323, 326; Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, 377; Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 105.

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kommt im Über-Unterordnungsverhältnis staatlicher Stellen mangels eines Vertrauenstatbestands ebenfalls nicht in Betracht. b) Sonderfall: Keine Ministerialfreiheit trotz Weisungsfreiheit Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß es sich bei dem Weisungsrecht um das umfassendste, nicht kompensierbare Steuerungsmittel handelt, so daß jede Einschränkung zu einem wenigstens theoretischen Steuerungsdefizit führen muß. Von diesem Grundsatz ist jedoch eine Ausnahme denkbar: Anzunehmen ist dafür eine nur im Hinblick auf die Sachentscheidung weisungsfreie Verwaltungsstelle, der weder Ermessens- noch Beurteilungsspielräume offenstehen. Ihr zur Seite gestellt sei ein weisungsabhängiger Beauftragter, dem im Hinblick auf die weisungsfreien Entscheidungen ein gesetzliches Klagerecht zusteht120. Die nachfolgend zu begründende These lautet, daß in diesem Fall trotz Weisungsfreiheit kein Steuerungsdefizit besteht. Da die Klagebefugnis vorliegend gesetzlich vorgesehen ist, bedarf es keiner Erörterung über die allgemeine Herleitung und Zulässigkeit von Insichprozessen. In dem Fallbeispiel geht es auch nicht um die Frage, ob der Insichprozeß stets geeignet wäre, eine fehlende Weisungsbefugnis zu ersetzen. Dieses Ansinnen ist klar zu verneinen, weil die richterliche Rechtskontrolle nicht mit der Ausfüllung gesetzlicher Gestaltungsspielräume in Übereinstimmung gebracht werden kann121. Die berechtigte Kritik von E. Klein an solchen Vorstößen geht jedoch über das Ziel hinaus, unterscheidet er doch nicht den hier gebildeten Fall, der ein Ermessen überhaupt nicht vorsieht122. Wie bereits festgestellt, ist das Weisungsrecht auch bei gebundenen Entscheidungen zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit zulässig und rechtsstaatlich erforderlich. Umkehrt erfaßt die Weisungsfreiheit in der unmittelbaren Staatsverwaltung zumindest nach ihrem Wortlaut nicht nur die Befugnis zur Zweckmäßigkeitsweisung, sondern jede entscheidungserhebliche Weisung, also auch die Rechtmäßigkeitsweisung. Die vorgestellte Verwaltungsstelle ist weisungsfrei im Sinne der Definition. Maßgeblich ist daher die Frage des Steuerungsdefizits. Wegen der mangelnden Gestaltungsspielräume handelt es sich um Gesetzesvollzug im engeren Sinne. Im Wege der – hier fehlenden – Rechtsaufsicht dürfte die Ent120 Das praktische Beispiel hierzu bildete das Verhältnis zwischen Einzelentscheider und dem Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten nach AsylVfG a. F. Dazu eingehend 3. Kap., III. 2. a). 121 So aber Seebode, DVBl. 1968, 177 f. Unklar Loening, DVBl. 1954, 173, 179, der es zwar vertretbar nennt, daß das Klagerecht die Ministerialfreiheit entfallen lasse, andererseits aber Zweifel äußert, ob damit die Leitung der Exekutive tatsächlich in vollem Umfang erhalten bleibe. Zum Umfang gerichtlicher Rechtskontrolle Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 1 (11. Aufl.), § 20, Rn. 68. 122 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 52 f., 55.

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scheidung nur anhand des Normprogramms überprüft werden. Nichts anderes tut ein Richter, dem die Frage zur Prüfung der Rechtmäßigkeit vorgelegt wird. Fraglich ist aber, ob die richterliche Kontrolle mit der Rechtsaufsicht vergleichbar ist. Mittels des rechtsmittelbefugten, weisungsunterworfenen Beauftragten ist sichergestellt, daß die Richterkontrolle stets stattfinden kann, wenn auch unmittelbare Rechtsaufsicht stattfinden würde. Die Rechtmäßigkeitsmaßstäbe unterscheiden sich nicht. Zu erwägen wäre weiterhin, ob in der Rechtsfolge eine Abweichung besteht. Die weisungsbefugte Stelle wird sich im Zweifelsfall nicht mit der Aufhebung begnügen, sondern zugleich den Erlaß der rechtmäßigen Entscheidung anordnen. So eindeutig ist die Lage vor Gericht hingegen nicht: Je nachdem welche Klageart dem Beauftragten offensteht, unterscheiden sich die Ergebnisse. Mit der Anfechtungsklage kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt nur beseitigt werden. Auch mit der Feststellungsklage kann lediglich das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses bzw. die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ausgesprochen werden. Nur das Urteil der Verpflichtungsklage gemäß § 113 Abs. 5 VwGO bzw. der Leistungsklage enthält den Leistungsbefehl zum Erlaß des Verwaltungsaktes oder zur Vornahme der Handlung, was der Weisung vergleichbar ist. Für Anfechtungs- und Feststellungsklage ist also ein Minus zu erkennen. Weil aber die Verwaltung im hier vorgegebenen Rahmen schon qua Gesetz und ohne ausdrückliche Anordnung zum rechtmäßigen Handeln verpflichtet ist, was auch die Respektierung von Gerichtsentscheidungen beinhaltet, können diese Abweichungen hingenommen werden123. Weisungsstelle und Gericht beschränken sich folglich gleichermaßen auf die Rechtskontrolle124. Schließlich ist noch an den äußersten Fall zu denken, daß sich die weisungsfreie Stelle weigert, die rechtmäßige Entscheidung zu treffen. Dem weisungsbefugten Organ steht dann nach überwiegender Meinung ein Selbsteintrittsrecht zu125, während der gerichtliche Rechtsschutz im Wege der Zwangsvollstreckung gemäß §§ 167 ff. VwGO zu verfolgen ist. Insgesamt ist festzustellen, daß das Klagerecht in dem hier skizzierten Umfang geeignet ist, die Rechtsaufsicht zu ersetzen126. Daher ist für die oben be123 Es kann auf die Argumente gegen die Subsidiaritätsklausel der Feststellungsklage verwiesen werden, soweit sich diese gegen den Staat oder andere Träger öffentlicher Gewalt richtet, BVerwGE 36, 179, 181 f.; 51, 69, 75; 77, 207, 211. 124 Anderer Ansicht Dagtoglou, Der Private in der Verwaltung, 153, der Klage- und Weisungsbefugnis in Petition und Dezision unterscheidet und darum mangels Vergleichbarkeit für nicht austauschbar erachtet. 125 Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 10, Rn. 21; Lecheler, Verwaltungslehre, 108; Herdegen, Die Verwaltung 23, 183, 192 ff.; F. Loschelder, Die Durchsetzbarkeit von Weisungen, 46 ff., 73 ff.; anderer Ansicht Meyer, in: Knack, VwVfG, vor § 3, Rn. 25. 126 Ebenso Fichtmüller, AöR 91, 297, 338, Fn. 243: „Die Rechtsaufsicht, um die es hier unter dem Gesichtpunkt des Parlamentseinflusses geht, kann aber durch das Klagerecht wirkungsvoll ersetzt werden.“ Angedeutet auch bei Bachof, JZ 1962, 350, 355.

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schriebene Rechtsgestaltung von einem Fall der Weisungsfreiheit auszugehen, der nicht in Ministerialfreiheit mündet127. Der rechtsmittelbefugte, weisungsabhängige Beauftragte ist dabei unverzichtbar und insbesondere nicht durch private Rechtsverfolgung ersetzbar128. Damit würde die ministerielle Kontrollmöglichkeit, nämlich die Befugnis eine gerichtliche Kontrolle einzuleiten, entfallen. Auch für Kollegialorgane ohne Ermessensfreiraum wird dieser Ausnahmefall ausscheiden, soweit ihnen ein Beurteilungsspielraum auf der Ebene des Tatbestands zuwächst. Der Vergleich zwischen eingeschränkter richterlicher Kontrolle und unbegrenztem Weisungsrecht endet in diesem Fall ebenso mit einem Steuerungsdefizit. c) Grenzen der Ministerialfreiheit aa) Die Staatsgewalt als Grenze Gegenstand der Weisung sind dem Bundesverfassungsgericht zufolge nach außen hin zu treffende verfahrensabschließende Entscheidungen wie auch das ihrer Vorbereitung dienende Verwaltungshandeln129. Demgegenüber sind ministerialfreie Räume definitionsmäßig auf die Ausübung von Staatsgewalt begrenzt130. Folglich kann sich die Ministerialfreiheit nicht im Ausschluß der Weisungskompetenz erschöpfen, sondern muß auch das weisungsfrei gestellte Organ einbeziehen: Nur wenn es sich bei dessen Tun um die Ausübung von Staatsgewalt – um die weisungsfreie Ausübung von Staatsgewalt – handelt, ist von Ministerialfreiheit zu sprechen131. Hingegen erfüllt Weisungsfreiheit jen127 Anders Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 328, der in der Ersetzung des Weisungsrechts durch die Klagebefugnis einen Fall zulässiger Ministerialfreiheit sieht. 128 In den Gesetzesmaterialien zum Zuwanderungsgesetz findet sich ein bemerkenswertes Argument gegen die vorgesehene Abschaffung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten: „Parallel zur Weisungsunabhängigkeit der Einzelentscheider ist die Institution des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten nach § 6 AsylVfG zur Vermeidung eines ministerialfreien Raumes beizubehalten.“ BT-Drs. 14/8414, 30. Die hier vorgestellte Ausnahme trifft tatsächlich auf die weisungsunabhängigen Einzelentscheider nach § 5 Abs. 2 AsylVfG a. F. zu, so daß der Satz inhaltlich richtig ist. Offen bleibt jedoch, ob der Berichterstatter tatsächlich diese Ausnahme im Blick hatte oder – wie zu vermuten ist – von einer allgemeinen Kompensierbarkeit der Weisungsfreiheit mittels Rechtskontrolle ausging. 129 BVerfGE 81, 310, 335. 130 Anders Müller, JuS 1985, 497 f., der Ministerialfreiheit auf jede Form staatlichen Verwaltungshandelns erstrecken will. 131 Dieser Umstand führt insbesondere zum Ausschluß der Gremien mit reiner Beratungsfunktion. Zwar wird das Problem der faktischen Entscheidungsqualität vieler Beratungsgremien nicht übersehen, im vorliegenden Fall soll aber an der formellen Trennung zwischen Beratung und Entscheidungskompetenz festgehalten werden. Zum „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“, Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 96 f., sowie ausführlich 394 ff. Kritisch Schreyer,

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seits davon diese Voraussetzung nicht. Verständlicher wird das anhand des Gedankens der Verantwortlichkeit des Ministers im Ministerialsystem. Sie besteht nur in Bezug auf Entscheidungen, so daß umgekehrt Ministerialfreiheit nur dann in Betracht kommt, wenn auch Verantwortung potentiell möglich ist. Damit wird aber das Merkmal der Entscheidung zur gemeinsamen Voraussetzung132. bb) Die Exekutive als Grenze Die Definition ministerialfreier Räume ist auf öffentliche Verwaltung im organisatorischen Sinn133 beschränkt. Aus dem Kreis der zu untersuchenden Verwaltungsstellen scheiden daher Legislative und Judikative einschließlich ihrer Eigenverwaltung prinzipiell aus. Anders als Fichtmüller134, der auch sie ministerialfrei nennt, dies aber mit der „Verfassungsstruktur“ rechtfertigt, werden sie hier nicht als Ausnahme vom Ministerialsystem gesehen. Grund hierfür ist, daß Ministerialfreiheit ihren Bezug auf das Ministerialsystem hat. Dieses ist jedoch nur für die Exekutive verwirklicht. Außerhalb sind ministerialfreie Stellen begrifflich nicht denkbar: Wenn das Gegenteil der Ministerialfreiheit die Ministerialbindung ist, würde damit ein Prinzip zur Regel erhoben, das schon wegen des Gewaltenteilungsgrundsatzes nicht die Regel sein darf135. Dagegen verfängt auch der Einwand von E. Klein nicht, aus der Sicht der Weisungsbefugnis des Ressortministers mache es nur einen rechtstechnischen Unterschied, ob die Aufgabe weisungsfrei gestellt oder auf eine andere Gewalt verlagert werde136. Doch auch E. Klein hat zunächst davon gesprochen, der ministerialfreie Raum konkretisiere sich durch seine Gegensätzlichkeit zum Ministerialsystem. Dies kann aber nicht bedeuten, daß alles, was keiner Weisung unterliegt, ministerialfrei ist. Richtigerweise handelt es sich nur dann um einen ministerialfreien Raum, wenn ein hinzugedachtes Weisungsrecht das Ministerialsystem wiederherstellen würde. Aus diesem Grund ist schließlich das Argument E. Kleins zurückzuweisen, auch die Frage der Verlagerung exekutivischer Funktionen auf andere Gewalten gehöre in den zu behandelnden Themenkreis, weil es ebenfalls die Frage der Ministerverantwortlichkeit betreffe. Dabei geht es jedoch in erster Linie Pluralistische Entscheidungsgremien, 24, Fn. 59; Di Fabio, Verw.Archiv 81, 193, 217 f. 132 Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 14. 133 Zum Begriff Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 1 (10. Aufl.), § 2, Rn. 29. 134 Fichtmüller, AöR 91, 297, 308, ebenso D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 125. 135 Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 71; Müller, JuS 1985, 497, 499. Eine Gemeinsamkeit mit diesen nicht-exekutiven Stellen ist die Frage ihrer demokratischen Legitimation. Sie ist allerdings unabhängig von den ministerialfreien Räumen zu diskutieren. 136 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 64 f.

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nicht um die Zulässigkeit einer ministerialfreien Stelle im Ministerialsystem, sondern um die Zulässigkeit einer Exemtion aus dem Ministerialsystem. Einzig die Organe, deren Zuordnung zu einer der drei Gewalten in Frage steht, können problematisch sein137. Aber auch dabei handelt es sich nicht um eine Frage der Zulässigkeit von Ministerialfreiheit an sich, sondern um die konkrete Feststellung ihrer Reichweite. cc) Das Ministerialsystem als Grenze Die Existenz von Geschäftsbereichen ohne Bundesminister als Ressortchef ist, von verfassungsrechtlichen Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich unzulässig138. Das bedeutet, daß sämtliche Stellen der unmittelbaren wie der mittelbaren Staatsverwaltung der Ministerialverwaltung im hier verwendeten weiten Sinn eingegliedert sein müssen. Ministerialfreie Räume sind keine Ausnahme dazu, auch sie sind einem Ressort zugeordnet139. Das wird schon daran deutlich, daß die weisungsfreien Selbstverwaltungseinrichtungen in der Regel der Rechtsaufsicht unterliegen, für die eine ressortmäßige Zuordnung erforderlich ist. Kennzeichen der ministerialfreien Räume ist daher ihre Freiheit im Ressort, nicht aber ihre Freiheit vom Ressort. Gewendet auf das Ressortprinzip des Art. 65 S. 2 GG fallen sie in den Verantwortungsbereich des jeweiligen Ministers, ohne daß dieser tatsächlich verantwortlich wird140. Hier bestätigt sich die Ministerialverwaltung als Oberbegriff, wie er zu Anfang eingeführt wurde. Abzugrenzen sind davon allerdings besondere Organe, die zur Exekutive zu rechnen sind und nicht nur weisungs-, sondern zugleich auch ressortfrei sind. Es handelt sich dabei um einen verfassungsrechtlich begrenzten Kreis oberster Bundesbehörden, die organisationsrechtlich der Bundesregierung bzw. den Bundesministern gleichgeordnet sind141. Sie sind schon begrifflich Spitzenbehörden 137

Vgl. dazu die Ausführungen von Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 74 ff.; E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 59 ff. 138 Hermes, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 62, Rn. 20; Köttgen, JöR 3, 67, 101, 112; Böckenförde, Organisationsgewalt, 197 f.; Brosius-Gersdorf, Bundesbank und Demokratieprinzip, 91. 139 Anderer Ansicht scheinbar Hermes, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 62, Rn. 20, Fn. 65, der im Zusammenhang ressortfreier Geschäftsbereiche auf die Problematik ministerialfreier Räume verweist. Im Sinne der Ressortzugehörigkeit hingegen Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 14. 140 Anderer Ansicht offenbar Stoltenberg, Stasi-Unterlagen-Gesetz, § 35, Rn. 10, der von einer ministeriellen Verantwortung für weisungsfrei getroffene Entscheidungen ausgeht. 141 Zu nennen sind hier u. a. die Bundesbank, das Bundespräsidialamt und – soweit man ihn zur Exekutive zählt – der Bundesrechnungshof. Als Teil der Exekutive sieht diesen E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 59 ff. Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 89 ff., ordnet ihm eine Sonderstellung zwischen Parlament und Regierung zu und sondert ihn mit diesem Argument aus der Betrachtung aus. Waechter,

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und als solche keiner höheren Exekutivinstanz unterstellt142. Daher scheiden sie aus den zu betrachtenden ministerialfreien Räumen aus143. Es wäre jedoch ein Mißverständnis anzunehmen, daß sich nicht auch bei diesen obersten Bundesbehörden die verfassungsrechtlichen Fragen der demokratischen Legitimation und der Verantwortungszurechnung stellen. Weil sie ohne Bezug zum Ministerialsystem stehen, paßt der Begriff der Ministerialfreiheit hier aus systematischen Gründen nicht mehr. Ihre demokratische Legitimation kann nur individuell und unter Berücksichtigung ihrer verfassungsrechtlichen Stellung zugeordnet werden. 6. Das Verhältnis zum parlamentsfreien Raum Teilweise wurde zudem der Begriff des „parlamentsfreien Raums“ in die Diskussion eingeführt144. Gemeint ist damit der Fall, daß eine Verwaltungsstelle der parlamentarischen Einflußnahme entzogen ist, soweit es sich nicht um gesetzliche Bindungen handelt. Will man das Demokratieprinzip in den Vordergrund rücken, so scheint der parlamentsfreie Raum der genauere Begriff zu sein, weil er das Problem der parlamentarischen Kontrolle scheinbar stärker fokussiert. Zugleich steigt damit aber auch die Gefahr, die Frage darauf zu verkürzen. Diesen Ansatz wählt Fichtmüller, für den der „parlamentsfreie Raum“ die verfassungsrechtliche Problematik des eingeschränkten parlamentarischen Einflusses auf die Verwaltung, der „ministerialfreie Raum“ demgegenüber mehr die Frage der Staatsleitung der Regierung beleuchtet145. Von Interesse ist hier die Frage, ob es sich bei den beiden Begriffen tatsächlich nur um eine unterschiedliche Herangehensweise handelt und es danach dem jeweiligen Blickwinkel des Betrachters überlassen bleibt oder ob es einen darüber hinausgehenden, rechtlich relevanten Unterschied gibt. E. Klein hält sie für synonym, d.h., daß Geminderte demokratische Legitimation, 237 ff., insbesondere 245, sieht in ihm ein Verfassungsorgan sui generis mit Kontrollaufgaben. Die Frage bedarf hier keiner Erörterung, da der Rechnungshof weder im einen noch im anderen Fall zu den ministerialfreien Räumen zu zählen ist. Für eine andere Qualifikation des Bundespräsidialamts Köttgen, DÖV 1954, 4, 5. 142 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 82 I a) 1.; Broß, in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 85, Rn. 16; Köttgen, JöR 11, 173, 258; Tschentscher, Bundesaufsicht und Bundesauftragsverwaltung, 78. 143 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 66, kommt zwar zu dem gleichen Ergebnis, jedoch nicht aufgrund systematischer Begriffsbildung, sondern aus problemorientierter Sicht. Müller, JuS 1985, 497, 499, geht zwar von dem hier vertretenen Ansatz aus, verneint für das Bundespräsidialamt im Ergebnis die Zuordnung zur zweiten Gewalt. 144 Erstmalig wohl bei Grewe, Verhandlungen des 39. Deutschen Juristentages 1951, D 152. 145 Fichtmüller, AöR 91, 297, 328. Ebenso Ahlf, Das Bundeskriminalamt als Zentralstelle, 105.

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jeder ministerialfreie Raum auch parlamentsfrei und jeder parlamentsfreie Raum zugleich ministerialfrei ist146. Dagegen führt Oebbecke das Beispiel des Wehrbeauftragten nach Art. 45b GG an, der einerseits ministerialfrei, andererseits aber weder weisungsfrei noch parlamentsfrei sei, so daß von Identität zwischen beiden Begriffen keine Rede sein könne147. Die so umrissene Diskussion krankt allerdings an der Ungenauigkeit ihres Inhalts. E. Klein legt seiner Definition ministerialfreier Räume zunächst einen materiellen Verwaltungsbegriff zugrunde, von dem er aber diejenigen Verwaltungen ausnimmt, die zum Funktionieren von anderen Verfassungsorganen erforderlich sind148. Ministerialfreiheit steht damit zwar in einem materiellen Ausschlußverhältnis zur 1. und 3. Gewalt, ist aber nicht zwingend auf die Exekutive beschränkt. Die Rechtsprechung gehört nicht dazu, unter Umständen aber die Verwaltungsaufgaben im richterlichen Kompetenzbereich. Ebenso sieht er die Parlamentsfreiheit auf die Bereiche beschränkt, die nicht schon kraft der Verfassung der parlamentarischen Kontrolle verschlossen sind. Vor diesem Hintergrund geht mit seiner Gleichsetzung die unbewiesene Behauptung einher, daß es im Bereich der 1. Gewalt keine ministerialfreie Verwaltung gebe und wenn doch, daß diese gleichwohl parlamentsfrei sei. Es ist zu vermuten, daß E. Klein in diesem Fall eher den organisatorischen Verwaltungsbegriff vor Augen hatte. Demgegenüber trifft Oebbecke für parlamentsfreie Räume keine systematische Einschränkung. Wie schon der Wortlaut von Art. 45b GG sowie § 1 Abs. 2 WBeauftrG ausdrücklich hervorhebt, ist der Wehrbeauftragte Organ des Bundestages und damit zur Legislative zu rechnen. Hingegen fällt er für E. Klein bereits aus dem Problemkreis der ministerialfreien Räume in der Exekutiven heraus. Daher ist Oebbeckes Hinweis als Argument gegen E. Klein unzulässig, wenngleich für sich genommen richtig. Der gleichen Verwechslung ist auch Sodan149 erlegen, der im Anschluß an Achterberg feststellt, ministerialfreie Räume seien aufgrund der verbleibenden parlamentarischen Einflußmöglichkeiten150 lediglich eine „Zone verminderter Kontrolldichte“151, jedoch nicht parlamentsfrei. Auch dies ist richtig ohne zugleich E. Kleins Argumentation in Frage zu stellen, weil dieser seinen Vergleich auf die Frage der Einzelweisung beschränkt152. 146 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 67. Ebenso Paulweber, Regulierungszuständigkeit, 90, Fn. 265; Müller, JuS 1985, 497 f. 147 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 7 f., Fn.15; anders Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 85. 148 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 58, 64–66. 149 Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 404 f. 150 Hier werden Vorwegbestimmungen durch Gesetz sowie nachträgliche parlamentarische Korrekturmöglichkeiten genannt. 151 Achterberg, Parlamentsrecht, 438. 152 Ebenso wie bei der Ministerialfreiheit muß die Perspektive bei der Parlamentsfreiheit nicht der Mindesteinfluß, sondern ein Abweichen vom größtmöglichen parlamentarischen Einfluß sein.

III. Ministerialfreie Räume in der Verwaltung

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Nach der hier vorangestellten Definition ist jeder ministerialfreie Raum zugleich parlamentsfrei, weil das fehlende Weisungsrecht stets mit einer Verkürzung der parlamentarischen Kontrolle zusammenfällt. Darin drückt sich aus, was Loening bereits 1954 erkannt hat, nämlich daß Parlamentsfreiheit eine Teilund Folgeerscheinung der Ministerialfreiheit ist153. Umgekehrt ist aber nicht jeder parlamentsfreie Raum auch ministerialfrei. Ruft man sich an dieser Stelle nämlich den Grundsatz in Erinnerung, daß die gesamte demokratische Legitimation über das Parlament vermittelt wird, muß jeder Teil der Staatsgewalt als parlamentsfrei betrachtet werden, der hierzu in Ausnahme steht. Das Ministerialsystem bildet darin nur einen Ausschnitt. Als parlaments-, nicht aber als ministerialfreie Räume im Bereich der Exekutive kommen etwa die bereits erwähnten obersten Bundesbehörden in Betracht, soweit sie nicht nur außerhalb des Ministerialsystems, sondern auch außerhalb des parlamentarischen Verantwortungszusammenhangs stehen154.

III. Ministerialfreie Räume in der Verwaltung Die Funktion der parlamentarischen Kontrolle und Formen der demokratischen Legitimation können abstrakt beschrieben werden. Es handelt sich dabei um gedachte Idealfälle. In gleicher Weise wird im allgemeinen mit den Ausnahmetatbeständen verfahren. Der Nachteil dieser vornehmlich rechtstheoretischen Diskussion ist jedoch der Verlust der sie tragenden praktischen Hintergründe, die sich in der Art der Verwaltungsorganisation spiegeln und diese erklären. Um das Problem der Ministerialfreiheit besser in den Blick zu bekommen, wird hier für erforderlich gehalten, echte und vermeintliche ministerialfreie Räume einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Für die nachfolgend zu diskutierende Frage, ob sich der Ausfall der parlamentarischen Kontrolle in diesen Fällen rechtfertigen läßt, bildet dies die unverzichtbare Grundlage. Der Verfasser sah sich dabei vor die Aufgabe gestellt, den organisationsrechtlichen Status dieser Verwaltungsstellen unter Hervorhebung der Weisungsfreiheit darzustellen und insbesondere die gesetzgeberischen Gründe dafür nachzuzeichnen. In der nun fünf Jahrzehnte anhaltenden Diskussion der ministerialfreien Räume wurde diese Eigenschaft einer Vielzahl von Behörden zugeschrieben, so daß es erforderlich war, auch Ausgrenzungen zu begründen. Die Anordnung ist alphabetisch. Eine Ordnung in funktionsspezifische Untergruppen erschien nicht sachdienlich155. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu 153 Loening, DVBl. 1954, 173; ebenso Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 67 f.; Böckenförde, Organisationsgewalt, 146. 154 Ohne diese Einschränkung Brosius-Gersdorf, Bundesbank und Demokratieprinzip, 91, der zufolge Ressortfreiheit und Parlamentsfreiheit zusammenfallen. Ein praktisches Beispiel bildet in diesem Zusammenhang die Bundesbank. Siehe dafür 3. Kap., III. 2. b).

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

sprengen, wurde die Liste auf die Bundesverwaltung beschränkt. Unter den Trägern der mittelbaren Bundesverwaltung bzw. der Selbstverwaltung erfolgte aus gleichem Grund lediglich eine exemplarische Auswahl. 1. Echte ministerialfreie Räume a) Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz kontrolliert gemäß § 24 Abs. 1 BDSG156 bei den öffentlichen Stellen des Bundes die Einhaltung von Vorschriften über den Datenschutz. Zu seiner Tätigkeit gehören gemäß §§ 25 f. BDSG die Beanstandung von Verstößen, Berichtspflichten sowie die Erstellung von Gutachten gegenüber dem Bundestag bzw. dessen Organen und der Bundesregierung. Gemäß § 22 Abs. 4 S. 2 BDSG ist der Bundesbeauftragte für den Datenschutz unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen157. Einschränkend untersteht er jedoch nach § 22 Abs. 4 S. 3 BDSG der Rechtsaufsicht der Bundesregierung und nach § 22 Abs. 5 S. 2 BDSG der Dienstaufsicht des Bundesministeriums des Innern158. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz ist demnach zumindest sachweisungsfrei, was auf eine Zuordnung zu den ministerialfreien Stellen schließen läßt. Dies ist jedoch mit weiteren Voraussetzungen verbunden, die hier nicht eindeutig sind. Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 BDSG wird der Bundesbeauftragte für den Datenschutz auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundestag gewählt, so daß – auch wegen der Berichtspflichten – der Eindruck entstehen könnte, es handele sich um ein dem Wehrbeauftragten vergleichbares parlamentarisches Kontrollorgan. Ministerialfreiheit wäre dann begrifflich nicht möglich. Dagegen sprechen jedoch nicht nur die schon erwähnten Aufsichtsrechte, sondern auch seine Einrichtung beim Bundesministerium des Innern gemäß § 22 Abs. 5 S. 1 BDSG. Die organisatorische Zuordnung zur Exekutive ist daher – trotz gewisser funktionaler Anlehnung an das Parlament – allgemein anerkannt159. Schwieriger zu 155 Anders etwa Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 155; Fichtmüller, AöR 91, 297, 307 f. 156 Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung vom 14.01.2003 (BGBl. I, 2003, 66). 157 Zur Bedeutung der Unabhängigkeit im einzelnen Wippermann, DÖV 1994, 929, 932 f. 158 Das Bundesdatenschutzgesetz folgt mit der Unabhängigkeit der europäischen Datenschutzrichtlinie (RL 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995, Amtsblatt EG vom 23.11.1995 Nr. L 281/31). Weil in Art. 28 Abs. 1 S. 2 EU-DatSchRL jedoch von „völliger Unabhängigkeit“ die Rede ist, wird die Zulässigkeit der begrenzten, aber doch bestehenden Aufsichtsrechte in Zweifel gezogen. Dazu Gola/Schomerus, BDSG, § 38, Rn. 31 m.w. N. 159 Müller, JuS 1985, 497, 501 f.; Dammann, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, § 22, Rn. 5; Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte im Verfassungs-

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beantworten ist die Frage nach seinem genauen organisatorischen Verhältnis zur Innenbehörde. Die Formulierung in § 22 Abs. 5 S. 1 BDSG macht lediglich deutlich, daß er nicht Teil des Bundesministeriums des Innern ist160. Eine gewisse Bestätigung findet dies in § 22 Abs. 5 S. 3 BDSG, wo eine dezidierte Regelung zum organisatorischen Verhältnis beider getroffen wird161. „Beim Bundesministerium“ könnte darauf hindeuten, daß der Bundesbeauftragte für den Datenschutz der Ebene der obersten Bundesbehörden zugeordnet sein soll162. Die Regelungen zur Rechts- und Dienstaufsicht hätten in diesem Fall konstitutiven Ausnahmecharakter. Eine gewisse Parallele zu anderen obersten Bundesbehörden findet sich jedenfalls in dem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis, in dem der Bundesbeauftragte für den Datenschutz gemäß § 22 Abs. 4 S. 1 BDSG steht163. Im übrigen würde diese Ressortfreiheit aber die Ministerialfreiheit im hier verstandenen Sinne ausschließen, weil sie keine Ausnahme im Ministerialsystem bildet164. Oberste Bundesbehörde kann der Bundesbeauftragte für den Datenschutz aber nur sein, wenn dieser Status rechtlich zulässig ist165. Eine genaue Umschreibung fällt deshalb schwer, weil das Grundgesetz den Begriff selbst nicht einheitlich verwendet (vergleiche nur Art. 36 gegenüber Art. 85 Abs. 3 GG)166. Zudem fehlt eine verfassungsrechtliche Regelung über die Errichtung oberster Bundesbehörden. Weil aber Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG in dezidierter Form die Möglichkeit der Errichtung von Bundesoberbehörden einräumt, kann im Umkehrschluß gesagt werden, daß oberste Bundesbehörden auf einfachgesetzlicher Grundlage unzulässig sein müssen167. Für den Bundesbeauf-

system, 22; Tinnefeld/Ehmann, CR 1989, 637, 638; Auernhammer, Bundesdatenschutzgesetz, § 22, Rn. 10, 13. 160 Zur Terminologie Müller, DRiZ 1978, 193, 195 f.; Wippermann, DÖV 1994, 929, 933; anderer Ansicht scheinbar Auernhammer, Bundesdatenschutzgesetz, § 22, Rn. 12, für den der Bundesbeauftragte in das Bundesministerium des Innern eingegliedert, „also Teil dieses Hauses“ ist. 161 Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte im Verfassungssystem, 24. 162 So Dammann, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, § 22, Rn. 21; Auernhammer, Bundesdatenschutzgesetz, § 22, Rn. 12. 163 Zum Zweck dieser Regelung Dammann, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, § 22, Rn. 15; Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte im Verfassungssystem, 33. 164 Dazu bereits 3. Kap., II. 5. c) cc). 165 Bejahend Tinnefeld/Ehmann, Einführung in das Datenschutzrecht, 342. Einen anderen Weg wählt Müller, DRiZ 1978, 193, 197. Er löst die vergleichbare Problematik der „bei den Justizministerien“ errichteten Landesprüfungsämter nicht über die Zulässigkeit der Errichtung oberster Landesbehörden. Vielmehr verneint er bereits einen aus der organisatorischen Anlehnung ableitbaren Übergang des Charakters der obersten Landesbehörden auf die Prüfungsämter. 166 Tschentscher, Bundesaufsicht in der Bundesauftragsverwaltung, 78. 167 Köttgen, DÖV 1954, 4, 6; ders., JöR 11, 173, 258; v. Mangoldt/Klein, Bonner Grundgesetz 3 (2. Aufl.), Art. 85, Anm. IV 2. d) ee); Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte im Verfassungssystem, 27 f.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

tragten für den Datenschutz fehlt eine dem Bundesrechnungshof oder der Bundesbank vergleichbare Ausnahmebestimmung im Grundgesetz. Oberste Bundesbehörde könnte er daher nur als Teil des Innenressorts sein – genau dies schließt § 22 Abs. 5 S. 1 BDSG jedoch aus. Weitere Argumente lassen sich auch nicht dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts entnehmen, wonach der Beteiligung unabhängiger Datenschutzbeauftragter erhebliche Bedeutung für den effektiven Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zukomme168. Obwohl aus dieser Bemerkung zum Teil eine „verfassungsmäßige Festschreibung“ der Position des Datenschutzbeauftragten abgeleitet wurde, die dem Zugriff des einfachen Gesetzgebers entzogen sei169, kann sie für den Rang des Bundesbeauftragten für den Datenschutz nicht in Anspruch genommen werden. Dessen Unabhängigkeit läßt sich auf verschiedene Weise realisieren, so daß es die unmittelbare verfassungsrechtliche Ableitung bei weitem überdehnen würde, dafür ausgerechnet eine oberste Bundesbehörde erforderlich zu halten. Man wird sich jedoch nicht damit begnügen können, den Bundesbeauftragten für den Datenschutz im Anschluß an die ungenügende gesetzgeberische Qualifikation als „Behörde beim Ministerium des Innern“ zu bezeichnen170. Richtig scheint es daher, ihn als selbständige, dem Bundesinnenminister angegliederte Bundesoberbehörde zu sehen171. Bestätigung findet dies in der – jüngeren – Vorschrift des § 35 StUG zum Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, die sich zwar sprachlich an § 22 BDSG orientiert, aber den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes ausdrücklich als Bundesoberbehörde benennt. Mit Recht wird man darin keine abweichende, sondern lediglich eine klarstellende Bestimmung des Gesetzgebers sehen können. Daraus folgt, daß die Regelung zur Dienstaufsicht lediglich bestätigenden Charakter hat, während die Rechtsaufsicht bei der Bundesregierung eine echte Sonderregelung ist, die im Lichte der Unabhängigkeit verständlich wird172. Weil dem Bundesbeauftragten einerseits Ermessenstatbestände offenstehen173, andererseits die Rechtsaufsicht nach allgemeiner Auffassung auf die gesetzlich zugewiesenen Kontrollbereiche beschränkt ist174, verbleibt ein weisungsfreier, ministerialfreier Tätigkeitsbereich. Damit ist schließlich eine letzte Vorausset168

BVerfGE 65, 1, 46. Zum Diskussionsstand Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte im Verfassungssystem, 187 ff. 170 So aber scheinbar Wippermann, DÖV 1994, 929, 934. 171 Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte im Verfassungssystem, 25, 27 f. Anderer Ansicht ausdrücklich Auernhammer, Bundesdatenschutzgesetz, § 22, Rn. 12. 172 Gola/Schomerus, BDSG, § 22, Rn. 11. Anders jedoch Dammann, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, § 22, Rn. 20, der darin eine Folge der Ressortfreiheit sieht. 173 Gola/Schomerus, BDSG, § 24, Rn. 5. 169

III. Ministerialfreie Räume in der Verwaltung

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zung der Ministerialfreiheit angesprochen: Die Staatsgewalt, als die sich die Aufgabenerfüllung darstellen muß. Eine oberflächliche Betrachtung der kontrollierenden, berichtenden und beratenden Aufgaben wird dies unter Hinweis auf deren mangelnden Eingriffscharakter in Abrede stellen175. Wie aber bereits dargestellt, erschöpft sich die Ausübung von Staatsgewalt nicht in klassisch obrigkeitlicher Verwaltung. Vielmehr liegen mit den kontrollbezogenen, grundrechtsrelevanten Auskunftsrechten sowie dem aus der unabhängigen Stellung herrührenden erheblichen Gewicht seiner Beanstandungen gute Gründe für die Annahme von Staatsgewalt vor176. Zusammenfassend ist der Bundesbeauftragte für den Datenschutz daher den ministerialfreien Stellen zuzuordnen. b) Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes Für die Aufarbeitung, d.h. die Erfassung, Erschließung, Verwaltung und Verwendung der Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik war bereits im Einigungsvertrag177 die Stelle eines Sonderbeauftragten vorgesehen, die mit dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes im StUG178 auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wurde179. Es handelt sich gemäß § 35 Abs. 1 StUG um eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Die Verwaltungszuständigkeit des Bundes folgt dabei aus Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG180, so daß eigentlich von einer selbständigen Bundesoberbehörde zu sprechen wäre. Einigen Begründungsbedarf erfordert der Nachweis der erforderlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Mangels ausdrücklicher Bestimmung wäre mit Art. 70 Abs. 1 GG von der Zuweisung an die Länder auszugehen. Gleichwohl wird eine in der Natur der Sache liegende ungeschriebene Zuständigkeit des Bundes angeführt, die mit der zwingenden Notwendigkeit einer einheitlichen Verwaltung argumentiert181. 174 Dammann, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, § 22, Rn. 19. Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte im Verfassungssystem, 167 f.; Auernhammer, Bundesdatenschutzgesetz, § 22, Rn. 11. Für die Unverbindlichkeit der Rechtsaufsicht hingegen Wippermann, DÖV 1994, 929, 933. 175 Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte im Verfassungssystem, 172; Arlt/Piendl, CR 1998, 713, 716. 176 Ebenso Tinnefeld/Ehmann, CR 1989, 637, 638, 640. 177 Anlage I, Kapitel II, Sachgebiet B, Abschnitt II, Nr. 2. 178 Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vom 20.12.1991, BGBl. I, 1991, 2272. 179 Geiger/Klinghardt, Stasi-Unterlagen-Gesetz, Einleitung, Rn. 19–21. 180 Weberling, Stasi-Unterlagen-Gesetz, § 35, Rn. 2. 181 BT-Drs. 11/7817, 2, Erläuterungen zum Einigungsvertrag, Anlage I, Kapitel II, Sachgebiet B, Abschnitt II, Nr. 2: Im einzelnen werden als Gründe angeführt: Die verläßliche Zusammenführung des Materials, dessen vollständige Auswertung zu

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

Es wurde schon darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber die Organisationsstruktur des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes an der des Bundesbeauftragten für den Datenschutz orientiert hat182. Gemäß § 35 Abs. 5 S. 2 StUG ist er in der Ausübung seines Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Ebenso wie im Bundesdatenschutzgesetz wird diese Unabhängigkeit gemäß § 35 Abs. 5 S. 2 und 3 StUG durch die Rechtsaufsicht der Bundesregierung und die Dienstaufsicht des Bundesministers des Innern begrenzt. Die Ministerialfreiheit des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes kann insoweit unproblematisch bejaht werden. Zur Begründung wurde im Gesetzgebungsverfahren auf das Erfordernis der politischen Unabhängigkeit verwiesen, um eine Instrumentalisierung der Unterlagen zu vermeiden183. c) Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (Bundesprüfstelle) gehört zu den bekanntesten Beispielen ministerialfreier Organisation184. Es handelt sich um eine selbständige Bundesoberbehörde, die dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nachgeordnet ist. Für die Errichtung der Behörde durch das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften vom 09.06.1953185 hat der Bund von seiner Verwaltungskompetenz gemäß Art. 87 Abs. 3 i.V. m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 7, Nr. 11 GG Gebrauch gemacht186.

Zwecken der Rehabilitierung, die einheitliche Anwendung und Durchführung von gesetzlichen Sonderregelungen, die sichere Aufbewahrung sowie eine eindeutige politische Verantwortung bei unbefugter Nutzung der Unterlagen. Darauf Bezug nehmend BT-Drs. 12/723, 26; 12/1093, 27; Weberling, Stasi-Unterlagen-Gesetz, vor § 1, Rn. 4; Stoltenberg, Stasi-Unterlagen-Gesetz, § 35, Rn. 3. 182 Weberling, Stasi-Unterlagen-Gesetz, § 35, Rn. 2; Schmidt/Dörr, Stasi-UnterlagenGesetz, § 35, Rn. 4. 183 BT-Plenarprotokoll, XII/57, 4682 (MdB Rolf Schwanitz). 184 Vgl. E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 79 f.; Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 114 ff.; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 136 ff.; Fichtmüller, AöR 91, 297, 311; Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 232 ff. 185 Mit dem Jugendschutzgesetz vom 23.07.2002 (BGBl. I, 2002, 2730) wurden das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit und das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte zusammengefaßt. Zur Geschichte der Bundesprüfstelle: http://www.bundesprüfstelle.de/bpjm/Die-Bundesprüf stelle/geschichte.html (18.10.2005) 186 Zur Begründung der Bundesregierung zur Gesetzgebungskompetenz für den ersten Gesetzentwurf, BT-Drs. 1/1101, 8, wobei dieser noch Landesprüfstellen gemäß Art. 84 GG vorsah. Maßgeblich dürfte insbesondere der Jugendschutz als Teil der öffentlichen Fürsorge sein. Die Verfassungsmäßigkeit bejahend BVerwGE 23, 112 f.; BVerfGE 31, 113, 116 f. Anderer Ansicht F. Bauer, JZ 1965, 41 f.

III. Ministerialfreie Räume in der Verwaltung

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Die Aufgabe der Bundesprüfstelle ist die Prüfung von Medien aller Art im Hinblick auf jugendgefährdende Inhalte. Dies macht eine Beurteilung der Eignung zur Jugendgefährdung und eine Abwägung von Kunstschutz und Jugendschutz erforderlich. Dazu ist gemäß §§ 19, 21 JuSchG ein besonderes Prüfverfahren vorgesehen. Das zentrale Entscheidungsorgan der Bundesprüfstelle ist ein 12er-Gremium, das aus dem Vorsitzenden der Bundesprüfstelle, acht Gruppenbeisitzern und drei Ländervertretern zusammengesetzt ist. Zur Bestimmung der Gruppenbeisitzer besteht ein Vorschlagsrecht der in § 20 Abs. 1 JuSchG genannten Verbände, die den Bereichen Kunst, Literatur, Buchhandel und Verlegerschaft, Anbieter von Bildträgern und von Telemedien, Träger der freien und öffentlichen Jungendhilfe, Lehrerschaft sowie Kirchen und Religionsgemeinschaften zuzuordnen sind. Ihre Berufung obliegt dem Bundesministerium. Die Länderbeisitzer werden durch die Landesregierungen benannt. Eine Entscheidung über die Aufnahme in die Liste jugendgefährdender Medien erfordert gemäß § 19 Abs. 6 JuSchG eine Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder. In Fällen offensichtlicher Jugendgefährdung sieht § 23 JuSchG ein vereinfachtes Verfahren vor einem 3er-Gremium vor, das nur einstimmige Indizierungsentscheidungen treffen kann. Unabhängig von der Art des Verfahrens sind die Mitglieder der Bundesprüfstelle gemäß § 19 Abs. 4 JuSchG an Weisungen nicht gebunden. Entgegen dessen unbegrenzten Wortlaut wird man anfügen müssen, daß sich die Weisungsfreiheit auf das eigentliche Prüfungsverfahren und die Entscheidungen der Mitglieder beschränkt187. Im übrigen liegt die Ministerialfreiheit jedoch auf der Hand. Diskutiert wird allerdings, ob sich die Weisungsfreiheit auch auf Verwaltungsvorschriften erstreckt, was etwa den Erlaß allgemeiner Auslegungsrichtlinien betrifft. Bejaht wird dies mit dem Hinweis auf die Entstehungsgeschichte188. Eine ausdrückliche Regelung zur Frage des Weisungsrechts war im ursprünglichen Entwurf des GjS nicht enthalten, sondern wurde erst auf einen Änderungsvorschlag des Bundesrates eingefügt189. Jedoch ging man auch ohne diese Klarstellung von der Weisungsfreiheit der Bundesprüfstelle aus, weil es sich bei deren Mitgliedern um ,quasi richterliche‘ Stellen handelte. Grund dafür war die justizförmige Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens, mit dem der Gesetzgeber an das Gesetz zur Bewahrung der

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So schon Potrykus, Bundesgesetze zum Schutz der Jugend, II, § 10, Anm. 2. E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 80, im Anschluß an Potrykus, Bundesgesetze zum Schutz der Jugend, II, § 10, Anm. 3. Dieser begründet seine Auffassung jedoch zu Unrecht damit, daß der Bundesregierung gemäß § 23 GjS a. F. (jetzt § 26 JuSchG) nur das Recht eingeräumt werde, das Verfahren der Bundesprüfstelle durch Rechtsverordnung zu regeln, nicht aber die Auslegung des materiellen Rechts durch Richtlinien. Haltbar wäre dies nur durch einen – hier nicht möglichen – Umkehrschluß. Im übrigen verkennt Potrykus den Regelcharakter des Weisungsrechts, so daß es nicht auf die ausdrückliche Befugnis, sondern die Ausnahme davon ankommt. 189 BT-Drs. 1/1101, 14, 28. 188

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

Jugend vor Schund- und Schmutzschriften vom 18.12.1926190 anknüpfte. Weil für sie dementsprechend die richterliche Unabhängigkeit gelten sollte, ist zu folgern, daß sich die Weisungsfreiheit auch auf allgemeine Richtlinien erstreckt191. Daneben spricht auch die Tätigkeit im grundrechtssensiblen Bereich von Meinungs- und Kunstfreiheit, in der die pluralistische Besetzung ihre Begründung findet, für den Willen des Gesetzgebers, die ministerielle Einflußnahme möglichst weit zurückzudrängen. Schließlich macht das bei der Bundesprüfstelle zentralisierte Entscheidungsverfahren, das im übrigen nicht auf verschiedene Kammern aufgeteilt ist, auch keine Vereinheitlichung der Spruchpraxis notwendig. d) Die Vergabekammern beim Bundeskartellamt Neben den Beschlußabteilungen192 sind beim Bundeskartellamt gemäß § 106 Abs. 1 GWB auch die Vergabekammern des Bundes angesiedelt. Es handelt sich dabei gemäß §§ 102, 104 Abs. 1 GWB um ein besonderes Überprüfungsgremium für Entscheidungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge. § 105 Abs. 2 GWB sieht eine kollegialische Besetzung für die Vergabekammern vor. Ihr Verfahren ist gemäß §§ 107 ff. GWB justizförmig ausgestaltet. Gemäß § 105 Abs. 1 GWB sind sie unabhängig und treffen Entscheidungen in eigener Verantwortung. Im Gegensatz zu den Beschlußabteilungen macht hier schon der Wortlaut deutlich, daß sie weisungsfrei sind. Diese Regelung wird von § 105 Abs. 4 GWB bestätigt, wonach die Mitglieder der Vergabekammern unabhängig entscheiden und nur dem Gesetz unterworfen sind. Damit sind – anders als bei den Beschlußabteilungen gemäß § 52 GWB – auch allgemeine Weisungen ausgeschlossen. Trotzdem sind sie materiell nicht der Rechtsprechung, sondern der Exekutive zuzuordnen193. Bei den Vergabekammern handelt es sich folglich um echte ministerialfreie Stellen. Sie wurden mit der Regelung des 4. Teils des GWB durch das Vergaberechtsänderungsgesetz vom 26.8.1998 geschaffen. Inhaltlich traten sie an die Stelle der Vergabeüberwachungsausschüsse, die nach dem – insoweit wortgleichen – § 57c HGrG a. F. ebenfalls weisungsfrei waren194. Anders als noch bei den Vergabeüberwachungsausschüssen wird die quasi-richterliche Unabhängigkeit der Vergabekammern nicht mehr als zwingen190

RGBl. I, 1926, 505, abgedruckt auch in BT-Drs. 1/1101, 18. Es ist heute jedoch unbestritten, daß die Bundesprüfstelle keine Funktion der Rechtsprechung, sondern Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Bestätigt wird dies durch § 25 JuSchG, der gegen Entscheidungen der Bundesprüfstelle den Verwaltungsrechtsweg vorsieht. Vgl. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 116 f. 192 Siehe 3. Kap., III. 2. c). 193 Reidt, in: ders./Stickler/Glahs, Vergaberecht, § 105, Rn. 4; Stockmann, in: Immenga/Mestmäcker, GWB Kommentar, § 105, Rn. 3. 194 Zur Entwicklung des Vergaberechts und der Vergabekammern Glahs, in: Reidt/ Stickler/dieselbe, Vergaberecht, Einleitung, Rn. 1–10. 191

III. Ministerialfreie Räume in der Verwaltung

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der Ausfluß der europäischen Rechtmittelrichtlinie (89/665/EWG) betrachtet195, weil gleichzeitig mit der Gesetzesänderung auch die Beschwerdemöglichkeit bei den Oberlandesgerichten gemäß § 116 GWB zugelassen wurde196. Die rechtswegersetzende Funktion ist damit entfallen. e) Der Bundespersonalausschuß Der Bundespersonalausschuß197 ist eine der Bundespersonalverwaltung zuzurechnende Behörde198. Mit ihren in § 98 BBG199 genannten Aufgaben, zu denen Mitwirkungs- und Entscheidungsrechte gehören, verbindet sich der Zweck der einheitlichen Durchführung der beamtenrechtlichen Vorschriften, der Neutralität des Berufsbeamtentums und der Einhaltung des Leistungsgedankens durch eine Objektivierung der Personalverwaltung200. Aus diesem Grund sind der Bundespersonalausschuß gemäß § 95 BBG wie auch seine Mitglieder gemäß § 97 Abs. 1 BBG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen201. Nach § 104 BBG führt der Bundesminister des Innern im Auftrag der Bundesregierung die Dienstaufsicht. Trotz dieser Regelung bleibt der organisationsrechtliche Status unbestimmt. Der Bundespersonalausschuß verfügt zwar gemäß § 101 Abs. 2 BBG über eine Geschäftsstelle im Bundesministerium des Innern, er ist aber weder in dieses noch in ein anderes Ministerium eingegliedert202. Es stellt sich daher die Frage, ob trotz der Unabhängigkeit von Ministerialfreiheit in der hier zugrundegelegten Bedeutung gesprochen werden kann. Der Bundespersonalausschuß ist weder Gericht noch parlamentarisches Gremium, seine Exekutivfunktion ist vielmehr eindeutig203. Aus der gesetzlichen Regelung ist ersichtlich, daß er von den obersten Bundesbehörden zwar unabhängig, ihnen aber 195 EuGH ZIP 1997, 1749 ff. zur Frage der richtlinienkonformen Umsetzung in § 57c HGrG. 196 Reidt, in: ders./Stickler/Glahs, Vergaberecht, § 105, Rn. 5; Noch, Vergaberecht kompakt, 60. 197 Instruktiv Engels, in: Sommermann, Gremienwesen, 69 ff. 198 Vergleichbare Stellen sind gemäß § 61 BRRG auch in den Ländern einzurichten. 199 Bundesbeamtengesetz in der Fassung vom 31.03.1999, zuletzt geändert am 12.08.2005 (BGBl. I, 2005, 2354). 200 Battis, BBG, § 95, Rn. 2; Bull, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein, AK-GG, Art. 86, Rn. 29; Fischbach, ZBR 1954, 233 ff. 201 Diese Unabhängigkeit ist schon bei den Vorgängern des Bundespersonalamtes anzutreffen: § 1 Abs. 3 des Gesetzes über das Personalamt der Verwaltung des vereinigten Wirtschaftsgebietes (WiGBl. 57); § 4 der VO vom 15.06.1950 (BGBl. I, 1950, 216) 202 Battis, BBG, § 95, Rn. 3; Köttgen, JöR 3, 67, 107 f. Anderer Ansicht Rodegra, Aufsichtsfreie Verwaltung, 180, der den Bundespersonalausschuß dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern zuordnet. 203 Weiß, in: Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht, Bd. I, Teil 2 b, K, vor §§ 95-104, Rn. 2; Jestaedt, Kondominialverwaltung, 437.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

nicht gleichgeordnet sein soll, was durch die Dienstaufsicht der Regierung gemäß § 104 BBG verdeutlicht wird204. Er ist daher – trotz seiner Sonderstellung205 – den ministerialfreien Räumen zuzuordnen. f) Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung Unfälle und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge sind zur Abwehr künftiger Gefahren zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurde gemäß § 4 FlUUG206 die Bundesstelle207 für Flugunfalluntersuchung errichtet. Es handelt sich um eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Die Verwaltungszuständigkeit des Bundes folgt dabei aus Art. 87d GG, der insoweit lex specialis zu Art. 87 Abs. 3 GG ist208. Im Fall eines Unfalls oder einer Störung i. S. v. § 2 FlUUG, die gemäß § 5 Abs. 1, 2 LuftVO unverzüglich der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung zu melden sind, leitet diese ein Untersuchungsverfahren ein. Dessen Umfang orientiert sich gemäß § 9 Abs. 2 FlUUG an den Erkenntnissen, die sich voraussichtlich für die Verbesserung der Sicherheit gewinnen lassen. Damit nimmt das Gesetz Bezug auf den Zweck der Untersuchung, der gemäß § 3 FlUUG ausschließlich darin besteht, durch die Ursachenaufklärung künftige Unfälle und Störungen zu verhüten, nicht aber in der Feststellung des Verschuldens, der Haftung und von Ansprüchen. Das Verfahren endet gemäß §§ 9 Abs. 1 S. 1, 18 Abs. 1 FlUUG mit einem zu veröffentlichenden Untersuchungsbericht, in dem die Ergebnisse zusammengefaßt werden. Er soll eine Sicherheitsempfehlung des Leiters der Bundesstelle enthalten. Für das Untersuchungsverfahren wird ein Untersuchungsführer bestimmt. Obwohl diesem gemäß §§ 4 Abs. 4, 11 Abs. 1, 14 Abs. 4 FlUUG Untersuchungsfachkräfte und andere sachverständige Personen als Untersuchungsteam zur Seite stehen, handeln sie nicht als Kollegialorgan. Für Unfälle und Störungen mit besonderer Bedeutung und Schwere setzt die Bundesstelle allerdings gemäß § 23 FlUUG eine fünfköpfige, kollegiale Un-

204 Anderer Ansicht Keck, BayVBl. 1997, 417, 418 f., der den wegen § 61 BRRG i.V. m. § 105 BayBG vergleichbaren Landespersonalausschuß organisationsrechtlich in den Rang einer obersten Landesbehörde erhebt. 205 Köttgen, JöR 3, 67, 107 f. 206 Gesetz über die Untersuchung von Unfällen und Störungen bei dem Betrieb ziviler Luftfahrzeuge vom 26.08.1998 (BGBl. I, 1998, 2470), zuletzt geändert am 29.10. 2001. 207 Mit der Benennung als „Bundesstelle“ anstatt „Bundesamt“ wollte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen, daß die Tätigkeit der Behörde nicht auf den Erlaß von Rechtsakten gegenüber Bürgern gerichtet ist. Organisatorisch verbindet sich mit der Bezeichnung kein Unterschied (BT-Drs. 13/10738, 17 [Begründung]). 208 Horn, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz 3, Art. 87d, Rn. 29.

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tersuchungskammer ein, die den Untersuchungsbericht unter Vorsitz des Untersuchungsführers verfaßt. Gemäß § 4 Abs. 2 FlUUG nimmt die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung „ihre Aufgaben funktionell und organisatorisch unabhängig wahr“. Damit folgt der Gesetzgeber wörtlich der Richtlinie 94/56/EG vom 21.11.1994209. Zugleich wurde mit dem FlUUG auch die organisatorische Verselbständigung der Flugunfalluntersuchung vollzogen. Bis zum Erlaß des FlUUG oblag diese Aufgabe der Flugunfalluntersuchungsstelle beim Luftfahrt-Bundesamt210. Allerdings war eine gewisse funktionelle Unabhängigkeit der früheren Untersuchungsreferenten schon in § 3 Abs. 2 AVV211 vorgesehen. Zusätzlich waren die Untersuchungsreferenten gemäß § 2 Abs. 2 LBA-Gesetz a. F.212 direkt der Fachaufsicht des Bundesministers für Verkehr unterstellt. Hinzugekommen ist durch § 4 Abs. 3 FlUUG die Weisungsunabhängigkeit der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung für die Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens, den Inhalt und Umfang der Unfalluntersuchung, den Unfallbericht sowie die Sicherheitsempfehlung. Die Formulierung wirft aber die Frage auf, wen der Gesetzgeber von der üblichen Weisungsbindung ausnehmen wollte: Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung als Behörde oder den jeweiligen Untersuchungsführer bzw. die Mitglieder der Untersuchungskammer. Für die Behörde spricht der Wortlaut sowohl von § 4 Abs. 3 wie auch von Abs. 4 FlUUG, wonach der Untersuchungsführer, die Untersuchungsfachkräfte und weitere Fachkräfte dem Leiter der Bundesstelle unterstellt sind. Nicht nur die Nähe der Regelungen, sondern auch die Gleichordnung der Untersuchungsführer mit anderen Fachkräften, für deren Weisungsfreiheit kein Bedarf besteht, machen es unwahrscheinlich, daß § 4 Abs. 4 FlUUG von einem in sich differenzierten Hierarchieverhältnis ausgeht. Die Annahme einer ministerialfreien Stelle enthält aber auch das Kriterium der Staatsgewalt. Daran bestehen hier im Hinblick auf den Untersuchungsbericht und die Sicherheitsempfehlung Zweifel. Das Untersuchungsverfahren ist kein förmliches Verwaltungsverfahren i. S. v. § 9 VwVfG und der Untersuchungsbericht kein Verwaltungsakt i. S. d. § 35 VwVfG, so daß auch kein Wi209 Die Richtlinie steht in materiellem Zusammenhang zu Anhang 13 zum Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt (ICAO-Abkommen) vom 7.12.1944. Zu den Anforderungen dieser Regelungen Lier, Kriminalistik 1999, 57 ff. 210 Zur alten Rechtslage Schwenk, Handbuch des Luftfahrtrechts, 179 ff.; Wendt, DÖV, 1963, 89 ff. 211 Allgemeine Verwaltungsvorschriften für die fachliche Untersuchung von Unfällen bei dem Betrieb von Luftfahrzeugen vom 16.8.1960 (Bundesanzeiger Nr. 163, abgedruckt in Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumfragen, Bd. 10, 1961, 52 ff.). Die AVV wurden mit dem Erlaß des FlUUG aufgehoben. Bis dahin waren sie die rechtliche Basis des Unfalluntersuchungsverfahrens. 212 Gesetz über das Luftfahrt-Bundesamt vom 30.11.1954 in der Fassung vom 23.7.1992 (BGBl. I, 1992, 1370).

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derspruchsverfahren vorgesehen ist213. Schon die Verfahrensgrundsätze in § 9 FlUUG machen deutlich, daß der Gesetzgeber dem Untersuchungsführer ein Maximum an freier Gestaltungsmöglichkeit einräumen wollte214. Weil aber dessen Bericht nur den Stellenwert eines Gutachtens hat215, wird fraglich, ob er den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Staatsgewalt genügt216. Eine rechtliche Bindungswirkung scheint der Untersuchungsbericht nicht zu entfalten, wobei schon der Begriff der Sicherheitsempfehlung auf die Unverbindlichkeit hindeutet. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung kann jedenfalls keine Maßnahmen zur Abwehr künftiger Gefahren treffen. Weil in § 4 Abs. 6 FlUUG zudem technische Sachkenntnis zur personellen Bedingung für den Leiter der Bundesstelle und die Untersuchungsführer gemacht wird, verdichtet sich der Eindruck, daß es sich um ein beratendes Sachverständigengremium handle. Der Untersuchungsbericht erschöpft sich jedoch nicht in der bloßen Feststellung der Unfallursachen. Gemäß § 8 Abs. 1 FlUUG, der „Magna Charta“ der Flugunfalluntersuchung217, hat die Untersuchung durch die Bundesstelle grundsätzlich Vorrang vor allen anderen fachlich-technischen Untersuchungen, soweit es nicht um die Strafverfolgung geht. Deutet dies vordergründig auf ein Prä im praktischen Untersuchungsverfahren hin, so enthält es in Verbindung mit § 18 FlUUG einen Ausschließlichkeitsanspruch für die festgestellten, objektiven Unfallursachen. Umgekehrt bleibt nämlich „für Untersuchungsberichte nicht gesetzlich dafür autorisierter Personen oder Stellen kein Raum“218. Daraus folgt, daß die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung zwar nicht zu Maßnahmen zur Gefahrenabwehr befugt ist, andere Behörden in diesem Zusammenhang aber an ihre Feststellungen gebunden sind. Die damit bestehende verwaltungsinterne Bindungswirkung genügt zur Bejahung der Staatsgewalt. Darüber hinaus hat der Untersuchungsführer gemäß §§ 11 Abs. 1, Abs. 2, 12, 13 FlUUG weitreichende Befugnisse, was das Betreten des Unfallortes einschließlich von Wohnungen, die Spuren- und Trümmerentnahme, den Zugang zu technischen Aufzeichnungen und schriftlichen Unterlagen der Eigentümer bis hin zur Anordnung von Autopsien einschließt. Auch diese – als Ausübung von Staatsgewalt zu qualifizierenden – Maßnahmen werden von der Weisungsfreiheit gemäß § 12 Abs. 3 SUG umschlossen. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung ist folglich im genannten Umfang ministerialfrei. Zu erörtern sind schließlich noch die Motive des Gesetzgebers für die Art des Flugunfalluntersuchungsverfahrens. Maßgeblich ist hier das Bemühen, der euro213 Zu Fragen der früheren Rechtslage Wendt, DÖV 1963, 89 ff. Ausdrücklich jetzt BT-Drs. 13/10738, 19, 21. 214 BT-Drs. 13/10738, 20 f. (Begründung). 215 BT-Drs. 13/10738, 17, 21 (Begründung). 216 Dazu bereits ausführlich 2. Kap., III. 217 BT-Drs. 13/10738, 19, 21 (Begründung). 218 BT-Drs. 13/10738, 21 (Begründung).

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päischen Richtlinie durch eine entsprechende Verfahrensgestaltung gerecht zu werden219. Bemerkenswert daran ist, daß man die darin geforderte Unabhängigkeit der technischen Untersuchung nur durch Weisungsfreiheit gegenüber dem Fachminister, der auch Luftfahrtbehörde ist, gewährleisten zu können glaubte220. Mit der Weisungsfreiheit erfolge der „scharfe Schnitt zwischen dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und der Tätigkeit der Bundesstelle“, der „definitiv und normativ eingegrenzt auf das Wesentliche bestehen muß“221. Der Gesetzgeber setzt sich damit einem zweifachen Widerspruch aus: Eine maximale Unabhängigkeit wäre nur durch Ressortfreiheit zu erzielen gewesen. Indem der Gesetzgeber darunter bleibt, erhebt sich die Frage, warum gerade die Weisungsfreiheit zur Verwirklichung der Richtlinie erforderlich ist, die im übrigen in Art. 6 nichts zu Art und Intensität der Unabhängigkeit ausführt. In diesem Fall setzte er „unabhängig“ ausdrücklich mit „nicht weisungsgebunden“ gleich222. Dem stehen etwa die Beschlußkammern der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post gegenüber, für deren richtlinienkonforme Unabhängigkeit bereits die Form eines – nicht weisungsfreien – Kollegialorgans genügte223. g) Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung und die Seeämter Das Seesicherheits-Untersuchungsgesetz dient der Sicherheit der Seefahrt. Dazu ist ein zweiteiliges Verfahren vorgesehen, das sich einerseits in eine objektive Feststellung der Ursachen eines Seeunfalls und zum anderen in die Entziehung der Berechtigung224 eines daran Beteiligten gliedert. Nach der Neufassung des Seesicherheits-Untersuchungsgesetzes (SUG) vom 16. Juni 2002225 gilt folgendes226:

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BT-Drs. 13/10738, 16 (Begründung). Demgegenüber läßt Lier, Kriminalistik 1999, 57, 59, auch die unbeschränkte Unterstellung unter den Verkehrsminister genügen, was er für andere EU- und ICAO-Vertragsstaaten belegt. 221 BT-Drs. 13/10738, 17–19 (Begründung). 222 BT-Drs. 13/10738, 17 (Begründung). 223 Vgl. 3. Kap., III. 2. i). 224 Nach der Legaldefinition in § 20 SUG handelt es sich um Berechtigungen, die im Rahmen von § 2 SeeAufgG erteilt werden, sowie um Fahrerlaubnisse für Sportboote und sonstige Fahrzeuge. 225 BGBl. I, 2002, 1815 ff. 226 Vgl. zu den Zielen der Neuregelung Paulsen, TranspR 2002, 65 ff.; P. Ehlers, NordÖR 2002, 391 ff. 220

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

aa) Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung Das frühere Bundesoberseeamt wurde gemäß § 12 Abs. 1 SUG in Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (Bundesstelle) umbenannt. Es handelt sich dabei um eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen227. Die Verwaltungskompetenz des Bundes folgt aus Art. 87 Abs. 1 S. 1, Art. 89 Abs. 2 S. 3 GG i.V. m. § 1 Nr. 4a SeeAufgG. Der Bundesstelle obliegt nach Abschnitt 3 des SUG die amtliche Untersuchung schaden- oder gefahrverursachender Vorkommnisse im Schiffsbetrieb einschließlich der Entscheidung über die Einleitung des Untersuchungsverfahrens. An ihrer Spitze steht der Direktor, der auch über die Führung des Untersuchungsverfahrens und deren jeweiligen Untersuchungsführer entscheidet228. Obwohl für jedes Vorkommnis ein Untersuchungsteam zu bilden ist, handelt es sich dabei nicht um ein Kollegialgremium, weil dem Untersuchungsführer nicht nur die Verfahrensführung, sondern auch die abschließende Feststellung obliegt229. Nur im Fall von Unfällen und Störungen von besonderer Bedeutung und Schwere ist gemäß § 15 Abs. 1 SUG i.V. m. § 23 FlUUG eine fünfköpfige, kollegiale Untersuchungskammer unter Vorsitz des Untersuchungsführers einzusetzen. Hier ist von Interesse, daß die Bundesstelle gemäß § 12 Abs. 2 SUG ihre Aufgaben funktionell und organisatorisch unabhängig von allen natürlichen und juristischen Personen wahrnimmt, deren Interessen mit ihren Aufgaben kollidieren könnten. Nach § 12 Abs. 3 SUG dürfen ihr Weisungen hinsichtlich der Einleitung oder Nichteinleitung sowie des Inhalts und des Umfangs einer Untersuchung sowie des Untersuchungsberichts oder der Sicherheitsempfehlung nicht erteilt werden230. Weil dies nur für die Bundesstelle als Ganzes gilt, ist ihr Direktor gegenüber den ihm unterstellten Behördenmitarbeitern gemäß § 12 Abs. 4 SUG weisungsbefugt. Für die Aufgaben außerhalb des Untersuchungsverfahrens unterliegt die Bundesstelle den Weisungen des Bundesministers231. Es ist un227 Das Bundesoberseeamt wurde durch Verwaltungsanordnung vom 28.11.1950 als Bundesoberbehörde errichtet. Zur Bezeichnung als Bundesstelle bereits 3. Kap., III. 1. f), Fn. 207. 228 §§ 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 Organisationserlaß zum Aufbau der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung, VkBl. 2002, 510. 229 § 6 Abs. 2 Organisationserlaß zum Aufbau der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung, VkBl. 2002, 510. Die neue Bundesstelle unterscheidet sich damit erheblich vom Bundesoberseeamt, das gemäß § 6 SUG 1985 kollegial ausgestaltet war. 230 Die Unabhängigkeit der Untersuchungsbehörde ist ein Gebot internationaler und gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen (Art. 211 Abs. 2 UN-Seerechtsübereinkommen i.V. m. IMO-Code A.849(20) vom 27.11.1997 und A.884(21) vom 25.11.1999, Richtlinie 1999/35/EG). Ähnlich der Umsetzung des FlUUG setzte man dabei – ohne zwingendes Erfordernis – Unabhängigkeit mit Weisungsfreiheit gleich: „Die Unabhängigkeit der Untersuchungsbehörde ist zwingend. Die Freiheit von Einflüssen und Weisungen ist für ihre Funktion unerläßlich.“ (BT-Drs. 14/6455, 33).

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schwer zu erkennen, daß es sich insoweit um die gleiche Verfahrensgestaltung handelt, die nach dem FlUUG auch für die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung gilt. Überdies verweist § 15 Abs. 1 SUG für das Untersuchungsverfahren der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung in wesentlichen Teilen auf das FlUUG232. Dazu gehören insbesondere § 8 FlUUG für den Untersuchungsstatus sowie § 18 FlUUG für den Untersuchungsbericht, so daß für die Frage der Staatsgewalt bei der Seeunfalluntersuchung auf die Erkenntnisse zur Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung verwiesen werden kann233. Auch nach dem SUG stellen Untersuchungsverfahren und Untersuchungsbericht Ausübung von Staatsgewalt dar. Die weisungsfreie Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung gehört in den genannten Grenzen zu den ministerialfreien Räumen. bb) Die Seeämter der Wasser- und Schiffahrtsdirektionen Auch für die Seeämter hat die Neufassung des SUG grundlegende Änderungen mit sich gebracht. Bislang hatte das Verfahren nach dem SUG 1985234 eine Doppelfunktion und war zweistufig ausgestaltet. Den Seeämtern oblag gemäß § 17 SUG 1985 einerseits die jetzt der Bundesstelle zukommende Feststellung der Ursachen eines Seeunfalls und andererseits die daran anschließende Entscheidung, ob einem Beteiligten die Berechtigung zu entziehen sei. Das Widerspruchsverfahren gegen die Feststellung eines fehlerhaften Verhaltens eines Beteiligten bzw. der Einziehung einer Berechtigung durch das Seeamt fand gemäß § 21 Abs. 1 SUG 1985 vor dem Bundesoberseeamt statt. Gemäß § 24 Abs. 1 SUG sind die Seeämter nunmehr Untersuchungsausschüsse bei den Wasser- und Schiffahrtsdirektionen Nord und Nordwest, die zur Wasser- und Schiffahrtsverwaltung gehören235. Es handelt sich dabei um eine bundesstaatliche Mittelbehörde, deren Zulässigkeit ausdrücklich aus Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG folgt. Gemäß § 1 Abs. 2 GO SeeÄ236 sind sie als Sonderstellen dem Leiter der Wasser- und Schiffahrtsdirektion unmittelbar zugeordnet. Ihnen obliegen die Untersuchungen von schaden- oder gefahrverursachenden Vorkommnissen in der Seefahrt im Hinblick auf Maßnahmen gegen dafür verant231 Dies wird in § 2 Abs. 1 des Organisationserlasses zum Aufbau der Bundesstelle, VkBl. 2002, 510, i.V. m. § 12 Abs. 1 S. 3 SUG klargestellt. 232 Deshalb handelt es sich gemäß § 15 Abs. 1 SUG i.V. m. §§ 9, 18 FlUUG ebenfalls um informelles Verwaltungshandeln, daß nicht auf einen Verwaltungsakt gerichtet ist. Dazu Lagoni, Stellungnahme für die Anhörung vom 14.11.2001, Ausschußdrucksache des BT-Ausschusses für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen, 14/807, 4; Paulsen, TranspR 2002, 65, 69. 233 Siehe 3. Kap., III. 1. f). 234 BGBl. I, 1985, 2146 ff. 235 Für sie gelten die Regelungen über Ausschüsse gemäß §§ 88 ff. VwVfG. Vgl. P. Ehlers, NordÖR 2002, 391, 395. 236 VkBl. 2002, 622.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

wortliche Personen. Das Verwaltungsverfahren sieht bei hinreichenden Anhaltspunkten für die Entziehung oder Beschränkung einer Berechtigung zunächst eine Vorprüfung des Untersuchungsinteresses durch die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest vor. Lassen diese Ermittlungen eine solche Maßnahme erwarten, beantragt sie die Untersuchung des Falls beim zuständigen Seeamt. Dieses führt ein Untersuchungsverfahren durch, das eine öffentliche mündliche Verhandlung einschließt. Der verfahrensabschließende Spruch enthält gemäß § 30 Abs. 2 SUG nicht nur die Feststellung der zugrundeliegenden Tatsachen, sondern insbesondere die Entscheidung, daß ein fehlerhaftes Verhalten vorliegt, sowie die daran anschließenden Konsequenzen (z. B. Fahrverbot oder Entziehung einer Berechtigung). Die Seeämter entscheiden gemäß § 25 Abs. 1 SUG mit Stimmenmehrheit durch ein Kollegialorgan, das mit einem Vorsitzenden, einem ständigen Beisitzer sowie zwei ehrenamtlichen Beisitzern besetzt ist. Diesen dürfen gemäß § 25 Abs. 2 S. 2 SUG „für den Inhalt des Spruchs“ keine Weisungen erteilt werden. Im Gegensatz zur Bundesstelle bleiben damit die Entscheidung über die Eröffnung der Untersuchung, für die keine Zuständigkeit besteht, sowie alle Entscheidungen im Untersuchungsverfahren außer Betracht. Im übrigen obliegt den Leitern der Wasser- und Schiffahrtsdirektionen das Aufsichtsrecht237. Eine Unstimmigkeit enthält das Gesetz beim Widerspruchsverfahren, das nach § 33 SUG zulässig ist. Widerspruchsbehörde gegen Verwaltungsakte der Seeämter, also deren Spruch, ist die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord. Weder ist dafür eine Widerspruchskammer vorgesehen, noch ist für sie in gleicher Weise Weisungsfreiheit bestimmt238. Damit ist festzustellen, daß die Ministerialfreiheit in zweifacher Weise begrenzt wird: Das vorgeschaltete Prüfverfahren kann die Zuständigkeit der Seeämter im Einzelfall verhindern, im Widerspruchsverfahren ist eine nachgängige Abänderung möglich. cc) Entwicklungslinien des Seeamtsverfahrens Seit dem Inkrafttreten des ersten Seeunfalluntersuchungsgesetzes am 01.01.1878239 war das Seeamtsverfahren immer wieder erheblichen Veränderun237

§ 3 Abs. 1 GO SeeÄ, VkBl. 2002, 622. Im ersten Entwurf der Bundesregierung zum Zweiten Seeschiffahrtsanpassungsgesetz (BT-Drs. 14/6455, 16) war unter Hinweis auf § 70 VwVfG kein Vorverfahren gegen einen Spruch des Seeamtes vorgesehen. Erst mit der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BT-Drs. 14/8264, 27, 41) wurde der Forderung des Bundesrates (BT-Drs. 14/6455, 49) nach einem Widerspruchsverfahren nachgegeben und § 33 SUG erhielt seine jetzt gültige Fassung. Der Verfahrenshergang legt den Verdacht nahe, daß es sich bei der Ungleichheit der Weisungsbindung um ein gesetzgeberisches Versehen handelt. Zu einem anderen Ergebnis wird hier Müller, JuS 1985, 497, 507, kommen, der es für systemgemäß hält, das Widerspruchsverfahren auf die weisungsfreie Erlaßbehörde zu übertragen oder auch die Widerspruchsbehörde weisungsfrei zu stellen. 239 RGBl. I, 1877, 549 ff. 238

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gen unterworfen, deren vorläufiger Höhepunkt die Neufassung vom 16.06.2002 ist240. Weil es an dieser Stelle nicht nur um einen Katalog aktueller ministerialfreier Räume geht, sondern im weiteren auch um deren Begründung und Rechtfertigung, mag ein Blick auf die Entwicklungsgeschichte weiteren Erkenntnisgewinn versprechen. Sowohl im SUG 1878 als auch im SUG 1935241 waren für das Seeamtsverfahren zwei Instanzen vorgesehen. Die Seeämter bildeten als kollegial besetzte Landesbehörden242 die erste Instanz, das Oberseeamt als Reichsbehörde die zweite Instanz. Für jedes Seeamt war zur Wahrung der öffentlichen Belange ein Reichskommissar mit eigenem Antrags-, Anwesenheitsund Berufungsrecht bestellt243. Die Weisungsfreiheit war nicht ausdrücklich vorgesehen, allerdings entsprach es ob des justizförmigen Verfahrens244 bis zum Erlaß des SUG 1985 einer verbreiteten Auffassung, die Seeunfalluntersuchung als Rechtsprechung zu betrachten245. Dies war spätestens mit der Fassung des SUG vom 6.12.1985 ausgeschlossen, wonach es sich gemäß § 10 SUG um ein Verwaltungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG handelt. Befürchtungen einer verfassungswidrigen Mischverwaltung führten überdies zu einer Übernahme der Aufgaben der Seeämter der Länder durch die Wasser- und Schiffahrtsdirektionen des Bundes (§ 5 Abs. 1 SUG 1985). Die Funktion des Bundesoberseeamtes als Widerspruchsbehörde wurde beibehalten. Das SUG 1985 hielt auch an der Kollegialstruktur der Seeämter und des Bundesoberseeamtes fest. Neu daran war aber, daß der Gesetzgeber mit § 6 Abs. 2 S. 2 SUG 1985 deren Weisungsfreiheit für Entscheidungen des Einzelfalls nach mündlicher Verhandlung, die bis dahin als quasi-richterliche Unabhängigkeit praktiziert wurde, ausdrücklich ins Gesetz aufnahm. Umgekehrt unterfielen die Entscheidungen außerhalb der mündlichen Verhandlung gemäß §§ 6 Abs. 3, 14 Abs. 6 SUG 1985 dem ministeriellen Weisungsrecht. Die Neuordnung des Seeamtsverfahrens 2002 hat die Weisungsfreiheit für die nun getrennten Verfahren übernommen und für die Bundesstelle sogar ausgeweitet, weil diese sie für das ganze Verfahren beanspruchen kann. Mit dem SUG 1985 wurde die Position des früheren Reichskommissars bzw. Bundesbeauftragten ersatzlos gestrichen. Das war insoweit konsequent, als dessen Aufgabe in der Aufsicht gegenüber den Landesseeämtern gesehen wurde246. Bemerkenswert daran ist, daß man – anders als beim

240 Ausführlich bis zum SUG 1985 W. v. Unruh, Das Seeamtsverfahren, passim. Für die Neuregelung Hendriksen, TranspR 2000, 396 ff.; P. Ehlers, NordÖR 2002, 391 f. 241 RGBl. I, 1935, 1183 ff. 242 § 6 SUG 1878, § 6 SUG 1935. 243 § 13 SUG 1878, § 9 SUG 1935. 244 §§ 16 ff. SUG 1878, § 27 SUG 1878: „Rechtsmittel der Beschwerde an das Ober-Seeamt“; § 18 ff. SUG 1935. 245 W. v. Unruh, Das Seeamtsverfahren, 81 ff. Allerdings hatte das BVerwG schon 1969 (BVerwGE 32, 21) die Zuordnung zur Rechtsprechung verworfen. 246 W. v. Unruh, Das Seeamtsverfahren, 114.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

ehemaligen Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten – keinen Bedarf im Hinblick auf die Weisungsfreiheit sah. h) Zur Selbstverwaltung: Die Bundesrechtsanwaltskammer Organisationseinheiten der mittelbaren Staatsverwaltung sind nicht nur rechtlich verselbständigt, sondern auch häufig einer umfassenden staatlichen Steuerung entzogen. Äußeres Merkmal dafür ist die auf Rechtskontrolle beschränkte Staatsaufsicht247. Dies betrifft nicht nur die vorzugsweise als Körperschaft248 des öffentlichen Rechts organisierte Selbstverwaltung, sondern auch die Anstalten249 und Stiftungen250 des öffentlichen Rechts. Obwohl es sich auch bei ihnen – wie bereits festgestellt – um ministerialfreie Stellen handeln kann, würde deren Darstellung im einzelnen den Rahmen dieser Untersuchung sprengen251. Statt dessen soll mit der Bundesrechtsanwaltskammer exemplarisch eine ministerialfreie Stelle betrachtet werden, die der mittelbaren Staatsverwaltung zuzurechnen ist und zudem das Kriterium der Selbstverwaltung erfüllt. Die Bundesrechtsanwaltskammer ist eine Dachkörperschaft, in der die landesunmittelbaren Anwaltskammern zusammengefaßt sind252. Systematisch gehört sie zu den berufsständischen Selbstverwaltungseinrichtungen. Sie ist eine zwangsmitgliedschaftlich organisierte und rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts, die öffentliche Aufgaben mit hoheitlichen Mitteln wahrnimmt. Ihre gesetzliche Grundlage ist Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG. Hinsichtlich der Mitglieder ist jedoch zu unterscheiden: Die an den Oberlandesgerichten zugelassenen Rechtsanwälte sind gemäß § 60 Abs. 1 BRAO Pflichtmitglieder der Rechtsanwaltskammern. Diese, nicht aber der einzelne Rechtsanwalt, sind Mitglieder der Bundesrechtsanwaltskammer, weshalb auch von einer Verbandskörperschaft zu sprechen ist. Aus dieser Stellung erklären sich ihre Aufgaben als Bindeglied gemäß § 177 BRAO: Es geht vorrangig um den Ausgleich unter den Kammern sowie um eine einheitliche Willensbildung, die gegenüber den Bundesbehörden zu vertreten ist. Im Bereich der Rechtsetzung obliegen ihr der Erlaß von Richt247 Zu weitgehend ist es jedoch, darin den Regelfall zu sehen, wie dies Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 172, andeutet. 248 Einen knappen Überblick zu den bundesstaatlichen Körperschaften sowie Regelungen der Aufsicht im einzelnen bietet Dittmann, Die Bundesverwaltung, 262 f., 271 f. 249 Zu den bundesunmittelbaren Anstalten und deren Aufsichtsverhältnisse Dittmann, Die Bundesverwaltung, 259 f., 270 f. 250 Zu den bundesunmittelbaren Stiftungen und deren Aufsichtsverhältnisse Dittmann, Die Bundesverwaltung, 263 f., 273 f. 251 Bedarfsweise werden sie aber im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Ministerialfreiheit angesprochen. 252 Umfassend zur Bundesrechtsanwaltskammer, Tettinger, Zum Tätigkeitsfeld der Bundesrechtsanwaltskammer, passim.

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linien und einer die Berufsordnung regelnden Satzung. Weitere Aufgaben folgen aus §§ 177, 178 BRAO. Die Rechtsanwälte verfügten bereits seit 1878 mit den gemäß § 41 RAO253 in jedem Oberlandesgerichtsbezirk gebildeten Anwaltskammern über eine Selbstverwaltungsstruktur. Nach einem nur kurzen Zwischenspiel der – dann jedoch gleichgeschalteten – Reichs-Rechtsanwaltskammer vom 18.3.1933254, wurde die Bundesrechtsanwaltskammer erst mit der Bundesrechtsanwaltsordnung vom 01.10.1959 gemäß § 175 BRAO255 errichtet256. Sie verfügt über drei Organe: Die Hauptversammlung, die Satzungsversammlung257 und das Präsidium. Während die Hauptversammlung gemäß § 188 Abs. 1 BRAO durch die Präsidenten der Rechtsanwaltskammern gebildet wird, ist die Satzungsversammlung um die nach Maßgabe des § 191b BRAO zu wählenden Mitglieder aus den Rechtsanwaltskammern erweitert. Das von der Hauptversammlung zu wählende Präsidium besteht gemäß § 179 Abs. 2 BRAO aus einem Präsidenten, mindestens drei Vizepräsidenten und einem Schatzmeister. Hinsichtlich der Aufsicht ordnet § 176 Abs. 2 S. 1 BRAO die Staatsaufsicht des Bundesministeriums der Justiz an. Weil diese Aufsicht nach Satz 2 der Vorschrift auf die Beachtung von Gesetz und Satzung und die Erfüllung der übertragenen Aufgaben beschränkt ist, wird deutlich, daß es sich dabei nur um Rechtsaufsicht handelt258. Weitere Kontrollmittel sind in dem nach § 185 Abs. 4 BRAO jährlich zu erstellenden Bericht des Präsidenten über die Tätigkeit der Bundesrechtsanwaltskammer an das Bundesministerium der Justiz sowie in dessen Aufhebungsrecht259 gegenüber der berufständischen Satzung gemäß § 191e i.V. m. §§ 59b, 191a Abs. 2 BRAO zu sehen. Mit dem Nichtigkeitsverfahren vor dem BGH gemäß § 191 BRAO ist für die Durchsetzung der Rechtsaufsicht in Bezug auf Wahlen und Beschlüsse des Präsidiums oder der Hauptversammlung ein besonderes Mittel vorgegeben260. Die Zusammenstellung von Kammerstruktur und Aufsichtsrechten macht deutlich, daß die Aufgabenerfüllung der Bundesrechtsanwaltskammer dem über die Rechtsanwaltskammern vermittelten Einfluß der Rechtsanwälte vorbehalten ist, womit umgekehrt der Ausschluß 253

Reichsanwaltsordnung vom 01.07.1878 (RGBl. I, 1878, 177 ff.). § 61a RAO (RGBl. I, 1933, 109 ff.). 255 BGBl. I, 1959, 565 ff. 256 Zur Geschichte der Bundesrechtsanwaltskammer Hummel, in: 25 Jahre Bundesrechtsanwaltskammer, 1 ff. 257 Die Stellung der Satzungsversammlung ist umstritten. Für deren Selbständigkeit Redeker, AnwBl. 1995, 217; für Organeigenschaft Feuerich, in: ders./Weyland, BRAO, § 191a, Rn. 2. 258 Feuerich, in: ders./Weyland, BRAO, § 176, Rn. 5. 259 Redeker, AnwBl. 1995, 217, 219 f. 260 Dittmann spricht insoweit einschränkend von justizieller Aufsicht, Die Bundesverwaltung, 272. 254

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staatlicher Einflußnahme korrespondiert. Die Ministerialfreiheit entspricht hierbei dem Umfang der Selbstverwaltung. 2. Angebliche und frühere ministerialfreie Räume a) Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, vormals Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, gehört nicht zu den ministerialfreien Räumen. Es handelt sich um eine selbständige Bundesoberbehörde, die der uneingeschränkten ministeriellen Rechts- und Fachaufsicht untersteht. Das Asylanerkennungsverfahren gemäß Asylverfahrensgesetz wurde durch das Zuwanderungsgesetz vom 30.07.2004 grundlegend verändert261. Insbesondere wurden die Entscheidungszuständigkeit weisungsungebundener Einzelentscheider gemäß § 5 Abs. 1 AsylVfG a. F. und die Funktion des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten gemäß § 6 AsylVfG a. F. gestrichen. Die damit beseitigte Organisationsstruktur ist jedoch für das Verständnis der Ministerialfreiheit von besonderem Interesse, so daß es richtig erscheint, sich hier der früheren Rechtslage zu vergewissern. Aus einer 1953 zunächst als „Bundesdienststelle“ errichteten Behörde wurde mit dem Ausländergesetz 1965 das spätere Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Wie auch heute noch handelte es sich um eine selbständige Bundesoberbehörde gemäß Art. 87 Abs. 3, 74 Abs. 1 Nr. 4 GG, die dem Bundesminister des Innern ressortierte. An der Spitze der Behörde stand der vom Bundesminister des Innern bestellte Leiter. Die Entscheidungen über die Asylanträge oblagen gemäß § 5 Abs. 2 AsylVfG a. F. den Bediensteten des Bundesamtes als weisungsungebundenen Einzelentscheidern. Das heißt, weder die Leitung des Bundesamtes noch das Bundesministerium des Innern konnten einem Einzelentscheider eine Weisung erteilen, wie er im konkreten Fall über einen Asylantrag zu entscheiden hatte262. Ob sich dies auch auf allgemeine Weisungen erstreckte, war umstritten. Anlaß dafür war die Formulierung in § 5 Abs. 2 AsylVfG a. F., wonach der Bedienstete insoweit weisungsungebunden war, als er über den einzelnen Asylantrag entschied263. Unabhängig von dieser Frage deutete die Regelung zumindest wegen der Freiheit von Einzelweisungen 261 Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung, des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern, BGBl. I, 2004, 1950, 1989 ff. 262 Die Weisungsfreiheit erstreckte sich nach ihrem Wortlaut nicht auf die in § 5 Abs. 1 S. 2 AsylVfG a. F. genannten ausländerrechtlichen Maßnahmen, was insbesondere die Abschiebungsverbote bzw. -hindernisse gemäß §§ 51, 53 AuslG a. F. betraf. Das gleiche galt ausweislich des § 73 Abs. 4 S. 1 AsylVfG für Widerruf und Rücknahme der Anerkennung von Asylanträgen. Vgl. dazu Marx, Asylverfahrensgesetz (5. Aufl.), § 5 Rn. 1, 23 ff.

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auf einen Fall ministerialfreier Verwaltung hin. Zu dieser im Grundsatz richtigen Schlußfolgerung existiert jedoch eine – bereits abstrakt erörterte264 – Ausnahme, die auf die Einzelentscheider nach § 5 Abs. 2 AsylVfG a. F. zutraf. Keine Ministerialfreiheit liegt danach vor, wenn für das weisungsfrei gestellte Verwaltungshandeln kein Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum besteht und zugleich eine ministeriell steuerbare Klagebefugnis vorgesehen ist. § 5 Abs. 2 S. 1 AsylVfG a. F. begrenzte die Weisungsfreiheit des Einzelentscheiders „soweit er entscheidet“ ausdrücklich auf die Entscheidung über den einzelnen Asylantrag einschließlich der Feststellung über die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F265. Asylentscheidungen sind gebundene Verwaltungsentscheidungen ohne Beurteilungsermächtigung und damit in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar266. Eine etwaige ministerielle Aufsicht könnte daher nicht über den Rahmen der gerichtlichen Prüfung hinausgehen. Über den gemäß § 6 Abs. 4 AsylVfG a. F. weisungsgebundenen Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wurde sichergestellt, daß die Einleitung der gerichtlichen Rechtskontrolle auch in der Hand des Ministers lag. Dem Bundesbeauftragen stand gemäß § 6 Abs. 2 S. 3 AsylVfG a. F. nur die Anfechtungsklage zur Verfügung267, so daß im Gegensatz zur ministeriellen Weisungsbefugnis eine rechtswidrige Entscheidung lediglich beseitigt, eine rechtmäßige jedoch nicht erzwungen werden konnte. Die verfassungsmäßige Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz läßt diesen Unterschied aber als unerheblich erscheinen268. Die Einzelentscheider waren also weisungsungebunden, ohne daß von Ministerialfreiheit gesprochen werden konnte269. Der bereits erwähnten Änderung des Asylverfahrensrechts lag eine Empfehlung der Zuwanderungskommission zugrunde. Diese hatte festgestellt, daß die mit der Weisungsfreiheit intendierte Sicherung vor politischer Einflußnahme zur Gefahr einer unterschiedlichen Entscheidungspraxis innerhalb des Bundesamtes geführt habe, die der personell begrenzte Bundesbeauftragte nicht verhindern habe können. Dessen Klagerecht verzögere überdies die Verfahren für alle Beteiligten in nicht hinnehmbarer Form. Weisungsungebundenheit lasse zudem die Interpretation zu, „daß sich die Politik unter Hinweis auf die Weisungsunabhän263 Für die Zulässigkeit allgemeiner Weisungen Fritz/Vormeier, GK-AsylVfG 1, II, § 5, Rn. 16 f. (Lfg. 43, 1996); dagegen Renner, Ausländerrecht, 3 AsylVfG, § 5, Rn. 21; ebenso am Beispiel einer konkreten Verwaltungsvorschrift Ellinger, Asylpraxis, 15, 33. 264 Siehe 3. Kap., II. 5. b). 265 Das Bundesamt billigte den Einzelentscheidern deshalb keine Verfahrensherrschaft zu. Kritisch dazu Marx, Asylverfahrensgesetz (5. Aufl.), § 5, Rn. 25. 266 BVerwGE 106, 171, 174; 107, 128 f.; Bell/Wenzl, EE-Brief 2003, 1. 267 Marx, Asylverfahrensgesetz (5. Aufl.), § 6, Rn. 35. 268 Vgl. die Rechtsprechung zur Subsidiarität der Feststellungsklage gegen Träger der öffentlichen Gewalt BVerwGE 36, 179, 181; 51, 69, 75; 77, 207, 211. 269 Vgl. insbesondere BT-Drs. 14/8414, 30.

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gigkeit der Einzelentscheider ihrer Verantwortung in diesem Bereich entziehen will“270. Demgegenüber hatten die Fraktionen von CDU/CSU und PDS im Gesetzgebungsverfahren zunächst noch die Bedeutung der Weisungsungebundenheit gegen die Gefahr vor unmittelbarer politischer Einflußnahme betont271. b) Die Deutsche Bundesbank Die Deutsche Bundesbank ist die Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist 1957 aus der Bank deutscher Länder hervorgegangen. Ihre institutionelle Vorgängerin war von 1876 bis 1945 die Reichsbank. Infolge der Übertragung der geld- und währungspolitischen Befugnisse an die Europäische Zentralbank272 hat die Bundesbank keine eigenständigen geldpolitischen Entscheidungsbefugnisse mehr. Ihre Aufgabe besteht im Bereich der Geldpolitik in der Mitentscheidung sowie der Mitwirkung bei der Vorbereitung, Umsetzung und Vermittlung der Entscheidungen des EZB-Rats273. Darüber hinaus obliegen ihr die Verwaltung der Währungsreserven sowie die weiteren in § 3 BBankG genannten Aufgaben. Art. 88 GG gewährt dem Bund abweichend von Art. 83 GG für die Bundesbank eine Sonderverwaltungskompetenz, so daß er die Deutsche Bundesbank gemäß § 2 BBankG als bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts errichten durfte. Die unterbliebene Formwahl bleibt signifikant hinter den Konkretisierungen in Art. 86, 87 Abs. 3 GG zurück. Gleichwohl wird die Bundesbank aufgrund ihrer Organisationsmerkmale als Anstalt des öffentlichen Rechts betrachtet274. Von besonderem Interesse und zugleich abweichend von der idealtypischen Anstalt ist hier ihre in § 12 BBankG angeordnete Unabhängigkeit von Weisungen der Bundesregierung. Die Deutsche Bundesbank gilt aus diesem Grund als klassisches Beispiel ministerialfreier Räume275. Unter Berücksichtigung der vorangestellten Definition ministerialfreier Räume ist dies jedoch unzutreffend. Die Kategorie der ministerialfreien Räume beschränkt sich 270 Bericht der Unabhängigen Kommission Zuwanderung, Kap. III, Nr. 1, Ziff. 1.4, verfügbar unter: http://www.bmi.bund.de (18.10.2005). 271 BT-Drs. 14/8414, 29 f., 45. 272 3. Stufe der Europäischen Währungsunion am 1.1.1999, umgesetzt mit dem 7. Bundesbankänderungsgesetz vom 23.3.2002 (BGBl. I, 2002, 1159). 273 Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, Mai 2000, 62. 274 Stern, Staatsrecht II, 471; Herdegen, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 88, Rn. 44; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 2 (5. Aufl.), § 98, Rn. 16. Im ersten Regierungsentwurf für das Bundesbankgesetz war die Bezeichnung als Anstalt noch enthalten, sie wurde später jedoch gestrichen (BT-Drs. 2/2781, 31). 275 Fichtmüller, AöR 91, 297, 315; E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 114 ff., insbesondere 118, 130; Brosius-Gersdorf, Bundesbank und Demokratieprinzip, 104 f. Müller, JuS 1985, 497, 503, scheint dies wegen ihrer Zuordnung zur mittelbaren Staatsverwaltung zu verneinen.

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auf Ausnahmen im Ministerialsystem. Unberücksichtigt bleiben hingegen Einrichtungen außerhalb des Ministerialsystems. Es kommt also auf das organisationsrechtliche Statut der Bundesbank an: Systematisch befindet sich Art. 88 GG im 8. Abschnitt des Grundgesetzes. Sie ist damit nicht nur der Exekutive, sondern speziell auch der Bundesverwaltung zugeordnet. Dies wird in § 29 BBankG konkretisiert, wonach der Bundesbank die Stellung einer obersten Bundesbehörde zugewiesen ist. Es handelt sich um die höchste Rangstellung im staatlichen Behördenaufbau und verleiht dadurch der Behörde gegenüber allen anderen Behörden Ressortfreiheit276. Die Bundesbank steht damit auf der gleichen Ebene wie die Bundesregierung und die Bundesminister und kann nicht zugleich deren Geschäftsbereich zugeordnet sein. Für ihren Rang gilt der Grundsatz der Gleichordnung, nicht der der Unterordnung, so daß ihr Rechtsverhältnis positiv geregelt werden muß. Solange keine ausdrückliche Weisungsbefugnis vorgesehen ist, muß von Weisungsfreiheit ausgegangen werden. Insoweit ist § 12 BBankG klarstellender Natur. Dies gilt nicht nur für die Fachaufsicht, sondern auch für die strittige Frage der Rechtsaufsicht, die mangels gesetzlicher Zuweisung an die Bundesregierung ebenfalls zu verneinen ist277. Vor diesem Hintergrund ist Stern darin Recht zu geben, daß die „sog. Ministerialfreiheit“ der Bundesbank bei Zuordnung zu den obersten Staatsorganen „selbstverständlich“ ist278. Daß dies zur Aussonderung aus dem Kreis echter ministerialfreier Räume führt, dispensiert gleichwohl nicht von der Kardinalfrage ihrer Vereinbarkeit mit Art. 20, 28 GG. Insoweit stellt sich auch für die Bundesbank die Frage ihrer demokratischen Legitimation. Wenn man nicht von einer unzulässigen Verkürzung der Regierungszuständigkeit ausgeht und damit den Rang als oberste Bundesbehörde bestreitet, kann sie nicht am Maßstab des Ministerialsystems, sondern nur individuell beantwortet werden. c) Die Beschlußabteilungen beim Bundeskartellamt Das Bundeskartellamt ist die wichtigste unter den in § 48 Abs. 1 GWB genannten Kartellbehörden. Gemäß § 51 Abs. 1 GBW handelt es sich um eine selbständige Bundesoberbehörde, die dem Bundesministerium für Wirtschaft ressortiert. Die Behörde wird gemäß § 51 Abs. 2 GWB von einem Präsidenten geleitet. Sämtliche Sachentscheidungen werden von Beschlußabteilungen getrof276 Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank, 32 f.; Stern, Staatsrecht II, 469. Ebenso schon in BVerfGE 2, 217 f. für die Bank deutscher Länder. 277 Für Rechtsaufsicht Breuer, VVDStRL 44, 211, 239; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 2 (5. Aufl.), § 98, Rn. 10; R. Schmidt, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 82, Rn. 18, Fn. 76. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank, 31 und Fn. 25, spricht von „beredtem Schweigen“ des Gesetzes. Ebenso Herdegen, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 88, Rn. 44. Scheinbar auch BVerfGE 62, 169, 183. 278 Stern, Staatsrecht II, 470. In diesem Sinne auch Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, 200.

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fen, die gemäß § 51 Abs. 3 GWB mit einem Vorsitzenden und zwei Beisitzenden besetzt sind. Das Entscheidungsverfahren ist in den §§ 54 ff. GWB justizförmig ausgestaltet. Die Frage nach der Ministerialfreiheit der Beschlußabteilungen ist bis heute Gegenstand einer intensiven wissenschaftlichen Diskussion279, in der jede Seite für sich die Mehrheitsmeinung in Anspruch nimmt280. Das Thema ist, möchte man sagen, so alt wie das Kartellamt selbst. Das Bundeskartellamt sieht sich in einer Selbstdarstellung weisungsfrei: „Die Beschlußabteilung unterliegt dabei weder internen noch externen Weisungen, sondern entscheidet unabhängig“281. Demgegenüber scheint das Bundeswirtschaftsministerium auf dem Recht auf Einzelweisungen zu bestehen, wenngleich es davon keinen Gebrauch macht282. Die Entscheidung darüber liegt jedoch ebensowenig in der Hand der Behörde, wie eine praktizierte, also faktische Unabhängigkeit seitens des Ministers geeignet ist, über dessen parlamentarische Verantwortlichkeit zu verfügen283. Weder im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung noch an anderer Stelle ist die Weisungsbindung oder die Weisungsfreiheit ausdrücklich angeordnet. Als Teil der unmittelbaren Staatsverwaltung ist für das Bundeskartellamt jedoch gemäß Art. 86, 87 Abs. 3, 65 S. 2 GG vom Grundsatz der Weisungsbindung auszugehen284. Die einzige ausdrückliche Regelung über ministerielle Weisungen findet sich in § 52 GWB, wonach allgemeine Weisungen zu veröffentlichen sind. Daraus als argumentum e contrario auf die Unzulässigkeit der Einzelwei-

279 Für Weisungsbindung: Bechtold, Kartellgesetz, § 52, Rn. 1; Junge, in: MüllerHenneberg/Schwartz, GWB-Gemeinschaftskommentar, § 48, Rn. 2; Klaue, in: Immenga/Mestmäcker, GWB Kommentar, § 51, Rn. 11, 14 f.; Geberth, AG 1991, 295 f.; K. W. Lange, Handbuch zum Kartellrecht, Kap. 6, Rn. 41; Schreven, in: Müller/Gießler/Schulz, Wirtschaftskommentar, § 48, Rn. 5 f.; Nägele, in: Glassen/v. Hahn/Kersten/Rieger, Frankfurter Kommentar, § 51, Rn. 5 ff.; Rodegra, Aufsichtsfreie Verwaltung, 48 ff.; Dittmann, Bundesverwaltung, 268, Fn. 120. Für Freiheit von Einzelweisungen: Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkung, Rn. 1073; ders., ORDO 48, 241 ff.; ders., WuW 1997, 795, 800; Schultz, in: Langen/Bunte, Kommentar zum Kartellrecht, § 51, Rn. 5; Bunte, Kartellrecht, 291; Paulweber, Regulierungszuständigkeit, 91 f.; Hausmann, Staatliche Kartellrechtsdurchsetzung, 59; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft, WuW 1996, 812, 816 f. Offengelassen bei E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 76 f. 280 Einerseits Hausmann, Staatliche Kartellrechtsdurchsetzung, 59; Möschel, WuW 1997, 795, 800; andererseits Schreven, in: Müller/Gießler/Schulz, Wirtschaftskommentar, § 48, Rn. 5; Klaue, in: Immenga/Mestmäcker, GWB Kommentar, § 51, Rn. 11. 281 Wir über uns/FAQ: http://www.bundeskartellamt.de (18.10.2005). Ein ausdrücklicher Hinweis auf die Freiheit von ministeriellen Weisungen (Selbstdarstellung vom Juli 2002), ist allerdings inzwischen entfallen. 282 Geberth, AG 1991, 295 f. Weitere Hinweise bei Möschel, ORDO 48, 241 f. und Junge, in: Müller-Henneberg/Schwartz, GWB-Gemeinschaftskommentar, § 48, Rn. 2. 283 Vgl. zur Unbeachtlichkeit des Weisungsverzichts 3. Kap., II. 5. a) dd). 284 Emmerich, Kartellrecht, 387; Möschel, ORDO 48, 241, 243; Nägele, in: Glassen/v. Hahn/Kersten/Rieger, Frankfurter Kommentar, § 51, Rn. 5.

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sung zu schließen285, verkennt nicht nur den oben genannten Grundsatz, sondern auch, daß § 52 GWB das Weisungsrecht offensichtlich voraussetzt. Die Auslegung des Wortlautes findet Bestätigung im Gesetzgebungsverfahren. Im schriftlichen Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik heißt es: „Da das Bundeskartellamt obere Verwaltungsbehörde und kein Bundesgericht ist, glaubt man in beiden Ausschüssen, das Weisungsrecht des Ministeriums nicht beschränken zu dürfen, da nur auf diese Weise von ihm die politische Verantwortung für die Entscheidung der Kartellbehörde getragen werden kann. Soweit allgemeine Weisungen in Frage stehen, hat man für diese aber die Veröffentlichungspflicht vorgesehen“286. Dem ist zweierlei zu entnehmen: Erstens war dem Gesetzgeber die Problematik der Ministerialfreiheit bekannt und zweitens hat er bewußt darauf verzichtet, die Beschlußabteilungen weisungsfrei zu stellen287. Gleichwohl sind systematische und teleologische Gesichtspunkte zu beachten288: Wer die Entscheidungsfindung eines justizförmig ausgestalteten Kollegialorgans mit Einzelweisungen für unvereinbar hält oder zumindest von einer entsprechenden Vermutungswirkung spricht, muß auch im Fall des Bundeskartellamtes dessen Weisungsfreiheit annehmen289. Auf die mangelnde Stichhaltigkeit dieser Argumentation wurde bereits hingewiesen. Anspruchsvoller scheint hingegen die Einbeziehung des Arguments der Ministererlaubnis gemäß § 42 Abs. 1 GWB zu sein, wonach der Minister einen Zusammenschluß trotz vorheriger Untersagung durch die Kartellbehörde erlauben kann, wenn dafür überwiegende gesamtwirtschaftliche Vorteile oder ein überragendes Interesse der Allgemeinheit bestehen: Diese Regelung sei jedoch überflüssig, wenn der Minister bereits im Verfahren der Zusammenschlußkontrolle auf die Entscheidung Einfluß nehmen und eine Untersagung verhindern könne290. Richtigerweise ist aber zu unterscheiden, weil das Verfahren zweistufig gestaltet ist291: Die erste Stufe der Zusammenschlußkontrolle endet mit einer gebundenen Entscheidung, der 285

Möschel, ORDO 48, 241, 246. BT-Drs. 2/3644 (Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (21. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Berichterstatter Dr. Wahl zu § 40 a). 287 Unzutreffend ist der Hinweis Möschels, ORDO 48, 241, 247, zum damaligen Zeitpunkt (1957) sei die Kategorie eines ministerialfreien Raumes unbekannt gewesen. Die Diskussion darüber ist schon seit 1951 nachweisbar. 288 Unberücksichtigt bleiben hier Ansätze, die die Weisungsbindung aus einem Verbot ministerialfreier Stellen ableiten wollen. Beispielhaft: Schreven, in: Müller/Gießler/Schulz, Wirtschaftskommentar, § 48, Rn. 5. 289 Möschel, ORDO 48, 241, 246; Schultz, in: Langen/Bunte, Kommentar zum Kartellrecht, § 51, Rn. 5; Bunte, Kartellrecht, 291; Fichtmüller, AöR 91, 297, 311; Müller, JuS 1985, 497, 501. 290 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft, WuW 1996, 812, 817; Schultz, in: Langen/Bunte, Kommentar zum Kartellrecht, § 51, Rn. 5; Bunte, Kartellrecht, 291. 291 Hausmann, Staatliche Kartellrechtsdurchsetzung, 54. 286

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allein die in § 36 GWB genannten Wettbewerbskriterien zugrunde liegen dürfen. Erst auf der zweiten Stufe ist dem Ministerium als Kartellbehörde gemäß § 48 Abs. 1 GWB ein wirtschaftspolitischer Ermessensspielraum eröffnet292. Wegen der auch für das ministerielle Weisungsrecht geltenden Gesetzesbindung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG dürfen die allgemeinpolitischen Zielsetzungen des § 42 Abs. 1 GWB auf der ersten Stufe nicht berücksichtigt werden, so daß sie auch nicht Inhalt von Einzelweisungen sein können293. Aus der Ministererlaubnis läßt sich daher die Weisungsfreiheit nicht ableiten294. Umgekehrt scheint es sich eher um eine Betonung der politischen Verantwortlichkeit zu handeln, die an die in § 42 Abs. 1 GWB genannten Entscheidungskriterien geknüpft ist. d) Die Bundesschuldenverwaltung Mit dem Wertpapierverwaltungsgesetz295 trat am 01.01.2002 eine Neuregelung der staatlichen Schuldenverwaltung in Kraft. Die bisherige Bundesschuldenverwaltung wurde in Bundeswertpapierverwaltung umbenannt. Die Behörde gehört ausweislich der Aufsichtsregelung in § 2 Abs. 3 BWpVerwG nicht zu den ministerialfreien Stellen. Ausgehend vom Regel-/Ausnahmeverhältnis des Weisungsrechts hat dies klarstellenden Charakter. Gerade wegen dieser Änderung sprechen gute Gründe für eine nähere Betrachtung der Bundesschuldenverwaltung, handelte es sich dabei doch nicht nur um eine der bekanntesten, sondern auch um die wohl älteste ministerialfreie Stelle innerhalb der deutschen Verwaltungsorganisation. Darum versprechen ihre Entstehungsgeschichte, ihre Rechtsentwicklung sowie die Gründe für ihre Beseitigung Aufschluß über das Wesen der Ministerialfreiheit. Ein erster Vorläufer der staatlichen Schuldenverwaltung ist bereits in der Verordnung wegen der künftigen Behandlung des gesamten Staatsschuldenwesens296 vom 17.01.1820 zu sehen297. König Friedrich Wilhelm III. von Preußen ordnete darin die Errichtung einer kollegialen Hauptverwaltung der Staatsschulden an (Abs. VIII, IX der Verordnung). Diese war eine „von den übrigen Staatsund Finanzverwaltungen ganz abgesonderte Behörde“, in deren Verantwortung die Ausgabe der Staatsschuldscheine sowie die Verzinsung und Tilgung der 292 Rodegra, Aufsichtsfreie Verwaltung, 45; Hausmann, Staatliche Kartellrechtsdurchsetzung, 61. 293 Klaue, in: Immenga/Mestmäcker, GWB Kommentar, § 51, Rn. 14. 294 Ebenso Nägele, in: Glassen/v. Hahn/Kersten/Rieger, Frankfurter Kommentar, § 51, Rn. 5, 7; Rodegra, Aufsichtsfreie Verwaltung, 50 f. Diese Argumentation gilt entsprechend für die Ministererlaubnis nach § 8 GWB. 295 BGBl. I, 2001, 3519 ff. 296 PrGS 1820, 9 ff. 297 Zur Geschichte der Schuldenverwaltung Ebert, WM 1959, 2 f.; Wagner, WM 1999, 1949 ff.

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Staatsschulden lag (Abs. VIII, X, XII der Verordnung). Der Vorgang ist für die damalige Zeit insofern bemerkenswert, als der absolutistische Herrscher eine unabhängige Behörde ins Leben rief und dies mit der Ankündigung verband, die staatliche Kreditbeschaffung wie auch die Schuldenverwaltung einer künftigen reichsständischen Versammlung zu unterstellen (Präambel, Abs. II, XIII der Verordnung)298. Tatsächlich sollte letztere nicht nur ein Vorschlagsrecht für die Besetzung der Behörde haben, sondern auch Adressat jährlicher Rechnungslegung sein (Abs. IX, XIII der Verordnung). Die Gründe für diese Regelung werden in der Präambel ausdrücklich genannt und vor dem Hintergrund der katastrophalen Finanzlage Preußens in Folge der napoleonischen Kriege verständlich299: „Wir hoffen dadurch (. . .) das Vertrauen zum Staate und zu seiner Verwaltung zu befestigen, und Unsern aufrichtigen Willen, allen Staatsgläubigern gerecht zu werden, als Wir zugleich wegen Sicherstellung, so wie wegen regelmäßiger Verzinsung und allmählicher Tilgung aller Staatsschulden das Nöthige unwiderruflich hiermit festlegen: (. . .).“ Es ging demnach ursprünglich weder um die Schaffung eines Kontrollorgans zum Zwecke des Machtausgleichs noch um die politische Teilhabe des aufstrebenden Bürgertums, sondern schlicht um die Glaubwürdigkeit des Staates als Schuldner. Eine Neuregelung erfolgte mit dem Gesetz betreffend die Verwaltung des Staatsschuldenwesens und Bildung einer Staatsschulden-Kommission300 vom 24.02.1850, das jedoch die vorausgegangene Verordnung im wesentlichen übernahm bzw. bestehen ließ. Ausdrücklich ist nun in dessen § 1 die Rede von der Unabhängigkeit der Behörde, die nur im übrigen, also außerhalb ihrer besonderen Kontrollaufgaben, der Leitung des Finanzministers unterliege. Diesem stehe insoweit ein Anordnungs- und Anweisungsrecht zu. Hinzuweisen ist ferner auf die Einrichtung einer Staatsschuldenkommission zum Zwecke der fortlaufenden Kontrolle über alle der Hauptverwaltung der Staatsschulden unter eigener Verantwortlichkeit übertragenen Geschäfte gemäß §§ 1, 10 ff. Diese, aus jeweils drei Abgeordneten der ersten und zweiten Kammer sowie dem Präsidenten der Rechnungskammer zusammengesetzt, fungierte als Bindeglied zwischen der Hauptverwaltung der Staatsschulden und den Kammern, da sie einerseits umfassende Auskunftsrechte hatte, andererseits zur Berichterstattung gegenüber den Kammern verpflichtet war. 1871 wurde die preußische Hauptverwaltung mit der Reichsschuldenverwaltung betraut und 1924 mit der Reichsschuldenordnung301 auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt, ohne daß dies mit inhaltlichen

298 Darin ist zumindest eine Wiederholung des Verfassungsversprechens von Friedrich Wilhelm III. zu sehen, das dieser mit dem Finanzedikt vom 27.10.1810 erstmals abgegeben hatte. 299 Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 160. 300 PrGS 1850, 57 ff. 301 RGBl. I, 1924, 95 ff.

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Änderungen verbunden gewesen wäre. Nach der Aushebelung der zentralen Kontrollbefugnisse der Reichsschuldenverwaltung durch das Gesetz über die Erteilung einer Kreditermächtigung vom 19.2.1935302, wurde erst 1948 zunächst im Vereinigten Wirtschaftsgebiet303 und 1949 für die Bundesrepublik Deutschland304 die Bundesschuldenverwaltung auf der Grundlage der Reichsschuldenordnung wiedererrichtet. Organisatorisch handelte es sich um eine Bundesoberbehörde im Ressort des Bundesministers der Finanzen305. Ihre besondere Aufgabe wird mit Blick auf Art. 115 GG verständlich: Jede staatliche Kreditaufnahme sowie andere Formen der Verschuldung unterliegen auch der Höhe nach einer Ermächtigung durch ein formelles Gesetz. Man hat darin eine Form der demokratischen Kontrolle des Staatshaushaltes zu sehen, die nicht der einfachen parlamentarischen Kontrolle überlassen bleiben soll. Die konkrete Entscheidung, wann, in welchen Beträgen und unter welchen Modalitäten der Bund Kredite aufnimmt, trifft der Bundesminister der Finanzen. Die Durchführung und die technische Abwicklung der Kreditaufnahme obliegen der Bundesschuldenverwaltung (bzw. jetzt der Bundeswertpapierverwaltung). Die Aufgaben der früheren Bundesschuldenverwaltung standen daher in einem Ergänzungsverhältnis306: Zunächst war sie Notar des Bundes für die Beurkundung der aufgenommenen Kredite sowie der übernommenen Gewährleistungen. Ihre Verantwortung für die Verzinsung und Tilgung verlieh ihr die Stellung einer unparteiischen Treuhänderin zwischen dem Bund und den Kreditgebern. Von besonderer Bedeutung war ihre Kontrollfunktion307: Diese erstreckte sich auf die Einhaltung der gesetzlichen Ermächtigungsgrenzen durch den Bundesminister der Finanzen308. Dafür war ihr mit dem Verbriefungsmonopol zugleich ein wirksames Sanktionsmittel eingeräumt309. Im Gegensatz zur Rechnungsprüfung handelte es sich um vorbeugende Finanzkontrolle. Der sachliche Zusammenhang zwischen der Sicherung des parlamentarischen Haushaltsrechts und der Schuldenverwaltung ist unver302

RGBl. I, 1935, 198 f. Gesetz über die Errichtung einer Schuldenverwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 13.7.1948, WiGBl., 73 f. 304 Verordnung über die Bundesschuldenverwaltung vom 13.12.1949, BGBl. I, 1949, 1. 305 Klargestellt in § 1 Finanzverwaltungsgesetz in der Fassung vom 30.08.1971 (BGBl. I, 1971, 1426). 306 Zu den Aufgaben im einzelnen Jaeckel, Die Bank 1983, 324; Friauf, in: Isensee/Kirchhof, HBStR IV, § 91, Rn. 69. 307 Die Kontrollaufgabe geht in der RSchO nur aus der Eidesformel gemäß § 30 RSchO hervor. Zur Herleitung des Kontrollauftrags Höfling, Staatsschuldenrecht, 385. 308 Zur Reichweite der Kontrolle im einzelnen Höfling, Staatsschuldenrecht, 386. Kritisch Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 275 f. 309 Ebert, WM 1959, 2, 3 f.; H. Meder, WM 1959, 180, 181; Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 155 f.; E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 75. 303

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kennbar310. Dies erklärt das Diktum vom materiellen Verfassungsbezug der Reichsschuldenordnung, den das Ausführungsgesetz zu Art. 115 GG habe311. Der historische Abriß macht außerdem deutlich, daß es sich um das Ergebnis einer Entwicklung handelt. Aus dem ursprünglichen Zusammenhang zwischen Staatsfinanzen und Konstitutionalismus wurde mit dem Übergang zur Republik ein solcher zum demokratischen Verfassungsstaat. Für die unabhängige Schuldenverwaltung bedeutete dies den Funktionswandel, dem sie ihre besondere Bedeutung verdankte. Gleichzeitig traten die anfänglichen Bonitätserwägungen immer weiter in den Hintergrund312. Gleichwohl war die Unabhängigkeit der Bundesschuldenverwaltung umstritten und die Argumente dagegen führten jüngst zu der eingangs erwähnten Änderung. Zum einen erscheint hier die Frage nach dem Umfang der in § 24 RSchO genannten Unabhängigkeit313. Maunz nahm unter Hinweis auf §§ 23 f. RSchO lediglich einen Ausschluß der Fachaufsicht an, so daß Rechts- und Dienstaufsicht des Bundesministers der Finanzen erhalten bleiben sollten314. Aus den genannten Vorschriften geht dies jedoch nicht hervor. Zum einen heißt es dort, die Bundesschuldenverwaltung „ist selbständig und unbedingt verantwortlich“ (§ 23 RSchO), zum anderen unterliegt sie „jedoch insoweit der oberen Leitung des Bundesministers der Finanzen, als dies mit der ihr nach § 23 beigelegten Unabhängigkeit vereinbar ist“ (§ 24 RSchO). Die Unabhängigkeit war folglich nicht nach einer Unterscheidung zwischen Fach- und Rechtsaufsicht zu bemessen, sondern nach der Art der Tätigkeit315. Der gleiche Sinn ist dem nach § 30 RSchO vorgesehenen „besonderen Eid“ zu entnehmen gewesen, wonach die Mitglieder geloben mußten, „sich von der Erfüllung dieser (. . .) der Bundesschuldenverwaltung mit selbständiger und unbedingter Verantwortung übertragenen Obliegenheiten durch keine Anweisung irgendwelcher Art abhalten zu lassen“. Schließlich kann auch aus den Materialien zitiert werden: „Der Reichsminister der Finanzen ist daher nicht in der Lage, der Reichsschuldenverwaltung in dieser Beziehung irgendeine Anweisung zu erteilen oder ihre Rechtsauffassung zu beeinflussen“316. Ein Festhalten an der Rechtsaufsicht läßt sich folglich nicht aus dem Gesetz selbst erklären, sondern scheint einer rechts310 Daraus jedoch eine parlamentarische Funktion der Bundesschuldenverwaltung ableiten zu wollen, verkennt, daß die Kontrolle gerade in der funktionalen Aufgliederung exekutiver Tätigkeit liegt. 311 Ebert, WM 1959, 2, 3. 312 Diese betont noch Ebert, WM 1959, 2, 4. Zu den wechselnden Funktionen Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 271 f. 313 Das Verhältnis zwischen Leitungsbefugnis des Finanzministers und Unabhängigkeit war bereits 1850 Thema der Gesetzesberatung, wiedergegeben bei Ebert, WM 1959, 2, 5. 314 Maunz, in: ders./Dürig, Grundgesetz, Art. 115, Rn. 4. 315 Zur Unterscheidung im einzelnen Höfling, Staatsschuldenrecht, 382. 316 RT-Drs. 5/1480 (1930).

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

staatlich begründeten Überzeugung zu entspringen, die ein unbedingtes Festhalten an der Rechtsaufsicht postuliert317. Unabhängig von der Richtigkeit dieser Ansicht mußte die Rechtsaufsicht hier aber mindestens einschränkend aufgefaßt werden, soll die Unabhängigkeit nicht ihren Sinn verlieren. Die Tätigkeit der Bundesschuldenverwaltung war rechtlich gebundenes Verwaltungshandeln, Zweckmäßigkeitserwägungen kamen ihr nicht zu. Ihre Kontrollaufgabe bestand in der Einhaltung der nach Art. 115 GG erforderlichen Gesetze. Sie war Rechtskontrolle318. Rechtsaufsicht hätte hier den Finanzminister zum Kontrolleur seines Kontrolleurs gemacht. Weit größere Tragweite hatte die Frage nach dem Zweck der Unabhängigkeit der Bundesschuldenverwaltung, die sich in der Diskussion über deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit erhob. Auch hier war es Maunz, der unter Hinweis auf den vorkonstitutionellen Ursprung ihre Verfassungsmäßigkeit in Abrede stellte319. Weil die Kreditermächtigung parlamentarisch erteilt und von der Rechnungsprüfung überwacht werde, bestehe keine Notwendigkeit für die Kontrollaufgabe der Bundesschuldenverwaltung320. Die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Bundeswertpapierverwaltungsgesetzes übernimmt diese Argumentation in allen Teilen, obwohl sich die Auffassung von Maunz in der Literatur nicht durchsetzen konnte321. Die unterschiedlichen Funktionen, die mit der Unabhängigkeit verbunden sind, kommen nicht zur Sprache. Mit der Unabhängigkeit wurde die Kontrollfunktion – von Höfling immerhin als wichtigste Funktion der Bundesschuldenverwaltung genannt322 – sowie der darauf beruhende Gedanke der Kreditwürdigkeit beseitigt. Weil aber „die Kontrolle der staatlichen Verschuldung eine sensible Angelegenheit sei“, wird im Zuge der Abschaffung des Bundesschuldenausschusses eine Neubestimmung der legislativen Kontrollrechte erwogen323 und auf Empfehlung des Haushaltsausschusses mit einem parlamentarischen Gremium gemäß § 4a BWpVerwG realisiert324. Die Tragweite der Änderungen vor dem Hintergrund einer 180jährigen Tradition wurde aber offensichtlich nicht erkannt.

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Vgl. dazu 3. Kap., II. 5. a) aa). H. Meder, WM 1959, 180, 181; E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 75; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 269. 319 Maunz, in: ders./Dürig, Grundgesetz, Art. 115, Rn. 5. Anderer Ansicht Jaeckel, Die Bank 1983, 324, 328. 320 Offengelassen bei Friauf, in: Isensee/Kirchhof, HBStR IV, § 91, Rn. 70. 321 BT-Drs. 14/7010, 11. 322 Höfling, Staatsschuldenrecht, 385. 323 BT-Drs. 14/7010, 11. 324 Dazu bereits 1. Kap., V. 2. f). 318

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e) Das Bundessortenamt Das Bundessortenamt ist gemäß § 16 Abs. 1 SortG eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Die Zuständigkeit des Bundes folgt aus Art. 87 Abs. 3 S. 1 i.V. m. Art. 73 Nr. 9 GG. Das Bundessortenamt hat eine zweifache Aufgabenstellung: Im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes obliegen ihm gemäß § 16 Abs. 2 SortG die Erteilung des Sortenschutzes und die damit zusammenhängenden Angelegenheiten. Dem Bereich der klassischen Gefahrenabwehr zuzuordnen ist hingegen die Sortenzulassung nach dem Saatgutverkehrsgesetz325. Zu diesen Zwecken sind gemäß § 18 Abs. 1 SortG Prüfabteilungen und Widerspruchsausschüsse bzw. nach § 38 Abs. 1 SaatVerkG Sortenausschüsse und Widerspruchsausschüsse zu bilden. Es handelt sich dabei um Kollegialorgane. Trotz der unterschiedlichen Aufgabenbereiche sind die Verfahrensvorschriften ähnlich und an das Verwaltungsverfahrensgesetz angelehnt. Es handelt sich gemäß § 21 SortG bzw. § 41 SaatVerkG um ein förmliches Verwaltungsverfahren, das aber abweichend von § 70 VwVfG ein Widerspruchsverfahren vorsieht. Das Bundessortenamt wird nur vereinzelt im Zusammenhang mit ministerialfreien Räumen genannt, was nicht zuletzt daran liegen mag, daß diese Behörde nicht im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses steht. Zum einen wird die Unvereinbarkeit von Kollegialentscheidungen mit Weisungen ins Feld geführt, so daß auch ohne ausdrückliche Regelung die Weisungsfreiheit schon aus der Verfahrensgestaltung folge326. Weil die Entscheidungen im Aufgabenbereich des Bundessortenamt der strengen Gesetzesbindung unterliegen327, ihm also bei der Erfüllung seiner Aufgaben kein Ermessenspielraum zukommt, wird hier zudem eine Unmöglichkeit von Weisungen postuliert, so daß seine Beschlußgremien zwangsläufig zu den ministerialfreien Räumen zu zählen seien328. Beide Argumente müssen jedoch unter Hinweis auf die bereits getroffenen Ausführungen zurückgewiesen werden. Mangels weiterer Anhaltspunkte gehört das Bundessortenamt folglich nicht zu den ministerialfreien Räumen329.

325 Die Zuordnung erklärt die Regelung in zwei verschiedenen Gesetzen. Beide Aufgabenbereiche waren im Saatgutgesetz vom 27.6.1953 allerdings noch zusammengefaßt. Erst durch die Ausgliederung des Sortenschutzgesetzes vom 20.5.1968 erfolgte die gesetzmäßige Trennung. 326 Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 43 f. 327 Wuesthoff/Leßmann/Würtenberger, Handbuch zum Sortenschutz, 264. 328 Fichtmüller, AöR 91, 297, 311. 329 So scheinbar auch Wuesthoff/Leßmann/Würtenberger, Handbuch zum Sortenschutz, 271.

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f) Bundeswehrverwaltung: Musterungsausschüsse und Musterungskammern Die Bundeswehrverwaltung gehört gemäß Art. 87b Abs. 1 GG zu den Gegenständen bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau. Den Kreiswehrersatzämtern auf der unteren Verwaltungsstufe obliegt im Rahmen des Wehrersatzwesens gemäß § 16 Abs. 2 WpflG das Musterungsverfahren. Während sich damit nach heutiger Rechtslage keine Besonderheit mehr verbindet, die für die vorliegende Untersuchung von Interesse wäre, handelte es sich bis 1994 um eines der klassischen Beispiele ministerialfreier Verwaltung330. § 18 Abs. 1 WpflG a. F. übertrug die Musterung kollegial entscheidenden Musterungsausschüssen, die mit dem Leiter des Kreiswehrersatzamtes, einem von der Landesregierung benannten Beisitzer und einem von den Städten bzw. Kreisen gewählten ehrenamtlichen Beisitzer besetzt waren. Nach § 19 Abs. 2 S. 2 WpflG a. F. durften diesen keine Weisungen für den Einzelfall erteilt werden. Für das Widerspruchsverfahren wurden gemäß § 33 Abs. 3 WpflG a. F. Musterungskammern bei den Wehrbereichsverwaltungen gebildet, die ebenfalls weisungsfrei entschieden. Mit der Gesetzesänderung vom 20.7.1994 wurden sowohl diese Kollegialorgane wie auch die Weisungsfreiheit beseitigt331. Das Musterungsgeschäft wird nunmehr von einem in die Hierarchie des Kreiswehrersatzamtes integrierten Musterungsbeamten durchgeführt332. Die Bedeutung der Musterungsausschüsse liegt darin, daß bei ihnen die Gründe für ihre Einrichtung den Gründen für ihre Abschaffung gegenüber gestellt werden können. Nach der Begründung des Entwurfs des Wehrpflichtgesetzes hatte die Einrichtung eines Kollegialorgans den Zweck, die Entscheidung „auf eine breitere Grundlage zu stellen und damit einseitigen Entscheidungen vorzubeugen“333. Zur Absicherung und mit der gleichen Intention wurde das Einzelweisungsverbot aufgenommen. Allgemeine Weisungen erachtete man hingegen als notwendig, um eine einheitliche Handhabung der Ermessensspielräume der Musterungsausschüsse gewährleisten zu können. Im Zusammenhang mit der Abschaffung der Musterungsausschüsse wird darauf nicht Bezug genommen. Vielmehr heißt es in den Gesetzesmaterialien lediglich, daß die Übertragung der Musterungsaufgaben auf die Wehrbereichsverwaltung ein Beitrag 330 Fichtmüller, AöR 91, 297, 310; E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 82, Bachof, Wehrpflichtgesetz und Rechtsschutz, 46 ff.; Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 43 f. Zweifel daran bestehen insoweit, als die Wehrverwaltung nach § 18 Abs. 2 WpflG a. F. Rechtsbehelfe gegen die Entscheidungen der Ausschüsse und Kammern einlegen konnte. Die Rechtslage ähnelt damit den Einzelentscheidern nach AsylVfG. 331 Geändert durch das Gesetz zur Neufassung des Erfassungs- und Musterungsverfahrens vom 12.7.1994 (BGBl. I, 1994, 1497). 332 Steinlechner, Wehrpflichtgesetz, § 16, Rn. 5. 333 BT-Drs. 2/2303, 27.

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zur Verwaltungsvereinfachung und zur Entlastung des Haushalts („bis zu 5 Mio. DM“) sei. Die Rechte der Wehrpflichtigen blieben hinreichend gewahrt334. Nach einer anderen Begründung habe die sich festigende Rechtsprechung den zunächst weiten Ermessensspielraum der Musterungsausschüsse immer mehr eingeschränkt, so daß die Gremien im Lauf der Zeit überflüssig wurden335. g) Bundeswehrverwaltung: Ausschüsse und Kammern für Kriegsdienstverweigerung Mit dem Kriegsdienstverweigerungs-Neuregelungsgesetz vom 09.08.2003 wurde das Recht der Kriegsdienstverweigerung in wesentlichen Teilen geändert336. Das Anerkennungsverfahren erfolgt seither einheitlich vor dem Bundesamt für den Zivildienst, das gemäß § 2 ZDG als selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend errichtet wurde. Für die Verwaltungszuständigkeit ist dem Bund gemäß Art. 87b Abs. 2 GG eine Wahlmöglichkeit eröffnet, so daß es des Rückgriffs auf Art. 87 Abs. 3 i.V. m. Art. 73 Nr. 1 GG nicht bedurfte337. Mit der Neuregelung wurden zugleich die bisher ministerialfreien Ausschüsse und Kammern im Bereich der Kreiswehrersatzämter beseitigt. Bis dahin wurde im Anerkennungsverfahren nach Antragstellergruppen unterschieden. Dem Bundesamt für den Zivildienst war gemäß § 4 Abs. 1 KDVG a. F. das Verfahren über Anträge ungedienter Wehrpflichtiger zugewiesen, die weder einberufen noch schriftlich benachrichtigt worden sind. Die Entscheidungen darüber ergingen nicht ministerialfrei338. In den Fällen von §§ 4 Abs. 2, 7, 8, 9 Abs. 1 KDVG a. F. lag die Zuständigkeit hingegen bei den Ausschüssen für 334 BT-Drs. 12/7007, 11 (Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Erfassungsund Musterungsverfahrens, Begründung); BT-Drs. 12/7623, 4 (Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses). 335 Kappler, NZWehrr 1995, 24, 26; Steinlechner, Wehrpflichtgesetz, § 16, Rn. 5, § 18 Rn. 2; ders., NVwZ 1995, 39 f. 336 BGBl. I, 2003, 1593. 337 Brecht, Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst, § 2 ZDG, Anm. 1. Zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Zivildienstgesetz Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 73, Rn. 6. Wegen dieser Sonderregelung gegenüber Art. 87 Abs. 3 GG bleibt anzumerken, daß die „Selbständigkeit“ der Bundesoberbehörde nicht eindeutig ist. 338 Soweit erkennbar wurde bislang nur von Fritz/Baumüller/Brunn, Kriegsdienstverweigerungsgesetz, § 5, Rn. 28, die Weisungsfreiheit der für das Anerkennungsverfahren zuständigen Lektoren behauptet. Als Begründung wird vorgetragen, daß für die Entscheidung über die Anerkennung kein Ermessensspielraum und damit auch kein Anlaß für Weisungen bestehe. Diese seien „mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren“. Dem liegt aber nicht nur ein offensichtliches Mißverständnis über den Inhalt von Weisungen, sondern auch von Weisungsfreiheit zugrunde: Weder sind Weisungen auf die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung beschränkt, noch entfällt bei gebundenen Entscheidungen das Weisungsrecht. Ablehnend auch Steinlechner, NVwZ 1984, 299.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

Kriegsdienstverweigerung, die gemäß § 9 Abs. 4 KDVG a. F. bei den Kreiswehrersatzämtern zu bilden waren und nach persönlicher Anhörung entschieden339. Die Ausschüsse waren mit einem benannten Vorsitzenden und zwei gewählten Beisitzern kollegial besetzt. Gemäß § 9 Abs. 5 KDVG a. F. waren sie an Weisungen nicht gebunden. Für das Widerspruchsverfahren über die Bescheide der Ausschüsse wurden bei der Wehrbereichsverwaltung (Mittelstufe) gemäß § 18 Abs. 1 KDVG a. F. Kammern für Kriegsdienstverweigerung eingerichtet, für die die Organisationsgrundsätze der Ausschüsse einschließlich der Weisungsfreiheit Anwendung fanden. Bei den genannten Ausschüssen bzw. Kammern handelte es sich also um ministerialfreie Räume340. Die gesetzlichen Verfahrensregelungen der Kriegsdienstverweigerung entsprachen zugleich – soweit sie den Aufgabenbereich der Kreiswehrersatzämter betrafen – der verbreiteten Forderung nach einer weitestgehend objektivierten und neutralisierten Entscheidungsfindung341. Mit der Neuregelung des Anerkennungsverfahrens wurde in erster Linie das Ziel eines einheitlichen, rein schriftlichen Anerkennungsverfahrens verfolgt. Für eine besondere Gewissensprüfung vor einem Ausschuß wurde keine Notwendigkeit mehr gesehen. h) Das Deutsches Patent- und Markenamt Das Deutsche Patent- und Markenamt, das am 25.5.1877 als Kaiserliches Patentamt errichtet342 und am 12.8.1949 wiedererrichtet wurde343, ist heute eine selbständige Bundesoberbehörde im Sinne des Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG, die dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz zugeordnet ist. Seine Aufgaben liegen neben dem Vollzug des Patentgesetzes im Bereich des Gebrauchsmuster-, Warenzeichen- und Urheberrechts. Es ist Aufsichtsbehörde für urheberrechtliche Verwertungsgesellschaften sowie Musterregisterbehörde für Geschmacksmusterund Topographieanmeldungen, mustertopographische Schriftzeichen und ergänzende Schutzzertifikate344. An der Spitze des Patentamtes steht als Behördenlei339 Die Kreiswehrersatzämter sind der unteren Verwaltungsstufe der Bundeswehrverwaltung zugeordnet, die gemäß Art. 87b Abs. 1 GG zu den Gegenständen bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau gehört und dem Bundesminister der Verteidigung untersteht. 340 Ebenso Fichtmüller, AöR 91, 297, 310; Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 43 f.; E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 83. 341 Schoch, Neuregelung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung, 13; Franz, ZRP 1982, 315, 316 f. 342 § 14 Abs. 2 S. 1 PatG 1877 (RGBl. 1877, 501). 343 Gesetz über die Errichtung eines Patentamtes im Vereinigten Wirtschaftsgebiet (WiGBl. 251). 344 Im einzelnen Schwendy, in: R. Busse, Patentgesetz, § 26, Rn. 2; Schäfer, in: Benkard, Patentgesetz, vor § 26 Rn. 2.

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ter der Präsident. Er wie auch alle übrigen Mitarbeiter werden in § 26 Abs. 1 PatG als Mitglieder der Behörde bezeichnet. Für die Erledigung der spezifischen Aufgaben des Patentamtes ist in § 27 Abs. 1 PatG die Bildung von Prüfungsstellen und Patentabteilungen angeordnet. Die Patentabteilungen sind gemäß § 27 Abs. 3 PatG Kollegialorgane mit einem Vorsitzenden und mindestens drei Mitgliedern. Die Prüfungsstellen werden gemäß § 27 Abs. 2 PatG durch ein Mitglied der Patentabteilung als Prüfer gebildet. Das Entscheidungsverfahren der Abteilungen ist gemäß §§ 42 ff. PatG justizförmig ausgestaltet. Die Weisungsfreiheit der Mitglieder des Patentamts wird von verschiedener Seite behauptet, wobei stets zu beachten ist, ob damit die Behörde als Ganzes, die Prüfungsstellen und Patentabteilungen oder nur die Patentabteilungen gemeint sind345. Obwohl es sich beim Patentamt nach heute einhelliger Meinung um eine Verwaltungsbehörde handelt346, war lange umstritten, ob aufgrund der Verfahrensgestaltung nicht von rechtsprechender Tätigkeit auszugehen sei347. Es entsprach zur Zeit des Reichspatentamts einer verbreiteten Ansicht, dessen Mitglieder den sogenannten richterlichen Beamten zuzuordnen, so daß ihnen analog § 158 des „Gesetzes betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten“348 Unabhängigkeit zukomme349. Dieser Auffassung ist heute jedoch der rechtliche Rahmen entzogen. Weil sich im Patentgesetz zudem keine ausdrückliche Regelung zur Weisungsfreiheit findet, ist vom Grundsatz der Weisungsbindung auszugehen350. Dagegen wird einmal mehr der Einwand erhoben, daß den Patentabteilungen wie auch den Prüfungsstellen nur gebundene Entscheidungen obliegen, mithin kein Ermessensspielraum eröffnet sei351, so daß damit der Anwendungsbereich für Weisungen verschlossen bleibe352. Dem liegt jedoch 345 Die folgenden Ausführungen gelten entsprechend für die ebenfalls beim Patentamt angesiedelte Gebrauchsmusterstelle und -abteilung gemäß § 10 Abs. 1, 3 GebrMG, die Topographiestelle und -abteilung gemäß § 4 Abs. 4 HalblSchG und die Markenstelle und -abteilung gemäß § 56 Abs. 1 MarkenG. 346 BVerwGE 8, 350 ff.; Schäfer, in: Benkard, Patentgesetz, vor § 26, Rn. 9; Schwendy, in: R. Busse, Patentgesetz, § 26, Rn. 7. 347 Zuletzt noch Krabel, GRUR 1977, 204 f. 348 Vom 31. März 1873 (RGBl. I, 1873, 61): „Die Bestimmungen dieses Gesetzes über die Versetzung in ein anderes Amt, über die einstweilige und über die zwangsweise Versetzung in den Ruhestand, über Disziplinarbestrafung und über vorläufige Dienstenthebung finden auf Mitglieder des Reichsoberhandelsgerichts, auf die Mitglieder des Bundesamts für das Heimathswesen, auf die Mitglieder des Rechnungshofes des Deutschen Reichs und auf richterliche Militär-Justizbeamte keine Anwendung. (. . .).“ 349 Damme, GRUR 1898, 257, 263. 350 Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, 447 f. (Anders noch 3. Auflage, 230). J. Starck, CR 1989, 367, 370. Unzutreffend ist es jedoch, wenn Mediger, Mitteilungen 1966, 202 f., die Dienstaufsicht des Vorstandes der Patentabteilung gegenüber der Prüfungsstelle einfordert. Das von ihm unterstellte hierarchische Überordnungsverhältnis besteht in diesem Fall nicht. 351 BGH GRUR 1969, 562 f.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

ein Fehlverständnis des Weisungsrechts zugrunde. Richtig und mit dem Gesetzmäßigkeitsprinzip zu begründen ist, daß Weisungen keinen gesetzwidrigen Inhalt haben dürfen. Man kann hingegen nicht behaupten, daß jede gebundene Entscheidung zur sachlichen Unabhängigkeit des entscheidenden Beamten führt, so daß die Frage, warum dies gerade hier gelten soll, nicht beantwortet wird353. Weiterhin führt – wie schon bei anderen Bundesbehörden – in erster Linie die Kollegialstruktur und die Verfahrensart der Patentabteilungen zu der Frage nach deren Weisungsfreiheit354. Die überkommene Vorstellung vom richterlichen Beamten findet darin eine gewisse Parallele. Als Nachweis wird auf § 5 DPAVO verwiesen, wonach Entscheidungen im kollegialen Einspruchsverfahren (nur) durch die Mehrheit in den Patentabteilungen getroffen werden355. Man muß § 5 DPAVO als Argument jedoch schon deshalb ablehnen, weil er nicht dem institutionellen Gesetzesvorbehalt für ministerialfreie Räume genügt. Richtiger wäre es daher, auf § 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 und §§ 42 ff. PatG zurückzugreifen, die die Kollegialstruktur bzw. das justizförmige Verfahren regeln. Aber auch dies führt nicht weiter, weil sich nach hier vertretener Ansicht daraus keine Weisungsfreiheit ableiten läßt. Im Gegenteil findet sich in § 12 DPAVO sogar eine Regelung zu den Aufgaben des Präsidenten, wonach diesem die Leitung und Beaufsichtigung des Geschäftsbetriebes des Patentamtes obliege. Er habe auf die gleichmäßige Behandlung der Geschäfte und auf die Beobachtung gleicher Grundsätze hinzuwirken. Dies allerdings legt ein Weisungsrecht auch gegenüber den Prüfungsstellen wie auch den Patentabteilungen nahe, wovon in Form von Verwaltungsvorschriften auch Gebrauch gemacht wurde356. Schließlich kann noch auf die Gesetzesmaterialien zum 6. ÜG357 Bezug genommen werden: In seinem schriftlichen Bericht weist der Rechtsausschuß darauf 352 Schulte, Patentgesetz, § 26, Rn. 12. Zur Frage des Ermessensspielraums auch Krabel, GRUR 1977, 204 f., der die Weisungsfreiheit zwar für zulässig, aufgrund fehlender Anordnung aber für nicht gegeben hält; ders., Mitteilungen, 1976, 143. 353 J. Starck, CR 1989, 367, 369 f. 354 Neumüller, Mitteilungen 1968, 28 f. 355 So Schwendy, in: R. Busse, Patentgesetz, § 26, Rn. 22, der zwar von einem Einzelweisungsrecht ausgeht, dies aber für Kollegialentscheidungen bezweifelt. Ebenso J. Starck, CR 1989, 367, 371, allerdings beschränkt auf das Weisungsrecht des Abteilungsvorsitzenden im laufenden Verfahren. 356 Schäfer, in: Benkard, Patentgesetz, § 26, Rn. 11; J. Starck, CR 1989, 367, 369. Anderer Ansicht Pakuscher, in: Fürst/Herzog/Umbach, Festschrift Zeidler, 1611, 1615, der bezweifelt, „ob diese Richtlinien in dem Weisungsrecht des Präsidenten des Patentamtes eine ausreichende Grundlage haben, da er eine so weitgehende Einflußnahme auf das Verfahren der in der Sache selbständig entscheidenden Prüfer nicht ohne gesetzliche Ermächtigung ausüben sollte.“ Dem liegt aber ein Fehlverständnis zugrunde: Mit dem Weisungsrecht besteht auch das Recht des Behördenleiters, Richtlinien zu erlassen. Wenn die Prüfer hingegen selbständig entscheiden, ist schon das Weisungsrecht zu verneinen. Dafür bleibt Pakuscher jedoch jeden Beweis schuldig. 357 Gesetz zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes.

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hin, daß im ersten Entwurf die Unabhängigkeit der Angehörigen (sic!) des Patentamts zwar vorgesehen war358, davon aber abgesehen wurde, „da eine solche Bestimmung gegen den Grundsatz der parlamentarischen Verantwortung der Bundesregierung für die ihr unterstellten Behörden (Art. 65 GG) verstoßen könnte“359. Darin bestätigt sich nicht nur, daß dem Gesetzgeber die Problematik der ministerialfreien Räume durchaus bewußt ist, sondern auch, daß der Kollegialstruktur per se keine Weisungsfreiheit unterstellt werden kann360. i) Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) wurde zunächst durch das Telekommunikationsgesetz (TKG)361 als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie errichtet. Seit dem 13.07.2005 ist sie unter Erweiterung ihres Aufgabengebietes in „Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahn“ umbenannt. Diese ist gemäß § 116 TKG Regulierungsbehörde im Sinne des Telekommunikationsgesetzes. Als organisationsrechtliche Grundlagen sind insbesondere Art. 87f Abs. 2 S. 2, Art. 86 GG und § 1 BNetzAG zu nennen. An ihrer Spitze steht gemäß § 3 BNetzAG der von der Bundesregierung zu benennende Präsident. Daneben wird gemäß § 5 BNetzAG ein Beirat aus jeweils 16 Mitgliedern bzw. Vertretern des Bundestages und des Bundesrates gebildet. Für die in § 132 Abs. 1 TKG genannten Aufgaben entscheidet die Regulierungsbehörde durch Beschlußkammern, die jeweils mit einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern besetzt sind. Das Verfahren ist gemäß §§ 134 f. TKG justizförmig. Vor allem die Existenz der Beschlußkammern war von Beginn an mit der Frage nach einer möglichen Ministerialfreiheit verknüpft. Die Diskussion wurde lange Zeit kontrovers geführt, ohne daß sich eine herrschende Meinung herausbilden konnte362. Mit der Neufassung des Telekommunikationsgesetzes vom 358 „§ 18 Abs. 6 PatG: Die Mitglieder der Patentabteilungen sind in der ihnen nach Abs. 1 obliegenden Tätigkeit nur dem Gesetz unterworfen.“ 359 BT-Drs. 3/2405, 2406, 3, Nr. 2 (Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses, Berichterstatter Deringer). 360 Unzulässig ist die Interpretation Neumüllers, Mitteilungen, 1968, 28 f., wonach zwar die Formulierung des ersten Entwurfs fallengelassen wurde, deren Inhalt gleichwohl Geltung habe. Hier muß die Gegenfrage gestattet sein, ob sich die verfassungsrechtlichen Bedenken nur gegen den Wortlaut oder nicht vielmehr gegen den Inhalt richten. 361 TKG vom 25.07.1996, BGBl. I, 1996, 1120. 362 Für Ministerialfreiheit Paulweber, Regulierungszuständigkeit, 104 ff.; Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 87f, Rn. 112; Kerkhoff, in: Büchner u. a., Beck’scher TKG-Kommentar, § 73, Rn. 33; Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, 397 ff.; zumindest gewichtige Indizien sieht Müller-Terpitz, ZG 1997,

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

22.06.2004363 hat der Gesetzgeber diesen Spekulationen ein Ende bereitet. Abweichend von § 66 Abs. 5 TKG a. F. sind nunmehr gemäß § 117 TKG nicht nur „allgemeine Weisungen“, sondern „Weisungen“ des Bundesministeriums im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Den Gesetzgebungsmaterialien ist zu entnehmen, daß diese allgemeine wie auch Einzelweisungen umschließen und insbesondere Beschlußkammerentscheidungen betreffen364. Die Beschlußkammern gehören darum nicht zu den ministerialfreien Räumen. Diese Zuordnung war jedoch schon nach alter Rechtslage geboten. Die Regelungsmaterie erlaubte dazu eine besonders anschauliche Argumentation, die auf viele andere Zweifelsfälle übertragbar ist. Sie soll darum – trotz der gesetzlichen Neuregelung – an dieser Stelle nachvollzogen werden. Ausgangspunkt einer Lösung ist die organisationsrechtliche Einordnung der Regulierungsbehörde als Bundesoberbehörde unter die unmittelbare Staatsverwaltung gemäß Art. 86 GG. Daher unterliegt sie dem Ressortprinzip gemäß Art. 65 S. 2 GG, was auch in § 1 BNetzAG deutlich wird. Also ist vom Grundsatz der Weisungsbindung auszugehen365. Eine ausdrückliche Ausnahmeregelung über die Weisungsbindung enthielt das TKG a. F. nicht366. Aus der Veröffentlichungspflicht für den Erlaß allgemeiner Weisungen konnte im Umkehrschluß nicht gefolgert werden, das Fehlen einer entsprechenden Regelung für Einzelweisungen sei deren Unzulässigkeit geschuldet367. Tatsächlich hat § 66 Abs. 5 TKG a. F. das Weisungsrecht vorausgesetzt368, womit sich der Grundsatz der Weisungsbindung eher bestätigen würde. Wenn ein ausdrücklicher Weisungsausschluß fehlt, ist jedoch auf den Willen des Gesetzgebers, auf systematische oder teleologische Erwägungen einzugehen369. Voranzustellen ist, daß eine im Wege der Auslegung gewonnene 257, 271. Für Weisungsbindung Nolte, CR 1996, 459, 464; Geppert, in: Büchner u. a., Beck’scher TKG-Kommentar, § 66, Rn. 18 ff.; Mayen, in: Scheurle/ders., TKG, § 73, Rn. 10 f.; Ulmen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 66, Rn. 15 ff.; Ulmen/Gump, CR 1997, 396, 400 ff.; Weber/Rommersbach, in: Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, C, § 66, Rn. 19 ff., C § 73, Rn. 11; Windhorst, CR 1998, 340, 342; v. Danwitz, DÖV 2004, 977, 979. 363 BGBl I, 2004, 1190. 364 BR-Drs: 755/03, 133. 365 Ulmen/Gump, CR 1997, 396, 401. 366 Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, 397 f.; Paulweber, Regulierungszuständigkeit, 93. 367 So offenkundig aber Gramlich, CR 1998, 463, 466. Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, 401, sieht darin zumindest einen Widerspruch zum Anliegen eines möglichst transparenten Verfahrens, was er als Indiz für Weisungsfreiheit interpretiert. Der Wert des Arguments scheint aber so schwach, daß es allenfalls in Verbindung mit anderen, gewichtigeren Gründen die Unabhängigkeit stützen kann. 368 Müller-Terpitz, ZG 1997, 257, 270, Fn. 90; Geppert, in: Büchner u. a., Beck’scher TKG-Kommentar, § 66, Rn. 18, 20. 369 Unrichtig ist es jedoch, die Frage nach der Weisungsfreiheit der Behörde bereits mit einem Hinweis auf die Unzulässigkeit ministerialfreier Räume zu verneinen, wie dies bei Weber/Rommersbach, in: Manssen, Telekommunikations- und Multimedia-

III. Ministerialfreie Räume in der Verwaltung

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Weisungsfreiheit hinreichend bestimmt sein muß370. Unsicherheiten sprechen im Zweifel für den Grundsatz der Weisungsbindung. Den Gesetzgebungsmaterialien können vielfältige Hinweise zur Art der Aufgabenerledigung der Regulierungsbehörde nach TKG a. F. entnommen werden. In einer Stellungnahme der Bundesregierung heißt es, daß die Einrichtung von Beschlußkammern als Kollegialspruchkörper „gerade bei der Organisationsform einer oberen Bundesbehörde eine politisch weitgehend unabhängige Entscheidung der Regulierungsbehörde“ sichere371. Auch an anderer Stelle ist wiederholt von Unabhängigkeit die Rede372. Richtig ist sicherlich, daß der Gesetzgeber bestrebt und nach Europäischem Gemeinschaftsrecht auch verpflichtet war373, eine Behörde zu schaffen, deren Organisationsstruktur bereits die Gewähr dafür bot, „tagespolitische Einflüsse“ aus dem Entscheidungsverfahren herauszuhalten374. Weil der Staat zugleich Anteilseigner des ehemaligen Monopolisten ist, muß „unabhängig“ dabei im Sinne von unparteiisch verstanden werden. Organisatorischen Ausdruck hatte diese Unabhängigkeit am ehesten in den Beschlußkammern nach § 73 TKG a. F. gefunden. Ob aus diesen Gesetzgebungsmaterialien aber eine Weisungsfreiheit ableitbar war375, erscheint fraglich. Die angestrebte Unabhängigkeit konnte sich nämlich bereits in der Wirkung des kollegialen Entscheidungsverfahrens, das von personellen Anforderungen gemäß § 73 Abs. 4 TKG a. F. flankiert war376, erschöpfen. Einerseits die verfahrensmärecht, C, § 66, Rn. 21.; Mayen, in: Scheurle/ders., TKG, § 73, Rn. 10 f. geschieht. In Betracht käme dieser Weg nur unter dem Stichwort der verfassungskonformen Auslegung, was aber einerseits verschiedene Auslegungsmöglichkeiten, andererseits ein verfassungsrechtliches Verbot von Ministerialfreiheit in genau diesem Fall voraussetzt. 370 Paulweber, Regulierungszuständigkeit, 110. 371 BT-Drs. 13/4438, 38. 372 BT-Drs. 13/4864, 74, 82 (Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Telekommunikation). 373 Richtlinie der Kommission vom 28.6.1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikation (90/388 EWG), ABl. EG 1990, Nr. L 192/10; Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.2.1998 über die Anwendung des offenen Netzzugangs (ONP), (98/10/EG) ABl. EG 1998, Nr. L 101/24 ff.; Richtlinie des Rates vom 28.6.1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste (90/387/EWG), ABl. EG 1990, Nr. L 192/1. Strittig ist, ob darin nur funktionelle Mindestanforderungen gestellt werden, sie also keine ministerialfreie Ausgestaltung erfordern, oder ob ein weitergehendes Verständnis von Unabhängigkeit besteht. Für die erstgenannte Lesart Weber/Rommersbach, in: Manssen, Telekommunikationsund Multimediarecht, C, § 66, Rn. 22; Paulweber, Regulierungszuständigkeit, 100; Mayen, DÖV 2004, 45, 51; für umfassende Unabhängigkeit hingegen Möschel, ORDO 48, 241, 248. 374 Zu den Gründen für diese tagespolitischen Einflüsse Paulweber, Regulierungszuständigkeit, 85 ff. 375 Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, 398 f.; Paulweber, Regulierungszuständigkeit, 104 f.; Kerkhoff, in: Büchner u. a., Beck’scher TKG-Kommentar, § 73, Rn. 33; Gramlich, CR 1998, 463, 466. 376 Im einzelnen Paulweber, Regulierungszuständigkeit, 107 f.

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ßige Gestaltung gemäß § 74 f. TKG a. F., andererseits die Kollegialstruktur gemäß § 73 Abs. 2 TKG a. F. erhöhen nicht nur die innere Unabhängigkeit, sondern erzeugen auch ein gesteigertes Richtigkeitspotential, demgegenüber jede Einzelweisung unter Rechtfertigungsdruck geraten muß. Auch die Veröffentlichungspflicht allgemeiner Weisungen gemäß § 66 Abs. 5 TKG a. F. hat disziplinierende Wirkung377. Obwohl es sich jeweils um Sicherungen der Unabhängigkeit handelt, wird sie nach diesem Verständnis nicht durch eine formale Absonderung, sondern durch eine materielle Stärkung der Behörde angestrebt, so daß von faktischer Unabhängigkeit gesprochen werden kann378. Daran wird deutlich, daß der Begriff der Unabhängigkeit über eine gewisse Bandbreite verfügt, die nicht mit Weisungsfreiheit gleichgesetzt werden darf379. Zum Ausdruck kam das auch in einer Äußerung des Bundesrates: „Die Sicherung der Regulierungsziele wird am besten durch eine möglichst umgehende Einrichtung einer unabhängigen Regulierungsbehörde erreicht. Bei der im Gesetz vorgesehenen Lösung einer weisungsabhängigen Bundesoberbehörde (. . .)“380. Die Materialien aus dem Gesetzgebungsverfahren enthalten also keine sicheren Indizien für Weisungsfreiheit. Weil die Art der Bezeichnung nicht weiterführt, muß der Blick auf die kollegiale Organisationsstruktur gerichtet werden. Auch hier gilt, daß kollegiale Entscheidungsverfahren nicht mit Weisungsfreiheit gleichgesetzt werden dürfen381. Gleichwohl können sie als Mittel der – faktischen – Unabhängigkeit betrachtet werden. Aus dem gleichen Grund dürfen die personellen Regelungen des § 73 Abs. 4 TKG a. F. nicht als Indiz für die Weisungsfreiheit herangezogen werden382: Sie sichern Unabhängigkeit, ohne daß eine Aussage über ihre Reichweite möglich ist. Die für die Weisungsfreiheit vorgetragenen Indizien waren folglich nicht stichhaltig. Sie entbehrten der für eine Ausnahme vom Grundsatz der Weisungsbindung erforderlichen Überzeugungskraft. Eine Ministerialfreiheit im Bereich der Regulierungsbehörde kann weder nach früherer noch nach heutiger Rechtslage festgestellt werden.

377

Geppert, in: Büchner u. a., Beck’scher TKG-Kommentar, § 66, Rn. 19. Windhorst, CR 1998, 340, 342; Ulmen/Gump, CR 1997, 396, 400; Ulmen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 66 Rn. 17. 379 Vgl. zum Inhalt der Unabhängigkeit Ziffer 7 der „Leitlinien für die Regulierungspolitik“ des Wissenschaftlichen Arbeitskreises für Regulierungsfragen bei der Regulierungsbehörde (http://www.bundesnetzagentur.de, 18.10.2005). Zu den verfahrensmäßigen Abstufungen von Unabhängigkeit Paulweber, Regulierungszuständigkeit, 89 f. 380 BT-Drs. 13/4938, 5 f., Ziff. 12 (Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat). 381 Anderer Ansicht aber Paulweber, Regulierungszuständigkeit, 105. Siehe dazu 3. Kap., II 5. a) cc). 382 So aber Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, 401 f. 378

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j) Der Untersuchungsführer nach § 56 BDO Das Bundesdisziplinargesetz vom 09.07.2001 ist an die Stelle der früheren Bundesdisziplinarordnung getreten. Damit verbunden war eine grundlegende Umgestaltung des Disziplinarrechts in institutioneller wie verfahrensrechtlicher Hinsicht. Mit ihr entfiel die gemäß § 56 Abs. 3 BDO weisungsfreie Stelle des Untersuchungsführers im formellen Disziplinarverfahren. Im folgenden sollen zum Zwecke weiterer Überlegungen die Ausgangslage sowie die Gründe für diese Entscheidung beleuchtet werden. Der frühere Untersuchungsführer wurde von der Einleitungsbehörde i. S. d. § 35 BDO gemäß § 56 Abs. 2 BDO bestellt und mit der Untersuchung des disziplinarrechtlich relevanten Sachverhalts betraut. In der Durchführung dieser Untersuchung war er gemäß § 56 Abs. 3 S. 1 BDO unabhängig und an Weisungen nicht gebunden, so daß seine Qualifikation als ministerialfrei in Betracht zu ziehen ist. Problematisch ist dabei, daß mit seiner Untersuchung bereits die Beweisaufnahme für das Verfahren beim Bundesdisziplinargericht verbunden war (Mittelbarkeitsgrundsatz). Aus diesem Grund wurde dem Untersuchungsführer, der Beamter oder Richter sein konnte, zumindest funktional eine quasi-richterliche Stellung im Rahmen einer gerichtlichen Beweisaufnahme zugewiesen383. Damit steht die für ministerialfreie Stellen erforderliche Zuordnung zur Exekutive in Frage. Maßgeblich dafür ist aber die organisatorische Zuordnung, an der nicht zu zweifeln ist384. Darüber hinaus ist mit dem Umstand, daß der unabhängige Untersuchungsführer in einem formellen Verfahren eine Beweisaufnahme durchführt, nur gesagt, daß er wie ein Richter, nicht aber, daß er als Richter handelt. Der Untersuchungsführer gehörte folglich definitionsgemäß zu den ministerialfreien Stellen. Anders ist beim früheren Bundesdisziplinaranwalt385 gemäß § 37 BDO zu urteilen, der in mißverständlicher Weise ebenfalls als unabhängig bezeichnet wurde386. Maßgeblich dafür war eine Sonderregelung zur Aufsicht in § 38 Abs. 1 BDO: Danach gehörte der Bundesdisziplinaranwalt zum Ressort des Bundesministers des Innern und unterstand dessen Dienstaufsicht387. Im übrigen war die Weisungsbefugnis der Bundesregierung zugewiesen. Damit war der Bundesdisziplinaranwalt zwar gegenüber den für die Disziplinarentscheidungen zuständigen Behörden verselbständigt388, nicht aber unab-

383 Weiß, in: Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht, Bd. II, Teil 4, K, § 56, Rn. 53; Claussen/Janzen, BDO, § 56, Rn. 2; Claussen/Czapski, Das förmliche Disziplinarverfahren, B, Rn. 1, 3a; Ratz, in: Köhler/ders., BDO, § 56, Rn. 7. 384 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 1 (11. Aufl.), § 20, Rn. 47. 385 Auch diese Behörde wurde mit dem Inkrafttreten des BDG beseitigt. 386 Vgl. etwa Müller-Eising, NJW 2001, 3587. 387 Anderer Ansicht scheinbar Claussen/Janzen, BDO, § 38, Rn. 1a. 388 Claussen/Janzen, BDO, § 37, Rn. 1b.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

hängig im Sinne von weisungsfrei389. Er gehörte nicht zu den ministerialfreien Stellen. Das neue Bundesdisziplinargesetz verzichtet auf einen weisungsfreien Untersuchungsführer, ohne jedoch eine klare Regelung über den Ermittlungsführer zu treffen. Die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung führt dazu aus, daß die Einrichtung eines unabhängigen Untersuchungsführers in einer Zeit entstand, als die heute selbstverständlichen rechtstaatlichen Garantien vor allem des gerichtlichen Disziplinarverfahrens noch keineswegs gewährleistet waren, und darum nunmehr verzichtbar seien390. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung eine völlige Abkehr von den bisherigen Begründungslinien vollzogen391: War nämlich gerade der unabhängige Untersuchungsführer früher der Garant für ein rechtsstaatliches Ermittlungsverfahren, das insbesondere einen Einfluß der Dienstvorgesetzten auszuschließen geeignet war, wird eben dieses Ermittlungsverfahren gemäß § 17 Abs. 1 BDG in die Hände der Dienstvorgesetzten gelegt. Das gerichtliche Disziplinarverfahren wird zugleich zum ausreichenden rechtsstaatlichen Standard erklärt, der von der Bundesdisziplinarordnung folglich übererfüllt wurde. An die Stelle institutioneller Sicherung tritt das Zutrauen in die handelnden Amtswalter, wie folgendermaßen ausgeführt wurde: „Daß das Legalitätsprinzip nach der Abschaffung der Institution des Bundesdisziplinaranwalts weniger ernst genommen wird, ist im übrigen nicht zu befürchten. Vielmehr ist zu erwarten, daß die Dienstvorgesetzten ihrer Verantwortung gerecht werden (. . .)“392.

IV. Funktionen Die bisherige Untersuchung hat ergeben, daß die ministerialfreien Räume nicht nur in tatsächlicher, sondern auch in rechtlicher Hinsicht Ausnahmecharakter haben. Abgesehen von wenigen eigens geregelten Fällen kann auch dem Grundgesetz kein entsprechendes Gebot auf Ministerialfreiheit entnommen werden, so daß sich unmittelbar die Frage nach dem Grund ihrer Existenz stellt. Bevor der Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation der ministerialfreien Räume ganz in den Mittelpunkt gerückt wird, soll daher der Blick auf die Sachargumente gelenkt werden, die sich mit dieser Organisationsstruktur verbinden. Ohne ein Verständnis davon scheint eine Erfassung der rechtlichen Problematik nicht möglich.

389 390 391 392

Ratz, in: Köhler/ders., BDO, § 38, Rn. 2. BT-Drs. 14/4659, 33 (Begründung). Müller-Eising, NJW 2001, 3587, 3589. BT-Drs. 14/4659, 34 (Begründung).

IV. Funktionen

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1. Vorteile der Weisungsfreiheit Im verwaltungs- und verfassungsrechtlichen Schrifttum werden mögliche Gründe für Weisungsfreiheit in großer Zahl diskutiert. Diese beruhen ausnahmslos auf der Wirkungsbeziehung zwischen Weisungsfreiheit und Entscheidung. Sie können in Fallgruppen zusammengefaßt werden, die jedoch nicht streng voneinander getrennt sind, sondern zum Teil nur einen unterschiedlichen Blickwinkel einnehmen. Die Unabhängigkeit ist in keiner dieser Konstellationen selbst das Ziel, sondern stets nur Bedingung. Zugleich ist sie aber auch das verbindende Element, das eine Zusammenfassung dieser Erscheinungen möglich macht393: (1) An erster Stelle ist die Sach- bzw. Funktionsgerechtigkeit zu nennen. Dabei geht es um die Vorstellung, politische Einflußnahme aus einer rein sachlich orientierten Entscheidungsfindung ausschließen zu können394. Offensichtlich wird dies bei Organen, die an sachlogische Grundsätze gebunden sind und zudem über besondere Sachkunde und Erfahrung verfügen, weil hier sachfremde, d.h. persönliche oder willkürliche Maßstäbe besonders deutlich hervortreten395. Aber auch außerhalb dieser Fälle handele es sich um eine „sachgerechte Differenzierung des Staatsganzen“, mit der die innere Organisation an der jeweiligen Aufgabe orientiert werden könne396. Wesentlicher Gedanke ist also eine Verbesserung des Entscheidungsinhalts durch eine Veränderung der Entscheidungsfindung397. (2) Eine weitere Funktion der Unabhängigkeit soll die Kontrolle sein. Auch in dieser Fallgruppe geht es um die Entscheidungsfindung, jedoch wird der Vorteil weniger im konkreten Ergebnis als vielmehr in seinem rechtsstaatlichen Zustandekommen gesehen. Allgemein wirke die Unabhängigkeit als intrafunktionelle Gewaltenteilung, so daß staatliche Machtkonzentration verringert werde398. Soweit bestimmte Behörden eine besondere Kontrollfunktion haben, könne deren ungestörte Wahrnehmung vor allem durch Unabhängigkeit erreicht werden399. Daneben gehe es aber auch darum, den Entscheidungsfindungsprozeß zu kontrollieren, also eine ordnungsgemäße 393

Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52, Rn. 47. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 56 f. Die bei Müller, JuS 1985, 497, 503, angeführten Gründe der höchstpersönlichen, nicht wiederholbaren Entscheidung, der Einheitlichkeit von Entscheidungen, deren Ausrichtung an unternehmerischen Gesichtspunkten wie auch der politischen Neutralisierung sind lediglich spezifische Ausprägungen der Sach- und Funktionsgerechtigkeit. 395 Fichtmüller, AöR 91, 297, 310, 314. 396 Emde, Demokratische Legitimation, 83, 314 f. 397 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 130. 398 Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 10 f. 399 Fichtmüller, AöR 91, 297, 309. 394

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

Verwaltung sicherzustellen400. Der sublime Einfluß von Interessengruppen könne durch deren gleichmäßige Beteiligung in einem unabhängigen Entscheidungsgremium neutralisiert werden401. Dadurch werde ein „parteipolitisch bedingtes Politikversagen institutionell“ bekämpft402. (3) Weiterhin wird unabhängigen Verwaltungsstellen auch ein erhöhter Sachverstand zugeschrieben, soweit in ihnen die Einbeziehung von Externen, also Bürgern oder besonderen Interessenvertretern mitsamt ihrer Sachkompetenz in die Entscheidungsfindung vorgesehen ist403. Auch hier beruht der Vorteil nicht allein auf der Unabhängigkeit, sondern auf einer Öffnung des Verwaltungsverfahrens, was außerdem zur verfassungsrechtlichen Problematik der personellen Legitimation führt. Nicht zwingend, aber typisch ist dabei die Gleichzeitigkeit mit sachlicher Unabhängigkeit404. Der Grund dafür liegt – wie allgemein bei Kollegialorganen – in der Vorstellung, daß sich die Vorteile einer verbesserten Entscheidungsfindung auf diesem Weg besser erhalten lassen405. So gesehen liegt der spezifische Vorteil der Unabhängigkeit auch hier in der Sachgerechtigkeit bzw. der Kontrolle. (4) Schließlich wird die Unabhängigkeit noch mit Vorstellungen von Demokratisierung in Verbindung gebracht. Erhöhte Sachgerechtigkeit und Kontrolle im Verwaltungsverfahren könne dem Vertrauen in das politische System dienen406. Mit demokratischer Legitimation gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG hat das freilich nichts zu tun, so daß es eher dem hier verwendeten Begriff der Legitimität zuzuordnen wäre407. Im wesentlichen handelt es sich um einen mittelbaren Vorteil, der im Kern auf der Beteiligung Verwaltungsfremder beruht und durch Unabhängigkeit lediglich abgesichert werden soll: Die Beteiligung von Bürgern oder Interessenvertretern kann den Zweck haben, nicht repräsentierte Gruppen in den Entscheidungsprozeß einzubeziehen408. Zugleich wird die Distanz einer repräsentativen Demokratie durch partizipatorische Einflußmöglichkeiten verkürzt. 400 Insoweit läuft auch der Kontrolleffekt auf die Kategorie der Sachgerechtigkeit hinaus. 401 Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 137. 402 Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 148; beispielhaft Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 7. 403 Fichtmüller, AöR 91, 297, 338; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 11; Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 44 ff.; Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 75 f.; Vlachopoulos, Kunstfreiheit und Jugendschutz, 242. 404 Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 142 ff. 405 Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 104; Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 155 f. 406 Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 64. 407 Zum Verhältnis von Legitimation und Legitimität 1. Kap., III. 4. 408 Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 12.

V. Verstoß gegen das Demokratieprinzip

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2. Nachteile der Weisungsfreiheit Neben den rechtlichen, insbesondere beim Demokratieprinzip offensichtlichen Problemen werden die ministerialfreien Räume aber auch mit einer Reihe tatsächlicher Nachteile in Verbindung gebracht. Vielfach handelt es sich um die Kehrseite der oben als Vorteil angeführten Eigenheiten: War es zunächst die Einbindung externen Sachverstands, wird demgegenüber ein Qualifikationsmangel der Gremienmitglieder beklagt, dessen Ausgleich aufgrund der Weisungsfreiheit erschwert sei409. Der Fokussierung auf die Sachentscheidung stehe eine verengte, unpolitische Fachsicht gegenüber410. Anstelle eines Interessenausgleichs werde häufig nur eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner erzielt, wie überhaupt Entscheidungen nicht transparenter, sondern unberechenbarer würden411. Schließlich werde die politische Einflußnahme nicht unterbunden, sondern lediglich auf die Entscheidungsträger verlagert. Als Folge der Weisungsfreiheit steige der Partikulareinfluß, der wegen der unterschiedlich intensiven Gruppenbeteiligung auch nicht repräsentativ sei. Es fällt auf, daß diese Nachteile eher mit der Beteiligung Externer verknüpft sind als mit der Unabhängigkeit als solcher. Ob die Kritik im einzelnen stichhaltig ist, muß hier jedoch nicht entschieden werden. Nur soweit die zuvor genannten Vorteile für die rechtliche Begründung der Ministerialfreiheit eine Rolle spielen, sind sie in das Für und Wider einzubeziehen.

V. Verstoß gegen das Demokratieprinzip In den bisherigen Ausführungen zu den ministerialfreien Räumen wurde bereits wiederholt auf die Problematik ihrer demokratischen Legitimation Bezug genommen. Dieser Blickwinkel entspricht zwar dem Gegenstand der Arbeit, erscheint aber zugleich verkürzt, weil die Zahl der verfassungsrechtlichen Problemfelder erheblich größer ist. Zu nennen wären hier neben dem Demokratieprinzip zumindest auch der Grundsatz der Gewaltenteilung, das Rechtsstaatsprinzip und die mit dem Prinzip der Ministerialverwaltung verbundene Staatsleitungsbefugnis der Regierung. Im Rahmen einer Untersuchung zur Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle können diese nur am Rande behandelt werden. Die Begrenzung auf die Frage der demokratischen Legitimation wird jedoch durch die Entwicklung der wissenschaftlichen Diskussion bestätigt, die die ministerialfreien Räume inzwischen fast ausschließlich unter diesem Gesichtpunkt behandelt. Systematisch ist bei diesen nachfolgend darzustellenden Rechtsansichten zu differenzieren zwischen solchen, die auf den Inhalt 409 410 411

Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 65 f. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 68 ff. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 74 ff.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

und den Geltungsbereich des Demokratieprinzips gerichtet sind, und solchen, die seine Beschränkung zu rechtfertigen suchen412. Welche Bedeutung ihnen beigemessen werden kann, hängt nicht zuletzt von den demokratischen Vorstellungen ab, die ihnen vorausliegen. 1. Einwand zum Umfang der ministeriellen Verantwortlichkeit Eine verbreitete Auffassung wendet sich dagegen, den demokratischen Verantwortungszusammenhang zum Ausgangspunkt für ein Verbot ministerialfreier Stellen zu machen. Dabei geht es konkret um die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung413, so daß die Überlegungen bisweilen auf Art. 65 S. 2 GG verengt werden414. Der Gedanke ist insoweit berechtigt, als zum einen das Ministerialsystem in Art. 65 S. 2 GG als Strukturprinzip der Exekutive verankert ist415 und zum anderen die ministerialfreien Räume in einem Ausnahmeverhältnis zu diesem Ministerialsystem stehen. Ministerialfreiheit läßt sich damit nicht vereinbaren, wenn ein verfassungsmäßiges Gebot der Lückenlosigkeit besteht. Nach der hier vertretenen Auffassung handelt es sich bei der Ministerverantwortlichkeit gemäß Art. 65 S. 2 GG um einen Ausschnitt aus der verantwortungsbezogenen Legitimationsstruktur416, so daß dieser und nicht etwa Art. 65 S. 2 GG das Gebot der Lückenlosigkeit zu entnehmen ist. Demgegenüber werden jedoch Vorstellungen formuliert, die dieses Gesamtmodell in Frage stellen. Die Verknüpfung der ministeriellen Verantwortlichkeit mit der Weisungsbefugnis wird seit dem Verdikt Friesenhahns als petitio principii abgelehnt, weil damit die Annahme verbunden sei, die ministerielle Zuständigkeit für Weisungen werde aus der Verantwortung selbst abgeleitet417. Richtig daran ist zunächst, daß die Verantwortung gegenüber der Zuständigkeit mit ihren tatsächlichen Eingriffsbefugnissen akzessorisch ist418. Der Versuch, allein aus Art. 65 412 Ebenso Brosius-Gersdorf, Bundesbank und Demokratieprinzip, 106; Mayen, DÖV 2004, 45, 47. 413 Die häufig anzutreffende Verkürzung auf „parlamentarische Verantwortlichkeit“ trägt in sich die Verwechslungsgefahr, als es nicht um die Verantwortlichkeit des Parlaments, sondern um die der Regierung bzw. der Minister geht. 414 Fichtmüller, AöR 91, 297, 317, 323. 415 Fichtmüller, AöR 91, 297, 325 f.; vgl. auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, 322. 416 Ebenso Brosius-Gersdorf, Bundesbank und Demokratieprinzip, 94 f. Vgl. auch Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 69 ff.; Emde, Demokratische Legitimation, 345. 417 Friesenhahn, VVDStRL 16, 9, 40, Fn. 75. Ihm folgend: Fichtmüller, AöR 91, 297, 321 f.; Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 309 f.; Müller, JuS 1985, 497, 504; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 95, 102, 105.

V. Verstoß gegen das Demokratieprinzip

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S. 2 GG eine umfassende, die Ministerialfreiheit ausschließende Weisungsbefugnis herauszulesen, muß daher scheitern. Die Norm setzt lediglich ein Verantwortungsverhältnis voraus, ohne dessen Umfang näher zu bestimmen. Umgekehrt aber ist die von Art. 65 S. 2 GG vorausgesetzte Verantwortlichkeit mit dem demokratischen Gebot umfassender Steuerungsmöglichkeit versehen, das für alle Organisationsentscheidungen maßgeblich sein muß, so daß der Blick auf Art. 20 Abs. 2 GG zu richten ist. Ausgangspunkt dafür ist, daß demokratische Legitimationsstruktur und staatliche Organisationsstruktur einander entsprechen und nicht künstlich getrennt werden können419. Ministerielle Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament ist kein Selbstzweck, sondern Bestandteil der demokratischen Legitimation420. Diese aber ist vom Volk aus zu bestimmen und nicht vom Staate her. Wenn jede Ausübung von Staatsgewalt vor dem Volk verantwortet werden muß, setzt das eine Organisation voraus, die das Entstehen von umfassender Verantwortung ermöglicht. Dieses Verantwortungsprinzip gilt für das gesamte Ministerialsystem. Seine Lückenlosigkeit folgt demnach aus seinem Verhältnis zum Demokratieprinzip. Der Vorwurf der petitio principii ist bei dieser Argumentation nicht haltbar. Zu Recht hat auch Oebbecke auf den Unterschied zwischen bestehender Verantwortlichkeit und gebotener Verantwortlichkeit hingewiesen421. Indessen verneint er das Gebot umfassender Verantwortlichkeit, weil nicht „jede Exekutivtätigkeit vom Parlament in vollem Umfang über den zuständigen Minister kontrollierbar sein muß“, solange nur überhaupt Kontrolle stattfindet422. Dem liegt ein Mißverständnis demokratischer Legitimation zugrunde, das bereits im Aufbau seiner Untersuchung angelegt ist: Während es sich tatsächlich um ein übergreifendes strukturprägendes Prinzip handelt, dessen Bestandteile im Grundgesetz konkretisiert werden, isoliert Oebbecke diese, um sie je für sich auf ihren Aussagewert zu prüfen423. Daher kann seine Feststellung, „Sedes materiae der 418 Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 309; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 102. 419 Emde, Demokratische Legitimation, 42; Jestaedt, Kondominialverwaltung, 288, 315 f.; ders., Der Staat 32, 29, 53. Zum Zusammenhang von Art. 20 Abs. 2 und Art. 65 S. 2 GG Emde, Demokratische Legitimation, 344 f. 420 Dies verkennt Fichtmüller, AöR 91, 297, 328, der darin nur den Ausfluß eines allgemeinen parlamentarischen Kontrollprinzips sieht, das „ureigene Funktion jeden Parlaments und erst recht dem parlamentarischen Regierungssystem immanent“ sei. Ohne aber dessen Geltungsanspruch konkretisieren zu können, bemüht er sich um den Nachweis seiner Einschränkbarkeit durch andere Verfassungsprinzipien, wodurch die gesamte Argumentation in ein Ungleichgewicht gerät. Es handelt sich um ein typisches Beispiel für die unpräzise Vorstellung von parlamentarischer Kontrolle. 421 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 102. 422 So Oebbeckes später bestätigte Eingangsthese, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 102, 122 ff., insbesondere 125–127. 423 Dies gilt etwa für die Trennung von „Demokratischer Legitimation“, worunter Oebbecke die personelle Legitimation prüft (Weisungs- und unterrichtungsfreie

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parlamentarischen Verantwortlichkeit (sei) im Grundgesetz nur schwer auszumachen“424, nicht verwundern. Vor diesem Hintergrund muß sein Ansatz, den Umfang der Verantwortlichkeit aus einzelnen parlamentarischen Kontrollrechten abzuleiten425, erfolglos bleiben, weil er gegenüber der Verantwortungsstruktur nicht nur falsch426, sondern auch der Versuch ist, vom Teil auf das Ganze zu schließen. Auch dem gesondert geprüften Demokratieprinzip kann er kein Gebot umfassender Verantwortlichkeit entnehmen, weil für ihn Verantwortung nur an sich, nicht aber konkret zu bestehen scheint: „Der Ausschluß des Weisungsrechts macht den Minister nicht unverantwortlich“427. Die dabei im Anschluß an Achterberg hervorgehobene Unterscheidung von Kontrollausschluß und verminderter Kontrolldichte428 stellt aber nicht den Gegensatz von Unverantwortlichkeit und Verantwortlichkeit bzw. von Nichtlegitimation und Legitimation dar, sondern lediglich unterschiedliche Grade des Legitimationsdefizits. Oebbecke muß daher eine Verkürzung des Demokratieprinzips bescheinigt werden429. Wenn nämlich für die Sachlegitimation auch eine geringere Kontrolldichte genügt, bedeutet dies zwingend, daß sich in gleichem Maße die auf das Volk gerichtete Verantwortungszurechnung verringert. So gesehen ist es nur folgerichtig, wenn Oebbecke weder der parlamentarischen Verantwortlichkeit im allgemeinen noch dem Demokratieprinzip im besonderen430 ein Verbot ministerialfreier Räume entnehmen kann, da beide nach seinen Maßstäben nicht miteinander in Konflikt geraten. Umgekehrt wird nur so erklärbar, weshalb Oebbecke gleichzeitig eine aus Art. 65 S. 2 GG abgeleitete, umfassende ministerielle Leitungsbefugnis behaupten kann431, die der Errichtung ministerialfreier Räume grundsätzlich entgegenstehe432. Dazu schreibt er ausdrücklich, daß die Leitung Räume, 67 ff.) und „parlamentarischer Verantwortlichkeit“, wozu er auch die Sachlegitimation zählt, a. a. O., 95 ff. Kritisch dazu auch Brosius-Gersdorf, Bundesbank und Demokratieprinzip, 113 f. 424 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 104. 425 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 105–122. 426 Der Umfang der Verantwortung läßt sich nur aus den Einflußmöglichkeiten des Verantwortlichen selbst, nicht aber aus den Mitteln ihrer Geltendmachung durch den Verantwortungsgläubiger bestimmen. Zu den Modalitäten der Verantwortlichkeit 1. Kap., III. 2. a) dd). 427 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 123. Dabei geht es um die trotz Weisungsfreiheit noch verbliebenen Einflußmöglichkeiten, die eine Verantwortungszurechnung gewährleisten. Nicht zu verwechseln ist damit, daß die Unabhängigkeit das Verantwortlichkeitsverhältnis nicht berührt. 428 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 103, 123; Achterberg, Parlamentsrecht, 438. 429 Ebenso Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 40 ff. 430 Auch diese Unterscheidung und die unrichtig wirkende Verhältnisbestimmung ist Folge der Argumentation Oebbeckes, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 95 ff., 122 ff. 431 Unzutreffend ist die Einschätzung von Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 41, Oebbecke treffe damit eine inhaltliche Bestimmung des Demokratie-

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nur durch das Weisungsrecht sichergestellt werden könne433. Wenn aber die Leitungsbefugnis über die demokratisch geforderte Verantwortlichkeit bzw. Kontrolle hinausgeht, liegt darin ein Widerspruch, der nur durch geringere demokratische Anforderungen aufgelöst werden kann. Der Argumentation Oebbeckes kann insgesamt nicht gefolgt werden. Die Lückenlosigkeit der Ministerialverwaltung sub specie Ministerverantwortlichkeit wird zum anderem mit dem Hinweis bestritten, daß der Umfang der Geschäftsbereiche nicht der Gesamtheit der Exekutivtätigkeit entspräche434. Wenn diesen aber sowohl exekutivfremde Bereiche unterstellt seien, wie umgekehrt bestimmte Verwaltungstätigkeiten ressortfrei bleiben, könne von einem umfassenden, die Verantwortung vermittelnden Geltungsanspruch nicht die Rede sein. Der Legitimationszusammenhang ließe sich folglich schon dadurch umgehen, daß eine Verwaltungstätigkeit nicht nur weisungsfrei, sondern außerhalb des Ministerialsystems angesiedelt werde. Daran ist jedenfalls richtig, daß in diesem Fall kein ministerielles Verantwortlichkeitsgebot besteht. Es wurde aber schon im Zusammenhang mit denjenigen obersten Bundesbehörden, die keine Ministerien sind, darauf hingewiesen, daß eine Exemtion nur als verfassungsrechtlicher Ausnahmetatbestand in Frage kommt435. Der von der Verantwortung getragene Legitimationszusammenhang wird insoweit durch den Geltungsanspruch des Ministerialsystems abgesichert. Differenzierter ist die Argumentation Füßleins, wonach die Ableitung des Umfangs der Regierungsbefugnisse aus dem Demokratieprinzip die Regierung auf eine Vermittlungsfunktion des Parlamentseinflusses auf die Verwaltung reduziere436. Diese stehe dem Parlament als Verfassungsorgan aber gleichrangig und mit eigenen Rechten gegenüber. Folglich dürfe der Umfang des ministeriellen Weisungsrechts nicht beim Parlament, sondern nur bei den Befugnissen der Regierung gesucht werden. An der Eigenständigkeit der Regierung ist nicht zu zweifeln. Sie ist kein Organ minderen Rechts und ebensowenig ein Parlamentsausschuß. Jedoch erwähnt Füßlein im gleichen Zusammenhang das Verhältnis der Legitimation des Parlaments gegenüber der Regierung437. Diese ist zwar nicht, wie er schreibt, quantitativ als größer oder geringer, sondern nur qualitaprinzips. Vielmehr sieht dieser in der Leitungsbefugnis ein eigenständiges Recht von Verfassungsrang. 432 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 24 ff., 139. Sein Eingeständnis, a. a. O., 38, daß es dabei unumgänglich erscheine, von der Zuständigkeit auf die Leitungsbefugnis zu schließen, wirft dabei die Frage auf, weshalb dies nicht in gleichem Maße für die Verantwortung möglich ist. 433 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 38. 434 Fichtmüller, AöR 91, 297, 320 f. 435 Siehe dazu 3. Kap., II. 5. c) cc). 436 Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 311 ff. 437 Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 313.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

tiv als direkt oder indirekt zu bemessen. Unbewußt spricht er damit aber den in demokratischer Sicht funktionellen Vorrang des Parlaments an, mit dem eine Gleichrangigkeit der Regierung prinzipiell unvereinbar ist438. Wer hier Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG anführt, wird konsequenterweise auch die parlamentarische Verantwortung der Minister leugnen müssen, was jedoch im Widerspruch zu Art. 65 GG steht, um dessen Inhalt die Diskussion ja geführt wird. Richtigerweise wird man die demokratische Legitimation als eine verfassungsmäßige Gestaltung der Gewaltenteilung zu betrachten haben, die ihre Grenze am Funktionsvorbehalt der Gewalten findet. Die Eigenständigkeit der Regierung beruht in diesem Punkt auf der Verbindlichkeit des Ministerialsystems und wird durch die besondere Ausformung der parlamentarischen Kontrolle auch anerkannt439. 2. Einwand zum Umfang der demokratischen Legitimation An dem vorausgesetzten Verantwortungszusammenhang ist daher nicht zu zweifeln. Von Belang ist hier jedoch, daß sich nicht nur der Vorgang, sondern auch das Maß der Legitimation durch parlamentarische Kontrolle begründen lassen muß. Ein Legitimationsdefizit kommt überhaupt nur in Betracht, wenn der parlamentarische Legitimationszusammenhang nicht nur für alle ministerialfreien Räume, sondern auch für deren Handeln ausnahmslos Geltung beansprucht. Es geht dabei zunächst weniger um die Frage nach der Lückenlosigkeit des Demokratieprinzips, sondern um den Aspekt seiner Reichweite. a) Wortlautdeutungen von Art. 20 Abs. 2 GG Ein Einwand grundsätzlicher Art richtet sich gegen das bisher vorausgesetzte Verständnis von Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG. In ihm komme nur eine Grundentscheidung für die Demokratie zum Ausdruck, deren Mindestgehalt die jedenfalls mittelbare demokratische Legitimation derjenigen Organe sei, die Staatsgewalt ausüben. Es könne jedoch nicht gefolgert werden, daß auch alle Staatstätigkeit jederzeit der Beeinflussung durch das Volk zu unterliegen habe440. Dies richte sich nach besonderen Verfassungsregelungen. Weil sich die parlamentarische Kontrolle gerade auf die Ausübung von Staatsgewalt bezieht, können nach dieser Ansicht aus Art. 20 Abs. 2 GG keine Anhaltspunkte für die Frage der demokratischen Sachlegitimation gewonnen werden. Dies scheint nicht nur für den Umfang, sondern überdies auch für die Existenz der parlamentarischen

438

Vgl. BVerfGE 33, 125, 159; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 176. Vgl. 1. Kap., IV. 1. 440 Fichtmüller, AöR 91, 297, 318 f.; Müller, JuS 1985, 497, 503; ähnlich Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 307. 439

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Kontrolle zu gelten. Statt dessen sei auf die Organisationsbestimmungen abzustellen, die das Grundgesetz im einzelnen bereithalte. Dagegen spricht zunächst die Formulierung, wonach alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG enthält folglich mehr als nur den Grundsatz der Volkssouveränität, denn das „alle“ ist zugleich eine auf das Maximum angelegte Konkretisierung oder – wie Herzog es nennt – eine Vollregelung441. Offen bleibt dabei immerhin, ob sich diese nur auf die Trägerschaft oder auch auf die Ausübung der Staatsgewalt bezieht, wenngleich bereits der Maximalbezug einschränkende Differenzierungen begründungsbedürftig macht. Die zuvor zitierten Auffassungen leiten ihr Verständnis von Staatsgewalt aus Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG ab. Fragt man nämlich nach dem Mittel, wie die Staatsgewalt vom Volk konkret ausgeht, dann ist damit neben den Abstimmungen insbesondere die Wahl des Parlaments gemeint. Daraus könnte man schlußfolgern, demokratische Legitimation werde hauptsächlich personell getragen. Der Ableitung der Staatsgewalt vom Volk würde dies als conditio sine qua non genügen. Diese Auslegung ist bei genauerer Betrachtung jedoch nicht nachvollziehbar. Tatsächlich wird der Begriff der Staatsgewalt sogar eher mit der Ausübung denn mit den dazu Berufenen assoziiert. Diesem Verständnis folgt auch Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG: Sie, i. e. alle Staatsgewalt, wird von besonderen Organen der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Die Auslegung wäre inkonsistent, Satz 1 auf die Trägerschaft zu beschränken, obwohl Satz 2 von Ausübung spricht und auf Satz 1 Bezug nimmt. Für eine Reduktion demokratischer Legitimation auf die Träger der Herrschaftsbefugnisse gibt Art. 20 Abs. 2 GG also nichts her442. Davon ist der Einwand Emdes zu unterscheiden, dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG könne jedenfalls nicht entnommen werden, daß zugleich „der Inhalt jeder staatlichen Entscheidung auf den Willensakt eines parlamentarisch verantwortlichen Organs zurückführbar sein muß“443. Dabei stellt sich aber die Frage, wie „jede staatliche Entscheidung“ qualitativ noch über „alle Staatsgewalt“ hinausgehen soll, wenngleich richtig ist, daß die Konkretisierung des Ableitungszusammenhangs anderen Verfassungsnormen vorbehalten ist. Vollends im Bereich der freien Rechtsschöpfung findet man sich allerdings, wenn Emde aus Art. 20 Abs. 2 GG die Forderung nach einem Mindestmaß an materieller Legitimation deduziert444. Die anerkannten Auslegungsmethoden geben dafür nichts her.

441 Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20, II, Rn. 33. Gegen eine Verkürzung von Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG auf den Grundsatz der Volkssouveränität auch BVerfGE 83, 37, 50. 442 So im Grundsatz Emde, Demokratische Legitimation, 42. 443 Emde, Demokratische Legitimation, 329. 444 Emde, Demokratische Legitimation, 329 f.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

b) Politische Tragweite Unter den von der Rechtsprechung hervorgebrachten Modellen zur Ministerialfreiheit ist die Entscheidung zum Bremischen Personalvertretungsgesetz die bekannteste445. Es ging um die beim Senat der Freien Hansestadt Bremen und bei den Stadtverwaltungen Bremen und Bremerhaven gebildeten Einigungsstellen, die für personelle Angelegenheiten ein abschließendes Entscheidungsrecht haben sollten, mithin ministerialfrei waren. Die erste wesentliche Erkenntnis des Urteils liegt in der Bestätigung der Verantwortlichkeitsstruktur als Bedingung der demokratischen und rechtsstaatlichen Herrschaftsordnung des Grundgesetzes446. Wegen der Bindung der Entscheidung an Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG tritt dieser prinzipienhafte Inhalt besonders deutlich hervor447. Daraus – zweite Erkenntnis – sei aber nicht die Unzulässigkeit ministerialfreier, also eigenverantwortlicher Räume zu folgern, solange es sich nicht um die Wahrnehmung von Aufgaben mit politischer Tragweite handle. Jedenfalls diese dürften der Regierungsverantwortung nicht entzogen werden448. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht hier nur unter der Fragestellung argumentiert hat, wann ministerialfreie Räume unzulässig sind, kann im Umkehrschluß unterstellt werden, daß sie nicht schlechthin unzulässig sind. Ob neben die fehlende politische Tragweite ihrer Aufgaben noch weitere Anforderungen treten, bleibt hingegen offen449. Der Entscheidungsgehalt ist darum im Hinblick auf die Zulässigkeit ministerialfreier Räume gering. Zudem bestehen schwerwiegende Bedenken: Das Bundesverfassungsgericht durchbricht mit seiner Differenzierung anhand der politischen Tragweite sein zuvor aufgestelltes Prinzip von der Regierungsverantwortung, ohne dafür eine dogmatische Erklärung zu liefern450. Der erste Gedanke könnte daher auf eine Abschichtung auf der Ebene der Staatsgewalt zielen451, daß also für Entscheidungen ohne politische Tragweite kein Legitimationserfordernis bestehe. Dagegen richten sich jedoch nicht nur die schon gegen den Bagatellvorbehalt maßgeblichen Einwände452, sondern auch die Argumenta-

445 BVerfGE 9, 268 ff., im Anschluß daran BVerfGE 12, 311, 318; 22, 106, 113; 83, 130, 150. 446 BVerfGE 9, 268, 281, bestätigt insoweit durch BVerfGE 93, 37, 67. 447 Unklar dagegen Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 61. 448 BVerfGE 9, 268, 282. In BVerfGE 22, 106, 113 ist statt dessen von politischem Gewicht bzw. von politischer Gestaltung die Rede. BVerfGE 93, 37, 74 spricht von Entscheidungen „von einiger Tragweite“. 449 Unzutreffend ist daher die verbreitete Ableitung, ministerialfreie Räume seien außerhalb der politischen Tragweite als zulässig zu erachten. Beispielhaft Rodegra, Aufsichtsfreie Verwaltung, 169; Paulweber, Regulierungszuständigkeit, 109. 450 Seebode, DVBl. 1968, 177; E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 146. 451 Davon geht offenbar Mehde, Neues Steuerungsmodell, 171 f., aus. 452 Siehe dafür 2. Kap., V. a. E.

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tion des Bundesverfassungsgerichts zur Verortung der Einigungsstellen sowie zur Verantwortlichkeit453. Schlüssig wird die Argumentation erst, wenn man das Demokratieprinzip nicht als streng durchgeführt sieht, so daß auch Verantwortungszurechnung nur im Prinzip, nicht aber in jedem Einzelfall bestehen muß. Dann kann es nur um die Abgrenzung dieses Bereichs gehen454. Eine solche Bestimmung findet jedoch keinen Rückhalt in Art. 20 Abs. 2 GG und auch hier läßt die eigene Argumentation des Bundesverfassungsgerichts zur Verantwortlichkeit der Regierung eine Abschichtung als willkürlich erscheinen. Weil Art. 20 Abs. 2 GG aber selbst nicht zwischen der Aufgabenqualität unterscheidet, verbleibt ein demokratisches Defizit, das einen – freilich nicht existierenden – Gesetzesvorbehalt455 oder eine besondere Rechtfertigung erforderlich macht. Insoweit ist es nur folgerichtig, wenn verschiedene Erklärungsmodelle zur Ministerialfreiheit die Figur der politischen Tragweite nicht als Begründung, sondern als Grenze aufnehmen456. Neben den gesondert zu untersuchenden Rechtfertigungsgründen ist diesen wie auch dem Bundesverfassungsgericht jedoch die Unbestimmtheit der „politischen Tragweite“ als Abgrenzungskriterium vorzuhalten457, was durch den Hinweis, dies lasse „sich nur von Fall zu Fall beurteilen“458 nicht entkräftet wird. Die Bedeutung der „politischen Tragweite“ mag sich auch daran messen lassen, ob sie als Kriterium in der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch eine Rolle spielt. In der der Fallgestaltung nach vergleichbaren Entscheidung zum schleswig-holsteinischen Mitbestimmungsgesetz entwikkelte das Gericht anhand des Legitimationsniveaus weitgehende Vorstellungen zu den demokratischen Anforderungen459. Dazu gehört als sogenannte Verantwortungsgrenze, daß bei Entscheidungen von Bedeutung für die Erfüllung des 453 BVerfGE 9, 268, 280 f. Zum Unterschied zwischen „politischer Tragweite“ und Staatsgewalt Jestaedt, Kondominialverwaltung, 229, 251 f. 454 So auch Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 20. 455 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 63. 456 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 213 f.; Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 417; Emde, Demokratische Legitimation, 380; ähnlich Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 123, der die Grenze bei den „politischen Grundentscheidungen“ des Parlaments sieht. 457 Bachof, JZ 1962, 350, 355; Seebode, DVBl. 1968, 177; Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 325 f.; E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 145 f.; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 62; Emde, Demokratische Legitimation, 379; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 21; Mayen, DÖV 2004, 45, 48. 458 BVerfGE 9, 268, 282. Was dies bedeuten kann, demonstriert BVerwGE 41, 334, 356 f.: Obwohl die Bundesbank Entscheidungen von erheblichem politischen Gewicht treffe, sei das Kriterium der politischen Tragweite mangels Vergleichbarkeit der Fallgestaltung nicht entscheidend. 459 BVerfGE 93, 37 ff.; kritisch dazu Battis/Kersten, DÖV 1996, 584 ff.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

Amtsauftrages (lies: Entscheidungen, die für die Erfüllung des Amtsauftrages von Bedeutung sind) das Letztentscheidungsrecht eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers gesichert sein muß460. Der Verantwortungszusammenhang zwischen Volk und Verwaltungshandeln wird ausdrücklich bestätigt. Kurz darauf heißt es ohne Bezugnahme auf BVerfGE 9, 268 ff., „daß keine Entscheidung, die für die Sachverantwortung der Regierung gegenüber dem Parlament und Volk von einiger Tragweite ist, aus dieser Sachverantwortung herausgenommen“ werden darf461. Unklar ist, warum das Bundesverfassungsgericht andererseits auf Ausnahmen „bei Aufgaben mit besonders geringem Entscheidungsgehalt (vgl. BVerfGE 83, 60 [74] unter Bezugnahme auf BVerfGE 47, 253 [274 f.])“ hinweist. Damit stehen Ausnahmen auf der Ebene der Legitimation solchen auf der Ebene der Staatsgewalt gegenüber462, so daß der Verdacht entsteht, es handle sich um Versatzstücke, die die neuere Linie des Legitimationsniveaus lediglich arrondieren. Die politische Tragweite ist darin zwar als Abgrenzungskriterium erfaßt, spielt aber für die tatsächliche Grenzziehung begrifflich keine Rolle mehr463. Einen ähnlichen Ansatz der Verkürzung des Demokratieprinzips verfolgt Fichtmüller. Aus seiner Eingangsthese, daß sich Demokratie wesensmäßig auf politisch bedeutsame Entscheidungen bezieht, leitet er den Anwendungsbereich der parlamentarischen Kontrolle ab464. Eine Ausschaltung des Parlaments aus dem politischen Willensbildungsprozeß sei darum unstatthaft. Im Umkehrschluß folgert er daraus aber auch, daß staatliches Handeln außerhalb der politischen Entscheidungen keiner parlamentarischen Kontrolle bedürfe. Dazu zählt er insbesondere Verwaltungsbereiche, die auf interne Kontrolle gerichtet sind, deren Aufgabenwahrnehmung streng gesetzesgebunden oder sachbezogen ist und solche, die besonderen Sachverstand und Fachwissen voraussetzen. Ihnen sei gemeinsam, daß das Verwaltungshandeln neben der Gesetzesbindung „nur durch die Gebote der Sachgerechtigkeit bestimmt“ werde, so daß „für eine politisch bestimmte Einflußnahme kein Raum“ sei465. Damit entfalle aber der wesentliche Anwendungsbereich des Demokratieprinzips. An seine Stelle trete das Rechtsstaatsprinzip. Die Ähnlichkeit mit der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts ist deutlich. Wurde dort die politische Tragweite ins Feld geführt, soll es hier um die politische Natur der Entscheidungen gehen. Aber auch gegen Fichtmüller ist einzuwenden, daß das in Art. 20 Abs. 2 GG niedergelegte Demokratieprinzip diese Unterscheidung nicht vorsieht. Die Betrachtung der 460

BVerfGE 93, 37, 70. BVerfGE 93, 37, 74. 462 Vgl. dazu 2. Kap., V. Fn. 275. 463 Ebenso Mehde, Neues Steuerungsmodell, 172. Demgegenüber werden Entscheidungsgehalt bzw. Entscheidungsintensität zum Kriterium des Legitimationsniveaus. 464 Fichtmüller, AöR 91, 297, 345. 465 Fichtmüller, AöR 91, 297, 344. 461

V. Verstoß gegen das Demokratieprinzip

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parlamentarischen Kontrolle machte außerdem deutlich, daß sie nicht nur als Sach-, sondern auch als Rechtskontrolle Legitimationsfunktion hat. Es gibt damit kein Verwaltungshandeln, das sich allein von seinem Inhalt her legitimiert. 3. Alternative Formen der demokratischen Legitimation Von der Absenkung der demokratischen Anforderungen zu unterscheiden sind diejenigen Ansätze, die nicht den erforderlichen Umfang der Legitimation bestreiten, wohl aber bei der Art ihrer Vermittlung zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Soweit diese alternativen Formen legitimationstauglich sind, handelt es sich um Kompensation. Die legitimationsbezogene Kompensation setzt ein aus der Ministerialfreiheit herrührendes Legitimationsdefizit voraus und ist damit von der Kompensation des Weisungsrechts durch andere Steuerungsinstrumente zu unterscheiden466. a) Legitimationsniveau aa) Begriffsbestimmung An erster Stelle soll hier das Legitimationsniveau aufgegriffen werden, weil sich die damit verbundenen Vorstellungen gewissermaßen auf der Schwelle zwischen Umfang und Form der Legitimation bewegen. Im Ausgangspunkt wird mit dieser weit verbreiteten Terminologie die demokratische Legitimation der Feststellung des sogenannten Legitimationsniveaus untergeordnet. Eine Abweichung von dem bereits skizzierten Legitimationsmodell soll danach noch kein Urteil über ein Legitimationsdefizit im Einzelfall begründen. Dazu sind im Grundsatz zwei Konzepte zu unterscheiden: (1) Bei Jestaedt wird das einheitlich gedachte Legitimationsmodell bereichsspezifisch aufgelöst467. Was erforderlich ist, damit „alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht“, werde erst durch Staatsorganisationsbestimmungen konkretisiert. Auf diese Weise könne zunächst jeder Hauptstaatsgewalt ein eigenes Legitimationsniveau zugeordnet werden, das für die jeweilige Verwirklichung der Volkssouveränität stehe. Das gleiche habe aber auch für zusätzliche verfassungsrangige Modifikationen zu gelten, die wiederum von weiteren Rechtfertigungstatbeständen zu Legitimationsdefiziten zu unterscheiden seien. In diesem Modell dient das Legitimationsniveau zur Bestimmung der demokratischen Anforderungen. Das Fehlen von parlamentarischer Kontrolle führt daher nicht zu einem Legitimationsdefizit, solange das jeweils gebotene Legitimationsniveau diese gar nicht vorsieht. 466 467

Vgl. insoweit 3. Kap., II. 3. a). Jestaedt, Kondominialverwaltung, 291, 296 ff., 364.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

(2) Zumeist verbindet sich mit dem Legitimationsniveau aber eine andere, von der zuvor genannten gänzlich unterschiedliche Vorstellung. Darin werden die einzelnen Legitimationsstränge zu „Legitimationsbausteinen“, die sich in ihrer Zusammensetzung variieren lassen468. Während dies im Grundsatz für Gesetzmäßigkeit einerseits und rein parlamentarisch-politische Kontrolle andererseits einleuchtet469, wird nun auf die Möglichkeit hingewiesen, bei Fortfall der Weisungsbindung könne die inhaltliche Legitimation auch durch eine organisatorisch-personelle Legitimation aufgefangen werden. Erst in der Zusammenschau werde das entscheidende Legitimationsniveau gebildet470. Das Meinungsspektrum reicht hier von einer nur teilweisen bis zur vollständigen Substituierbarkeit471. Ungeachtet dieser Einzelheiten geht es darum, daß das gebotene Legitimationsniveau auf unterschiedliche Art und Weise vermittelt werden kann. Es ist insoweit kompensatorisch. Hervorgehobene Bedeutung hat hierbei Böckenförde als spiritus rector dieser Lehre, zu dessen Ansicht folgende Entwicklung nachgezeichnet werden kann: Während er 1974 für die Unabhängigkeit der Richterwahlausschüsse noch davon ausging, die „Außerachtlassung des inhaltlichen Weges der demokratischen Legitimation“ sei „dann verfassungsrechtlich vertretbar, wenn der organisatorisch-personelle Weg der demokratischen Legitimation dafür in vollem Umfang zur Geltung gebracht“ werde472, ist er davon später abgerückt und hält nur eine teilweise Substituierung für zulässig, „solange dadurch die von Art. 20 Abs. 2 GG geforderte Effektivität demokratischer Legitimation (das Legitimationsniveau) nicht in Frage gestellt wird“473. Das Legitimationsniveau soll demnach das verfassungsrechtlich gebotene Maß der Effektivität demokratischer Legitimation sein, die aus dem Zusammenwirken von institutionell-funktioneller, personeller und sachlicher Legitimation folge. Oder kurz: „In diesem Wirksamkeitsgebot finden alle einzelnen Legitimationsformen ihren gemeinsamen Bezug“474. Bezugspunkt der Effektivität bleiben die legitimationsbedürftigen Akte 468

Emde, Demokratische Legitimation, 328, 385; Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673,

675. 469

Battis/Kersten, DÖV 1996, 594, 595. BVerfGE 83, 60, 72; 93, 37, 66 f.; 107, 59, 87. 471 Einschränkend: Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 367 f. Emde, Demokratische Legitimation, 331; unbegrenzt: Kahl, Staatsaufsicht, 481; Jestaedt, Kondominialverwaltung, 283 f.; Brosius-Gersdorf, Bundesbank und Demokratieprinzip, 66 f., 126; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, 173. 472 Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, 86, wobei auch damals schon ein gewisser Widerspruch zu der zuvor, a. a. O., 80, getroffenen Feststellung zu konstatieren ist, wonach die ausschließlich organisatorisch-personelle Legitimation „prekär“ sei. Als Mittel, die organisatorische Legitimation in vollem Umfang zur Geltung zu bringen, betrachtet er im Hinblick auf die Richterwahlausschüsse die jederzeitige Abberufungsmöglichkeit seiner Mitglieder durch das Parlament, 85. 473 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 23. 470

V. Verstoß gegen das Demokratieprinzip

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der Staatsgewalt. Diese Anforderungen werden mit dem Entscheidungsgehalt bzw. der Entscheidungsintensität allerdings ins Verhältnis gesetzt, so daß sich das Legitimationsniveau nach den jeweiligen Gegebenheiten bestimmt475. Die Argumentation nimmt damit gewissermaßen den Gedanken der politischen Tragweite wieder auf476. Bereits hier läßt sich die Deutungsvielfalt des Legitimationsniveaus erahnen. Im Vordergrund steht, daß unter dem Bild von „Legitimationsbausteinen“ die umfassende Geltung des Legitimationsmodells in Frage gestellt wird. Dabei kann die materiell wirkende Effektivität gegenüber einer eher schematischen Legitimation scheinbar die höhere demokratische Dignität beanspruchen477. Teilweise wird der Begriff aber auch bewußt oder unbewußt auf das hergebrachte Legitimationsmodell übertragen. Die variable Handhabung der demokratischen Legitimation beschränkt sich dann auf die anerkannte Substituierung von gesetz- und kontrollmäßiger Legitimation478 bzw. die Sonderfälle eingreifender Rechtfertigungsgründe479. Die weitere Behandlung des Legitimationsniveaus muß diese Unterscheidung wegen der verschiedenen Folgen für das Demokratieprinzip berücksichtigen. bb) Das Legitimationsniveau in der Rechtsprechung Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Begriffe des Legitimationsniveaus und der Effektivität erstmalig in der Entscheidung zum Ham474

Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 366. Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 367. Anschauliches Beispiel dafür ist ein Vorlagebeschluß in BVerwGE 106, 64, 82: Während bei den Wasserverbänden, die überragende Gemeinwohlbelange wahrnehmen, eine Substituierung des personellen Legitimationsdefizits durch die nur global-handlungssteuernden Regelungen (sachlich-inhaltliche Legitimation) ausscheide, sei dies „bei einer Selbstverwaltungskörperschaft, deren Aufgaben, Organisation und Befugnisse sich auf die eigenen Angelegenheiten der in dieser Organisationsform zusammengefaßten Rechtssubjekte beschränken“, denkbar. Bedenklich ist dies schon deshalb, weil hier beide Legitimationssäulen defizitär sind. 476 Nicht damit zu verwechseln ist das von Tettinger, Mitbestimmung in der Sparkasse, 31 ff., für die personelle Legitimation entwickelte Modell der abgestuften Stringenz. Auch er macht das Gebot demokratischer Legitimation von der wahrgenommenen Aufgabe abhängig, differenziert jedoch auf der Ebene der Staatsgewalt, so daß er in Anlehnung an den sog. Bagatellvorbehalt bereits die Geltungsvoraussetzungen des Demokratieprinzips einschränkt, a. a. O., 33 f., 35. Ihm folgend Fett, Öffentlich-rechtliche Anstalten, 121, ablehnend VerfGH NW OVGE 39, 292, 295; Brosius-Gersdorf, Bundesbank und Demokratieprinzip, 38. 477 Dies kritisch hinterfragend Bull, in: Greven, Festschrift Bermbach, 241, 250. 478 Neuigkeitswert hat diese Erkenntnis nicht, weil sie bereits Teil des Legitimationsmodells ist. Undifferenziert insofern Mayen, DÖV 2004, 45, 48. 479 Letzteres am Beispiel von BVerfGE 93, 37, 66 ff.; RhPfVerfGH NVwZ-RR 1994, 666, 668. In diesem Sinne auch Jestaedt, Der Staat 32, 29, 53 f. 475

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

burger Ausländerwahlrecht aufgegriffen480. Weil den konkreten Ausführungen über die Legitimation der Bezirksversammlungen die Vorstellung des Legitimationsniveaus vorangestellt ist, können diese nur als Teil seiner Konkretisierung begriffen werden. Dabei prüft das Bundesverfassungsgericht, unter welchen Umständen einzelne Legitimationselemente bei Wahrung des Legitimationsniveaus verzichtbar sind. Möglich sei dies bei einem besonders geringen Entscheidungsgehalt, wofür zwei Fallgestaltungen in Betracht kämen: Entweder müsse es sich um gesetzlich weitgehend determinierte Entscheidungen handeln, so daß zur Ausübung der Staatsgewalt nur noch ein geringer eigener Beitrag der handelnden Behörde erforderlich sei481. Oder der zuständige Entscheidungsträger müsse umfassenden Ingerenzrechten, also Evokations- oder Letztentscheidungsrechten, eines übergeordneten Organs unterliegen, so daß die Ausübung der Staatsgewalt jederzeit in Frage gestellt werden könne482. Begrifflich lehnt sich das Bundesverfassungsgericht an das kompensatorische Legitimationskonzept an. Bei näherer Betrachtung wird aber deutlich, daß die hier unter den Vorzeichen des Legitimationsniveaus benannten Kriterien nur begrenzt aussagefähig sind: Der Fall der gesetzlich vorstrukturierten Verwaltungsentscheidung wird praktisch nicht ausgeführt, so daß auch keine Vorhersage möglich ist, ob zu den verzichtbaren Legitimationselementen auch die personelle Legitimation oder nur die dann ohnehin sehr beschränkte politische Kontrolle gehören soll483. Hinsichtlich der Alternative der Ingerenzrechte stellt das Bundesverfassungsgericht hohe Anforderungen484: Danach wäre ein Letztentscheidungsrecht erforderlich, das dem Senat als übergeordnetem Organ die Möglichkeit einräumt, „seine Vorstellungen von der Zweckmäßigkeit einer Ver480 BVerfGE 83, 60, 72, bestätigt durch BVerfGE 89, 155, 182; 91, 228, 244; 93, 37, 67; 107, 59, 87. Bemerkenswert ist, daß der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts nur kurze Zeit später (BVerfGE 83, 130, 150) zur demokratischen Legitimation der Bundesprüfstelle allein mit dem Argument der politischen Tragweite argumentierte. Ingesamt wurde dieser Frage offenkundig keine hervorgehobene Bedeutung beigemessen. 481 BVerfGE 83, 60, 74, 77–79. 482 BVerfGE 83, 60, 74, 79 f. Insoweit gibt das Bundesverfassungsgericht eine Kontinuität zu BVerfGE 47, 253, 274 f. vor. Tatsächlich enthält diese Entscheidung zwei Ansätze zur Bewältigung des Legitimationsproblems: Einerseits die als Bagatellvorbehalt bekannte Verneinung der Staatsgewalt bei unwichtigen Aufgaben. Zum anderen die hier schon genannten Ingerenzrechte, wobei nicht eindeutig ist, ob damit ebenfalls die Frage der Staatsgewalt oder eher die der Legitimationsanforderungen berührt wird. Nunmehr nimmt BVerfGE 83, 60, 74 nur auf diesen zweiten Ansatz Bezug und ordnet ihn der Ebene des Legitimationsniveaus zu. Zur Entwicklung dieser Rechtsprechung auch Jestaedt, Der Staat 32, 29, 34 f., 51 f. 483 Dies bleibt auch in BVerfGE 93, 37, 72 offen. Weil zu vermuten ist, daß das Bundesverfassungsgericht die Rechtskontrolle funktional von der Weisungsfreiheit ausnimmt, liegt in Bezug auf die politische Kontrolle praktisch kein Legitimationsdefizit vor. 484 BVerfGE 83, 60, 79 ff.

V. Verstoß gegen das Demokratieprinzip

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waltungsmaßnahme an die Stelle einer (. . .) Beschlußfassung der Bezirksversammlung zu setzen“. Alternativ müßte das Evokationsrecht sowohl nach Umfang wie auch Realisierbarkeit dem Senat eine so nachhaltige Steuerung erlauben, „daß der Beschlußtätigkeit der Bezirksversammlung keine eigenständige Bedeutung mehr zukäme“. Man könnte dies für einen Ausgleich des fehlenden Weisungsrechts des Senats gegenüber den Bezirksversammlungen halten485. In Hinblick auf die demokratische Legitimation liegt das Problem indessen nicht beim Weisungsrecht, weil die Bezirksversammlung für ihre Aufgaben eine vom Senat verschiedene Legitimationsquelle besitzt. Ein Weisungsrecht des Senats ist in diesem Bereich grundsätzlich nicht erforderlich. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderten Ingerenzrechte betreffen vielmehr das Legitimationsdefizit, das in der Zusammensetzung des Legitimationssubjekts (Ausländerwahlrecht) begründet liegt. Im Ergebnis laufen sie darauf hinaus, die Entscheidungen an ein anderes Legitimationssubjekt (Landesvolk/Bürgerschaft/Senat) anzubinden. Entscheidungen der Bezirksversammlung hätten lediglich den Rang von Vorschlägen und die Nichtausübung der Ingerenzrechte wäre als stillschweigende Genehmigung zu verstehen. Das Legitimationsniveau soll folglich durch die weitgehende Ausschaltung des gesamten defizitären Legitimationszusammenhangs erreicht werden. Das ist freilich etwas ganz anderes als ein Ausgleich der einzelnen Legitimationselemente untereinander, so daß sich das Legitimationsniveau hier bei Lichte betrachtet anhand des klassischen Legitimationsmodells verwirklichen soll. Zu keinem anderen Ergebnis kommt die spätere Entscheidung zum schleswig-holsteinischen Mitbestimmungsgesetz486. Auch hier werden Legitimationsniveau und Effektivität in den einleitenden Grundsätzen als Zentralbegriffe demokratischer Legitimation wiederholt. Weil sie aber im weiteren Verlauf nicht mehr genannt werden, kann über ihre Verwendung nur spekuliert werden. Dies ist um so bedauerlicher, als diese Entscheidung weitreichende Einschränkungen des Demokratieprinzips enthält, was eine Verhältnisbestimmung zum Legitimationsniveau wünschenswert gemacht hätte. Folgt man der naheliegenden Interpretation487, das Bundesverfassungsgericht ordne jedem der drei mitbestimmungsrelevanten Bereiche ein eigenes Legitimationsniveau zu, dessen optimale Verwirklichung anhand der erforderlichen Legitimationssäulen vorgegeben werde, so ist seine Aussagekraft abermals gering. Bei genauer Betrachtung kann die Entscheidung nämlich nur unter Einschluß eines verfassungsmächtigen Rechtfertigungsgrundes verstanden werden, der der Grund für die mehr oder weniger weitgehende Verkürzung des Demokratieprinzips ist488. Das Legitima485 486 487 488

Jestaedt, Der Staat 32, 29, 41. BVerfGE 93, 37 ff. Battis/Kersten, DÖV 1996, 584, 586 f. Eingehend dazu 3. Kap., VI. 2. d).

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

tionsniveau bezeichnet dann aber nichts anderes als die jeweils erforderliche demokratische Legitimation, ohne daß ihm ein eigener Aussagewert zukäme. Das muß auch für die scheinbar variable „Kombination einzelner Legitimationsbausteine“ gelten: Ihre an sich gemäß Art. 20 Abs. 2 GG zusammenwirkende Legitimation tritt hier gegenüber den Forderungen der Mitbestimmung etwas zurück, wobei es unerheblich ist, welche Legitimationssäule davon betroffen ist489. Die Rechtsprechung bleibt damit an der umfassenden demokratischen Legitimation im Sinne des Legitimationsmodells orientiert. Das – auch unter Berücksichtigung von Rechtfertigungsgründen – danach bemessene Legitimationserfordernis wird als Legitimationsniveau bezeichnet. cc) Stellungnahme Obwohl die eingangs unterschiedenen Konzepte zum Legitimationsniveau kombinierbar sind und insoweit auch ohne weiteres Verwendung finden, muß die Differenzierung hier aus systematischen Gründen aufrechterhalten werden. Das eine Modell betrifft die Feststellung, wann Volkssouveränität vorliegt, das andere, wie sie hergestellt werden kann. (1) Das Legitimationsniveau als Maß der Volkssouveränität Die Feststellung der zur Verwirklichung von Volkssouveränität erforderlichen demokratischen Legitimation anhand von verfassungsgesetzlichen Staatsorganisationsbestimmungen hat den doppelten Vorteil, das Verhältnis von Demokratieprinzip und Staatsorganisation erklärbar zu machen und offenkundige Abweichungen vom umfassenden Legitimationsmodell nicht als bloß gerechtfertigte Ausnahmen erscheinen zu lassen. Dazu gehören an erster Stelle die Legislative und die Judikative selbst. Ein Demokratiemodell, das hier mit – gerechtfertigten – demokratischen Defiziten hantieren muß, kann nicht richtig sein, weil die Ausnahme an zentraler Stelle zur Regel würde. Die bereichsspezifische Konkretisierung von Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG ist daher eine systematische Weiterentwicklung des ursprünglichen Legitimationsmodells. Ob sie genügt, bedarf der kritischen Bewertung. Die unterschiedlichen Legitimationsniveaus begründet Jestaedt mit den staatsorganisatorischen Vorgaben der Verfassung. Sie beruhen demnach auf reiner Dezision, ohne daß ein sachlicher Grund dafür hinterfragt oder geboten wird. Daß Jestaedt zusätzlich auf die besonders hohe personelle Legitimation des Parla489 Dies gilt beispielsweise in der zweiten Fallgruppe der Mitbestimmung, für die das Bundesverfassungsgericht ein Letztentscheidungsrecht eines in parlamentarischer Verantwortung stehenden Amtsträgers oder eine weisungsfreie, aber nach dem Prinzip der doppelten Mehrheit getroffene Entscheidung zur Auswahl stellt.

V. Verstoß gegen das Demokratieprinzip

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ments verweist oder die strikte Gesetzesbindung der Rechtsprechung ins Feld führt, ist dabei eine Hinwendung zum kompensatorischen Legitimationsniveau. Dies erscheint als unverarbeiteter Fremdkörper, dessen Bedeutung für sein Ergebnis überdies offen bleibt. Das Fehlen einer Begründung kommt an drei Stellen zum Tragen: Erstens sei der Verfassungstext für das Organisationsmodell der Exekutive lückenhaft, so daß es einer systematisierenden Rekonstruktion des Gesamtbildes bedürfe490. Die dazu genannten Staatsstrukturbestimmungen führen jedoch lediglich zu dem wechselseitigen Befund, daß das grundgesetzliche Organisationsmodell das Demokratieprinzip bestimmt und seinerseits durch das Demokratieprinzip bestimmt wird. Die Auflösung dieses „scheinbaren Zirkels“ erfolgt unter Bezugnahme auf den Wortlaut von Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG, was immerhin andeutet, daß ein dahinter stehender Gedanke existieren muß, für die konkrete Frage aber keinen Schritt weiter führt. Sodann bestünden neben den verfassungsmäßigen Modifikationen des Legitimationsniveaus auch Rechtfertigungstatbestände für Legitimationsdefizite. Gerade weil dabei ein gradueller Übergang zu beobachten sei491, kommt es auf eine auch inhaltliche Begründung an, warum das Grundgesetz ein besonderes Legitimationsniveau vorsieht. Auch hier erweist sich, daß in der Ausgestaltung des Legitimationsniveaus, die allein auf die Staatsorganisationsbestimmungen abstellt, der Bezug zu Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG verloren geht. Dieser Mangel bestätigt sich schließlich in einem „Restbereich unvermeidlicher, verfassungsrechtlich gewollter sachlich-inhaltlicher Eigenständigkeit der Administrative“, der auf dem Umstand deren uneinholbaren Erkenntnis-, Wertungs-, Entscheidungs- und Umsetzungsleistungen beruhe492. Weil sich diese im Hinblick auf Art. 20 Abs. 2 GG nicht erklären läßt, ist Jestaedt gezwungen, auf die „Ausrichtung an präexistenten Zielvorgaben“ und auf den personell-demokratischen Status der einzelnen Verwaltungsträger zurückzugreifen. Abgesehen davon, daß sich dies nicht zur Kompensation fehlender sachlicher Legitimation eignet, wird hier ersichtlich, daß sein Legitimationskonzept zu einer umfassenden Ausdeutung von Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG nicht in der Lage ist. Die angebotenen Ersatzstücke stehen in keinem Bezug dazu und wirken folglich beliebig. All dies beweist noch nicht, daß die Orientierung an den Staatsorganisationsbestimmungen falsch ist, belegt aber deutlich die Ergänzungsbedürftigkeit des Konzepts. (2) Das kompensatorische Legitimationsniveau Von Bedeutung ist an dieser Stelle auch die Ansicht, die das Legitimationsmodell durch eine auf das Legitimationsniveau gerichtete Legitimations490 491 492

Jestaedt, Kondominialverwaltung, 304. Jestaedt, Kondominialverwaltung, 364. Jestaedt, Kondominialverwaltung, 346.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

kompensation ersetzen will, weil sie zugleich als eigenständige Erklärung ministerialfreier Räume dienen kann. Allerdings fehlen für die Feststellung, ob ministerialfreie Räume trotz Verfehlung des Legitimationsmodells noch das Legitimationsniveau erreichen und damit nicht im Widerspruch zum Demokratieprinzip stehen, greifbare Kriterien493, womit der erste Kritikpunkt schon benannt ist494. Die Kritik reicht jedoch weiter: Die Hinwendung zur Art der Legitimationsvermittlung kann den Mangel einer Aussage darüber, was das Legitimationsniveau ist, nicht verdecken. Dies aber ist die „Kardinalfrage“495. Ob eine Kompensation vorliegt, läßt sich nämlich nur dann beurteilen, wenn das zu erreichende Maß bekannt ist. Unterstellt man demgegenüber, das Maß sei mit Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG bereits hinreichend bestimmt, weil „alle“ nur im Sinne von umfassend bzw. vollständig verstanden werden könne, bleibt letztlich unverständlich, wie einzelne „Legitimationsbausteine“ dann verzichtbar sein sollen. Tatsächlich wird die Beurteilung, wann das Legitimationsniveau unter diesen Umständen erreicht wird, damit dem Betrachter überlassen, so daß das Legitimationsniveau gerade nicht mehr dem Optimierungsgehalt des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG entspricht496. Positiv könnte man sagen, das Legitimationsniveau sei notwendig, um die staatsrechtliche Praxis von der formalen Enge des Legitimationsmodells zu befreien. Damit werde es möglich, den Blick auf die institutionellen Zusammenhänge zu lenken, denen der Vorrang vor individuellen Positionen gebühre497. Daß es sich dabei um eine Relativierung der Legitimationsordnung handelt, illustriert der gleichfalls verwendete und insoweit genauere Begriff der Legitimationsverdünnung498. Ausreichend sei nämlich, daß der Zurechnungszusammenhang zwischen Staatsgewalt und Staatsvolk durch Beteiligung nicht personell legitimierter Personen oder wegen fehlender sachlicher Legitimation nicht zer493 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 23, selbst begnügt sich mit der Feststellung: „Wie weit eine solche Substituierung gehen kann und wo ihre Grenzen liegen, kann hier nicht im einzelnen dargelegt werden.“ Ähnlich Kahl, Staatsaufsicht, 481: „Wie das Legitimationsniveau zu Stande kommt, ist sekundär.“ Einschränkend immerhin Weisel, Privatisierung und Beleihung, 155: „Der Gedanke des Legitimationsniveaus und die damit verbundene Möglichkeit der Kompensation von Legitimationsminderung durch andere Faktoren darf nicht dahingehend interpretiert werden, daß nunmehr alle als positiv empfundenen Änderungen als Legitimationsfaktoren herangezogen werden.“ 494 Kritisch auch Mehde, Neues Steuerungsmodell, 199, und Blanke, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, 32, 45: „derart unpräzise, daß sie jedes Ergebnis tragen.“ 495 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, 168. 496 Tatsächlich räumt Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 23, dem Gesetzgeber und den zuständigen Organen der Exekutive eine Gestaltungsmöglichkeit darüber ein. 497 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 366. 498 Emde, Demokratische Legitimation, 328; RhPfVerfGH NVwZ-RR 1994, 666, 669. Kritisch ebenfalls Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 33, Fn. 39.

V. Verstoß gegen das Demokratieprinzip

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rissen werde. Auch wenn dies in nur begrenztem Umfang gelten soll, sind die Schlußfolgerungen doch falsch. Der Vorstellung von variabel kombinierbaren Legitimationskomponenten liegt ein Fehlverständnis der Legitimationsstruktur und ihrer einzelnen Bedingungen zugrunde. Diese sind keineswegs beliebig, sondern haben im Hinblick auf die Verantwortungszusammenhänge je für sich eine funktionale Bedeutung, die für die Gesamtheit der Legitimation unverzichtbar ist499. Daß diese „nicht etwa beziehungslos und unverbunden, sondern vielmehr – funktional miteinander verzahnt – auf ein und dasselbe Ziel gerichtet“ sind, kommt auch bei den Fürsprechern des Legitimationsniveaus richtig zum Ausdruck500. Die so entstehende Effektivität führt gedanklich zum Legitimationsergebnis. Den Argumentationsbruch bildet aber die Hypothese, das Demokratieprinzip stelle allein auf dieses Ergebnis ab, nicht aber auf die Art und Weise seiner Vermittlung501. Dies ist für den ersten Halbsatz richtig, erlaubt für den zweiten Halbsatz aber nicht, den Vorgang der Legitimation nun umzudrehen. Demokratische Legitimation im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG kann nur Ergebnis sein, nicht aber Ausgangspunkt zur Beurteilung, welche Legitimationselemente im Einzelfall verzichtbar bzw. unverzichtbar sind. Anders formuliert: Demokratische Legitimation läßt sich allein am Input bestimmen, nicht aber am Output, weil dafür ein entsprechender Maßstab fehlt502. Gegenteiligen Auffassungen liegt eine Verwechslung von Legitimation und Legitimität zugrunde503. Das Demokratieprinzip ist insoweit tatsächlich ein reines Formalprinzip. Der bereits erwähnte Zurechnungszusammenhang muß in diesem Sinne verstanden werden. Läßt man hier eine beliebige Form der Zurechnung genügen, wird unterschlagen, daß für den konkreten Einzelfall der Beteiligung eines eigenverantwortlichen Entscheidungsträgers oder einer unabhängigen Entscheidung keine Zurechnung erfolgen kann. Gerade weil die Legitimationselemente funktional zusammenwirken, kann auf die einzelne Funktion ohne Auswirkung auf das Ergebnis nicht verzichtet werden. Der Zurechnungszusammenhang ist dann nämlich ein qualitativ anderer. Ebenso wie von der Bundesrepublik Deutschland nicht als einem nur überwiegend demokratischen Staat die Rede sein soll, darf der Zurechnungszusammenhang nicht danach bejaht werden, ob mehrheitlich die Zurechnung möglich ist, sondern nur im Hinblick auf jede Emanation von Staatsgewalt im besonderen504. Daher kann das Legitimationsniveau als eigenständiger Rechtsbegriff nur durch eine Umwertung der Legiti499 Schäfer, Mitbestimmung in Eigengesellschaften, 46, 50. Ausführlich hierzu bereits 1. Kap., III. 3. 500 Brosius-Gersdorf, Bundesbank und Demokratieprinzip, 51. 501 Jestaedt, Kondominialverwaltung, 284; Brosius-Gersdorf, Bundesbank und Demokratieprinzip, 52. 502 Anderer Ansicht offenbar Jestaedt, Kondominialverwaltung, 285 ff. 503 Zur Unterscheidung 1. Kap., III. 4. 504 Ebenso Jestaedt, Der Staat 32, 29, 52.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

mationskomponenten begründet werden. Diese werden, ihrer Funktion entkleidet, aber zu bloßen Rechengrößen. An erster Stelle verliert das Legitimationsmodell dadurch seine Rationalität. Zudem begibt man sich zugunsten einer Leerformel gerade der Klarheit, die den überragenden Vorteil des Legitimationsmodells bildet. Mit ihr ist demokratische Legitimation keine vorgegebene verfassungsrechtliche Anforderung mehr, sondern wird der Auslegung überlassen. Sie ist keine Präzisierung. Wie anders sollte man es verstehen, wenn einerseits die Formen demokratischer Legitimation unterschieden werden, im gleichen Atemzug aber darauf hingewiesen wird, daß es nicht auf die Form, sondern die Effektivität ankommen soll505? Nun sollte für das staatliche Tragwerk, zu dem das Demokratieprinzip an erster Stelle gehört, das Gebot der Bestimmtheit schon aus grundsätzlichen Erwägungen in hohem Maß gelten. Zudem wird man es als konkreten Widerspruch zu Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG zu werten haben, der die Vorstellung eines Niveaus ausschließt. Ausgangspunkt ist die unstreitige Feststellung, daß Legitimation in unterschiedlichem Maß verwirklicht sein kann, womit noch keine Aussage über das ausreichende Maß demokratischer Legitimation getroffen ist. Während Art. 20 Abs. 2 GG dafür eine maximale Verwirklichung fordert506, deren Bedingungen in dem Legitimationsmodell abgebildet sind, bleibt die Anerkennung eines Legitimationsniveaus hinter diesen Anforderungen zurück. Denn der Begriff des Niveaus enthält die Vorstellung, daß es sowohl ein Mehr als auch ein Weniger geben kann, wie schon am verwandten Begriff des Mindestniveaus besonders deutlich wird507. Dies muß auch dann gelten, wenn man, wie etwa Emde, das Legitimationsniveau ausdrücklich als vorgegeben bezeichnet und damit zumindest der Disposition im Einzelfall entzieht508. Es bleibt der Verdacht, sich mit einem demokratischen Mittelwert zufrieden zu geben. Anders als beim Kriterium der politischen Tragweite werden nicht bestimmte Teile der Staatsgewalt von der Legitimation ausgenommen, sondern deren Intensität in Frage gestellt509. Bisweilen wird das Legitimationsniveau dadurch erklärt, daß eine der Legitimationssäulen in erhöhtem Maß zu erfüllen sei, um das Abfallen einer anderen ausgleichen zu können, um – mit anderen Worten – das Legitimationsniveau zu wahren510. Doch auch diese Form der Kompensation ist mit Art. 20 Abs. 2 GG 505

BVerfGE 83, 60, 72; 93, 37, 67. Anderer Ansicht Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 366. 507 Entsprechend ist bei Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 676, vom „Mindestmaß an originär demokratischer Legitimation“ die Rede. Ähnlich kritisch zum Legitimationsniveau als Begriff, aber mit falschen Schlußfolgerungen Brosius-Gersdorf, Bundesbank und Demokratieprinzip, 53. 508 Emde, Demokratische Legitimation, 385. 509 In BVerfGE 93, 37, 74 bleibt das Verhältnis beider Ansätze letztlich offen. Vgl. hierzu 3. Kap., V. 2. b). 510 Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, 322 ff., 331; Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte im Verfassungssystem, 44 f., 171 f.; Brosius-Gersdorf, Bun506

V. Verstoß gegen das Demokratieprinzip

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nicht zu vereinbaren. Die einzelnen Formen der Legitimation betreffen unterschiedliche Aspekte der Staatsgewalt, so daß es schon an der für eine Kompensation erforderlichen Vergleichbarkeit fehlt. Unterstellt man zudem, daß es für die demokratische Legitimation nur auf das „ob“, nicht aber das „wie“ ankommt511, macht man auf diesem Weg das „ob“ vom „wie“ abhängig. Dabei findet man sich unversehens im Bereich der Legitimität wieder, ohne die die „Dignität“ der Legitimationsformen und ihre zusammenwirkende Effektivität kaum zu beurteilen sind512. Davon abgesehen ist das Legitimationsmodell auf die Verwirklichung vollständiger Legitimation in jeder Ebene gerichtet. Die jeweilige Erhöhung zum Zwecke der Kompensation setzt die Möglichkeit einer Erhöhung voraus, was aber nichts anderes beweist, als daß zuvor ein Legitimationsdefizit vorgelegen hat. Die Figur des kompensatorischen Legitimationsniveaus ist unzulässig und damit ungeeignet, die Verfassungsmäßigkeit der ministerialfreien Räume zu erklären. b) Unmittelbare Volkskontrolle In grundsätzlicher Weise zielt ein Gedanke bei Roller auf das Demokratieverständnis von Art. 20 Abs. 2 GG und insbesondere auf das Verhältnis von mittelbarer und unmittelbarer Demokratie. Er assoziiert die Bildung von weisungsfreien Ausschüssen mit der unmittelbaren Beteiligung des Volkes an der Verwaltung: Die dahinter stehende Wertvorstellung müsse „als vorparlamentarisches Prinzip der Vorstellung von einem nur mittelbaren Kontrollrecht des Volkes durch die parlamentarische Verantwortlichkeit der Minister vorangehen“513. Das bedeutet, für einen beschränkten Ausschnitt der ministerialfreien Räume, nämlich weisungsfreie Ausschüsse, die nicht parlamentarisch, sondern gesellschaftlich besetzt sind und Kontrollaufgaben wahrnehmen, trete das Volk selbst an die Stelle der parlamentarischen Kontrolle. Folglich wäre die parlamentarische Kontrolle über derlei Ausschüsse nachrangig, wenn nicht sogar ein demokratischer Widerspruch. Gegenüber einer unmittelbaren demokratischen Legitimation durch das Volk kann ihr keine demokratische Funktion mehr zukommen. Gegen diese Vorstellung richtet sich die verfassungsrechtliche Begrenzung des Volkes als Staatsorgan auf Wahlen und Abstimmungen. Eine unmittelbare Beteiligung an der Exekutive ist hingegen weder allgemein, noch für einen konkreten Fall vorgesehen. Auch unter dem Aspekt der demokratischen Wertigkeit kann nicht gesagt werden, unmittelbarer Legitimation käme gegenüber der mitdesbank und Demokratieprinzip, 54, 67, 115. Kritisch dazu Mayen, DÖV 2004, 45, 53. 511 Brosius-Gersdorf, Bundesbank und Demokratieprinzip, 53. 512 Siehe erneut 1. Kap., III. 4. 513 Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 111.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

telbaren ein höheres Niveau zu. Die mittelbar-repräsentative Ausformung ist keine Demokratie zweiter Wahl, sondern ein eigenständiges Modell514. Ohnehin würde es sich nicht um eine unmittelbare demokratische Betätigung des Volkes handeln, sondern nur um eine gruppenrepräsentative, wobei die Legitimation der Vertreter im einzelnen unklar bleibt. c) Modifikationen zum Legitimationssubjekt Erheblich nachdrücklicher wird im Bereich der Selbstverwaltung der Versuch unternommen, für eine umfassende demokratische Legitimation den Begriff des Volkes zu öffnen. Volk im Sinne von Art. 20 Abs. 2 GG soll nicht nur das Staatsvolk umfassen, sondern auch Raum für Teil- oder Verbandsvölker lassen515. Die verfaßten Mitglieder bzw. Betroffenen eines Selbstverwaltungsverbands bilden danach für die spezifischen Selbstverwaltungsaufgaben den demokratischen Souverän. Zwar würde es sich hierbei in erster Linie um einen Ersatz für die fehlende personelle Legitimation handeln, so daß die Legitimationskette einen anderen Anfangspunkt erhält. Doch wird man indirekt – wie im parlamentarischen Repräsentationsverhältnis des Art. 20 Abs. 2 GG – eine auch kontrollmäßig vermittelte Sachlegitimation durch die gewählten Gruppenvertreter annehmen können, so daß sie für die Frage der Ministerialfreiheit Relevanz haben516. Neben die Kontrolle des Parlaments trete die der Selbstverwaltungsgremien. Demokratische Legitimation verwirkliche sich demzufolge ergänzend durch eine staatliche, d.h. insbesondere die gesetzliche, und eine autonome Komponente517. Voraussetzung sei allerdings, daß die Binnenstruktur der Selbstverwaltungsträger dazu erst die Möglichkeit einer gleichwertigen Kompensation eröffnen müsse518. 514

Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 34, Rn. 3. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 253, 259 f.; Herzog, in: Maunz/ Dürig, Grundgesetz, Art. 20, II, Rn. 56 ff.; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 88 f.; ders., Verw.Archiv 81, 349, 358; Tettinger, Mitbestimmung in der Sparkasse, 39 f.; Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie, 112; Püttner, DÖV 1988, 357, 360; Hanebeck, DÖV 2004, 901 ff. Entsprechend für die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst Schuppert, PersR 1993, 1, 13 f.; offengelassen durch BVerwGE 106, 64, 77. 516 Aus diesem Grund braucht der erst in jüngerer Zeit vertretenen Theorie der kollektiven personellen Legitimation auch keine Aufmerksamkeit geschenkt werden. Diese leitet die personelle Legitimation der Mitglieder des Selbstverwaltungsverbandes aus dessen Gründungsakt ab. Vgl. Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 376 f., im Anschluß daran Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 551 f. Die hier interessierende Frage nach der sachlichen Legitimation wird dadurch aber nicht gelöst. 517 Schuppert, PersR 1993, 1, 12 f. formuliert für die Personalvertretung entsprechend: „In unserem Zusammenhang geht es nicht darum, das demokratische Legitimationskonzept zu ersetzen bzw. zu substituieren (. . .), sondern es geht nur darum, die Einschränkung der exekutivischen Entscheidungsbeliebigkeit durch Rückbindung an die innerbehördliche Mitbestimmung als ihrerseits legitimiert zu begreifen.“ 515

V. Verstoß gegen das Demokratieprinzip

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Dem Gedanken einer autonomen Legitimation wäre ohne weiteres zuzustimmen, wenn es sich bei den Selbstverwaltungskörperschaften um nichtstaatliche Gebilde handeln würde, die auf einem freien Zusammenschluß beruhen519. Ihre Zuordnung zur Staatsgewalt unterwirft sie jedoch dem für die gesamte Staatsgewalt geltenden demokratischen Legitimationsregime. Ob ihm durch partielle Dispensierung oder durch Erweiterung seiner Basis zu entrinnen ist, steht in Frage. Die Anerkennung demokratischer Teilvölker würde den Selbstverwaltungskörperschaften ihre umfassende Legitimation sichern und sie als Emanation des demokratischen Prinzips erscheinen lassen520. Dieses beruht unabhängig von seiner konkreten Ausprägung auf den unverzichtbaren Ideen von Freiheit und Gleichheit521. Letztere scheint wegen der Sonderung des Teilvolks im Ganzen nicht mehr gegeben zu sein, so daß gar von einer „fundamentalen Abweichung vom individualistisch-egalitären Demokratiekonzept“ die Rede ist522. Soweit wird man indessen nicht gehen können, wie schon die föderative, dezentrale Staatsordnung der Bundesrepublik zeigt. Mit ihr könnten Verbandsvölker vereinbar sein, wenn die Regelungsbefugnis der Selbstverwaltungseinrichtungen räumlich oder sachlich dergestalt begrenzt wäre, daß ihre Mitglieder stets gleichberechtigte Betroffene wären523. Umgekehrt würde die gesamtstaatliche Legitimation zwingend, wenn das Verbandshandeln über das Verbandsvolk hinausgriffe. Als systematische Übereinstimmung ist dann zu konstatieren, daß das Verbandsvolk dem Staatsvolk als Ursprung und Adressat staatlicher Herrschaft nachgebildet ist524. Das Demokratieprinzip als solches sperrt sich folglich nicht grundsätzlich gegen die Segmentierung, solange diese eine sowohl bereichsmäßige als auch gesamtstaatliche Egalität zu wahren vermag und die unterschiedliche Betroffenheit das Abgrenzungskriterium darstellt525. Allerdings sind – die Anerkennung von Teilvölkern vorausgesetzt – gerade im Bereich der funktiona-

518

Emde, Demokratische Legitimation, 316. Vgl. dazu 2. Kap., IV. 2. 520 Unzutreffend ist es, unter Hinweis auf einen Legitimationswiderspruch, i. e. die Konkurrenz verschiedener Legitimationsquellen, ein Argument gegen die autonome Legitimation herzuleiten, wie H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 177, Fn. 64, dies tut. Ein solcher Widerspruch ist bei richtigem Legitimationsverständnis ausgeschlossen. Ebenso Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 89. 521 Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 16 f. 522 Emde, Demokratische Legitimation, 317. 523 Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20, II, Rn. 59; Oebbecke, Verw.Archiv 81, 349, 358; BVerfGE 10, 20, 49 f.; 33, 125, 156, 160. 524 Dagegen wird man nicht sagen können, daß die „unbestimmte Allgemeinheit“ des Staatsvolkes zum Wesensgehalt der Demokratie gehört, da sie allenfalls Teil ihrer jeweiligen Ausgestaltung ist. Vgl. dazu aber Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 545; ders., JZ 2003, 1061, 1062; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 371; BVerfGE 83, 37, 55. 525 Hendler, Selbstverwaltung, 312 ff.; vergleiche auch Schuppert, AöR 114, 127, 136. Zum Abgrenzungsproblem Gusy/Ziegler, in: Davy, Politische Integration, 222, 246 f. 519

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

len Selbstverwaltung tatsächliche Legitimationsdefizite festzustellen, die auf einer Verletzung eben dieser Gleichheit beruhen526. aa) Funktionale Selbstverwaltung Ungeachtet der prinzipiellen Möglichkeit ist die Segmentierung des Volksbegriffs für das Grundgesetz in Zweifel zu ziehen527. Verfassungsrechtlicher Anhaltspunkt ist die Anerkennung der funktionalen Selbstverwaltung in Art. 86, 87 Abs. 2, 3 GG. Deren teilautonome demokratische Legitimation ist jedoch nur eine Deutungsmöglichkeit, wie Organisations- und Legitimationskonzept in Einklang gebracht werden können. Das Grundgesetz gibt sie nicht zwingend vor. Systematisch gesehen wäre der richtige Regelungsort auch nicht der VIII. Abschnitt, sondern Art. 20 GG selbst. Art. 86, 87 Abs. 2, 3 GG enthalten keine verfassungsrechtliche Anerkennung von Teilvölkern. Daher beschränken sich die Begründungsmuster im wesentlichen auf das Argument der Betroffenheit, weil diese jeder Legitimation als Idee vorausliege528. Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, daß für die Bestimmung des Legitimationssubjekts nicht vom Kreis der Herrschaftsadressaten, also den Betroffenen ausgegangen werden darf529. Das bedeutet nicht weniger, als daß Art. 20 Abs. 2 GG den Betroffenheitsgedanken nicht rezipiert hat, vielmehr eine originäre Bestimmung über den Ursprung der demokratischen Legitimation trifft530. Damit scheidet auch für die Selbstverwaltung eine Herleitung der Teil- bzw. Verbandsvölker aus der jeweiligen Betroffenheit aus531. Bestätigung findet die526 Siehe dazu im einzelnen Emde, Demokratische Legitimation, 397, 403; Tettinger, Mitbestimmung in der Sparkasse, 41. 527 Emde, Demokratische Legitimation, 317 f.; H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 177; Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 544 f.; Jestaedt, Kondominialverwaltung, 214; Schmidt-Aßmann, AöR 91, 329, 348 ff.; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 369 ff.; Musil, DÖV 2004, 116, 120; Schmitt Glaeser, VVDStRL 31, 179, 217; VerfGH NW OVGE 39, 292, 294. 528 Dies wird auch von Schmidt-Aßmann, AöR 91, 329, 349, anerkannt, der von „den ideellen Schichten der Strukturentscheidung für die Demokratie“ spricht. Eingehend zur Betroffenenlegitimation Gusy/Ziegler, in: Davy, Politische Integration, 222, 226 f. 529 BVerfGE 83, 37, 51. Zumindest mißverständlich ist es, wenn in BVerfGE 93, 37, 69 der demokratische Egalitätsgrundsatz für alle der Staatsgewalt Unterworfenen bemüht wird, weil das Gericht damit zur Betroffenenperspektive zurückkehrt. Kritisch Gusy/Ziegler, in: Davy, Politische Integration, 222, 241 ff. 530 Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 544. Der tatsächlich bestehenden Diskrepanz zwischen Subjekt und Objekt staatlicher Herrschaft kann daher nicht unbedingt ein ungedeckter Betroffenheitsüberschuß vorgehalten werden. Entsprechend sieht BVerfGE 107, 59, 94 – wenn auch im deutlichen Widerspruch zu seiner Argumentation zur autonomen Legitimation – für das Handeln der Selbstverwaltungsträger keine zwingende Begrenzung gegenüber Dritten bzw. Nichtmitgliedern vor. Vgl. auch Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 16 f.; Schmitt Glaeser, VVDStRL 31, 179, 226.

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ses Ergebnis mittelbar darin, daß das Bundesverfassungsgericht die in der funktionalen Selbstverwaltung verfaßten Mitglieder als gesellschaftliche Kräfte bzw. Gruppen bezeichnet532, deren Handeln über eine körperschaftliche Legitimation nicht hinausgeht533. Ihnen kommt daher kein demokratischer status activus zu. Infolge dieser Leitlinien findet die Möglichkeit von Teilvölkern auch in der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur demokratischen Legitimation keine Erwähnung534. bb) Kommunale Selbstverwaltung Bereits dem Wortlaut nach gilt für die gebietskörperschaftliche Selbstverwaltung, die in den Kreisen und Gemeinden verwirklicht ist, etwas anderes: In Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG wird das Volk zu seiner Vertretung in den Kreisen und Gemeinden in Beziehung gesetzt, womit zumindest angedeutet wird, daß es ein Kreis- bzw. Gemeindevolk geben könnte. Dies eröffnet zwei Deutungsmöglichkeiten. Entweder setzt Art. 28 Abs. 1 GG die Existenz von Teilvölkern voraus und schreibt für die Gebietskörperschaften lediglich die demokratischen Wahlrechtsgrundsätze fest535. Dann aber stellt sich erneut das Problem der nur indirekten Anerkennung und im Umkehrschluß die Frage, ob für die Teilvölker der funktionalen Selbstverwaltung dieser demokratische Gehalt nicht gelten soll. Vorzugswürdig ist daher die andere Deutung, die in Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG eine exzeptionelle Gleichstellung der Bürger in den Gebietskörperschaften mit dem Volk sieht536. Ebenso wie beim Landesvolk tritt hier das Gemeindevolk an die Stelle des Staatsvolkes537. Eine Übertragung auf die Selbstverwaltung im übrigen würde jedoch dem strengen Ausnahmecharakter der Norm wie auch der Tatsache zuwider laufen, daß die Struktur der Gemeinden gewissermaßen der des staatlichen Gesamtverbandes entspricht, also umgekehrt die Vergleichbarkeit mit der funktionalen Selbstverwaltung fehlt538. Hinsichtlich der Reichweite der Ausnahmebestimmung kann offenbleiben, ob das Gemeindevolk für den Bereich der Selbstverwaltung als Staatsvolk oder nur wie das Staatsvolk handelt. 531

Weiterführend Jestaedt, Kondominialverwaltung, 215 ff. BVerfGE 33, 125, 156. 533 Schmidt-Aßmann, AöR 91, 329, 350. 534 BVerfGE 107, 59, 91 ff.; dazu Unruh, JZ 2003, 1061, 1062; Musil, DÖV 2004, 116, 119; J. Becker, DÖV 2004, 910 ff. 535 So offenbar Oebbecke, Verw.Archiv 81, 349, 357, der Verbandsvölker anerkennt und im Zusammenhang mit Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG lediglich von „Konkretisierung“ spricht. 536 BVerfGE 38, 258, 271; 47, 253, 272; 83, 37, 53; 83, 60, 75; zuletzt BVerfGE 107, 59, 88. Schmidt-Aßmann, AöR 91, 329, 350. 537 BVerfGE 83, 37, 53. 538 BVerfGE 83, 37, 54 f.; BSGE 36, 242, 244; Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 249 f. 532

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

Der verantwortungsgetragene Legitimationsmechanismus ist unter Einschluß kommunalparlamentarischer Kontrolle der gleiche, wobei im einen Fall von originärer demokratischer Legitimation, im anderen Fall von Legitimationskompensation zu sprechen wäre. d) Autonome Legitimation der Selbstverwaltung Mit der Ablehnung von Teilvölkern, die über keine verfassungsrechtliche Absicherung verfügen, scheint für die funktionale Selbstverwaltung ein nicht erklärbares, aber nach Art. 86, 87 GG zumindest hinnehmbares Legitimationsdefizit zu verbleiben, das von Emde als ein „weniger anspruchsvolles, zumeist auf das Niveau der Wesentlichkeitstheorie zurückgenommenes Legitimationskonzept“ beklagt wurde539. Dem stellt er die Möglichkeit einer kontextvariierenden Konkretisierung der Legitimationsstruktur für die jeweilige Erscheinungsform der Staatsgewalt gegenüber540. Ihr liegt die Vorstellung zugrunde, Art. 86, 87 Abs. 2, 3 GG sei lediglich die institutionelle Anerkennung, nicht aber die Rechtfertigung gegenüber dem Demokratieprinzip zu entnehmen541. Damit will er erkennbar nicht am Erfordernis demokratischer Legitimation rühren: „Das Maß der demokratischen Legitimation ist festgeschrieben, während seine Formen dispositiv sind“542. An die Stelle des nicht erfüllten Legitimationsmodells stellt er ein Modell sich ergänzender staatlicher und autonomer Legitimation543. Der gebotene Umfang ausschließlich staatlich zu vermittelnder Legitimation entspreche dabei dem Wesentlichkeitsvorbehalt544. Für die von Fachaufsicht freigestellte Selbstverwaltung bedeutet das in tatsächlicher Hinsicht deren demokratisch-parlamentarische Legitimation durch Gesetz, die mittels Rechtsaufsicht abgesichert wird. Größer ist der Begründungsaufwand für die autonome Legitimation: Auch er lehnt den Ansatz ab, den Begriff des Volkes gemäß Art. 20 Abs. 2 GG auch im Sinne von Teilvölkern bzw. Verbandsvölkern zu verstehen und damit die mitgliedschaftliche Steuerung bereits im Wortlaut der Verfassung zu verankern545. Statt dessen greift er auf den primären Zweck des Demokratieprinzips, nämlich die Selbstbestimmung des Einzelnen, zurück. Die Steuerungsbefugnis der Mitglieder bzw. Betroffenen der jeweiligen Selbstverwaltungseinheit stelle insoweit eine Substitution der Legitimation durch das 539

Emde, Demokratische Legitimation, 43. Emde, Demokratische Legitimation, 335 f. Im Anschluß daran Schuppert, PersR 1993, 1, 11. 541 Emde, Demokratische Legitimation, 326, 364 f., 376, 386. 542 Emde, Demokratische Legitimation, 385. 543 Emde, Demokratische Legitimation, 51. Richtig ist es, wenn Musil, DÖV 2004, 116, 119 in BVerfGE 107, 59, 91 f., die Übernahme der Theorie der autonomen Legitimation erkennt. Kritisch dazu aber Unruh, JZ 2003, 1061, 1062. 544 Emde, Demokratische Legitimation, 379. 545 Emde, Demokratische Legitimation, 315 f., 326. 540

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Staatsvolk dar, was sowohl in sachlicher wie in personeller Hinsicht gelte546. Damit kommt er zu dem Schluß, daß autonome Legitimation eine Kompensation für parlamentarisch-demokratische Legitimation sei. Das Modell der teilautonomen Legitimation ist aus einem scheinbaren Mangel an Alternativen geboren547. Mit erheblichem Begründungsaufwand wird dem Grundgesetz zunächst ein Mindesterfordernis an Legitimation entnommen, dem die Selbstverwaltung aber nicht genügt. Ihm steht jedoch die unzweifelhafte Feststellung ihrer verfassungsrechtlich abgesicherten Existenz gegenüber, so daß – wenn schon eine staatlich abgeleitete Legitimation nicht in Betracht kommt – diese aus der Sphäre der Selbstverwaltungskörperschaften selbst stammen muß. Zwar ist es richtig, daß es sich dabei um – zumindest körperschaftlich zu nennende – Legitimation handelt. Offen ist aber, ob darin auch eine Kompensation von parlamentarisch-demokratischer Legitimation zu sehen ist oder nur deren Abbildung. Kompensation trägt in sich das Erfordernis von Gleichwertigkeit, so daß es auf einen Vergleich der noch zu bestimmenden Vergleichsobjekte ankommt. Eine Abbildung ist demgegenüber nur ein Form und Inhalt nachahmendes aliud. Je nachdem handelt es sich um echte oder unechte Legitimationsverschiebung. Indem Emde die umfassende demokratische Legitimation behauptet, umgekehrt also eine gerechtfertigte Einschränkung verneint, folgt er dem Kompensationsverständnis im hier zugrundegelegten Sinn548. Die Ausführungen zur demokratischen Legitimation haben ergeben, daß es sich dabei nicht um einen nach Zahlen quantifizierbaren, wohl aber einen konkreten, beschreibbaren Vorgang handelt. Insoweit wirft bereits der Begriff der Kompensation Zweifel auf, weil sich mit ihm die auch beim Legitimationsniveau abgelehnte Vorstellung von Legitimation als Baustein und Rechengröße verbindet. Diese Bedenken führen zu der Frage, was im einzelnen kompensiert bzw. was miteinander in Bezug gesetzt werden soll. Zunächst ist zu untersuchen, ob die vom Staatsvolk ausgehende Legitimation überhaupt kompensierbar ist, wenn nicht die Formen der Legitimation, sondern die Legitimationssubjekte selbst ausgetauscht werden. Dies würde eine funktionale Gleichstellung der an der körperschaftlichen Legitimation Beteiligten mit dem Staatsvolk erfordern, was auf die Anerkennung von Teilvölkern hinausliefe. Auch deren Legitimationsbeitrag wird man als autonom zu bezeichnen haben. Emde versucht die nähere Bestimmung der Betroffenen als Legitimationssubjekte offensichtlich zu vermeiden, wobei Begriffe wie „Volksteile“ und „kleinere Quellen demokra546 Emde, Demokratische Legitimation, 384 f., 386, 388; ebenso Musil, DÖV 2004, 116, 120. 547 Anschaulich bei Tettinger/Mann, in: dieselben/Salzwedel, Wasserverbände, 1, 21 f.; Muckel, NZS 2002, 118, 123 ff. 548 Anders Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 377 f., der die „gesellschaftlichen Beiträge“ der Selbstverwaltung bereits vom Erfordernis der demokratischen Legitimation ausnimmt, so daß er eine unechte Legitimationsverschiebung vertritt.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

tischer Legitimation“ wie mühsame Umschreibungen anmuten549. Seine Argumentation führt daher zu einem Widerspruch: Den Kompensationsgedanken ernst zu nehmen, erfordert die Anerkennung von Teilvölkern. Hält man umgekehrt an der Ablehnung von Teilvölkern fest, kann Legitimation durch die Betroffenen der funktionalen Selbstverwaltungsträger nicht Kompensation, sondern im Verhältnis zur staatlich abgeleiteten Legitimation nur aliud sein550. Stellt man jedoch nicht auf das Legitimationssubjekt, sondern, wie Emde dies tut, allein auf den Legitimationszweck – die Selbstbestimmung – ab, werden die Probleme nicht geringer. Die Versöhnung von Selbstbestimmung des Einzelnen mit der Notwendigkeit von Herrschaft gehört unbestreitbar zum ideellen Gehalt des demokratischen Prinzips, der bei Emde sogar die Stellung eines verfassungsmäßigen Gebots erreicht551. Im Hinblick auf die Kompensation haben staatliche Legitimation und körperschaftliche Legitimation also den gleichen Inhalt, womit nicht gesagt ist, ob sie im übrigen vergleichbar sind. Emde schreibt selbst, daß Art. 20 Abs. 2 GG mit seinen organisatorischen Ausprägungen das Mindestmaß der Legitimation und damit zugleich der Selbstbestimmung vorgibt. Nun wird man ohne Widerspruch davon ausgehen können, daß Selbstverwaltung in kleinen Einheiten die Selbstbestimmung in weit höherem Maße erlaubt, als dies im gesamtstaatlichen Verband je möglich wäre552. Dann aber fragt sich, weshalb die Selbstverwaltung nur Ausnahme sein soll. Richtigerweise müßte ein verfassungsmächtiges „Gebot der Selbstbestimmung“ die Legitimationsordnung stets auf ein Minimum an Herrschaft bei einem Maximum an Selbstbestimmung ausrichten. Weil die Selbstverwaltung „die Formen der Legitimationsstruktur erweitert“ und sie zugleich im Verfügungsbereich des Gesetzgebers liegt, wäre dieser verpflichtet, jeden nach Betroffenheit abgrenzbaren Lebensbereich in Formen der funktionalen Selbstverwaltung zu ordnen553. Tatsächlich stellt Art. 86 f. GG dies aber nur in das Ermessen des Gesetzgebers554. Das Verhältnis der Legitimationsformen als Regel und Ausnahme muß folglich nach anderen Kriterien bestimmt werden, wofür sich wiederum die jeweiligen Legitimationssubjekte aufdrängen. Die Selbstbestimmung kann nicht von ihnen 549 Emde, Demokratische Legitimation, 388, 395; deutlicher Musil, DÖV 2004, 116, 120, der – in Ablehnung von Teilvölkern – gleichwohl zur Abgrenzung gegenüber Dritten auf das Merkmal der Betroffenheit rekurriert. 550 Vgl. Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 34, Fn. 66; Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 550. 551 Emde, Demokratische Legitimation, 405. 552 Emde, Demokratische Legitimation, 387; v. Arnim, AöR 113, 1, 16 f.; Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, 59, 63 f. 553 Ergänzend läßt sich hier Dittmann, Bundesverwaltung, 91, nennen, demzufolge das Grundgesetz mittels Art. 87 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 GG die Einbeziehung außerstaatlicher Kräfte nicht nur zulasse, sondern sogar fördern wolle. Einschränkend gegenüber partizipativer Demokratisierung jedoch, a. a. O., 106 ff. 554 Ähnlich Schmidt-Aßmann, in: Selmer/v. Münch, Gedächtnisschrift Martens, 249, 263 f.; Schuppert, AöR 114, 127, 137.

V. Verstoß gegen das Demokratieprinzip

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losgelöst werden, womit die Problematik zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Emde geht selbst von einem beachtlichen Vorbehalt des Staatsvolks aus, deren Repräsentanten „Herren der Selbstverwaltung“ bleiben555. Es gelingt ihm daher nicht, den Baustein der autonomen Legitimation widerspruchsfrei in die übrige Legitimationsstruktur einzufügen, soweit er diese nur mit der Selbstbestimmung begründen will. Selbstbestimmung gehört zwar zu den demokratischen Grundgedanken, im Grundgesetz hat sie eine individualisierende Konkretisierung jedoch nur in den Grundrechten erlangt, nicht aber in der demokratischen Legitimationsstruktur, die allein das Staatsvolk kennt556. Einzige Ausnahme dazu sind die Fälle grundrechtlich-funktionaler Selbstverwaltung, in denen die Selbstbestimmung auf der Ebene der demokratischen Legitimation wirksam wird. Ein weiterer Beleg für diesen Widerspruch ist die empirische Feststellung, daß sich die funktionale Selbstverwaltung vielfach nicht mit den von Emde postulierten Anforderungen vereinbaren läßt. Als Erklärung greift der Verweis auf einen „verfassungstheoretisch wie rechtlich unreflektierten Traditionalismus“ sicherlich zu kurz557. Es handelt sich dabei im wesentlichen um Fälle struktureller Gleichheitsverletzungen bei der Betroffenenbeteiligung. Bei Emde macht die Kompensation aber gerade erforderlich, daß die autonome Legitimation den Maßstäben von Art. 20 Abs. 2 GG folgt. Mithin gehört die Gleichheit zu den tragenden Pfeilern seiner Argumentation. Erklärungsbedürftig bleibt zudem, weshalb es noch der Regelung des Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG bedurfte. Für das Kompensationsmodell dürfte es sich um eine lediglich klarstellende, im Grund jedoch unnötige Wiederholung handeln. Demgegenüber folgert das Bundesverfassungsgericht aus Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG, daß für die funktionale Selbstverwaltung auch anders geformte, von Art. 20 Abs. 2 GG abweichende Legitimationssubjekte zulässig seien558. Das Problem der Gleichheit stellt sich auch im Verhältnis von Staatsvolk und der unter dem Gesichtspunkt der Selbstbestimmung privilegierten Selbstverwaltung. Emde rechtfertigt seinen Ansatz mit einem Umkehrschluß aus dem Grundsatz „Quod omnes similiter tangit, ab omnibus comprobetur“559, also einer Verengung einzelner Entscheidungstatbestände auf die jeweilige Betroffenengruppe. Allerdings entspricht es eher dem demokratischen Normalfall, daß eine Entscheidung nie alle betrifft, gleichwohl alle darüber zu entscheiden berufen sind. Gerade die darin liegende Distanz zur Entscheidung ist als Gewährleistung ihrer Richtigkeit hervorzuheben. Demgegenüber führt eine Betroffenen555

Emde, Demokratische Legitimation, 389. In diesem Sinne auch Schmidt-Aßmann, AöR 91, 329, 380; Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 550 f.; Schmitt Glaeser, VVDStRL 31, 179, 225. 557 Emde, Demokratische Legitimation, 398, 403. 558 BVerfGE 83, 37, 55; dazu auch Schmidt-Aßmann, AöR 91, 329, 378. 559 Emde, Demokratische Legitimation, 388. 556

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

demokratie im Namen der Selbstbestimmung zu einer Privilegierung, die kaum als besonderer demokratischer Wert gehandelt werden kann. 4. Zwischenergebnis Bachof hat die allgemeine Diskussion um die ministerialfreien Räume seinerzeit mit der Feststellung eingeleitet, „es wäre eine Übersteigerung des parlamentarischen Systems, wenn man annehmen wollte, daß derartige unabhängig entscheidende Behörden ihm grundsätzlich widersprächen“560. Die bisherigen Untersuchungen zeigen dagegen, daß es sich bei Art. 20 Abs. 2 GG nicht etwa um einen ungenauen Programmsatz handelt, sondern um eine Vollregelung mit höchster Verbindlichkeit. Alle anspruchsvollen Versuche, die Zulässigkeit der ministerialfreien Räume über das „ob“ oder das „wie“ der demokratischen Legitimation zu begründen, vermögen nicht zu befriedigen. Es ist daher ein Verstoß gegen das demokratische Prinzip zu verzeichnen, dem nur durch eine hinreichende Rechtfertigung zu entgehen ist.

VI. Rechtfertigung der Ministerialfreiheit Der Blick richtet sich im folgenden auf Erlaubnistatbestände für ministerialfreie Räume. Weil es um die Einschränkung des Demokratieprinzips geht, ist eine gleichwertige, also verfassungsrechtliche Rechtfertigung erforderlich561. Als punktuelle Ausnahmen kommen dafür allgemeine Verfassungsprinzipien oder konkrete Verfassungsbestimmungen in Betracht. Es handelt sich um Rechtfertigungen, wenn sie weder die Geltung des Demokratieprinzips als solches in Frage stellen, noch Kompensation für verminderte demokratische Legitimation sind. 1. Allgemeine Prinzipien a) Vorrechtliches Gesamtbild Ein regelmäßig zitierter Topos in der Diskussion um die ministerialfreien Räume ist das Argument vom vorrechtlichen Gesamtbild des Grundgesetzes562. Dabei wird insbesondere auf die Tradition weisungsfreier Verwaltungsstruktu560 Bachof, Diskussionsbeitrag zu: Grewe, 39. DJT, D 24, 135 f.; ähnlich pauschal Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 403. 561 Anders beispielsweise Paulweber, Regulierungszuständigkeit, 110 f., der einen einfachen Gesetzesvorbehalt genügen läßt. 562 Zum Begriff Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, 137 f.

VI. Rechtfertigung der Ministerialfreiheit

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ren563 als bewährtes und überliefertes Instrument im deutschen Recht verwiesen, die Eingang in den demokratischen Rechtsstaat gefunden hätten564. Beispielhaft kann hier auf die frühere Bundesschuldenverwaltung verwiesen werden, deren Weisungsfreiheit sich bis 1820 zurückverfolgen läßt565. Mit dem historischen Rückgriff ist in unterschiedlicher Intensität, teils angedeutet, teils ausdrücklich566, der Gedanke verbunden, daß das Grundgesetz in Kenntnis ihrer Existenz eine nunmehr abweichende Auffassung hätte zum Ausdruck bringen müssen567. Das Argument vom vorrechtlichen Gesamtbild kann aber ebensowenig wie die aktuelle Existenz von ministerialfreien Räumen ein Rechtfertigungsgrund568, sondern nur ein unspezifischer Hinweis auf eine grundsätzlich mögliche Zulässigkeit sein569. Insoweit hängt die Verfassungsmäßigkeit der ministerialfreien Räume nicht vom vorrechtlichen Gesamtbild ab, sondern setzt ein kompatibles Demokratieverständnis oder zumindest einen Rechtfertigungsgrund voraus. Eigenständige Bedeutung kommt ihm nicht zu.

b) Die Natur der Sache Jede Argumentation mit der Natur der Sache behauptet die Unausweichlichkeit ihres Ergebnisses, das folglich sein muß, weil es nicht anders sein kann. Die ihr eigene Evidenz appelliert an einen Konsens der Beteiligten, so daß ein sachbezogener Widerspruch gar nicht erst möglich scheint. Dieser Ansatz wird auch zur Begründung der Ministerialfreiheit in Stellung gebracht, wobei das stets wiederkehrende Argumentationsmuster die Abhängigkeit der Aufgabener563

Zur Entwicklung Fichtmüller, AöR 91, 297, 305 f. Bachof, Diskussionsbeitrag zu: Grewe, 39. DJT, D 24, 136; ders., JZ 1962, 350, 355; Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 111, 118; weitere Nachweise bei Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 290, Fn. 3. 565 Siehe dazu 3. Kap., III. 2. d). 566 Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 163. 567 Kritisch dazu E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 138 f.; Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 366 f. 568 So einschränkend auch Bachof, Wehrpflichtgesetz und Rechtsschutz, 48, Fn. 47. Zu weitgehend ist hingegen die Interpretation Oebbeckes, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 49 f., der Bachof einen Meinungswandel vorhält, wonach dieser zuletzt, also in JZ 1962, 350, doch zu einem Rechtfertigungsgrund gelangt sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß zwischenzeitlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bremischen Personalvertretungsgesetz ergangen ist (BVerfGE 9, 268 ff.). Auf sie bezieht sich Bachof zur Begründung der begrenzten Zulässigkeit ministerialfreier Räume. Die Vorstellung vom vorrechtlichen Gesamtbild scheint er dadurch lediglich bestätigt zu sehen, aber nicht umgekehrt, wie Oebbecke meint, zur Begründung heranzuziehen. 569 Mayen, DÖV 2004, 45, 46; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 47; Stern, Staatsrecht I, 139, spricht hier einschränkend von indizieller Berechtigung. 564

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

füllung gerade vom Umstand der Weisungsfreiheit ist570. Die Zulässigkeit der Ministerialfreiheit – so die Schlußfolgerung – folge insoweit aus der Natur der Sache. Die Natur der Sache ist ein der juristischen Methodenlehre vertrauter Begriff, der der Schrankenziehung, der Gesetzesauslegung und der Lückenfüllung dient571. Obschon in der Rechtsprechung weit verbreitet, hat er gerade für die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes durch das Bundesverfassungsgericht eine gewisse Verstetigung und Konkretisierung erfahren572: „Schlußfolgerungen ,aus der Natur der Sache‘ müssen begriffsnotwendig sein und eine bestimmte Lösung unter Ausschluß anderer Möglichkeiten sachgerechter Lösung zwingend fordern. Argumente aus der Natur der Sache versagen aber, wenn sich (. . .) auch eine andere Lösung mit beachtlichen Gründen rechtfertigen läßt“573. Ob ministerialfreie Räume diesen Voraussetzungen genügen, muß hier nicht eigens untersucht werden. Insoweit kann beispielhaft auf Oebbecke verwiesen werden574, der für die Deutsche Bundesbank, für Kollegialorgane, für Sachverständige und Prüfungsgremien zu dem Ergebnis kommt, daß deren Weisungsfreiheit nicht zwingend erforderlich sei. Das Hauptargument gegen eine Rechtfertigung mit der Natur der Sache liegt aber jenseits der Nichterfüllung ihrer eigenen Voraussetzungen. In Betracht könnte hier zunächst der Vorwurf eines naturalistischen Fehlschlusses kommen, soweit mit der Natur der Sache von einem Sein auf ein Sollen geschlossen wird575. Diese geläufige Kritik beruht auf dem richtigen Grundsatz der Trennung von Sein und Sollen. Fraglich ist aber, ob sie die Natur der Sache tatsächlich betrifft. Richtigerweise kann mit Dreier zwischen einer Vielzahl verschie570 Für die Prüfungsausschüsse Loening, DVBl. 1954, 173, 175; Mayen, DÖV 2004, 45, 52; für Kontroll- und Prüfungsaufgaben sowie die Selbstverwaltung Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 24, 34; für Sachverständige Fichtmüller, AöR 91, 297, 343; für Kollegialorgane Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 31 f.; für die Bundesprüfstelle Vlachopoulos, Kunstfreiheit und Jugendschutz, 249; für die Selbstverwaltung H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 175; zu den Bundesoberbehörden Burgsmüller, Bundesoberbehörden, 79; für die Regulierungsbehörde nach TKG Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 87f, Rn. 112, sowie ders., Art. 86, Rn. 70.; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 126; Müller-Terpitz, ZG 1997, 257, 270; Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen, 115. 571 Radbruch, in: Hernmarck, Festschrift Laun, 157 ff.; A. Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“; R. Dreier, Zum Begriff der Natur der Sache. 572 Vgl. dazu Bullinger, AöR 96, 237, 268 ff. 573 BVerfGE 11, 89, 99; bestätigt durch BVerfGE 12, 205, 251; 22, 180, 217; 26, 246, 257. Mit weiteren Nachweisen Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 70, Rn. 24 ff. 574 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 54 ff. 575 K. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 121; Mastronardi, Juristisches Denken, Rn. 310 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 924. Einschränkend dagegen Radbruch, in: Hernmarck, Festschrift Laun, 157, 163; A. Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, 44 ff.

VI. Rechtfertigung der Ministerialfreiheit

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dener Natur-der-Sache-Begriffe unterschieden werden576, auf die die eben genannte Ableitungsproblematik nur zum Teil zutrifft577. Hier soll es genügen, das Argumentationsmuster anhand der Systematik Dreiers aufzudecken. Die Prüfung, ob die Weisungsfreiheit einer ministerialfreien Stelle aus der Natur der Sache folgt, kann unter Würdigung der ihr (Sache) beigegebenen Zwecksetzung (Natur) zu dem Ergebnis kommen, daß diese entweder weisungsfrei sein muß oder nicht weisungsfrei zu sein braucht578. Es handelt sich dabei um die zweckadäquate Beschaffenheit einer rechtlichen Institution579. Ziel ist eine Erkenntnis über ihre Sollbeschaffenheit. Weil die Zwecksetzung ihrerseits ein Sollen markiert, ist zunächst festzustellen, daß damit keine Ableitung aus einem Sein verbunden ist. Das Sollen der Weisungsfreiheit folgt aus dem gesollten Zweck. Jedoch enthält dieser Befund keine Aussage über die Zulässigkeit der Ministerialfreiheit selbst, so daß sie methodisch nur in den Fällen ihre Berechtigung zu haben scheint, in denen die Weisungsfreiheit vom Gesetzgeber offen gelassen wurde580. Sie ist demzufolge für diesen Teil der ministerialfreien Stellen zur Lückenfüllung denkbar. Um aber die verfassungsrechtliche Zulässigkeit ministerialfreier Stellen begründen zu können, müßte die Natur der Sache notwendig das Demokratieprinzip mit umschließen581. Dazu ist eine auf den Zweck beschränkte Ableitung jedoch nicht in der Lage. Der Widerspruch wird bereits unter systematischen Gesichtspunkten deutlich: Aus der Zwecksetzung einer Institution, die sich auf einfachgesetzlicher Ebene bewegt, kann kein auf der Verfassungsebene wirksames Sollen abgeleitet werden582. Damit bestätigt sich hier der Vorwurf, daß die Argumentation mit der Natur der Sache ihre tatsächliche Begründung verschweige583. Denn neben der methodologisch fruchtbaren Aussage über die Weisungsfreiheit enthält sie auch die versteckte Behauptung, daß die (nur weisungsfrei erfüllbare) Zwecksetzung 576

R. Dreier, Zum Begriff der Natur der Sache, 83 ff. R. Dreier, Zum Begriff der Natur der Sache, 102, 115, 125. 578 So auch beispielhaft die Prüfung Oebbeckes, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 54 ff. 579 In der Terminologie R. Dreiers, Zum Begriff der Natur der Sache, 106 f., handelt es sich um den technisch-praktischen Natur-der-Sache-Begriff. 580 Vgl. dazu die Untersuchung der angeblichen ministerialfreien Stellen im 3. Kap., III. 2. c), e), h), i). 581 Insoweit richtig der Ausgangspunkt von Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 27, dem er aber mit seinen Schlußfolgerungen nicht gerecht wird. Hier stellt er nämlich ebenso wie Oebbecke allein die Notwendigkeit der Weisungsfreiheit für die Funktionserfüllung in Frage. 582 Vgl. dazu Emde, für den die Gebote schlichter rechtspolitischer Vernunft als solche in keiner Weise von den Bindungen der Verfassung dispensieren und dies nur dann anders wäre, „wenn das Grundgesetz selbst das Gebot der demokratischen Legitimation der Staatsgewalt unter den Vorbehalt seiner Vereinbarkeit mit den Eigengesetzlichkeiten (. . .) gestellt hätte“, Demokratische Legitimation, 315. 583 K. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 64 f. 577

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bzw. Funktion ihrerseits verfassungsrechtlich geboten sei584. Entweder kann man dazu auf konkrete verfassungsrechtlich genannte oder zumindest vorausgesetzte Institutionen abstellen, denen diese Funktion inhärent ist585, oder man spricht dem Gesetzgeber gar ein verfassungswirksames Zweckbestimmungsrecht zu. Daher wäre zu formulieren: „Es liegt in der Natur der Sache, daß die zur Erfüllung einer von Verfassungs wegen gebotenen Funktion erforderliche Weisungsfreiheit nicht gegen das Demokratieprinzip verstoßen kann“586. Oder: „Es liegt in der Natur der Sache, daß die zur Erfüllung eines durch den Gesetzgeber befugtermaßen gesetzten Zwecks erforderliche Weisungsfreiheit nicht gegen das Demokratieprinzip verstoßen kann.“ Damit ändert sich die Argumentation mit der Natur der Sache grundlegend. Die Weisungsfreiheit ist nicht mehr ihr Ergebnis, sondern wird als notwendiger Teil der verfassungswirksamen Funktion selbst der Sachebene zugeordnet. Zur Natur gehört dagegen, daß die Verfassung keine Widersprüche enthalten darf, so daß – Schlußfolgerung – das Demokratieprinzip eingeschränkt sein müsse. Eigentlicher Bezugspunkt ist damit eine höherrangige Norm, aus der in diesem Fall nicht nur die Struktur der Institution, sondern auch eine Rechtfertigung gegenüber dem Demokratieprinzip gewonnen wird587. Die Natur der Sache dient insofern nicht der Lückenfüllung, sondern der Schrankenbildung. Angreifbar wird die Argumentation dadurch, daß der nicht nur ungeschriebene, sondern auch unausgesprochene Gesetzesvorbehalt demnach auf einer stillschweigenden, ihrerseits nicht abgeleiteten Behauptung beruht, nämlich der gebotenen Funktionsfähigkeit bzw. dem Bestimmungsrecht des Gesetzgebers. Der Blick muß sich folglich auf die dargetanen Behauptungen richten. Abzulehnen ist das Zweckbestimmungsrecht des Gesetzgebers in der hier skizzierten Form. Ohne die Frage auf die Alternative einer freien Aufgabenbestimmung oder des demokratischen Gestaltungsverbots reduzieren zu wollen, sollte feststehen, daß der Gesetzgeber dem Demokratieprinzip unterworfen ist und unter seiner Geltung handelt. Insoweit kann er sich auch unter Hinweis auf die Natur der Sache nicht über dessen Anforderungen erheben. Eine Rechtfertigung scheidet insoweit aus. Die gebotene Funktionsfähigkeit kommt nur für solche Ein584 Dies verkennt Jestaedt, Kondominialverwaltung, 589 f., in dessen Interpretation die Natur der Sache selbst zum „verfassungsrangigen Dispositionstitel“ wird. Richtig dagegen seine Kritik an Böckenförde, 537, Fn. 514. 585 Ohne folgerichtige Zuordnung bei Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 28. 586 Dazu kann auch das von Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, 254, in Stellung gebrachte Gebot aufgabengerechter Organisation gezählt werden, mit dem er der Natur der Sache – wie hier gefordert – eine verfassungsrechtliche Absicherung verschaffen will. 587 In der Terminologie R. Dreiers, Zum Begriff der Natur der Sache, 110 ff. ist von einem objektiv-praktischen Natur-der-Sache-Begriff in voluntativer Ausprägung zu sprechen.

VI. Rechtfertigung der Ministerialfreiheit

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richtungen in Betracht, deren Funktionen sich im Grundgesetz nachweisen lassen. Sodann stellt sich die Frage, ob diese Funktionen nur weisungsfrei realisierbar sind. Bezugspunkt muß dabei die Funktion in ihrem verfassungsmäßig gebotenen Umfang sein, dem als Vergleichsmaßstab eine dem Demokratieprinzip entsprechende Ausgestaltung gegenüber steht. Erst auf dieser Grundlage kann die Frage erörtert werden, ob das Demokratieprinzip hinter diese Anforderungen zurücktreten würde588. Im Interesse methodischer Klarheit soll das aber nicht im Zusammenhang mit der Natur der Sache, sondern gesondert für die jeweiligen Verbürgungen im Grundgesetz geprüft werden. Eine Rechtfertigung aus der Natur der Sache kommt demnach nicht in Betracht. c) Das Effektivitätsgebot In deutlicher Nähe zur Rechtfertigung aus der Natur der Sache steht der Rekurs auf die Effektivität589 der Aufgabenerfüllung. Während es bei jener aber um die Funktionsfähigkeit schlechthin geht, liegt der Schwerpunkt nun auf der mittels Weisungsfreiheit gesteigerten Leistungsfähigkeit590. Gerade wenn sich die zwingende Notwendigkeit der Weisungsfreiheit – als Voraussetzung für die Natur der Sache – in der Regel nicht nachweisen läßt, liegt es nahe, sich darauf zu verlegen, daß die Aufgaben so zumindest besser erfüllbar seien. Mit der Natur der Sache ist dies – selbst wenn man sie als eigenständigen Rechtfertigungsgrund anerkennt – nicht begründbar, weil sie nur die Funktion als solche, nicht aber deren Optimierung erfaßt591. Die Effektivität gehört zu den häufig genannten, aber selten begründeten Topoi, wenn es um die Rechtfertigung ministerialfreier Räume geht. Verwaltungswissenschaftliche bzw. politische Gründe oder der „Nutzen für den Gang der Verwaltung“592 genügen indessen nicht für eine dogmatische Verortung593. Das Grundgesetz enthält keine explizite Regelung zur Effektivität594. Daß es sie als Teil der Verfassungsprinzipien gibt, wurde aber nicht zuletzt durch das Bundesverfassungsgericht für die Verfahrensgestaltung zur Gewährleistung demokrati-

588

Ablehnend Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 28 f. Zum Begriff Hoffmann-Riem, in: Schmidt-Aßmann/ders., Effizienz als Herausforderung, 11, 16 f.; Wahl, VVDStRL 41, 151, 162 f.; v. Beyme, Der Gesetzgeber, 320. 590 Unter dem Stichwort der „Effektivität der demokratischen Legitimation“ hatte dieser Gedanke schon beim Legitimationsniveau Bedeutung erlangt. Systematisch ging es dabei aber nicht um Anpassung der Verwaltungsorganisation an die Verwaltungsaufgaben, sondern um das Verhältnis der Legitimationsstränge zueinander. 591 Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 27. 592 W. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 68, Rn. 48. 593 Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, 378. 594 Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 103. 589

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

scher Legitimation bestätigt595. Auch im rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist sie als Geeignetheit und Erforderlichkeit allgegenwärtig. Überraschend ist das nicht, weil jede aus dem Grundgesetz ableitbare Funktion ein ihre Auslegung bestimmendes Beachtungs- und Umsetzungsgebot in sich trägt596. Deutliche Konturen gewinnt die Effektivität, wenn man sie als Frage einer „sinnvollen Verknüpfung von Aufgabe und institutioneller Ausgestaltung einer Verwaltungseinheit versteht“597. Effektivität verbinde sich dadurch mit dem Postulat von Richtigkeit und Rationalität, die ihrerseits dem Rechtsstaatsprinzip598 bzw. dem Grundsatz der Gewaltenteilung599 zu entnehmen seien. Dieser Ansatz soll hier nicht in Frage gestellt werden600. Auch scheint für die ministerialfreien Räume der Kern des Problems prima facie richtig erfaßt worden zu sein, denn Zweck der funktionsgerechten Entscheidungsstruktur sei es, „normativ nur begrenzt steuerbare oder sogar nur eingeschränkt rationalisierbare Aufgaben der Verwaltung einer sachangemessenen Bewältigungsmöglichkeit“601 zuzuführen. Entscheidend sind indessen die Wechselwirkungen, die sich aus dem Verhältnis von Effektivitätsprinzip und Demokratieprinzip ergeben. Als Kehrseite des Effektivitätspostulats negiert Groß den Vorrang des „monistischen“602 Legitimationsmodells, das auf der hierarchischen Ministerialverwaltung basiert, und setzt an seine Stelle eine offene Legitimationsordnung. Als verfassungsrechtlicher Maßstab der demokratischen Legitimationsanforderungen verbleibt daher allein das Postulat der Rückbindung der Staatsgewalt an das Volk603. Deren Vereinbarkeit mit den jeweils erforderlichen funktionsgerechten Organisationsstrukturen gelingt ihm aber nur durch die Anerkennung autonomer Legitimation604. Es darf vermutet werden, daß die Erweiterung der Organisationsstrukturen nicht zufällig mit der Vermehrung der Legitimationssubjekte zusammenfällt. Es gelten allerdings auch hier die bereits gegen autonome Legiti595 BVerfGE 93, 37, 74; dazu Battis/Kersten, DÖV 1996, 584, 588. Für das Rechtsstaatsprinzip mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung Kunig, Rechtsstaatsprinzip, 172, 174 f. 596 Kunig, Rechtsstaatsprinzip, 438 ff., insbesondere 441; Häberle, AöR 98, 625, 631; Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, 12 f.; Wahl, VVDStRL 41, 151, 163, Fn. 32. Kritisch hingegen Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 135, für den „das Effektivitätsargument stets eine petitio principii impliziert“. 597 Groß, Kollegialprinzip, 200. 598 Groß, Kollegialprinzip, 200; ders., in: Sommermann, Gremienwesen, 17, 32; Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem, Steuerungsressource, 9, 40; Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, 254, 256 ff.; Di Fabio, Verw.Archiv 81, 193, 210 f.; RhpfVerfGH NVwZ-RR 1994, 666, 670. 599 v. Danwitz, Der Staat 35, 329 f. 600 Siehe insoweit zum Ziel „richtiger Aufgabenerfüllung“ 3. Kap., VII. 2. b) bb) (2). 601 v. Danwitz, Der Staat 35, 329, 342 f. 602 Groß, in: Sommermann, Gremienwesen, 17, 18. 603 Groß, Kollegialprinzip, 203. 604 Groß, Kollegialprinzip, 235.

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mation genannten Einwände. Ohne sie ist der Ansatz von Groß jedoch nicht haltbar. Eine rechtfertigende Wirkung des Effektivitätsprinzips gegenüber dem Demokratieprinzip vermag er nicht zu erklären605. Angedeutet wird diese Möglichkeit immerhin bei Schmidt-Aßmann606, der dem Effektivitätsprinzip zuschreibt, auf der Ebene der Verfassung ein Gegengewicht zu anderen Rechtspositionen zu sein607. Die gerechtfertigte Einschränkung des Demokratieprinzips käme dann nach dem Gedanken der praktischen Konkordanz in Betracht. Hinter jedem ministerialfreien Raum würde folglich eine Abwägung von Verfassungsprinzipien bzw. gütern stehen. Wie damit ein gegenseitiger Ausgleich erreicht werden soll, ist jedoch unklar608. Praktisch führt die Berufung auf die Effektivität nämlich – abgesehen von Kernaufgaben mit hohem politischem Gehalt – stets zu deren Vorrang. Das Demokratieprinzip wird damit dem Effektivitätsprinzip untergeordnet609. Dies steht indessen im deutlichen Widerspruch zur Konzeption des Grundgesetzes, das von einem demokratischen Vorrang des Parlaments gegenüber der funktionsorientierten Gewaltengliederung ausgeht. Demokratische Legitimation und Effektivität haben dadurch bereits eine verfassungsrechtliche Zuordnung erfahren, die auf einfachgesetzlicher Ebene nicht ohne weiteres konterkariert werden darf. Eine Einschränkung des Demokratieprinzips aus Effektivitätsüberlegungen scheidet daher aus610. d) Verzicht auf parlamentarische Kontrolle Der parlamentarische Verzicht auf Kontrolle wurde schon frühzeitig erwogen611 und von E. Klein zu einem alle Fälle von Ministerialfreiheit erfassenden 605 Ebenso verhält es sich bei v. Danwitz, Der Staat 35, 329, 345: Zwar sei eine funktionsgerechte Organisationsstruktur geeignet „die bereichsspezifischen Defizite in der Legitimationswirkung durch eine Verbindung mit fachlichen Entscheidungselementen so zu beheben, daß eine veritable Synthese beider Erfordernisse entstehe“, die Bedingungen demokratischer Legitimation führt er jedoch nicht aus. 606 Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem, Steuerungsressource, 9, 41. 607 Ähnlich Di Fabio, Verw.Archiv 81, 193, 211; Sommermann, in: ders., Gremienwesen, 9, 14. 608 Kritisch dazu Würtenberger, VVDStRL 58, 139, 156: „Es gibt kein normativ bestimmbares objektives Gewicht eines Rechtsprinzips, mit dem es im Abwägungsprozeß in die Waagschale gelegt wird.“ 609 Im Fall der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank gemäß Art. 88 S. 2 GG rechtfertigt BVerfGE 89, 155, 208 f. mittels einer Effektivitätsargumentation sogar die Vereinbarkeit des insoweit modifizierten Demokratieprinzips mit Art. 79 Abs. 3 GG. 610 Ebenso Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 105, 108, 169; ähnlich Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, passim; Battis/Gusy, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 27. 611 Haas, DÖV 1952, 135, 137; Loening, DVBl. 1954, 173, 176; Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 136; Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 220.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

Lösungsmodell fortentwickelt612. Ihm liegt der Gedanke zugrunde, daß parlamentarische Kontrolle ein Recht sei, auf das das Parlament mittels gesetzlicher Errichtung ministerialfreier Stellen verzichten könne. Die entscheidende Frage, nämlich ob es sich bei der parlamentarischen Kontrolle um ein disponibles Recht oder eine unverfügbare Pflicht handelt, ist für E. Klein vom Verständnis der repräsentativen Stellung des Parlaments abhängig613: Wenn die Bildung des staatlichen Willens dem vom Volk gewählten Parlament übertragen sei, so bedeute dies, daß das Volk als Parlament handle. Volk und Parlament bilden also eine fiktive Einheit614. Nur im Moment der Wahl trete diese Einheit auseinander, um ein neues Parlament zu bestimmen. Wesentlich ist daran, daß aus dieser Sicht das Parlament nicht für das Volk handelt, sondern gewissermaßen das Volk selbst ist615. Gerade dies verbiete aber die Annahme, im Volk einen Bezugspunkt für das Handeln des Parlaments zu sehen. Die parlamentarische Kontrolle sei daher keine Pflicht, sondern nur – verzichtbares – Recht. Diese sogenannte Verzichtstheorie konnte sich nicht durchsetzen und wird aus verschiedenen Gründen abgelehnt616. Weniger überzeugend ist dabei der Einwand, die parlamentarische Mehrheit dürfe ebensowenig über die Rechte der Minderheit verfügen617 wie das Parlament insgesamt über die Rechte der Bundesregierung618. Nach der hier vertretenen Auffassung gilt für die parlamentarische Kontrolle ebenso wie für jede andere Legitimation das Mehrheitsprinzip, so daß die Minderheit keine Einbuße erleidet619. Dagegen kann auch nicht argumentiert werden, daß der Verzicht für künftige Mehrheiten zwar aufhebbar, dessen Folgen bis dahin aber irreversibel sein können, weil das gleiche für jedes andere Parlamentsgesetz auch gilt. Die Verfügung über Zuständigkeiten der Regierung, d.h. das konkrete Weisungsrecht, erscheint deshalb wenig problematisch, weil deren Umfang allein aus dem Demokratieprinzip ableitbar ist. Die Staatsleitungsbefugnis der Bundesregierung ist gegen einzelne Eingriffe hingegen nicht geschützt620.

612

E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 190 ff. E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 192. 614 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 199. 615 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 198. 616 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 24; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 105; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 27. 617 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 105. 618 Loening, DVBl. 1954, 176 f. 619 Mit anderslautender Begründung E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 202 ff. 620 Stern, Staatsrecht II, 790 f., für den die Leitungsbefugnis der Regierung als Regelfall gewahrt bleiben muß. Restriktiver im Fall der ministerialfreien Stellen Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 323. 613

VI. Rechtfertigung der Ministerialfreiheit

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Zutreffend ist demgegenüber die Kritik an der von E. Klein zugrundegelegten Repräsentationslehre621, obschon sie zum Teil auf die Feststellung verkürzt wird, daß die Kontrolle nicht eigen-, sondern fremdnützig sei622. Dabei gilt, daß der Versuch, das Volk mittels seiner gewählten Vertretung zu marginalisieren, erfolglos bleiben muß, weil ihm nicht nur der demokratische Grundgedanke der Volkssouveränität, sondern auch der Wortlaut von Art. 20 Abs. 2 GG entgegensteht623. E. Klein kommt dagegen eher der Vorstellung Rousseaus nahe, wonach die Volkssouveränität durch die Repräsentation aufgegeben werde624. Im Grundgesetz ist das Volk aber in einen eigenen verfassungsrechtlichen Status eingesetzt und mittels einer deutlichen Zäsur von den drei Gewalten abgegrenzt, was ein Ineinanderfallen von Volk und Parlament ausschließt. Zwar ist einzuräumen, daß das zugrundegelegte Modell demokratischer Legitimation schon in seinem Ausgangspunkt, nämlich dem Verhältnis zwischen Volk und Parlament Besonderheiten aufweist625. Das Fehlen der inhaltlich-materiellen Legitimation des Parlaments – zudem von Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG abgesichert – ist weder durch Wahlversprechen, Parteiprogramme oder die öffentliche Meinung kompensierbar, noch darf es als verfassungsmäßiges Legitimationsdefizit qualifiziert werden (das sich überdies auf jeder Legitimationsstufe fortsetzen würde). Die auf seine Wahl begrenzte Legitimation des Parlaments kann schlagwortartig mit dem Gedanken der Repräsentation erklärt werden626. Das Verhältnis des Parlaments zum Volk als Souverän ist damit ein anderes als das der übrigen Verfassungsorgane. Aber bereits der Umstand, daß hier noch von Verhältnis zu sprechen ist, mag als Zeichen der fortdauernden Trennung gelten. Diese bildet bereits die erste Stufe im Bauplan der Staatswillensbildung627. Damit wird die Vorstellung unrichtig, das Parlament nehme parlamentarische Kontrolle als eigenes und damit verzichtbares Recht wahr. Vielmehr findet diese ihren Bezugspunkt im Volk, für das sie das Parlament nach dem Repräsentationsgedanken ausübt. Ein Verzicht wird damit unzulässig.

621

Emde, Demokratische Legitimation, 308 f. Undeutlich Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 26 f. 623 Emde, Demokratische Legitimation, 309. 624 Rousseau, Du contrat social, 3. Buch, 15. Kapitel: „Das englische Volk glaubt frei zu sein, es täuscht sich gewaltig; es ist nur frei während der Wahl der Parlamentsmitglieder; sobald diese gewählt sind, ist es Sklave, ist es nichts.“ 625 Ebenso Emde, Demokratische Legitimation, 44 f. 626 Mit Blick auf die Verantwortungsstruktur 1. Kap., III. 3. c) aa). 627 Emde, Demokratische Legitimation, 310. Deutlicher wird dies noch bei dem von Meyer für das Verhältnis Volk – Parlament gewählten Begriff der Vertretung, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, § 4, Rn. 9. 622

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

e) Gewaltenteilung aa) Allgemeines Das Verhältnis zwischen ministerialfreien Räumen und dem Grundsatz der Gewaltenteilung interessiert hier nur, soweit daraus eine Rechtfertigung gegenüber den demokratischen Anforderungen gewonnen werden kann628. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß gerade mit der Gewaltenteilung der sachliche Grund für die Notwendigkeit der parlamentarischen Kontrolle gelegt ist629. Damit war zugleich die Feststellung verbunden, daß die parlamentarische Kontrolle nur in einem theoretischen Sinn eine Durchbrechung der Gewaltenteilung ist, in ihrer demokratischen Ausformung durch das Grundgesetz aber nicht als Ausnahme, sondern als Regelfall zu gelten hat. Orientierungspunkt ist nicht das theoretische Modell absoluter Gewaltentrennung, sondern das im Grundgesetz angelegte System von checks and balances. Der demokratische Zusammenhang ist in der verfassungsmäßigen Konstituierung und Zuordnung der Gewalten nach Funktionen, Organen und Status durch die Gewaltenteilung enthalten. Er ist mitzudenken sowohl in dem „prinzipiellen Verbot der Wahrnehmung oder Zuweisung von Funktionen, die der Struktur des Organs und der von ihm wahrzunehmenden Grundfunktion nicht entsprechen“630, als auch in dem Gebot, „daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, d.h. von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen“631. Demokratieprinzip und Gewaltenteilung können daher nicht ohne weiteres in einen rechtfertigungsrelevanten Gegensatz gebracht werden. Es ist unzulässig, Ministerialfreiheit wegen funktionsinadäquater Struktur der Verwaltung mit der Gewaltenteilung zu begründen, sei es, daß sich Funktion und Organ nicht entsprechen, sei es, daß Entscheidungen so richtiger getroffen würden. Wollte man dies aber annehmen, wäre die aus Art. 97 Abs. 2, 114 Abs. 2 GG folgende Unabhängigkeit bereits mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung erklärbar und darum nur deklaratorische Regelung. Ähnlich unzutreffend ist es auch, die Weisungsfreiheit auf Gewaltenteilung in Form von Gewaltenhemmung innerhalb einer Gewalt zurückzuführen632. Weil 628 Davon zu unterscheiden ist insbesondere die Frage, ob die Gewaltenteilung den ministerialfreien Räumen entgegensteht. Vgl. dazu BVerfGE 9, 279, 280; Bachof, JZ 1962, 355; Fichtmüller, AöR 91, 297, 319 f.; Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 294 ff.; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 128 ff.; zusammenfassend Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 73 f. 629 Dazu bereits 1. Kap., II. 4. 630 K. Hesse, Grundzüge, Rn. 489. 631 BVerfGE 68, 1, 86; 95, 1, 15. 632 Eingehend Leisner, in: Spanner, Festgabe Maunz, 267, 270, 276 ff. Vgl. auch Stern, Staatsrecht II, 541; Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 337; E. Klein, Proble-

VI. Rechtfertigung der Ministerialfreiheit

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sein „Maßstab der Verwirklichung (. . .) die konkrete Ausgestaltung durch die Verfassung“633 ist, kann der Grundsatz der Gewaltenteilung „nicht für die Rechtfertigung des Zugriffs auf in der Verfassung vorgegebene Strukturen einer der Funktionen herangezogen werden“634. Gewaltenteilung würde dann nicht nur gegen das Demokratieprinzip, sondern auch gegen sich selbst ausgespielt werden. Möglich ist allenfalls die Feststellung, daß sich mit den ministerialfreien Räumen ein Stück Gewaltenteilung innerhalb der Verwaltung verwirklicht. Eine Aussage über die Rechtmäßigkeit oder gar eine Rechtfertigung ist damit nicht verbunden. Vor diesem Hintergrund scheint die Zulässigkeit der Ministerialfreiheit allenfalls dann denkbar, wenn der Grund für das Erfordernis parlamentarischer Kontrolle entfiele. Die Gewaltenteilung selbst kann damit nicht gemeint sein, weil in diesem Fall definitionsgemäß auch keine ministerialfreien Räume mehr existierten. Anzusetzen ist vielmehr bei der parlamentarischen Kontrolle als Gewaltenverschränkung, die dann überflüssig wäre, wenn ein ministerialfreier Raum über eine eigene Legitimationsquelle verfügte. Entsprechende Versuche mittels Teilvölkern oder autonomer Legitimation waren jedoch – mit Ausnahme von Art. 28 Abs. 2 GG – abzulehnen635. Die Zulässigkeit der Ministerialfreiheit ergäbe sich in diesen Fällen ohnehin nicht aus der Gewaltenteilung, sondern aus dem Demokratieprinzip selbst. bb) Der Treuhandcharakter ministerialfreier Räume Die Darstellung wäre unvollständig, würde sie auf den breit angelegten Ansatz von Waechter verzichten636. Sein Ausgangspunkt sind die Unterschiede in der Art der demokratischen Legitimation im Verhältnis der drei Staatsfunktionen. Daraus versucht er ein Modell für ministerialfreie Räume zu entwickeln, das die Beschränkungen des Demokratieprinzips mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung rechtfertigt. Waechter setzt voraus, daß das Demokratieprinzip nicht einheitlich gelte, sondern je nach Staatsgewalt differenzierte Aussagen treffe637. Der Gedanke matik des ministerialfreien Raumes, 176 f.; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 94 f. 633 K. Hesse, Grundzüge, Rn. 481. 634 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 133. 635 Siehe dazu 3. Kap., V. 3. c). 636 Waechter, Geminderte demokratische Legitimation. 637 Damit wendet sich Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 38, 72, 73 mit Fn. 196, dezidiert gegen Böckenförde, dem er vorhält, für alle Staatsfunktionen das gleiche Legitimationsniveau zu fordern, was insbesondere die inhaltlich-sachliche Legitimation umfassen soll. Diese Lesart durch Waechter ist jedoch nicht nachvollziehbar.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

eines rein repräsentativen Systems sei im Grundgesetz gemeinsam mit identitären Elementen dergestalt verwirklicht, daß sich je nach Staatsfunktion mehr das eine oder das andere finde638. Praktisch bedeute das, daß die Exekutive mit ihrer strengen Legitimation dem identitären Modell folge, die Legislative sowie die Rechtsprechung hingegen dem repräsentativen639. Für die repräsentativen Funktionen wählt er den Begriff der Treuhand bzw. des Mandats, für die identitären Funktionen den des Amtes. Diese Unterscheidung wirke sich nur bei den Anforderungen der sachlich-inhaltlichen Legitimation aus, während im übrigen am Legitimationsmodell festzuhalten sei640. Obschon das differenzierte Demokratiemodell aus sich selbst bestehe, ordnet er es dem Gewaltenteilungsgrundsatz zu, die Trennlinie zwischen den unterschiedlichen Aussagen zu bilden641. Waechter leitet daraus die Möglichkeit ab, anhand des Gewaltenteilungsgrundsatzes die jeweiligen Anforderungen des Demokratieprinzips bestimmen zu können642. Soweit dies eine Beschränkung der Aussagen des Demokratieprinzips darstellt, handle es sich um eine verfassungsmäßige Rechtfertigung643. Vor diesem Hintergrund wendet er sich den staatlichen Kontrollaufgaben zu, die seiner Meinung nach innerhalb der Gewaltenteilung „offenbar in erster Linie zu der Judikative und in einem Teilaspekt zu der Legislative“ zu rechnen seien644. Der für diese Staatsfunktionen geltende repräsentative Treuhandgedanke müsse, so folgert er, auch für alle anderen staatlichen Kontrollfunktionen gelten, ganz gleich welcher Staatsgewalt sie zuzuordnen seien. Praktische Voraussetzung dafür sei allerdings eine hinreichende Abgrenzung, was zum Bereich dieser Kontrollfunktion gehöre. Weil der Kern seiner Überlegung in der Funktionsähnlichkeit besteht, greift Waechter auf den für die Legislative wie auch die Judikative geltenden Kontrollbegriff zurück645. Aus ihm leitet er ab, daß Kontrolle einerseits stets ein Vergleichselement enthalte und darüber hinaus der Beeinflussung anderer Staatsorgane dienen müsse646. Von Kontrolle sei dann auszugehen, wenn Fehlfunktionen der existierenden staatlichen Institutionenordnung durch die Einrichtung von Gegenkräften kompensiert werden sollen. Soweit ministerialfreie Räume diesen Kriterien genügen, sei ihre Weisungsfreiheit durch den Grundsatz der Gewaltenteilung gerechtfertigt. Zugleich räumt er allerdings selbst ein, daß die Abgrenzung letztlich unscharf bleibe, so daß auch die Recht-

638 639 640 641 642 643

Waechter, Waechter, Waechter, Waechter, Waechter, Waechter,

Geminderte Geminderte Geminderte Geminderte Geminderte Geminderte

demokratische demokratische demokratische demokratische demokratische demokratische

Legitimation, Legitimation, Legitimation, Legitimation, Legitimation, Legitimation,

67. 69. 72. 65. 73. 93, 95, 102, 149 mit Fn. 487,

168 f. 644 645 646

Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 73. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 95. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 99.

VI. Rechtfertigung der Ministerialfreiheit

289

fertigungswirkung gegenüber dem Demokratieprinzip in Frage stehe. Die Zuordnungsleistung über die Kontrollfunktion weist er daher dem Beurteilungsspielraum des Parlaments zu647. Entkleidet man das Modell Waechters seiner ausführlichen, bisweilen windungsreichen Herleitungs- und Abgrenzungsargumentation, so bleibt es eine letztlich auf schwachem Fundament ruhende Hypothese648. Schon seine Einordnung im Rahmen dieser Untersuchung wirft die Frage auf, ob es sich tatsächlich um eine Rechtfertigung handelt: Das Demokratieprinzip treffe eigenständige und differenzierte Aussagen über seine Anforderungen, so daß Staatsfunktionen mit Kontrollcharakter auch ohne volle Sachlegitimation als umfassend legitimiert zu gelten haben. Dem Gewaltenteilungsgrundsatz kommt dabei offenbar nur Klarstellungsfunktion zu. Läßt man sich auf diesen Ansatz ein, liegt der Gedanke nicht fern, daß das gleiche auch für Kontrollfunktionen innerhalb der Exekutive zu gelten habe. Für ministerialfreie Räume dieser Kategorie müßten die besonderen demokratischen Anforderungen bereits aus dem Demokratieprinzip selbst folgen. Waechter sieht hingegen eine Verletzung des Demokratieprinzips, so daß er selbst von einer Rechtfertigung ausgeht. Demokratische Anforderungen richten sich damit prima facie nach der formalen Zuordnung zu einer Staatsfunktion, nicht aber nach der jeweiligen staatlichen Funktion. Einem derart manifestierten Gewaltenteilungsmodell steht jedoch nicht nur die allgemeine Unschärfe der Funktionszuordnung entgegen, sondern auch, daß die Bestimmung der jeweiligen demokratischen Anforderungen für die Funktionen unbewiesen bleibt. Unabweisbar ist das Demokratieprinzip für die Hauptstaatsfunktionen unterschiedlich ausgeprägt. Waechter folgert das aus den im Grundgesetz erkennbaren Legitimationsstrukturen. Insoweit handelt es sich aber nicht um eine gerechtfertigte Beschränkung, sondern um dessen originäre Bestimmung. Problematisch daran ist, daß Waechter dies prinzipienhaft verallgemeinert, um im nächsten Schritt die seinem Modell widersprechenden Bestandteile „zu rechtfertigen“. Ob die Kontrolleigenschaft der von ihm dafür postulierten Funktionsähnlichkeit genügt, scheint mehr als fraglich. Einerseits muß der Kontrollbegriff nämlich so allgemein sein, daß er für alle mandatsmäßig zu legitimierenden Organe gleichermaßen gilt, andererseits muß er aber so speziell sein, daß er die zweifellos bestehenden Kontrollwirkungen der übrigen Organe ausschließt. In Anbetracht dieser Schwierigkeit kann die Zuweisung an den Beurteilungsspielraum des Parlaments das Eingeständnis, daß das Modell nicht trägt, nur mühsam überdecken.

647 648

Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 100. Kritisch auch Brosius-Gersdorf, Bundesbank und Demokratieprinzip, 123.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

cc) Wiederherstellung der Gewaltenbalance Einen gänzlich anderen Ansatz zur Gewaltenteilung verfolgt Roller, der in den ministerialfreien Stellen keine Beschränkung, sondern viel eher eine Wiederherstellung der Gewaltenbalance sieht. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, mittels der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung einerseits und der parlamentarischen Kontrolle andererseits werde ein Gleichgewicht zwischen den Gewalten geschaffen649. Weil aber in der Verfassungswirklichkeit diese Kontrollfunktion in verschiedenen Fällen versage, mithin uneffektiv sei, biete die Weisungsfreiheit eine Möglichkeit, die Macht der Regierung zu beschränken, ohne zugleich einen weiteren Einflußverlust des Parlaments herbeizuführen650. Während ersteres ohne weiteres einleuchtet, muß letzteres damit begründet werden, daß der parlamentarische Einfluß bereits tatsächlich entfallen ist. Roller unterscheidet demnach folgende Möglichkeiten: In einem funktionierenden Kontrollverhältnis bestehe eine ausgewogene Machtbalance, so daß Ministerialfreiheit gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoße. Im Falle einer Fehlfunktion hingegen werde der verfassungsmäßige Zustand erst durch die Ministerialfreiheit herbeigeführt. Der Vorstellung Rollers kann aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden651. Zunächst beruht seine Beobachtung eines Kontrolldefizits auf einem völlig anderen Verständnis von parlamentarischer Kontrolle652. Daraus folgt bereits, daß er dem Problem der demokratischen Legitimation keine Aufmerksamkeit schenkt. Auch wenn er einen Verstoß gegen das parlamentarische Prinzip untersucht, geht es ihm doch ausschließlich um den Aspekt der Gewaltenteilung. Problematisch ist weniger seine These von praktischen Kontrolldefiziten, als vielmehr die Frage, wie diese festgestellt und bewertet werden sollen. Parlamentarische Kontrolle ist weder auf umfassende Detailkritik angelegt653 noch eine vertretbare Größe. Folgt man seinem Gedanken, würde zudem eine Gewalt das Mittel zur Neujustierung der Gewaltenbalance erhalten, was rechtsstaatlich weit über eine Störung der Gewaltbalance hinausginge. f) Rechtsstaatsprinzip Es wurde in anderem Zusammenhang bereits auf die Vorstellung hingewiesen, daß die Errichtung ministerialfreier Räume zu sachgerechteren Entscheidungen führe654. Im folgenden geht es um den Versuch, diesen Umstand an649 650 651 652 653

Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 119. Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 120, 122. Vgl. zur Kritik auch Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 337 f. Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 120. E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 180.

VI. Rechtfertigung der Ministerialfreiheit

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hand des Rechtsstaatsprinzips zur Rechtfertigung gegenüber dem Demokratieprinzip fruchtbar zu machen. Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wird im allgemeinen als Kernbestand des Rechtsstaatsprinzips angesehen. Daneben soll ihm aber auch ein Prinzip der Sachgerechtigkeit zu entnehmen sein, das in einer Art Ergänzungsverhältnis zum Tragen komme, wenn die Verwaltungstätigkeit keiner gesetzlichen Determinierung unterliege. Es handle sich um eine am Gemeinwohl orientierte Sacherledigung, deren Inhalt aus dem Wesen der übertragenen Aufgaben zu entnehmen sei655. Das dahingehend bestimmte Verwaltungshandeln werde im Normalfall von der parlamentarischen Kontrolle erfaßt. Diese sei in bestimmten Fällen jedoch ungeeignet, Gesetzmäßigkeit oder Sachgerechtigkeit abzusichern, weil sie selbst dazu beitragen könne, ihren Zweck ins Gegenteil zu verkehren. Wie auch jede andere willkürliche Interessenpolitik führe sie dann zur Verletzung des Rechtsstaatsprinzips. Das Grundgesetz halte hingegen mit der Rechtsprechung ein Beispiel der Problemlösung bereit: Deren Unabhängigkeit gemäß Art. 97 GG sei eine Einschränkung der Demokratie im Interesse der Rechtsstaatlichkeit. Der Grundgedanke könne auf drei Bereiche der Verwaltung übertragen werden, nämlich auf verwaltungseigene Kontrollstellen, auf die Fälle streng gesetzesgebundener oder sachbezogener Aufgabenwahrnehmung und auf das Erfordernis von besonderem Sachverstand und Fachwissen656. Jeweils sei die unabhängig handelnde Verwaltung der parlamentarischen Kontrolle funktional überlegen und darum rechtsstaatlich begründet. Zugleich wechselt Fichtmüller jedoch die Argumentationsebene657. Erscheint die Unabhängigkeit zunächst als Einschränkung der Demokratie, soll es sich hier um demokratisch nachgeordnete Bereiche handeln, in denen parlamentarische Kontrolle rein rechtsstaatlichen Charakter habe und darum durch wirkungsvollere Instrumente ausgetauscht werden könne. Sein Grundverständnis entspricht damit nicht der hier erarbeiteten Problemlage, so daß seine Schlußfolgerungen nur eingeschränkt übertragbar sind658. Es kann dahin gestellt bleiben, ob dem Rechtsstaatsprinzip ein Prinzip der Sachgerechtigkeit zu entnehmen ist. Eine Einschränkung des Demokratieprinzips läßt sich damit jedenfalls nicht begründen. Fichtmüller führt dazu die Orientierung am Gemeinwohl einerseits, die Abwehr von sachfremden Erwä654

Siehe dazu 3. Kap., IV. 1. Fichtmüller, AöR 91, 297, 341. 656 Fichtmüller, AöR 91, 297, 342 f.; Müller, JuS 1985, 497, 504, 508. Zumindest im Ansatz vergleichbar ist die Argumentation bei v. Arnim, AöR 113, 1, 11 f., 17, der für die Funktion der kommunalen Selbstverwaltung zumindest auch eine Legitimation durch gesteigerte Richtigkeit sieht. 657 Fichtmüller, AöR 91, 297, 342, 344. 658 Tatsächlich geht Fichtmüller davon aus, daß in diesen Fällen nicht das demokratische Prinzip, sondern nur das Rechtsstaatsprinzip Geltung habe. 655

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

gungen andererseits an. Dazu ist zunächst zu bemerken, daß es das Gemeinwohl – etwa im Sinne einer volonté générale – als feststellbare Größe nicht gibt und im demokratisch-parlamentarischen System auch nicht geben kann. Ebenso wird man darüber, was sachfremde Erwägungen sind, nur in offensichtlichen Ausnahmefällen Übereinkunft erzielen können. Gerade die Abgrenzung zulässiger politischer Gestaltung der gesetzlichen Handlungsspielräume von sachfremder Einflußnahme wird kaum bereichsweise möglich sein. Die Rechtsstaatlichkeit gewinnt bei Fichtmüller aber den Charakter einer Richtigkeitsgewähr, deren Inhalt auch das Parlament bindet bzw. geeignet sein soll, dieses zu überspielen. Dies mag für das Gesetzmäßigkeitsprinzip richtig sein, da es das parlamentarische Gesetz zum Maßstab der parlamentarischen Kontrolle macht659. Für die Sachgerechtigkeit kann dies jedoch nicht mit gleicher Eindeutigkeit gesagt werden. Systematisch gibt es dafür nur zwei Deutungsmöglichkeiten: Entweder müßte von einer absoluten, überpositiven Richtigkeit ausgegangen werden, was im demokratischen System aber nicht begründbar ist. Oder die Entscheidung, in welchen Fällen eine unabhängige Verwaltungsorganisation die gegenüber dem Ministerialsystem und der parlamentarischen Kontrolle richtigeren Ergebnisse hervorbringt, wurde in abstrakter Form vom Parlament bereits vorbestimmt. Dann handelt es sich aber weniger um eine rechtsstaatlich begründete Einschränkung des Demokratieprinzips, sondern um die Frage, ob das Parlament ein Zugriffsrecht auf die parlamentarische Kontrolle, etwa im Sinne eines Verzichts, hat. Dem Rechtsstaatsprinzip ist insoweit keine Rechtfertigung gegenüber dem Demokratieprinzip zu entnehmen. Einen anderen Ansatz entwickelt Waechter, indem er für Fälle der Befangenheit auf das Rechtsstaatsprinzip verweist. Er hat dabei einen institutionellen Funktionswiderspruch vor Augen, in dem einem Weisungsberechtigten innerhalb des Ministerialsystems verschiedene Funktionen mit jeweils unterschiedlichen, einander entgegenstehenden öffentlichen Interessen zugewiesen sind660. Das Mittel zur Bewältigung des Widerspruchs liege in der Weisungsfreiheit in Form institutioneller Trennung. Die damit einhergehende Verringerung der demokratischen Legitimation werde durch den Grundsatz der Gesetzesbindung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG gerechtfertigt. Beispielhaft verweist Waechter dafür auf die Befangenheitsregeln im Kommunalrecht, die soweit gehen, „daß sie die demokratische Legitimation der Entscheidung mindern“, sowie auf die Unabhängigkeit der (Verwaltungs-)Rechtsprechung661. Bedingung der Rechtfertigungswirkung sei aber, daß die Besorgnis der Befangenheit ein besonderes Gewicht habe, was entweder am Grad der Besorgnis oder am drohenden Schaden zu bestimmen sei662. 659 660 661

Vgl. dazu 1. Kap., IV. 6. a). Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 163. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 167.

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Dieser Rechtfertigungsansatz nimmt eine Beobachtung auf, die für ministerialfreie Räume allgemein gilt: Die gemeinwohlorientierte Entscheidung wird von sachfremden Interessen in einem Bereich bedroht, der nicht kodifizierbar ist663. Schon aus diesem Grund ist es aber in hohem Maße fraglich, ob der Grundsatz der Gesetzesbindung eine Befangenheitsregelung trägt. Dazu genügt sicher nicht der Hinweis, Art. 20 Abs. 3 GG sei zu „einer Relativierung der Anforderungen an die demokratische Verantwortlichkeit“ in der Lage, weil für das „gesamte Rechtsstaatsprinzip (. . .) eine solche Funktion anerkannt ist“664. Fest steht lediglich, daß Art. 20 Abs. 3 GG einen Ausschnitt aus der Verantwortlichkeitsstruktur betrifft. Für jede gesetzliche Regelung verbleibt die demokratische Verantwortung beim Gesetzgeber selbst, während die Regierung nur die Ausführungsverantwortung trägt. Insoweit handelt es sich um keine Relativierung, sondern um das Grundmuster demokratischer Legitimation. Wie der Grundsatz der Gesetzesbindung Weisungsfreiheit im Bereich der Ausführungsverantwortung tragen soll, ist nicht ersichtlich. Tatsächlich wird von der wohl herrschenden Meinung unter Berufung auf das Rechtsstaatsprinzip trotz Weisungsfreiheit an der Rechtsaufsicht festgehalten665. Darüber hinaus erscheint schon der Funktionswiderspruch als Ansatz problematisch. Stellt man sich die Verwaltungshierarchie als Pyramide vor, wird offensichtlich, daß sich nicht nur Zuständigkeiten, sondern auch Befugnisse mit jeder höheren Ebene konzentrieren. Wollte man schon widerstreitende Interessen als legitimationsrelevante Befangenheit sehen, wäre Hierarchie als Organisationsmodell unbrauchbar. Anzumerken ist dabei, daß die parlamentarische Kontrolle gerade für die Problematik der Interessenkollision innerhalb der demokratischen Legitimationsstrukturen vorgesehen ist. Warum diese zugunsten der Befangenheitsregelung ausgeschlossen werden soll, bleibt ebenso begründungsbedürftig, wie die Frage, ob es bei den von Waechter gewählten Parametern nicht ein geeigneteres Mittel gegeben hätte. Weil er nämlich ausschließlich die Einhaltung der Gesetzesbindung zum Grund der Weisungsfreiheit macht, also dem nichtkodifizierten Raum gar keine Beachtung schenkt, hätte es nahegelegen, die Weisungsfreiheit mit Möglichkeiten der Gerichtskontrolle zu ergänzen666. Das gilt um so mehr, als es hier um Fälle gehe, in denen „der Staat in wichtigen Interessen betroffen“667 sei. Aus diesen Grün-

662

Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 167. Waechter selbst konstatiert an anderer Stelle, Geminderte demokratische Legitimation, 37, daß „Ministerialfreiheit gerade in denjenigen Bereichen eingeräumt wird, in denen eine genaue, gesetzliche Programmierung des Staatshandelns unmöglich oder untunlich erscheint“. 664 Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 166. 665 Siehe dazu 3. Kap., II. 5. a) aa). 666 Ein bereits genanntes Beispiel dazu bildete das Entscheidungsverfahren nach AsylVfG a. F. Dazu 3. Kap., III. 2. a). 667 Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 161. 663

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den kann auch dem Befangenheitsgedanken keine Rechtfertigungswirkung entnommen werden. g) Demokratieprinzip Eine Beschränkung des demokratischen Legitimationsmechanismus ist prima facie eine Verletzung des Demokratieprinzips. Umgekehrt könnte man aber auch argumentieren, daß in bestimmten Fällen die konsequente Durchführung der Demokratie zu deren Selbstgefährdung führe. Im Interesse einer leistungsfähigen Demokratie erscheinen Einschränkungen dann sogar als demokratisches Plus. Fichtmüller vertritt dies zur Vermeidung von Machtkonzentration, in Fällen eines Widerspruchs zwischen sachlicher Notwendigkeit und interessenpolitischen Forderungen sowie bei starker Uneinigkeit der politischen Kräfte668. Modal sei dafür eine politische Neutralisierung für einzelne politische Aufgaben angezeigt, die auch eine Beschränkung der parlamentarischen Kontrolle einschließe. Unter Hinweis auf die vom Grundgesetz geforderte Neutralität des Rundfunks versucht Fichtmüller den Nachweis zu führen, daß die Einschränkung des Parlamentseinflusses auch im politischen Bereich dem geltenden Verfassungsrecht nicht unbekannt sei669. Zwar werde damit eine Regelung entgegen dem demokratischen Strukturprinzip geschaffen, eine verfassungsrechtliche Ausnahmeregelung sei gleichwohl nicht erforderlich. Denn die Reichweite der parlamentarischen Kontrolle bleibe im Grundgesetz unbestimmt, jedenfalls gelte sie nicht absolut. Zum Zwecke eines Gewaltenausgleichs sei ihre Einschränkung hinnehmbar, solange dem Parlament die Gestaltung der Gesamtpolitik erhalten werde670. Es wäre sicherlich zu kurz gegriffen, allein gegen die Ausgangsthese zu polemisieren, daß weniger Legitimation zu einem höheren demokratischen Niveau führen könne. Anzuerkennen ist nämlich, daß das demokratische System trotz aller institutionellen Sicherungen mißbrauchsanfällig bleibt. Gegen die Vorstellung einer besseren Demokratie durch eine Einschränkung ihrer formalen Geltungsbedingungen richten sich gleichwohl zwei Einwände671. Im parlamentarisch-demokratischen System gibt es – abgesehen von verfassungsrechtlichen Vorgaben – keine andere richtige politische Entscheidung als die parlamentarisch abgeleitete. Zum anderen sind die mit dem Begriff der Neutralisierung verbundenen Erwartungen nicht erfüllbar672. Auch die Ausschaltung des mini668

Fichtmüller, AöR 91, 297, 345; ihm folgend Müller, JuS 1985, 497, 504. Fichtmüller, AöR 91, 297, 347. 670 Fichtmüller, AöR 91, 297, 348 f. 671 Vgl. auch Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 165. 672 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 179 f.; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 25, 169. 669

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steriellen Einflusses verhindert nicht, daß Entscheidungen getroffen werden müssen. Die im Einzelfall maßgeblichen Gründe sind dann aber keine unpolitischen, sondern allenfalls andere. Entpolitisierung ist daher nur im organisationsrechtlichen Sinne der Ausschaltung der politischen Leitungsebene denkbar, nicht aber im Hinblick auf die Entscheidungsbegründung. Neutralität ist nur bei völliger gesetzlicher Determinierung oder bei Verzicht auf eine Entscheidung zu haben. 2. Konkrete Verfassungsbestimmungen Im folgenden geht es um die Rechtfertigung von Einschränkungen des Demokratieprinzips anhand konkreter Verfassungsbestimmungen. Dabei stellt sich vornehmlich die Frage nach deren Bestimmtheit. Die denkbaren Möglichkeiten reichen von den ausdrücklichen Regelungen in Art. 97 Abs. 1, 114 Abs. 2 GG, die allerdings keine ministerialfreien Räume im hier zugrundegelegten Sinn betreffen673, bis zu Andeutungen aus den Beratungen des Parlamentarischen Rats. Sinnvollerweise kann diese Frage nicht abstrakt geklärt werden, sondern sollte der Betrachtung im einzelnen überlassen werden. Soweit auf diesem Weg die Zulässigkeit einzelner ministerialfreier Räume nachgewiesen werden kann, stellt sich jeweils das Folgeproblem der Übertragbarkeit auf andere Einrichtungen im Wege der Analogie. a) Grundrechte Trotz oder gerade wegen der dem Staat entgegengesetzten Richtung der Grundrechte kommen aus diesem Bereich vielfältige Begründungen für die begrenzte Unabhängigkeit einzelner ministerialfreier Räume im staatlichen Verantwortungszusammenhang. Bekannte und allgemein anerkannte Beispiele sind Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und Art. 5 Abs. 3 GG für die wissenschaftlichen Hochschulen. Der unbesehenen Übernahme dieser Rechtfertigung steht jedoch nicht nur das Bedürfnis nach einer dogmatischen Begründung entgegen, sondern auch, daß bei unbefangener Betrachtung gerade die Grundrechtsnähe eine volle demokratische Absicherung der Staatsgewalt notwendig erscheinen läßt. Erforderlich ist daher eine Auseinandersetzung mit den Grundrechtslehren. Konkret zielt die Untersuchung auf die objektiv-rechtliche Dimension der Grundrechte in ihren verschiedenen Ausdeutungen674. Um der damit verbundenen fast unüberschaubaren Materialfülle zu entgehen, sollen im folgenden einzelne Modelle exemplarisch herausgestellt werden. 673 674

Vgl. 3. Kap., II. 5. c). Dazu umfassend Stern, Staatsrecht III/1, § 69; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 290 ff.

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aa) Grundrechtlicher Pluralismusschutz Einen verallgemeinernden Ansatz stellt der von Schreyer675 entwickelte grundrechtliche Pluralismusschutz dar, weil darin objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte nicht auf einzelne Grundrechte beschränkt, sondern in ein allgemeines Prinzip überführt werden. Ausgangspunkt ist die Feststellung, daß die rein subjektiv-individuelle Abwehrfunktion der Grundrechte unzureichend sei676. Daher müsse die in den Grundrechten ebenfalls angelegte objektive Werteordnung zum Schutz der zwischen Staat und dem Einzelnen angesiedelten pluralistischen Ebene „öffentlicher Freiheit“ fortentwickelt werden677. Damit sollen jedoch nicht nur Differenzierungsprozesse der gesellschaftlichen Untersysteme „gegen die Hereinziehung in staatliche Integrationsprozesse“678 geschützt werden. Angesichts der Abhängigkeit des geistig-kulturellen Sektors von Staatsleistungen müsse sich der normative Gehalt der Grundrechte als status activus processualis679 auch im staatsorganisatorischen Bereich entfalten, um so deren „Aktualisierungskompetenz gesellschaftlicher Besonderheiten bereits im Prozeß der staatlichen Entscheidungsfindung berücksichtigen“ zu können680. Diese Funktion sei vor allem Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 5 Abs. 1 und 3, Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 9 Abs. 1 GG eigen, weil sie in besonderem Maße Lebensbereiche schützen, die von sozialer Differenzierung geprägt seien. Die Unabhängigkeit der Filmförderungsanstalt681, der Bundesprüfstelle682 sowie der Jugendwohlfahrtsausschüsse683 sei auf diese Weise gegenüber den demokratischen Anforderungen zu rechtfertigen684. Gerade im Hinblick auf die demokratische Legitimation interessiert an dieser Stelle, wie diese Rechtfertigung konstruktiv zu verstehen ist685. Die Rede ist von der grundrechtlich vermittelten „materiellen Legitimation des demokrati-

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Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, 117 ff. Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, 124. 677 Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, 118, 121, 124, versteht darunter „Bereiche relativer gesellschaftlicher Autonomie, die vor allem durch verschiedene Formen organisierter pluralistischer Interessenwahrnehmung sowie durch einen Pluralismus der Sachbereiche konstituiert werden“. 678 Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, 127. 679 Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, 134, übernimmt damit den von Häberle, VVDStRL 30, 43, 80 f., 86 ff., eingeführten Begriff. 680 Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, 133, 134 f. 681 § 7 Abs. 2 S. 5 FFG für die Mitglieder der Vergabekommission. Im übrigen sieht § 13 Abs. 1 FFG lediglich Rechtsaufsicht vor. 682 Dazu 3. Kap., III. 1. c). 683 An die Stelle der Jugendwohlfahrtsausschüsse des JWG sind inzwischen die Jugendhilfeausschüsse gemäß § 71 SGB VIII getreten. 684 Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, 135 ff. 685 Ebenso bei Jestaedt, Kondominialverwaltung, 559, Fn. 614, und 579. 676

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schen Staates“, die an die Stelle der demokratischen Legitimationsprozesse trete686. Es könnte sich folglich um eine Form der Kompensation handeln. Dieses Mißverständnis wird dadurch bedingt, daß der Begriff der Legitimation im allgemeinen Sprachgebrauch nicht auf demokratische Legitimation beschränkt ist, sondern auch für die Grundrechtswirkung Anwendung findet687. Richtig ist indessen, daß sich grundrechtliche und demokratische Legitimation als aliud gegenüberstehen und darum scharf von einander abzugrenzen sind688. Dementsprechend heißt es bei Schreyer auch einschränkend, daß die Grundrechte nur die besondere „Ausgestaltung staatlicher Entscheidungsverfahren legitimieren können“689 – von den Entscheidungen selbst ist also nicht die Rede. Eine Kompensation demokratischer Legitimation findet daher nicht statt, so daß als Alternative nur die Rechtfertigung einer Ausnahme vom Demokratieprinzip in Betracht kommt. Dafür spricht auch, daß Schreyer in der Verfahrensgestaltung ein Vehikel praktischer Konkordanz zwischen staatlichen Entscheidungskompetenzen und der grundrechtslegitimierten Aktualisierungskompetenz gesellschaftlicher Besonderheiten sieht690, was stets als ein Vorgang der Begrenzung zu verstehen ist691. Grundrechte bilden eine rechtsstaatliche Grenze für die demokratische Legitimierbarkeit staatlichen Handelns. Der Vorbehalt gegenüber einer darüber hinausgehenden Instrumentalisierung der Grundrechte zur Einschränkung der demokratischen Entscheidungsstrukturen speist sich aus der funktionellen Verschiedenheit von individueller Freiheitssicherung einerseits und gemeinwohlorientierter Einheitsbildung andererseits692. Weil beiden aber – aus unterschiedlichen Richtungen – das Ziel der Freiheit und Sicherung des Einzelnen gemeinsam ist693, soll die abstrakte Möglichkeit der Kompensation im Falle des funktionellen Versagens der einen Seite durch die andere nicht ausgeschlossen werden. Dieser Nachweis wird jedoch nicht erbracht694. Unterstellt man an die686 Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, 134; ähnlich Höfling, DÖV 1985, 387, 394, sowie Hufen, NVwZ 1983, 516, 520 f., der in Grundrechten als originärer Legitimationsquelle lediglich eine andere Rechtsgrundlage sieht. 687 Insbesondere Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR II, § 15, Rn. 148. Vgl. dazu Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 29. Kritisch dazu Mehde, Verw.Archiv 91, 540. 688 Jestaedt, Kondominialverwaltung, 581; Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR V, § 118, Rn. 7. 689 Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, 175. 690 Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, 144 f. 691 K. Hesse, Grundzüge, Rn. 317. 692 Vgl. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 28 ff., der eine praktische Konkordanz zwischen Grundrechtsteil und organisationsrechtlichem Teil der Verfassung grundsätzlich ablehnt. Demgegenüber aber Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 66. 693 Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR V, § 115, Rn. 132. 694 Vgl. die umfassende Kritik bei Jestaedt, Kondominialverwaltung, 563 ff.

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ser Stelle ein Versagen der gemeinwohlorientierten Entscheidungsfindung innerhalb der demokratisch vorgegebenen Entscheidungsformen, das mit Hilfe plural besetzter, weisungsfreier Entscheidungsgremien ausgeglichen werden kann, stellt sich unabhängig vom Verhältnis zwischen deren Grundrechtsbindung und Grundrechtsverpflichtung zuvörderst die Frage, ob diese „pluralistische Ebene“ grundrechtlich abgesichert ist. Richtigerweise ist der Pluralismus nur das Ergebnis des allgegenwärtigen individualrechtlichen Grundrechtsschutzes695. Verbürgt wird dies positivrechtlich durch die personal-individuelle Grundrechtsberechtigung wie auch umgekehrt durch die nur begrenzten Ausnahmen davon. Die hier formulierte Hypothese weist in ihrem Ausgangspunkt aber auch auf eine falsche Grundannahme Schreyers hin: Im Bereich der von ihr untersuchten kontrollreduzierten staatlichen Einrichtungen versagt nicht der individual-subjektive Schutz der Grundrechte, sondern in erster Linie wird die tatsächliche demokratisch vermittelte Entscheidungsfindung gegenüber abstrakten Zielvorstellungen als ungenügend empfunden. Darauf müßte sich die objektiv-rechtliche Fortentwicklung der Grundrechte beziehen. Eine Ergänzung dieses – bildlich gesprochen – Mangels im demokratischen Betrieb setzt aber die Eignung der Grundrechte dazu voraus. Maßgeblich dafür ist, daß auch das Ergebnis der kontrollreduzierten Entscheidungsfindung den Anspruch erhebt, gemeinwohlorientiert zu sein696. Dem können Grundrechte, die für individuelle Beliebigkeit stehen, aber nicht gerecht werden697. Deren „interpretatorische Fortentwicklung“ betrifft folglich nicht nur den Geltungsbereich, sondern auch die Funktion der betroffenen Grundrechte in ihrem Kern. Die Grenze zulässiger Verfassungsinterpretation wird dadurch überschritten. Die Grundrechte kommen auf diese Weise nicht zur Rechtfertigung der genannten Entscheidungsgremien in Betracht. bb) Grundrechtliche Organisationswirkungen Hinter den – vielfach verkürzten – Begründungen der herrschenden Meinung698 für die demokratische Rechtfertigung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und der wissenschaftlichen Hochschulen steht die Organisationswirkung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 bzw. Abs. 3 GG. Dabei handelt es sich um Ausprägungen des objektiv-rechtlichen Gehalts dieser Grundrechte699. Das da695

Jestaedt, Kondominialverwaltung, 565 f. Für die Gremienmitglieder der Rundfunkräte BVerfGE 83, 238, 333. 697 Dazu Schmitt Glaeser, AöR 107, 337, 373; Jestaedt, Kondominialverwaltung, 577; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 141. 698 E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 130; Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 340; Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 22, 34; Möllers, Staat als Argument, 299. 699 BVerfGE 57, 295, 319 f; 73, 118, 152 f.; 111, 333, 353; Stern, Staatsrecht III/1, 966, 970 ff.; für die Kunstfreiheit Denninger, in: Isensee/Kirchhof, HBStR VI, § 146, Rn. 25. 696

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mit zugrundegelegte Grundrechtsverständnis soll hier nicht in Frage gestellt werden. Die Organisationswirkung wird im folgenden nachgezeichnet. (1) Öffentlich-rechtlicher Rundfunk Die Dogmatik zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurde im wesentlichen durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geprägt700. Danach sind im demokratischen Staat neben der Presse insbesondere der Rundfunk Medium und Faktor zur Formung der öffentlichen Meinung. Diese liegt der Staatswillensbildung voraus und ist neben bzw. außerhalb der Parlamentswahlen die zweite tragende Säule der Rückbindung von Herrschaft an den Volkwillen. An anderer Stelle wurde dafür bereits der Zusammenhang zur staatlichen Legitimität hergestellt701. Es ist mit dem demokratischen Gedanken – bei seiner ganzen Unschärfe – unvereinbar, wenn sich die demokratisch Gewählten der freien Meinungsbildung bemächtigen würden, weil ihnen damit „gewissermaßen das Mittel zur Perpetuierung ihres eigenen demokratischen Mandats in die Hand“702 gegeben wäre. Ein staatlich-hierarchischer Einfluß insbesondere auf die Programmgestaltung des Rundfunks ist deswegen ausgeschlossen. Die Frequenzknappheit stand lange Zeit einer der Presse vergleichbaren Staatsfreiheit des Rundfunks auch in organisatorischer Hinsicht entgegen703. Auf dieser Sondersituation beruht bis heute die öffentlich-rechtliche Organisation des Rundfunks als Teil der Staatsgewalt704, an der auch nach Änderung der technischen Voraussetzung festgehalten wird705. Sie soll jedoch unter Hinweis auf ihre historischen Entstehungsbedingungen sowie die ungebrochene Bedeutung des Mediums für die Willensbildung nicht weiter in Frage gestellt werden. Die Mittel zur Gewährleistung der freien Berichterstattung sind die plurale Zusammensetzung der Rundfunkräte einerseits, die zumindest auf Rechtsaufsicht zurückgenommene Staatsaufsicht andererseits. Dieses Modell der Staatsferne soll im Interesse der Allgemeinheit an einer umfassenden Information der Gefahr einseitiger Einflußnahme und Programmgestaltung entgegenwirken. Es soll gewährleisten, daß die Vielfalt der bestehenden Regelungen, Zielsetzungen und Aktivitäten in allen Lebensbereichen im Gesamtprogramm des Rundfunks möglichst vollständig und ausgewogen zum Ausdruck kommt706. Ihren verfas700 BVerfGE 12, 205, 260 f.; 31, 314, 325; 35, 202, 222; 57, 295, 319 f.; 60, 53, 66; 73, 118, 153 f., 162 f.; 74, 297, 323 f.; 83, 238, 295 f. 701 Siehe 1. Kap., III. 4. 702 Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 5, Abs. I, II, Rn. 213. Vgl. auch Gusy, Legitimität im demokratischen Pluralismus, 155 f. 703 BVerfGE 31, 314, 322. 704 Siehe dazu 2. Kap., IV. 9. b) aa). 705 BVerfGE 73, 118, 154 ff. 706 BVerfGE 60, 53, 66.

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sungsrechtlichen Anknüpfungspunkt findet diese Begründung im allgemeinen in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, der objektiv-rechtlich ein Gebot staatsferner Entscheidungsfindung enthält. Mit anderen Worten: Die verfassungsrechtlich verbürgte Rundfunkfreiheit steht nicht der staatlichen Organisation von Rundfunk, wohl aber der inhaltlichen Einflußnahme entgegen707. Grundrechtsträger sind die öffentlich-rechtlichen wie auch die privaten Rundfunkträger708. In Anbetracht ihrer besonderen Funktion für die Meinungsbildung steht ihnen die Rundfunkfreiheit als dienende Freiheit zu709. Die Staatsferne der Rundfunkanstalten als Bedingung der Programmfreiheit ist jedoch nur im Ergebnis, nicht aber in ihrer grundrechtlichen Begründung und Rechtswirkung unbestritten. Grund dafür mag sein, daß in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG bereits das subjektive Freiheitsrecht – also der Bezugspunkt des objektiv-rechtlichen Gehalts – nur schwer zu greifen ist. Im folgenden werden dazu zwei deutlich voneinander abweichende Auffassungen vorgestellt: (a) Bei Waechter hat die Funktion der Rundfunkfreiheit im demokratischen Prozeß nur einen scheinbaren Bezug zu Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Tatsächlich handle es sich um eine Kontrollfunktion gegenüber der gesamten Staatstätigkeit, so daß das Gebot der Staatsferne nichts anderes als eine besondere Form der Gewaltenteilung sei710. Mit dieser Argumentation gelingt es ihm, die Weisungsfreiheit der Rundfunkanstalten in sein allgemeines Rechtfertigungsschema der Gewaltenteilung einzuordnen, ohne auf die grundrechtlichen Schichtungen abstellen zu müssen711. Daneben entwickelt er aber auch mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG einen weiteren Rechtfertigungsansatz, den er für andere Grundrechte verallgemeinert: Die Funktion einiger Grundrechte für den organisatorischen Teil der Verfassung folge in erster Linie aus deren Anerkennung als institutionelle Garantie, nicht aber aus deren Verfahrenswirkung712. Erst darin spiegle sich die für den Staat unentbehrliche Wirkung der geschützten Tätigkeit. Beim Rundfunk sei das die schon erwähnte Kontrollfunktion. Daraus folge, daß Ministerialfreiheit immer dann möglich sei, wenn institutionelle Garantie und subjektives Abwehrrecht zusammenträfen, denn darin „liegt einerseits eine organisatorische Anordnung, die die Ein707 Stern, Staatsrecht III/1, 839 ff.; Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 5, Abs. I, II, Rn. 213a. 708 BVerfGE 31, 314, 322; 35, 202, 223; 95, 220, 234; 97, 298, 311 f. 709 BVerfGE 57, 295, 320; 74, 297, 323 f.; 83, 238, 296. Bethge, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 5, Rn. 93. Kritisch dazu Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 114. 710 Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 113: „Dieses kann im Zusammenspiel mit dem Demokratieprinzip die dogmatische Basis für diejenige Weisungsfreiheit, die hier Staatsferne genannt wird, bieten.“ 711 Siehe dazu 3. Kap., VI. 1. e) bb). 712 Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 116, 119.

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gliederung in den Staat bestimmt, und andererseits eine Grenze für diese Eingliederung (. . .)“713. Es entspricht bereits der herrschenden Meinung, daß sich in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht nur die subjektive Statusordnung, sondern auch die objektive Funktionenordnung in einem Teilbereich entfaltet714. Der dogmatische Gewinn in Waechters Rechtfertigungsmodellen ist darum unsicher. Kritikwürdig ist dabei weniger der von ihm gewählte Gewaltenteilungsbegriff, der über das klassische, staatsbezogene Verständnis hinausgreift715 oder, nach anderer Lesart, den Rundfunk weit in den Bereich des Staatlichen hineinzieht. Unbefriedigend bleibt vielmehr auch hier die postulierte Rechtfertigungswirkung gegenüber dem Demokratieprinzip, so daß diesbezüglich auf die bereits genannten Anmerkungen verwiesen werden kann716. Dem zweiten Rechtfertigungsansatz könnte immerhin eine leichte Handhabung zugute gehalten werden: Wenn die Einrichtungsgarantie bereits mit der ministerialfreien Stelle zusammenfällt, scheint der Begründungsaufwand ungleich geringer als bei den Organisationswirkungen, die aus dem unbestimmten objektiv-rechtlichen Gehalt einzelner Grundrechte herzuleiten sind717. Als wenig tragfähig erweist sich jedoch die dafür notwendige Annahme, daß es sich tatsächlich um eine institutionelle Garantie handelt. Dies ist nicht nur beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern auch bei den wissenschaftlichen Hochschulen alles andere als eindeutig718, so daß sich der Begründungsaufwand für Waechter lediglich verlagert. Zudem kann man nicht sagen, daß die Ministerialfreiheit auf der institutionellen Garantie beruht, ohne zugleich deren besondere Funktion einbezogen zu haben. So erweist sich, daß es letztlich um den Schutz von Eigengesetzlichkeiten, nicht aber um die Gewährleistung von Institutionen geht. Dafür genügt jedoch schon die Feststellung der objektiv-rechtlichen Organisationswirkung der Grundrechte, wohingegen die ohnehin problematische Festlegung auf institutionelle Garantien nur zu unnötigen Ausgrenzungen führt. (b) Die Vorstellung objektiv-rechtlicher Gehalte der Grundrechte war bereits über den Rahmen des klassisch-liberalen Grundrechtsverständnisses hinausgegangen. Scheinbar nur einen weiteren Schritt bedeutet es daher, den Grundrechtscharakter von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG selbst zu verneinen719. Tatsächlich handelt es sich aber um etwas völlig anderes, weil die objektiv713

Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 117. Zum Begriff Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 26, Rn. 46. 715 Kritisch zu diesem Ansatz K. Hesse, Grundzüge, Rn. 483. 716 Siehe dazu 3. Kap., VI. 1. e) bb). 717 Stern, Staatsrecht III/1, 907. 718 Ablehnend zur Rundfunkfreiheit als institutionelle Garantie Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 77, 80; Wieland, Die Freiheit des Rundfunks, 105; Stern, Staatsrecht III/1, 840 ff.; ders. zum Diskussionsstand für die Wissenschaftsfreiheit, 803 ff. 714

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rechtlichen Grundrechtswirkungen auf die Verstärkung derjenigen subjektiven Rechte bezogen sind, die hier verneint werden. Differenzierter als Waechter sprechen Böckenförde und Wieland von einer Art institutioneller Garantie in der Form einer Rahmen- oder Strukturgarantie720. Grundlage dieser Argumentation ist nicht nur die genetische Interpretation von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, sondern auch der im Begriff der dienenden Freiheit angelegte Widerspruch zwischen einem subjektiven Freiheitsgrundrecht und seiner notwendigen vorherigen gesetzlichen Ausgestaltung. Danach enthalte die Entstehungsgeschichte der Vorschrift „unzweideutige Beweisgründe“ gegen ein Individualgrundrecht721. Dem Parlamentarischen Rat sei es ausschließlich um die Berichterstattung im Hinblick auf die freie Meinungsbildung der Bürger gegangen, nicht aber um die Perspektive der Rundfunkveranstalter, deren Struktur dem Gesetzgeber überlassen bleiben sollte. Wollte man in der Rundfunkfreiheit gleichwohl auch ein Freiheitsgrundrecht der Veranstalter sehen, käme man bei den erforderlichen gesetzlichen Regelungen unweigerlich in Konflikt mit der Bedingung „allgemeiner Gesetze“, die die besondere Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2 GG fordert. Im Ergebnis sei dieses Verständnis von der Rundfunkfreiheit mit der Unabhängigkeit der Rechtspflege gemäß Art. 92, 97 GG zu vergleichen722. Während sich Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG hier auf eine objektiv-rechtliche Norm beschränkt, ist diese bei der herrschenden Meinung zumindest mitenthalten. Beide stimmen auch darin überein, daß es sich um eine nicht verallgemeinerungsfähige Sonderbestimmung handelt. Dem Grundrechtscharakter von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG muß an dieser Stelle daher nicht weiter nachgegangen werden. (2) Wissenschaftliche Hochschulen Die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Hochschulen, also die akademische Selbstverwaltung, ist auf die Verwirklichung der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre bezogen. Sie ist die objektiv-rechtliche Ausprägung von Art. 5 Abs. 3 GG, der eine Organisation gebietet, die das Freiheitsgrundrecht in seiner Eigengesetzlichkeit unangetastet läßt723. Ihren Rahmen bildet die historisch gewachsene, staatlich organisierte Hochschulstruktur in Deutschland, die mit den Freiheitsrechten der ihr angehörenden Wissenschaftler in Einklang gebracht werden muß. Deren Individualrecht aus Art. 5 Abs. 3 GG 719 Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 77 ff. Vgl. für das folgende auch die ausführliche Darlegung bei Wieland, Die Freiheit des Rundfunks, 71 ff. 720 Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 77, 78, 80. 721 Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 77, 78 f. 722 Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 77, 82. 723 BVerfGE 35, 79, 114 f.; 43, 242, 267. Oppermann, in: Isensee/Kirchhof, HBStR VI, § 145, Rn. 17.

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wird durch den Eintritt in die Hochschule nicht verändert724. Organisationsrechtlich wird das Spannungsverhältnis über eine grundrechtssichernde Binnenstruktur, also das eingangs erwähnte Modell der akademischen Selbstverwaltung, aufgelöst, die staatliche Eingriffe in den Eigenbereich der Wissenschaft ausschließt. Die darüber hinausgehende Zuerkennung der Grundrechtsträgerschaft an die Hochschulen bzw. Fakultäten selbst kann auch hier nur dienende Freiheit sein, die auf die Ermöglichung und Bewahrung der Grundrechtsverwirklichung des Einzelnen gerichtet ist725. Wichtig ist dabei die Feststellung, daß auch Art. 5 Abs. 3 GG eine objektiv-rechtliche Organisationswirkung zu entnehmen ist, die der Einbindung der wissenschaftlichen Hochschulen in den demokratischen Verantwortungszusammenhang entgegensteht. Die Einschränkung des demokratischen Legitimationsmodells wird damit gerechtfertigt. (3) Staatliche Kultureinrichtungen Daneben sind weitere objektiv-rechtliche Grundrechtswirkungen als Rechtfertigungstopoi denkbar. Offenkundig ist dies bei der Freiheit der Kunst gemäß Art. 5 Abs. 3 GG, soweit staatliche Einrichtungen als Teil der Daseinsvorsorge in ihrem Bereich die Arbeit von Kunstschaffenden institutionalisieren726. Die Begründung ist dabei insbesondere der Argumentation zur Wissenschaftsfreiheit vergleichbar727 und muß hier nicht weiter vertieft werden. (4) Staatliche (Kunst- und Wissenschafts-)Förderung Unsicher ist dagegen der Bereich der staatlichen Förderungsentscheidungen, in dem es neben weisungsgebunden-hierarchischen Strukturen durchaus Beispiele ministerialfreier Gestaltungen gibt728, die mit Wissenschafts- und Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG in Bezug gesetzt werden können729. Staats724

BVerfGE 35, 79, 115. BVerfGE 15, 256, 262; Jestaedt, Kondominialverwaltung, 531 f.; Oppermann, in: Isensee/Kirchhof, HBStR VI, § 145, Rn. 36. 726 Begrifflich zur staatlichen Kulturförderung, die als Teilbereich die institutionalisierte Kultur enthält, Höfling, DÖV 1985, 387, 390. Allgemein zu Art. 5 Abs. 3 GG als wertentscheidende Grundsatznorm BVerfGE 30, 173, 188 f.; 36, 321, 330. Hewig, BayVBl. 1977, 37 ff.; Denninger, in: Isensee/Kirchhof, HBStR VI, § 146, Rn. 22; Kunig, DÖV 1982, 765, 767; Hufen, NVwZ 1983, 516, 519 ff.; zur Unabhängigkeit von Museumsleitern Ipsen, DVBl. 1982, 112, 117 ff. 727 Steiner, VVDStRL 42, 7, 30. 728 Filmförderungsanstalt gemäß § 13 FFG. Anderer Ansicht Palm, Öffentliche Kunstförderung, 234, demzufolge die Gewährleistung der Kunstfreiheit zwar unabhängig-plurale Kunstförderung erfordere, diese Aufgabe zugleich aber von so geringer Tragweite sei, daß dadurch kein ministerialfreier Raum entstehe. 729 Für eine Legitimation pluraler Entscheidungsgremien aus der Kunstfreiheit Palm, Öffentliche Kunstförderung, 234; Höfling, DÖV 1985, 387, 394 f. 725

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ferne Förderung soll hier die Gefahr des „goldenen Zügels“ abwenden. Schlagwortartig kann dafür das Gebot der Nichtidentifikation genannt werden730. Mit den bisher erörterten Fällen grundrechtlicher Rechtfertigung ist diese Fallgruppe jedoch nicht vergleichbar. In erster Linie geht es nicht um die Grundrechtsverwirklichung in oder als staatliche Stelle, sondern um die Bevorzugung eines Grundrechtsträgers im Verhältnis zu anderen731. Daran wird erkennbar, daß das Problem weniger bei der Neutralität als vielmehr bei der Gleichbehandlung liegt732. Erst wenn diese nicht realisierbar ist, mag man an eine plural-ministerialfreie Entscheidungsfindung denken. Die Grundrechtswirkung ist dann freilich nur mittelbar. Eine Übertragung der Rechtfertigungsargumentation ist folglich nicht möglich733. Auch wäre es voreilig, die Unabhängigkeit als Gebot der Nichtidentifikation aus einzelnen Grundrechten ableiten zu wollen. Förderungsnehmer können sich für den Bereich der Förderung typischerweise auf eine Grundrechtsposition berufen, ohne daß das gesamte staatliche Subventionswesen deswegen dem Verdikt der Unabhängigkeit unterfiele. Eine einheitliche Fallgruppe bilden sie daher nur insoweit, als ihnen das Zusammentreffen von staatlicher Förderungsentscheidung mit einer grundrechtlichen Abwehrposition gemeinsam ist. Die tatsächliche Organisationsstruktur reicht jedoch von weisungsgebunden-hierarchisch bis zu ministerialfrei734. Demgegenüber hat der Gesetzgeber bei objektiv-rechtlichen Grundrechtswirkungen kein Wahlrecht über die Verfahrensgestaltung, soweit sie den Grundrechtsschutz betrifft735. Unterschiedliche Vergabeverfahren, denen der Grundrechtsbezug gemeinsam ist, lassen daher nur den Schluß zu, daß entweder die weisungsgebundenen das Gebot der Nichtidentifikation verletzen oder die ministerialfreien jedenfalls diesen Rechtfertigungsgrund nicht in Anspruch nehmen können. Schließlich muß die Eignung der Pluralisierung als freiheitssicherndes Organisationsinstrument als solches in Frage gestellt werden. Denn selbst unter diesen Voraussetzungen bleibt die Bestimmung des Förderungszwecks und der Förderkriterien in der Hand des Gesetzgebers736, so daß Pluralisierung die Neutralität 730

Steiner, VVDStRL 42, 7, 29. Aus diesem Grund ist die Bezugnahme Höflings, DÖV 1985, 387, 392, auf BVerfGE 35, 79, 114 f. (Hochschule), unzutreffend. 732 Ebenso Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 127. Denninger, in: Isensee/Kirchhof, HBStR VI, § 146, Rn. 31, 34. Richtigerweise kann Art. 5 Abs. 3 GG als objektive Wertentscheidung jedoch den Gestaltungsspielraum im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG einengen, BVerfGE 36, 321, 330. 733 Das hat auch für die Bundesprüfstelle im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 GG zu gelten. Weitergehend und zu pauschal dagegen BVerfGE 83, 130, 150. 734 Zu den verschiedenen Modellen in der Kunstförderung Palm, Öffentliche Kunstförderung, 223 f.; Höfling, DÖV 1985, 387, 391. 735 Anderer Ansicht offenbar Steiner, VVDStRL 42, 7, 37. 736 Zum Gesetzesvorbehalt in der Kunstförderung Weck, Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung, 128, 171 ff. Siehe auch Höfling, DÖV 1985, 387, 389, der 731

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nur für den Teilbereich des Gesetzesvollzugs sicherstellen kann. Weisungsfreie Gremien mögen die Einhaltung des Förderungszwecks besser gewährleisten. Ein grundrechtliches Gebot der Unabhängigkeit läßt sich daraus aber nicht ableiten737. (5) Asylverfahren und Kriegsdienstverweigerung Keine Rechtfertigung der Weisungsfreiheit kann schließlich Art. 16a GG und Art. 12a Abs. 2 GG entnommen werden. In Betracht kamen hierfür die früheren Einzelentscheider im Asylverfahren738 und die ehemaligen Ausschüsse für Kriegsdienstverweigerung739. Zwar handelt es sich jeweils um Grundrechte, die ein entsprechendes Verfahren bedingen, so daß eine objektiv-rechtliche Grundrechtswirkung nicht geleugnet werden kann. Damit ist aber keine Vorentscheidung über die Ausgestaltung gefallen. Anders als in den oben anerkannten Rechtfertigungsfällen werden hier die Grundrechtsträger nicht in eine staatliche Organisationseinheit eingebunden oder durch diese gar geschaffen. Es bleibt vielmehr bei der klassisch-liberalen Gegenüberstellung von Grundrechtsträger und Grundrechtsverpflichtetem. Wollte man hier trotzdem eine grundrechtlich gebotene Unabhängigkeit in Ansatz bringen, käme dies einer Negation der demokratischen und rechtsstaatlichen Leistungsfähigkeit des Staates gleich. Diese wiederherzustellen kann jedoch nicht Aufgabe der Grundrechte sein. (6) Stellungnahme Die hier festgestellten grundrechtlichen Organisationswirkungen erreichen nicht nur eine Evidenz, die einer Argumentation mit der Natur der Sache vergleichbar ist, sondern enthalten zugleich ein verfassungsrechtliches Gebot ministerialfreier Ausgestaltung. Es handelt sich nicht nur um eine dem Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit der Verfahrensgestaltung, sondern bindet ihn gemäß Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar740. Der Begrenzung der demokratischen Anforderungen steht nicht entgegen, daß die Wissenschafts- und Kunstfreiheit im Gegensatz zur Rundfunkfreiheit keine funktionale Bedingung des Demokratieprinmit „richtig verstandener Neutralität“ zur Abwehr inadäquater Bewertungs- und Entscheidungskriterien gelangt. 737 Denninger, in: Isensee/Kirchhof, HBStR VI, § 146, Rn. 37. 738 So aber Marx, Asylverfahrensgesetz (5. Aufl.), § 5, Rn. 23, in Anlehnung an BVerfGE 60, 253, 296. 739 Genannt bei Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 66. 740 Stern, Staatsrecht III/1, 917 f., 927; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, D, Rn. 13. Deutlich zu trennen ist dabei die freigestellte Entscheidung über die Organisationsform von den bindenden spezifischen Grundrechtsgewährleistungen; für den Rundfunk: BVerfGE 12, 205, 262; 73, 118, 153; 83, 238, 296; für die wissenschaftlichen Hochschulen: BVerfGE 35, 79, 116 f., 120, 123; 43, 242, 268; 47, 327, 404.

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zips ist. Denn das Gebot der Unabhängigkeit folgt nicht aus dem rückwirkenden Bezug eines Grundrechts auf den Staat, sondern aus dessen Selbstzweck. Sie ist erforderlich, wenn sich ein Grundrecht in oder als staatliche Organisationseinheit verwirklicht. Zugleich wird die Möglichkeit der Rechtfertigung ministerialfreier Räume aus Grundrechten durch deren objektiv-rechtlichen Gehalt begrenzt. Die Ableitungen daraus hängen einerseits von „der realen Situation, in der das Grundrecht wirkt“741, ab, zum anderen beschränken sie sich – im Gegensatz zum institutionellen Grundrechtsverständnis – auf die „prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte“742. Als Annex eines Abwehrrechts bleiben sie daher stets auf die Grundrechtsträger bezogen743. Weil ministerialfreie Räume Teil der Staatsorganisation sind, kommen sie selbst dafür prima facie nicht in Betracht. Der Verzicht auf das Freiheitsgrundrecht bei Wieland ist insoweit konsequent. Das Bundesverfassungsgericht nimmt demgegenüber eine Erweiterung der Grundrechtsträger vor, „wenn ausnahmsweise die betroffene Rechtsträgerin unmittelbar dem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen sei“744. Nicht nur seine Unabhängigkeit gewährleistende Organisationsform, sondern die Existenz des ministerialfreien Raumes selbst bildet in diesem Fall die organisatorische Gewähr für die Grundrechtsverwirklichung. Die bleibende Abhängigkeit vom grundrechtlichen Gehalt kommt in diesen Fällen in der Wendung der „dienenden Freiheit“ treffend zum Ausdruck. Ihre Grundrechtsberechtigung ist folglich kein Selbstzweck, sondern ebenfalls Folge des objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalts. Damit verliert der zunächst widersprüchliche Befund, daß Grundrechte den Staat hier nicht nur verpflichten, sondern auch berechtigen745, seine Grundlage. Die grundrechtliche Rechtfertigung kann vor diesem Hintergrund nur für wenige ministerialfreie Räume gelten, so daß eine allgemeine Lehre daraus nicht zu gewinnen ist. Sie bleiben isolierte Ausnahmeerscheinungen746.

741

Stern, Staatsrecht III/1, 975. BVerfGE 7, 198, 205; 50, 290, 337. Ebenso K. Hesse, Grundzüge, Rn. 290. 743 Treffendes Gegenbeispiel ist die von Sodan, Kollegiale Funktionsträger, 371 ff., angenommene Rechtfertigung von weisungsfreien Verwaltungsstellen mit Art. 5 Abs. 3 GG, denen die Feststellung von Grenzwerten und Gefahrenpotentialen obliegt. Hier fehlt es bereits am Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit, so daß eine objektiv-rechtliche Organisationswirkung von vornherein ausscheidet. Dazu auch Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 122. 744 BVerfGE 21, 362, 373; 31, 314, 322; 61, 83, 100. 745 Vgl. dazu Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR II, § 15, Rn. 148; Möllers, Staat als Argument, 307; BVerfGE 21, 362, 370; 61, 82, 100 f. 746 Ebenso Emde, Demokratische Legitimation, 364, 403; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 117, der jedoch die Bedeutung der „Grundrechtswirkung“ in Abrede stellt. 742

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Entscheidend ist aber noch die unbeantwortete Frage, wie sich die Rechtfertigung aus Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 GG – sei es als objektiv-rechtliche Wirkung, sei es als eine Rahmen- oder Strukturbestimmung – gegenüber dem Demokratieprinzip gestaltet747. Der durch Weisungsrecht und parlamentarische Kontrolle hergestellte demokratische Verantwortungszusammenhang wird durch das Gebot einer unabhängigen Berichterstattung des Rundfunks bzw. durch die institutionalisierte Kunst- und Wissenschaftsfreiheit unterbrochen. Treffend ist daher, sie als Grundelemente einer objektiven Ordnung zu bezeichnen748 – derjenigen objektiven Ordnung, die zugleich das Demokratieprinzip konstituiert. Auch wenn sich dessen positiver Inhalt „weithin aus den Normierungen der Grundrechte“ ergibt749, tragen die hier untersuchten Organisationswirkungen Ausnahmecharakter. Es liegt daher nahe, eine gerechtfertigte Einschränkung des Demokratieprinzips anzunehmen750. Eine Kompensation der einen Rechtsgrundlage durch die andere, wie sie zum Teil anklingt751, scheidet aus, weil sie kein demokratischer Ersatz ist. Beim Rundfunk führt das angesichts seiner demokratischen Funktion für die öffentliche Willensbildung zu dem eigentümlichen Ergebnis, daß die demokratische Legitimation im Interesse der Demokratie eingeschränkt werden müßte. Dieser Widerspruch spiegelt sich in der Feststellung, daß die demokratische Legitimation ein unverzichtbarer normativer Bestandteil innerhalb der sich frei gestaltenden Legitimität des Staates ist. Bedingungen der Legitimität sind zur Beschränkung der Legitimation jedoch grundsätzlich nicht geeignet752. Kern der Problematik bleibt damit weniger das Ergebnis eines unabhängigen Rundfunks als vielmehr dessen Begründung im Gefüge der demokratischen Anforderungen. Für die wissenschaftlichen Hochschulen gilt nichts anderes. b) Gesetzesvorbehalt gemäß Art. 86 Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 86 GG wurde vereinzelt ein Gesetzesvorbehalt für das ministerielle Einzelweisungsrecht gefolgert753. Dabei wird darauf verwiesen, daß neben den allgemeinen Verwaltungsvorschriften ur747 Beispielhaft die undifferenzierte Feststellung E. Kleins, Problematik des ministerialfreien Raumes, 133, „daß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG eine echte verfassungsrechtliche Sonderbestimmung ist, die (. . .) von der hier erörterten Problematik dispensiert“. Kritisch Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 108; Jestaedt, Kondominialverwaltung, 559, Fn. 614. 748 K. Hesse, Grundzüge, Rn. 279, 290 ff. 749 K. Hesse, Grundzüge, Rn. 294. 750 Jestaedt, Kondominialverwaltung, 536, spricht sogar von einem demokratiefreien Raum. 751 Hufen, NVwZ 1983, 516, 520 f. 752 So bereits 1. Kap., III. 4. 753 Fichtmüller, AöR 91, 297, 322 f.

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sprünglich auch ein ausdrückliches Einzelweisungsrecht vorgesehen war, in der Schlußfassung aber als selbstverständlich weggelassen wurde754. Aus diesem Grund könne zumindest an dem Gesetzesvorbehalt festgehalten werden, der ebenfalls Teil dieser Regelung war. Dagegen ist jedoch zu Recht eingewandt worden, mit Art. 86 GG solle lediglich die Regelzuständigkeit für den Erlaß von allgemeinen Verwaltungsvorschriften auf die Bundesregierung als Kollegialorgan verlagert werden, wobei der Gesetzesvorbehalt ihre gesetzliche Übertragung auf andere Bundesorgane ermögliche755. Zudem würde ein einfacher Gesetzesvorbehalt den Anforderungen des Demokratieprinzips kaum gerecht. c) Selbstverwaltung Zu den anerkannten Ausnahmen vom Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG gehört die Selbstverwaltung. Sie wurde als besondere organisatorische Ausprägung der mittelbaren Staatsverwaltung bereits ausführlich vorgestellt. Von den Pfeilern der demokratischen Legitimation bleiben dabei lediglich die organisatorisch-funktionale und die Gesetzmäßigkeit erhalten756. Parlamentarische Kontrolle ist nur im Rahmen der begrenzten Aufsichtsrechte möglich. Die demokratischen Defizite bei der personellen Legitimation und dem von parlamentarischer Kontrolle getragenen Teil der sachlichen Legitimation wird mit Art. 28 Abs. 2 bzw. 86, 87 Abs. 2, 3 GG begründet. aa) Kommunale Selbstverwaltung Am deutlichsten tritt diese grundgesetzliche Anerkennung der Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zu Tage757, dem zufolge alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln sind758. Dazu wurde bereits festgestellt, daß es sich nicht nur um einen unterbrochenen, sondern um einen vom Staatsvolk gänzlich gesonderten Verantwortungszusammenhang handelt, der gemäß Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG auf das Gemeindevolk als eigenes demokratisches Legitimationssubjekt zu beziehen ist. In Abschichtung der Gesetzesbindung einerseits und der sogenannten Auf754 Verfassungskonvent Herrenchiemsee 1948, S. 78 gegenüber Parlamentarischer Rat, Hauptausschuß 1948/49, S. 190. 755 Emde, Demokratische Legitimation, 345; E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 139. 756 Ausführlich Emde, Demokratische Legitimation, 122 ff., 130 ff., 161 ff., 166 ff., 190 ff. 757 Fichtmüller, AöR 91, 297, 334. 758 Nach der vorangestellten Definition handelt es sich dabei ebenfalls um ministerialfreie Räume. Weil sie im Staatsaufbau der Landesverwaltung zuzuordnen sind, fanden sie in der Einzeldarstellung keine Berücksichtigung.

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tragsangelegenheiten bzw. der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung andererseits verbleibt daher kein demokratisches Legitimationsdefizit, das zu rechtfertigen wäre. bb) Funktionale Selbstverwaltung Zur Einordnung der funktionalen Selbstverwaltung759 muß an dieser Stelle auf drei Erkenntnisse zurückgegriffen werden: Begrifflich handelt es sich um Staatsgewalt ausübende Einrichtungen, die wesenstypisch ministerialfrei organisiert sind760. Sie wurden vom Verfassungsgeber vorgefunden und in Kenntnis dieser Struktur in Art. 86, 87 Abs. 2, 3 GG anerkannt761. Den für ihren Aufgabenbereich verfaßten Mitgliedern bzw. Betroffenen kommt keine demokratische Legitimationskraft zu, die den unterbrochenen Legitimationszusammenhang zum Staatvolk zu kompensieren vermag762. Vor diesem Hintergrund könnte es naheliegen, in Art. 86, 87 Abs. 2, 3 GG nicht nur eine institutionelle Legitimation, sondern zusätzlich einen Kompetenztitel zur „Absenkung des administrativen Regelniveaus demokratischer Legitimation“763 zu sehen. Funktionale Selbstverwaltung hätte dann demokratischen Ausnahmecharakter. Diese Auffassung trifft die in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG bestimmte Volkssouveränität im Kern. Während alle Staatsgewalt demokratischer Legitimation durch das Volk bedarf, wäre umgekehrt ein sachlich unbegrenzter Bereich, der überdies der Disposition des einfachen Gesetzgebers anheimfiele, davon freigestellt. Anstelle eines gerechtfertigten Legitimationsdefizits erschiene es systemgerechter, bereits das Kriterium der Staatsgewalt zu verneinen oder eine autonome demokratische Legitimation durch die Betroffenen anzuerkennen. Beides mußte jedoch mit guten Gründen zurückgewiesen werden. Die Untersuchung bleibt damit bei ihrem Ausgangspunkt: Fest steht lediglich die institutionelle Anerkennung der funktionalen Selbstverwaltung, während eine pauschale Rechtfertigung durch Art. 86, 87 Abs. 2, 3 GG den demokratischen Anforderungen nicht gerecht wird764. Im Ansatz richtig scheint daher die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Lippeverbandsgesetz bzw. Emschergenossenschaftsgesetz765, die ihren Ausgangspunkt nicht bei Art. 86, 87 Abs. 2, 3 GG, sondern beim Demokra759 Vgl. dazu die beispielhafte Darstellung der Bundesrechtsanwaltskammer im 3. Kap., III. 1. h) (mit weiteren Nachweisen). 760 Siehe 3. Kap., II. 2. b) bb). 761 BVerfGE 107, 59, 90. 762 Vgl. 3. Kap., V. 3. c) aa). 763 Jestaedt, Kondominialverwaltung, 552. 764 Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 548; Schmitt Glaeser, VVDStRL 31, 179, 217. 765 BVerfGE 107, 59, 86 ff.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

tieprinzip nimmt. Dieses sei „außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung und der in ihrem sachlich-gegenständlichen Aufgabenbereich nicht beschränkten gemeindlichen Selbstverwaltung“ – gemeint ist die funktionale Selbstverwaltung – offen „für andere, insbesondere vom Erfordernis lückenloser personeller demokratischer Legitimation aller Entscheidungsbefugten abweichende Formen der Organisation und Ausübung von Staatsgewalt“766. Dabei handelt es sich aber um bloße Subsumtion, die der früheren Einsicht entspricht, daß in einem Staat, der den Gedanken der Selbstverwaltung bejahe und in seiner Gesetzgebung weitgehend verwirkliche, „die Wahl der Organisationsform einer Körperschaft nicht als solche verfassungswidrig sein“ könne767. Begründungshalber führt das Bundesverfassungsgericht an, Art. 20 Abs. 2 GG sei aufgrund seines Prinzipiencharakters entwicklungsoffen, so daß bei veränderten Verhältnissen Anpassungen nicht nur notwendig, sondern – so ist hinzuzufügen – auch möglich sind768. Ob das Gericht damit tatsächlich ein Votum für die Offenheit des Demokratiegrundsatzes und gegen ein starres Festhalten am Legitimationsmodell abgegeben hat769, mag dahinstehen. Man wird die Existenz der funktionalen Selbstverwaltung jedenfalls nicht als neu eingetretenen Umstand werten können, so daß sich der Wert dieser Aussage nicht ohne weiteres erschließt. Deutlicher ist hingegen die Feststellung, daß Art. 20 Abs. 2 GG es ermögliche, die im demokratischen Prinzip wurzelnden Grundsätze der Selbstverwaltung und der Autonomie angemessen zur Geltung zu bringen770. Weil funktionale Selbstverwaltung dieses Prinzip ergänze und verstärke, seien beide nicht als Gegensatz zu begreifen, so daß es – Schlußfolgerung – das demokratische Prinzip des Art. 20 Abs. 2 GG erlaube, „für abgegrenzte Bereiche der Erledigung öffentlicher Aufgaben besondere Organisationsformen der Selbstverwaltung zu schaffen“771. Für die Frage nach der demokratischen Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung ist dies die zentrale Aussage: Art. 86, 87 Abs. 2, 3 GG dürfen nicht als Ausnahme zu Art. 20 Abs. 2 GG, sondern nur als Anerkennung dessen verstanden werden, was im Demokratieprinzip selbst enthalten ist. Die eingangs zitierte Absage an die parlamentarisch getragene Legitimation außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung (und der kommunalen Selbstverwaltung) ist also nicht mit einer Absage an Art. 20 Abs. 2 GG zu verwechseln. Unausgesprochen blieb in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts allerdings die Anerkennung der Selbstverwaltung als Form der demokratischen Legitimation772. Die entscheidende Frage wird damit nicht

766 767 768 769 770 771

BVerfGE 107, 59, 91. BVerfGE 10, 89, 104; BVerfGE 107, 59, 90. BVerfGE 107, 59, 91. Häußermann, JA 2004, 22, 24, Hanebeck, DÖV 2004, 901, 907. BVerfGE 33, 125, 159; 107, 59, 91. BVerfGE 107, 59, 92.

VI. Rechtfertigung der Ministerialfreiheit

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beantwortet773, wenngleich die eingeschlagene Argumentationslinie kaum einen anderen Weg als den der ergänzenden autonomen Legitimation offen läßt. Der Grund für diese Unentschiedenheit liegt im Zusammentreffen mehrerer unvereinbarer Leitlinien, die das Bundesverfassungsgericht zum Teil selbst entwickelt hat und aus denen ein dogmatisch widerspruchsfreier Ausweg zu finden war. Gegenläufig sind hier die Anerkennung der nicht in den parlamentarischen Verantwortungszusammenhang integrierten funktionalen Selbstverwaltung durch Art. 86, 87 Abs. 2, 3 GG einerseits und das demokratische Legitimationskonzept des Art. 20 Abs. 2 GG andererseits. Eine Überbrückung des Spannungsverhältnisses ist selbst durch das sonst so variable Legitimationsniveau nicht möglich774. Der Konstituierung von Teilvölkern wurde eine Absage erteilt, weil die Betroffenenbeteiligung nicht Grundlage der demokratischen Legitimation des Grundgesetzes sei. Umgekehrt hat das Bundesverfassungsgericht die Freiheit des Gesetzgebers bestätigt, sich der Organisationsform der Selbstverwaltung weithin zu bedienen775, so daß diese Bereiche nicht schlechthin als demokratiereduzierte Enklaven betrachtet werden können. Zur Kritik an dem unausgesprochenen Lösungsweg des Bundesverfassungsgerichts kann im wesentlichen auf das bereits besprochene Konzept der autonomen Legitimation verwiesen werden776. Danach ist Selbstverwaltung ein demokratietheoretischer Argumentationstopos, dessen demokratiepraktische Anwendung unweigerlich zur betroffenheitsorientierten Anerkennung von Teilvölkern zwingt777. Die Strukturen der demokratischen Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung bleiben damit – abgesehen vom Wissen um ihre Existenz – jedoch ungeklärt. d) Arbeitnehmermitbestimmung – BVerfGE 93, 37 ff. Es mag überraschen, daß an dieser Stelle die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts778 zum schleswig-holsteinischen Mitbestimmungsgesetz genannt wird, deren sperrige Argumentation zur demokratischen Legitimation der Einigungsstellen nach erstem Anschein keine Auseinandersetzungen mit Rechtferti-

772 Musil, DÖV 2004, 116, 119. Dies übersieht Häußermann, JA 2004, 22, 24, der die parlamentarisch-demokratische Legitimation durch gesetzliche Errichtung der Selbstverwaltungskörperschaft als hinreichendes „Legitimationsniveau“ interpretiert und damit pars pro toto nimmt. 773 Unruh, JZ 2003, 1061, 1062 und insbesondere die Schlußbemerkung, 1063. 774 Vgl. Musil, DÖV 2004, 116, 118. 775 BVerfGE 107, 59, 92. 776 Eingehend dazu 3. Kap., V. 3. d). 777 Vgl. etwa den Argumentationsgang von Musil, DÖV 2004, 116, 120. 778 BVerfGE 93, 37 ff.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

gungsgründen enthält. Genau dieser unausgesprochene Hintergrund soll hier jedoch thematisiert werden. Für die Frage der demokratischen Zulässigkeit der weisungsunabhängigen Einigungsstellen im Bereich der Personalvertretung legt das Bundesverfassungsgericht das Beschäftigungsverhältnis einerseits und den Amtsauftrag andererseits zugrunde und entwickelt daraus drei Fallgruppen779: (1) Soweit die Entscheidungen der Einigungsstellen nur das Beschäftigungsverhältnis betreffen, ohne die Wahrnehmung des Amtsauftrages gegenüber dem Bürger zu berühren, bedürfe es nur einer abgeschwächten demokratischen Legitimation780. (2) Für einen Übergangsbereich, in dem Maßnahmen der Einigungsstellen zwar den Binnenbereich der Beschäftigungsverhältnisse betreffen, typischerweise die Wahrnehmung des Amtsauftrages jedoch nicht nur unerheblich berühren, sei ein höheres Maß an demokratischer Legitimation erforderlich. Mindestens sei dies eine Entscheidungsfindung nach dem Prinzip der doppelten Mehrheit oder ein Letztentscheidungsrecht eines parlamentarisch verantwortlichen Amtsträgers781. (3) Innerdienstliche Maßnahmen, die neben den Beschäftigteninteressen schwerpunktmäßig die Erfüllung des Amtsauftrages betreffen, ließen eine Einschränkung der parlamentarischen Verantwortlichkeit nicht zu, so daß die Weisungsfreiheit der Einigungsstellen insoweit nicht in Betracht kommen könne782. Solange man nicht auf ein ex nihilo gewonnenes Legitimationsniveau abstellen will, tritt der Grund für diese Legitimationsabstufungen nicht sofort zu Tage. Weil dem Amtsauftrag die Ausübung von Staatsgewalt zugeordnet ist, steht die Geltung des Demokratieprinzips zumindest in der dritten Fallgruppe außer Frage (3)783. Anders ist dies bei den rein arbeitnehmerbezogenen Maßnahmen (1). Wenn das Bundesverfassungsgericht bei innerdienstlichen Maßnahmen davon spricht, daß sie „einerseits Ausübung von Staatsgewalt sind und andererseits spezifische Arbeitnehmerinteressen berühren“784 bzw. diese unterscheidet von „anderen Maßnahmen, mit denen Staatsgewalt ausgeübt wird“785, 779

Bestätigt durch BVerfGE 107, 59, 88. BVerfGE 93, 37, 71. Genannt werden: Die Bindung der Einigungsstelle an Gesetz und Recht, eine „jedenfalls in gewissem Maße personell demokratisch legitimierte“ Mehrheit ihrer Mitglieder sowie ein Vorbehalt gemeinwohlwesentlicher Entscheidungen. 781 BVerfGE 93, 37, 72. 782 BVerfGE 93, 37, 72 f. 783 So auch BVerfGE 93, 37, 70. 784 BVerfGE 93, 37, 77. 785 BVerfGE 93, 37, 68. 780

VI. Rechtfertigung der Ministerialfreiheit

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entsteht leicht der Eindruck, in diesem Teilbereich handle es sich nicht um die Ausübung von Staatsgewalt786. Unter dieser Prämisse wären aber die sehr detaillierten demokratischen Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht für die drei Bereiche entwickelt, nicht nachvollziehbar. In der ersten Kategorie fände das Demokratieprinzip mangels Staatsgewalt überhaupt keine Anwendung, so daß eine – wenn auch abgeschwächte – demokratische Legitimation nicht erforderlich wäre. Nichts anderes gälte unter umgekehrten Vorzeichen für die zweite Kategorie: Weil und solange es um die Wahrnehmung des Amtsauftrages ginge, bliebe für Abweichungen vom Legitimationsmodell kein Spielraum. Um dies zu erklären, muß man sich vergegenwärtigen, daß sich auch rein dienstbezogene Maßnahmen gegenüber den Beschäftigten als Staatsgewalt darstellen787. Ihre hinzutretende Besonderheit ergibt sich daraus, daß sie in einem wechselseitige Rechte und Pflichten begründenden Arbeits- oder Dienstverhältnis ergehen788. Die genannten Abstufungen des Bundesverfassungsgerichts beruhen demnach nicht auf Unterscheidungen bei der Staatsgewalt. Demnach kann es für die – weisungsfreie – Mitbestimmung auch nicht um die Frage gehen, ob demokratische Legitimation erforderlich ist, sondern wie sich deren einfachgesetzliche Einschränkungen erklären lassen789. Der erste Gedanke wird dabei einem verfassungswirksamen Gebot der Mitbestimmung gelten, das mit den Anforderungen des Demokratieprinzips konkurriert790. Allerdings enthält das Grundgesetz keine ausdrückliche Regelung über die Mitbestimmung der abhängig Beschäftigten791. Ob ihm ein entsprechender Rechtsgedanke entnommen werden kann, läßt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich offen792. Vielmehr begnügt es 786

So offenbar Bull, in: Greven, Festschrift Bermbach, 241, 248 f. Ebenso HessStGH PersV 1986, 227, 236; Battis/Kersten, DÖV 1996, 584, 585, 592; Schuppert, PersR 1993, 1, 6; anderer Ansicht Wendeling-Schröder, ArbuR 1987, 381, 383. 788 Für diese Auffassung findet sich ein Anhaltspunkt in BVerfGE 93, 37, 68: „Entscheidungen im internen Bereich (. . .) stellen sich (. . .) als Ausübung von Staatsgewalt dar. Ihnen kommen indes daneben eine auf den Binnenbereich des öffentlichen Dienstes bezogene Bedeutung zu.“ 789 Anderer Ansicht offenbar Battis/Kersten, DÖV 1996, 584, 591, die darin die Verwirklichung eines flexiblen und offenen Demokratiekonzepts sehen. Daß dies nicht genügt, muß spätestens dann eingestanden werden, wenn es um die – nicht mögliche – Deduktion des Prinzips der doppelten Mehrheit aus dem Demokratieprinzip geht (a. a. O., 592). Auch der Ruf nach gesetzgeberischer Definition des Legitimationsniveaus geht fehl, weil das Demokratieprinzip nicht unter Gesetzesvorbehalt steht (a. a. O., 593). 790 Ebenso Mehde, Neues Steuerungsmodell, 498 f. 791 BVerfGE 50, 290, 294; 51, 43, 58; RhPfVerfGH NVwZ-RR 1994, 666; VerfGH NW OVGE 39, 292, 295. 792 BVerfGE 93, 37, 69: „ Die schon früher aufgeworfene, jedoch vom Bundesverfassungsgericht offen gelassene Frage, ob die Grundrechte oder das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG den Gesetzgeber verpflichten, für den Bereich des öffentlichen Dienstes in gewissem Umfang Beteiligungsrechte eines gewählten Repräsentationsorgans der Beschäftigten zu schaffen (. . .), bedarf auch hier keiner Entscheidung.“ Vgl. 787

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sich, die Mitbestimmung funktional in Stellung zu bringen, was einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung aber nicht genügt. Daran ändert auch die Feststellung nichts, daß „die Institution Personalvertretung in ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit dem Grunde nach nicht ernstlich angezweifelt“ werden könne793. Tatsächlich sind seine bereichsspezifischen Abstufungen nur unter Annahme verfassungsrechtlicher Rechtfertigungsgründe zu erklären. Denn wie soll eine Abwägung mit dem Demokratieprinzip, die der Kategoriebildung ja zwangsläufig vorausgeht, erfolgen, wenn eine Seite der Abwägungskriterien unbekannt ist? Ohne sie bleibt die Entscheidung wohlformulierte Behauptung und letztendlich unbefriedigend. Immerhin – und das sollte nicht vergessen werden – hat das Bundesverfassungsgericht Grenzen für die Einschränkbarkeit des Demokratieprinzips benannt. 3. Grenzen der Rechtfertigung Die Betrachtung hat ergeben, daß das Grundgesetz in bestimmten Fällen Ministerialfreiheit gebietet oder zumindest anerkennt. Wegen ihres Ausnahmecharakters scheidet eine Erweiterung im Wege der Analogie aus794. Mag dies zwar Antwort auf die Frage nach deren Zulässigkeit geben, so haftet ihnen gleichwohl der Hautgout einer unaufgedeckten Widersprüchlichkeit an. Das mit Art. 20 Abs. 2 GG verbundene Legitimationsmodell wird in Zweifel gezogen, weil es diese Fälle nicht aus sich heraus zu erklären vermag und auf die – zum Teil mühsame – Verfassungsinterpretation angewiesen ist. Doch auch wenn man dies akzeptiert, bleibt es bei der Feststellung eines Legitimationsdefizits. Ist man sich darüber einig, daß Legitimation den Vorgang der Herstellung legitimer Herrschaft bezeichnet795, so muß folgerichtig gesagt werden, daß die von diesen Institutionen ausgeübte Staatsgewalt demokratisch prekär ist. Hält man sich nun vor Augen, daß diese Problematik nicht auf ministerialfreie Räume beschränkt ist, sondern gleichermaßen für die Rechtsprechung nach Art. 97 Abs. 1 GG, die Bundesbank gemäß Art. 88 GG und den Bundesrechnungshof gemäß Art. 114 Abs. 2 GG gilt, muß schon der empirische Befund dazu zwingen, das Legitimationsmodell oder zumindest dessen Anwendung in Frage zu stellen.

demgegenüber zum Erfordernis wie auch zu Rechtfertigungsansätzen VerfGH NW OVGE 39, 292, 295; RhPfVerfGH NVwZ-RR 1994, 666, 667 ff. mit weiteren Nachweisen. 793 So aber RhPfVerfGH NVwZ-RR 1994, 666, 667. 794 Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 293; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 47; Emde, Demokratische Legitimation, 359, 362; Battis/Gusy, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 27. 795 Emde, Demokratische Legitimation, 33.

VII. Eigener Lösungsansatz

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Im Vordergrund stand bislang die Begründbarkeit der Rechtfertigungsansätze, die auf eine mehr oder weniger weitgehende Einschränkung des Demokratieprinzips zielen. Umgekehrt kann man jedoch auch fragen, wo die verfassungsrechtliche Grenze jeder Einschränkung erreicht wird. Neben Art. 19 Abs. 2 GG, der aber ausweislich seines Wortlauts auf Grundrechte beschränkt ist, kommt Art. 79 Abs. 3 GG in Betracht: Wo eine Grundgesetzänderung unzulässig wäre, endet auch jede Abwägung. Demokratieprinzip und Volkssouveränität gehören ohne Zweifel zu den von der Ewigkeitsklausel erfaßten Grundsätzen des Art. 20 GG796. Diese Zuordnung erlangt durch die Radizierung demokratischer Selbstbestimmung in der Menschenwürde gemäß Art. 1 GG zusätzliches Gewicht797. Weitgehende Einigkeit besteht aber auch darüber, daß davon nur die Grundzüge des Prinzips, nicht aber die einzelnen verfassungsrechtlichen oder einfach-gesetzlichen Ausformungen erfaßt werden798. An Art. 28 Abs. 1 GG wird deutlich, daß etwa der Begriff des Staatsvolks verfassungsrechtlichen Modifikationen zugänglich ist799. Weitere verfassungsrechtlich anerkannte Teilvölker sind folglich nicht ausgeschlossen. Gleiches gilt für den Begriff der Staatsgewalt, wenngleich deren Ergänzung um „alle“ den Interpretationsmöglichkeiten deutliche Grenzen setzt. Der Differenzierung bedarf vor allem die Zuordnung des Ableitungszusammenhangs zwischen Legitimationssubjekt und Legitimationsobjekt. Dabei gehört der Gedanke der Verantwortung zu dem auch durch Verfassungsänderung nicht hintergehbaren Kern des Demokratieprinzips800. Es handelt sich um die Volkssouveränität im eigentlichen Sinn. In ihr fokussiert sich die Summe der Selbstbestimmung aller Mitglieder des Staates als Herrschaftsverband. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Art der Ausgestaltung von Verantwortung und die Form ihrer Geltendmachung801. Ihr Schutz durch die Ewigkeitsgarantie folgt aus dem Zusammenwirken mit anderen in Art. 20 GG niedergelegten Grundsätzen.

VII. Eigener Lösungsansatz 1. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse Nach den bisherigen Ergebnissen läßt sich Ministerialfreiheit nicht mit dem Legitimationsmodell vereinbaren, das die parlamentarische Verantwortlichkeit 796 Dazu umfassend Wegge, Zur normativen Bedeutung des Demokratieprinzips nach Art. 79 Abs. 3 GG. 797 Meyer, VVDStRL 33, 69, 75 f.; Gusy/Ziegler, in: Davy, Politische Integration, 222, 228; Blanke, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, 32, 40. 798 Kriele, VVDStRL 29, 46, 47. 799 Bestätigt durch BVerfGE 83, 37, 59 für das Kommunalwahlrecht für Ausländer. 800 BVerfGE 2, 1, 13; 89, 155, 182. 801 Vgl. Meyer, VVDStRL 33, 69, 74, Fn. 18.

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der gesamten Staatsverwaltung ausnahmslos vorsieht. Das Charakteristikum der Ministerialfreiheit erweist sich zugleich als Ursache ihres demokratischen Mangels. Weder konnte eine stichhaltige Deutung des verfassungsrechtlichen Demokratieprinzips gefunden werden, die ohne parlamentarische Kontrolle auskommt, noch hielten die Konzepte der Legitimationskompensation einer Überprüfung stand. Für das daraus folgende demokratische Legitimationsdefizit existieren Rechtfertigungen nur als begrenzte Ausnahmen, die sich überdies nicht schlüssig in eine Legitimationsordnung integrieren lassen. Diese ungeklärte Legitimationslage wird mit dem Ausdruck des Bedauerns als Teil der Verfassungswirklichkeit hingenommen und stets dann in Erinnerung gerufen, wenn eine neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Zahl der Widersprüchlichkeiten vergrößert802. Man mag dies für eine unausweichliche Erscheinung jeder Rechtsordnung halten, die die Durchdringung komplizierter Lebenssachverhalte anstrebt. Der Preis ist jedoch Inkonsistenz an einer Stelle, die dafür am wenigsten in Frage kommt. Die folgenden Argumente sollten uns daran hindern, bei dem bisher gefundenen Ergebnis zu verharren: (1) Die demokratische Ordnung verlangt um ihrer Legitimität willen nach einer schlüssigen Legitimationsstruktur. Kasuistische Beliebigkeit läßt sich damit nicht vereinbaren und führt zu einem Bedeutungsverlust von Art. 20 Abs. 2 GG. (2) Deshalb darf auch im Bereich der ministerialfreien Räume die Frage nach der demokratischen Zulässigkeit nicht offen bleiben. Die Zweifel werden aber im wesentlichen durch die Unsicherheit über die Voraussetzungen der Legitimation begründet. (3) Die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der betroffenen Verwaltungseinrichtungen, für die ja gerade die Sachgerechtigkeit ins Felde geführt wird, ist dann am ehesten gewährleistet, wenn ihre institutionellen Grundlagen anerkannt sind. Sei es, daß sich ihre Zulässigkeit begründen läßt, sei es, daß ein gegenteiliger Befund zu ihrer Aufhebung zwingt. (4) Einem verfassungsrechtlichen Verbot von ministerialfreien Räumen müßte auf der Ebene der Legitimität die Aussage beigeordnet werden, daß der Grund dafür, also die parlamentarische Verantwortlichkeit, sinnvoll ist. Dem stehen jedoch die weithin anerkannten positiven Effekte der Ministerialfreiheit gegenüber. Dieser Wertungsgegensatz bedarf der Auflösung. (5) Schließlich hat sich angedeutet, daß das Begründungsproblem die demokratische Ordnung nicht nur an ihren Rändern betrifft, sondern bis in ihren Kern hineinreicht. Die demokratische Legitimation der Verwaltung kann 802

So zuletzt BVerfGE 93, 37 ff.; 107, 59 ff.

VII. Eigener Lösungsansatz

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nicht von den übrigen Teilen der Staatsgewalt abgekoppelt werden803. Weil sie gemeinsam dem Legitimationsgebot des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG unterliegen, muß zumindest hier eine einheitliche Grundstruktur bestehen. Der Bogen der Untersuchung ist folglich weiter zu spannen. Es genügt nicht, allein die ministerialfreien Räume zu betrachten. Im Wege des Vergleichs und der Systematisierung gewonnene Aufschlüsse über ihre Wesenheit mögen zwar das Verständnis ausschnittsweise voranbringen, sie teilen mit den bisherigen Ergebnissen aber den Mangel an verfassungsrechtlicher Aussagekraft. Auch sind Erkenntnisse, die über die schon bekannten Rechtfertigungsansätze hinausgehen, nicht zu erwarten. Richtiger erscheint demgegenüber der Weg vom Allgemeinen zum Konkreten. Wenn es gelingt, für die wenigen schon im Grundgesetz angelegten, dem einfachen Gesetzgeber vorgegebenen Legitimationsstrukturen ein Ordnungsprinzip zu finden, kann im nächsten Schritt der Bezug zu den ministerialfreien Räumen gesucht werden. Erforderlich ist also eine „systematisierende Rekonstruktion“804 des demokratischen Gesamtbildes. 2. Grundlagen der Staatswillensbildung Das Ziel jeder staatlichen Ordnung ist die richtige Entscheidung. Nichts anderes bedeutet es, wenn vom Gemeinwohl – dem „allgemeinsten Telos der Staatlichkeit“805 – die Rede ist. Beide Begriffe, die richtige Entscheidung und das Gemeinwohl, sind auf dem Boden der relativen Staatszwecklehren indessen unbestimmt und für sich kaum aussagefähig. Der staatsrechtliche Kern des Gemeinwohlproblems ist daher die Frage, wer dazu berufen ist, verbindlich zu bestimmen, was das Gemeinwohl im gegebenen Fall fordert806. Die wichtigste Konkretisierung dazu liegt für uns in der demokratisch-parlamentarischen Staatsordnung. Danach ist eine Entscheidung richtig, wenn sich in ihr die Volkssouveränität verwirklicht807. Das Mittel dazu ist die demokratische Staatswillensbildung, zu deren unverzichtbarem Bestandteil die demokratische Legitimation gehört808. Um diesen Gedanken stärker zu akzentuieren, soll er zunächst der Idee der materiellen Legitimation gegenüber gestellt werden. 803

Ähnlich Emde, Demokratische Legitimation, 332 f., 372 f. Jestaedt, Kondominialverwaltung, 304. 805 Katz, Staatsrecht, Rn. 45. 806 Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR III, § 57, Rn. 53; Möllers, Verw.Archiv 90, 187, 200. 807 Kritisch zum Begriff der Richtigkeit hingegen Heun, Mehrheitsprinzip, 84; Gusy, AöR 106, 329, 338 ff. Eichenberger, Richterliche Unabhängigkeit, 83, wendet ein, daß es dabei nur „um eine an der Idee absoluter Gerechtigkeit ausgerichtete relative Gerechtigkeit der Wirklichkeit“ gehe. 808 Vgl. zur Staatswillensbildung im engeren und im weiteren Sinn 1. Kap., III. 4. 804

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a) Materielle Legitimation Bei den ministerialfreien Räumen gerät die demokratische Richtigkeit mit deren angeblich höheren Sachgerechtigkeit in einen scheinbaren Widerspruch. Sachgerechtigkeit steht dabei für Sachrichtigkeit und läßt den Gedanken zu, hier verwirkliche sich das Gemeinwohl. Die Schlußfolgerung könnte lauten, daß die bloß formale demokratische Legitimation zu deren Gunsten zurücktreten müsse. Auf dem Boden des Grundgesetzes wäre das nur zulässig, wenn sich dieser höhere Richtigkeitswert seinerseits demokratisch begründen ließe. Einer „sachgerechten Entscheidung“, die für sich beanspruchen könnte, in höherem Maß Ausdruck der Volkssouveränität zu sein, wäre gegenüber der formal-demokratisch legitimierten der Vorrang einzuräumen, weil sie das „wahre Gemeinwohl“ verkörpern würde. An dieser Stelle kommt die Unterscheidung von formeller und materieller Legitimation ins Spiel. Die formelle Legitimation entspricht dabei dem schon erläuterten Legitimationsmodell. Die materielle Legitimation ist nicht mit dessen Teilbereich, der sachlichen Legitimation, zu verwechseln809. Vielmehr ist dabei an den Volkswillen oder die volonté générale zu denken, die ebenfalls zur Bestimmung des Gemeinwohls herangezogen werden können. Allen genannten Begriffen ist gemeinsam, daß ihre Bedeutung vom jeweiligen Demokratiemodell abhängt, auf das sie bezogen sind. Was das für das Grundgesetz bedeutet, soll im folgenden anhand der volonté générale herausgestellt werden. Es handelt sich dabei vielleicht um den schillerndsten, aber zugleich auch vielschichtigsten Begriff, der gerade aus diesem Grund eine differenzierende Betrachtung erforderlich macht810. Obgleich die volonté générale in der Ideengeschichte über eine ältere Tradition verfügt, hat ihr erst Rousseau eine Prägung gegeben, die bis heute wirksam ist811. Danach verkörpert sie den Willen des politischen Ganzen. In Abgrenzung zur volonté particulière hat sie einen allgemeinen Inhalt, nämlich das bien commun oder auch bien générale. Dieses ist Gegenstand der Erkenntnis und damit vorgegeben. Rein formal betrachtet ist das staatliche Gesetz ihre Erscheinungsform. Weil die volonté générale in einem substantiellen Sinn immer wahr ist, handelt es sich um einen normativen Begriff. Zugleich folgt aus diesem Befund, daß eine abweichende volonté particulière unbeachtlich, wenn nicht gar zu unterdrücken ist. Übertragen auf die ministerialfreien Räume könnte die Schlußfolgerung lauten, daß sie besser geeignet wären, diese volonté générale 809 In dieser Terminologie bei Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20, II, Rn. 48. 810 Zur volonté générale und ihrer Kritik Gehrig, Parlament, Regierung, Opposition, 65. 811 Dazu eingehend Petersen, Volonté générale, 12 ff.

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zu verwirklichen. Nicht die Weisungsfreiheit, sondern die vollständige Verwirklichung des Legitimationsmodells wäre folglich das eigentliche demokratische Problem. Diesem Verständnis von volonté générale kann jedoch nicht gefolgt werden. Es ist mit der modernen parlamentarischen Demokratie unvereinbar, deren unverzichtbares Kennzeichen der Interessenpluralismus ist812. Die Problematik der volonté générale in einem substantiellen Sinn besteht darin, daß ihr Inhalt – anders als von Rousseau gesehen – nicht feststeht, sondern Ergebnis des staatlichen Willensbildungsprozesses ist, dessen Abschluß und Fixierung primär in die Hand des Parlaments gelegt ist. Volonté générale hat also tatsächlich einen materiellen Gehalt, dieser ist aber nicht anfänglich vorgegeben, gewissermaßen auffindbar, sondern steht erst an einem gedachten Ende. Insoweit kann man sagen, die volonté générale im substantiellen Sinn werde hergestellt813. Das aber ist nichts anderes als die Verwirklichung des Demokratieprinzips nach dem Verständnis des Grundgesetzes. Dahinter steht, daß die pluralistische Gesellschaft nicht von einem vorgegebenen, übergeordneten Wertsystem ausgehen kann, so daß kein Maßstab für die demokratische Richtigkeit von staatlichen Entscheidungen besteht. Einzige Ausnahme ist die verfassungsmäßige Ordnung selbst, an die sich das Volk als pouvoir constituant gebunden hat. Sie enthält als volonté générale einerseits Bedingungen formaler Rechtsstaatlichkeit, andererseits materielle Werte, die vor allem in den Grundrechten und Staatszielbestimmungen niedergelegt sind. Nur hier kann von materieller Legitimation die Rede sein814. Sobald die volonté générale im substantiellen Sinn äußeren Ausdruck in Gesetzesform gewinnt, kann von volonté générale im formalen Sinn gesprochen werden. Hier – aber auch nur hier – läßt sich direkt an Rousseau anknüpfen815. Wenn man demnach das formale Gesetz als gegenständlichen Ausdruck demokratischer Willensbildung im materiellen Sinn begreift, schließt sich die Frage der volonté générale in den Fällen staatlichen Handelns an, für die kein formales Gesetz besteht oder für dessen Vollzug Beurteilungs- und Ermessensspielräume eröffnet sind. Diese Vollzugsentscheidungen sind – formal gesehen – das Vorrecht der demokratisch legitimierten Regierung und der ihr nachgeordneten Verwaltung. Als Staatsgewalt, die dem Demokratieprinzip unterliegt, müssen sie aber – wie bereits festgestellt – zugleich volonté générale im substantiellen Sinn sein. Weil diese volonté générale nicht feststellbar ist, besteht für die Bewertung des staatlichen Handelns keine vorgegebene Kategorie von richtig und falsch. Da gleichwohl ein Modus gefunden werden muß, auch hier demokratisches 812

Petersen, Volonté générale, 16. Petersen, Volonté générale, 21 f. Vgl. zum formell-prozeduralen Willensbildungsprozeß als Input einerseits, zu seinem materiell-inhaltlichen Ergebnis als Output andererseits v. Arnim, Gemeinwohl, 43. 814 Siehe zur Kritik an der grundrechtlichen Legitimation 3. Kap., VI. 2. a) aa). 815 Petersen, Volonté générale, 16. 813

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staatliches Handeln zu gewährleisten, liegt die Verwirklichung der volonté générale im substantiellen Sinn in der parlamentarischen Verantwortung. Das Legitimationsmodell ist ihre äußere Erscheinung, die parlamentarische Kontrolle ihre Gewährleistung. Vor diesem Hintergrund ist es nicht möglich, die volonté générale in abstrakter Weise und getrennt von ihrer Emanation durch demokratische Legitimation zu denken. Dagegen verstößt, wer dem legitimierten staatlichen Handeln ein angebliches Gemeinwohl gegenüber stellt. Die Unabhängigkeit ministerialfreier Räume läßt sich daher nicht mit Hinweis auf die höhere Sachrichtigkeit der Aufgabenerfüllung begründen816. b) Demokratisches Gemeinwohl aa) Volkssouveränität als demokratischer Prozeß Der Bezug zwischen demokratischer Legitimation und Volkssouveränität wird in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG hergestellt. Dessen feststellende Formulierung ist indessen mißverständlich: So richtig es ist, daß im demokratischen Staat „alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht“, für den konkreten Ableitungsvorgang kann dies nur als Richtungsbestimmung gelesen werden. Es bedeutet zunächst: „Das Volk ist Ausgangspunkt aller Staatsgewalt.“ Staatliche Entscheidungen, also die Staatsgewalt, sind dann als Verwirklichung der Volkssouveränität zu betrachten, wenn das Entscheidungsverfahren daran ausgerichtet ist, daß das Volk über deren Inhalt bestimmt hat. Daraus folgt: Die gesamte staatliche Willensbildung ist an Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG gebunden. Es handelt sich um nichts Geringeres als den Kern des den gesamten Staat durchdringenden Verantwortungsprinzips817. Es wird in Art. 65 S. 2 GG an zentraler Stelle bestätigt818. Daß die Staatsgewalt vom Volke ausgeht, enthält aber zugleich ein Bewegungselement, mit dem sich der Vorgang umschreiben läßt, in dem die Volkssouveränität das Ergebnis ist. Dabei handelt es sich nicht um die Volkssouveränität schlechthin, sondern um die konkrete Emanation von Staatsgewalt. Der Unterschied zur materiellen Legitimation ist deutlich: Während dort die demokratische Legitimation von der Entscheidung her bestimmt wird819, geht es hier um einen Schluß vom Verfahren auf das Ergebnis. Der materiell-inhaltliche Output wird ausschließlich durch den formell-prozedural gestalteten Input des 816 Siehe aber Hoffmann-Riem, in: v. Mutius, Festgabe v. Unruh, 951, 952; Bryde, VVDStRL 46, 181, 191 f. 817 Vgl. zur Verantwortung 1. Kap., III. 2. b). 818 Siehe dazu 1. Kap., III. 2. b) aa), cc) (1). 819 Ähnlich schon die Argumentation mit dem kompensatorischen Legitimationsniveau. Siehe 3. Kap., V. 3. a).

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demokratischen Prozesses gebildet820. Die Feststellung, daß „eine Entscheidung nicht demokratisch sei“, bedeutet daher tatsächlich, daß das Willensbildungsverfahren, das zu der Entscheidung geführt hat, nicht den Kriterien entspricht, die Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG erfordert. Wer hingegen eine Entscheidung trotz ordnungsgemäßer Legitimation für undemokratisch hält, also gegen das Ergebnis argumentiert, stellt nicht nur deren Legitimität in Frage, sondern nimmt auch den Standpunkt materieller Legitimation ein. Vor diesem Hintergrund ist das Gemeinwohl keine Leerformel, es muß aber in seiner rechtsphilosophischen Weite zurückgenommen werden, wenn man es als staatsrechtlichen Begriff weiterhin fruchtbar machen will: Die richtige Entscheidung, also das Gemeinwohl, ist allein das Ergebnis dieses demokratischen Prozesses, in dem sich die Volkssouveränität verwirklicht821. Daher bietet auch die Demokratie keine Alternative zu dem Satz: auctoritas, non veritas facit legem. bb) Das demokratische Optimierungsgebot (1) Theoretischer Ansatz: Das Prinzip der Optimierung Der Zielbestimmung in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG ist noch eine weitere Bedeutung beigegeben. Weil es sich nicht nur um ein Ergebnis, sondern auch um einen prozeßhaften Vorgang handelt, muß es imperativ lauten: „Alle Staatsgewalt soll vom Volke ausgehen“822. Anders als der feststellende Gehalt der Norm insinuiert, wird nunmehr deutlich, daß der Weg zur Volkssouveränität unbestimmt ist. Ob er stets einheitlich ist, bleibt offen. Weil es dem verfassungsrechtlichen Sollen damit aber an der unmittelbaren Anwendbarkeit zu fehlen scheint, ist auf den Normcharakter zu sprechen zu kommen. Hierbei sind Prinzipien und Regeln zu unterscheiden. In der Terminologie Alexys823 ist ein Prinzip in unterschiedlichen Graden erfüllbar, so daß es auf ein Mehr oder Weniger angelegt ist. Im Gegensatz dazu kennen Regeln nur die Kategorien der Erfüllung oder Nichterfüllung. Das eingangs in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG eingefügte „Sollen“ ist beiden Kategorien gemeinsam und sagt über eine Zuordnung nichts aus. Nichts anderes gilt für die begriffliche Wiederholung im Demokratie-„Prinzip“. In der verfassungs820

Vgl. v. Arnim, Gemeinwohl, 43. In diesem Sinne BVerfGE 5, 85, 197 f.; Lerche, Verfassungsfragen um Sozialhilfe und Jugendwohlfahrt, 35; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56, 313 (Aussprache); nicht unbedingt im Widerspruch dazu steht der „demokratie-transzendentale“ Ansatz Isensees, in: ders./Kirchhof, HBStR III, § 57, Rn. 91, der damit argumentiert, daß die Gemeinwohlfrage gleichwohl offen und diskutabel bleibe. Dabei geht es jedoch um die Ebene der Legitimität, nicht die der Legitimation. 822 Siehe BVerfGE 107, 59, 91: Demokratiegebot. 823 Alexy, Theorie der Grundrechte, 75 f. Vgl. dazu Stern, Staatsrecht III/1, 501 f. 821

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rechtlichen Literatur wird der Frage wenig Beachtung geschenkt, so daß sich kein einheitliches Bild abzeichnet: Während Jestaedt dezidiert, aber ohne Begründung eine Zuordnung zur Regel vertritt824, kommt Mehde mit ausführlicher Erläuterung zum Prinzip825. Weil Regeln und Prinzipien in einem Ausschlußverhältnis stehen, ergibt sich die Ablehnung der Regel im Umkehrschluß aus der Argumentation für das Prinzip. Mehde nennt dafür die Konkretisierungsbedürftigkeit von Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG für eine Vielzahl von Einzelfällen, so daß es sich um eine „grundsätzlich sehr offene Norm“ handle. Deshalb sei eine Aussage darüber, ob die Norm erfüllt ist, nur unter Hinzuziehung von Regeln, die auf dem Prinzip aufbauen, möglich. Richtig ist daran, daß das Demokratieprinzip von seinen verfassungsrechtlichen oder einfachgesetzlichen Ausprägungen, die zweifellos Regeln darstellen, unterschieden werden muß. Dies führt zunächst nicht weiter, weil auch Regeln auf Regeln beruhen können. Das Verhältnis des Demokratieprinzips zu seinen Konkretisierungen ist aber ein anderes. Entscheidend ist dafür die Feststellung, daß das Demokratieprinzip ohne sie keine unmittelbaren Aussagen zuläßt. Es gehört daher zur Gruppe der Prinzipien. Nicht ganz in dieses Bild zu passen scheint, daß die Volkssouveränität selbst nur zwei Aussagen kennt: Sie besteht oder sie besteht nicht. Dies wird auch von Mehde anerkannt, weil „nach dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG die Annahme einer Regel durchaus sachgerecht“ erscheine826. Daß er gleichwohl zum Prinzipiencharakter gelangt, beruht auf einer Verwechslung von Volkssouveränität und Demokratieprinzip in seiner Argumentation827. Wenn im allgemeinen vom Demokratieprinzip die Rede ist, steht dahinter zumeist der Gedanke an die „demokratische Volkssouveränität“828, der nichts anderes als das Ergebnis einer wechselseitigen Konkretisierung ist. Hier sind beide Begriffe jedoch zu unterscheiden und in ihre verschiedenen Funktionen aufzugliedern, die im Verhältnis von Ziel und Mittel stehen829. Zum Bestand der Volkssouveränität gehört dabei der Verantwortungszusammenhang als Zusammenfassung von Legitimationserfordernis und -ziel. Das Demokratieprinzip hingegen stellt die Mittel und Instrumente dafür bereit. Die Unterscheidung wird für den Normcharakter relevant. Anders als das Demokratieprinzip erfährt die Volkssouveränität eine 824

Jestaedt, Kondominialverwaltung, 585, 592. Mehde, Neues Steuerungsmodell, 531 ff., insb. 542 ff.; so wohl auch Alexy selbst, Theorie der Grundrechte, 118; angedeutet bei H. Dreier, in: ders., GG-Kommentar II, Art. 20 (Einführung), Rn. 10; Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, 59, 60; zuletzt BVerfGE 107, 59, 91 (bestritten aber von Unruh, JZ 2003, 1061, 1062, Fn. 15). 826 Mehde, Neues Steuerungsmodell, 542. 827 Insofern geht auch seine Kritik an Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20, II, Rn. 33, fehl, der beide unterscheidet. 828 Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20, II, Rn. 36. 829 Jestaedt, Kondominialverwaltung, 161 f. 825

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deutliche Hervorhebung im GG und gewinnt dadurch „eine Geltungskraft, die den meisten anderen Grundsätzen des Art. 20 fehlt“830. Insoweit geht man nicht fehl, darin eine Regel zu sehen. Für das Verhältnis von Regel und Prinzip kann nunmehr an die Ausführungen zu Art. 79 Abs. 3 GG angeknüpft werden831, in denen sich eben diese Unterscheidung als verfassungsfester Regelungskern mit einem variablen Regelungshof findet. Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen ist, daß es sich beim Demokratieprinzip um ein Prinzip im oben genannten Sinne handelt. Wichtigste Ableitung aus der Prinzipienlehre ist seine Deutung als Optimierungsgebot832, womit das normative „Sollen“ eine spezifische Aussage erhält. Von den möglichen Graden der demokratischen Legitimation ist immer der weitestgehende der verfassungsrechtlich verbindliche Inhalt der Norm. Volkssouveränität gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG wird demnach durch größtmögliche Legitimation hergestellt. Aus dieser Sicht kann demokratische Legitimation nach dem Grundgesetz nur vollständige Legitimation sein. Eine verminderte Legitimation, d. h. eine Legitimation, die nicht optimal ist, kommt ihrem Fehlen gleich. Insoweit gilt: Legitimation ist weder einer Mehrung noch einer Minderung fähig. Sie ist logisch ein Superlativ833. Die verbreitete Rede834 vom effektiven Einfluß des Volkes auf die Ausübung der Staatsgewalt ist deshalb zumindest mißverständlich. Gänzlich unvereinbar ist die Vorstellung eines demokratischen Mindestniveaus, weil es gedanklich ein Mehr an Legitimation einschließt. Die Kritik am sogenannten Legitimationsniveau bestätigt sich an dieser Stelle. (2) Die Bestimmung des Optimums Wenn von vollständiger Legitimation die Rede ist, setzt dies einen Maßstab voraus. Anders gewendet: Die Frage gilt der Definition dessen, was das Optimum sein soll. Vom Demokratieprinzip kann darauf keine abstrakte Antwort erwartet werden. Sein theoretischer Ansatz ist zu vielfältig und läßt keine hinreichende Konkretisierung zu. Zurückzugreifen ist vielmehr auf die Ausgestaltung, die das Demokratieprinzip in der verfassungsmäßigen Organisationsstruktur erfahren hat. Die These lautet, daß sie auf einem rationalen Ansatz optimaler demokratischer Legitimation beruht, der nicht nur die verfassungsrechtlichen

830

Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20, II, Rn. 33. Siehe dazu 3. Kap., VI. 3. 832 Begrifflich: Alexy, Theorie der Grundrechte, 75 f.; Würtenberger, VVDStRL 58, 139 ff.; Czybulka, Verwaltungslegitimation, 184; angedeutet bei Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, 77. 833 In Anlehnung an G. Jellineks Diktum zur Staatsgewalt, Allgemeine Staatslehre, 496. 834 Siehe dazu 3. Kap., V. 3. a) aa). 831

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Legitimationsunterschiede zu erklären vermag, sondern auch für die Frage der Ministerialfreiheit fruchtbar gemacht werden kann. Zur Begründung ist davon auszugehen, daß das Maß optimaler demokratischer Legitimation als Kehrseite des Prinzipiencharakters von tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten abhängt835. Dafür sind insbesondere gegenläufige Prinzipien bestimmend. Kollisionen sind nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu lösen. Voraussetzung ist, daß zwei gleichrangige Normen zu widersprechenden Sollensurteilen führen, die nur zu Lasten des einen oder des anderen vereinheitlicht werden können. Mehde wendet dies auf das Demokratieprinzip an und folgert daraus die Ablehnung des strikten Legitimationsmodells zugunsten einer offenen Legitimationsordnung, in der für jeden Einzelfall eine Vorrangrelation zwischen den jeweiligen Prinzipien herzustellen sei836. Seine Folgerung beruht indessen auf einer pauschalen Anwendung der Prinzipienlehre. Alexy entwickelt diesen Gedanken als Grundpfeiler für seine Grundrechtstheorie837, was bei der Übertragung auf die Frage der demokratischen Legitimation einschränkend zu berücksichtigen ist. Ebenso wie die Abwägung von Grundrechten divergierende Schutzgüter zum Ausgleich bringen muß, zielen die gegenläufigen Verfassungsprinzipien beim Demokratieprinzip auf dessen Anwendungsbereich, nämlich die Legitimation von Art und Inhalt staatlichen Handelns. Der Unterschied besteht jedoch zum einen darin, daß dieser Anwendungsbereich in sich gestuft ist und darum der Ort der Kollision genau benannt werden muß. Zum anderen verfügen die fraglichen Prinzipien selbst über verfassungsrechtlich-demokratische Legitimation, so daß es nicht nur um eine Ziel-, sondern auch um eine Legitimationskollision geht. Dieser Vorgang ist näher zu beleuchten. Demokratische Legitimation hat stets ein Bezugsobjekt. Darunter ist hier nicht die Staatsgewalt als solche zu verstehen, sondern die Konkretisierung ihres jeweiligen Inhalts. Das demokratische Optimierungsgebot zielt auf den Vorgang der Staatswillensbildung im engeren Sinne, also den Kern des demokratischen Prozesses, den die demokratische Legitimation zum Gegenstand hat. Verwirklicht wird sie durch die Gestaltung der Organisation und des Verfahrens, weil diese die konkreten Möglichkeiten eröffnet, den Inhalt des Willensbildungsprozesses zu steuern und darauf Einfluß zu nehmen838. Hier findet die verfahrensgeprägte Demokratie ebenso ihre Begründung839 wie die Gleichsetzung von demokratischer Legitimationsstruktur und staatlicher Organisations835

Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, 100 f. Mehde, Neues Steuerungsmodell, 549. 837 Alexy, Theorie der Grundrechte, 71. 838 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 333. 839 Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 70, Rn. 23; H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 170. 836

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struktur. Wie in der These vorausgesetzt, ist es folglich die Gestaltung der Staatswillensbildung, die die Herstellung der Volkssouveränität gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG gewährleisten muß840. Für die Bestimmung der Grenzen optimaler Legitimation ist davon auszugehen, daß der demokratische Prozeß nicht richtungslos, sondern auf die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben bezogen ist. Formal handelt es sich dabei um Aktionsfelder, die von staatlichen Akteuren unter Einsatz öffentlicher Mittel oder unter staatlicher Anleitung bearbeitet werden841. Sie erstrecken sich von den staatlichen Gewalten über die notwendigen und fakultativen Staatsaufgaben im Grundgesetz bis zu allen Aufgaben, die von staatlichen Organen wahrgenommen werden und nicht verboten sind842. Bestimmung und Wahrnehmung dieser Aufgaben sind Gegenstand der Staatswillensbildung. Zum besseren Verständnis sind dafür im folgenden zwei Abschnitte zu unterscheiden, von denen der zweite in Abhängigkeit vom ersten steht: (a) Den Staatsaufgaben ist gemeinsam, daß sie – erster Abschnitt – als Zielformulierung hervorgebracht werden müssen und dafür der demokratischen Legitimation bedürfen. Für die Gesetze mit klassischem Konditionalprogramm ergibt sich das Ziel mechanisch aus der Rechtsfolge der zu subsumierenden Tatbestandsmerkmale. Anspruchsvoller sind demgegenüber Gesetze mit Finalprogramm bzw. Aufgabenprogramm843. Unabhängig von der genauen Bezeichnung und den dogmatischen Feinheiten ist ihnen jeweils die Vorstellung eines Ziels gemeinsam: „Das Recht setzt nicht nur Grenzen rechtlichen Handelns, sondern enthält auch programmatische Aufträge. Die Entscheidung ist richtig, wenn sie nicht nur in der Marge des rechtlich zulässigen liegt – dann ist sie rechtmäßig – sondern darüber hinaus im Optionsbereich ein ,optimales‘, die betroffenen Interessen in angemessener Weise berücksichtigendes Ergebnis herbeiführt“844. Dieser programmatische Auftrag ist im folgenden von tragender Bedeutung. Die im Grundgesetz genannten Staatsaufgaben sind verfassungsrechtlich legitimiert. Daraus darf nicht gefolgert werden, daß alle Agenden einer verfassungsrechtlichen Ableitung bedürfen845. Durchaus angreifbar hat das Bundesverfassungsgericht formuliert, daß eine öffentliche Aufgabe dann zur staatlichen werde, wenn sich der Staat mit ihr in irgendeiner Form befasse846. Dies ist richtig, wenn es sich um eine rechtsverbindliche und 840 So auch der Ansatz bei Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, 77; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 131. 841 Grimm, in: ders., Staatsaufgaben, 10. 842 Bull, Staatsaufgaben, 213 ff.; Battis/Gusy, Staatsrecht, Rn. 307. 843 Hoffmann-Riem, in: Schmidt-Aßmann/ders., Steuerungsressource, 355, 367 f.; Würtenberger, VVDStRL 58, 139, 152 f. 844 Hoffmann-Riem, in: Schmidt-Aßmann/ders., Steuerungsressource, 355, 360. 845 Bull, Staatsaufgaben, 114; Badura, Staatsrecht, D, Rn. 34. 846 BVerfGE 12, 205, 243.

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rechtserhebliche staatliche Entscheidung handelt847. In Betracht kommen dafür neben den untergesetzlichen Rechtssätzen insbesondere Parlamentsgesetze848, die ihrerseits der demokratischen Legitimation bedürfen. Vorbehaltlich genauerer Erklärung sei hier unterstellt, daß das Parlamentsgesetz über eine vollständige, d.h. optimale Legitimation verfügt. Daher ist an dieser Stelle festzuhalten, daß – anders als die materielle Legitimation im Sinne einer höheren Richtigkeit – die Staatsaufgaben einerseits Ergebnis demokratischer Legitimation sind, andererseits zum Maßstab ihrer Erfüllung werden. Sie sind selbst Bestandteil der demokratischen Legitimationsstruktur. „Nicht nur das Recht, sondern auch die Zweckaufgaben des politischen Systems sind in diesem Sinne positiviert worden. Sie werden durch programmierende Entscheidungen gesetzt, die im politischen System selbst getroffen werden müssen“849. Insoweit können sie bereits als Leitlinien des Gemeinwohls bezeichnet werden, das sich mit der Aufgabenwahrnehmung zunehmend konkretisiert850. Alle im Grundgesetz genannten Staatsaufgaben, unabhängig ob notwendig oder fakultativ, enthalten Gemeinwohlbestimmungen des Verfassungsgebers. Daneben verfügt das Grundgesetz als wertgebundene Ordnung851 mit den Grundrechten852, den Staatszielbestimmungen853 und den Verfassungsprinzipien jedoch noch über weitere Aussagen zum Gemeinwohl, die den Gesetzgeber bei der Bestimmung und Ausgestaltung von weiteren Staatsaufgaben und die Staatsgewalt insgesamt bei der Wahrnehmung der Staatsaufgaben binden854. Sie sind unter Berücksichtigung von Normenhierarchie, der Einheit der Verfassung und der praktischen Konkordanz abzuwägen und in Ausgleich zu bringen. Ein Legitimationsproblem stellt sich auf dieser Ebene noch nicht. (b) Durch die Aufgabenbestimmung gewinnt der nachfolgende – zweite – Abschnitt der Aufgabenwahrnehmung, der ebenfalls den demokratischen Erfordernissen unterliegt, eine materielle Komponente, die sich zugleich als rechtliche Grenze der weiteren demokratischen Legitimation erweisen wird855. 847

Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 120, 124; Bull, Staatsaufgaben, 105. Bull, Staatsaufgaben, 114 f., 121. 849 Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, 71. 850 H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 117, 165 f. 851 BVerfGE 2, 1, 12; 6, 32, 40; 7, 198, 205. 852 Dazu Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR III, § 57, Rn. 81, 83. 853 Badura, Staatsrecht, D, Rn. 42. 854 Vgl. Bull, Staatsaufgaben, 155 ff.; Papier, in: Kloepfer, Seminar Bettermann, 33, 40 f.; Häberle, VVDStRL 56, 309 f. (Aussprache). 855 Diese vereinfachende Einteilung dient der Veranschaulichung. Tatsächlich sind Aufgabenbestimmung und Aufgabenwahrnehmung nicht strikt zu trennen, sondern ein Prozeß fortschreitender Konkretisierung [siehe dazu auch 3. Kap., VII. 3. c) dd) (1)]. 848

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Die Aufgabenerfüllung macht konkrete Organisations- und Verfahrensbestimmungen erforderlich, so daß festgestellt werden kann: „Die Verwaltung und ihr Recht sind auf die Erreichung angestrebter Zwecke hin angelegt“856. Auch für sie gilt das demokratische Optimierungsgebot, größtmögliche Volkssouveränität zu gewährleisten857. Weil diese Organisations- und Verfahrensbestimmungen aber zugleich auf die demokratisch legitimierten Staatsaufgaben gerichtet sind und diese konkretisieren, dienen sie nicht allein der Volkssouveränität im allgemeinen, sondern gerade der effektiven Wahrnehmung der jeweiligen Aufgabe. Dabei handelt es sich um einen anerkannten staatsrechtlichen Topos, der sich zu einem Gebot funktionsgerechter Verwaltungsstrukturen verdichtet hat858. Aufgaben sind so zu organisieren, daß sachrichtige Entscheidungen getroffen werden können. Was sachrichtig ist, leitet sich von der demokratisch legitimierten Aufgabenbestimmung her, die mittels der verfahrensmäßigen Gestaltung eine zusätzliche Konkretisierung erfährt. Das Gebot funktionsgerechter Organstruktur wird zumeist dem Gewaltenteilungsgrundsatz859 oder dem Rechtsstaatsprinzip860 zugeordnet. Ohne dies hier vertiefen zu können, soll zumindest auch auf den Aspekt der Rückbezüglichkeit des Demokratieprinzips hingewiesen werden: Wenn eine Staatsaufgabe demokratisch bestimmt ist, leitet sich daraus zugleich der Auftrag ihrer aufgabengerechten Erfüllung her. Fügt man die vorangestellten Grundlagen zusammen, so ergibt sich für das fragliche Optimum demokratischer Legitimation folgendes Bild: Unter den verfassungsrechtlichen Staatsaufgabenbestimmungen sind zunächst die drei Hauptstaatsgewalten hervorzuheben. Die ihnen beigeordneten Legitimationsstrukturen sind als Abwägung zwischen einer effektiven Aufgabenerfüllung und den möglichen Formen und ideellen Anforderungen demokratischer Legitimation zu begreifen861. „Verfassung ist Organisation des politischen Gemeinwesens – offene Einheit – und als solche auf Effizienz ihrer Strukturen angelegt“862. Sie bilden Dazu Bull, Staatsaufgaben, 120, 126; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 165 f. Es handelt sich um einen mehrstufigen Aufbau, für den die Bindung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG von besonderer Bedeutung ist. 856 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, § 15, 1. 857 Die Rede von der „undemokratischen Entscheidung“ gewinnt durch den Optimierungsgedanken noch eine zusätzliche Bedeutung: Eindeutig und dem allgemeinen Verständnis entsprechend ist es, wenn damit ein Mangel an demokratischer Legitimation gemeint ist. Undemokratisch ist es aber auch, wenn die gewählte Verfahrensart nicht die optimale Verwirkung der Volkssouveränität in der Aufgabenerfüllung gewährleistet. 858 BVerfGE 68, 1, 86; v. Danwitz, Der Staat 35, 329 ff.; Häberle, AöR 98, 625, 629 f.: spezielle Effizienzforderungen; Groß, in: Sommermann, Gremienwesen, 17, 32; K. Lange, VVDStRL 44, 169, 198. 859 v. Danwitz, Der Staat 35, 329, 330. 860 Groß, Kollegialprinzip, 200, 203; Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 69, Rn. 77.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

jeweils das vorgegebene Optimum bereichsspezifischer Legitimation und werden damit zum Bezugspunkt einfachgesetzlicher Rechtsgestaltung. Die unterschiedlichen Legitimationsbedingungen von Parlament, Verwaltung und Rechtsprechung sind also mit ihren jeweils unterschiedlichen Aufgaben zu erklären. Daß sich in ihnen gleichermaßen Volkssouveränität verwirklicht, beruht auf dieser Ebene auf verfassungsrechtlicher Dezision. Sie ist vorgegeben und nachvollziehbar, aber nicht beweisbar. Damit beruhen ihre Legitimationsbedingungen zwar auf dem hier vertretenen Begründungsansatz, haben aber zugleich eine Sonderstellung, weil bei ihnen unsere verfassungsmäßige Maßstabsbildung ihren Ausgang nimmt863. Im Hinblick auf die Exekutive bedeutet dies, daß das Legitimationsmodell die für ihre Zwecke optimale Legitimationsstruktur gewährleistet. Für ihre Aufgabenerledigung ist stets eine Aufgabenorganisation zu suchen, die geeignet ist, den spezifischen programmatischen Auftrag unter den Bedingungen des Legitimationsmodells umzusetzen. In diesem Rahmen ist die Verfahrensgestaltung offen für eine Gewichtung einzelner Legitimationselemente unter dem Gesichtspunkt der Legitimität. Das gilt insbesondere für das Verhältnis zwischen gesetzlicher und kontrollmäßiger Legitimation und die Konstituierung besonderer Kontrollmittel mit dem Ziel einer effektiven parlamentarischen Kontrolle. Umgekehrt ist es nicht möglich, einzelne Legitimationselemente aus Gründen effektiverer Aufgabenerfüllung oder höherer Legitimität einzuschränken. Abweichungen vom Legitimationsmodell sind nur bei Inkompatibilität zulässig. Das ist der Fall, wenn sich eine konkrete Aufgabe unter Geltung des Legitimationsmodells nicht erfüllen läßt. Die Grenze optimaler Legitimation wird dann bereits unterhalb seiner Regelanforderungen erreicht864. Abstrakt ist das damit zu begründen, daß die demokratischen Anforderungen an die Aufgabenerfüllung mit dem demokratisch legitimierten Inhalt der Aufgabe in Bezug zu setzen sind. Im Fall einer Kollision hat die Aufgabenbestimmung eine höhere demokratische Wertigkeit und damit auch den Vorrang. Für die Einschränkung des 861 Ähnlich Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 244, demzufolge die verfahrensrechtlichen Festsetzungen und Gewährleistungen auf der Überzeugung der besten Chance für eine optimale Richtigkeit beruhen. 862 Häberle, AöR 98, 625, 631. 863 Diese Deutung ergänzt in gewisser Weise das von Jestaedt vertretene Modell der vorgegebenen Legitimationsniveaus [siehe 3. Kap., V. 3. a) aa)], weil die verfassungsrechtliche Bestimmung der jeweils erforderlichen Legitimation zusätzlich in einen übergeordneten Kontext eingeordnet wird und dadurch eine rationale Begründung erfährt. 864 Vgl. hierzu insbesondere H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 148, der im Ansatz ähnlich eine „Grenze der Hierarchie“ konstatiert, wenn die zu erfüllenden Verwaltungsaufgaben und zu erbringenden Verwaltungsleistungen sich nicht dem bürokratisch-hierarchischen Zugriff fügen. Daraus folgert er aber lediglich eine Destabilisierung des Hierarchieprinzips, ohne daraus Bedingungen für das Demokratieprinzip abzuleiten.

VII. Eigener Lösungsansatz

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Legitimationsmodells ist darum nicht auf die höhere Richtigkeit einer rein materiellen Legitimation zu rekurrieren. Weil es sich zugleich um die für diesen Fall maximal mögliche demokratische Legitimation handelt, stellt sie das demokratische Optimum dar. Wegen des Prinzipiencharakters des Demokratieprinzips entsteht kein zu rechtfertigendes demokratisches Defizit. Hier gilt: Impossibilium nulla est obligatio. Die ebenfalls angesprochenen gegenläufigen Verfassungsprinzipien werden in diesem Rahmen nur mittelbar wirksam, indem sie Teil der demokratisch legitimierten Aufgabenbestimmung sind. Auf der Ebene der Aufgabenerfüllung spielen sie darum keine unmittelbare Rolle mehr. Vor diesem Hintergrund wird das Legitimationsmodell nicht disponibel, sondern lediglich im demokratischen Gesamtbild interpretiert. Allerdings könnte der Einwand erhoben werden, dem Demokratieprinzip werde – zumindest im Bereich der einfachgesetzlichen Aufgabenbestimmung – ein nicht existierender Gesetzesvorbehalt unterlegt. Dies wäre dann richtig, wenn man dazu ausschließlich die Aufgabenbestimmung als eine dem Demokratieprinzip vorrangige Regel betrachtete. Sie würde damit dem gleichen Verdikt unterliegen, das sich schon gegen die Effektivität im Rahmen der Rechtfertigungstatbestände gerichtet hat. Im Unterschied dazu wird sie hier mit der Verknüpfung von Aufgabenbestimmung und Aufgabenwahrnehmung an das Demokratieprinzip angebunden. Weil der Bezug auf das Legitimationsmodell erhalten bleibt, ist weder ein Rückgriff auf verfassungsrechtlich zweifelhafte Legitimationsformen notwendig, noch ein Rechtfertigungstatbestand anzunehmen, dessen Verhältnis zum Demokratieprinzip ungewiß ist. Entscheidend ist, daß die Staatsaufgaben – unabhängig davon ob sie verfassungsrechtlicher oder einfachgesetzlicher Natur sind – über eine vollständige demokratische Legitimation verfügen. In der Vorrangrelation zwischen der demokratischen Aufgabenbestimmung und der demokratischen Aufgabenerfüllung kommt der ersten das größere Gewicht und damit der grundsätzliche Vorrang zu865. Insoweit könnte man sagen: „Ius ad finem dat ius ad media“866. Der verfängliche Inhalt dieses Satzes zeigt, daß die Ableitung 865 Erstem Anschein nach anderer Ansicht ist Badura, Staatsrecht, D, Rn. 34, demzufolge keine Staatsaufgaben aus dem Grundgesetz abgeleitet werden dürfen, denen die Institutionen „aufgrund ihrer Funktionsbedingungen nicht gewachsen sein können“. Jedoch ist zu vermuten, daß lediglich die Unzulässigkeit inadäquater Aufgabenzuordnung, nicht aber der Vorrang der bestehenden Verwaltungsstruktur zum Ausdruck kommen soll. 866 An dieser Stelle kann eine Feststellung des Bundesverfassungsgerichts (E 30, 1, 20) aufgegriffen werden, die zwar in anderem Zusammenhang erging, den hier verfolgten Gedanken aber gleichermaßen trifft: „Für die Aufgabe des Verfassungsschutzes sieht das Grundgesetz ausdrücklich eine eigene Institution vor, das Verfassungsschutzamt (vgl. Art. 73 Ziff. 10, Art. 87 Abs. 1 GG). Es kann nicht der Sinn der Verfassung sein, zwar den verfassungsmäßigen obersten Organen im Staat eine Aufgabe zu stellen und für diesen Zweck ein besonderes Amt vorzusehen, aber den verfassungsmäßigen Organen und dem Amt die Mittel vorzuenthalten, die zur Erfüllung ihres Verfassungsauftrags nötig sind.“

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

einer strikten Begrenzung bedarf. Es geht gerade nicht darum, aus einem angeblichen Gemeinwohl die Mittel seiner Durchsetzung abzuleiten, sondern um die bereits demokratisch bestimmten Leitlinien des Gemeinwohls. Staatsgewalt bleibt begrenzt und rechtlich umhegt. Wesentlichen Anteil daran hat, daß jede Abweichung von dem in Art. 20 Abs. 2 GG enthaltenen Optimierungsgebot unter Begründungszwang steht867. Die Gründe für die Unmöglichkeit der Aufgabenerfüllung unter Wahrung des Legitimationsmodells sind folglich nachzuweisen. (3) Grundlegende Zuordnungen Die hier vorgenommene funktionale Deutung des Demokratieprinzips sieht sich durch eine Vielzahl ähnlicher Ansätze in Literatur und Rechtsprechung bestätigt. Die Erheblichkeit der Sachangemessenheit868, der Sachorientierung869 und der Sachbezogenheit870 dürfen als anerkannte Topoi vorausgesetzt werden. Danach gilt: „Wenn der Gesetzgeber die Verwirklichung des Gemeinwohls nicht von hierarchischer Bindung, sondern pluraler Spannung, der Freisetzung professioneller Energie und der Einbeziehung der Betroffenen erwartet, und wenn Kontrolle anders – und besser – z. B. durch den Einbau unabhängiger Institutionen erreicht werden kann, steht das Verfassungsrecht einer Pluralisierung des Verwaltungsaufbaus daher nicht entgegen“871. So einleuchtend der Befund ist – der dogmatische Mangel wird aber in der Begründung deutlich. Die Frage, ob das Verfassungsrecht einer Verwaltungsstruktur nicht entgegensteht, kann nicht von der Frage nach dem Warum getrennt werden. Es ist die eingehende Begründung, die das Urteil trägt und deren Mangel die funktionalen Ansätze überwiegend teilen. Die unzulässigen Rechtfertigungsansätze der Natur der Sache oder der Effektivität bzw. die nicht haltbare Ausdehnung des Demokratiebegriffs durch Erweiterung der Legitimationssubjekte, der sich zuletzt sogar das Bundesverfassungsgericht anschloß872, wurden bereits herausgearbeitet. In dem Optimierungsgedanken liegt demgegenüber ein dynamischer Aspekt, der eine Weiterentwicklung des demokratischen Modells erlaubt und damit den Vorwurf der Versteinerung873 des Legitimationsmodells entkräftet. Das System ist insoweit variabel, aber nicht beliebig, weil es am Legitimationsmodell und 867

Ebenso im Ergebnis H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 135, 218, 284. Emde, Demokratische Legitimation, 336. 869 H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 175. 870 Schmitt Glaeser, VVDStRL 31, 179, 229. Außerdem: BVerfGE 10, 89, 106; Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 86, Rn. 73, Fn. 184; Sommermann, in: ders., Gremienwesen, 9, 14; mit weiteren Nachweisen: Möllers, Verw.Archiv 90, 187, 189. 871 Bryde, VVDStRL 46, 181, 192. 872 Siehe dazu 3. Kap., VI. 2. c) bb). 873 Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 351. 868

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den mit ihm verknüpften Organisationsprinzipien als Ausgangspunkt festhält. Damit wird der Fehler anderer funktionaler Ansätze vermieden, das verfassungsrechtliche Legitimationsmodell unter organisationssoziologischen Gesichtspunkten zu überspielen874. Das Demokratieprinzip erhält nicht nur eine verfassungskompatible Deutung, sondern auch der Legitimationsbegriff, allzu oft mit idealisierenden Demokratievorstellungen überfrachtet, kann darin wirklichkeitsnäher zugeordnet werden. Dies wird auch auf die Gefahr des Vorwurfs hin vertreten, die Unterscheidung zwischen Sein und Sollen zu mißachten. Dieser Grundsatz soll nicht in Frage gestellt werden. Es ist aber nicht zu verkennen, daß die Optimierung eine Brücke ist, den juristischen Begriff der Legitimation an die Wirklichkeit heranzuführen875. Das Wirklichkeitsdenken876 ist eine notwendige Bedingung des Demokratieprinzips. Das hier vorgestellte Modell nimmt daher für sich in Anspruch, die Bedingungen der Legitimationsstrukturen besser in den Blick zu bekommen und damit erst die Grundlage für weitere verfassungsrechtliche Wertungen zu schaffen. Die bisherige Deutung der demokratischen Legitimation ist danach nicht falsch, aber ergänzungsbedürftig. 3. Das grundgesetzliche Demokratiemodell Eingangs wurde das Ziel einer systematisierenden Rekonstruktion des demokratischen Gesamtbildes formuliert. Die dafür entfaltete theoretische Grundlage soll nunmehr an den verfassungsrechtlich vorgegebenen Legitimationsstrukturen nachvollzogen werden. Dabei geht es natürlich um die bereits angesprochenen drei Staatsgewalten mit ihren jeweiligen Legitimationsanforderungen. Von besonderem Interesse sind hier außerdem diejenigen Ausnahmen, die das Grundgesetz selbst konstituiert und die gemeinhin als Rechtfertigungstatbestände angesehen werden. Im Anschluß daran ist zu untersuchen, unter welchen Bedingungen sich daraus eine Einordnung der ministerialfreien Räume ableiten läßt. a) Die verfassungsrechtlichen Legitimationsstrukturen aa) Die parlamentarisch-repräsentativen Strukturbestimmungen Der Verfassungsgeber hat mit der parlamentarisch-repräsentativen Ausgestaltung des Demokratieprinzips die erste grundlegende Entscheidung über die Verwirklichung der Volkssouveränität getroffen. Die abstrakte Volkssouveränität,

874

Groß, Kollegialprinzip, 201 f.; ders., in: Sommermann, Gremienwesen, 17, 23,

30 f. 875 876

Häberle, AöR 98, 625, 629, im Hinblick auf Effizienz. Häberle, Die Verfassung des Pluralismus, 10 ff.

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die in ihrem ursprünglichen, umfassenden Sinn der pouvoir constituant zuzuordnen ist, wandelt sich damit in eine konkrete Volkssouveränität877. Ihr liegt die Vorstellung zugrunde, das Gemeinwohl ließe sich auf diesem Wege besser als durch Formen identitärer Demokratie gestalten878. Im Hinblick auf die Verwirklichung der Volkssouveränität in einem wörtlichen Sinne mag dies anfechtbar sein, muß aber als Optimierungswertung hingenommen werden. Zugleich begründet es, warum repräsentative Demokratie keine demokratische Minderform ist879. Auch die Unabhängigkeit der Abgeordneten gemäß Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG, die – gemessen am Legitimationsmodell – einer dauernden Rückbindung an das Volk entgegensteht, muß auf diese Weise gedeutet werden. Leitende Überzeugung ist, daß eine persönliche Verpflichtung der Abgeordneten die Arbeitsfähigkeit des Parlaments beschränken würde. Nichts anderes gilt für das Mehrheitsprinzip880, die Wahlmündigkeit, die Dauer der Legislaturperiode und die Stellung der Parteien. Das Ministerialsystem stellt als Regelfall der Bundesverwaltung eine verfassungsrechtliche Wertung über die optimale demokratische Legitimation der Staatsverwaltung dar881. Dazu gehören auch die Strukturbedingungen der parlamentarischen Kontrolle, also die Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers bzw. der Bundesminister gegenüber dem Parlament einerseits, das Fehlen parlamentarischer Weisungsrechte gegenüber der Regierung andererseits. Die viel beklagte strukturelle Insuffizienz der parlamentarischen Kontrolle erscheint auch unter diesem Gesichtspunkt als haltlos, weil sie von falschen dogmatischen Voraussetzungen ausgeht. Anders ließe sich auch nicht erklären, warum gerade der personellen Legitimation, der Gesetzesbindung wie auch der parlamentarischen Kontrolle, also den Bestandteilen des Legitimationsmodells, die entschei877

Krbek, in: Bracher/Dawson/Geiger/Smend, Festschrift Leibholz, 69 ff. Ähnlich Mayer-Tasch, VVDStRL 33, 134 (Aussprache). Dies kann, muß aber nicht die Vorstellung Krügers von der Repräsentation als Vorgang der Selbstvergütung umfassen, Krüger, Staatslehre, 232 ff., insb. 240 f. 879 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 34, Rn. 3. 880 Erhellend ist hier der Disput über das Mehrheitsprinzip in der Aussprache über das demokratische Prinzip im Grundgesetz anläßlich der Staatsrechtslehrertagung 1970 in Speyer, VVDStRL 29, 85 ff. Während einerseits vertreten wurde, damit werde die Richtigkeit der Entscheidung gewährleistet, so Kriele, a. a. O., 46, 53 sowie 107, Marcic, a. a. O., 101, hielten Roellecke, a. a. O., 99 f., und Leibholz, a. a. O., 103 f., entgegen, daß die Mehrheitsentscheidung lediglich Bedingung des rechtsstaatlich-demokratischen Willensbildungsverfahrens sein könne, weil es auch für sie keinen Richtigkeitsmaßstab gäbe. Die Wahrheit liegt gewissermaßen in der Mitte: Der Anordnung der Geltung des Mehrheitsprinzips liegt die Vorstellung größerer Richtigkeit zugrunde, die sich in der Entscheidung realisiert. Richtig, und deshalb nur relativ, ist sie dabei im demokratischen Sinne. Für das konkrete Entscheidungsverfahren ist das Mehrheitsprinzip jedoch lediglich formale Bedingung. 881 Mit dieser Einschränkung wird die von H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 138, formulierte These geteilt, hierarchische Verwaltung sei ein unerläßliches Funktionsprinzip der parlamentarischen Demokratie. 878

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dende Rolle bei der Herstellung der Volkssouveränität zukommen soll. Sie sind Ausfluß der Gewaltenteilung, die wiederum als aufgabenorientierte Organisationsentscheidung interpretiert werden kann882. Dabei macht es keinen Unterschied, daß sie vom Verfassungsgeber vorgefunden und normativ unterfangen wurde883. Beide, Staatsorganisation und Legitimationsmodell, haben den gleichen Ursprung und müssen daher einheitlich gesehen werden. bb) Rechtsprechung Mit der Rechtsprechung verbindet sich in besonderem Maße ein verfassungsrechtliches Vorverständnis884, das von Neutralität und Unabhängigkeit geprägt ist. Dahinter steht die gewachsene Überzeugung, daß die Aufgabenerfüllung der Rechtsprechung auf diesem Wege besonders gut gewährleistet ist885, bzw. umgekehrt die historisch belegte Furcht vor Einflußnahme und Manipulation: „Es ist die spezifische Hinwendung zum Recht, die als positive Intention jene negative Freiheit rechtfertigt“886. Darum schließt die in Art. 97 Abs. 1 GG bestimmte Unabhängigkeit jegliche Weisungsrechte und damit auch parlamentarische Kontrolle aus. Trotz ihrer strengen Gesetzesbindung ist ein Zurückbleiben hinter dem Legitimationsmodell zu verzeichnen887, was aber aufgrund der verfassungsrechtlichen Absicherung nicht in Frage gestellt und als unablösbarer Rest der Antinomie von Rechtsstaat und Demokratie verbrämt wird888. Vielmehr wird sie bisweilen sogar im Wege der Analogie für die Rechtfertigung der ministerialfreien Räume herangezogen889. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß ein – nach üblichen Deutungsmustern – gerechtfertigtes Demokratiedefizit für eine Hauptstaatsgewalt ein unbefriedigendes Ergebnis wäre890.

882 v. Arnim, Gemeinwohl, 196; Böckenförde, Organisationsgewalt, 80; v. Danwitz, Der Staat 35, 329, 334 f.; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 177. 883 Böckenförde, in Isensee/Kirchhof, HBStR I, § 22, Rn. 24. 884 Detterbeck, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 92, Rn. 2, 4. 885 BVerfGE 42, 64, 73, 78. 886 So Eichenberger, Richterliche Unabhängigkeit, 55, demzufolge der Wert, der den Normgehalt der Unabhängigkeit trägt, nicht in der Unabhängigkeit selbst ruht, sondern einem höheren Ziel dient. 887 Siehe 1. Kap., III. 2. b) ee). 888 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 86, Fn. 43; Eichenberger, Richterliche Unabhängigkeit, 112. 889 Vergleich dazu den Rechtfertigungsansatz von Waechter 3. Kap., VI. 1. e) bb), f). 890 Vgl. H. Dreier, in: ders., GG-Kommentar II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 132, der die demokratische Legitimation gerade unter dem Aspekt des Richterrechts als prekär bezeichnet. Ebenso Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 678 f., die daraus die Einbeziehung zusätzlicher Legitimationskriterien folgern.

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Nach der hier vorgenommenen Einordnung stellt die auf Gesetzesbindung beschränkte Sachlegitimation der Rechtsprechung das Höchstmaß an demokratischer Legitimation dar, das im Hinblick auf die besondere Aufgabenstellung möglich ist. Dies beruht auf der Überlegung, daß weitergehende Weisungsrechte die sich in der Rechtsprechung verwirklichende Volkssouveränität verletzen würden, sobald auf diesem Wege sachfremde Erwägungen in konkrete Entscheidungen Eingang fänden. Nach der in Art. 97 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden Wertung des Verfassungsgebers ist dieses Risiko so groß, daß die demokratische Legitimation einer unabhängigen Rechtsprechung ohne parlamentarische Kontrolle insgesamt als höher zu bewerten ist891. Die Unabhängigkeit ist folglich keine Ausnahme zum Demokratieprinzip, sondern dessen sachbezogene Verwirklichung. cc) Kommunale Selbstverwaltung Die Gewährleistung einer eigenverantwortlichen kommunalen Selbstverwaltung durch Art. 28 Abs. 2 GG, der mit dem Gemeinde- bzw. Kreisvolk überdies gemäß Art. 28 Abs. 1 GG ein eigenes Legitimationssubjekt zur Seite gestellt ist892, ist von ähnlich grundlegender Bedeutung wie das Ministerialsystem für die Bundesverwaltung. Ihrer Einführung 1808 lag kein demokratisches Staatsverständnis voraus, sondern die Inanspruchnahme der Tätigkeit aller Staatsbürger bei der Staatsverwaltung893. Obwohl sich in dieser verfassungsgeschichtlich bewegten Zeit monokausale Erklärungsmuster verbieten, ist ein funktionaler Ansatz nicht zu verkennen: „Stein ging es nämlich nicht um die Einschränkung der ,Machtvollkommenheit‘ des Staates (. . .), sondern um ihren richtigen Gebrauch, den nach seiner Ansicht am besten der betroffene Bürger durch seine Teilnahme an der vollziehenden Gewalt selbst gewährleisten solle.“894 Auch wenn sich aufgrund der Kompensationswirkung kein Legitimationsdefizit ergibt895, beruht die besondere organisatorische Gestaltung in Abweichung vom Ministerialsystem auf der Vorstellung, dieser Teil der staatlichen Verwaltung könne seine Aufgaben durch eine zusätzliche Integration der Betroffenen in den Legitimationszusammenhang besonders effektiv erfüllen896. Maß891 Zumindest angedeutet, wenn auch nicht für das Demokratieprinzip ausgebreitet, findet sich dieser Gedanke bei Eichenberger, Richterliche Unabhängigkeit, 55: Richterliche Abhängigkeiten können bestehen bleiben, wenn sie der Rechtsidee noch besser zu dienen geeignet erscheinen als die richterliche Unabhängigkeit. 892 Siehe zur Frage, ob das Gemeindevolk als Volk oder nur wie das Volk handelt, 3. Kap., V. 3. c) bb). 893 Frotscher, in: v. Mutius, Festgabe v. Unruh, 127, 135. 894 G.-C. v. Unruh, DVP 1981, 235, 237. 895 Zur Begründung 3. Kap., V. 3. c) bb). 896 Vgl. H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 213, der in der Dezentralisierung ein funktionales Element zur Erhöhung der Verarbeitungs- und Leistungskapazität sieht.

VII. Eigener Lösungsansatz

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gebliche Rahmenbedingung ist die Geltung von Art. 20 Abs. 2 GG, der durch Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG seine konkrete Ausgestaltung erfährt897. dd) Bundesrechnungshof Der Bundesrechnungshof ist neben der Rechtsprechung das zweite Organ, dessen Unabhängigkeit von Weisung und parlamentarischer Kontrolle im Grundgesetz ausdrücklich angeordnet ist, Art. 114 Abs. 2 GG. Auch wenn er als oberste Bundesbehörde nicht zu den ministerialfreien Räumen zu zählen ist898, kann seine demokratische Legitimation illustrandi causa erläutert werden: Nach herkömmlicher Auffassung muß Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG als verfassungsmäßige Rechtfertigung des sachlich-kontrollmäßigen Legitimationsdefizits verstanden werden. Maßstab dafür bildet offensichtlich das Legitimationsmodell. In Ansehung der Aufgabe des Bundesrechnungshofs, nämlich der Prüfung der „Rechnung sowie der Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsund Wirtschaftsführung“, würde eine Einbindung in die exekutive Weisungshierarchie ein großes Potential an Einflußnahme eröffnen, das der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung widerstrebt. Eine Organisation, in der das Kontrollorgan dem Weisungsrecht seines Kontrollobjekts unterworfen ist, wäre widersprüchlich. Ebenso verhält es sich, wenn man den Bundesrechnungshof als parlamentarisches Kontrollorgan betrachtet und dem Parlament ein Einflußrecht auf diejenigen Informationen zubilligen würde, die es mit ihm erst zu erlangen sucht. Die Erklärung der Unabhängigkeit muß jedoch nicht aus der Natur der Sache gewonnen werden. Vielmehr ist auch hier die demokratische Legitimation auf die spezifische Art der Aufgabenerfüllung bezogen. Ein weitergehender Einfluß im Wege der Weisung wäre keine Verwirklichung der Volkssouveränität, sondern im Gegenteil deren Gefährdung. Die organisatorisch-institutionelle, die personelle und die gesetzmäßige Legitimation sind folglich die maximal mögliche und zugleich optimale Verwirklichung von Art. 20 Abs. 1 S. 2 GG. ee) Grundrechtliche Rechtfertigung Innerhalb der ministerialfreien Räume war für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die öffentlich-rechtlichen Hochschulen und die staatlichen Kultureinrichtungen eine grundrechtliche Rechtfertigung des Legitimationsdefizits festzustellen899. Dies kann zwar hingenommen werden, führt aber zu widersprüchliAnderer Ansicht Schmidt-Aßmann, in: Selmer/v. Münch, Gedächtnisschrift Martens, 249, 252, der das zugrundeliegende Staatsverständnis betont. 897 Anders Frotscher, in: v. Mutius, Festgabe v. Unruh, 127, 130. 898 Siehe dazu 3. Kap., II. 5. c) cc), Fn. 141. 899 Siehe dazu 3. Kap., VI. 2. a) bb).

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chen Ergebnissen, was gerade bei der Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für den demokratischen Prozeß deutlich wird. Nach der hier vertretenen Auffassung läßt sich dies argumentativ vermeiden. Der Rundfunk, die Hochschulen und der Kulturbetrieb gehören, zumindest in ihrer organisatorischen Gestaltung, zu den Aufgaben des Staates. Im Gegensatz zu den zuvor genannten Legitimationsstrukturen werden diese Aufgaben grundrechtlich determiniert, so daß die Einschränkung des Legitimationsmodells mit den Grundrechten begründet werden kann. Tatsächlich stößt die demokratische Legitimation hier an eine verfassungsrechtliche Grenze, die eine Abhängigkeit von Weisungen und parlamentarischer Kontrolle unmöglich macht. Die oben genannten Einrichtungen sind insoweit optimal legitimiert. Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG sind aus gleichem Grund gegenüber Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG auch keine Rechtfertigungen im engeren Sinn. Für die Begründung ist zu differenzieren: Nicht die bessere Aufgabenerfüllung durch die Grundrechtsträger, sondern der Ausschluß des Staates liefert prima facie den Maßstab der demokratischen Legitimation. Es läßt sich aber mittelbar doch an die Leitlinie der Optimierung anknüpfen, was wiederum am Beispiel der Staatsfreiheit des Rundfunks besonders deutlich wird: Das Gebot der weltanschaulichen Neutralität des Staates ist mit der Aufgabe „Rundfunk“ verbunden. Integrierte man den Rundfunk in die hierarchische Verwaltungsstruktur, wäre zwar eine umfassende Legitimation vorhanden, die Gefahren einseitiger Programmsteuerung wiegen aber so schwer, daß die Aufgabe eines weltanschaulich neutralen Rundfunks nicht mehr erfüllbar wäre. Die in formaler Hinsicht demokratisch legitimierte Staatsgewalt würde nicht mehr der vorgegebenen Aufgabe entsprechen. Ihre Wahrnehmung durch die Gesellschaft, die grundrechtlich fixiert wird, führt zu einer pluralen und nicht einseitigen, also mittelbar zu einer effektiveren Aufgabenerfüllung. Sie ist ein alternatives, verfassungsrechtlich zugelassenes Organisationsmodell zur Erfüllung staatlicher Aufgaben. Festzustellen ist daher, daß Grundrechte der demokratischen Legitimation anhand des Legitimationsmodells entgegenstehen können. Dem Gesetzgeber verbleibt in diesen Fällen kein Gestaltungsspielraum. Widerlegt ist darüber hinaus die Notwendigkeit, die demokratische Legitimation den Grundrechten selbst entnehmen zu müssen.

b) Die Legitimationsstruktur der ministerialfreien Räume Für alle anderen staatlichen Organe und Entscheidungsverfahren bleibt es, soweit sie der Exekutive zuzurechnen sind, bei der im Grundgesetz angelegten Vermutung zugunsten des Legitimationsmodells. Damit ist nicht gesagt, daß davon keine Ausnahmen denkbar sind. Die Begrenzung der Legitimationsanforderungen auf das Mögliche in Abhängigkeit von der Aufgabenstellung gilt auch hier900. Die im Grundgesetz bestimmten Abweichungen vom Legitimationsmodell konkretisieren diese Regel lediglich.

VII. Eigener Lösungsansatz

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Weil das Grundgesetz nur wenige ausdrückliche Staatsaufgabenregelungen enthält, ist es primär Sache des Gesetzgebers, darüber zu befinden und die notwendigen Organisations- und Verfahrensbestimmungen nach Maßgabe des Legitimationsmodells festzulegen. Ihm wird in diesem Rahmen – selbst dort, wo grundrechtliche Schutzpflichten bestehen – ein weitgehendes Ermessen eingeräumt901. Hier kommen die ministerialfreien Räume ins Spiel, für deren demokratische Existenz bislang keine verfassungsrechtlich befriedigende Begründung gefunden werden konnte. Es ist zu untersuchen, ob die Einschränkung der ministeriellen Weisungsrechte bzw. der parlamentarischen Kontrolle eine aufgabenspezifische Ursache hat und ihre demokratische Legitimation auf diesem Weg begründet werden kann. aa) Ausschluß von Einwirkungen Ein nicht unerheblicher Teil der ministerialfreien Räume ist eine Reaktion auf das ungeregelte Ineinandergreifen von demokratischer Legitimation und offenem politischen Prozeß. Dieser wird in Teilbereichen von Interessengruppen dominiert, denen folglich ein erheblicher Einfluß auf das staatliche Handeln zu bescheinigen ist. Aus rechtspolitischer Sicht ist das Problem ausführlich beschrieben und beklagt worden und soll hier nicht erneut ausgebreitet werden. Relevant sind indessen die verfassungsrechtlichen Folgerungen, die zu den ministerialfreien Räumen führen. (1) Einfluß auf die Gesetzgebung Das formale Gesetz ist der wirksamste Ausdruck der repräsentativen Ausgestaltung des politischen Systems nach dem Grundgesetz. Der Willensbildungsprozeß, der zum Gesetzesbeschluß führt, erfolgt aber nicht repräsentativ-unabhängig, sondern ist in starkem Maße plebiszitären Einflüssen aus dem vorparlamentarischen Raum ausgesetzt. Dazu zählt nicht nur die beherrschende Stellung der politischen Parteien, die in Art. 21 GG selbst eine deutliche Institutionalisierung erfahren haben und als deren ausführendes Organ die Abgeordneten im Parlament erscheinen, sondern in großem Umfang auch die Wirkung der öffentlichen Meinung. Diese wird unter anderem von gesellschaftlichen Interessenverbänden geprägt, deren Einfluß weit in den parlamentarischen Prozeß hineinragt902. Gleichwohl kann von Repräsentation gesprochen werden, weil und 900 Dies verkennt Emde, Demokratische Legitimation, 352, wenn er das hierarchische Ministerialsystem zum Leitbild erklärt und dann die davon abweichende Verfassungswirklichkeit konstatiert. 901 Badura, Staatsrecht, D, Rn. 34; Unruh, Verw.Archiv 92, 531, 540. 902 Ausführlich v. Arnim, Gemeinwohl, 130 ff.; F.-X. Kaufmann, in: Grimm, Staatsaufgaben, 15, 28; v. Beyme, Der Gesetzgeber, 184, 208 ff.

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solange es dem Parlament vorbehalten ist, über das Ergebnis des Willensbildungsprozesses zu entscheiden903, und es damit „Hüter des Gemeinwohls über Gruppeninteressen“ bleibt904. (2) Einfluß auf die Verwaltung Für die Staatsaufgaben wurde bereits festgestellt, daß der Willensbildungsprozeß damit noch nicht abgeschlossen, sondern auf einen materiellen Rahmen festgelegt ist, in dem er sich nunmehr zu bewegen hat. Dabei ist es keineswegs so, daß es der Regierung und der ihr nachgeordneten Verwaltung überlassen ist, allein über den Vollzug zu entscheiden. Neben der parlamentarischen Kontrolle sind es eben die Kräfte, die zuvor auf die Gesetzgebung wirkten, die nun die Verwaltungsentscheidung zu beeinflussen suchen und innerhalb der stufenweisen Konkretisierung der Staatsaufgabenbestimmungen zu einer Abweichung von ihrem programmatischen Auftrag führen können905. Dazu bietet das Ministerialsystem mit seiner auf Steuerung der Verwaltung angelegten Weisungsstruktur besonders gute Voraussetzungen906. In Betracht kommt jede Verwaltungsebene, die an der Entscheidung beteiligt ist, also die zuständige Stelle und die gesamte übergeordnete weisungsbefugte Verwaltungshierarchie. Dabei sind die Einflußmöglichkeiten um so größer, je weiter der Entscheidungsspielraum der Verwaltung ist und je mehr Entscheidungsträger potentiell zuständig sind. Die in stärkerem Umfang eigenschöpferisch tätige Leistungsverwaltung bietet im Gegensatz zur Ordnungsverwaltung nicht nur die besseren Möglichkeiten, sondern auch die größeren Anreize. Selbst die parlamentarische Kontrolle gewinnt hierbei Bedeutung, weil auch sie Einflüssen ausgesetzt ist, die durch sie wirken. Dies erklärt, warum alle organisierten Sonderinteressen darum bemüht sind, im Parlament und seinen Ausschüssen vertreten zu sein. Im Unterschied zum strenger formalisierten Gesetzgebungsverfahren scheint die durch ihren informellen Charakter gekennzeichnete parlamentarische Kontrolle zur Einflußnahme sogar besonders geeignet zu sein. Insofern können externe und interne Einflußnahme unterschieden werden.

903

Bartelsperger, VVDStRL 33, 221, 246. BVerfGE 33, 125, 159. 905 v. Beyme, Der Gesetzgeber, 149 f., passim; Bull, Staatsaufgaben, 115. Zur Pauschalisierung der Einwirkung auf den Prozeß der Entscheidungsfindung Schmitt Glaeser, VVDStRL 31, 179, 195. 906 Fichtmüller, AöR 91, 297, 298; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 5. 904

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(3) Demokratieprinzip und außerparlamentarischer Raum Diese Einflüsse stehen nicht im Widerspruch zum demokratischen Prinzip des Grundgesetzes. In ihm nimmt die repräsentativ-unabhängig ausgestaltete Legitimation zwar einen hervorgehobenen Platz ein, das Demokratieprinzip umschließt aber auch die plebiszitär zu verstehenden Einflüsse, die als Teil der öffentlichen Meinung notwendige Bedingung staatlicher Legitimität sind907. Aus diesem Grund kann vom Grundgesetz als gemischt plebiszitär-repräsentativem Demokratiemodell gesprochen werden908. Staatswillensbildung ist nicht etatistisch, sondern in einem umfassenden Sinn zu verstehen, in dem der Staat für das Gemeinwesen als Ganzes steht. Zur Systematisierung ist erneut dem zugrundegelegten Optimierungsgedanken zu folgen: Die außerparlamentarischen Kräfte sind in erster Linie eine Möglichkeit, den staatlichen Willensbildungsprozeß zu verbessern, indem sie zu den Entscheidungskriterien beitragen909. Dazu gehört notwendig das in Art. 42 Abs. 1, 3 GG zum Ausdruck kommende Öffentlichkeitsprinzip, das im Demokratieprinzip wurzelt910. Öffentlichkeit steht einem staatlichen Arkanum grundsätzlich entgegen und schafft damit erst die Voraussetzungen zu unmittelbaren – insoweit plebiszitären – Reaktionen außerhalb des Parlaments. Sie ist die spezifische Form von Rechenschaft im Verantwortlichkeitsverhältnis zwischen Volk und Parlament. (4) Einflußnahme als demokratisches Problem Allerdings ist unter Beachtung der Verfassungswirklichkeit zu konstatieren, daß die Trennung zwischen plebiszitären Einflüssen und repräsentativem Entscheidungsvorbehalt in der oben beschriebenen Klarheit nicht möglich ist. Tatsächlich handelt es sich um einen Entwurf, der weniger idealtypischer Zustand als vielmehr grundlegendes Modell sein will. Dies ist solange hinzunehmen, wie die plebiszitären Elemente als Beitrag zur Legitimität zu betrachten sind und der Bereich der Legitimation noch die Volkssouveränität gewährleistet911. Gewinnen aber einzelne gesellschaftliche Gruppen, und hier sind insbesondere die organisierten Interessenverbände zu nennen, ein wesentliches Übergewicht, 907 Siehe hierzu bereits 1. Kap., III. 4. Außerdem: BVerfGE 44, 125, 139 f.; H. Dreier, in: ders., GG-Kommentar II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 73; ders., Hierarchische Verwaltung, 29; Bartelsperger, VVDStRL 33, 221, 238; H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 167; Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR III, § 57, Rn. 57. 908 Vgl. zum Begriff Fraenkel, in: Rausch, Repräsentation, 330, 336. 909 BVerfGE 5, 85, 135; Papier, in: Kloepfer, Seminar Bettermann, 33, 51, spricht hier von einer „Optimierungsfunktion“. 910 Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar II, Art. 42, Rn. 45. 911 Vgl. Grimm, in: ders., Staatsaufgaben, 613, 635.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

verkehren sich die Bedingungen des Modells in ihr Gegenteil. Sie bleiben nicht bloß Kriterium, sondern bestimmen die Entscheidung selbst912. Der plebiszitäre Einfluß wird zur faktischen Partizipation. Der Vorwurf lautet dann, die parlamentarische Kontrolle sei einseitig interessengeleitet, die Aufsicht von sachfremden Erwägungen bestimmt und die Verwaltung insgesamt nicht mehr an einer sachgerechten Aufgabenerfüllung orientiert. Das verfassungsrechtliche Problem, das dahinter steht, sind die demokratischen Egalitätsanforderungen913. Während das Legitimationsmodell auf die Gleichheit seines Inputs verpflichtet ist und mittels allgemeiner und gleicher Wahlen zum Parlament auch ein Modus der Gewährleistung demokratischer Egalität bereit steht, entzieht sich die Staatswillensbildung im vorparlamentarischen Raum diesen Bedingungen914. Die formale Legitimation der Entscheidung gerät in Konflikt mit der Legitimität der Entscheidung, weil die Chancengleichheit der Einwirkungsmöglichkeit aller verletzt wird. Ein Grund dafür ist die „demokratische Schwäche“ der parlamentarischen Kontrolle. Sie ist ein Mittel zur Wahrung der Volkssouveränität gegenüber Eigeninteressen der Verwaltung und externen Einflußnahmen, bietet aber selbst keine Gewähr dafür, daß bei einer hypothetischen parlamentarischen Abstimmung eine Mehrheit bestehen würde. Dies bedeutet hier, daß auch über die parlamentarische Kontrolle eine Vielzahl von scheinbar unlegitimierten Einflüssen auf das Verwaltungshandeln möglich ist. Wenn Kontrolle eigentlich zur Durchsetzung des (repräsentativ verfaßten) Volkswillens gegenüber abweichenden Sonderinteressen bestimmt ist, verkehrt sich ihr Sinn damit ins Gegenteil. Mehr noch: Was im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren als mühevoller Kompromiß mehrheitlich durchgesetzt wurde, kann anschließend auf informellem Weg konterkariert werden915. Eine weitere Folge ist, daß die parlamentarische Kontrolle unter diesen Bedingungen immer weniger in der Lage ist, ein adäquates Gegengewicht zu den externen Einwirkungen auf die Verwaltung zu bilden. Es sind also diejenigen Bestandteile des Legitimationsmodells, deren eigentliche Funktion die demokratische Einbindung der Verwaltung ist, die nun die demokratische Erfüllung einer Staatsaufgabe in Frage stellen können. Es handelt sich dabei um eine Mutmaßung, denn an dieser Stelle tritt die bereits festgestellte Problematik in den Vordergrund, daß im demokratischen Legitimationsvorgang für das Ergebnis „verzerrter“ Staatswillensbildung kein Vergleichs912 Bartelsperger, VVDStRL 33, 221, 238 f., 246; Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 34, Rn. 7. 913 BVerfGE 51, 222, 234; 82, 322, 337; Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 3 f.; H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 168. 914 Petersen, Volonté générale, 48. 915 Im Umkehrschluß erklärt auch dies die höhere demokratische Dignität des Parlamentsgesetzes.

VII. Eigener Lösungsansatz

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maßstab besteht. Das staatliche Neutralitätsgebot gibt darauf keine Antwort916. Es hilft auch nicht, eine Direktive zu postulieren, „im Interesse der Sicherung des staatlichen Gemeinwohlauftrags solche Organisations- und Verfahrensvorschriften abzuwehren, welche gesellschaftlichen Gruppen einen dominanten Einfluß auf staatliche Entscheidungen verschaffen“917. Offensichtliche Grenze ist neben den materiellen Verfassungsbestimmungen lediglich die Rechtskontrolle, die ihrerseits unter den praktischen Vorbehalten von Kontrollbefugnis und Kontrollinanspruchnahme steht. Die Aufgabenbestimmungen, genauer: ihre „legislative Ratio“918, haben jedoch vorrangig eine politische Dimension und verrechtlichen sich erst mit zunehmender Konkretisierung919. Sie fallen damit in den hier problematischen Bereich der parlamentarischen Sachkontrolle. Weil der Willensbildungsprozeß für den Inhalt der demokratischen Legitimation ex post zwar beschrieben, aber nicht bewertet werden kann, ist dem Parlament bei der Formulierung der Staatsaufgaben nur eine Einschätzung ex ante über den möglichen Ablauf der Aufgabenerfüllung erlaubt. Ergibt sich daraus die Gefahr übermäßiger Einflußnahme einzelner Interessengruppen, die die vom Parlament vorausgedachte Aufgabenerfüllung gefährden würde, ist im nächsten Schritt nach Möglichkeiten der Absicherung der Aufgabenerfüllung zu suchen. Zur Sicherung der Neutralität kann der Einflußnahme mit einer weitgehenden Kodifizierung begegnet werden920, was einerseits die sachliche Legitimation durch Parlamentsgesetz sicherstellt und andererseits den Anwendungsbereich der Rechtskontrolle erweitert921. Im Rahmen der Wesentlichkeitstheorie ist dies sogar zwingend. Begrenzt wird dieser Weg über den Gesetzesvorrang allerdings, neben den schon erwähnten Vorbehalten, dadurch, daß der Gesetzgeber nicht jeden Einzelfall vorwegnehmen kann922. Alternativ dazu kann die Beteiligung der Interessenverbände am Verfahren stärker formalisiert werden. Es handelt sich im wesentlichen um Anhörungs- und Beteiligungsrechte923. Die Einflußnahme wird damit ihres informellen Charakters enthoben und einer Gewichtung 916 Zu den Neutralitätstheorien Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR III, § 57, Rn. 58, Fn. 91. 917 RhPfVerfGH NVwZ-RR 1994, 665, 670. 918 Di Fabio, VVDStRL 56, 235, 266. 919 Dazu Bull, Staatsaufgaben, 35 f., 126 f.; v. Danwitz, Der Staat 35, 329, 342 f.: „metajuristische, d.h. normativ nur begrenzt steuerbare oder sogar nur eingeschränkt rationalisierbare Aufgaben der Verwaltung“. 920 K. Hesse, Grundzüge, Rn. 196. 921 v. Arnim, Gemeinwohl, 147. 922 Beispielhaft für einen funktionellen Vorrang der Exekutive vor der Gesetzgebung in BVerfGE 49, 89, 139 f.; im Anschluß daran BVerwGE 70, 300, 317; vergleiche auch Groß, in: Sommermann, Gremienwesen, 17, 30; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 179 f. 923 Diese können aber auch grundrechtlich geboten sein, so daß im Einzelfall genau unterschieden werden muß.

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zugänglich924. Schließlich sind Maßnahmen denkbar, die zu einer institutionellen Stärkung gefährdeter Behörden führen, indem Hierarchien abgeflacht, personelle Kapazitäten erweitert und Qualifikationsmöglichkeiten angeboten werden. Wenn auch dies nicht dem angestrebten Ziel genügt, mag es erforderlich erscheinen, die Möglichkeiten informeller Einflußnahme an sich zu beschränken. Zu ihren Anknüpfungspunkten zählen in erster Linie die Weisungshierarchie und die darauf wirkende parlamentarische Kontrolle, weil hier die inkriminierte Einflußnahme auf die öffentliche Meinung mit dem Wiederwahlinteresse der Abgeordneten und indirekt der Regierung in Beziehung tritt. Dies zu unterbinden kann eine Funktion der Ministerialfreiheit sein925. Umgekehrt kann auch auf diese Weise der entscheidungsbefugten Stelle ein größeres Eigengewicht gegenüber den Interessenverbänden verschafft werden926. Deren Einfluß wird verringert, weil die zur Neutralität verpflichteten Amtswalter nicht unter den Gesichtspunkten von Kompromissen und politischem Machterhalt entscheiden müssen. Die eigentliche Waffe der organisierten Interessenverbände, nämlich der politische Druck, der immer mit der Frage des Machterhalts korrespondiert, wirkt gegenüber unabhängigen Behörden nicht. Ihre Fachkompetenz wird dann zum Gegengewicht zum interessengefärbten Sachverstand der Verbände. Damit soll nicht gesagt werden, daß Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen befreit. Entscheidend ist aber, daß sich ihre Durchsetzungskraft reduziert. (5) Prozedurale Steuerung Man kann diese Steuerungsstrategie auch als Form der prozeduralen Steuerung auffassen, deren Ziel es ist, mittels Verfahren auf Inhalte einzuwirken927. Ihr liegt als systemtheoretischer Ausgangspunkt zugrunde, daß die Entscheidung ein Prozeß ist, in dessen Verlauf Informationen und Präferenzen im Hinblick auf Selektion verarbeitet werden928. Es handelt sich um einen Kommunikationsvorgang zwischen verschiedenen sozialen Akteuren, deren Handlungen mit dem Ziel der Konfliktregelung durch prozedurales Recht koordiniert werden sollen929. Trotz ihres Verfahrenscharakters haben die prozeduralen Vorschriften materielle Zielsetzungen, weil sie nicht nur eine „Konfliktregelung“ 924 925 926

Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 76. Grimm, in: ders., Staatsaufgaben, 613, 630. Di Fabio, Verw.Archiv 81, 193, 195; für die Bundesbank v. Arnim, Gemeinwohl,

361. 927 Offe, Berufsbildungsreform, 93; ähnlich Groß, in: Sommermann, Gremienwesen, 17, 30: prozedurale Rationalisierung. 928 Hagenah, in: Grimm, Staatsaufgaben, 487, 492. Im Hinblick auf die Verantwortung hier bereits 1. Kap., III. 2. a) cc). 929 Eder, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, 155, 156, wobei Eder das prozedurale Rechte vorrangig unter dem Blickwinkel der Selbstregulierung und der Legitimität des Rechts betrachtet.

VII. Eigener Lösungsansatz

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enthalten, sondern auch die Art der getroffenen Entscheidungen insoweit präjudizieren, „als sie das Spektrum der Interessen festlegen, die an ihrem Zustandekommen mitwirken“930. Daher stehen sie zwischen materiellem und Verfahrensrecht. Deutlich wird das bei den Anhörungs- und Beteiligungsrechten931, zum Kreis dieser Regelungen muß aber auch die Ministerialfreiheit gezählt werden. Formal handelt es sich um Verfahrensregelungen. Zugleich dienen sie der „Selektion der Erarbeitung von Informationen und Präferenzen für den Entscheidungsprozeß“, indem sie den Kreis der am Rechtsfindungsprozeß beteiligten Akteure festlegen. Ihre Wirkung auf die Entscheidungsergebnisse ist nur indirekt. Damit tragen sie aber eine materielle Zielsetzung in einen Bereich, für den eine materielle Rechtssetzung fehlt. Derartige Entscheidungsspielräume können folglich zur Erhöhung der Steuerungskraft prozedural-rechtlich geordnet werden. (6) Folge für die demokratische Legitimation Weil die Unabhängigkeit zugleich die demokratische Legitimation betrifft, kommt es auf das eingangs dargelegte Verständnis von Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG an: Erforderlich ist, daß die Erfüllung einer konkreten Staatsaufgabe unter Geltung des Legitimationsmodells und seiner Bedingungen nicht möglich ist. Das betrifft hier die parlamentarische Kontrolle und den ministeriellen Verantwortungszusammenhang. Nur dann bleiben die demokratischen Anforderungen auf die sachliche Legitimation in Form der Gesetzgebung als demokratisches Optimum beschränkt932. Eine vollständige Verwirklichung des Legitimationsmodells 930 Offe, Berufsbildungsreform, 93. Vgl. Eder, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, 155, 157. 931 Hagenah, in: Grimm, Staatsaufgaben, 487, 499 ff. 932 In deutlichem Gegensatz dazu steht die Gemeinwohllehre v. Arnims, die er in seiner Habilitationsschrift „Gemeinwohl und Gruppeninteressen“ entwickelt. Gedanklicher Ausgangspunkt ist der unproportionale Verbandseinfluß auf die staatliche Willensbildung, der dem Gemeinwohl entgegenstehe, a. a. O., 130 ff. Daher stellt sich ihm unweigerlich die Frage nach der Gemeinwohlbestimmung. Materielle Orientierungspunkte dafür sieht er einerseits in den materiellen Verfassungsbestimmungen, andererseits in einem sozialwissenschaftlich erwiesenen Konsens über Grundwerte, a. a. O., 12, 22 ff. Deren Verwirklichung sei materieller Staatszweck und stehe zugleich für Gemeinwohlrichtigkeit, a. a. O., 45. Weil die von ihm angenommenen Werte für eine Gemeinwohlbestimmung gleichwohl zu vage sind, sieht er in wert- und erkenntnisorientierten Verfahrensregelungen den geeigneten Weg zur Gewährleistung größtmöglicher Gemeinwohlrichtigkeit, a. a. O., 48, 157, 192. Dies erfordere insbesondere eine ausgeglichene Machtverteilung unter den Beteiligten sowie Vorkehrungen, die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Sachlichkeit und Wertbewußtsein sicherstellen, a. a. O., 52. Obwohl hinsichtlich der verfahrensabhängigen Optimierung Ähnlichkeit besteht, unterscheidet sich die Auffassung v. Arnims deutlich von der hier zugrundegelegten Sicht der Dinge. Übereinstimmung besteht darin, daß Ministerialfreiheit ein Mittel zur bestmöglichen Realisierung der Gemeinschaftswerte sein kann, a. a. O., 366. Das Gemeinwohl ist bei v. Arnim nicht nur das Ergebnis der Staatswillensbildung, sondern

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

unter Berücksichtigung der parlamentarischen Kontrolle wäre demgegenüber kein demokratischer Zugewinn, sondern nähme die bereits in Form der gesetzlichen Aufgabenbestimmung vorhandene demokratische Legitimation zurück, indem sie an ihren Zielvorgaben vorbeiführte. Vereinfacht ausgedrückt gilt daher, daß parlamentarische Kontrolle dann kein Beitrag zur demokratischen Legitimation sein kann, wenn sich ihre Voraussetzungen zugleich als deren Störung erweisen. Die Organisationsform der ministerialfreien Räume ist dann nicht nur Mittel der effektiven Aufgabenerfüllung, sondern zugleich Modus optimaler demokratischer Legitimation. bb) Anwendungsbereiche Die Fallgestaltung der organisierten Interessenverbände ist besonders anschaulich, weil es um eine Form massiver Beeinflussung des Entscheidungsvorgangs geht. Die Offenkundigkeit verstärkt die Plausibilität des Lösungsansatzes. Der darin enthaltene Kern – der Konflikt gegenläufiger Interessen – ist aber nicht auf diese Fälle beschränkt, sondern weit darüber hinaus zu beobachten. Er findet sich als Aufgabenkollision, wenn miteinander konkurrierende oder sich sogar widersprechende Staatsaufgaben in der Hand des gleichen Amtswalters oder zumindest in der gleichen Weisungskette zusammenfallen. Daß beide programmatischen Aufträge effektiv erfüllt werden, ist nicht zu erwarten933. Die faktische Unabhängigkeit durch bewußten Nichtgebrauch des Weisungsrechts – wie im Fall des Bundeskartellamtes – ist eine politische Reaktion auf diesen Konflikt, die für die Frage der demokratischen Legitimation jedoch ohne Belang ist934. Entscheidend sind vielmehr die gesetzgeberischen Maßnahmen zur Sicherstellung der Aufgabenerfüllung. Zur Gewährleistung des Legitimationsmodells bietet sich in diesen Fällen neben genauen gesetzlichen Vorgaben die zugleich normative Anforderung i. S. einer materiellen Legitimation. Anders läßt sich nicht erklären, daß er den jeweiligen Einfluß der Verbände auf den staatlichen Willensbildungsprozeß als störend qualifizieren kann. Mit dem „materiellen Staatszweckgrundsatz“, wonach sich Gesetze vor den Interessen des Volkes legitimieren müssen, a. a. O., 45, vermischt v. Arnim die demokratische Legitimation mit der Ebene der Legitimität. Entweder ist es nämlich banal, weil sich jedes Gesetz vor dem Volk legitimieren muß oder er macht Legitimität zur Bedingung demokratischer Legitimation, was nicht nur unzulässig, sondern auch undemokratisch ist. Es ist nicht mit dem Demokratieprinzip zu vereinbaren, Verfahrensbestimmungen zu treffen, ohne das damit intendierte Ergebnis seinerseits demokratisch abzuleiten. Aus diesem Grund sieht v. Arnim sein Konzept wohl auch nicht als Teil, sondern nur als Ergänzung des demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozesses, a. a. O., 188. Offen zu Tage treten die Unterschiede schließlich bei der Frage der demokratischen Legitimation: Dabei genügt v. Arnim, daß gegenüber den erhöhten Richtigkeitschancen durch ministerialfreie Organisation die geringere formal-demokratische Legitimation nicht entscheidend ins Gewicht falle, a. a. O., 358, 365. 933 Vgl. Wagener, in: ders., Verselbständigung von Verwaltungsträgern, 31, 36. 934 Siehe dazu 3. Kap., II. 5. a) dd).

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organisatorische Trennung der Aufgabenwahrnehmung an. Zum einen ist dabei an unterschiedliche Ressortzuständigkeiten zu denken, zum anderen an die Möglichkeit rechtlicher Verselbständigung. Letzteres hat insoweit Ähnlichkeit mit den ministerialfreien Räumen, weil es zum Zweck verbesserter Aufgabenwahrnehmung um die Festlegung auf eine öffentliche Aufgabe unter gleichzeitiger Abschirmung anderer staatlicher Ziele geht935. Soweit dies nicht genügt, gelangt man auch hier zur Ministerialfreiheit. Erneut findet die demokratische Legitimation ihre Grenze in der zur Aufgabenerfüllung notwendigen Verwaltungsstruktur. Einen Unterfall eigener Art bildet der Kontrollwiderspruch bei Verwaltungseinheiten, die verwaltungsinterne Kontrollaufgaben wahrnehmen. Ihr besonderes Kennzeichen ist der schon für den Bundesrechnungshof beschriebene Konflikt, daß das Kontrollorgan nicht von seinem Kontrollobjekt abhängig sein kann. Innerhalb der Verwaltungshierarchie wird nämlich spätestens auf der Ministerialebene die Verantwortung für kontrollierende und kontrollierte Behörde zusammenfallen und damit ad absurdum geführt. Anders als bei den Interessenverbänden ist das Problem der sachgerechten Aufgabenerfüllung bei den Kontrollverhältnissen schon in der notwendigen Struktur herkömmlicher Legitimation, nämlich der hierarchiemäßigen Weisungsabhängigkeit, angelegt und damit einfacher zu identifizieren. Rechtlich ist erneut die Trennung der Hierarchiezüge innerhalb der Ministerialverwaltung zu erwägen. Soweit dies nicht möglich oder nicht zu erwarten ist, kommt die Weisungs- bzw. Ministerialfreiheit in Betracht. Cum grano salis kann auch die Herauslösung der Verwaltungsrechtsprechung aus der Exekutive als Beispiel dienen. Eine buchstäbliche Abbildung dieser Fallgruppen in der Verwaltungswirklichkeit darf nicht erwartet werden. Es ist vielmehr von Überschneidungen auszugehen, weil hinter konkurrierenden Aufgaben zugleich einflußheischende Interessen stehen, wie auch Kontrolle erst dann zum Problem wird, wenn gegenläufige Aufgaben und Interessen in ihr Visier geraten. Organisierte Interessen, Aufgabenkollision und Kontrollkonflikte können sich darum auch gegenseitig verstärken. Die Fallgruppen dienen der Begründung, nicht der Abgrenzung. cc) Funktionale Selbstverwaltung Die funktionale Selbstverwaltung wird in Art. 86, 87 Abs. 2, 3 GG anerkannt. Die Bestimmungen führen bis heute zu erheblicher Verwirrung über die 935 Für die öffentlich-rechtliche Anstalt K. Lange, VVDStRL 44, 169, 189 ff. Lange sieht allerdings bereits in der bloßen Verselbständigung einen „signifikanten Legitimationsverlust“. Nach hier vertretener Ansicht sinkt – soweit die Staatsaufsicht vollständig erhalten bleibt – lediglich die Legitimität, die aber durch die verbesserte Aufgabenerfüllung aufgewogen werden kann.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

Geltung des Demokratieprinzips in diesem Bereich. Fest steht jedenfalls, daß Einrichtungen der Selbstverwaltung weder unzulässig sein können, noch auf das Maß des Bestehenden beschränkt sind936. Umgekehrt ist nicht anzunehmen, daß dem Gesetzgeber mit der in Art. 87 Abs. 3, S. 1 GG gewährten Wahlmöglichkeit zwischen selbständigen Bundesoberbehörden und bundesunmittelbaren Körperschaften und Anstalten zugleich eine freie Dispositionsbefugnis über das Maß der demokratischen Legitimation eingeräumt ist. Unbestrittener Ansatzpunkt ist, daß die funktionale Selbstverwaltung als ein bewährtes Mittel zur Erfüllung staatlicher Aufgaben gilt. Es ist ihre Funktion, die in diesem Zusammenhang wichtig ist: „Die meisten Körperschaften des öffentlichen Rechts sind streng zweckbestimmt und arbeiten wie ausgelagerte Behörden“937. Weil sie um der „sachlich richtigen Erfüllung einer konkreten Aufgabe“ willen gebildet werden, „ist die innere Organisation der Selbstverwaltungseinrichtung an ihrer jeweiligen Aufgabe zu orientieren“938. In der hier eingeführten Terminologie lassen sich diese Aufgaben im Wege der Selbstverwaltung also besonders effektiv erfüllen. Die Hintergründe dafür werden in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts genannt939: Die damit betrauten gesellschaftlichen Gruppen sind für ihren Regelungskreis nicht nur am sachkundigsten, sondern entlasten den Gesetzgeber zugleich dabei, sachliche und örtliche Verschiedenheiten berücksichtigen zu müssen, die für ihn nur schwer erkennbar sind und auf deren Veränderung er nicht rasch genug reagieren könnte940. Damit geht einher, daß der Gesetzgeber in diesen Regelungsangelegenheiten nicht von der „höheren Weisheit oder Unfehlbarkeit“ staatlicher Behörden oder sonst volldemokratisch legitimierter Vertreter überzeugt ist941. An dieser „Grenze der Demokratie“942 steht der Rückgriff auf das Instrument der Selbstverwaltung. Folglich geht es nicht um die Partizipation der Betroffenen an sich, sondern primär um die sachgerechte Aufgabenerfüllung – die Findung 936

BVerfGE 10, 89, 104. Bull, Staatsaufgaben, 51. 938 H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 175. In diesem Sinne auch BVerfGE 107, 59, 93: „Wählt der parlamentarische Gesetzgeber für bestimmte öffentliche Aufgaben die Organisationsform der Selbstverwaltung, so darf er keine Ausgestaltung vorschreiben, die mit dem Grundgedanken autonomer interessengerechter Selbstverwaltung einerseits und effektiver Aufgabenerfüllung andererseits unvereinbar wäre.“ 939 BVerfGE 33, 125, 156. Ähnlich Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 260; Muckel, NZS 2002, 118, 125. 940 Der außerdem genannte Zweck der Verringerung der Distanz zwischen Normgeber und Normadressat fällt jedoch nicht unter die Begründung für die Legitimation der Selbstverwaltung, sondern dient allein der höheren staatlichen Legitimität. Zu dieser Frage auch Schmidt-Aßmann, in: Selmer/v. Münch, Gedächtnisschrift Martens, 249, 256. 941 Salzwedel, in: Tettinger/Mann/ders., Wasserverbände, 67, 81. 942 F. Mayer, in: Demokratie und Verwaltung, 327, 334 f. 937

VII. Eigener Lösungsansatz

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„richtigen Rechts“943 – mit deren Hilfe944. Partizipation ist insoweit ein funktionaler Begriff945. Als Form der Dezentralisierung ist funktionale Selbstverwaltung nur Mittel, nicht aber Ziel946. Für die Abweichung vom Legitimationsmodell bietet das einen geeigneten Erklärungsansatz. Den einzelnen Fallgruppen der funktionalen Selbstverwaltung liegen nicht nur besonders starke Interessengruppen voraus, sie sind vielmehr als deren Konstituierung zu verstehen. Anders als bei den ministerialfreien Räumen in der unmittelbaren Staatsverwaltung, von denen Neutralität der Amtswalter erwartet wird947, ist das persönliche – d.h. das gruppenspezifische – Interesse grundsätzlich erwünscht948. Dies bewirkt eine Kanalisierung der Interessenvertretung949 und dient damit der Ordnung des politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses950. Allerdings wird man zur Erklärung der Legitimationsstruktur nicht sagen können, daß es – als Optimierungsgrenze – ausgeschlossen wäre, die den Selbstverwaltungskörperschaften übertragenen Aufgaben unter den Bedingungen des Legitimationsmodells zu organisieren. Zwar mag eine Reintegration aller Selbstverwaltungsaufgaben die Leistungsfähigkeit des Staates übersteigen, für den Einzelfall läßt sich dies jedoch schwerlich behaupten. Die Ableitung aus dem Optimierungsgedanken führt bei der Ministerialfreiheit der funktionalen Selbstverwaltung also nicht zu überzeugenden Ergebnissen. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, daß die Anerkennung der Selbstverwaltungseinrichtungen im Grundgesetz die Abweichung vom Legitimationsmodell einschließt. Auch wenn dies nicht als Rechtfertigung gesehen werden kann, verbindet sich damit die Vorstellung einer besseren Aufgabenerfüllung durch die Beteiligung der Betroffenen. Die dazu nötigen Organisationsstrukturen bilden den Rahmen möglicher Legitimationsformen und sind darum das verfassungsrechtlich anerkannte Optimum demokratischer Legitimation. Die Partizipationsrechte der Betroffenen gehören folglich nicht zur demokratischen Legitimation. Nicht sie, sondern der damit verfolgte Zweck macht das

943

BVerfGE 33, 125, 159. Damit treten Betroffenenschutz (Hendler, DÖV 1986, 675, 677) oder die Durchsetzung von Selbstbestimmung des Einzelnen (Emde, Demokratische Legitimation, 384 f.) als vorrangige Begründung für die Selbstverwaltung zurück. 945 Schmitt Glaeser, VVDStRL 31, 179, 197. 946 Anders Isensee, Subsidiaritätsprinzip, 251; Schuppert, AöR 114, 127, 129 f. Das schließt aber nicht aus, der Selbstverwaltung dezentralisierende und gewaltenteilende Wirkung zuzuschreiben. 947 K. Hesse, Grundzüge, Rn. 538, 540; Jestaedt, Kondominialverwaltung, 301. 948 Es handelt sich dabei um eine der wenigen ausdrücklichen Verknüpfungen des Gemeinwohls mit dem Partikularwohl, vergleiche Isensee, in: ders./Kirchhof, HBStR III, § 57, Rn. 19. 949 Hendler, Selbstverwaltung, 353. 950 Hendler, DÖV 1986, 675, 678. 944

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

Verwaltungshandeln demokratischer951. Partizipation ist dagegen aliud und keine demokratische Betätigung im status activus952. Legitimationssubjekt bleibt allein das Bundes- bzw. Landesvolk. Daraus folgt zum einen, daß Partizipation kein Mehr an Demokratie im Sinne demokratischer Legitimation bedeutet, also nicht in Konkurrenz zum Legitimationsmodell steht953. Daher kann es nie um das Ziel der Beteiligung um ihrer selbst im Sinne einer falsch verstandenen Demokratisierung gehen, sondern nur um die Effektivität durch Partizipation954. Zum anderen steht dem Gesetzgeber deshalb die Möglichkeit offen, die Beteiligung der Betroffenen im Hinblick auf die sachgerechte Aufgabenerfüllung unterschiedlich zu gewichten, weil das demokratische Gleichheitsgebot keine unmittelbare Bindungswirkung entfaltet955. Welche Grenzen dafür gelten, ist weniger eine Frage der demokratischen als ein Problem der grundrechtssichernden Binnenstruktur956. Funktionale Selbstverwaltung nimmt unter den ministerialfreien Räumen also eine Sonderstellung ein und ist eher den Fällen vergleichbar, in denen das demokratische Optimum durch die verfassungsrechtlichen Legitimationsstrukturen vorgegebenen ist. Im Unterschied zu diesen geht es jedoch nicht um eine konkrete Aufgabe und das zu ihrer Erfüllung bestimmte Organ, sondern nur um eine besondere Organisationsstruktur. Der Gesetzgeber hat gleichwohl kein freies „Bestimmungsmandat“957, darüber zu entscheiden, welche Aufgaben in Form der Selbstverwaltung erledigt werden dürfen958. Die Kriterien lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Es handelt sich um eine legitime öffentliche Aufgabe959, für die ein abgrenzbarer Betroffenenkreis identifiziert werden kann und die nicht unmittelbar vom Staat wahrgenommen werden muß. Die Partizi951 Nur so ist es richtig, den Sinn der Selbstverwaltung in dem „Mehr an Demokratie“ (v. Arnim, AöR 113, 1, 16) zu sehen. 952 Anders Häberle, VVDStRL 30, 43, 55, 80 f., der dies einem status activus processualis zuordnet. 953 Scharf davon abzugrenzen ist die demokratiefördernde Wirkung der Partizipation, die ebenso wie ihre Integrations- und Identifikationsfunktion der Legitimität zuzurechnen ist. Dazu Frotscher, in: v. Mutius, Festgabe v. Unruh, 127, 131 ff. 954 H. H. Klein, in: Schnur, Festschrift Forsthoff, 165, 171, 173. Eine reine Interessenvertretung kommt jedenfalls nicht in Betracht, BVerfGE 15, 235, 241. 955 BVerfGE 10, 89, 106 f.; 37, 1, 27; 39, 247, 254 f.; BSGE 36, 242, 244; für die Hochschulen BVerfGE 35, 79, 123. Anders Frotscher, in: v. Mutius, Festgabe v. Unruh, 127, 143 f.; unklar Schmidt-Aßmann, in: Selmer/v. Münch, Gedächtnisschrift Martens, 249, 257, 263, der offenbar von einem Recht auf „demokratische Teilhabe“ ausgeht. 956 Schmitt Glaeser, VVDStRL 31, 179, 230. 957 Schmidt-Aßmann, in: Selmer/v. Münch, Gedächtnisschrift Martens, 249, 258. 958 Anderer Ansicht Dittmann, Bundesverwaltung, 255. Nicht im Widerspruch dazu steht – mit den hier genannten Einschränkungen – die Feststellung in BVerfGE 107, 59, 92, daß die Auswahl der Aufgaben und die Regelung der Strukturen weitgehend im Ermessen des Gesetzgebers liegen. 959 BVerfGE 10, 89, 102; 15, 235, 241; 38, 281, 299.

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pation der Betroffenen führt zu einer effektiveren Aufgabenerfüllung. Die Voraussetzungen der parlamentarischen Kontrolle würden dem entgegenstehen. c) Demokratische Kriterien der Ministerialfreiheit Die Einrichtung ministerialfreier Räume steht nicht im Belieben des Gesetzgebers. „Unmöglichkeit der Aufgabenerfüllung“ darf nicht zum Vorwand werden, der allein der Abschiebung von Verantwortung dient. Anders als bei den verfassungsrechtlich vorgegebenen Wertungen über das Legitimationsoptimum trägt der einfache Gesetzgeber daher für sie die Feststellungs- und Begründungslast. Mit gewissen Abweichungen bei der funktionalen Selbstverwaltung, deren Besonderheit gerade angesprochen wurde, ist dies von engen Voraussetzungen abhängig, die der Vermutung zugunsten der umfassenden Verwirklichung des Legitimationsmodells Rechnung tragen. Es sind daher Kriterien zu finden, um der schon im Parlamentarischen Rat geäußerten Sorge entgegenzutreten, „daß anonyme Stellen, die sich jeder Verantwortung gegen Bund und Länder und jeder parlamentarischen Kontrolle zu entziehen“ pflegen, „nicht fröhliche Urstände feiern“ können960. aa) Aufgabenbestimmung Die demokratische Aufgabenbestimmung ist von zentraler Bedeutung, weil sie die materiellen Ziele vorgibt, an denen sich die konkreten Verfahrensregelungen zu orientieren haben. Soweit sie nicht bereits im Grundgesetz enthalten sind, unterliegt der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Staatsaufgaben weitreichenden verfassungsrechtlichen Gemeinwohlvorgaben961. Die in ministerialfreier Organisation zu erfüllenden Staatsaufgaben müssen folglich nicht nur den formalen Anforderungen der Gesetzgebung, sondern auch den materiellen Verfassungsbindungen entsprechen. Illegitime Staatsaufgaben kommen nicht in Betracht962.

960

v. Brentano, Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, 189/

196. 961

BVerfGE 10, 89, 102, 105. Damit wird ein weiterer konstruktiver Gesichtpunkt deutlich: Die Abwägung mit anderen (verfassungsrechtlich bestimmten) Agenden erfolgt nicht zwischen diesen und der ministerialfreien Stelle, sondern mit der ihr vorausliegenden Aufgabenbestimmung. 962

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

bb) Aufgabenerfüllung (1) Regelungsbedingungen Für die solchermaßen zulässigen Staatsaufgaben muß die Gefahr einer nicht sachgerechten Aufgabenerfüllung auf der Hand liegen. Dies erfordert Kausalität zwischen den Bedingungen der parlamentarischen Kontrolle und der Art der Aufgabenerfüllung. Zugleich muß gerade die Ministerialfreiheit im Vergleich zum Legitimationsmodell die Gewähr einer sachgerechten Aufgabenerfüllung bieten. Soweit andere Möglichkeiten bestehen, die dies in ähnlicher Weise, aber bei umfassender Verwirklichung des Legitimationsmodells gewährleisten, sind diese vorrangig. Wie bereits ausgeführt, gehört dazu insbesondere der Umfang der Kodifizierung. Maßstab ist die Aufrechterhaltung des Verantwortungszusammenhangs, so daß auch an andere, nachrangige Steuerungsmittel zu denken ist. Soweit es um die Beurteilung von Entscheidungskriterien geht, sind unabhängige Beratungsgremien in Betracht zu ziehen963. Umgekehrt darf der Gesetzgeber die negativen Folgen der ministerialfreien Aufgabenerfüllung in seiner Gesamtabwägung nicht außer acht lassen. Die Ministerialfreiheit erhöht – trotz ihrer demokratischen Begründung – das Risiko von Fehlentscheidungen und Amtsmißbrauch. Im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung erleichtern die geringe Distanz, die persönlichen Beziehungen und Abhängigkeiten das Eindringen sachfremder Erwägungen964. Soweit das nicht zum Verzicht auf die ministerialfreie Struktur zwingt, müssen Absicherungen vorgesehen werden, die die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung gewährleisten. Hier kann die Bildung von Kollegialorganen und Aufsichtsorganen kompensativ wirken, die die fehlende Verantwortungszurechnung zwar nicht herzustellen vermögen, aber zumindest den unvermeidlichen Entscheidungsfreiraum des einzelnen Sachwalters begrenzen965. Bei der Abwägung dieser für- und widerstreitenden Kriterien ist außerdem zu berücksichtigen, daß die einzelnen Formen der Legitimation nicht nur gemeinsame Bedingung der Volkssouveränität sind, sondern auch als gegenseitiges Korrektiv wirken. Die mißverständliche Formulierung des Bundesverfassungsgerichts966, daß die Elemente der demokratischen Legitimation für die Beurteilung des hinreichenden Gehalts an demokratischer Legitimation keine Bedeu963 Hier ist jedoch abzuwägen, ob diesen nicht die Position einer faktischen Entscheidungsmacht zuwächst, der gegenüber eine ministerialfreie Entscheidungsorganisation im Interesse der Transparenz der Verantwortungsstruktur den höheren demokratischen Wert hat. 964 Hendler, Selbstverwaltung, 357; Frotscher, in: v. Mutius, Festgabe v. Unruh, 127, 141. 965 Vgl. zur Abwägung zwischen Ausschußverfahren und Einzelentscheider im Asylverfahrensrecht BT-Drs. 8/4353, 2 f.; Groß, Kollegialprinzip, 206. 966 BVerfGE 93, 37, 66 f.; 107, 59, 87.

VII. Eigener Lösungsansatz

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tung je für sich, sondern nur in ihrem Zusammenwirken haben, findet hier noch am ehesten einen Sinn. Wenn im Einzelfall eine der Legitimationssäulen, d. i. hier die parlamentarische Kontrolle, für die demokratische Legitimation entbehrlich ist, entfällt mit ihr diese Wechselwirkung zu den anderen Legitimationsformen. Folglich steigt deren Bedeutung für das Legitimationsergebnis, was besondere gesetzliche Sicherungsvorkehrungen erforderlich machen kann967. Zu beachten ist zudem, daß die organisierten Interessenverbände wegen der Ministerialfreiheit nach alternativen Einwirkungsmöglichkeiten suchen, so daß sich der Druck auf personelle Entscheidungen erhöhen wird968. Ob dies geeignet ist, die Vorteile der Ministerialfreiheit für die Aufgabenerfüllung zu beseitigen, obliegt der Beurteilung des Gesetzgebers. Seine Reaktion darauf können besondere Verfahren der Personalauswahl bzw. in engen Grenzen auch die persönliche Unabhängigkeit sein. Anschauliches Beispiel ist erneut die Rechtsprechung, für die zum einen die Richterwahlausschüsse gemäß Art. 95 Abs. 2 GG, zum anderen Art. 97 Abs. 2 GG zu nennen sind969. Unter welchen Bedingungen dem Gesetzgeber diese Möglichkeiten über verfassungsrechtliche Anordnungen hinaus offenstehen, kann hier nicht ausgeführt werden970. Mit Bestimmtheit läßt sich lediglich sagen, daß die Begründungslast für eine solche Aufgabenorganisation erheblich steigen würde. (2) Abgrenzungsgebot Mit dem Ausnahmecharakter der Ministerialfreiheit korrespondiert, daß in diesen Fällen der Bereich der unabhängigen Entscheidungen sachlich begrenzt und vorhersehbar sein muß971. Nur die betroffenen Aufgaben dürfen überhaupt in diesen Bereich einbezogen werden. Soweit eine Trennung nicht möglich ist, spricht die Vermutung insgesamt für das Legitimationsmodell. Von Bedeutung ist das insbesondere bei der Selbstverwaltung, weil Regelungen zu Angelegenheiten ihrer Mitglieder oft genug auch die Interessen und Rechte Dritter berühren. Das Legitimationsproblem stellt sich hier in doppelter Weise: Zum einen als Ausnahme vom parlamentarischen Kontrollzusammenhang, zum anderen als Entscheidungspartizipation Dritter. Die Feststellung, daß 967

Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, 72 f., 79. Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, 330. Zur Bedeutung der Personalauswahl als Steuerungsmittel Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 13 f. 969 Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 125. 970 Zur persönlichen Unabhängigkeit der Rechtspfleger, auf die Art. 97 GG nach herrschender Ansicht keine Anwendung findet, Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 92, Rn. 82; Art. 97, Rn. 52. 971 Problematisch ist insoweit § 98 Abs. 2 BBG, wonach dem ministerialfreien Bundespersonalausschuß weitere Aufgaben durch die Regierung übertragen werden dürfen. Hier sind zumindest Art. 80 Abs. 1 GG entsprechende Anforderungen zu verlangen. 968

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

dies – quasi als Selbstverwaltungsannex – unvermeidlich sei972, genügt dafür nicht. Der Gesetzgeber ist vielmehr zu einer weitgehenden Abgrenzung verpflichtet. Wo dies nicht gelingt, bestehen zusätzlich die hier beschriebenen Anforderungen an eine ministerialfreie Verwaltung, die sich nicht auf den grundgesetzlichen Selbstverwaltungsvorbehalt stützen kann. Regelmäßig wird er deshalb auf eine weitgehende gesetzliche Determinierung der Selbstverwaltungsorgane in deren Randbereichen bzw. auf deren Fachaufsicht verwiesen sein, um auf diesem Weg selbst eine umfassende demokratische Legitimation zu gewährleisten. Es bleibt dabei: „Je stärker die Interessen der Allgemeinheit berührt werden, desto weniger darf sich der Gesetzgeber seiner Verantwortung dafür entziehen, daß verschiedene einander widerstreitende Interessen und Rechtspositionen gegeneinander abzuwägen und zum Ausgleich zu bringen sind“973. cc) Zum Verhältnis von Rechtsaufsicht und Ministerialfreiheit Die zur Aufgabenerfüllung notwendige Unabhängigkeit, die eine demokratische Legitimation ohne parlamentarische Kontrolle trägt, wird bisweilen auch auf die Rechtsaufsicht974 erstreckt. Ausgangspunkt der Diskussion darum sind ministerialfreie Räume, deren gesetzliche Regelungen pauschal von Weisungsfreiheit sprechen und damit nicht erkennen lassen, ob sie sich auf Sachweisungen beschränken oder auch die Rechtsweisungen bzw. besonderen Formen der Rechtsaufsicht i. e. S. erfassen975. Die Frage ist daher, ob eine optimale demokratische Legitimation der Aufgabenerfüllung auch den Ausschluß von Rechtsaufsicht erforderlich machen kann. Die Rechtsaufsicht ist ein notwendiger Annex zur demokratischen Sachlegitimation, das der Vollzugsbedürftigkeit der Gesetze folgt. Sie dient zugleich der Einhaltung der Bindung an Art. 20 Abs. 3 GG976. In konsequenter Anwendung der hier vertretenen Interpretation des Demokratieprinzips hat die Rechtsaufsicht dann keine demokratische Funktion, wenn sie durch eine tatsächliche oder rechtliche Grenze der demokratischen Legitimation ausgeschlossen wird. Parlamentsgesetze kommen dafür nicht in Betracht. Denn anders als in den Fällen der Freiheit von Sachweisung steht mit dem Parlamentsgesetz der materielle demokratische Inhalt schon fest. Es bedarf gerade keiner Abwägung mehr über die optimale demokratische Legitimation zur Aufgabenerfüllung. Daher ist zunächst nicht erkennbar, weshalb ein Gesetzesvollzug ohne Rechtsaufsicht effek972

So das BVerfGE 101, 312, 323. BVerfGE 101, 312, 323. 974 Rechtsaufsicht wird im folgenden – soweit nicht anders gekennzeichnet – als Teil der Staatsaufsicht im weiteren Sinn verstanden und umfaßt damit sowohl die unmittelbare wie auch die nur mittelbare Staatsverwaltung. 975 Dazu hier bereits 3. Kap., II. 5. a) aa). 976 Allgemein zur Rechtsaufsicht 3. Kap., II. 4. 973

VII. Eigener Lösungsansatz

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tiver sein soll. Umgekehrt scheint die gesetzliche Legitimation durch sie erst gewährleistet zu sein, so daß Rechtsaufsicht dem demokratischen Optimierungsgebot folgend eine notwendige Anforderung ist977. Diese Auffassung würde jedoch außer acht lassen, daß Rechtsanwendung selten eindeutig ist, sondern in den weitaus meisten Fällen der Rechtsauslegung bedarf. Und auf eben diesem Weg verliert auch der scheinbar sichere Grund gesetzlicher Bestimmung einen Teil seiner Tragfähigkeit. Dieser Umstand erklärt die Notwendigkeit, die Rechtskontrolle als Teil der parlamentarischen Kontrolle zu sehen, weil nur so die umfassende demokratische Legitimation gewährleistet werden kann. Er weist aber ebenso auf die Möglichkeit der Instrumentalisierung durch die Rechtsaufsicht hin, was insbesondere dann der Fall sein wird, wenn eine staatliche Stelle mit Kontrollfunktionen betraut ist und selbst der Rechtsaufsicht unterliegt978. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß auch die Rechtsaufsicht an die Grenze effektiver Aufgabenerfüllung stößt, wenngleich die rechtsstaatlichen Sicherungsmöglichkeiten weitaus vielfältiger sind979. Ob sich der Ausschluß der parlamentarischen Rechtsaufsicht damit tatsächlich begründen läßt, muß allerdings bezweifelt werden. Zu berücksichtigen ist, daß ihre Bedeutung in den Fällen der Freiheit von Sachweisungen erheblich steigt980. Bereits Kelsen hat auf die Gefahr hingewiesen, daß die Selbstverwaltungskörper „keineswegs die Gesetzmäßigkeit ihrer Akte als ihr höchstes Ziel ansehen, sondern sich allzuleicht in einen bewußten Gegensatz zu den vom Zentralparlament beschlossenen Gesetzen stellen werden“981. Rechtsaufsicht ist insoweit „notwendiges Korrelat jeder Selbstverwaltung“982. Hinzu tritt, daß der rechtsstaatliche Charakter der Rechtsaufsicht die Anforderungen an eine erweiterte Weisungsfreiheit deutlich erhöht983. Gesetzliche Bestimmungen zur Wei977

Im Ergebnis ebenso Emde, Demokratische Legitimation, 378. Pointiert formuliert Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte im Verfassungssystem, 167 f.: „Wäre der Bundesbeauftragte an die regierungsamtliche Auslegung des geltenden Datenschutzrechts gebunden, so hätte er praktisch bloß eine aufsichtliche Hilfsfunktion in der Art eines Staatskommissars (. . .).“ 979 Zu nennen ist hier der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, dessen Rechtsaufsicht zum Schutz vor Einflußnahme einzelner Minister der Regierung als Organ übertragen ist, Gola/Schomerus, BDSG, § 22, Rn. 11. Ebenso § 35 Abs. 5 StUG für den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. 980 Nur unter diesem Gesichtspunkt erscheint es richtig, von der Rechtsaufsicht als Korrelat der Selbstverwaltung zu sprechen. 981 Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 72. 982 W. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 68, Rn. 55. 983 Es stellt sich die zusätzliche Frage, ob die Rechtsaufsicht aus rechtsstaatlicher Perspektive überhaupt verzichtbar ist. Während dies in der älteren Literatur überwiegend verneint wird (Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 77 II b 3.; E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 214), kommt Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 274, nunmehr zu dem Ergebnis, daß das Grundgesetz die Staatsaufsicht gegenüber den Trägern funktionaler Selbstverwaltung zwar grundsätzlich, aber nicht ausnahms- und lückenlos fordere. Ähnlich Groß, Kollegialprinzip, 428 f., der dem Ge978

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

sungsfreiheit, die sich nach ihrem Wortlaut nicht zuordnen lassen, machen insoweit eine Auslegung des gesetzgeberischen Willens erforderlich. Soweit sie eine exzeptionelle Einschränkung der Rechtsaufsicht nicht tragen, bedürfen sie der verfassungskonformen Auslegung, so daß sich die Weisungsfreiheit auf Fragen der Fachaufsicht beschränkt. dd) Begründungsmaßstab Die schon erwähnte Begründungslast für die Abweichung vom Legitimationsmodell ist Folge des Optimierungsgedankens und nimmt auf dessen Bedingungen Bezug. Obwohl die Unvereinbarkeit des Legitimationsmodells mit einer konkreten Aufgabenerfüllung darin als eine Frage bloßer Feststellung erscheint, stehen dem Gesetzgeber in der Praxis nicht nur eine Vielzahl verschiedener Regelungsmöglichkeiten offen, sondern auch die Beurteilung über deren Wirkungen. Sein Beurteilungsspielraum sinkt allerdings zugunsten von Plausibilität und Offenkundigkeit, je höher die Anforderungen im Einzelfall sind. (1) Regelungsdichte der Aufgabenbestimmung Weil sich Aufgabenbestimmung und Aufgabenerfüllung nicht streng trennen lassen, sondern durch einen Prozeß fortschreitender Konkretisierung verbunden sind984, lassen sich die ministerialfreien Räume nicht pauschal auf die Aufgabenerfüllung begrenzen. Ein starres Abgrenzungskriterium ist daher nicht denkbar. Dies wäre nach dem Ausgangspunkt des hier vertretenen Modells aber nötig, da sich die Ministerialfreiheit aus der Differenz zwischen Aufgabenbestimmung und Aufgabenerfüllung erklärt. Statt dessen kommt mit der Begründungslast ein Kriterium in Betracht, das den gleitenden Übergang der Konkretisierung aufnimmt. Die Anforderungen steigen, je abstrakter die gesetzliche Aufgabenbestimmungen einer ministerialfreien Stelle sind. Umgekehrt sinken sie, je eher sich das ministerialfreie Verwaltungshandeln als reine Aufgabenerfüllung darstellt. Zugespitzt gesagt, ist der verbleibende politische Gestaltungsspielraum der Maßstab. Führt man diesen Gedanken zum Punkt absoluter gesetzlicher Determination fort, entfällt nicht nur die Begründungslast des Gesetzgebers, sondern auch die Notwendigkeit für parlamentarische Sachkontrolle, weil die gesetzliche Legitimation vollständig an ihre Stelle tritt. Dies ist freilich nur eine theoretische Überlegung, sie macht aber deutlich, daß die Optimie-

setzgeber einen Gestaltungsspielraum zur aufgabenspezifischen Differenzierung einräumt und damit wie hier einen funktionalen Ansatz vertritt. Jedenfalls wird man im Ergebnis nicht auf jede Form von Rechtskontrolle verzichten können, sei es mit den Mitteln der Rechtsaufsicht, sei es als besondere Klagebefugnis. 984 Siehe dazu bereits 3. Kap., VII. 2. b) bb) (2), Fn. 855.

VII. Eigener Lösungsansatz

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rungsanforderungen im Einklang mit den allgemeinen Legitimationsgrundlagen stehen. (2) Politische Tragweite Die umfassende Geltung des demokratischen Optimierungsgedankens in allen staatlichen Zusammenhängen schließt es grundsätzlich aus, die Abweichung vom Legitimationsmodell auf Aufgaben ohne politische Tragweite zu begrenzen985. Die Regelung von Art. 97 Abs. 1 GG zeigt, daß selbst Hauptstaatsfunktionen nicht von Unabhängigkeit ausgenommen sind. Ministerialfreie Räume einschließlich der Selbstverwaltung bilden dazu keine Ausnahme. Mit zunehmender Bedeutung der Aufgabe steigt aber die Begründungslast. Hier zeigt sich eine weitere Wirkung des Optimierungsgedankens: Je größer die politische Tragweite ist, desto eher spricht die Vermutung für das Legitimationsmodell. Die verfassungsgesetzlichen Strukturbestimmungen lassen sich daher auch in dem Sinne deuten, daß ihre Begründung durch den einfachen Gesetzgeber ungenügend wäre bzw. eventuellen Zweifeln daran vorgebaut werden sollte. Insoweit dienen sie nicht nur der Festlegung der Legitimationsanforderungen, sondern auch deren Legitimität. Die Kontroversen um die Weisungsfreiheit der Bundesbank bilden ein treffendes Beispiel für ihre Notwendigkeit. (3) Grundrechtlicher Aufgabenbezug Der Grundrechtsbezug staatlicher Aufgaben gebietet die Beachtung deren demokratischen Legitimation in besonderer Weise, so daß sich die Vermutung zugunsten des Legitimationsmodells noch erhöht. Für bestimmte Aufgaben kann jedoch auch eine der Begründungslast gegenläufige Tendenz bestehen. Dies ist der Fall, wenn Grundrechte den programmatischen Kern einer Aufgabenbestimmung verstärken. Auf die effektive Aufgabenwahrnehmung ist in diesem Fall in besonderem Maße Wert zu legen, so daß es gerade auf die Sachrichtigkeit ankommt. Umgekehrt können hier bereits geringere Abweichungen ihre Erfüllung in Frage stellen. Es handelt sich um Fälle, in denen, anders als bei Rundfunk, Hochschulen und Kultureinrichtungen, dem Gesetzgeber noch ein Gestaltungsspielraum verbleibt, aber die Gleichbehandlung der betroffenen Grundrechtsträger nicht ohne weiteres hergestellt werden kann. Hier streitet der Grundrechtsbezug für eine angemessene Verwaltungsstruktur, die im Falle der Weisungsfreiheit die Begründungslast zurücknimmt986.

985

Dazu bereits 3. Kap., V. 2. b). Vgl. die Begründung in BVerfGE 83, 130, 150 zur Weisungsfreiheit der Bundesprüfstelle. 986

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

ee) Rechtskontrolle über die Einrichtung ministerialfreier Stellen Bei der Beachtung der Gemeinwohlanforderungen des Grundgesetzes zur Aufgabenbestimmung und Aufgabenerfüllung, an die der Gesetzgeber gemäß Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG gebunden ist, handelt es sich um ein rechtsstaatliches Problem. Sie unterliegt daher der verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Soweit dabei verschiedene Gemeinwohlbelange konkurrierend ineinandergreifen, sind einfache Zweck-Mittel-Relationen jedoch nicht möglich. Hier obliegt es dem Gesetzgeber, die Gefährdung von Rechtsgütern einzuschätzen, ihre Schutzwürdigkeit zu bewerten und die Mittel zu ihrem Schutz zu bestimmen987. Dieser gesetzgeberische Beurteilungsspielraum ist eine Handlungsoption der Politik988, mit der eine zurückgenommene Prüfdichte des Bundesverfassungsgerichts korrespondiert989. Von der Bestimmung der Staatsaufgaben zu unterscheiden sind die Kriterien, die für die Abweichung vom Legitimationsmodell ins Feld geführt werden. Die Begründungslast liegt beim Gesetzgeber, wenn er vom Legitimationsmodell abweichen will. Sie unterliegt einer Plausibilitätskontrolle, die nicht durch ein Verschweigen der gesetzgeberischen Beweggründe umgangen werden darf. Als Kehrseite trifft den Gesetzgeber hier also eine besondere Darlegungspflicht. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß der Gesetzgeber zugleich eine Einschätzungsprärogative hat, die vom Bundesverfassungsgericht zu respektieren ist990. Weitgehende Zugriffsmacht hat die Rechtskontrolle noch bei der Frage, ob die nach dem Legitimationsmodell organisierte Verwaltung mit der Aufgabe zu vereinbaren ist, ob – mit anderen Worten – eine andere Entscheidungsstruktur erforderlich ist. Davon zu unterscheiden ist die Frage, wie der Gesetzgeber die alternative Entscheidungsstruktur gestaltet991. Hier steht ein Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts unter dem Vorbehalt, daß „das von der Legislative eingesetzte Mittel objektiv untauglich oder schlechthin ungeeignet bzw. die legislatorische Prognose bereits im Ansatz verfehlt war“992. ff) Rechtsstaatliche Begrenzungen Parlamentarische Kontrolle bewirkt demokratische Legitimation und damit zugleich eine materielle Begrenzung der Staatsgewalt. Als Kontrolle der Staats987

Für die Bundesprüfstelle BVerfGE 83, 130, 141 f. Vgl. Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, 77. 989 Grundlegender Gedanke in BVerfGE 98, 49, 60 f. 990 Im Anschluß an BVerfGE 83, 130, 141 f. ist folglich zu fordern, die Einschätzungsprärogative über die Aufgabenbestimmung hinaus auch auf die Art der Durchführung zu erstrecken. 991 v. Danwitz, Der Staat 35, 329, 347. 992 Schnapp, JuS 1989, 1, 4. 988

VII. Eigener Lösungsansatz

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gewalt hat sie zusätzlich in rechtsstaatlicher Hinsicht Bedeutung. Auf ihre Funktion im Rahmen der Gewaltenteilung wurde bereits hingewiesen, so daß „checks and balances“ hier als Stichwort genügen mag. Maßgeblich ist, daß bei der Ministerialfreiheit beide Funktionen entfallen993. Es bedarf darum nicht nur einer demokratischen Erklärung anhand des Optimierungsgedankens, sondern auch rechtsstaatlicher Absicherungen der weisungsfreien Verwaltungseinheiten, die die Verselbständigung von Staatsgewalt verhindern. Ansatzpunkt hierfür ist einerseits, die Organisation der ministerialfreien Stelle selbst in eine Balance zu bringen, die die Erfüllung des Aufgabenprogramms gewährleistet. Dazu können die Zuständigkeiten in die Hand eines Kollegialorgans gelegt werden, was zu einer gegenseitigen Kontrolle der Entscheidungsträger führt. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Kontrollgremien einzurichten, die an der Ministerialfreiheit teilnehmen, aber ein Gegengewicht innerhalb der verselbständigten Verwaltungseinheiten bilden994. Ihre Unabhängigkeit leitet sich dann von der Stelle ab, auf die sie bezogen sind. Formen gesetzlich vorgeschriebener Bürgerbeteiligung ergänzen dieses Regelungskonzept. Im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung impliziert deren verfassungsrechtliche Zulassung, daß der Kreis der Betroffenen mittels seiner Vertretungs- und Kontrollorgane als rechtsstaatliche Absicherung gegenüber den Verwaltungsträgern betrachtet werden kann. Andererseits sind staatliche Ingerenzrechte zu forcieren. Grundvoraussetzung dafür ist, daß Zuständigkeiten und Befugnisse der ministerialfreien Stelle genau bestimmt sind. Damit korrespondiert insbesondere die Rechtsaufsicht, auf deren Bedeutung bereits hingewiesen wurde. Um der Rechtskontrolle zusätzliches Gewicht zu verleihen, ist an außerordentliche Klagebefugnisse zu denken, die von staatlichen Kontrollstellen ausgeübt werden995. Als Beispiel läßt sich dafür der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten gemäß § 6 AsylVfG a. F. anführen. Weitere Ingerenzmöglichkeiten bieten Genehmigungsvorbehalte für Richtlinien, Geschäftsordnungen, Satzungen und Wirtschaftspläne sowie die haushaltsrechtliche Mittelzuteilung einschließlich der Rechenschaft über die Mittelverwendung996. In personeller Hinsicht bedarf die Legitimation der weisungsfreien Amtswalter gesteigerter Anforderungen, was Auswahl, Dauer der Ernennung 993 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Verschiebung der rechtspolitischen Beurteilung: Während in den Nachkriegsjahren Ministerialfreiheit zunächst als Garantie für Rechtsstaatlichkeit gesehen wurde, verbindet sich damit heute eher ein Verlust an Rechtsstaatlichkeit. Mit der zunehmender Distanz zu Totalitarismus und Führerstaat wächst also das Zutrauen in die Rechtsstaatlichkeit staatlicher Institutionen, während umgekehrt der Wert der Unabhängigkeit sinkt. 994 Zum Landeshochschulrat nach Brandenburgischem Landeshochschulgesetz BVerfGE 111, 333, 363. 995 Zur Vereinbarkeit von Gerichtskontrolle über ministerialfreie Räume mit Art. 19 Abs. 4 GG BVerfGE 22, 106, 112. 996 Vgl. BVerfGE 37, 1, 27.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

und Qualifikation angeht997. Klarstellend ist anzumerken, daß keines dieser Kontrollmittel demokratische Legitimation bewirkt. Vielmehr verhält es sich ebenso wie bei der Rechtsprechung, in der der Instanzenzug die Entscheidung richtiger, nicht aber demokratischer macht. gg) Beobachtungspflicht Verantwortungszurechnung ist für ministerialfreie Entscheidungen qua definitionem ausgeschlossen. Damit ist nicht gesagt, daß Verantwortung gänzlich entfällt: Das Parlament ist verantwortlich für das Funktionieren ministerialfreier Verwaltungsorganisation, also für die Richtigkeit der Annahme, die Weisungsfreiheit mache die Aufgabenerfüllung möglich, wenn das Legitimationsmodell diese nicht gewährleistet. Abweichungen von der verfassungsrechtlichen Regelvermutung verpflichten den Gesetzgeber daher zu einer fortdauernden Beobachtung der ministerialfreien Räume998. Dies impliziert zunächst, daß ein Fortfall der parlamentarischen Kontrolle nicht zu einem Verlust der parlamentarischen Informationsrechte führen darf. Problematisch ist dies, wenn die Regierung infolge der Verselbständigung keine Auskunft mehr geben kann. Das EnquêteRecht und das Petitionsinformationsrecht richten sich jedoch unmittelbar gegen die ministerialfreie Verwaltung999. Zusätzliche Berichtspflichten oder Kontrollorgane, denen auch Abgeordnete angehören, sind darum das Mittel der Wahl. Sobald sich mit hinreichender Deutlichkeit zeigt, daß die ministerialfreie Verfahrensregelung nicht zu einer effektiveren Aufgabenerfüllung führt, ist diese entweder zu verändern oder wieder an das Legitimationsmodell anzupassen1000. Das gleiche gilt, wenn unter Geltung des Legitimationsmodells nunmehr eine ebenso sachgerechte Aufgabenerfüllung zu erwarten ist1001. Die ex-ante-Perspektive des Gesetzgebers bei der Einrichtung der ministerialfreien Räume bedingt, daß deren fortwährende Beobachtung zugleich ein Lernprozeß über die Steuerungswirkung sein wird. Deshalb wäre es verfehlt, die Motivation des Gesetzgebers als statisch zu betrachten. Mit der Beobachtung kann er sich darum neue Zwecksetzungen zueigen machen. 997 Zu den Anforderungen an die gesetzlichen Regelungen zur Besetzung der Bundesprüfstelle BVerfGE 83, 130, 149 ff. 998 Aus dem Bereich der Hochschulorganisation zuletzt BVerfGE 111, 333, 356. 999 BremStGH NVwZ-RR 1997, 145, 146; Würtenberger, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 5, Art. 45c, Rn. 51; Vitzthum, Petitionsrecht, 106 f.; Masing, Parlamentarische Untersuchung, 323. 1000 Angedeutet wird dies bei der Bundesschuldenverwaltung mit dem Hinweis auf deren geringe Kontrolleistung, BT-Drs. 14/7010, 11, beim Asylverfahren wegen der fehlenden Einheitlichkeit der Entscheidungspraxis, die auch durch die Kontrolle des Bundesbeauftragten nicht hergestellt werden konnte. 1001 Dies wurde etwa für den Bundespersonalausschuß von Sommermann, in: ders., Gremienwesen, 89, 91 (Diskussionsbericht), hinterfragt und von Engels, stellvertretender Vorsitzender des Bundespersonalausschusses, a. a. O., überwiegend verneint.

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d) Kritische Einwendung Die in Literatur und Rechtsprechung entfaltete Problematik der ministerialfreien Räume resultierte überwiegend daraus, daß man sie vergeblich mit dem herkömmlichen Legitimationsverständnis in Einklang zu bringen versuchte oder als Ausnahme interpretierte, ohne sich über die Bedingungen demokratischer Legitimation Klarheit zu verschaffen. Mit der Ergänzung um die aufgabenorientierte Optimierung ist ein Weg gefunden, die Ministerialfreiheit funktional in die demokratische Staatsordnung des Grundgesetzes zu integrieren. Dies kann jedoch nur bestehen, wenn sich auch kritische Einwendungen dagegen entkräften lassen. Die Untersuchung beschränkt sich, ihrem Thema folgend, dabei auf die Fragen zur parlamentarischen Kontrolle, so daß die Gesichtspunkte der personellen Legitimation keine Berücksichtigung finden. aa) Praktikabilität Ein Legitimationsmodell, das reale Legitimationsmöglichkeiten zum Kriterium seiner Anwendbarkeit macht, hängt selbst vom Nachweis seiner Praktikabilität ab. Ist ein Parlament, dessen Kontrollfunktion sich in bestimmten Fällen als interessenbestimmt erweist, überhaupt in der Lage, dies zu erkennen, und willens, die Ministerialfreiheit dagegen zu setzen? Ist nicht zu erwarten, daß dieselben Kräfte, die inner- und außerparlamentarisch auf die Aufgabenerfüllung einwirken, eine Beschneidung ihrer Einflußmöglichkeiten verhindern werden? Dieser Einwand läßt sich zwar nicht gänzlich von der Hand weisen und mag in Teilbereichen die Notwendigkeit verfassungsrechtlicher Unabhängigkeitsregelungen erklären1002. Im allgemeinen greift er aber nicht durch. Maßgeblich ist, daß die parlamentarische Aufgabenbestimmung auf einem abstrahierenden Kompromiß verschiedener Gemeinwohlvorstellungen beruht, der in erhöhtem Maße dem Rechtfertigungsdruck der öffentlichen Meinung ausgesetzt ist und eine Mehrheit erfordert. Demgegenüber geht es im Rahmen der Aufgabenerfüllung um die einseitige und vor allem informelle Einflußnahme auf Verwaltungsentscheidungen. Die parlamentarische Kontrolle gewährleistet nicht die hohen Anforderungen, die an die Gesetzgebung zu stellen sind, so daß zuvor bereits von deren demokratischer Schwäche die Rede war. Zur Durchsetzung von Sonderinteressen auf der Gesetzesebene ist daher ein vielfach höherer Einfluß erforderlich als zur Beeinflussung einer Verwaltungsentscheidung. Umgekehrt steigt die Bereitschaft der Partikularkräfte zur Einflußnahme erst mit 1002 Im Parlamentarischen Rat war man sich des Einflusses von Partikulargruppen auf den Gesetzgeber durchaus bewußt: „Die Spitzenverbände bestimmter Techniker, die Ärzte, die Gewerbeaufsichtsbeamten, jeder will seine eigene Verwaltung. Da bringt man immer eine Mehrheit zusammen.“ (Kleindienst, 16. Sitzung des Zuständigkeitsausschusses vom 18.11.1948, Der Parlamentarische Rat, Bd. 3, 636).

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

zunehmender Konkretisierung, so daß der Druck auf der noch abstrakten Gesetzesebene von vornherein geringer ist. Schließlich wird es den Interessengruppen, die ihre Interessen wirksam in den Kompromiß einbringen konnten, darauf ankommen, nicht spätestens bei der Aufgabenerfüllung von anderen mächtigen Verbandsinteressen ins Abseits gestellt zu werden. Dem Parlament kann es daher durchaus daran gelegen sein, sein „Mißtrauen“1003 gegenüber der Ministerialbürokratie, aber zugleich gegenüber seiner eigenen Kontrolle in Form der Ministerialfreiheit zum Ausdruck zu bringen. bb) Abgrenzung zur Verzichtstheorie Fraglich ist weiterhin, ob mit der hier vertretenen Erklärung der ministerialfreien Räume nicht zugleich ein Verzicht des Parlaments auf seine Kontrollfunktion verbunden ist, so daß sich dagegen diejenigen Argumente erheben, die schon gegen die sogenannte Verzichtstheorie vorgetragen wurden. Dagegen steht jedoch der systematische Ansatz. Die Verzichtstheorie behandelt die parlamentarische Kontrolle als ein Recht in der Hand des Parlaments. Die demokratische Legitimation wird damit in einem Teilbereich disponibel. Nach dem Optimierungsgedanken bestimmt sich das Maß der demokratischen Legitimation hingegen direkt an den Anforderungen des Demokratieprinzips. Wenn parlamentarische Kontrolle danach nicht erforderlich ist, kann auch nicht von Verzicht gesprochen werden. cc) Bestimmungsrecht des Gesetzgebers Von größerer Bedeutung könnte sich demgegenüber der Einwand erweisen, daß dem Gesetzgeber – wenn auch nur indirekt – kein Bestimmungsrecht über das Maß der Legitimation zustehe. Verbindlich wären damit allein die besonderen Vorschriften zur Legitimation im Grundgesetz in ihrer Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht. Praktisch würde dies aber darauf hinauslaufen, dem Gesetzgeber zugleich sein Bestimmungsrecht über bestimmte Staatsaufgaben zu versagen, weil die Alternative dazu deren Unerfüllbarkeit wäre. Grundlage muß die durch das Bundesverfassungsgericht formulierte Positionierung des Parlaments sein: „Vielmehr ist in einem Staatswesen, in dem das Volk die Staatsgewalt am unmittelbarsten durch das von ihm gewählte Parlament ausübt, vor allem dieses Parlament dazu berufen, im öffentlichen Willensbildungsprozeß unter Abwägung der verschiedenen, unter Umständen widerstreitenden Interessen über die von der Verfassung offen gelassenen Fragen des Zusammenlebens zu entscheiden“1004. Diese Monopolisierung der Entscheidungskompetenzen für 1003 1004

Roller, Weisungsfreie Ausschüsse, 8. BVerfGE 76, 171, 184.

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grundlegende Fragen der Sozialgestaltung beim Parlament impliziert zunächst, daß dieses auch bei der Festlegung der Aufgaben das entscheidende Wort haben muß1005. Dazu gehört darüber hinaus, „daß der Wille jener, die verfassungsrechtlich die politischen Entscheidungen im Staat zu treffen haben, auf allen Ebenen der Staatstätigkeit auch tatsächlich vollzogen wird“1006. Der Satz ist insoweit problematisch, weil er zu der Schlußfolgerung führen kann, eine leistungsfähige Demokratie müsse Vorrang vor der Einhaltung ihrer Strukturprinzipien haben1007. Nach der hier vertretenen Auffassung liegt darin jedoch kein Widerspruch, weil sich die Durchsetzung politischer Ziele ja gerade anhand der Strukturprinzipien begründen läßt. Man kann diesen Punkt aber auch formal als Frage nach einem Gesetzesvorbehalt des Demokratieprinzips deuten1008. Darauf kommt es aber wegen dessen besonderen Prinzipiencharakters hier nicht an. Schließlich ist der Einwand, dem Parlament stehe das Bestimmungsrecht über das Maß der Legitimation zu, bereits im Ansatz unrichtig. Tatsächlich stellt das Parlament dieses lediglich fest. dd) Gewaltenteilungsprinzip und die Leitungsbefugnis der Regierung Einzugehen ist auch auf die Frage, ob mit dem parlamentarischen Bestimmungsrecht über die Legitimationsstruktur nicht ein beachtlicher Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip oder zumindest gegen die Leitungsbefugnis der Regierung verbunden ist. Mit der parlamentarischen Kontrolle wird dem Parlament eine Einwirkungsmöglichkeit auf die Exekutive entzogen und damit die Gewaltenverschränkung ein Stück zurückgenommen. Im Sinne der ursprünglichen Idee der Gewaltentrennung läge darin sogar ein Vorteil. Unter dem Grundgesetz, das die Gewaltenteilung als Prinzip von checks and balances versteht, kann dies jedoch nicht gelten. Es ist aber anerkannt, daß der Grundsatz der Gewaltenteilung nicht streng durchgeführt ist. Eine Gefährdung der Gewaltenbalance ist bei diesen eng begrenzten Ausnahmefällen nicht zu erwarten. Wegen der Beseitigung des Weisungsrechts schränkt die Ministerialfreiheit außerdem die Leitungsbefugnis der Regierung ein. Eine vom demokratischen Verantwortungszusammenhang unabhängige umfassende Leitungsbefugnis der Regierung kann indessen weder Art. 65 S. 2 GG noch auf sonstige Weise der Verfassung entnommen werden1009. Zulässige Einschränkungen erfolgen durch die Gesetzgebung, an der der Regierung kein demokratisches Mitbestimmungsrecht zusteht. Es bleibt grundsätzlich dem Parlament überlassen, im Rahmen der 1005 1006 1007 1008 1009

Bull, Staatsaufgaben, 121. Ermacora, Allgemeine Staatslehre, 824. Fichtmüller, AöR 91, 297, 347. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, 19 f. Anderer Ansicht Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, 25 ff.

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

Verfassung über den Inhalt der Gesetze zu entscheiden. Der festgestellte Zusammenhang zwischen Inhalt und Vollzug erfaßt dabei auch Organisations- und Verfahrensregelungen, die die Leitungsbefugnis der Regierung einschränken. Die Leitungsbefugnis der Regierung wäre allerdings verletzt, wenn das Parlament seine parlamentarische Kontrolle unmittelbar an die Stelle der Ministerialbindung setzen wollte. Es würde sich um ministerialfreie, nicht aber parlamentsfreie Einrichtungen handeln. Dazu ist die parlamentarische Kontrolle nach dem Grundgesetz aber nicht nur zu schwach ausgebaut, sondern auch nicht vorgesehen. Zwar ist ein demokratischer Verantwortungszusammenhang auf diesem Wege denkbar. Es würde sich aber – und das ist entscheidend – um einen den verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien fremden Zusammenhang handeln. Aus dem weitgehenden gesetzlichen Steuerungsmittel darf also nicht abgeleitet werden, die parlamentarische Kontrolle müsse als vermeintlich milderes Mittel zulässig sein. Die aus der Aufgabenbestimmung abgeleitete Ministerialfreiheit ist diesem Vorwurf nicht ausgesetzt, weil es sich dabei um gesetzliche Regelungen handelt. Schließlich ist das gemischt repräsentativ-plebiszitäre System berührt, soweit die Ministerialfreiheit mit den plebiszitären Einwirkungen kollidiert. Einerseits erweist sich die Ministerialfreiheit hier als Stärkung der repräsentativen Stellung des Parlaments, andererseits wird der plebiszitäre Einfluß aber auch nicht ausgeschlossen, sondern nur in seiner Wirkungskraft beschränkt. Man könnte also schon deswegen argumentieren, Ministerialfreiheit stelle in Teilbereichen den vom Verfassungsgeber angestrebten Zustand wieder her, der Repräsentation vorsehe, die plebiszitären Einflüsse – im Rahmen der Kommunikationsgrundrechte – aber nur zulasse. Stichhaltiger erscheint es, daß der plebiszitäre Bereich, soweit er nicht im Grundgesetz abgesichert ist, der Legitimität zuzuordnen ist. Seine Beschränkung ist darum keine Frage des rechtlichen Dürfens, sondern der politischen Zweckmäßigkeit. Dann aber kann ebenso argumentiert werden, Weisungsfreiheit erhöhe in diesen Fällen die Legitimität. ee) Beschränkung von Oppositionsrechten Unter erheblichem Begründungsbedarf würde der Optimierungsgedanke stehen, wenn mit ihm eine Beschränkung von Oppositionsrechten verbunden wäre. Anders als im Bereich der öffentlichen Meinung sind hier demokratische Gegenrechte verfassungsrechtlich institutionalisiert. Ein erster Hinweis gilt darum dem bereits erörterten Verhältnis zwischen parlamentarischer Kontrolle und Opposition1010. Danach kommt die parlamentarische Kontrolle, was ihre Legitimationsfunktion betrifft, ausschließlich der Parlamentsmehrheit zu. Unabhängig davon werden der Opposition aber auch deshalb keine Rechte genommen, weil 1010

Siehe dazu 1. Kap., IV. 6. b).

VII. Eigener Lösungsansatz

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die parlamentarische Kontrolle in diesen Fällen ja gerade nicht zu den demokratischen Legitimationsvoraussetzungen gehört. Insofern bedarf es nicht der Argumentation E. Kleins zur Verzichtstheorie, der allein auf das Mehrheitsprinzip abstellt1011. Zu beachten ist ferner, daß die Oppositionsrechte für den Vorgang der Einrichtung ministerialfreier Räume unberührt bleiben, so daß sie die erforderliche Begründungslast des Gesetzgebers thematisieren und öffentlich einfordern kann. e) Der Optimierungsansatz in der Praxis Eine nochmalige Durchsicht der in diesem Kapitel untersuchten ministerialfreien Räume macht deren Aufgabenbestimmung einerseits und das jeweilige Bedrohungspotential für ihre Wahrnehmung andererseits deutlich, so daß eine Zuordnung möglich wird. Weil die Ursachen über einzelne Fallgruppen hinweg bestehen, ist der jeweilige Schwerpunkt zu benennen. Im übrigen würde eine umfassende Exemplifizierung den Rahmen dieser Untersuchung sprengen und auch ihrer Intention nicht gerecht werden. Die Abwehr von organisierten Interessen und Instrumentalisierung liegt in erster Linie der Ministerialfreiheit des Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit, der Vergabekammern beim Bundeskartellamt und der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien1012 zugrunde. Deren Aufgabenbereiche sind in besonderem Maße politisch, wirtschaftlich bzw. weltanschaulich aufgeladen, so daß eine organisatorische Absicherung begründbar ist. Mögliche Aufgabenkollisionen sind der vorrangige Grund für die Ministerialfreiheit des Bundespersonalausschusses1013 sowie der Bundesstellen für Flugunfall- und Seeunfalluntersuchung1014. Für die Kontrollkonflikte ist schließlich der Bundesbeauftragte für den Datenschutz zu nennen1015, der eine dem Bundesrechnungshof vergleichbare Stellung einnimmt1016. Die Begründung in den Gesetzesmaterialien sind freilich nur selten so eindeutig, wie im Fall der Unabhängigkeit der 1011

E. Klein, Problematik des ministerialfreien Raumes, 202 ff. Zur Ermittlung der Wertmaßstäbe der Bundesprüfstelle BVerfGE 83, 130, 150. 1013 Engels, in: Sommermann, Gremienwesen, 69, 79 ff., nennt hierfür den Konflikt der Ressortbedürfnisse mit dem Grundsatz der einheitlichen Anwendung des Beamtenrechts, der durch den Bundespersonalausschuß optimiert werde. 1014 Zum absoluten Vorrang der Ursachenaufklärung durch die Flugunfalluntersuchung, BT-Drs. 13/10738, 16. Bei der Seeunfalluntersuchung bezweckt das Fehlen einer mündlichen Verhandlung überdies, die Beeinflussung durch die Öffentlichkeit zu beschränken, BT-Drs. 14/6455, 33. 1015 Gola/Schomerus, BDSG, § 22, Rn. 11; Auernhammer, Bundesdatenschutzgesetz, § 22, Rn. 10, 13. 1016 Nicht von ungefähr existierte daher auch der Vorschlag, die Aufgaben des Bundesbeauftragten für den Datenschutz vom Präsidenten des Bundesrechnungshofs wahrnehmen zu lassen, BT-Drs. 7/5277, 5. 1012

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3. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und ministerialfreie Räume

Bundesbank1017. Angesichts der mehr als unübersichtlichen dogmatischen Lage zu den ministerialfreien Räumen ist von einem auf verfassungsgerichtliche Approbation seiner Gesetze bedachten Gesetzgeber allerdings auch nichts anderes zu erwarten. Das Problem wird an den Warnungen vor der Unzulässigkeit ministerialfreier Räume deutlich, die in den Gesetzgebungsmaterialien verschiedentlich zu lesen sind1018. In ihnen spiegelt sich die Unsicherheit über die verfassungsrechtliche Situation, was dazu führt, daß im Ergebnis überhaupt nicht nach möglichen Gestaltungsspielräumen differenziert wird. Die trotzdem bestehenden ministerialfreien Räume erweisen sich insofern als zwingende Fälle, in denen sich der Gesetzgeber trotz seiner Bedenken nicht anders zu helfen wußte. Die Unmöglichkeit einer am Legitimationsmodell orientierten Organisation bestätigt sich auch auf diese Weise. Rückschlüsse auf den Optimierungsansatz und die Ableitungen daraus lassen auch die ehemaligen ministerialfreien Räume zu. Wie zu erwarten, ist bei ihnen jeweils eine Veränderung in der Aufgabenkonstellation zu beobachten, die letztlich zu der Beseitigung der Verwaltungsstruktur führte. Bei der Bundesschuldenverwaltung, die zu den Kontrolleinrichtungen gehörte, wurde die fortdauernde Notwendigkeit der Kontrolle ausdrücklich in Abrede gestellt1019. Ohne Kontrollaufgabe entfällt aber auch der Kontrollkonflikt. Bei den Musterungsausschüssen, deren Weisungsfreiheit durch Aufgabenkollision begründet war, wurde zwar vordergründig das Ziel von Verwaltungsvereinfachung und Haushaltsentlastung als Grund der Änderung im Jahre 1994 genannt1020. Man geht aber nicht fehl in der Annahme, daß kurz nach dem Ende des kalten Krieges der Druck auf die Musterung als wesentliche Grundlage der Landesverteidigung und damit zugleich das Spannungsverhältnis zwischen den Aufgaben weitgehend entfallen ist. Im Verfahren der Kriegsdienstverweigerung wurde die Gewissensprüfung in der bisherigen Form abgeschafft, so daß für eine Verwaltungsorganisation, die dieser Aufgabe gerecht wurde, kein Bedarf mehr bestand. Soweit allein die Kostenfrage zur Begründung herangezogen wird, legen die gerade in jüngerer Zeit zu beobachtenden Verfahrensänderungen nahe, daß eine zwingende Notwendigkeit für Ministerialfreiheit, was die Unmöglichkeit effektiver Aufgabenerfüllung angeht, nicht bestanden hat. Hinzuweisen ist schließlich auf die praktisch bedeutsame Frage der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, deren demokratische Zuordnung sich als pro1017

Zu deren Stellung 3. Kap., III. 2. b). Für das Patentamt: Bericht des Rechtsausschusses über den Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes, BlfPMZ 1961, 169, 170. Für das Bundeskartellamt: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (21. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drs. 2/3644, 34. 1019 BT-Drs. 14/7010, 11. 1020 Vgl. 3. Kap., III. 2. f). 1018

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blematisch erweist. Die hierzu erforderliche Differenzierung veranschaulicht die Trennung zwischen Aufgabenbestimmung und Aufgabenwahrnehmung. Zur Rechtfertigung der Mitbestimmung werden üblicherweise Grundrechte aus Art. 9 GG bzw. das Sozialstaatsprinzip genannt1021. Eine Rolle spielt dies im Rahmen der Begründungslast, weil die Mitbestimmung Teil der Aufgabenerfüllung wird. Zu denken ist daran, daß sie ohne den Sachverstand der Beschäftigten schlechthin unmöglich ist, so daß deren Stellung organisatorisch hervorzuheben ist. Die demokratische Legitimation ist folglich in diesem Rahmen zu optimieren. Unzulässig wäre es demgegenüber, das Ziel der Mitbestimmung in der Teilhabe an der Ausübung der Staatsgewalt zu sehen. Sie wäre in diesem Fall nicht bloß Mittel zur Aufgabenerfüllung, sondern bereits Teil des programmatischen Auftrags. Diese Aufgabenbestimmung stünde im Widerspruch zum Grundsatz, daß sich Verantwortung nur zum Volk ableiten darf, und wäre darum verfassungswidrig. Sie käme als Grenze für die Legitimation der Aufgabenwahrnehmung nicht in Betracht. Eine Ausnahme wäre nur unter den Umständen denkbar, daß man die (zweifelhafte) grundrechtliche Ableitung der Mitbestimmung als eine der Selbstverwaltung ähnliche Regelung verstände. Dann aber würde zugleich die Begrenzung auf eigene Angelegenheiten eingreifen, die schon für das Bundesverfassungsgericht der maßgebliche Gesichtpunkt in der Abwägung über die Verfassungsmäßigkeit der Einigungsstelle war1022. f) Folgerungen für die parlamentarische Kontrolle Mit dem Optimierungsansatz kann nicht nur die Legitimationsstruktur der ministerialfreien Räume erklärt werden, sondern auch die Einordnung und die Begrenzung der parlamentarischen Kontrolle als Teil des Legitimationsmodells. Insoweit geht der Erkenntnisgewinn weit über das Phänomen der Ministerialfreiheit hinaus: (1) Im Vordergrund steht: Das Legitimationsmodell ist der verfassungsrechtlich vorgesehene Normalfall demokratischer Legitimation der Exekutive. Zu ihren notwendigen Elementen gehört die parlamentarische Kontrolle, die organisatorisch an das Ministerialsystem im Grundgesetz anknüpft. Dessen hierarchische Struktur ist Bedingung der demokratischen Legitimation und darum ebenso verfassungsrechtlich vorausgesetzter Regelfall. (2) Die Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle bestätigt sich gerade in der Unterscheidung von parlamentarischer Aufgabenbestimmung und exekutivischer Aufgabenwahrnehmung: Die Vollzugsbedürftigkeit von Gesetzen schafft den staatlichen Handlungsspielraum, der zusätzliche Legi-

1021 1022

Siehe dazu 3. Kap., VI. 2. d). BVerfGE 93, 37 ff.

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timation erforderlich macht. Umgekehrt ist parlamentarische Kontrolle aber nicht vom Vorhandensein eines Gesetzes abhängig. (3) Die umstrittene Funktion der institutionell-funktionellen Legitimation kann näher bestimmt werden. Sie umschließt die (verfassungs-)gesetzliche Aufgabenbestimmung einer staatlichen Stelle. Weil sie mit ihrem Inhalt das Maß der Legitimation der Aufgabenwahrnehmung indiziert, rechtfertigt sich ihre hervorgehobene Stellung als eine der drei Legitimationssäulen. Maßgeblich wird sie in allen Fällen, die vom Legitimationsmodell abweichen. (4) Anhand der herausgearbeiteten Systematik lassen sich weitere Unsicherheiten über die Funktion der parlamentarischen Kontrolle beseitigen. Sie ist kein defizitäres demokratisches Element, sondern nimmt im Verfassungsrecht einen selbständigen und vollwertigen Platz ein, den die Vermutung zugunsten des Legitimationsmodells absichert. Dies betrifft sowohl ihre Stellung neben dem Gesetz als auch ihre Legitimationskraft. Der Optimierungsgedanke findet daher auf das Verhältnis von gesetzlicher und parlamentarischer Sachlegitimation keine Anwendung. (5) Die Grenzen der Erforderlichkeit parlamentarischer Kontrolle liegen in der Erfüllbarkeit demokratisch legitimierter Staatsaufgaben. Damit kommt nicht nur zum Ausdruck, wann parlamentarische Kontrolle nicht stattzufinden braucht, sondern auch, daß parlamentarische Kontrolle zur Sicherstellung der Aufgabenerfüllung in diesen Fällen versagt. Diese Art der Begrenzung gilt nicht nur für die verfassungsrechtlich geregelten und deshalb unproblematischen Fälle der Rechtsprechung oder des Bundesrechnungshofs, sondern auch für ministerialfreie Räume sowie andere staatliche Stellen, die vom Legitimationsmodell abweichen. Ihnen ist gemeinsam, daß sie nicht als Ausnahme, sondern als Teil der Verwirklichung des Demokratieprinzips zu begreifen sind. (6) Die Verhältnisbestimmung zwischen Demokratieprinzip und Selbstverwaltung läßt Ableitungen über den Anwendungsbereich von parlamentarischer Kontrolle zu. Auch Selbstverwaltungskörperschaften kennen Vertretungsorgane: Die kommunale Selbstverwaltung den Gemeinderat, die funktionale Selbstverwaltung die Verbandsversammlung. Insoweit kann von einer Parlamentarisierung gesprochen werden, die nach erstem Anschein den Gedanken parlamentarischer Kontrolle mit einschließen müßte. Weil parlamentarische Kontrolle aber ein Mittel demokratischer Legitimation ist, setzt dies die demokratische Legitimationsfähigkeit dieser Organe voraus. Im Fall der kommunalen Selbstverwaltung wurde eine verfassungsrechtliche Aufwertung des Gemeindevolks zum Legitimationssubjekt festgestellt, so daß hier die Bedingung für parlamentarische Kontrolle vorliegt. Anders verhält es sich bei der funktionalen Selbstverwaltung, deren Mitglieder nur zur Parti-

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zipation, nicht aber zur Legitimation befähigt sind, so daß auch kein Raum für parlamentarische Kontrolle durch ihre Vertretungsorgane ist. (7) Mit der flexiblen Handhabung des Demokratieprinzips wird einerseits der grundgesetzlich vorausgesetzte Regelfall gewahrt, andererseits aber der Verabsolutierung eines Organisationsmodells vorgebeugt, das veränderten Anforderungen nicht mehr gerecht wird. An dem Regel-Ausnahme-Verhältnis des Legitimationsmodells ist solange festzuhalten, wie die mit ihm verbundene Verwaltungsstruktur grundsätzlich zur Aufgabenerfüllung geeignet erscheint. Andernfalls ist die Regellegitimation im Wege der Verfassungsänderung neu zu bestimmen. Im Gegensatz zu den Kritikern des Legitimationsmodells, die die demokratischen Beschränkungen der Organisationsfreiheit des Gesetzgebers mit dessen Entmündigung gleichsetzen und zur Fessel der Demokratie erklären1023, wird damit eine höhere Stabilität der Legitimationsstrukturen vorausgesetzt. (8) Das Erklärungsmuster der Effektivität einerseits, der Optimierung andererseits macht für jede staatliche Einrichtung eine individuelle, aufgaben- und legitimationsangemessene Struktur erforderlich. Die Uneinheitlichkeit der staatlichen Verwaltung ist insoweit nicht als „Wildwuchs, Systemchaos und institutioneller Dschungel“ zu kritisieren1024, sondern zu erwartender Normalfall. Richtig ist aber auch, daß „der konzeptionelle Mangel einer unkoordinierten, planlosen, im negativen Sinne ,spontan‘ anmutenden Organisationsbildung“ keine bloße Verwaltungsschwäche darstellt, sondern „das Demokratieprinzip ins Mark“ trifft1025. Erforderlichkeit und dogmatisches Fehlverständnis müssen also unterschieden werden. (9) In diesen Zusammenhang gehört auch der eingangs angeführt Aspekt, daß Ministerialfreiheit in der aktuellen Diskussion um die Steuerungsfähigkeit des Staates und den in diesem Zusammenhang genannten Formen kooperativen Staatshandelns wiederkehrt. Wenn sich Legitimationsordnung und staatliche Organisationsstruktur entsprechen, so ist derzeit ein Voranschreiten der Organisationsentwicklung zu beobachten, dem die Demokratiediskussion nicht annähernd folgen kann. Zwischen den Alternativen der Verfassungswidrigkeit und der Preisgabe verfassungsrechtlicher Maßstäbe könnte sich der Optimierungsansatz dabei als nützlich erweisen. Auf diesen Gedanken ist im Rahmen des folgenden Kapitels zurückzukommen.

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Blanke, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, 32, 54. H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 264. H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 294.

4. Kapitel

Beschränkungen der parlamentarischen Kontrolle: Privatisierung Betrachtet man die Wirksamkeitsbedingungen der parlamentarischen Kontrolle in staatlichen Grenzbereichen, so ist gerade der Themenkreis der Privatisierung von hoher Aktualität. Unter systematischen Gesichtspunkten hätte dies bereits im Rahmen der Ausführungen zu Staatsgewalt und ministerialfreien Räumen erörtert werden können. Es handelt sich bei der Privatisierung allerdings – wie im folgenden zu zeigen sein wird – um einen derart komplexen Sachbereich, daß eine gesonderte Darstellung im Interesse der Übersichtlichkeit gerechtfertigt erscheint. Dafür spricht auch, daß es hier weniger um das Verhältnis zwischen Privatisierung und Staatsgewalt bzw. Ministerialfreiheit geht, als vielmehr um deren jeweilige Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle.

I. Bedeutung des Themas Privatisierung ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Erscheinungen. Diese finden ihren kleinsten gemeinsamen Nenner darin, daß eine staatliche Aufgabe in den Regelungskreis des privaten Rechts verlagert wird1. Ob das allerdings nur Organisation und Verfahren ihrer Wahrnehmung betrifft oder ihre Zuordnung zum Staat an sich in Frage stellt, verweist bereits auf die Varianten, die sich hinter dem Privatisierungsbegriff verbergen. Ebenso vielfältig wie die Erscheinungsformen der Privatisierung sind die Gründe, die für ihre Entstehung vorgetragen werden. Ins allgemeine Bewußtsein gedrungen sind die Notwendigkeit zur Entlastung des Staates infolge enger werdender staatlicher Ressourcen sowie ordnungspolitische Vorstellungen, die den schlanken Staat zum Leitbild haben2. Darüber hinaus bestehen spezifische Sachgründe, die mit dem jeweiligen Privatisierungstypus verbunden sind und nur in diesem Zusammenhang genannt werden können. 1 Ähnlich allgemein Kämmerer, JZ 1996, 1042, 1044; konkreter und damit ausgrenzend sind demgegenüber die Definitionen von Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, Vor § 90, Rn. 2, wo von einem Rückzug des Staates und anderer Verwaltungsträger aus bestimmten Aktivitäten die Rede ist, und Di Fabio, JZ 1999, 585, der Privatisierung mit Entstaatlichung gleichsetzt. 2 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 1 (11. Aufl.), § 3, Rn. 22; Schoch, DVBl. 1994, 1 f.

I. Bedeutung des Themas

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Trotz ihrer derzeitigen Bedeutung ist Privatisierung – ebenso wie die Ministerialfreiheit – kein neues Phänomen, sondern schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts bekannt3. Allerdings hat gerade sie in den vergangenen zwanzig Jahren in der Verwaltungspraxis eine außerordentliche Dynamik entfaltet, die von rechtlichen Maßstäben weitgehend ungehindert ihrer juristischen Aufarbeitung vorauseilte. Diese Entwicklung wurde von der Rechtswissenschaft inzwischen aufgegriffen, was ein breites Meinungsspektrum hervorgebracht hat4. Dessen Durchsicht offenbart schnell, daß der Prozeß der Systematisierung nicht abgeschlossen ist und die dogmatische Durchdringung in Teilen noch aussteht5. Das „Fehlen einer positiven Privatisierungstheorie“6 ist nach wie vor zu beklagen. Vor dem Hintergrund einer dualistischen Unterscheidung von Staat und Gesellschaft7 insinuiert Privatisierung eine Grenze staatlichen Handelns8. Soweit dies zugleich für die Feststellung der Staatsgewalt gilt, bedeutet sie auch eine Grenze des Demokratiegebots respektive der parlamentarischen Kontrolle. Wo diese Grenze verläuft, ist jedoch alles andere als eindeutig und in Ansehung der Privatisierungstypen differenziert zu beantworten. Hinzu kommt, daß Privatisierung auch einen Übergangsbereich zwischen Staat und Gesellschaft markieren kann, der sich einer klaren Zuordnung gerade entzieht. Hier wird Privatisierung durch den Begriff der Kooperation ergänzt, der als Teilaspekt im folgenden ebenfalls zu berücksichtigen ist. Insoweit stellt sich für die vorliegende Untersuchung zwanglos die Frage nach dem Verhältnis zwischen Privatisierung und parlamentarischer Kontrolle. Deren Notwendigkeit vorausgesetzt geht es an erster Stelle darum, ob die einzelnen Privatisierungserscheinungen parlamentarische Kontrolle überhaupt zulassen. Untersuchungsgegenstand ist damit die Demokratietauglichkeit der Privatisierung, nicht hingegen, ob dem Demokratieprinzip von einem empirischen Standpunkt aus Genüge getan wird. Darüber hinaus ist der Blick auf die Auswirkungen der Privatisierung auf die einzelnen parlamentarischen Kontrollinstrumente und die Effektivität der parlamentarischen Kontrolle zu richten, so daß als Teilergebnis auch demokratische Anforderungen an den Privatisierungsprozeß zu erwarten sind. Dem bisherigen Ansatz dieser Untersuchung entsprechend wird die Privatisierung am Maßstab des Grundgesetzes gemessen. Dies soll nicht darüber hinweg3 Zur Entwicklung Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 4 ff. In BT-Drs. 12/6889, 1 spricht die Bundesregierung euphemistisch von einer „Privatisierungstradition“. 4 Zum beachtlichen Umfang der Diskussion Weisel, Privatisierung und Beleihung, 46. 5 Di Fabio, JZ 1999, 585; Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, Vor § 90, Rn. 10. 6 Gusy, in: ders., Privatisierung von Staatsaufgaben, 330, 331. 7 Siehe zur Notwendigkeit dieser Unterscheidung 2. Kap., I. 8 Vgl. Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 144.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

täuschen, daß Privatisierung auf allen staatlichen Ebenen und insbesondere in den Kommunen stattfindet. Auf sie wird nur bedarfsweise eingegangen. Als demokratische Kernfunktion sind die Anforderungen der parlamentarischen Kontrolle gemäß Art. 28 Abs. 1 GG weithin übertragbar9.

II. Typologie Begrifflich ist Privatisierung sowohl Vorgang als auch Ergebnis10. Obwohl beide Aspekte für die parlamentarische Kontrolle von Belang sind, orientiert sich die Typologie an den Erscheinungsformen der Privatisierung und geht damit von deren Ergebnis aus. Dafür werden in der verwaltungsrechtlichen Literatur verschiedene Vorschläge gemacht11, deren Unterschiede Ausdruck der bereits erwähnten, noch in Entstehung begriffenen und damit nicht abgeschlossenen Systematisierung ist. Dabei geht es einerseits um Fragen der Begriffsbildung, andererseits um Zuordnungskriterien. Im Rahmen dieser Untersuchung werden als wesentliche Fallgruppen die Organisationsprivatisierung, die Aufgabenprivatisierung, die funktionale Privatisierung und die Beleihung berücksichtigt. Abgrenzungshalber ist am Ende noch auf die Verfahrensprivatisierung, die Public-Privat-Partnerships und die Vermögensprivatisierung einzugehen. Bereits in diesem Orientierungsrahmen ist zu beachten, daß sich auch im Fall der Privatisierung die Zuordnung des Kontrollsubstrats zur Staatsgewalt als die entscheidende Bedingung für die demokratische Legitimation und das darin enthaltene Element der parlamentarischen Kontrolle erweist12. Betrachtet man die Privatisierung als Vorgang, ist dies eindeutig: Jede Form der Privatisierung setzt eine Entscheidung über die Privatisierung und deren nachfolgende Durchführung voraus. Beides liegt in den Händen staatlicher bzw. unterstaatlicher Organe und erweist sich damit als Staatsgewalt. Unter diesem Gesichtpunkt bedarf Privatisierung stets der demokratischen Legitimation einschließlich der parlamentarischen Kontrolle. Ganz anders verhält es sich hingegen bei der Frage

9 Für den Bereich der Kommunalverwaltung D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 128. 10 Zum Prozeßcharakter der Privatisierung H. Bauer, VVDStRL 54, 243, 254. Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 133, 136, unterscheidet treffend Gründungs- und Betriebsphase. Bisweilen ist hier auch von „After Privatization“ die Rede, Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54, Rn. 19, ohne daß mit der Anleihe an die anglo-amerikanische Rechtsterminologie allerdings eine dogmatische Notwendigkeit oder ein heuristischer Gewinn verbunden wäre. 11 Huber, Allgemeines Verwaltungsrecht, 164 ff.; Schoch, DVBl. 1994, 1, 3; Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54, Rn. 9 f.; Stober, in: Wolff/ Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, Vor § 90, Rn. 11 ff.; Gusy, in: ders., Privatisierung von Staatsaufgaben, 330, 338. 12 Allgemein dazu bereits 2. Kap. (Einleitung).

II. Typologie

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nach dem Ergebnis der Privatisierung. Hier muß die Typologie ihrer Erscheinungsformen mit der jeweiligen Zuordnung verbunden werden, ob sich die Wahrnehmung der von Privatisierung betroffenen Aufgabe auch künftig als Ausübung von Staatsgewalt darstellt. Kann dies bejaht werden, ist damit zugleich eine Aussage über die Erforderlichkeit der parlamentarischen Kontrolle verbunden. Auffällig ist zunächst, daß – wie schon im Bereich der öffentlich-rechtlich dezentralisierten Verwaltung zu beobachten war13 – die Frage der Staatsgewalt in der Privatisierungsdiskussion nur eine untergeordnete Rolle spielt14. „Das Tatbestandsmerkmal Staatsgewalt begibt sich auf den Rückzug und überläßt das Feld einer Gemengelage hoheitlicher und gesellschaftlicher Herrschaft“15. Ein zusätzlicher, nur in der Privatisierung ruhender Grund dafür mag sein, daß bei ihr die formalen Kriterien versagen, die sonst zur Bestimmung der Staatsgewalt herangezogen werden können. Soweit nicht der Sonderfall der Beleihung hinzutritt, fehlt es sowohl am öffentlichen Recht als Sonderrecht des Staates als auch an den ihm vorbehaltenen hoheitlichen Handlungsbefugnissen16. Größere Bedeutung wird demgegenüber dem Begriff der Staatsaufgabe beigemessen, mit dessen Hilfe man sich Aufschlüsse über die Zulässigkeit von Privatisierungsmaßnahmen und über das Verhältnis zwischen staatlichen Stellen und Privaten, insbesondere im Bereich der Kooperation erhofft17. Die Staatsaufgabe hat sich insoweit zu einem Schlüsselbegriff für das Verständnis der Privatisierung entwickelt18. Geht man davon aus, daß zumindest dort, wo zulässigerweise Staatsaufgaben erfüllt werden, zugleich legitimationsbedürftige Staatsgewalt vorliegt, oder hält man beide Begriffe für deckungsgleich19, könnten die Erkenntnisse über die Staatsaufgaben also dazu dienen, die Sphären von Staat und Gesellschaft abzugrenzen. Maßgeblicher Gedanke ist hier, daß es sich bei Staatsaufgaben stets um staatliche Handlungskompetenzen handelt, denen die privatautonome Handlungsfreiheit gegenüber steht20. Als entscheidend erweist 13

Vgl. 2. Kap., IV. 6. Eine Ausnahme stellt insoweit Mehde, Verw.Archiv 91, 540 ff., dar. 15 Möllers, Verw.Archiv 90, 187, 198. 16 Ausdruck dieser Unsicherheit ist, daß der Begriff der „Staatsgewalt im weiteren Sinne“ hier eine unverhoffte Wiederauferstehung findet, siehe etwa v. Danwitz, AöR 120, 595, 599. Kritisch dazu schon im 2. Kap., IV. 5. 17 Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 51. 18 Gusy, in: ders., Privatisierung von Staatsaufgaben, 330, 331, spricht von einer „Renaissance der Staatsaufgabenlehre“. Vgl. dazu nur: Weiß, Privatisierung von Staatsaufgaben; Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben; Grabbe, Privatisierung kommunaler Aufgaben; v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben; Mackeben, Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit. 19 Burgi, Funktionale Privatisierung, 338; ausdrücklich ablehnend Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 546. 20 Osterloh, VVDStRL 54, 204, 222 f. 14

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

sich der zugrundegelegte Staatsaufgabenbegriff. Der vorherrschend vertretene formale Staatsaufgabenbegriff ist institutionell geprägt. Kurz und prägnant sind Staatsaufgaben danach alle Angelegenheiten, derer sich der Staat in verfassungskonformer Weise angenommen hat21. Aus dieser Sicht, die sich vornehmlich aus dem Fehlen einer positiven Staatsaufgabenlehre speist22, ist es nicht ohne weiteres möglich, Privatrechtssubjekte bzw. deren Handlungen anhand der von ihnen wahrgenommenen Aufgaben in den Dualismus von Staat und Gesellschaft einzuordnen. Wenn sich die Staatsaufgabe erst über ihren Träger bestimmt, kann sie umgekehrt keine Aussage über den Träger treffen. Jeder Ableitungsversuch würde in einem Zirkelschluß enden. Ihr gegenüber stehen Ansätze einer materiellen Staatsaufgabenlehre23, denen entscheidende Anhaltspunkte darüber entnommen werden könnten, ob das Handeln von Privatrechtssubjekten als privatautonom oder als Erfüllung von Staatsaufgaben erachtet werden muß. Dieser Möglichkeit ist jedoch schon im Ansatz entgegenzuhalten, daß der Aufgabenbestand des Staates verfassungsrechtlich grundsätzlich offen ist24. Aussagen mit einem höheren Abstraktionsgrad sind darum nicht zu erwarten. Im Zweifel hat die Bestimmung der Staatsgewalt daher für die jeweiligen Privatisierungstypen gesondert und unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Wesensmerkmale zu erfolgen. Dabei ist gegebenenfalls auf den Staatsaufgabenbegriff zurückzukommen.

III. Organisationsprivatisierung 1. Begriffsbestimmung Die Kategorie der Organisationsprivatisierung kennzeichnet die Wahrnehmung einer bislang Behörden zugewiesenen öffentlichen Aufgabe durch verselbständigte, privatrechtlich organisierte Verwaltungseinheiten25. Es geht allein um die Privatisierung der Organisation, die damit weiterhin der öffentlichen Hand zuzuordnen ist. Für die zugewiesenen Aufgaben bedeutet die Organisationsprivatisierung eine Änderung in der Rechtsträgerschaft sowie eine Beschränkung auf privatrechtliche Handlungsformen. Sie bleiben jedoch im staatlichen 21 Jestaedt, Kondomialverwaltung, 248; Osterloh, VVDStRL 54, 204, 207; Di Fabio, JZ 1999, 585, 586; Burgi, Funktionale Privatisierung, 51, 69. 22 Umgekehrt lässt sich der formale Staatsaufgabenbegriff auch als negative Staatsaufgabenlehre bezeichnen, weil das Handeln der staatlichen Organe Staatsaufgabe ist, solange ihm keine Unzulässigkeitsgründe entgegenstehen. 23 In jüngerer Zeit Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, passim. 24 Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 153; Osterloh, VVDStRL 54, 204, 207, mit Rechtsprechungsnachweisen. 25 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54, Rn. 11; Vitzthum, AöR 104, 580, 588 ff.

III. Organisationsprivatisierung

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bzw. öffentlich-rechtlichen Wahrnehmungsbereich26. Aus diesem Grund ist anstelle von Organisationsprivatisierung auch von formeller Privatisierung die Rede27. Im gleichen Sachzusammenhang stehen privatrechtlich organisierte Verwaltung, Verwaltung in Privatrechtsform, privatrechtliche Verwaltungstrabanten28, publizistische Privatrechtssubjekte29, Verwaltungsgesellschaften30, Verwaltungsunternehmen31 und Wahrnehmungsprivatisierung. In Gegenüberstellung zur Privatisierung in einem substantiellen Sinne wird die Organisationsprivatisierung auch als unechte Privatisierung oder Scheinprivatisierung bezeichnet32. Die Erscheinungsformen der Organisationsprivatisierung sind typischerweise die GmbH, die Aktiengesellschaft und der eingetragene Verein. Gelegentlich finden sich aber auch die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die Genossenschaft, die Stiftung des privaten Rechts, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die unselbständige Stiftung33. Die Aufzählung zeigt, daß es sich vorrangig um Organisationsformen mit eigener Rechtspersönlichkeit handelt. Ein Grund für die Organisationsprivatisierung wird in dem vergleichsweise einfachen Verfahren der Errichtung von Privatrechtsvereinigungen gesehen34. Darüber hinaus ordnet man ihr gegenüber öffentlich-rechtlichen Organisationsformen Vorzüge zu, die in der Vorstellung von einer besseren Verwaltung kumulieren. Dem herkömmlichen Verwaltungsapparat, der schlagwortartig für Beamtenmentalität, Mangel an Sachkunde, Verlangsamung und Hemmung durch bürokratische und hierarchische Strukturen sowie haushalts-, finanz- und personalrechtliche Bindungen steht, stellt man einen bunten Strauß an Vorteilen gegenüber35. Zu ihnen gehören Entpolitisierung, Dezentralisierung, Distanz und Autonomie, außerdem Vereinfachung von Personalbeschaffung und -austausch, 26 In BVerwG JZ 1990, 446, ist darum von einer „speziellen Erscheinungsform der öffentlichen Verwaltung“, in BVerwG DÖV 1990, 977, 978, von „materiell öffentlicher Verwaltung“ die Rede. 27 Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 17; Di Fabio, JZ 1999, 585, 588; Weisel, Privatisierung und Beleihung, 50. Anders Peine, DÖV 1997, 353, 354, 356, bei dem formelle Privatisierung der Oberbegriff zur Organisationsprivatisierung ist. 28 Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 1 m.w. N. 29 D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 9. 30 Krebs, Die Verwaltung 29, 309, 316. 31 Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, Vor § 90, Rn. 11. 32 Kritisch zur Frage, ob bei Organisationsprivatisierung tatsächlich von Privatisierung gesprochen werden könne Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 181 ff.; Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 145; Di Fabio, JZ 1999, 585, 588; Isensee, VVDStRL 54, 303 (Aussprache); ders., ZBR 98, 295, 303; Peine, DÖV 1997, 353, 356, Fn. 37; Krebs, Die Verwaltung 29, 309, 310; differenzierend Vitzthum, AöR 104, 580, 588, Fn. 26. 33 Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 31; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12, Rn. 8; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 26. 34 Dittmann, Bundesverwaltung, 126.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

Senkung der Verwaltungskosten, Haftungsbegrenzung, höherer Zwang zu Rentabilität und steuerliche Erleichterungen. Von gewisser Bedeutung sind auch die besseren Möglichkeiten der Kooperation und Integration mehrerer Verwaltungsträger zur Überbrückung der abgegrenzten Verwaltungsräume zwischen Bund und Ländern36. Welcher Vorteil im Einzelfall maßgeblich ist, hängt naturgemäß von den zugewiesenen Aufgaben ab. Diese sind nicht allein wirtschaftlichen Inhalts oder Teil der Leistungsverwaltung, sondern umfassen das gesamte Spektrum staatlicher Aufgabenerledigung37. a) Organisationsprivatisierung durch Beteiligung Die Zuordnung einer Privatrechtsvereinigung zur öffentlichen Hand wird von der herrschenden Meinung an das Kriterium der staatlichen Beherrschung geknüpft. Auf diese Weise – so der dahinter stehende Gedanke – verbleibe die Staatsaufgabe im Wahrnehmungsbereich der öffentlichen Hand. Modal ist dabei vorrangig an die Beteiligungsrechte eines Verwaltungsträgers an dem Privatrechtssubjekt zu denken. Der Vorgang der Organisationsprivatisierung erfolgt in diesem Fall entweder mittels Gründung durch die öffentliche Hand oder als Übernahme schon bestehender juristischer Personen des privaten Rechts mittels Erwerb von Mitgliedschaftsrechten bzw. Anteilen. Denkbar ist auch die Umwandlung öffentlich-rechtlicher Unternehmen, Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts in Kapitalgesellschaften nach §§ 301 ff. UmwG38. Nur wenn alle Gesellschaftsanteile bzw. Mitgliedschaftsrechte in der Hand desselben Verwaltungsträgers sind, handelt es sich um eine Organisationsprivatisierung in Reinform39. In diesem Fall ist von einer Eigengesellschaft bzw. publizistischen Privatrechtsgesellschaft die Rede40. Ebenfalls ausschließlich in öffentlicher Hand sind diejenigen Privatrechtssubjekte, die als gemischt-öffentliche Vereinigungen von mehreren juristischen Personen des öffentlichen Rechts 35 Schoch, DVBl. 1994, 1, 9; Erbguth/Stollmann, DÖV 1993, 798, 801 ff.; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12, Rn. 10, zugleich unter Hinweis darauf, daß die meisten dieser Gründe einer Überprüfung nicht standhalten. 36 Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 49. 37 Mit vielen Beispielen Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 32 ff.; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12, Rn. 3; für die auswärtige Verwaltung Dittmann, Bundesverwaltung, 126. 38 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54, Rn. 17. 39 Di Fabio, JZ 1999, 585, 588, möchte die formelle Privatisierung im Anschluß an Osterloh auf die Fälle beschränken, in denen der Staat „ausschließlicher Träger des geschaffenen Privatrechtssubjekts bleibt“. Ob er die gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen dann als „graduelle Abstufungen“ der funktionellen Privatisierung zurechnen will, bleibt jedoch offen. 40 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54, Rn. 14; Huber, Allgemeines Verwaltungsrecht, 165; Peine, DÖV 1997, 353, 363; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 9.

III. Organisationsprivatisierung

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als Gemeinschaftsgesellschaftern bzw. Mitgliedern getragen werden41. Die Gesellschaftsform eröffnet aber auch die Möglichkeit, Privatpersonen und öffentliche Hand gleichermaßen über Anteile oder Mitgliedschaftsrechte zu beteiligen. Ob diese gemischt-wirtschaftlichen bzw. gemischt-publizistischen Privatrechtsvereinigungen noch der Organisationsprivatisierung zuzurechnen sind, hängt nach allgemeiner Ansicht vom Maß der öffentlichen Beteiligung ab. Soweit die öffentliche Hand zumindest über die Mehrheit verfügt, wird von verwaltungsbeherrschten Vereinigungen gesprochen. Ihr Zweck liegt einerseits darin, den staatlichen Einfluß zu erhalten und andererseits mittels Einbindung privater Investoren bzw. Betriebsführer ein Mehr an Sachverstand, unternehmerischer Dispositionsfreiheit und Flexibilität zu erlangen42. Hält die öffentliche Hand hingegen eine Minderheitsposition, ist das Privatrechtssubjekt lediglich verwaltungskontrolliert43. Unübersichtlich werden die Beteiligungsanteile, wenn die Privatrechtsvereinigungen ihrerseits Tochtergesellschaften bilden, an denen die öffentliche Hand nur mittelbar beteiligt ist. b) Organisationsprivatisierung durch Einflußsicherung Eine andere Form der Organisationsprivatisierung stellt die externe Einflußsicherung auf Privatrechtssubjekte dar, ohne daß dazu eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung erforderlich gemacht wird44. Beherrschung setzt hier die Macht voraus, die Richtlinien des Handelns einer konkreten Privatrechtsvereinigung zu bestimmen. Möglich wird dies einerseits durch deren finanzielle Abhängigkeit vom Staat, andererseits durch personelle Einwirkungsmöglichkeiten auf Gesellschaftsorgane, die zugleich in einem Dienst- und Treueverhältnis zum Staat stehen. Ob dies genügt, um von einer Wahrnehmung der Aufgabe durch eine „quasi-staatliche Institution“45 zu sprechen, kann nur im Einzelfall ermittelt werden46. Bereits die große Zahl von Vereinen, die auf staatliche Zuweisungen angewiesen sind, spricht dagegen, allein in der finanziellen Abhängigkeit ein

41 Die Terminologie ist nicht einheitlich: H. Dreier, in: ders., GG-Kommentar II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 128, spricht von gemischt-öffentlichen Unternehmen; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 9, und Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 16, nennen sie Gemeinschaftsgesellschaften. Besonders bekannt sind hierbei die Spitzenverbände, zumeist vereinsmäßige Zusammenschlüsse von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und Gebietskörperschaften. Weitere Beispiele bei Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, 63 f. 42 Am Beispiel des Kooperationsmodells Schoch, DVBl. 1994, 1, 11. 43 D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 10, differenziert hier noch die privat beherrschten Gesellschaften, soweit die staatliche Beteiligung unter einem Viertel liegt. 44 D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 11 f. 45 H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 250. 46 Vgl. die Abstufungen bei Müller-Thoma, Der halbstaatliche Verein, 30 f.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

hinreichendes Argument für deren Eingliederung in den Bereich der öffentlichen Verwaltung zu sehen. Hier wäre der Vorwurf der Etatisierung weiter Teile der Gesellschaft tatsächlich berechtigt. Statt dessen wird es zumeist auf eine Kombination mehrerer Einflußinstrumente, die für sich nicht für eine Beherrschung reichen würden, auf den Inhalt der jeweils wahrzunehmenden Aufgaben und auf den Privatisierungshergang ankommen. Auch eine Minderheitsbeteiligung kann unter diesen Umständen noch zur Organisationsprivatisierung gerechnet werden. Nicht ausreichend sind jedoch die „Jedermannsaufsicht“ oder konzessionsvertraglich abgesicherte Einflußrechte47. 2. Organisationsprivatisierung und Staatsgewalt Weil Organisationsprivatisierung lediglich als Veränderung der Rechtsform zu definieren ist, unter der eine staatliche Aufgabe wahrgenommen werden soll, liegt es nahe, daß der Bestand der Staatsgewalt davon unberührt bleibt. Grundlegender Gedanke ist zum einen, daß Staatsgewalt nicht auf die unmittelbare, lediglich dekonzentrierte Staatsverwaltung beschränkt ist, sondern auch dezentralisierte, rechtsfähige Verwaltungseinheiten des öffentlichen Rechts umschließt. Zum anderen wurde bereits darauf hingewiesen48, daß Staatsgewalt nicht nur in öffentlich-rechtlichen, sondern auch in privatrechtlichen Handlungsformen möglich ist. Dann aber ist es nur folgerichtig, daß das gleiche auch zu gelten hat, wenn der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben in eine privatrechtliche Organisationsform schlüpft49. Diese Art der Privatisierung hat also nichts mit einem Wechsel von der staatlichen auf die gesellschaftliche Ebene, von der Staatsgewalt zur Privatautonomie zu tun. Bestätigt wird dies unter dem Blickwinkel, daß Staatsgewalt nicht nur Bedingung für die verfassungsrechtlichen Bindungen gemäß Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 2 GG ist, sondern diese ihrerseits materielle Aussagen für die Bestimmung der Staatsgewalt enthalten50. Ein Privatrechtssubjekt, das Handlungsinstrument des Staates ist, muß als Glied der staatlichen Organisation betrachtet werden und darum den dafür geltenden Bindungen unterliegen. Umgekehrt müßte die Privatrechtsform als Organisationsmittel also ausscheiden, wenn sie mit der Bejahung der Staatsgewalt unvereinbar wäre. Dieses Ergebnis hat nicht nur Berechtigung, wenn im Fall der Eigengesellschaft ein einzelner staatlicher Rechtsträger Inhaber aller Mitgliedschaftsrechte an dem Privatrechtssubjekt ist51, sondern auch dann, wenn bei den gemischtöffentlichen Vereinigungen mehrere öffentlich-rechtliche Rechtsträger beteiligt 47 48 49 50

D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 131. Siehe insoweit 2. Kap., V. Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 159 f. Siehe 2. Kap., V., Fn. 274.

III. Organisationsprivatisierung

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sind52. Unbeschadet ihrer Zulässigkeit im einzelnen53 kann aus dem Zusammenwirken mehrerer Träger von Staatsgewalt keine nichtstaatliche, also im materiellen Sinne private Einrichtung entstehen. Weniger eindeutig ist die Zuordnung zur Staatsgewalt jedoch dann, wenn die Organisationsprivatisierung nicht in Reinform verwirklicht wird, sondern unter Beteiligung von Privaten stattfindet. Die der Typologie zugrundeliegende Beherrschung durch die öffentliche Hand soll auch in dieser Hinsicht das entscheidende Kriterium sein54. Obschon die Plausibilität des Arguments nicht zu leugnen ist, stellt sich die Frage, ob damit Organisationsprivatisierung und Staatsgewalt deckungsgleich erfaßt werden können. Gerade weil es sich um einen kooperativ angelegten Übergangsbereich zwischen Staat und Gesellschaft handelt, in dem sich Beiträge von beiden Seiten mischen, muß besonders sorgfältig unterschieden werden55. Das Kriterium der Beherrschung respektive der Beteiligung erfordert daher eine differenzierte Betrachtung. Zum einen geht es um das Problem, ob das Privatrechtssubjekt als solches der staatlichen Sphäre zuzurechnen ist. Allein darauf zielt das nach Beteiligung abgrenzende Kriterium. Zum anderen geht es darum, welches Handeln sich als Ausübung von Staatsgewalt darstellt. Dies ist zumindest der Fall, wenn die öffentliche Hand von ihren Mitgliedschaftsrechten Gebrauch macht, und zwar unabhängig davon, ob das Privatrechtssubjekt dadurch beherrscht oder nur kontrolliert wird56. Umgekehrt 51 D. Ehlers, JZ 1987, 218, 224; Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 385; H. Dreier, in: ders., GG-Kommentar II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 125; Ossenbühl, ZGR 1996, 504, 507 ff.; v. Danwitz, AöR 120, 595, 607; vergleiche auch BVerfGE 45, 63, 80. 52 Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, 167; H. Dreier, in: ders., GG-Kommentar II, Art. 20 (Demokratie) Rn. 128; Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 346. 53 Eingehend dazu 4. Kap., III. 3. b) ee). 54 Staatsgewalt aufgrund der Beteiligungs- bzw. Beherrschungsverhältnisse bejahen: BGHZ 91, 84, 97 f.; H. Dreier, in: ders., GG-Kommentar II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 126; Krebs, Die Verwaltung 29, 309, 316 ff.; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, 160; ausdrücklich auf die Stimmrechtsmehrheit abstellend Gusy, JA 1995, 166, 168 und Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 26. Grundsätzlich keine Staatsgewalt bei D. Ehlers, JZ 1987, 218, 227; Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 557; Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 346, der aber zugleich die durch externe Einflußsicherung beherrschten Privatrechtsvereinigungen zur Staatsgewalt zählt. 55 Daß überhaupt eine Zuordnung erforderlich ist, sollte auch hier unstrittig sein. Auf die Ausführungen zur verfassungsrechtlich vorgegebenen Dichotomie kann entsprechend verwiesen werden. Siehe 2. Kap., I. Ausdrücklich zur Privatisierung: Krebs, Die Verwaltung 29, 309, 317; Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 86, Rn. 59; Burgi, Funktionale Privatisierung, 22 f.; Mehde, Verw.Archiv 91, 540 ff.; anderer Ansicht Meyer, VVDStRL 56, 332 ff. (Aussprache). 56 Hierin sieht Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 136 f., nicht nur die Grenze der Staatsgewalt, sondern auch die der demokratischen Legitimation. Für die privatrechtlich organisierten Unternehmen selbst stellt er die Staatsgewalt ausdrücklich in Abrede. Ebenso Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 557, der aus einem Mangel an Rechtfertigung der von ihm konstatierten demokratischen Legitimationsdefizite in gemischtwirtschaftlichen Unternehmen deren Legitimationsbedürftigkeit, also das Vorliegen von Staatsgewalt, als solche verneint.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

kann dessen privatrechtliches, also nichthoheitliches Handeln als Ausübung von Staatsgewalt qualifiziert werden, wenn das Privatrechtssubjekt organisatorisch als staatlich zu betrachten ist. Ihm wäre dann – ebenso wie dem Staat im übrigen – privatautonomes Handeln verwehrt. In diesem Fall würde sich die Beteiligung der Privaten an dem Privatrechtssubjekt nicht von derjenigen an öffentlich-rechtlich organisierten Verwaltungsträgern unterscheiden57. Beide Ebenen, die der organisatorischen und die der handlungsmäßigen Zuordnung stehen also in einem Abhängigkeitsverhältnis und müssen dementsprechend untersucht werden. Naheliegend wäre es, auf das schon in der Typologie angelegte Merkmal abzustellen, wonach Organisationsprivatisierung nur die privatrechtliche Wahrnehmung von Staatsaufgaben betrifft58. Gemischt-wirtschaftliche Unternehmen müßten dann der staatlichen Sphäre zugerechnet werden, wenn ihnen staatliche Aufgaben übertragen sind. Doch genau hier erweist sich der Nachteil des bereits eingangs entfalteten formalen Staatsaufgabenbegriffs. Ob die Alternative dazu allein das Maß staatlicher Beteiligung sein kann, ist fraglich59. Sie ähnelt Versuchen im Bereich der Selbstverwaltung, zwischen „echter und unechter Selbstverwaltung“ zu unterscheiden60. Daran ist nicht nur die begriffliche Wiederholung in „echter und unechter Privatisierung“ augenfällig, sondern auch die Kriterien der Eigenverantwortlichkeit bzw. der über gesetzliche Programmierung und Steuerungsbefugnisse vermittelte Grad der Abhängigkeit vom Staat sind dieselben. Freilich teilt die Privatisierung mit der Selbstverwaltung dann auch die Kritik auf der Rechtsfolgenseite, die hier sogar noch akzentuierter ist: Die staatliche Mehrheitsbeteiligung sichert Beherrschung und läßt darum auch das Handeln des Privatrechtssubjekts als Staatsgewalt erscheinen. Die Minderheitsrechte der demokratisch unlegitimierten Privaten geraten in der Folge unter Rechtfertigungsdruck. In der Logik der Dichotomie von Staat und Gesellschaft

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Vgl. die Gegenüberstellung bei Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 551 f. Die staatliche Aufgabe erscheint als Merkmal u. a. bei BVerfGE 45, 63, 78 f.; VerfGH NW OVGE 39, 292, 295; BGHZ 91, 84, 97 f.; v. Danwitz, AöR 120, 595, 607; Gusy, JA 1995, 166, 168 (öffentlich-rechtliche Aufgabe). 59 Ablehnend Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen, 190 ff.; Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 556 f.; einschränkend Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III, § 69, Rn. 8, wonach das Ausmaß staatlicher Einflußnahme möglicherweise entscheidend für die Zugehörigkeit der Privatrechtsvereinigung zur Verwaltungsorganisation sei, sich im übrigen aber einer schematischen Bestimmung entziehe und oft eine Frage des Einzelfalls sei. Ähnlich Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 16; Burgi, Funktionale Privatisierung, 78 f.; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 253, Fn. 181; B. Becker, ZögU 1978, Heft 4, 1, 2, der für seine Untersuchung eine staatliche Beteiligung von 75 % des Stammkapitals ansetzt (demgegenüber BGHZ 69, 334, 347, wonach ein gesellschaftsrechtliches Abhängigkeitsverhältnis schon bei einem Aktienanteil unter 50 % angenommen werden kann). 60 Vgl. zu den Ausführungen von Salzwedel bzw. Emde bereits im 2. Kap., IV. 6. d). 58

III. Organisationsprivatisierung

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strebt staatliche Beherrschung darum nach vollständiger Beherrschung und läßt keinen Raum für die Beteiligung Privater. Umgekehrt führt das Beteiligungskriterium dazu, daß die Staatsgewalt im Falle der staatlichen Minderheitsbeteiligung zu verneinen und diese selbst zu rechtfertigen ist61. Daß Beherrschung allerdings noch andere Kriterien kennt, zeigen die Formen der Organisationsprivatisierung durch Einflußsicherung, für die eine Zuordnung nach Beteiligung ohnehin ausscheiden muß. Völlig ungeklärt ist bei ihnen, ob es für die Beherrschung auf das formale Rechtsstatut ankommen soll oder auf dessen tatsächliche Anwendung. Schließlich ist folgendes zu beachten: Ein allein nach staatlicher Beherrschung unterscheidendes Kriterium steht im Spannungsverhältnis zu innerstaatlichen Autonomiegesichtspunkten, weil Unabhängigkeit von der zentralen Leitungsebene sogleich der gesellschaftlichen Ebene zugewiesen werden müßte62. Einer fachlichen Verselbständigung, die den öffentlich-rechtlich organisierten ministerialfreien Räumen vergleichbar wäre, haftete danach der Vorwurf der Widersprüchlichkeit an63. Das Kriterium der staatlichen Beherrschung wird zusätzlich dadurch in Frage gestellt, daß die herrschende Meinung eine solche Unterscheidung für die Zuordnung juristischer Personen des öffentlichen Rechts gerade nicht trifft64. Ergänzend soll daher die Überlegung maßgeblich sein, daß der jeweilige Umfang der staatlichen Beteiligung seinerseits einen konkreten Grund hat. Perspektivisch ist die Beteiligung danach Ausdruck und Indiz, nicht aber alleinige Ur61 So etwa Gersdorf, AfP 1998, 470, 474, der eine staatliche Minderheitsbeteiligung für gänzlich unzulässig hält. Kritisch dazu Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 558 f. 62 Darum ist es jedenfalls im Ausgangspunkt verkürzt, daß sich „die Frage nach Art, Umfang und Intensität der staatlichen bzw. kommunalen Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten auf die privatrechtlich organisierten Verwaltungssubjekte“ wie bei allen anderen verselbständigten Verwaltungseinheiten stelle. So aber H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 257. 63 Entsprechend konstatiert D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 126, daß es die Ministerialfreiheit von privatrechtlich organisierten Verwaltungsträgern überhaupt nicht gäbe. Vgl. aber Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 86, Rn. 63 f., der eine weitergehende Autonomie für möglich hält, als Zuordnungskriterium allerdings auf den unbestimmteren Begriff des „Getragenseins“ abstellt, wofür er eine „substantielle Zurechenbarkeit und tatsächliche Zurechnung“ voraussetzt (a. a. O., Rn. 41). Eine Alternative dazu sieht Gersdorf, AfP 1998, 470, 475, in der Unterscheidung zwischen Beteiligung und Beherrschung. Für die Zuordnung zur Staatsgewalt komme es allein auf die staatliche Mehrheitsbeteiligung an, während an die Stelle der Beherrschung auch Autonomie treten könne. Damit hält er zwar formal am Beteiligungskriterium der herrschenden Meinung fest, das aber – seines eigentlichen Inhalts entledigt – als leere und letztlich aussagelose Hülle übrigbleibt. Differenzierter Krebs, Die Verwaltung 29, 309, 318, mit dem Hinweis, daß Autonomie und Fremd-Determination keine exklusiven Begriffe des Staatlichen oder Privaten seien. 64 Daraus leitet Koch, Der rechtlicher Status kommunaler Unternehmen, 190, insoweit einen Wertungswiderspruch ab, als trotz Formwahlfreiheit zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben zwischen der Rechtsform differenziert werde.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

sache für die Zuordnung zur Staatsgewalt. Um dies zu erklären, muß der gedankliche Ausgangspunkt die Ordnungs- und Steuerungsfunktion des Staates sein. Für sie stehen verschiedene Regelungsmechanismen zur Verfügung, die sich zwischen den Polen der staatlichen Regulierung und der Regelung der gesellschaftlichen Selbstorganisation bewegen65. Soweit das Grundgesetz keine ausdrückliche Vorgabe enthält, ist die Entscheidung des demokratischen Gesetzgebers dafür maßgeblich. Ob eine Privatrechtsvereinigung Teil staatlicher Regulierung und damit Staatsgewalt ist, hängt darum vorrangig vom Willen des Gesetzgebers und diesen ergänzende Indizien ab66. Zu ihnen gehört rein formal, ob die Privatrechtsvereinigung von einem staatlichen Verwaltungsträger geschaffen wurde, womit aber nicht ausgeschlossen ist, daß umgekehrt eine zunächst rein privat gegründete Vereinigung später in den Staat inkorporiert wird. Zugleich muß sie sich materiell als Teil eines staatlichen Regelungskonzepts erweisen, in dem die Privatrechtsform die staatliche Aufgabenerledigung lediglich verbessern, nicht aber in Frage stellen darf. Gilt dies für jeden Fall der Organisationsprivatisierung, so ist bei den gemischt-wirtschaftlichen Gesellschaften darüber hinaus zu fragen, ob die Beteiligung Privater Ausdruck deren ökonomischen Freiheit ist oder vom Staat bewußt in den Dienst eines übergeordneten Ziels der Gemeinwohlverwirklichung gestellt wird67. Es geht also nicht nur um die Dichte der Abhängigkeit vom Staat und dessen Einflußmöglichkeiten, sondern um den qualitativen Aspekt der öffentlichen Zwecksetzung, die der Gesetzgeber der Verwaltung als Funktion zuweist und im Bereich öffentlich-rechtlicher Rechtsträger allgemein anerkannt ist68. Ihr muß auf einer zweiten Ebene im Sinne des Gebots rationaler Organisation allerdings die organisatorische und verfahrensmäßige Ausgestaltung entsprechen, um überhaupt das Handlungsinstrumentarium für eine Verwirklichung dieser Funktion zu schaffen69. Die Beteiligungsverhältnisse, satzungsmäßig gewährte Ein-

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Ähnlich zur Selbstverwaltung 2. Kap., IV. 8. B. Becker, ZögU 1978, Heft 4, 1, 5, nennt dazu: Die Erfüllung und Konkretisierung von Staatszwecken, eine starke Ausprägung der Beteiligung an der Politikformulierung, der Funktion der Umsetzung verbindlicher (staatlicher oder kommunaler) Programme bzw. deren Kontrolle, eine starke Beherrschbarkeitsabsicht des Trägers öffentlicher Gewalt über die Aufgabenerfüllung, eine gering ausgebildete Gewinnerzielungsabsicht. Vgl. Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 15. 67 Zugleich läßt sich auf diesem Weg abgrenzen, ob sich die Staatsgewalt auf die Ausübung der staatlichen (Minderheits-)Beteiligung beschränken soll, wenn ihr Zweck lediglich in der dadurch ermöglichten Kontrolle liegt. 68 Ausdrücklich D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 124: „(. . .) kann auch die Inanspruchnahme der privatrechtlichen Organisationsform nur ein Mittel zur Erfüllung der öffentlichen Zwecksetzung sein“; Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 15, betont die „Absicht des Mutterträgers, in den herkömmlichen privatrechtlichen Handlungs- und Organisationsformen tätig zu werden“. Siehe auch v. Danwitz, AöR 120, 595, 599; Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 86, Rn. 64; B. Becker, ZögU 1978, Heft 4, 1, 4 f. 66

III. Organisationsprivatisierung

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flußrechte staatlicher Stellen, personelle und finanzielle Abhängigkeiten sind vor diesem Hintergrund tatsächlich äußerer Ausdruck der Zuordnung zur Staatsgewalt. Mögen sie bereits eine Zuordnung erlauben, so ist es in Zweifelsfällen jedoch unabdingbar, sich der dahinter stehenden Regelungsgedanken zu vergewissern70. Ohne sie bleibt die Beteiligung im Rang eines formalen Hilfskriteriums ohne wirkliche Überzeugungskraft. Als Beispiel für die Schwierigkeiten einer Zuordnung soll hier die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) herangezogen werden. Sie war bereits Gegenstand verfassungsrechtlicher Rechtsprechung und hat in der Privatisierungsdiskussion eine gewisse Bedeutung erlangt71. In dem maßgeblichen Teilprivatisierungsgesetz72 des Landes Berlin ist vorgesehen, die BWB, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, unter Wahrung der Rechtsform in eine vom Land Berlin zu gründende Holding AG einzugliedern. An ihr wie auch an der Anstalt ist das Land unmittelbar mit 50,1 % beteiligt. Die Holding AG hält eine kapitalmäßige Beteiligung von 49,9 % an den BWB und wird im gleichen Umfang von einem privaten Anleger getragen. In einem zwischen Holding AG und BWB-Anstalt zu schließenden Unternehmensvertrag, der der Zustimmung der mit Vertretern des Landes besetzten Gewährträgerversammlung der Anstalt bedarf, werden die Leitungsrechte der Anstalt durch die Holding AG vereinbart. Dieser werden darin auch Weisungsrechte eingeräumt, die allerdings unter dem Zustimmungsvorbehalt eines im Aufsichtsrat der Holding AG installierten Weisungsausschusses stehen, in dem das Land wiederum die Mehrheit hat. Im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle prüfte der Berliner Verfassungsgerichtshof unter anderem die Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem Demokratieprinzip. Ausgangspunkt des Gerichts war, daß die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung durch die BWB hier weiterhin öffentliche Aufgaben und damit Ausübung von staatlicher Gewalt seien. Die vorgesehene Leitung der BWB durch eine juristische Person des Privatrechts genüge dem Demokratieprinzip, solange das Land Berlin mehrheitlich an dieser beteiligt sei, so daß dessen Einfluß auf die Erteilung von Weisungen durch die Holding AG im 69 Unzureichend scheint dagegen die Annahme, allein die Gründung und (Minderheits-)Beteiligung durch die öffentliche Hand führe zu einer Aufgabendelegation, die die Zuordnung der damit betrauten Privatrechtsvereinigung zur Staatsgewalt rechtfertige. So aber Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen, 194. 70 Die ablehnende Argumentation, der Staat vermöge allein „durch Verkauf bzw. Zukauf einer Aktie die Legitimationsbedürftigkeit zu begründen oder abzulegen“, so Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 557, verkürzt dabei gerade den mit dieser Aktie verbundenen Entscheidungshorizont. 71 BerlVerfGH NVwZ 2000, 794 ff.; Wolfers, NVwZ 2000, 765 ff.; Hecker, Verw. Archiv 92, 261 ff.; Kahl, Jura, 2002, 721, 729. 72 Gesetz zur Änderung des Berliner Betriebegesetzes, zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe und zur Änderung des Berliner Wassergesetzes, GVBl. Berlin 1999, 183 ff.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

Sinne einer letztentscheidenden Einflußmöglichkeit gewährleistet werde. Diese Feststellung wirft in mehrfacher Hinsicht Fragen auf. Der Berliner Verfassungsgerichtshof macht sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur demokratischen Legitimation ausdrücklich zu eigen. Er wird ihren Anforderungen jedoch kaum gerecht, wenn er es für ausreichend hält, einer staatlichen Stelle einen Zustimmungsvorbehalt für die Ausübung von Staatsgewalt zu gewähren. Mittels des vom Berliner Verfassungsgerichtshof in den Vordergrund gerückten Weisungsausschusses kann das Land Weisungen der Holding nämlich lediglich verhindern, nicht aber positiv bestimmen73. Von größerer Bedeutung ist vorliegend aber, daß sich das Gericht einer Zuordnung der Holding AG enthält, sondern diese stets in ihre Anteilseigner aufgliedert, den Weisungsausschuß in den Vordergrund rückt bzw. aus der Perspektive der Anstalt argumentiert, so daß die demokratische Qualität der Weisungen gegenüber den BWB überhaupt nicht in den Blick gerät74. Allein vom Standpunkt der Mehrheitsverhältnisse und der in § 1 Abs. 2 Teilprivatisierungsgesetz zum Ausdruck kommenden Ratio hätte es aber nahegelegen, die Gestaltung der Anstaltsleitung als besondere Form der Organisationsprivatisierung zu qualifizieren75. Betrachtet man die Holding AG schon deshalb als Teil der öffentlichen Verwaltung bzw. der Staatsgewalt, so müssen ihre Leitung und insbesondere ihre Weisungen gegenüber der BWB selbst über demokratische Legitimation verfügen76. Die Zustimmungsrechte des Weisungsausschusses haben demgegenüber nur eine legitimitätssteigernde Kontrollfunktion, ohne selbst die Legitimationskette herzustellen77. Die ordnende Funktion der Typologie erweist sich jedoch als nutzlos, wenn von ihr kein Gebrauch gemacht wird. 73 Ebenso Hecker, Verw.Archiv 92, 261, 275. Vgl. insoweit auch Ossenbühl, ZGR 1996, 504, 515, der klarstellt, daß nicht nur das Letztentscheidungsrecht, sondern der ganze Prozeß der Entscheidung im Rahmen der Ausübung von Staatsgewalt demokratisch zu strukturieren sei. 74 Diese Kritik richtet sich auch gegen Hecker, Verw.Archiv 92, 261, 273. Bei ihm erscheint die mitunternehmerische Beteiligung der Holding an der Anstalt von vornherein als demokratisch exemter Faktor. Vgl. auch Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen, 191. 75 Ebenso Mayen, DÖV 2001, 110, 112, 116. Anderer Ansicht Hecker, Verw.Archiv 92, 261, 282, der hier einen Fall der funktionalen Privatisierung sieht. Die von ihm angebotene Begriffsbestimmung ist jedoch nicht von der Organisationsprivatisierung zu unterscheiden. 76 Ohne dies explizit zuzuordnen, bezeichnet Wolfers, NVwZ 2000, 765, 766, den Vorstand der Holding AG immerhin als Stelle, die einer verantwortlichen Rückbindung an Regierung und Parlament bedürfe. Vgl. auch v. Danwitz, AöR 120, 595, 607, der die demokratische Legitimationskette bis zu den Organen der privaten Kapitalgesellschaft für erforderlich hält, dabei allerdings nur von Eigengesellschaften spricht. Anderer Ansicht dezidiert Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 136. 77 Nichts anderes gilt für die Zustimmung der parlamentarisch verantwortlichen Gewährträgerversammlung der BWB über die Unternehmensverträge zwischen der Holding AG und den BWB und deren Veröffentlichung im Amtsblatt. Auch wenn der

III. Organisationsprivatisierung

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Die eigentliche Dimension der Zuordnungsprobleme wird deutlich, wenn man nicht die Gesetzeslage, für die der Berliner Verfassungsgerichtshof eine verfassungskonforme Auslegung verlangte, sondern die tatsächliche Umsetzung betrachtet78. Einschränkend ist darauf hinzuweisen, daß sie nicht Gegenstand der Normenkontrolle war. Hier erweist sich als problematisch, daß der private Anteilseigner kapitalmäßig zwar nur zu 49,9 % an der Holding beteiligt ist, ihm mittels eines zwischen ihm und der Holding AG geschlossenen stillen Gesellschaftsvertrages aber 100 % der Minderheitsbeteiligung an der BWB zugeordnet werden. Ein Konsortialvertrag zwischen dem Land Berlin und dem privaten Anteilseigner regelt darüber hinaus, daß sich der Privatinvestor im Vorstand der Holding trotz seiner Minderheitsbeteiligung durchsetzen kann, während das Land Berlin auf die Kontrollrechte des von ihm beherrschten Aufsichtsrats verwiesen wird. Obwohl das Teilprivatisierungsgesetz von einer Beherrschung durch das Land ausgeht, führt die vertragliche Gestaltung zu einem organisatorischen Patt, in dem ihm jeweils eine Verhinderungsposition zukommt. Weder die Typologie noch die Zuordnung zur Staatsgewalt läßt sich danach eindeutig beantworten. Das Mehrheitskriterium erweist sich als unbrauchbar. Deutlicher ist der Befund jedoch, wenn man auf den gesetzgeberischen Zweck der Teilprivatisierung abstellt. Die Aufgabe der Wasserversorgung bzw. Abwasserentsorgung soll danach eine staatliche Aufgabe bleiben, was nicht nur das Festhalten an der Anstaltsform der BWB, sondern auch die gesetzliche Regelung der Mehrheitsverhältnisse in § 1 Abs. 2 TPrG erkennen läßt79. Die Holding AG erweist sich als Leitungsinstrument, das die fiskalisch begründete Einbindung von Privatinvestoren erlaubt80, ohne daß damit die Aufgabe bzw. das Steuerungsmittel aus der Hand gegeben werden sollen. Trotz der Beteiligung Privater betätigt sich die Holding AG nicht auf der Ebene grundrechtlicher Freiheit, sondern auf derjenigen staatlicher Zweckerfüllung81. Sie ist eine besondere Variante der Organisationsprivatisierung, die mit einer Vermögensprivatisierung verbunden ist. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Feststellung, ein Privater verfolge hier bestimmte Ziele im „Gewand öffentlich-rechtlicher Organisationsformen“82 als verkürzt, weil darin die Zuordnung der Holding AG zur öffentlichen VerwalBerliner Verfassungsgerichtshof, NVwZ 2000, 794, 795, in ihnen das eigentliche Mittel der demokratischen Legitimation zu erblicken scheint, handelt es sich tatsächlich um deren Absicherung, während die zur Legitimation erforderliche Verantwortungskette zu den Organwaltern der Anstalt selbst reichen muß. Zweifelnd auch Weisel, Privatisierung und Beleihung, 224. 78 Dazu ausführlich Hecker, Verw.Archiv 92, 261, 265 ff., 275 f. 79 Hecker, Verw.Archiv 92, 261, 278. 80 Wolfers, NVwZ 2000, 765; Hecker, Verw.Archiv 92, 261, 264. 81 Dies ist für die BWB völlig unstreitig, obwohl sich die Einflußaufteilung zwischen privatem Anteilseigner und Land in Vorstand und Aufsichtsrat der Anstalt als identisch zur Holding AG erweist. 82 Hecker, Verw.Archiv 92, 261.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

tung unterschlagen wird. Gelangt man auf diesem Weg aber zu einer Zuordnung zur Staatsgewalt, kann auf einer nachgeordneten Ebene gefragt werden, ob ihre tatsächliche Ausgestaltung den Anforderungen des Demokratieprinzips entspricht. Erst hier öffnet sich der Raum zur Untersuchung, ob bzw. in welchem Umfang einem Privaten „Zugang zur Kommandobrücke einer Einrichtung öffentlicher Verwaltung gewährt“83 werden darf84. 3. Bedingungen der parlamentarischen Kontrolle Unter dem Stichwort der „Formwahlfreiheit“ wird die allgemeine Zulässigkeit der Organisationsprivatisierung postuliert. Dahinter steht der Gedanke, daß der Staat zur Erledigung seiner Verwaltungsaufgaben auf die gesamte Rechtsordnung zurückgreifen könne, was sowohl privatrechtliche Handlungs- als auch Organisationsformen einschließe85. Dies bedeutet jedoch nicht nur Freiheit der Rechtsform, sondern verspricht auch Freiheit von öffentlich-rechtlichen Bindungen, so daß ihr die „Flucht ins Privatrecht“86 begrifflich entgegengestellt wurde. Richtigerweise drängt sich mit der Erkenntnis, daß es sich bei den privatrechtlichen Verwaltungstrabanten materiell um ein Stück Staat handelt, die Frage auf, in welchem Maße die Organisationsprivatisierung mit den verfassungsrechtlichen Bindungen, die den Staat strukturieren und begrenzen, zu vereinbaren ist. Zu denken ist dabei weniger an ein Entweder-Oder, sondern vielmehr an ein beschränktes Zugriffsrecht auf die privatrechtlichen Organisationsformen, das damit, dem Verwaltungsprivatrecht vergleichbar, öffentlich-rechtlich überlagert wird. Mit jeder zusätzlichen Bindung sinkt allerdings nicht nur die Gefahr vor einer Flucht ins Privatrecht, sondern auch die Formwahlfreiheit, so daß im Ergebnis die Frage Berechtigung hat, ob von ihr mehr als eine inhaltslose Hülle übrigbleibe87. Mögliche Grenzen der Formwahlfreiheit werden in großer Zahl diskutiert88. Sie beginnen bei der fehlenden Erwähnung privatrechtlicher Formen im Grundgesetz89, beziehen sich auf Fragen der Verwaltungsorganisation90 und der Kom-

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Hecker, Verw.Archiv 92, 261, 263. An der demokratiekonformen Umsetzung des Teilprivatisierungsgesetzes in den Beteiligungs- bzw. Konsortialverträgen bestehen berechtigte Zweifel, denen aber an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden kann. 85 Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 11; Erbguth/Stollmann, DÖV 1993, 798, 799; Weisel, Privatisierung und Beleihung, 51; differenzierend D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 64 f., 6669. Kritisch zur dogmatischen Begründung v. Danwitz, AöR 120, 595, 599 f. Grundsätzlich ablehnend Pestalozza, Formenmißbrauch. 86 Nachweis zum Begriff: Schwintowski, NJW 1995, 1316, 1320. 87 Vgl. v. Danwitz, AöR 120, 595, 603; Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 50. 84

III. Organisationsprivatisierung

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petenzordnung91 und reichen bis zu einer Vielzahl einfachgesetzlicher Regelungen92. Dies im einzelnen auszubreiten ist hier weder möglich noch gewollt. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist allein die Vereinbarkeit von Organisationsprivatisierung mit den Bedingungen der parlamentarischen Kontrolle, die – vielfach in Frage gestellt93 – hier anhand der demokratischen Anforderungen, wie sie im ersten Kapitel herausgearbeitet wurden, untersucht werden soll. Für das weitere Vorgehen ergibt sich folgender Aufbau: Die vorgelagerte Gliederungsebene ist die Trennung zwischen Privatisierungsvorgang und -ergebnis, für die sich die parlamentarische Kontrolle in völlig unterschiedlicher Weise darstellt. Während ersteres seinen Schwerpunkt in der Bestimmung der jeweiligen Anteile von Gesetzes- und Kontrollegitimation hat, bedarf die Frage nach der parlamentarischen Kontrolle über die bestehenden privatrechtsförmigen Verwaltungseinheiten einer weitaus differenzierteren Betrachtung. Ausgangspunkt dafür muß die Feststellung sein, wie sich die einzelnen Formen der Organisationsprivatisierung auf die Voraussetzungen und Instrumente der parlamentarischen Kontrolle auswirken. Erst auf dieser Grundlage können Aussagen über ihre Zulässigkeit getroffen werden, die gegebenenfalls Möglichkeiten der Begrenzung, der Kompensation und der Rechtfertigung einschließen und damit zugleich auf die Anforderungen an den Privatisierungsvorgang zurückwirken. a) Parlamentarische Kontrolle im Privatisierungsvorgang Organisationsprivatisierung ist ein Akt der Organisationsgewalt und bedarf darum der demokratischen Legitimation. Die jeweiligen, sich ergänzenden Bei88 Ausführlich aus verfassungsrechtlicher Sicht Schoch, DVBl. 1994, 1, 5, Fn. 67, unter Verweis auf: ders., Privatisierung der Abfallentsorgung, 47 ff.; Erbguth/Stollmann, DÖV 1993, 798, 799 f. 89 Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12, Rn. 14 f., hält dagegen, sie seien schon in Art. 14 WRV enthalten und zugleich gängige Staats- und Verwaltungspraxis gewesen, von der sich der Verfassungsgeber hätte distanzieren müssen. Ebenso D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 115 f.: Art. 83 werde nicht als Festlegung der Organisationstypen verstanden; BVerfG DVBl. 1983, 539, 541, 543; Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 163; Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 75: keine abschließende Aufzählung. 90 Zur Impermeabilität zwischen unmittelbarer und mittelbarer Staatsverwaltung Dittmann, Bundesverwaltung, 87 f.; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 119; Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 86, Rn. 57 ff. 91 D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 120; Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 147. 92 Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 95; Gusy, JA 1995, 166, 170; Peine, DÖV 1997, 353; Schwintowski, NJW 1995, 1316, 1317. 93 Leisner, WiVerw 1983, 212, 224 f.; Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 50, 89; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12, Rn. 11; Erbguth/Stollmann, DÖV 1993, 798, 809; Röper, Der Staat 37, 249 ff.; Glauben, ZParl 1998, 496 ff.; Gusy, ZRP 1998, 265 ff.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

träge von gesetzesgebundener Legitimation und parlamentarischer Kontrolle hängen in erster Linie davon ab, ob ein institutionell-organisatorischer Gesetzesvorbehalt besteht. Eine allgemeine Zuweisung an den Bundesgesetzgeber, wie sie sich für Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts in Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG findet, enthält das Grundgesetz nicht. Lediglich für die Luftverkehrsverwaltung ist in Art. 87d Abs. 1 S. 2 GG ausdrücklich geregelt, daß über ihre öffentlich-rechtliche oder privat-rechtliche Form durch Bundesgesetz zu entscheiden ist94. Umgekehrt ist der parlamentarische Anteil an der Organisationsgewalt aber nicht enumerativ begrenzt. Darum wird verbreitet angenommen, die Gesetzesform gemäß Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG müsse für die Organisationsprivatisierung entsprechend gelten. Zur Begründung wird dafür einerseits auf die postulierte Formwahlfreiheit abgestellt: Wenn öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Rechtsformen vertauschbar seien, dann müsse dies auch im Bereich des Art. 87 Abs. 3 GG gelten95. Andererseits erhält dieses Argument zusätzliches Gewicht, wenn man die Funktion von Art. 87 Abs. 3 GG einbezieht. Es geht um Ausnahmen von der in Art. 30, 83 GG getroffenen Grundentscheidung zugunsten der Verwaltungskompetenz der Länder. Eine Abweichung vom Gesetzesvorbehalt bei der Errichtung von Privatrechtsvereinigungen in der Bundesverwaltung würde damit nicht nur auf eine Umgehungsgefahr hinauslaufen96, sondern auch der Bedeutung dieser Entscheidungen nicht gerecht werden. Organisationsprivatisierung unterliegt insoweit dem Gesetzesvorbehalt. Allgemeine Regelungen dazu wie § 65 BHO genügen allerdings nicht, weil bzw. solange sie nicht aufgabenbezogen konkretisiert sind97. Aus den genannten Gründen erfaßt Art. 87 Abs. 3 GG nur die Fälle, in denen dem Bund die Verwaltungskompetenz nicht bereits aus anderen Gründen zusteht98. Dem Argument der Formwahlfreiheit folgend, dürfte der allgemeine Gesetzesvorbehalt für die Errichtung privatrechtsförmiger Verwaltung auch darüber hinaus ebenso geboten sein wie für die öffentlich-rechtlich organisierten Verwaltungsträger. Das Problem besteht nun darin, einen Maßstab für die Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt zu finden99. Art. 87d Abs. 1 S. 2 GG kann dazu keine verfassungsrechtliche Wertung entnommen werden, weil der Normgehalt umstritten 94 Zur Rechtslage in den Bundesländern bzw. Kommunen Stober, in: Wolff/Bachof/ ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 82 f.; Glauben, ZParl 1998, 496, Fn. 3. 95 Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 166 f.; kritisch Sachs, in: ders., Grundgesetz, Art. 87, Rn. 70. 96 Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 81; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12, Rn. 19. Mit weiteren Nachweisen D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 153. 97 Vgl. Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, 185 f. 98 Hermes, in: Dreier, GG-Kommentar III, Art. 87, Rn. 93. D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 154, Fn. 154, und Stern, Staatsrecht II, 832, zählen hierzu auch die Fälle, in denen der Bund die Verwaltungszuständigkeit bereits in anderer Form wahrgenommen hat.

III. Organisationsprivatisierung

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ist, ja sogar als gesetzgeberische Fehlleistung gilt100. Abzustellen ist vielmehr auf das Gewicht der Verselbständigung, die mit der Organisationsprivatisierung verbunden ist. Hier wird von Seiten des Haushaltsrechts eingewandt, daß die Aufgabenübertragung auf Privatrechtssubjekte zu Nebenhaushalten führe, die ebenfalls dem parlamentarischen Budgetbewilligungsrecht unterliegen müßten. Ein Gesetzesvorbehalt ist also zumindest in Gestalt eines Ausgabentitels im Bundeshaushalt gemäß Art. 110 Abs. 2 S. 1 GG erforderlich101. Darüber hinausgehende Anforderungen, die sich insbesondere aus dem Demokratieprinzip ergeben, können jedoch erst dann abschließend beurteilt werden, wenn eine Aussage über die Reichweite der Verselbständigung möglich ist. Aus der gesetzlichen Grundlage folgt, dem Wesentlichkeitsgedanken entsprechend, eine höhere Legitimität der Organisationsprivatisierung. Sie bildet zugleich den Rechtmäßigkeitsmaßstab für die parlamentarische Kontrolle, soweit sie sich auf den Privatisierungsvorgang richtet. Ergänzt wird sie dabei durch allgemeine Regelungen über die Beteiligungen des Bundes an Privatrechtsvereinigungen, wie sie in §§ 65 ff. BHO enthalten sind. Unter ihnen ist hier hervorzuheben, daß die Entscheidung über den Erwerb von Unternehmensanteilen gemäß § 65 Abs. 2 BHO der zusätzlichen Einwilligung des Bundesministers der Finanzen bedarf. Darin ist nicht nur eine haushaltsrechtliche Absicherung, sondern auch eine eindeutige gesetzliche Verantwortungszuweisung zu sehen, die die Bedeutung dieser Vorgänge betont und dem Parlament einen unmittelbar Verantwortlichen zuordnet. Für die Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrolle im Rahmen des Privatisierungsvorgangs stehen dem Parlament alle verfassungsmäßigen Kontrollmittel zur Verfügung. Bis hierhin ist Organisationsprivatisierung noch nicht mit demokratischen Einschränkungen verbunden. b) Parlamentarische Kontrolle gegenüber privatrechtsförmigen Verwaltungsträgern Die Zuordnung der privatrechtsförmigen Verwaltung zur Staatsgewalt indiziert bereits die Geltung der demokratischen Anforderungen. Zu ergänzen ist dies um die Überlegung, daß das Demokratieprinzip keine genaue Aussage über 99 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54, Rn. 16 i.V. m. § 52, Rn. 4; Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 173, „gravierender Vorgang“, darum nur durch oder aufgrund eines Gesetzes; einschränkend D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 156 f., der bereits allgemeine gesetzliche Bestimmungen über die Verwendung privatrechtlicher Organisationsformen durch die Verwaltung genügen lassen will; ähnlich wohl Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 81. 100 Vgl. Hermes, in: Dreier, GG-Kommentar III, Art. 87d, Rn. 21. 101 Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, 186 f.; Glauben, ZParl 1998, 496, 497.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

die Organisationsform der Exekutive trifft102. Insbesondere ist der Organbegriff des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG nicht auf öffentlich-rechtlich verfaßte Organe begrenzt103. Das Demokratieprinzip ist als solches privatisierungsneutral. Dieser Befund ist jedoch nicht mit der Zulässigkeit jeder privatrechtlichen Organisationsform gleichzusetzen, sondern bildet lediglich den Ausgangspunkt der folgenden Ausführungen. aa) Zur Herstellung des demokratischen Verantwortungszusammenhangs Zu den maßgeblichen Bedingungen, die die demokratische Legitimation durch parlamentarische Kontrolle überhaupt erst ermöglichen, gehört der durchgehende Zurechnungszusammenhang der gesamten Verwaltung, an deren Spitze ein dem Parlament verantwortlicher Minister stehen muß. Dies setzt ein umfassendes Einwirkungsrecht voraus, das mit dem Anspruch auf vollständige Information gekoppelt ist104. Es handelt sich um das demokratische Strukturprinzip der Ministerverantwortlichkeit, das nach dem oben Gesagten auch für die Verwaltung in Privatrechtsform Geltung beansprucht. Einfachgesetzlichen Niederschlag hat dies in § 65 Abs. 1 Nr. 3 BHO gefunden, wonach sich der Staat an Unternehmen in den Rechtsformen des Privatrechts nur beteiligen soll, wenn er einen angemessenen Einfluß erhält. Dessen Maß, also die Frage, was angemessen bzw. ausreichend ist, orientiert sich allerdings nicht an den rechtlichen Möglichkeiten, die die jeweilige Privatrechtsform erlaubt105, und darf auch nicht durch eine haushaltsrechtliche Sollbestimmung relativiert werden. Weil sich der gebotene Umfang der Steuerungsmöglichkeiten aus dem Demokratieprinzip ableitet, müssen Ausnahmen ihrerseits verfassungsrechtlich begründet sein106. Hier gilt bereits der Satz, daß sich die Verwaltungsspitze ihrer Verantwortung nicht durch Organisationsprivatisierung entziehen darf107.

102 Peine, DÖV 1997, 353, 356; Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HBStR II, § 24, Rn. 13; Weisel, Privatisierung und Beleihung, 123 f.; Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 159 f.; Däubler, Privatisierung, 76 f. 103 Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 159; Erbguth/Stollmann, DÖV 1993, 798, 800. 104 Speziell im Hinblick auf die Privatisierung Glauben, ZParl 1998, 496, 498; Weisel, Privatisierung und Beleihung, 228. 105 Anders offenbar Spannowsky, DVBl. 1992, 1072, 1074 ff., der die Einwirkungsbefugnisse zwar aus dem Demokratieprinzip ableitet, die Einwirkungspflichten aber zugleich auf das gesellschaftsrechtlich Mögliche begrenzt. 106 D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 166. Wenn es dagegen in den Gesetzesmaterialien heißt, der „angemessene Einfluß“ (Nr. 3) müsse dem Umfang und der Bedeutung der Beteiligung entsprechen (BT-Drs. 5/3040, 64, Nr. 391), wird dies in den Fällen der Organisationsprivatisierung den Verfassungsanforderungen nicht gerecht. 107 D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 125.

III. Organisationsprivatisierung

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Allgemeines Kennzeichen der privatrechtsförmigen Rechtsträger ist indessen, daß sie außerhalb des hierarchischen Aufbaus der unmittelbaren Staatsverwaltung stehen. Damit entfallen nicht nur ministerielle Durchgriffsrechte, sondern auch die unmittelbare Verantwortungszurechnung. Die Rechtsstellung des Staates wandelt sich „von einer staatsrechtlichen zu einer gesellschaftsrechtlichen Position“108. Ein Mangel demokratischer Legitimation ist damit nicht notwendig verbunden109. Vielmehr zeigt die öffentlich-rechtlich organisierte mittelbare Staatsverwaltung, daß der Verantwortungszusammenhang auch anhand einer positiven Zuordnungsregelung hergestellt werden kann. Konkret handelt es sich um die Instrumente der Rechts- und Fachaufsicht. Demgegenüber fehlt es bei der privatförmig organisierten Verwaltung auch daran110. An ihre Stelle treten die konkreten Einwirkungsrechte, die sich aus der Beteiligungsposition der öffentlichen Hand ergeben und dieser erlauben, das Handeln der Privatrechtsvereinigung zu steuern. Dafür lassen sich Einwirkungen auf die Bestellung bzw. Wahl von Gesellschaftsorganen einerseits und die Einwirkung auf die Geschäftsführung andererseits unterscheiden. Funktional sind sie als Staatsaufsicht zu qualifizieren111. Allerdings macht es einen Unterschied, ob dabei von Einwirkungsrechten oder -pflichten zu sprechen ist. Insbesondere letzteres ist in der Privatisierungsdiskussion häufig anzutreffen112, ohne daß der dogmatische Hintergrund ausreichend erfaßt wird. Richtigerweise ist im Hinblick auf den demokratischen Verantwortungszusammenhang von Einwirkungsrechten auszugehen. Hier genügt bereits die Möglichkeit der Einwirkung, ohne daß es auf ihre Ausübung tatsächlich ankäme. Ob sie sich zu Einwirkungspflichten verdichten, etwa aufgrund grundrechtlicher Schutzpflichten, ist eine davon zu unterscheidende Frage, die die konkrete Wahrnehmung der Einwirkungsrechte betrifft, hier aber nicht weiter thematisiert werden braucht113. Et108

Gusy, ZRP 1998, 265, 267. Ob darüber hinaus bereits mit der Verselbständigung eine substantielle Einschränkung der Wirksamkeit parlamentarischer Kontrolle einhergeht, ist eine davon zu unterscheidende Frage, die sich nicht auf die Privatisierung beschränkt und ihren Bezug weniger in der demokratischen Legitimation als vielmehr im Maß ihrer Legitimität findet. 110 H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 258; Burgi, Funktionale Privatisierung, 319; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 268; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, 193. 111 Kahl, Staatsaufsicht, 387, sieht in der Einwirkungsaufsicht einen Unter- bzw. Sonderfall der Staatsaufsicht. Anderer Ansicht Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54, Rn. 20, der offenbar von einem Alternativverhältnis ausgeht. 112 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54, Rn. 20; v. Danwitz, AöR 120, 595, 603 f.; Spannowsky, DVBl. 1992, 1072 ff. Ob dabei tatsächlich von einer „Lehre von der staatlichen Einwirkungspflicht“ – Kahl, Staatsaufsicht, 386 – oder von einem verfassungsrechtlichen Institut der Einwirkungspflicht – Burgi, Funktionale Privatisierung, 320 – die Rede sein sollte, mag dahinstehen. 113 Dazu insbesondere Spannowsky, DVBl. 1992, 1072, 1075 f.; ders., ZGR 1996, 400, 412, der aus der Grundrechtspflichtigkeit der Eigengesellschaften eine Garanten109

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was anderes gilt jedoch für diejenigen vorgelagerten Einwirkungspflichten, die aus dem Demokratieprinzip abzuleiten sind und dort bestehen, wo es um die Konstituierung der erforderlichen Einwirkungsrechte geht. Grund dafür ist der genannte Mangel einer gesetzlich geregelten Staatsaufsicht. Soweit das Gesellschaftsrecht diese Einwirkungsrechte nicht als Regelfall bereitstellt, besteht die Pflicht, sie im Wege der privatrechtlichen Gestaltung einzurichten114. Als demokratische Rückwirkung auf den Privatisierungsvorgang stehen die Einwirkungspflichten regelmäßig am Anfang der Organisationsprivatisierung. Sie unterscheiden sich damit auch zeitlich von den Einwirkungsrechten, die die Kontrolle über bereits bestehende Privatrechtsträger gewährleisten sollen115. Ob die Gesamtheit der Einwirkungsrechte und Rechenschaftspflichten zur Herstellung des demokratisch erforderlichen Verantwortungszusammenhangs genügt, läßt sich nicht abstrakt, sondern nur am Beispiel der jeweiligen Gesellschaftsform darstellen. Bei denjenigen Privatrechtsvereinigungen, deren Zurechnung zur öffentlichen Hand auf kapitalmäßiger Beteiligung beruht, sind sie im gesellschaftsrechtlich verfaßten Verhältnis zwischen Gesellschaft und Anteilseigner zu suchen. Im Fall bloßer Mitgliedschaft sind sie Teil der Mitgliedschaftsrechte. Angesichts der vielfältigen Organisationsformen, die das Privatrecht einschließlich der konzernrechtlichen Erweiterungen bietet, bedarf der Untersuchungsgegenstand hier einer Begrenzung. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die offene Handelsgesellschaft und die staatliche Beteiligung als Komplementär an einer Kommanditgesellschaft kommen wegen ihrer Unvereinbarkeit mit § 65 Abs. 1 Nr. 2 BHO für die Organisationsprivatisierung bereits einfachgesetzlich nicht in Betracht116. Die Wahlfreiheit ist insoweit eingeschränkt. Unter den verbleibenden Formen soll der Schwerpunkt auf die praktisch bedeutsame Aktiengesellschaft, die GmbH und den eingetragenen Verein gelegt werden.

stellung der öffentlichen Hand ableitet, aus der Einwirkungs- und Kontrollpflichten erwachsen. 114 H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 259. Zum jeweiligen Inhalt der Einwirkungspflichten v. Danwitz, AöR 120, 595, 608 f. 115 Zu einer davon abweichenden Bedeutung gelangen diejenigen Ansichten, die das Handeln der Privatrechtsvereinigungen nicht zur Staatsgewalt zählen und damit aus dem demokratischen Verantwortungszusammenhang ausnehmen. Bei ihnen ist nur von Einwirkungspflichten auszugehen, deren Ausübung den Anwendungsbereich der parlamentarischen Kontrolle bestimmt. 116 D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 164.

III. Organisationsprivatisierung

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(1) Die Aktiengesellschaft (a) Gesetzlicher Regelbefund Der Ort unmittelbarer Einwirkungen auf die Aktiengesellschaft ist die Hauptversammlung. Sie ist das Beschlußorgan der Anteilseigner. Die Rechte der öffentlichen Hand werden von weisungsgebundenen Vertretern wahrgenommen. Zu ihrer vorrangigen Aufgabe gehört die Bestimmung der Mitglieder des Aufsichtsrats. Diesem obliegt gemäß § 84 AktG die Bestellung der Vorstandsmitglieder und gemäß § 111 AktG die Überwachung der Geschäftsführung. Zu den Besonderheiten der Aktiengesellschaft gehört die spezifische Kompetenzabgrenzung der Gesellschaftsorgane im Sinne einer Gewaltenteilung. Der Vorstand als Geschäftsführungs- und der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan haben im Hinblick auf den Unternehmenszweck jeweils eigene Funktionen, die darum eigenverantwortlich wahrzunehmen sind und Weisungsrechte ausschließen117. Den Anteilseignern stehen also nur die aktienrechtlichen Befugnisse der Hauptversammlung zu. Weisungsfrei sind nach wohl herrschender Meinung auch die Beamten, die vom staatlichen Mutterträger gemäß § 101 Abs. 2 AktG in den Aufsichtsrat entsandt werden118. Anderes könnte jedoch § 65 Abs. 6 BHO zu entnehmen sein, demzufolge das jeweils zuständige Bundesministerium darauf hinzuwirken hat, daß die auf Veranlassung des Bundes gewählten oder entsandten Mitglieder der Aufsichtsorgane der Unternehmen bei ihrer Tätigkeit auch die besonderen Interessen des Bundes berücksichtigen sollen. Die zurückhaltende Formulierung der Soll-Vorschrift macht allerdings deutlich, daß sich der Gesetzgeber der möglichen Konflikte zwischen staatlichen Gemeinwohlzielen und Gesellschaftszwecken bewußt war und sie nicht zugunsten eines Weisungsrechts auflösen wollte119. Bereits der kurze Überblick zeigt, daß im Normalfall eine unmittelbare Einwirkung des staatlichen Mehrheits- oder Alleingesellschafters auf das Handeln der Aktiengesellschaft nicht möglich ist. Der demokratisch notwendige Verantwortungszusammenhang wird durch die Weisungsfreiheit von Vorstand und Aufsichtsrat in gleich zweifacher Hinsicht durchbrochen.

117 Schwintowski, NJW 1995, 1316, 1317 f.; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 136. 118 R. Schmidt, ZGR 1996, 345, 353 m.w. N. Anderer Ansicht v. Danwitz, AöR 120, 595, 627, wonach Weisungsrechte hier als milderes Mittel gegenüber dem Abberufungsrecht gemäß § 103 Abs. 2 S. 1 AktG zulässig seien. Zu Recht dagegen Weisel, Privatisierung und Beleihung, 222 f. 119 Schön, ZGR 1996, 429, 434; Weisel, Privatisierung und Beleihung, 214.

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(b) Möglichkeiten der privatrechtlichen Rechtsgestaltung Zur Sicherung der demokratischen Einwirkungsrechte werden verschiedentlich die Möglichkeiten der Rechtsgestaltung anempfohlen. Dogmatisch sind sie in den Rahmen der oben genannten vorgelagerten Einwirkungspflichten einzuordnen. So ist es möglich, die öffentlichen Aufgaben in der Gesellschaftssatzung zu verankern120. Damit läßt sich zum einen die häufig beschriebene Divergenz zwischen öffentlicher Gemeinwohlbindung und privatem Gewinnstreben zumindest formal überwinden121. Zum anderen ist die Festschreibung des Gesellschaftszwecks auch demokratische Notwendigkeit: Allgemein gesprochen, weil öffentliche Verwaltung nur zweckgebundene Verwaltung sein kann, im Hinblick auf den Verantwortungszusammenhang, weil erst so die erforderliche Entscheidungszuständigkeit begründet wird. Weitergehenden satzungsmäßigen Regelungen werden durch § 23 Abs. 5 AktG und § 76 Abs. 1 AktG allerdings deutliche Grenzen gesetzt. Die Geschäftsführungsautonomie verbietet es, auf diesem Weg die Vorstandskompetenzen auszuhöhlen und diese zu bloßen Befehlsempfängern satzungsregelnder Aktionäre zu machen122. Ohnehin ist dem Ziel demokratischer Anbindung damit nicht Genüge getan, solange eine Zurechnung mangels konkreter Einwirkungsrechte nicht erfolgen kann. Nichts anderes gilt für die Sonderregelung gemäß § 111 Abs. 4 AktG, bestimmte Geschäfte von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig zu machen. Zum einen wird davon nur ein Teil der Geschäftsführung erfaßt, zum anderen ändert es nichts an der Unabhängigkeit des Aufsichtsrates. Weitere Ansatzpunkte zur Begründung indirekter Einflußnahme, wie die Entsendung weisungsgebundener Vertreter in die Hauptversammlung, die Wahl bzw. Entsendung von verwaltungsnahen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern und das Druckpotential ihrer Abberufung gemäß § 103 AktG, brauchen hier ebensowenig verfolgt zu werden123 wie die Annahme vom faktischen Konzern zwischen öffentlicher Hand und Privatrechtsvereinigung124. Ihnen allen sind abweichende Vorstellungen von den Bedingungen demokratischer Legitimation gemeinsam, die mit den hier erarbeiteten Grundlagen des Demokratieprinzips nicht in Einklang zu bringen sind125. Sie wurden in gleicher oder ähnlicher Form bei der Untersuchung 120 Zur Offenheit des Gesellschaftsrechts gegenüber den Zwecksetzungen Schön, ZGR 1996, 429, 440. 121 Vgl. v. Danwitz, AöR 120, 595, 597 ff.; Schwintowski, NJW 1995, 1316, 1318. 122 Weisel, Privatisierung und Beleihung, 221; Schön, ZGR 1996, 429, 436 ff. 123 R. Schmidt, ZGR 1996, 345, 358 f., der richtigerweise darauf hinweist, daß diese nur unterstützende Funktion haben, eine rechtliche Regelung im Konfliktfall aber nicht ersetzen können. 124 Dazu insbesondere Mayen, DÖV 2001, 110, 114 f. Bei diesem gesellschaftsrechtlich umstrittenen Institut sind Einwirkungsrechte und Befolgungspflichten jedoch keineswegs eindeutig, D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 144; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, 351.

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der ministerialfreien Räume bereits ausführlich zum Gegenstand gemacht, so daß sich eine weitere Diskussion darüber erübrigt. Eine ernstzunehmende Alternative dazu bildet jedoch der Abschluß eines Beherrschungsvertrages gemäß § 291 AktG mit der Aktiengesellschaft als Untergesellschaft und dem staatlichen Verwaltungsträger als Obergesellschaft. Diesem wächst dadurch gemäß § 308 Abs. 1 AktG ein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand der Aktiengesellschaft zu, so daß den demokratischen Anforderungen einer Verantwortungskette Genüge getan wäre. Die Möglichkeit, den Staat als Unternehmer i. S. v. § 291 Abs. 1 AktG anzusehen, ist inzwischen anerkannt126. Das Problem dieser Gestaltung liegt jedoch in den Ausgleichs- und Abfindungsverpflichtungen gemäß §§ 302 ff. AktG, denen das haushaltsrechtliche Gebot der Haftungsbegrenzung gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 BHO gegenüber steht. Dagegen läßt sich jedoch ins Felde führen, daß der Zweck dieser Vorschrift, den Staat vor nicht beherrschbaren Haftungsrisiken zu schützen, gerade dann erreicht wird, wenn der Beherrschungsvertrag den Staat in die Lage versetzt, umfassende Beherrschung zu erlangen127. Insoweit läßt sich die Aktiengesellschaft mittels eines Beherrschungsvertrages tatsächlich in den staatlichen Verantwortungszusammenhang einbinden. (c) Verwaltungsgesellschaftsrecht Unabhängig von den Möglichkeiten der Rechtsgestaltung wird die Auffassung einer Modifikation privatrechtlicher Organisationsformen durch öffentlichrechtliche Bindungen vertreten. In Erweiterung des Verwaltungsprivatrechts sei dabei von einem Verwaltungsgesellschaftsrecht ausgehen, das staatliche Ingerenzrechte zulasse, soweit diese demokratisch erforderlich seien128. Dem wird der Vorrang des Gesellschaftsrechts entgegen gehalten129. Der primäre Einwand richtet sich auf Art. 31 GG, wonach zumindest auf der Ebene des Landes- und Kommunalrechts von einer Überordnung des Aktiengesetzes ausgegangen werden müsse130. Dagegen wird wiederum auf die verfassungs125 Vgl. nur Mayen, DÖV 2001, 110, 114 f., der von der Legitimationsstruktur einiger juristischer Personen des öffentlichen Rechts auf diejenige der Organisationsprivatisierung schließt. Dabei übersieht er jedoch, daß es sich um verfassungsrechtliche Optimierungswertungen handelt, die nicht ohne weiteres übertragen werden können. 126 BGHZ 69, 334, 338; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 138 ff.; R. Schmidt, ZGR 1996, 345, 360. 127 R. Schmidt, ZGR 1996, 345, 361; Habersack, ZGR 1996, 544, 558. 128 v. Danwitz, AöR 120, 595 ff., 625; Krebs, Die Verwaltung 29, 309, 320, „Verwaltungsorganisationsprivatrecht“; Ossenbühl, ZGR 1996, 504, 514; Poppenhäger, ThürVBl. 2000, 152, 155; undeutlich Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 120 ff. 129 BGHZ 36, 296, 306; 69, 334, 341; Habersack, ZGR 1996, 544, 555 m.w. N.; Kahl, Staatsaufsicht, 388 f.; wohl auch Huber, Allgemeines Verwaltungsrecht, 165.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

rechtliche Verortung demokratisch gebotener Ingerenzrechte verwiesen, so daß es sich ebenso wie beim Verwaltungsprivatrecht im übrigen um einen Fall der praktischen Konkordanz handele131. Ob diese Parallele zutrifft, ist jedoch mehr als zweifelhaft. Maßgeblicher Gesichtspunkt des Verwaltungsprivatrechts ist der grundrechtliche Schutz derjenigen, mit denen die öffentliche Hand privatrechtliche Rechtsbindungen eingeht. Anknüpfungspunkt ist dabei eine Beschränkung der rechtsgeschäftlichen Autonomie, also einer Verminderung der staatlichen Rechtsposition gegenüber einem Dritten132. Verwaltung in Privatrechtsform ist hingegen zunächst eine reine Organisationsentscheidung. Sie erweist sich bereits im Ansatz als rechtswidrig, wenn sie nicht mit den öffentlich-rechtlichen Bindungen zu vereinbaren ist und keine zwingenden Notwendigkeiten für sie geltend gemacht werden können. Der Staat hat dann ein anderes Organisationsmodell zu wählen133. Ein weiteres Argument gegen das Verwaltungsgesellschaftsrecht bezieht sich auf den Schutz privater Aktionäre sowie Gläubiger der Gesellschaft, weil mit dem Weisungsrecht die Wahrung der Unternehmensziele in Frage gestellt werde134. Dies kann jedoch, zumindest hinsichtlich der privaten Aktionäre, bei den Eigengesellschaften keine Rolle spielen135. Auch die Existenzfrage der Gesellschaft, die für die Gläubiger im Mittelpunkt stehen dürfte, stellt sich wegen der staatlichen Einstandspflicht für die Aufgabenerfüllung nicht wie bei Gesellschaften ohne öffentliche Zweckbindung136. Im übrigen ist zu beachten, daß die gesellschaftsrechtlich angelegte Unabhängigkeit in nicht geringem Maße die Begründung für die Wahl der Organisationsform ist137. In diesem Fall wird man ihre Verfassungsmäßigkeit ebensowenig wie bei den ministerialfreien Räumen durch Ingerenzrechte herstellen können, die im Wege verfassungskonformer Auslegung gewonnenen werden. 130 Schwintowski, NJW 1995, 1316, 1317; R. Schmidt, ZGR 1996, 345, 350; Kahl, Staatsaufsicht, 388; Weisel, Privatisierung und Beleihung, 213 f.; Schön, ZGR 1996, 429, 432 f. 131 v. Danwitz, AöR 120, 595, 616 f. 132 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 1 (11. Aufl.), § 23, Rn. 29; Peine, DÖV 1997, 353, 364. 133 Ausführlich Weisel, Privatisierung und Beleihung, 214 ff. Im Ergebnis ebenso Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54, Rn. 20; Kahl, Staatsaufsicht, 388; R. Schmidt, ZGR 1996, 345, 361; Spannowsky, ZGR 1996, 400, 422 ff. 134 BGHZ 69, 334, 338; R. Schmidt, ZGR 1996, 345, 354. 135 Schwintowski, NJW 1995, 1316, 1318; v. Danwitz, AöR 120, 595, 615; Mayen, DÖV 2001, 110, 114. 136 v. Danwitz, AöR 120, 595, 614. Vgl. zur Konkursabwendungspflicht D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 320 ff. 137 Nach Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, § 25 II 5, sei „der Gedanke bestimmend, die Betriebe der Kontrolle durch die parteipolitisch zusammengesetzten kommunalen Körperschaften (Gemeindevertretungen) in höherem Grade zu entziehen, sie also parteipolitisch zu neutralisieren“. Ähnlich Leisner, WiVerw 1983, 212, 225; Vitzthum, AöR 104, 580, 583; Röper, Der Staat 37, 249, 269; Schoch, DVBl. 1994, 1, 9; Schön, ZGR 1996, 429, 430; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, 354.

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Die Beseitigung von Inkongruenzen zwischen öffentlich-rechtlichen Anforderungen und gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten ist darum nur im Weg der bundesgesetzlichen Gesetzesänderung möglich. (d) Rechenschaftspflichten § 131 AktG ordnet das Auskunftsrecht des Aktionärs gegenüber dem Vorstand der Hauptversammlung zu. Die öffentliche Hand kann sich also grundsätzlich mittels ihrer weisungsgebundenen Vertreter Informationen beschaffen. Einschränkend erweist sich dabei die gesetzliche Begrenzung der zur Einberufung einer Hauptversammlung Berechtigten. Als Teil der demokratischen Einwirkungspflicht läßt sich dies durch satzungsmäßige Regelung gemäß § 121 Abs. 2 S. 3 AktG erweitern. Eine inhaltliche Begrenzung folgt dann allerdings aus den Auskunftsverweigerungsrechten gemäß § 131 Abs. 3 AktG. Im unmittelbaren Verhältnis zum Vorstand muß insoweit ein materielles Informationsdefizit festgestellt werden. Etwas anderes könnte jedoch in Ansehung des Aufsichtsrats als aktienrechtlichem Kontrollorgan gelten, dem gemäß § 111 AktG umfassende Überwachungsrechte über die Geschäftsführung des Vorstands zustehen. Für den Verantwortungszusammenhang führt dies zunächst nicht weiter, weil sie mit einer Verschwiegenheitspflicht gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 S. 2 AktG über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Aktiengesellschaft verbunden sind. § 394 AktG bestimmt hiervon jedoch eine Ausnahme für Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sind. Rein äußerlich scheint es sich um eine Sondervorschrift (Überschrift!) zugunsten der öffentlichen Hand zu handeln, die den demokratischen Informationsanforderungen Rechnung trägt138. Demgegenüber ist nach allgemeiner Ansicht einzuwenden, daß § 394 AktG keine Berichtspflichten begründet, sondern solche voraussetzt. Soweit sie nicht bestehen, läßt es sich mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht vereinbaren, sie unmittelbar aus der Verfassung abzuleiten139. Was im 1. Kapitel zur Begründung der parlamentarischen Fragerechte vorgetragen wurde140, bezieht sich auf die Regierung und darf nicht als allgemeine Auskunftspflicht der gesamten Exekutive verstanden werden. Auch kann nach umstrittener Meinung die beamtenrechtliche Weisungsbindung nicht genügen141, so daß § 394 AktG leerläuft, solange der Ge138 Ähnlich R. Schmidt, ZGR 1996, 345, 352; v. Danwitz, AöR 120, 595, 623; Schön, ZGR 1996, 429, 433. 139 So aber Glauben, ZParl 1998, 496, 504. 140 Vgl. 1. Kap., V. 1. c) bb). 141 Anderer Ansicht Weisel, Privatisierung und Beleihung, 229 f.; v. Danwitz, AöR 120, 595, 623, der aber zugleich darauf hinweist, daß die Informationsrechte unabhängig von der dienstlichen Stellung der Vertreter in den Aufsichtsräten sein müssen.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

setzgeber sie nicht durch entsprechende Berichtspflichten ergänzt142. Überdies erweist sich § 395 AktG als beträchtliche Einschränkung, erweitert er doch die Verschwiegenheitspflicht gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf die Berichtsempfänger143. Vorbehaltlich der Ausgestaltung der Berichtspflicht wäre der für die Beteiligungsverwaltung zuständige Minister demnach nicht zur Auskunft gegenüber dem Parlament berechtigt. (e) Zwischenergebnis Die Aktiengesellschaft gilt als die am weitesten verselbständigte Organisationsform144. Sie fügt sich darum nur unter besonderer rechtlicher Ausgestaltung in die grundgesetzliche Legitimationsstruktur ein. Ohne den Abschluß eines Beherrschungsvertrages und die satzungsmäßige Festschreibung der öffentlichen Aufgabe ist bereits die Grundlage demokratischer Kontrolle nicht gegeben. Soweit privatrechtsförmige Verwaltung in Gestalt einer Aktiengesellschaft diesen Anforderungen nicht entspricht, ist danach zu fragen, ob sie sich aus anderen Gründen mit dem Demokratieprinzip in Einklang bringen läßt. Andernfalls würde sich Organisationsprivatisierung in dieser Form als verfassungswidrig erweisen. (2) Die GmbH Die Situation der Einwirkungsrechte stellt sich bei der GmbH gegenüber der Aktiengesellschaft in anderem Lichte dar. Die Gesamtheit der Gesellschafter bildet das oberste Willensbildungsorgan. Zu den Geschäftsführern ist keine strikte Trennung vorgesehen. Bereits von Gesetzes wegen kommt den Gesellschaftern eine übergeordnete Geschäftsführungskompetenz zu, die ihnen eine unbegrenzte Weisungsbefugnis gegenüber den Geschäftsführern gemäß § 37 GmbHG sichert. Darüber hinaus ist es ihnen gemäß § 45 GmbHG freigestellt, über den Gesellschaftsvertrag das Maß ihrer Einwirkungsrechte weithin selbst zu regeln. Der demokratische Zurechnungszusammenhang läßt sich auf diese Weise herstellen. Auch Begrenzungen im Fall von gesetzes- oder satzungswidrigen Weisungen führen nicht zu seiner Unterbrechung. Vielmehr sind sie notwendig im Hinblick auf die Sicherung bereits bestehender Legitimation, die in Gesetz und Satzung Ausdruck gefunden hat. Wie die Kontrolle der Geschäftsführung konkret gestaltet wird, ist dem Gesellschaftsvertrag überlassen. Insbesondere kann dazu ein fakultativer Aufsichtsrat, ein Verwaltungs- oder Beirat bestimmt werden. Obwohl § 52 Abs. 1 GmbHG dazu weithin auf das Aktien142 143 144

Ein Beispiel dafür bildet § 113 Abs. 5 GO NRW. R. Schmidt, ZGR 1996, 345, 352 m.w. N. Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54, Rn. 15.

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gesetz verweist, können auch ihm gegenüber Weisungsrechte eingeräumt werden145. Unabhängig davon vermag ein solcher Aufsichtsrat die Weisungsrechte der Gesellschafter nicht zu durchbrechen, so daß es letztlich nur um die konkrete Ausgestaltung der Verantwortungskette geht. Für die notwendigen Informationsansprüche stehen nach dem GmbHG grundsätzlich zwei Wege zur Verfügung. Gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG sind sie Teil der Organrechte der Gesellschafterversammlung gegenüber der Geschäftsführung. Die damit korrespondierenden Berichtspflichten der Geschäftsführer sind abgesehen von unverhältnismäßigen Maßnahmen unbeschränkt, zugleich aber an das Stattfinden einer Hauptversammlung gebunden. Den Weisungsrechten entsprechend, sieht § 51a GmbHG zusätzlich ein Auskunfts- und Einsichtsrecht als Individualrecht der Gesellschafter vor. Mit ihm soll die erforderliche Informationsgrundlage gewährleistet werden, die den Gesellschaftern die Beteiligung an der organschaftlichen Willensbildung erlaubt. Das gegenständlich zunächst unbegrenzte Informationsrecht wird jedoch mehrfach eingeschränkt. Nach umstrittener Ansicht sind die Voraussetzungen des § 51a Abs. 1 GmbHG um ein Informationsbedürfnis zu ergänzen. Darüber hinaus sieht § 51a Abs. 2 GmbHG Informationsverweigerungsgründe vor, die dem Schutz der Gesellschaft vor Nachteilen durch gesellschaftsfremde Verwendung der Informationen dienen. Dies ist insoweit unproblematisch, als die Information hier nur dazu dienen soll, die Einhaltung des Gesellschaftszwecks zu überwachen. Weil dieser im Fall der Organisationsprivatisierung in der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe besteht, ist ein Informationsdefizit nicht zu erwarten146. Diese Nachteilsklausel wird aber zugleich als übergeordnete Verschwiegenheitspflicht verstanden, die dann zum Tragen kommt, wenn begründete Zweifel daran bestehen, daß Verschwiegenheitspflichten nicht eingehalten werden. Für eine Weitergabe innerhalb der Verantwortungskette stehen die geheimhaltungsbedürftigen Informationen damit nicht ohne weiteres zur Verfügung. Gemäß § 51a Abs. 3 GmbHG handelt es sich um eine zwingende Regelung, die auch durch gesellschaftsvertragliche Gestaltung nicht zu umgehen ist. In der Privatisierungsdiskussion wird im Verhältnis zur Aktiengesellschaft von einem „Vorrang der GmbH“147 gesprochen. Das läßt sich im Hinblick auf die Einwirkungsrechte bestätigen. Gewisse Einschränkungen sind allerdings bei den gleichfalls notwendigen Rechenschaftspflichten festzustellen. Die Voraus-

145 R. Schmidt, ZGR 1996, 345, 354; Weisel, Privatisierung und Beleihung, 226. Anderer Ansicht Schwintowski, NJW 1995, 1316, 1318; Spannowsky, DVBl. 1992, 1072, 1074; Schön, ZGR 1996, 429, 452. Allgemein zum Verhältnis zwischen Gesellschaftern und fakultativem Aufsichtsrat D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 133 f. 146 Ähnlich Weisel, Privatisierung und Beleihung, 231 f. 147 R. Schmidt, ZGR 1996, 345, 358.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

setzungen der parlamentarischen Kontrolle sind also auch im Fall der GmbH nicht in vollem Umfang erfüllt. (3) Der eingetragene Verein Unter den Privatrechtsformen, die in der Organisationsprivatisierung eine höhere Bedeutung haben, gehört auch der eingetragene Verein148. Soweit es um die Feststellung der demokratischen Verantwortungszurechnung geht, ist die der Typologie zugrundeliegende Unterscheidung zwischen beteiligungsmäßiger und externer Beherrschung zu beachten. An dieser Stelle soll es zunächst um diejenigen Fälle gehen, in denen ein öffentlich-rechtlicher Verwaltungsträger selbst Mitglied in einem eingetragenen Verein ist. Die Möglichkeit, daß juristische Personen Vereinsmitglied werden können, erweist sich dabei als zwingende Voraussetzung149. Grundsätzlich wird der demokratisch erforderliche Zurechnungszusammenhang dadurch in Frage gestellt, daß der Verwaltungsträger nur eines unter mehreren Vereinsmitgliedern ist, die in der Mitgliederversammlung nach dem Mehrheitsprinzip entscheiden. Darüber hinaus liegen Geschäftsführung und Vertretung des Vereins in den Händen des Vorstandes, so daß die Einwirkungsrechte auch ihn umfassen müssen. Der Privatisierung ist insoweit eine staatliche Einwirkungspflicht auf die Gestaltung der Vereinsstruktur notwendig vorgelagert. Das Vereinsrecht erweist sich dabei als außerordentlich flexibel. Einzelnen Mitgliedern können weitreichende Sonderrechte eingeräumt werden, die unter anderem erhöhte Stimmrechte, Veto- und Zustimmungsrechte gegenüber Beschlüssen der Mitgliederversammlung oder Maßnahmen anderer Vereinsorgane und besondere Organstellungen einschließen150. Umgekehrt können Vertretungsmacht und Geschäftsführung des Vorstandes begrenzt und von der Mitwirkung bzw. Zustimmung besonderer Organvertreter abhängig gemacht werden151. Nicht zuletzt kann eine juristische Person selbst Mitglied des Vorstandes werden152. Damit ist allerdings nicht gesagt, daß die Anforderungen an den Zurechnungszusammenhang damit erfüllt wären. Mittels satzungsmäßiger Gestaltung kann der öffentlichen Hand zwar eine Verhinderungsposition eingeräumt werden, die Sonderrechte können einem einzelnen Vereinsmitglied aber kein Alleinbestimmungsrecht verleihen, ohne den vereinsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz zu verletzen. Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, wobei insbesondere an die externen 148 Vgl. D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 23; Dittmann, Bundesverwaltung, 135 f.; Schmidt-Aßmann, AöR 91, 329, 346. 149 Hadding, in: Soergel, BGB I, § 38, Rn. 5. 150 Hadding, in: Soergel, BGB I, § 35, Rn. 13; Dittmann, Bundesverwaltung, 134. 151 Hadding, in: Soergel, BGB I, § 26, Rn. 21a. 152 Hadding, in: Soergel, BGB I, § 27, Rn. 5.

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Einwirkungen zu denken ist, erweist sich die demokratische Legitimation des eingetragenen Vereins in der Organisationsprivatisierung als prekär. Weniger problematisch ist hingegen die Ebene der Rechenschaftspflichten. Im eingetragenen Verein ist der Vorstand in der Mitgliederversammlung zu Auskunft und Rechenschaft über alle Angelegenheiten und wesentlichen Vorkommnisse, die den Verein betreffen, verpflichtet. Satzungsmäßig können entsprechende Informationsrechte auch besonderen Vereinsorganen eingeräumt werden und es spricht nichts dagegen, darüber hinaus auch individuelle Auskunftsrechte außerhalb der Mitgliederversammlung zu statuieren. Bei entsprechender Wahrnehmung der Einwirkungspflicht auf die Vereinsstruktur ist es also möglich, die parlamentarischen Informationsrechte auch auf die Aufgabenwahrnehmung derjenigen eingetragenen Vereine zu erstrecken, die zur öffentlichen Verwaltung zu zählen sind. (4) Sonderfragen (a) Der Zurechnungszusammenhang bei gemischt-öffentlichen Vereinigungen Die gemischt-öffentlichen Vereinigungen bilden in mehrfacher Hinsicht einen Sonderfall. Wegen der ausschließlichen Beteiligung von öffentlich-rechtlichen Rechtsträgern ist die Zuordnung zur Staatsgewalt unproblematisch. Anders als bei den gemischt-wirtschaftlichen Vereinigungen kommt es darum auf einen beherrschenden Einfluß der öffentlichen Hand nicht an. Die Mitgliedschaftsrechte sind in der Regel gleichmäßig verteilt, so daß dem Einzelnen nur eine Minderheitenposition zukommt. Dieser Gesichtspunkt stellt die demokratische Legitimation zusätzlich zur gesellschaftsrechtlich angelegten Autonomie der Gesellschaftsorgane in Frage153. Hinter jedem beteiligten Rechtsträger steht ein eigenständiges Legitimationssubjekt, so daß die Ausübung seiner Mitgliedschaftsbzw. Anteilsrechte als demokratisch legitimiert gelten kann. Umgekehrt läßt sich das Handeln der Gesellschaft bzw. des Vereins aber nicht auf ein einheitliches Legitimationssubjekt zurückführen. Aus der Minderheitensicht ist es nicht kontrollierbar, so daß es sich stets als unlegitimiert darstellt154. Vorbehaltlich einer besonderen Begründung steht die Zulässigkeit der gemischt-öffentlichen Vereinigungen deswegen in Frage.

153 Selbst wenn einer der beteiligten Verwaltungsträger als beherrschend anzusehen ist, stellt sich die folgende Argumentation für die demokratische Legitimation aus Sicht der Minderheitsposition in gleicher Weise. 154 Entsprechende Argumentation bei Brosius-Gersdorf, Bundesbank und Demokratieprinzip, 73 f., für die kommunalen Zweckverbände.

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(b) Organisationsprivatisierung durch externe Einwirkungen Soweit die Zuordnung einer privatrechtsförmigen Vereinigung zur öffentlichen Verwaltung nur oder vornehmlich auf externen Einwirkungen der öffentlichen Hand beruht, scheint eine Einbindung in den demokratischen Verantwortungszusammenhang nach erstem Anschein ausgeschlossen. Weisungsrechte setzen ein Rechtsverhältnis voraus, das jedenfalls in organisatorischer Sicht nicht vorhanden ist. Es wäre jedoch voreilig, die Möglichkeit parlamentarischer Kontrolle in diesen Fällen schon deswegen auszuschließen. Auch wenn diese Fallgruppe der Privatisierung für allgemeine Aussagen viel zu unbestimmt ist, so daß jeder Einzelfall hinterfragt werden muß155, scheinen doch bestimmte Gesichtspunkte verallgemeinerungsfähig: In den Fällen finanzieller Abhängigkeit einer Privatrechtsvereinigung erfolgt die Beherrschung über die jeweiligen Finanzzuweisungen. Neben der institutionellen Förderung kann insbesondere die projektbezogene Förderung gewährleisten, daß die Art der Aufgabenerledigung den Vorstellungen des Verwaltungsträgers entspricht156. Die Steuerung verlagert sich dadurch von der personellen Ebene auf die Sachebene. Die dazu nötigen Instrumente sind Rahmen- und Zielvereinbarungen, genaue Projektbeschreibungen sowie die Bindung der Mittelvergabe an Berichts-, Beanstandungs-, Einspruchs- und Zustimmungsrechte157. In der Hand staatlicher Stellen ist ihre Ausübung demokratisch zu verantworten und insoweit parlamentarisch kontrollierbar. Für das als Staatsgewalt zu qualifizierende Handeln der Privatrechtsvereinigungen ergibt sich danach folgendes Bild: Gegenüber dem Anteil der demokratischen Legitimation, der sonst auf der Möglichkeit hierarchischer Steuerung beruht, sind die demokratisch verantworteten Einwirkungen direkter und konkreter. Das bedeutet mit Blick auf das Legitimationsgefüge, daß sich die Sachlegitimation nicht über den Weg der vorherigen personellen Legitimation vollzieht, sondern unmittelbar an das Handeln anknüpft. Die öffentliche Hand trifft dabei auch hier eine Einwirkungspflicht, für entsprechende Steuerungsmöglichkeiten im Wege externer Einwirkung zu sorgen. Keine damit vergleichbare Wirkung hat demgegenüber der Aspekt der personellen Einwirkung. Soweit die öffentliche Hand selbst nur über eine Minderheitsbeteiligung verfügt, ist ihr auf diesem Weg ein Bestimmungsrecht über die Aufgabenerledigung verwehrt. Lediglich einen Legitimationsbezug haben die in der Beteiligung ruhenden Informations- und Kontrollrechte. Nicht anders verhält es sich bei den sogenannten „Strohmanngründungen“158, bei denen sich die Beteiligten aus Vertretern der öffentlichen Hand zusammensetzen. Sie sind mit 155

Am Beispiel des Goethe-Instituts Dittmann, Bundesverwaltung, 134. Müller-Thoma, Der halbstaatliche Verein, 28 ff. 157 § 44 BHO findet hier im Wege eines Erst-Recht-Schlusses Anwendung. Vgl. Dittmann, Bundesverwaltung, 128. 158 D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 280. 156

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der Erwartung verknüpft, daß Beteiligungsrechte und Führungsaufgaben im Einvernehmen und in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsträger wahrgenommen werden. Eine personelle Legitimation dürfte damit meistens nicht verbunden sein, so daß ein durchgehender Verantwortungszusammenhang zu verneinen ist. Ihr Bezugspunkt ist darum auch weniger, parlamentarische Kontrolle zu ermöglichen, als vielmehr deren Wirksamkeitsbedingungen zu ergänzen und die Privatrechtsvereinigung im Wege personeller Verflechtung überhaupt erst an den Verwaltungsträger anzubinden. (5) Zwischenergebnis Organisationsprivatisierung ist mit parlamentarischer Kontrolle nicht schlechthin unvereinbar. Aber ebensowenig wie es die Privatisierung gibt, kann von der Organisationsprivatisierung gesprochen werden. Die Ausführungen zeichnen vielmehr ein differenziertes Bild über die personellen und sachlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf Privatrechtsvereinigungen. Sie lassen sich nur unter besonderen Voraussetzungen und nach Gesellschaftsform unterschiedlich in den demokratischen Verantwortungszusammenhang integrieren159 – womit allerdings noch kein Urteil über die Wirksamkeitsbedingungen verbunden ist. Die Ergebnisse erlauben an dieser Stelle bereits folgende Schlüsse: (a) Die Kriterien, die für die Zuordnung einer Privatrechtsvereinigung zum Staat genügen, sind mit den Anforderungen des Demokratieprinzips nicht identisch. (b) Die verfassungskonforme Erweiterung des Gesellschaftsrechts zu einem Verwaltungsgesellschaftsrecht scheidet aus. Das am Beispiel der Aktiengesellschaft erarbeitete Ergebnis ist insoweit auf alle anderen Gesellschaftsformen zu übertragen. (c) Wo die gesellschaftsrechtlich vorgegebenen Formprinzipien ein Letztentscheidungsrecht des Staates verhindern, kann keine demokratische Legitimation im Wege der parlamentarischen Kontrolle vermittelt werden. In diesen Fällen stellt sich das Verhältnis zwischen Staat und Privatrechtsvereinigung ebenso dar, wie bei den bislang behandelten ministerialfreien Räumen. Organisationsprivatisierung ist demnach zwar nicht mit Ministerialfreiheit gleichzusetzen, kann diese aber zum Inhalt haben160. (d) Weil die Unabhängigkeit bereits mit der Rechtsformwahl indiziert werden kann, bedarf es dafür eines Gesetzesvorbehalts, der auch den Unternehmensgegenstand als öffentliche Aufgabe umschreibt161. Andernfalls könnte sich 159

Dittmann, Bundesverwaltung, 129. Ebenso Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 160 f., im Grundsatz auch Leisner, WiVerw 1983, 212, 225. Eher im Sinne von Gleichsetzung Mayen, DÖV 2004, 45, 46. 160

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die Exekutive eigenmächtig ihrer Kontrolle begeben. Der Gesetzesvorbehalt ist insoweit ein demokratisches Desiderat. (e) Der Bezugspunkt der Legitimationsproblematik ist die parlamentarische Kontrolle der Privatrechtsvereinigungen. Davon zu unterscheiden ist die parlamentarische Kontrolle über die Wahrnehmung der Einwirkungsrechte162. Diese richtet sich danach, ob der damit betraute Verwaltungsträger seinerseits in den Verantwortungszusammenhang der Ministerialverwaltung eingebunden ist. Der hier maßgebliche Aspekt besteht jedoch allein darin, daß die demokratische Legitimation der Privatrechtsvereinigungen in Frage gestellt wird, weil dafür erforderliche Einwirkungsrechte nicht vorhanden sind163. (f) Die Notwendigkeit der Anpassung der institutionellen Binnenstrukturen im Wege der Privatrechtsgestaltung zeigt am Rande, daß der gesetzgeberisch vorgesehene Zweck der privatrechtlichen Gesellschaftsformen ein anderer ist als derjenige der öffentlich-rechtlichen Organisationsformen. Insbesondere Aktiengesellschaft und GmbH sind auf Wettbewerb und Gewinnerzielung ausgerichtet. Die Konkurrenzsituation zu anderen Mitbewerbern macht Strukturen erforderlich, in denen sich unter anderem die eingeschränkte Rechtsstellung der Anteilseigner niederschlägt. Weil die Marktsituation allerdings für die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben entfällt, stellt die mangelnde Anpassungsfähigkeit der gesellschaftsrechtlichen Formen deren Eignung für die staatliche Verwaltung grundsätzlich in Frage. bb) Auswirkungen auf die parlamentarischen Kontrollinstrumente Parlamentarische Kontrolle kommt nicht ohne Informationsrechte aus, die es dem Parlament erlauben, sich eine eigene Meinung zu bilden und daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen164. Die vorstehenden Ausführungen zum Verantwortungszusammenhang deuten bereits an, daß Organisationsprivatisierung nicht informationsneutral ist. Über die festgestellten Grenzfälle hinaus, in denen parlamentarische Kontrolle nicht möglich ist, ist darum im folgenden zu untersuchen, ob die parlamentarischen Kontrollinstrumente auch gegenüber privaten Organisationsformen Anwendung finden können165. 161

Ebenso Spannowsky, ZGR 1996, 400, 406 f. Gusy, ZRP 1998, 265, 267 f. Spannowsky, ZGR 1996, 400, 418, spricht hier von „Betätigungsprüfung“ bzw. von der „Kontrolle der Kontrolleure“. 163 Das Legitimationsproblem würde sich allerdings erneut stellen, wenn ein öffentlich-rechtlicher Verwaltungsträger zwar über Einwirkungsrechte auf eine Privatrechtsvereinigung verfügte, seinerseits aber ministerialfrei wäre. 164 Siehe dazu im allgemeinen 1. Kap., V. 1. 165 Im Sinne einer Vorauswahl finden nur solche Kontrollinstrumente Beachtung, für die die Relevanz der Organisationsprivatisierung greifbar ist. 162

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(1) Frage- und Interpellationsrechte Die Frage- und Interpellationsrechte gemäß § 100 ff. GO-BT sind die klassischen Mittel der parlamentarischen Fremdinformation. Die Ergebnisse zu den Rechenschaftspflichten privatrechtlicher Organisationen gegenüber ihren Anteilseignern bzw. Mitgliedern bilden ihre äußere Grenze: Wenn der Regierung die Informationen selbst nicht zur Verfügung stehen, weil sich privatrechtliche Verwaltungsträger ihrer Aufsicht entziehen, können sie auch nicht an das Parlament weitergegeben werden166. Damit berührt Organisationsprivatisierung zwar nicht die Ausübung der Fremdinformationsrechte zwischen Parlament und Regierung, führt aber zu einer Einschränkung ihrer Reichweite. Innerhalb dieser Grenzen kann der zuständige Minister sich nicht auf die Verselbständigung berufen, sondern muß auf die Ausübung der Beteiligungsrechte hinwirken, um die erforderlichen Informationen zu erlangen. (2) Gesetzliche Berichtspflichten Hinsichtlich der gesetzlichen Berichtspflichten kann hier zumindest auf den „Jahresbericht über die Beteiligungen des Bundes“ verwiesen werden, der jährlich mit dem Entwurf des Haushaltsplans vom Bundesminister der Finanzen erstattet wird167. Der Jahresbericht erlaubt den Abgeordneten, einen Überblick über die organisatorischen Verflechtungen und letztlich auch den Bereich staatlicher Verwaltung in Privatrechtsform zu gewinnen, und stellt damit eine Hilfe bei der Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrolle dar168. Im Hinblick auf den Verantwortungszusammenhang gelten für Berichtspflichten aber folgende Grenzen: Als Mittel der Fremdinformation können über die Berichtspflicht nicht mehr Informationen vermittelt werden, als der Regierung selbst zur Verfügung stehen. Die gesellschaftsformbegründeten Informationsdefizite lassen sich damit also nicht ausgleichen. Anders wäre dies nur, wenn sich die parlamentarischen Berichtspflichten im Wege eines Kontrolldurchgriffs unmittelbar gegen die privatrechtsförmigen Verwaltungsträger richten würden. Dem steht allerdings die verfassungsrechtliche Ausgestaltung der Gewaltenteilung entgegen, die die Regierung als verfassungsmäßiges Gegenüber des Parlaments vorsieht und unmittelbare Zugriffe auf die nachgeordnete Verwaltung nur in Ausnahmefällen zuläßt169. 166

Im Ergebnis ebenso Poppenhäger, ThürVBl. 2000, 152. Grundlage ist ein schlichter Parlamentsbeschluß vom 04.07.1958. Vgl. Maiwald, Berichtspflichten, 108; Stober, NJW 1984, 449. Zur Einführung von Privatisierungsberichten Schoch, DVBl. 1994, 1, 7. 168 Einschränkend ist aber anzumerken, daß der Beteiligungsbericht nur Kapitalgesellschaften, nicht aber Vereine und Stiftungen erfaßt. Vgl. D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 16. 169 Vgl. Gusy, ZRP 1998, 265, 269. 167

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(3) Das Enquête-Recht Die Kontrolle in Fällen der Organisationsprivatisierung könnte zunächst eine Assoziation mit der Diskussion über privatgerichtete Untersuchungsausschüsse nahelegen170. Auf diese Frage kommt es indessen nicht an, solange die Privatrechtsvereinigungen Teil der öffentlichen Verwaltung sind. Sowohl Eigengesellschaften als auch gemischt-wirtschaftliche Gesellschaften sind darum enquêtepflichtig171. Obwohl das Enquête-Recht ein Mittel der Selbstinformation ist und darum einen unmittelbaren Zugriff des Untersuchungsausschusses auf die Verwaltung erlaubt, ist seine Reichweite damit noch nicht abschließend geklärt: Erfaßt es die privatrechtlich organisierten Verwaltungsträger als solche und knüpft damit allein am Merkmal der Staatsgewalt an172 oder setzt es staatliche Aufsicht voraus, so daß es einer besonderen Begründung bedarf, wenn es über den von der Regierung zu verantwortenden Bereich hinausgeht173? Sieht man namentlich in der Kontrollenquête ein Informationsmittel der parlamentarischen Kontrolle, das auf die demokratische Legitimation der Exekutive zielt, wäre sie immer dann in Frage gestellt, wenn demokratische Legitimation mangels Verantwortungszusammenhang gar nicht möglich ist. Mit anderen Worten: Wenn ohnehin keine Beeinflußungsmöglichkeit besteht, bedürfte es auch keiner Informationen. Unter diesem Gesichtspunkt würde Organisationsprivatisierung mit den ihr immanenten Verantwortungsfreiräumen tendenziell zu einer Verkürzung des EnquêteRechts führen. Dagegen ist einzuwenden, daß sich das parlamentarische Informationsinteresse nicht in dieser Weise beschränken läßt. Dies zeigt nicht nur die Existenz anderer Enquête-Typen, sondern läßt sich auch mit dem Gedanken demokratischer Legitimation begründen. Weil im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes keine Legitimation am Parlament vorbei führt, müssen ihm Informationen nicht nur offenstehen, wenn demokratische Legitimation möglich, sondern bereits dann, wenn sie nötig ist. Das Enquête-Recht ist der parlamentarischen Kontrolle insoweit vorgelagert. Nicht der Verantwortungsbereich der Regierung, sondern die Staatsgewalt ist – vorbehaltlich anderer Ein-

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Dazu Glauben, in: ders./Brocker, Untersuchungsausschüsse, § 5, Rn. 111 ff. Im Wege des Erstrecht-Schlusses kann dabei aber auf BVerfGE 77, 1, 39, zurückgegriffen werden. Vgl. außerdem Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 326 ff.; einschränkend hinsichtlich der gemischt-wirtschaftlichen Gesellschaften Glauben, in: ders./Brocker, Untersuchungsausschüsse, § 5, Rn. 126 f. 172 Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 327. 173 So offenbar H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 44, Rn. 125, der die Enquetepflichtigkeit der Privatrechtsvereinigungen mit der parlamentarischen Verantwortung der Regierung begründet. Ähnlich, wenn auch nicht abschließend, BVerfGE 49, 70, 85; 77, 1, 43, wonach das Schwergewicht der Untersuchung „in der Aufklärung von in den Verantwortungsbereich der Regierung fallenden Vorgängen“ liege, sowie Glauben, in: ders./Brocker, Untersuchungsausschüsse, § 5, Rn. 5. 171

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schränkungen – der richtige Anknüpfungspunkt für die Reichweite des EnquêteRechts. Organisationsprivatisierung hat darum keine Auswirkung auf Anwendbarkeit und Reichweite des Enquête-Rechts gemäß Art. 44 GG. Weil sich die Ermittlungsbefugnisse aus der StPO ableiten, spielen die gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten in diesem Fall auch keine Rolle174. (4) Der Petitionsausschuß Der Petitionsausschuß ist wegen des Kontrollbezugs der ihm gemäß Art. 17 i.V. m. Art. 45c GG zugewiesenen Petitionsbehandlung im Zusammenhang mit den anderen Kontrollinstrumenten zu erörtern175. Privatrechtlich organisierte Verwaltungseinheiten fallen als Teil der Exekutive nicht nur in den Bereich der parlamentarischen Kontrolle, sondern gehören auch zu den nach Art. 17 GG zuständigen Stellen, so daß sie unmittelbar Adressat von Petitionen sein können176. Für das Petitionsrecht sind sie also in mehrfacher Hinsicht von Belang. Für die zur parlamentarischen Petitionsbehandlung notwendige Informationsbeschaffung enthält Art. 45c Abs. 2 GG i.V. m. GGArt45cG die weitestgehende Regelung. Gemäß §§ 1 f. GGArt45cG sind die Bundesregierung, die unselbständigen Behörden des Bundes sowie die Verwaltungsträger im Bereich der öffentlich-rechtlich organisierten mittelbaren Bundesverwaltung dem Petitionsausschuß zu Auskunft, Aktenvorlage und Zutrittsverschaffung verpflichtet177. Die privatrechtlich organisierten Verwaltungseinheiten werden davon nicht erfaßt, womit aber nicht gesagt ist, daß damit jeder Auskunftsanspruch ausgeschlossen ist. Dafür kann auf das einfache Petitionsinformationsrecht zurückgegriffen werden, das als Annex zu Art. 17 GG gegenüber allen Trägern der öffentlichen Verwaltung besteht178. Es richtet sich in der Praxis vorrangig an die Bundesregierung, die im Anschluß die Informationen bei der ihrer Aufsicht unterstellten Verwaltung beschafft. Wie schon bei den Frage- und Interpellationsrechten kann der zuständige Minister die Auskunft nicht unter Hinweis auf die rechtliche Verselbständigung verweigern. Zudem muß er über seine formale Rechtsposition hinaus auch seine tatsächliche Steuerungsmacht wahrnehmen, um die vom 174

BVerfGE 76, 363, 387. Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 327. Im einzelnen dazu schon 1. Kap., V. 2. h). 176 Stettner, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 4, Rn. 67, 87; H. Bauer, in: Dreier, GG-Kommentar I, Art. 17, Rn. 30. Am Fall einer Stiftung des bürgerlichen Rechts BremStGH NVwZ-RR 1997, 145, 147. 177 Vitzthum/März, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 45, Rn. 40. 178 Siehe zur Herleitung 1. Kap., V. 2. h); Vitzthum/März, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 45, Rn. 40, Fn. 80. Entgegen der Zitierung bei Röper, Der Staat 37, 249, 274, stellen Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Bonner Grundgesetz 2, Art. 45c, Rn. 75, lediglich fest, daß sich die Informationsbefugnisse nicht dem GGArt45cG entnehmen lassen. 175

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Petitionsausschuß erfragten Informationen zu verschaffen179. Gleichwohl würde das Petitionsinformationsrecht damit vom jeweiligen Rechtsverhältnis zwischen unmittelbarer Staatsverwaltung und Privatrechtssubjekt einschließlich seiner Grenzen abhängen. Um die Petitionsbehandlung nicht auf Fremdinformationen zu beschränken und Informationslücken bei solchen Verwaltungsorganen zu vermeiden, die nicht unter ministerieller Aufsicht stehen, gebietet der effektive Grundrechtsschutz für Art. 17 GG darüber hinaus ein unmittelbares Auskunftsrecht180. Der Petitionsausschuß kann sich darum auch direkt an die Privatrechtsvereinigungen wenden und dies selbst dann, wenn sie dem öffentlich-rechtlichen Mutterträger nicht zur Auskunft verpflichtet wären181. Relevant wurde diese Frage am Beispiel der Privatisierung von Post und Bahn, deren Geschäftsgebaren Inhalt zahlreicher Petitionen war182. Hier verweigerte das damalige Bundesministerium für Post und Telekommunikation dem Petitionsausschuß jede Auskunft und Stellungnahme, weil eine Einflußnahme auf ausschließlich unternehmensspezifisches Verhalten nicht mehr möglich gewesen sei183. Auch wenn der Konflikt später einvernehmlich gelöst werden konnte, so daß ein zunächst angestrengtes Organstreitverfahren nicht zum Abschluß gebracht wurde, dokumentiert dies die Unsicherheit im Umgang mit Privatisierungsvorgängen. Richtig war immerhin, daß dem Petitionsausschuß die Rechte aus GGArt45cG verwehrt wurden184. Bemerkenswert ist aber zum einen, daß sich der zuständige Bundesminister auf eine rein formale gesellschaftsrechtliche Position zurückgezogen hat, zum andern, daß die Unternehmen von keiner Seite als unmittelbare Adressaten der Petitionsinformationsrechte angesehen wurden, obwohl sie sich damals zu 100 % im Eigentum des Bundes befanden. Die Organisationsprivatisierung wurde also wie ein Fall der Aufgabenprivatisierung behandelt. Hier erweist es sich als verhängnisvoll, daß im Zusammenhang mit Art. 87e Abs. 3 S. 1, 87f Abs. 2 S. 1 GG, also den verfassungsrechtlichen 179

BremStGH NVwZ-RR 1997, 145, 148. BremStGH NVwZ-RR 1997, 145, 146; Vitzthum/März, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 45, Rn. 37; Stettner, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Bd. 4, Art. 17, Rn. 87; allgemein Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Bonner Grundgesetz 2, Art. 45c, Rn. 53. Anderer Ansicht Dürig, in: Maunz/ ders., Grundgesetz, Art. 45c, Rn. 29; Glauben, ZParl 1998, 496, 505 f. 181 Eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Regelung zum Auskunftsanspruch gegenüber juristischen Personen des Privatrechts findet sich beispielsweise in Art. 90a Abs. 2, S. 2 RhlPfVerf. Daß sie ,öffentlich-rechtliche Tätigkeit‘ unter der ,Aufsicht des Landes‘ ausüben müssen, ist weniger im Sinne von umfassender Ingerenz, als vielmehr im Sinne einer materiellen Zuordnung zu verstehen (vergleiche Brocker, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, Art. 90, Rn. 32; ebenso zu § 1 Abs. 2 S. 2 BremPetG BremStGH NVwZ-RR 1997, 145, 146 f.). 182 BT-Drs. 13/8000, 6. 183 Zum Hergang des Konflikts Schefold, NVwZ 2002, 1085 f.; Röper, Der Staat 37, 249, 274 ff. 184 Vgl. demgegenüber die Begründung zum Antrag in BT-Drs. 13/3327, 4. 180

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Grundlagen der Bahn- und Postprivatisierung, regelmäßig von Aufgabenprivatisierung gesprochen wird185, obwohl es sich tatsächlich um Regelungen zur Art der Aufgabenwahrnehmung handelt. Solange der Bund die Option der Aufgabenprivatisierung nicht wahrnimmt, indem er sich von den Anteilen an den Unternehmen trennt, bleibt es aber bei den aus Art. 17 GG folgenden Rechten186. Für den Petitionsausschuß als Kontrollinstrument ist also folgendermaßen zu differenzieren: Organisationsprivatisierung führt zu einem Ausschluß von GGArt45cG, so daß gegenüber privatrechtlich organisierten Verwaltungsträgern nur ein einfaches Auskunftsrecht besteht. Dieses reicht allerdings über die parlamentarischen Fremdinformationsrechte hinaus, weil es nicht an den demokratischen Verantwortungszusammenhang, sondern an das Petitionsrecht anknüpft. (5) Haushaltsrecht und Rechnungskontrolle Weil die Ausübung von Staatsgewalt wesentlich von ihrer Finanzierung abhängt, ist das Haushaltsrecht ein wichtiges Instrument der parlamentarischen Kontrolle. Die Errichtung von privatrechtsförmigen Verwaltungsträgern kann entgegen Art. 110 Abs. 1 GG zu einer haushaltsrechtlichen Ausgliederung dieses Bereichs aus dem Zentralhaushalt führen. Die Rede ist dann von Nebenhaushalten, die der parlamentarischen Bestimmung weitgehend entzogen sind. Verallgemeinernde Aussagen dazu sind allerdings nicht möglich, weil Nebenhaushalte zwar häufige, keineswegs aber zwingende Folge der Privatisierung sind187. Für die parlamentarische Kontrolle sind Nebenhaushalte in mehrfacher Hinsicht von Belang: Die Wirtschaftspläne dieser Einrichtungen werden autonom und unabhängig vom Parlament aufgestellt. Soweit sie sich ausschließlich über eigene Einnahmen finanzieren, entfällt das sonst verbleibende Steuerungsmittel staatlicher Zuschüsse. Darüber hinaus verliert die Haushaltsvollzugskontrolle sowohl Grundlage als auch Maßstab188. Folgewirkung hat dies auch für den Bundesrechnungshof, der – obschon keine parlamentarische Kontrolleinrichtung im engeren Sinn – für die parlamentarische Kontrolle unverzichtbar ist189. Obwohl der Prüfungsgegenstand der 185 Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz 1 (4. Aufl.), Art. 17, Rn. 67; Windthorst, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 87e, Rn. 37. Zutreffend hingegen Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz 3, Art. 87f, Rn. 76, der von einer „erweiterten Organisationsprivatisierung“ spricht. 186 Anderer Ansicht Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz 1 (4. Aufl.), Art. 17, Rn. 67. Wie hier offenbar H. Bauer, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar I, Art. 17, Rn. 31. 187 Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, 79 ff. 188 Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, 9, 16. Vgl. auch Glauben, ZParl 1998, 496, 506; Burgi, Funktionale Privatisierung, 318 f. 189 Siehe dazu 1. Kap, V. 2., Fn. 422.

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Rechnungsprüfung aus Art. 114 Abs. 2 GG nicht eindeutig hervorgeht, wird er zur Vermeidung prüfungsfreier Räume auf jedes finanzwirksame staatliche Handeln bezogen190. Die Konkretisierung erfolgt durch haushaltsgesetzliche Regelungen. Für die Organisationsprivatisierung ist insoweit § 92 BHO maßgeblich, wonach der Bundesrechnungshof die Betätigung des Bundes bei Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts, an denen der Bund unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, prüft und wesentliche Beanstandungen daran gemäß § 97 Abs. 2 Nr. 3 BHO mitteilt. Für eine unmittelbare Prüfung von juristischen Personen des privaten Rechts steht mit § 104 BHO eine Sonderreglung zur Verfügung, die die Finanzkontrolle auch dann gewährleisten soll, wenn Aufgaben von der unmittelbaren Bundesverwaltung auf auf außenstehende Stellen übertragen werden. Ein kontrollfreier Raum läßt sich auf diesem Weg also nicht schaffen. cc) Legitimitätskriterien Das Demokratieprinzip enthält auch die Forderung, daß parlamentarische Kontrolle wirksam sein müsse. Auf der Grundlage des demokratischen Verantwortungszusammenhangs geht es dabei um die Frage nach der notwendigen Legitimität staatlichen Handelns. Sie ist in Abhängigkeit von der jeweiligen Sachmaterie danach zu beantworten, in welchem Maß parlamentarische Kontrolle nicht nur möglich sein soll, sondern auch tatsächlich stattfinden muß. Die Anordnung und Hervorhebung der bereits genannten parlamentarischen Kontrollinstrumente spielen dabei eine wichtige Rolle. Weil ihnen eine Vielzahl weiterer Gesichtspunkte zur Seite gestellt werden kann, bildet die Effektivität der parlamentarischen Kontrolle einen Schwerpunkt bei den Auswirkungen der Organisationsprivatisierung. Die maßgeblichen Aspekte sollen im folgenden veranschaulicht werden. (1) Erkennbarkeit des Kontrollbereichs Organisationsprivatisierung führt nicht unbedingt zu einer Verlängerung der Legitimationskette, so daß von dieser Seite grundsätzlich keine Abschwächung der vermittelten Legitimität zu erwarten ist. Entscheidend ist aber, daß die Verselbständigung den Verwaltungsaufbau verkompliziert und sich damit gewissermaßen die Qualität der Legitimationskette verändert191. Wie auch bei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts wohnt ihr selbst bei umfassenden Aufsichtsrechten stets eine Distanzierung vom Staat inne, die die Intensität parlamentarischer Kontrolle verringert. Eine der Ursachen, die für diesen Effekt auszumachen sind, liegt in der eingeschränkten Erkennbarkeit des Kontrollbe190 191

Heun, in: Dreier, GG-Kommentar III, Art. 114, Rn. 24. Siehe Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 50.

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reichs. Schon bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts mag den Parlamentariern bisweilen das Bewußtsein fehlen, daß auch deren Zweckerfüllung zum Inhalt ihres Kontrollauftrags gehört. Zu den Schwierigkeiten, die hier mit der Transparenz der Verwaltungsstruktur und insbesondere der Verantwortungszuordnung zu tun haben, treten nunmehr Probleme, die spezifisch mit der Privatrechtsform verbunden sind192. Die nur gefühlsmäßige, aber gleichwohl nicht zu unterschätzende Gleichsetzung von Staat mit öffentlichem Recht und Gesellschaft mit Privatrecht entfernt die Privatrechtsvereinigungen zusätzlich von den staatlichen Kontrollfunktionen, weil sie als Kontrollgegenstand überhaupt nicht wahrgenommen werden193. Gerade die Ausgliederung im Rahmen der Organisationsprivatisierung kann so leicht mit einer Aufgabenprivatisierung verwechselt werden. Dem entspricht es, daß auch die Rechtswissenschaft die Frage nach der Zuordnung der Privatrechtsvereinigungen zum Staat nicht ohne weiteres zu beantworten weiß. Die in der Typologie entfalteten Probleme müssen darum in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wahrnehmung von parlamentarischer Kontrolle gesehen werden. Verschärft werden sie, wenn die Organisationsstruktur mit der Bildung von Tochtergesellschaften und gegenseitigen Beteiligungen zunehmend unübersichtlich wird. Diese eingeschränkte Sicht des Parlaments findet auf Seiten der privatrechtsförmig organisierten Verwaltung darin eine vielfach beschriebene Verstärkung, als diese tendenziell versucht, ihre Unabhängigkeit auszudehnen und sich für den Staat noch weiter unsichtbar zu machen194. Ein nur theoretisch wirksames Mittel, dem Parlament den Überblick über seinen Kontrollbereich zu erhalten, stellt der Gesetzesvorbehalt für die Organisationsprivatisierung dar. Mit zunehmendem zeitlichem Abstand vom Privatisierungsvorgang, der ohnehin in der Hand der Exekutive liegt, ist von seiner weiteren Abschwächung auszugehen. Ob ihm im vorliegenden Zusammenhang überhaupt ein Wert zukommt, hängt nicht zuletzt von den inhaltlichen Anforderungen ab, die an den Gesetzesvorbehalt geknüpft werden. Einen größeren Effekt verspricht demgegenüber der bereits angesprochene Beteiligungsbericht, den der Bundesminister der Finanzen jährlich erstattet. Obwohl Berichtspflichten als Kontrollinstrumente vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung und der begrenzten Verarbeitungskapazitäten des Parlaments nicht beliebig eingesetzt werden können195, sprechen hier die besseren Gründe dafür. Mit dem Beteili192 Deutlich zum Konflikt, ob sich das Petitionsinformationsrecht auch gegen die Deutsche Telekom AG richtet, Röper, Der Staat 37, 249, 275: „Daß Bundesregierung und Parlamentsmehrheit das Spannungsverhältnis von parlamentarischer Kontrolle und Privatisierung begreifen, ist nicht erkennbar.“ 193 Treffend scheint hier die Umschreibung Leisners, WiVerw 1983, 212, 225, daß parlamentarische Kontrolle in einer anderen Grundstimmung stattfinde. Ähnlich D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 266. 194 Weisel, Privatisierung und Beleihung, 221; Gusy, JA 1995, 166, 172. 195 Siehe dazu 1. Kap., V. 1. c) dd).

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

gungsbericht werden nicht beliebige Informationen abgefragt, sondern ein konkreter Überblick geschaffen, der Rückschlüsse auf die Verwaltungsorganisation erlaubt. Für die Kontrolle von konkreten Verwaltungsaktivitäten bildet dies die Grundlage, die das Parlament in den Stand setzen soll, seine Kontrollaufgaben wahrzunehmen. Sein Stellenwert ist entsprechend hoch anzusetzen. Institutionell kann an einen ständigen Parlamentsausschuß gedacht werden, der nur der privatrechtlichen Beteiligungskontrolle gewidmet ist und mit der Spezialisierung seiner Mitglieder nicht nur den Umfang des Kontrollbereichs besser einzuschätzen vermag, sondern auch die Erfüllung der Kontrollaufgabe in höherem Maße gewährleistet196. (2) Wahrnehmbarkeit von Kontrollmöglichkeiten Zu den Schwierigkeiten, den Kontrollbereich erkennen zu können, treten Einschränkungen gerade bei der Wahrnehmung der bestehenden Kontrollmöglichkeiten hinzu. Hier muß erneut auf die rein tatsächliche Wirkung der Verselbständigung hingewiesen werden197. Bereits die Informationsbeschaffung wird – jedenfalls im Vergleich zur unmittelbaren Staatsverwaltung – aufgrund gesellschaftsrechtlicher Regelungen verkompliziert und vor allem auch zeitlich gestreckt, so daß dem Parlament Einblicke in die laufende Geschäftsführung eher verschlossen bleiben. Beeinflussende Einwirkung scheint darum im Sinne voraus- oder mitwirkender Kontrolle kaum möglich198. Umgekehrt ist die Bereitschaft eines auf Selbständigkeit bedachten Rechtsträgers geringer, sich zum Zwecke der Verantwortungsabschichtung an die staatlichen Anteilsinhaber zu wenden. Die auf ökonomischen Erfolg ausgerichteten Gesellschaftsformen entfalten insoweit eine Eigendynamik, die dem Bewußtsein, Teil staatlicher Aufgabenerfüllung zu sein, entgegensteht199. Je größer die Schwierigkeiten sind, die privatrechtlich organisierten Verwaltungseinheiten wirksam zu kontrollieren, desto eher wird sich das Parlament auf eine „Kontrolle der Kontrolleure“200 verlegen. Als Teil des Verantwortungszusammenhangs könnte dies immerhin noch als mittelbare Kontrolle der Privatrechtsvereinigungen selbst verstanden werden, bedarf es dazu doch der Einwirkungen über die kontrollierenden Verwaltungsstellen. Entscheidend ist aber, daß sich damit der Blickwinkel für die parlamentarische Kontrolle verändert: Nicht das Handeln der Privatrechtsvereinigung, sondern das Agieren in der Beteili196 Stober, NJW 1984, 449, 456. Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 91, Rn. 136. 197 Vgl. Glauben, ZParl 1998, 496, 504. 198 Leisner, WiVerw 1983, 212, 224 f. 199 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54, Rn. 19. 200 Angeführt bereits auf 4. Kap., III. 3. b) aa) (5), Fn. 162.

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gungsverwaltung steht nunmehr im Mittelpunkt. Weil die parlamentarische Kontrolle hier regelmäßig durch Kontrollversagen ausgelöst wird, bleibt sie im wesentlichen nachgängige Kontrolle einschließlich ihrer begrenzten Legitimationswirkung. Rechtliche und tatsächliche Einschränkungen der Einwirkungsrechte werden zudem nicht mehr als Kontrollproblem, sondern als Verantwortungsgrenzen der Beteiligungsverwaltung wahrgenommen. Eine gewisse Bestätigung findet diese parlamentarische Selbstbeschränkung im Schrifttum zur Privatisierung, das ebenfalls regelmäßig bei der Beteiligungskontrolle endet. Die Folge ist ein weiterer Effektivitätsverlust der parlamentarischen Kontrolle. (3) Defizite der Einwirkungspflicht Weil im Privatisierungsvorgang der Grundstein für die parlamentarische Kontrolle über die Privatrechtsvereinigungen gelegt wird, bestehen gegenüber den darauf bezogenen Einwirkungspflichten besondere Anforderungen. Unter ihnen ist die öffentliche Zwecksetzung zwar am wichtigsten201, in der Verwaltungspraxis wird aber der „Leerformelcharakter“ beklagt202, der hier im Interesse der Flexibilität der Organisationsprivatisierung bewußt in Kauf genommen werde. Für die parlamentarische Kontrolle bedeutet dies folgendes: Weil die Zwecksetzung der Aufgaben- und Kompetenzabgrenzung zur öffentlichen Hand dient, wird die parlamentarische Kontrolle durch mangelnde Transparenz erschwert203. Gleichzeitig ist sie Maßstab für die Kontrolle des privatrechtlichen Verwaltungsträgers, und zwar sowohl hinsichtlich der Einhaltung der Zwecksetzung als auch der Abwehr ihr widersprechender Einflußnahme durch die öffentlichen Anteilseigner. Aufgrund ihres normativen Charakters hat sie durchaus demokratische wie auch rechtsstaatliche Bedeutung und ist innerhalb des Legitimationsvorgangs mit der Funktion der gesetzlichen Legitimation vergleichbar. Das vorrangig marktwirtschaftlich-effizienzorientierte Handeln der Geschäftsführung führt hier allerdings zu einer Konkurrenzlage, die eine Überlagerung der Zwecksetzung zur Folge haben kann und dadurch ihre Legitimität in Frage stellt204. Dabei gilt: Je ungenauer die Zwecksetzung ist, desto leichter fällt es der Geschäftsführung, Freiräume zu erschließen205. Für dieses privatrechtliche Engagement fehlt dann nicht nur die Publizität, zugleich sinkt auch der Maßstab für die parlamentarische Kontrolle. Hält man sich nun vor Augen, daß Kontrolle um so eher stattfindet, als Beurteilungskriterien vorhanden sind, erweist sich damit zugleich der Zusammenhang zwischen Zwecksetzung und Le201

Schön, ZGR 1996, 429, 436. H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 260; Kahl, Staatsaufsicht, 387 f.; Schön, ZGR 1996, 429, 440. 203 Ebenso Gusy, ZRP 1998, 265, 268. 204 Vgl. Weisel, Privatisierung und Beleihung, 221. 205 Spannowsky, DVBl. 1992, 1072, 1073; ders., ZGR 1996, 400, 407. 202

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

gitimität206. Weil aber bereits die Verselbständigung an sich mit einem Legitimitätsverlust verbunden ist, der letztlich durch die genauere Zweckerfüllung aufgewogen werden soll, stellen die Mängel bei der Zwecksetzung die Verselbständigung grundsätzlich in Frage. (4) Geheimnisschutz Daß Gesellschaftsorgane in aller Regel unter Ausschluß der Öffentlichkeit arbeiten, bedeutet keine zusätzliche Einschränkung der Legitimität. Sie steht insoweit der verwaltungsinternen Tätigkeit in öffentlich-rechtlicher Organisationsform gleich. Relevant ist hier allerdings, daß das Parlament gegenüber Privatrechtsvereinigungen in weit höherem Maße an gesellschaftsrechtlich vorgegebene Pflichten zum Geheimnisschutz gebunden ist, als es im öffentlichrechtlichen Bereich eine Rolle spielt. Auch wenn dies der parlamentarischen Kontrolle nicht prinzipiell entgegensteht, führt dieser Ausschluß der Öffentlichkeit zu einer geringeren Legitimität207. Kurz gesagt entfällt damit der Druck der öffentlichen Meinung, der gerade in der Gegenüberstellung von Regierungsmehrheit und Opposition die tatsächliche Wahrnehmung parlamentarischer Kontrolle befördert. Zugleich sichert Öffentlichkeit auch eine kritische Auseinandersetzung mit ihrem Inhalt ab. Läßt sich ein Ausschluß der Öffentlichkeit normalerweise mit der Funktionsfähigkeit des Staates und der zweckentsprechenden Aufgabenerfüllung rechtfertigen208, entstammen die Gründe für den gesellschaftsrechtlichen Geheimnisschutz einem anderen, rein wirtschaftlich orientierten Zusammenhang. Sie vermögen den Legitimitätsverlust nicht aufzuwiegen. (5) Folgerungen Der Gesetzgeber muß dieser Umstände schon zu dem Zeitpunkt gewahr sein, in dem er mit dem Gesetzesvorbehalt die nötigen Voraussetzungen für die Organisationsprivatisierung schafft. Unbeschadet der Gesellschaftsformen, die demokratische Legitimation durch parlamentarische Kontrolle überhaupt nicht zulassen, gilt hier, daß die geringe Legitimität einen Ausgleich erfordert. Für Aufgaben mit höherer Bedeutung ist die Intensität der parlamentarischen Kontrolle entsprechend zu steigern. Die in Betracht kommenden Instrumente lassen sich den bisherigen Ausführungen entnehmen. Sie beginnen bei einem erleichterten Informationsfluß und reichen bis zu einer verstärkten Kontrolle der Beteiligungsverwaltung.

206 207 208

Vgl. K. Lange, VVDStRL 44, 169, 176. Vgl. Weisel, Privatisierung und Beleihung, 231. Siehe dazu 1. Kap., V. 1. a).

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Die bestehenden Sonderregelungen müssen in diesem Zusammenhang kritisch beurteilt werden, da sie die gesellschaftsrechtlich vorgegebenen Einschränkungen der parlamentarischen Kontrolle eher festschreiben als beseitigen. Auf den unzureichenden Maßstab von § 65 BHO wurde insoweit schon mehrfach eingegangen. Dies gilt weiterhin für § 92 BHO, der die Prüfung durch den Bundesrechnungshof auf kaufmännische Grundsätze festlegt und damit die satzungsmäßige Festlegung öffentlicher Zwecksetzung in gewissem Sinne konterkariert. Zu nennen ist aber auch § 395 AktG, der die Verschwiegenheitspflicht undifferenziert am Rahmen gesellschaftsrechtlicher Betriebsgeheimnisse orientiert. Soweit die privatrechtsförmige Verwaltung nicht die gebotene Legitimität erwarten läßt, sollte von der Organisationsprivatisierung Abstand genommen werden. dd) Kompensations- und Rechtfertigungsansätze für Legitimationsdefizite Für diejenigen privatrechtsförmigen Verwaltungseinheiten, die nicht in ausreichendem Maße der parlamentarischen Kontrolle unterliegen, ist danach zu fragen, ob der daraus folgende Mangel demokratischer Legitimation im Wege der Kompensation ausgeglichen oder aus anderen Gründen gerechtfertigt werden kann. Die Privatisierungsdiskussion ist bislang nur selten über die Feststellung der Kontrolldefizite hinausgelangt, so daß diesem Punkt besondere Bedeutung beizumessen ist. Um hier gewissermaßen „Boden unter die Füße zu bekommen“, bietet sich ein Rückgriff auf die Ergebnisse zu den ministerialfreien Räumen an, die hinsichtlich der Kontrollfrage mit den Privatrechtsvereinigungen vergleichbar sind. Darum kann davon abgesehen werden, die fruchtlosen Ansätze zu Legitimationsniveau, politischer Tragweite und Bagatellgrenzen209, Kontrollverzicht210, Betroffenenpartizipation211 und Effektivitätsabwägungen212 erneut auszubreiten. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die im Fall der Organisationsprivatisierung ein anderes Ergebnis erwarten lassen.

209 Ossenbühl VVDStRL 29, 137, 160; Vitzthum, AöR 104, 580, 629, Mayen, DÖV 2004, 45, 51. 210 Für die Privatisierung ablehnend D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 127. 211 Röper, Der Staat 37, 249, 269, 282: Ergänzung der demokratischen Kontrolle durch Verbraucherkontrolle im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge. 212 Als Rechtfertigungsgrund angedeutet bei Glauben, ZParl 1998, 496, 506.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

(1) Unmittelbare parlamentarische Kontrolle Auf eine Ergänzung der demokratischen Legitimation zielt der mit gewisser Regelmäßigkeit anzutreffende Vorschlag, die privatrechtsförmigen Verwaltungsträger unmittelbar der parlamentarischen Kontrolle zu unterstellen und aus diesem Grund die Aufsichtsräte mit Parlamentariern zu besetzen. Nun entspricht es einem eher eingeschränkten demokratischen Verständnis, jegliche Betätigung von Abgeordneten mit demokratischer Legitimation gleichzusetzen. In dieser Form steht ihr bereits der Grundsatz der Gewaltenteilung entgegen. Hier ist daran zu erinnern, daß sich die parlamentarische Kontrolle nämlich grundsätzlich – auch im Fall verselbständigter Verwaltungsträger – auf die Regierung bezieht, die an der Spitze der Exekutive steht. Die Ausführungen zu den Kontrollinstrumenten haben deutlich gemacht, daß ein unmittelbarer Zugriff auf einzelne Verwaltungseinheiten nur unter besonderen Voraussetzungen möglich ist: Petitionsinformationsrecht und Enquête-Recht richten sich nur deshalb gegen die privatrechtsförmige Verwaltung, weil sie über entsprechende verfassungsrechtliche Grundlagen verfügen. Darüber hinaus stellt sich aber die Frage, ob die Beteiligung von Parlamentariern überhaupt geeignet ist, demokratische Legitimation zu vermitteln. Allein durch sie ändert sich in den problematischen Fällen nichts an den nur begrenzten Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschäftsführung, weil die eigentliche Ursache für das Legitimationsdefizit, nämlich der fehlende Verantwortungszusammenhang, nicht beseitigt wird. Außerdem müßte die Besetzung der Aufsichtsräte auch die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse abbilden. Diese schon für die Parlamentsausschüsse umstrittene Frage213, kann bei den zahlenmäßig kleineren und nicht ausschließlich mit Volksvertretern besetzten Aufsichtsräten als ausgeschlossen betrachtet werden214. Wenn der Beteiligung von Abgeordneten gleichwohl ein demokratischer Wert zugesprochen wird, ist dieser also nicht auf dem Feld der Legitimation, sondern auf dem der Legitimität zu suchen. Die unmittelbare Teilnahme in einem gesellschaftsrechtlichen Kontrollgremium gewährt eine größere Sachnähe und läßt darum eine gesteigerte Effektivität der parlamentarischen Kontrolle erwarten. Der einzelne Abgeordnete gewinnt einen unmittelbaren Überblick über den Kontrollbereich und den konkreten Kontrollinhalt. Umgekehrt ist die Organstellung allerdings mit den bereits besprochenen Verschwiegenheitspflichten verbunden, so daß sich der Informationsvorteil nicht auf das Parlament als Ganzes übertragen läßt215. Wichtiger ist noch die Feststellung, daß die einzelnen Abgeordneten damit zugleich an der Exekutive teilhaben216. Weil sich das Gebot 213 214 215

Zu den Parlamentsausschüssen 1. Kap., V. 2. a). Gusy, ZRP 1998, 265, 269; Glauben, ZParl 1998, 496, 408. Gusy, ZRP 1998, 265, 269.

III. Organisationsprivatisierung

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parlamentarischer Kontrolle trotzdem weiterhin auf die Aufsichtsräte erstreckt, kommt es zu einer Teilidentität von Kontrollorgan und Kontrollobjekt. Dies verringert jedoch nicht nur die für Kontrolle erforderliche Distanz, sondern führt auch zu Verantwortungsvermischung mit der Gefahr von Interessenkollisionen, weil die Abgeordneten neben ihrem Kontrollauftrag zugleich dem Betriebsinteresse verpflichtet sind217. Der Unmittelbarkeit einzelner Abgeordneter stehen damit gewichtige Gründe gegenüber, die der Effektivität der parlamentarischen Kontrolle wiederum abträglich sein können und darum bei der Bewertung der Legitimität Beachtung finden müssen. Im Ergebnis ist die Beteiligung von Abgeordneten in Aufsichtsräten von privatrechtlich organisierten Verwaltungseinheiten also nicht geeignet, zu deren demokratischen Legitimation beizutragen. Im Hinblick auf ihre Legitimität ist sie zweischneidig. (2) Wirtschaftlichkeit als Verfassungsprinzip Mit dem Wirtschaftlichkeitsprinzip unternimmt Gersdorf einen neuerlichen Ansatz zur Einschränkung des Demokratieprinzips im Wege der praktischen Konkordanz218. Verfassungsrechtlich lokalisiert er es in Art. 114 Abs. 2 GG und den abgabenrelevanten Grundrechten219. Wirtschaftlichkeit sei danach eine Optimierungsmaxime, die auf die staatliche Aufgabenerfüllung einschließlich ihrer Organisation gerichtet sei. Soweit sie in Widerspruch zu den Anforderungen des Demokratieprinzips gerate, komme dessen Einschränkung grundsätzlich in Betracht. Auf die Abwägungen Gersdorfs, in welchen Fällen das eine bzw. das andere Prinzip den Vorrang habe, muß hier nicht weiter eingegangen werden. Maßgeblich ist indessen folgende Überlegung: Wie Gersdorf selbst feststellt, löst das Grundgesetz das Spannungsverhältnis dort auf, wo es eine verfassungsrechtliche Formentypik gibt220. Obwohl er dafür – dem Thema seiner Untersuchung folgend – nur auf Art. 87e und Art. 87f GG Bezug nimmt, wird man das gleiche für andere Verfassungsbestimmungen behaupten können, die Abweichungen vom Legitimationsmodell zum Inhalt haben. Damit entspricht die Argumentation aber dem hier zugrundegelegten Optimierungsgedanken, der dem Grundgesetz bereichsspezifische Konkretisierungen des Demokratieprinzips zuweist. Entscheidend ist daran, daß sich dies nicht nur auf die Rechtsprechung, den Bundesrechnungshof und die Selbstverwaltung bezieht, sondern das Legitimationsmodell der Exekutive selbst betrifft. Auch hier hat man es nicht mit 216 Haverkate, VVDStRL 46, 217, 233 f.; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 271. 217 Glauben, ZParl 1998, 496, 408; Weisel, Privatisierung und Beleihung, 224 f.; Röper, Der Staat 37, 249, 271. 218 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, 408 ff. 219 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, 430 ff., 447. 220 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, 479 f.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

dem „Demokratieprinzip in Reinform“ zu tun, das Abwägungen offensteht, sondern mit einem spezifischen Organisationsmodell. Wirtschaftlichkeitsüberlegungen, soweit sie nicht bereits auf verfassungsrechtlicher Ebene wirksam geworden sind, können sich also nur innerhalb der demokratischen Legitimationsanforderungen verwirklichen, nicht aber gegen sie221. (3) Verfassungsrechtliche Sonderregelungen Die gerade angesprochenen Art. 87e Abs. 3 S. 1, 87f Abs. 2 S. 1 GG bilden prominente Beispiele für verfassungsrechtliche Sonderregelungen zur Privatisierung. Das Grundgesetz sieht vor, daß die Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form wahrgenommen werden, Dienstleistungen im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation sind als privatwirtschaftliche Tätigkeit zu erbringen. Damit verbinden sich nicht nur die Anordnung der Organisationsprivatisierung ehemaliger Sondervermögen des Bundes, sondern auch Anforderungen an ihre Ausgestaltung222. Vorbild und Ziel sind die allgemeinen Gesellschaftsformen des Privatrechts mit ihrer kaufmännischen, wettbewerbs- und gewinnorientierten Führung nach handelsrechtlichen Grundsätzen223. Dies schließt nicht nur eine Gemeinwohlbindung der Unternehmen aus, sondern verbietet auch eine Einbindung in den staatlichen Verantwortungszusammenhang. Im Hinblick auf die demokratischen Anforderungen müssen Art 87e Abs. 3 S. 1, 87f Abs. 2 S. 1 GG als verfassungsrechtliche Optimierungswertungen verstanden werden, die sich mit dem Ziel vollständiger Aufgabenprivatisierung erklären lassen. Umgekehrt bilden die genauen Vorgaben über die Reichweite dieser Privatisierung und die staatliche Gewährleistungsverantwortung die erforderlichen rechtsstaatlichen und demokratischen Absicherungen. Es handelt sich um Ausnahmebestimmungen, die nicht auf andere Fälle der Organisationsprivatisierung übertragen werden können. Weitere ausdrückliche Regelungen bestehen nicht. Zu denken ist aber an grundrechtliche Organisationswirkungen gemäß Art. 5 Abs. 3, die vor allem bei Vereinen im Bereich von Forschung und Kunst relevant werden können224. Darum gilt hier, ebenso wie im Bereich der ministerialfreien Räume, daß Ab-

221 Dies entspricht letztlich auch dem Ergebnis von Gersdorf, a. a. O., 499, der das Spannungsverhältnis dadurch auflöst, daß er in Fällen staatlicher Aufgabenverantwortung einen Vorrang des Demokratieprinzips annimmt und im übrigen die Subsidiarität staatlicher Aufgabenerfüllung postuliert. 222 Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz 3, Art. 87e, Rn. 43. 223 Windthorst, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 87e, Rn. 37; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar III, Art. 87f, Rn. 16. 224 D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 126 f. Dazu bereits im 3. Kap., VI. 2. a) bb) (4).

III. Organisationsprivatisierung

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weichungen von den demokratischen Regelanforderungen nur zum kleinen Teil anhand von Verfassungsbestimmungen erklärt und begründet werden können. ee) Übertragung des Optimierungsgedankens In den Begründungen für die Wahl privatrechtlicher Organisationsformen findet sich neben der größeren Flexibilität auch das Ziel einer Entpolitisierung bzw. einer Distanzierung der Aufgabenerledigung von den politischen Entscheidungsabläufen225. Aus dieser Sicht ist die relative Selbständigkeit, die das Gesellschaftsrecht mit sich bringt, nicht nur hingenommene Begleiterscheinung, sondern erwünschter Effekt. Die dahinter stehenden Motive führen zum Optimierungsgedanken zurück, der hier für die ministerialfreien Räume entwickelt wurde. Die Verringerung von Einflußmöglichkeiten auf eine privatrechtliche Verwaltungseinheit ist danach nur vordergründig mit einem Mehr an Freiheit für die Geschäftsführung oder den Vorstand gleichzusetzen. Tatsächlich kann es auch darum gehen, die Erfüllung eines öffentlichen Zwecks gerade dadurch zu gewährleisten, daß er aus der Abwägungskonkurrenz zu anderen Gemeinwohlzielen herausgenommen wird. Soweit eine konkrete, demokratisch zulässige Aufgabe im Wege des Legitimationsmodells der Exekutive nicht erfüllt werden kann, erweist sich das Demokratieprinzip als offen für die Einschränkung eben derjenigen Faktoren, die der Erfüllung entgegenstehen. Zwar ist bereits die rechtliche Verselbständigung geeignet, den Abwägungsdruck zu verringern, staatlicherseits bleiben aber die demokratisch erforderlichen Mittel der Staatsaufsicht das Einfallstor, die jeweilige Zweckbestimmung der verselbständigten Verwaltungsträger mit fremden Aufgaben zu überlagern, so daß in Einzelfällen eine noch weitergehende Unabhängigkeit demokratisch geboten sein kann226. Auf die demokratietheoretische Begründung ist an dieser Stelle zu verweisen227. Ihre Übertragung auf privatrechtliche Organisationsmodelle ist grundsätzlich möglich, weil und soweit diese über den Gesellschaftsvertrag bzw. ihre Satzung auf einen konkreten öffentlichen Zweck festgelegt werden können228. Gerade das Aktienrecht einschließlich seiner konzernrechtlichen Bestimmungen 225

Nachweise dazu 4. Kap., III. 1. und 3. b) aa) (1), Fn. 137. Vergleichbar damit sind die von H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 252, genannten besonderen Erfordernisse der Kulturpolitik, in denen er eine Rechtfertigung für die privaten Mittlerorganisationen erblickt. 227 Siehe 3. Kap., VII. 2. b) bb). 228 Eine Andeutung des Optimierungsgedankens läßt sich auch § 65 Abs. 1 Nr. 1 BHO entnehmen, wonach eine Beteiligung des Bundes an privatrechtlichen Unternehmen nur dann zulässig ist, wenn sich der angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen läßt. Wenn in § 65 BHO nämlich die gesetzgeberische Anerkennung des Vorrangs des Gesellschaftsrechts zu sehen ist, kann das nur heißen, daß Abweichungen von öffentlichen-rechtlichen Bindungen zumindest unter der Bedingung stehen, daß der angestrebte Zweck anders nicht erreicht werden kann. 226

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

erweist sich für die Abwehr gesellschaftsfremder Einflüsse als besonders geeignet. Was der demokratischen Legitimation im Normalfall entgegensteht, könnte unter besonderen Umständen also gewollt und zulässig sein. Voraussetzung dafür ist jedoch, daß die Erfüllung der Aufgabe unter den gegebenen Umständen schlechthin unmöglich ist. Bloße Effizienzgewinne, die gerade daraus resultieren, daß sich die Verwaltung rechtsstaatlichen und demokratischen Bindungen entzieht, genügen diesen Anforderungen nicht. Für das Gros der privatrechtsförmigen Verwaltung kommt dieser Begründungsansatz darum nicht in Betracht. Im übrigen ist er mit weiteren Voraussetzungen verbunden: Aus der demokratischen Tragweite, die mit der Unabhängigkeit einhergeht, folgt nicht nur, daß die Entscheidung über die Organisationsprivatisierung in diesen Fällen dem Gesetzesvorbehalt unterliegt, sondern auch, daß die Zwecksetzung selbst gesetzlich und mit hohem Bestimmtheitsgrad vorgegeben sein muß. Der Exekutive darf darum nur die Umsetzung im Gründungsvorgang vorbehalten bleiben, die ihrerseits einer besonderen Kontrolle bedarf. Zu denken ist hier an die nur in Ausnahmefällen möglichen parlamentarischen Zustimmungsvorbehalte229. Weiterhin muß abgesichert werden, daß eine autonome Änderung des Gesellschaftszwecks bzw. gegenstandes nicht möglich bzw. nur im Rahmen des gesetzlich Vorgegebenen zulässig ist. Kehrseite der zweckgebundenen Unabhängigkeit ist, daß für die Aufgabenerfüllung ein Höchstmaß an rechtsstaatlicher und demokratischer Legitimität zu fordern ist. Sie muß einerseits die Wahrung der Zwecksetzung sicherstellen und andererseits deren Entwicklung transparent halten, um das Parlament in den Stand zu setzen, im Weg der begrenzten parlamentarischen Kontrolle und als Gesetzgeber zeitnah einzugreifen. Hierzu kann – trotz der Gefahr der Verantwortungsvermischung – auch an die Entsendung von Abgeordneten in die Aufsichtsräte gedacht werden. Entscheidend ist, daß die Bindung der Aufsichtsratsmitglieder an den Gesellschaftszweck genau dem Anliegen entspricht, das mit dem besonderen Organisationsmodell verfolgt wird, so daß daraus keine Einschränkung der Kontrolle abgeleitet werden kann. Ein ernsthaftes Problem bleiben jedoch die Verschwiegenheitspflichten. Hier bedarf es gesetzlicher Berichtspflichten, die diesen Punkt berücksichtigen. Aus diesen Bedingungen ist abzuleiten, daß auch das Schicksal der zweckgebunden-unabhängigen Privatrechtsvereinigungen Teil der parlamentarischen Steuerungsmöglichkeit bleiben muß, also nicht mit der Gründung aus der Hand gegeben werden darf. Die Veränderung der Zweckbindung wie auch die weitere Verselbständigung zu einem späteren Zeitpunkt unterliegen den gleichen Legitimationsvoraussetzungen wie der Gründungsvorgang. Das Parlament muß darauf Einfluß nehmen können, die Zweckbindung zu verändern, die Unabhängigkeit aufzuheben oder die juristische Person als solche aufzulösen. Weil es sich ausnahmslos um Grundsatzentscheidungen der Gesellschafter- bzw. der Hauptver229

Vgl. dazu 1. Kap., IV. 6. e).

III. Organisationsprivatisierung

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sammlung handelt, für die eine 3/4-Mehrheit erforderlich ist (§§ 53 Abs. 2, 54 GmbHG, §§ 119 Abs. 1 Nr. 5, Nr. 8, 179 AktG)230, erweisen sich die gemischtwirtschaftlichen Vereinigungen als besonders problematisch. Im Fall nur einfacher Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand ist diese Voraussetzung nicht mehr gegeben. Sie wird nicht dadurch kompensiert, daß für bestimmte Satzungsänderungen ein Zustimmungserfordernis des staatlichen Gesellschafters vereinbart wird, weil damit nur eine Verhinderungs-, aber keine Veränderungsposition geschaffen wird. Solange die Geschäftsführung in gemischt-wirtschaftlichen Gesellschaften nicht in den demokratischen Verantwortungszusammenhang eingegliedert ist, sind diese als Form der Organisationsprivatisierung nur dann zulässig, wenn dem Staat eine satzungsändernde Mehrheit zukommt. Der Optimierungsgedanke ist aber nicht nur auf Ausnahmefälle beschränkt, die die Abwehr von aufgabenfremden Störungen zum Inhalt haben, sondern findet in den gemischt-öffentlichen Privatrechtsvereinigungen ein weiteres Anwendungsfeld. Bei ihnen stehen sich die Erfordernisse demokratischer Legitimation einerseits und die gemeinschaftliche Aufgabenerledigung andererseits scheinbar unversöhnlich gegenüber. Das Fehlen einer einheitlichen Legitimationsbasis ist hier nicht nur Grund für das Versagen des Legitimationsmodells, sondern zugleich notwendige Existenzvoraussetzung für diese Organisationsform. Es ist offenkundig, daß sich die jeweilige Gemeinschaftsaufgabe nur im Wege der Zusammenarbeit der einzelnen Verwaltungsträger verwirklichen läßt, ohne daß sich das Handeln der gemischt-öffentlichen Vereinigung von jedem Einzelnen aus legitimiert. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Gemeinschaftsaufgabe vorausgesetzt231, bedarf es für ihre Erfüllung darum keiner demokratischen Ableitung von jedem der beteiligten Legitimationssubjekte232. Die Gemeinschaft der beteiligten Verwaltungsträger bildet hier eine Art funktionale Selbstverwaltung233. Sie setzt voraus, daß die einzelnen Beiträge über vollständige demokratische Legitimation verfügen, die Zwecksetzung der Privatrechtsvereinigung hinreichend bestimmt ist sowie Vorkehrungen für ihre Einhaltung 230 Gesellschaftsrechtlich wird zwischen Gesellschaftszweck und -gegenstand unterschieden (sehr strittig). Dies ist von Belang, als nach teilweise vertretener Ansicht die Änderung des Gesellschaftszwecks entsprechend § 33 BGB Einstimmigkeit erfordere (Schön, ZGR 1996, 429, 445 m.w. N.). Auch wenn eine Vertiefung dieser Frage hier nicht möglich ist, muß zumindest darauf hingewiesen werden, daß die öffentliche Zwecksetzung nicht mit diesem Gesellschaftszweck gleichzusetzen ist, sondern wegen ihres Aufgabenbezugs auch den Gesellschaftsgegenstand umfaßt. 231 Zweifel beruhen hier insbesondere auf Einbrüchen in die föderale Kompetenzverteilung. 232 Vgl. demgegenüber den Ansatz Gersdorfs, Öffentliche Unternehmen, 363, der zur Rechtfertigung von Demokratiedefiziten in Bund-Länder-Kooperationen das Bundesstaatsprinzip heranzieht. Dies versagt jedoch nicht nur bei Kooperationen anderer juristischer Personen des öffentlichen Rechts, sondern ändert auch nichts an dem Vorwurf, daß es sich um minderdemokratische Einrichtungen handeln würde. 233 Dazu D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 265.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

getroffen sind, die im Fall der Verletzung auch für den Einzelnen durchsetzbar sind. c) Ergebnis Zum Abschluß dieser Betrachtung ist auf die Formwahlfreiheit zurückzukommen. Dieser Begriff ist ernst zu nehmen: Die Freiheit bezieht sich tatsächlich nur auf die Form, nicht aber auf die dahinter stehende privatautonome Freiheit derer, an die sich die Privatrechtsformen ursprünglich richteten. Kehrseite der Organisationsprivatisierung ist darum die Verpflichtung der öffentlichen Hand, für die uneingeschränkte Geltung ihrer verfassungsrechtlichen Bindungen zu sorgen. Hier stellt das demokratische Prinzip eine Einschränkung der Formwahlfreiheit dar: Soweit privatrechtliche Organisationsformen parlamentarische Kontrolle und demokratische Legitimation nicht in ausreichendem Maße zulassen, scheiden sie aus dem staatlichen Instrumentarium aus. Die dafür maßgeblichen Kriterien sind dieselben, die auch für öffentlich-rechtliche Organisationsformen gelten. Nur soweit ihnen genügt wird, besteht aus demokratischer Sicht Formwahlfreiheit234. Vor diesem Hintergrund ist anzumerken, daß die Privatisierungspraxis der vergangenen Jahre den demokratiestaatlichen Anforderungen weithin nicht entspricht. Vielmehr hat sich mit ihr ein demokratisch exemter Handlungsbereich entwickelt, der eine „weitgehende Entlassung aus dem demokratischen Autorisations-, Legitimations- und Kontrollzusammenhang“235 bedeutet. Hier läßt sich zu Recht von einer „Flucht ins Privatrecht“ sprechen, die es zu korrigieren gilt. Die erhofften Vorteile größerer Flexibilität lassen sich jedenfalls nicht im Weg der einfachen Organisationsprivatisierung realisieren.

IV. Aufgabenprivatisierung 1. Begriffsbestimmung Gewissermaßen das Gegenstück zur Organisationsprivatisierung ist die Aufgabenprivatisierung. Bei ihr werden ehemals staatliche Aufgaben nicht nur in privatrechtlicher Organisationsform wahrgenommen, sondern die Organisation ist darüber hinaus selbst in privatem Eigentum236. Es geht mithin um die Privatisierung von Organisation und Aufgabe. Aus diesem Grund wird Aufgabenpri234 Ebenso H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 295, wonach die Würfel für oder gegen die Verwendung von Privatrechtsformen für die öffentliche Verwaltung auf dem Felde demokratischer Steuerungskapazitäten fallen. 235 H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 259 f. 236 Weisel, Privatisierung und Beleihung, 47.

IV. Aufgabenprivatisierung

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vatisierung auch materielle Privatisierung genannt. Andere Bezeichnungen sind Entstaatlichung, Entkommunalisierung, Popularprivatisierung237, echte Privatisierung und Privatisierung im engeren Sinne238. In der Regel liegt ihr eine Neubewertung über die wahrgenommene Aufgabe zugrunde, für die eine staatliche Erfüllungsverantwortung nicht mehr notwendig gehalten wird239. Der Staat zieht sich in diesem Fall auf eine Beobachterrolle zurück, die er mittels staatlicher Aufsicht mehr oder weniger intensiv ausfüllt240. Allerdings ist Aufgabenprivatisierung nur zum Teil als formloser Rückzug des Staates denkbar. In den Fällen von Bundespost und Bundesbahn, die zu den bedeutendsten Beispielen staatlicher Privatisierungspolitik gehören, handelt es sich um komplexe Transformationsprozesse, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und durch besondere Regulierungsbehörden begleitet werden. Aufgabenprivatisierung ist insoweit nicht mit Deregulierung zu verwechseln, da für sie sogar eine Zunahme an Regelungen zu beobachten ist241. Soweit sich der Staat einzelne Aufgabenteile vorbehält, handelt es sich um partielle Aufgabenprivatisierung. Diese an sich unproblematische Entscheidung über die Reichweite der Aufgabenprivatisierung führt zu Abgrenzungsproblemen, je enger die vorbehaltene Aufgabe mit der privatisierten verbunden ist. Hier bedarf es besonderer Regelungen zwischen Staat und Unternehmen, die die jeweiligen Kompetenzen zuordnen. Führen sie jedoch zu einem Kooperationsverhältnis, das als gemeinsames, verantwortungs- und entscheidungsteilendes Verwalten in Erscheinung tritt, ist der Anwendungsbereich der reinen Aufgabenprivatisierung verlassen. 2. Aufgabenprivatisierung und Staatsgewalt Vollständige materielle Privatisierung erlaubt die privatautonome Wahrnehmung einer vormals staatlichen Aufgabe. Das private Handeln ist keine Staatsgewalt und unterliegt damit keinen demokratischen Anforderungen. 3. Bedingungen der parlamentarischen Kontrolle Das Verhältnis von parlamentarischer Kontrolle und Aufgabenprivatisierung erweist sich bei rein formaler Betrachtung als unproblematisch. Mangels Staatsgewalt findet das Demokratieprinzip keine Anwendung. Für parlamentarische Kontrolle besteht darum keine Notwendigkeit. Diese idealtypische Variante ist 237 238 239 240 241

Kämmerer, JZ 1996, 1042, 1044. Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, Vor § 90, Rn. 13. Huber, Allgemeines Verwaltungsrecht, 166. Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 149; Kahl, Staatsaufsicht, 382. Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, 59.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

jedoch selten und darf nicht den Blick darauf verstellen, daß auch die Aufgabenprivatisierung dogmatische Herausforderungen an die parlamentarische Kontrolle mit sich bringt. Wie schon bei der Organisationsprivatisierung ist das Ergebnis der Aufgabenprivatisierung vom Privatisierungsvorgang zu unterscheiden. Dieser liegt in staatlicher Hand und bedarf darum der demokratischen Legitimation. Dem Bundestag stehen dafür gegenüber den zuständigen Verwaltungsstellen alle verfassungsmäßigen Kontrollmittel zur Verfügung. Aus dem Haushaltsrecht treten die Einwilligungsvorbehalte des Bundestages gemäß §§ 64 Abs. 2, 65 Abs. 7 BHO hinzu, soweit es zugleich um die Veräußerung von Grundstücken oder Unternehmensbeteiligungen von besonderem Wert geht, die nicht im Haushaltsplan vorgesehen ist. Obwohl diese Regelungen nicht unmittelbar auf die Aufgabenprivatisierung gerichtet sind, so daß ihnen keine Wertung darüber entnommen werden kann, ob der Gesetzgeber dieser Frage erhöhte Bedeutung beimißt, ergänzen sie die parlamentarische Kontrolle von Aufgabenprivatisierungen. Auch nach einer Aufgabenprivatisierung wird der Staat aus verschiedenen Gründen noch ein Interesse daran haben, daß die Aufgabe überhaupt bzw. in besonderer Weise erfüllt wird. Eine Möglichkeit besteht darin, daß der Staat lediglich bestimmte Aufgabenteile privatisiert und für andere die Erfüllungsverantwortung behält. Bei näherer Betrachtung handelt es sich hierbei um eine Frage der Reichweite der Aufgabenprivatisierung. Eine andere Möglichkeit läßt sich als Teilung von Unternehmensträgerschaft und Verantwortungsträgerschaft beschreiben242. Während die Aufgabenwahrnehmung von privaten Unternehmen rein privatautonom und damit in der Regel effizienzorientiert erfolgt, haben staatliche Aufsichts- oder Regulierungsbehörden dafür zu sorgen, daß ihnen vorgegebene Gemeinwohlziele erreicht werden243. Es handelt sich um eine Form der qualitativen Teilprivatisierung. Anders als bei der Organisationsprivatisierung besteht im Verhältnis zwischen Staat und juristischer Person des Privatrechts keine Staatsaufsicht im engeren Sinne, sondern eine „neuartige, modifizierte Form von Wirtschaftsaufsicht“244. Die parlamentarische Kontrolle erfaßt in diesen Fällen nur das Handeln der staatlichen Stellen und ist auf ihren Zuständigkeitsrahmen begrenzt. Die Privatrechtssubjekte bleiben von parlamentarischer Kontrolle frei. Die Aufgabenabschichtung zwischen Staat und Gesellschaft erweist sich bei näherer Betrachtung gerade dann als schwierig, wenn es sich um einen fließenden Prozeß zunehmender Einwirkungsreduzierung handelt. Weil leicht die Frage entsteht, ob im Einzelfall noch von staatlicher oder privater Aufgabenzuständigkeit auszugehen ist, weicht die Privatisierungsdiskussion hier auf den flexible242 243 244

Gusy, ZRP 1998, 265, 268. Verfassungsrechtliche Beispiele dazu bilden Art. 87e Abs. 4, 87f Abs. 1. Kahl, Staatsaufsicht, 382.

IV. Aufgabenprivatisierung

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ren Begriff der Verantwortung aus245. Im Bereich der Leistungsverwaltung wird die Aufgabenprivatisierung als Übergang von der staatlichen Erfüllungsverantwortung hin zur Gewährleistungs- bzw. Überwachungsverantwortung umschrieben246. Systematisch handelt es sich um Verantwortungsteilung247. Damit kommt deutlich zum Ausdruck, daß der Staat nicht mehr selbst die Leistung erbringt, sondern nur noch die Erfüllung gewisser Ziele durch Dritte kontrolliert und bei deren Versagen unter Umständen selbst einspringen muß. Die Verantwortungsabstufungen sind zugleich Bestandteile einer verwaltungswissenschaftlichen Systematisierung, die auf eine Verantwortungsordnung im Kooperationsspektrum zwischen Staat und Gesellschaft zielt248. Man kann sie sich als Skala vorstellen, auf der sich mit der Privatisierung die Verantwortung des Staates hin und her bewegt249. Damit bestätigt sich der heuristische Wert, der dem Verantwortungsbegriffs allgemein bescheinigt wird250. Allerdings wird auch der Eindruck erweckt, der Unterschied zum status quo ante bestehe in einem jeweils geringeren Maß an Verantwortung251. Teilprivatisierung wäre dann ein fortlaufender Verantwortungsverlust, der sich mit geringer werdender Staatlichkeit auf völlige Nichtverantwortung zubewegt. Bei Kapitalgesellschaften kann sie mit der Einwirkungsreduktion von der Eigengesellschaft bis hin zur bloßen Minderheitsbeteiligung verglichen werden252. Dies ist ebenso plastisch wie mißverständlich. Die Privatisierungsdiskussion läßt in diesem Punkt eine Vergewisserung über den Verantwortungsbegriff vermissen, den sie lediglich voraussetzt, aber nicht hinterfragt. Richtigerweise folgt Verantwortung der Aufgabenzuständigkeit nach253. Wird sie hingegen antizipiert, handelt es sich im eigentlichen Sinn um „gesollte Verantwortung“. Für 245

Siehe dazu die Ausführungen zur funktionalen Privatisierung 4. Kap., V. Vgl. dazu Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem/Schuppert, Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts, 11, 43 f.: Beratungs-, Überwachungs-, Organisations-, Einstandsverantwortung; Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433, 440 ff.: Gewährleistungs-, Erfüllungs-, Ergebnis- bzw. Auffangverantwortung; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 404 f., unterscheidet die Gewährleistungsverantwortung zusätzlich noch in Überwachungs- und Regulierungsverantwortung; H. Bauer, VVDStRL 54, 243, 277 ff.: Erfüllungs-, Kontroll-, Privatisierungsfolgen- und Beobachtungsverantwortung. 247 Weiß, DVBl. 2002, 1167, 1172 f. Unklar ist die Verwendung bei Burgi, in: Geis/ Lorenz, Festschrift Maurer, 581, 584, 592, der die Beleihung einerseits als Verantwortungsteilung zwischen Staat und Gesellschaft bezeichnet und andererseits von fortbestehender staatlicher Erfüllungsverantwortung spricht. 248 Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 400, 411, spricht hier von einem Schlüsselbegriff für die analytische Durchdringung einer im Kooperationsspektrum staatlicher und privater Aufgabenerfüllung handelnder Verwaltung. 249 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54, Rn. 8. 250 Siehe dazu aber 1. Kap., III. 2., Fn. 75. 251 So etwa Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 403, der eine gewisse Verwandtschaft zu Begriffen wie Regelungs- und Kontrolldichte sieht. 252 Spannowsky, ZGR 1996, 400, 414. 253 Grundlegend dazu 1. Kap., III. 2. a). 246

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

jede Aufgabe besteht volle Verantwortung, so daß sich die Verantwortungstypen nicht durch das Maß der Verantwortung, sondern durch die Aufgabe unterscheiden. Geringere Verantwortung – etwa im Vergleich zur Erfüllungsverantwortung – kann darum nicht mit geringeren staatlichen Einwirkungen, sondern nur mit einem qualitativ anderen Aufgabenbereich erklärt werden. Besser wäre es darum, nicht von Abstufungen, sondern von Kategorien zu sprechen. Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Aufgabe und Verantwortung ist zugleich der Grund für die zu beobachtende terminologische Uneinheitlichkeit in der Privatisierungsdiskussion254. Die Zahl der Verantwortungsbegriffe ist praktisch ebenso groß wie die der staatlichen Aufgaben255. Jede Verantwortungsordnung bleibt darum nur der Versuch einer Abstrahierung, der mit gleichem Recht wieder in Frage gestellt und verändert werden kann256. Der Verantwortungsbegriff mag die durch Privatisierung veränderte Stellung des Staates zur Aufgabenerfüllung veranschaulichen, die notwendige Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft wie auch die Bestimmung der wechselseitigen Aufgabenverteilung läßt sich auf diesem Weg aber nicht umgehen257. Genau daraus, so ist zu vermuten, leitet sich aber seine bevorzugte Verwendung ab. Jede Aufgabenkonkretisierung gerät insbesondere im staatlich-gesellschaftlichen Kooperationsverhältnis in rechtsdogmatische Schwierigkeiten und Begründungszwänge. Geht man demgegenüber vom Verantwortungsbegriff aus, wird die Rechtfertigung – nämlich in Form der Verantwortung – scheinbar und ex nihilo mitgeliefert258. Ob sich auf dieser Basis tatsächlich ein „Verwaltungskooperationsrecht“259 entwickeln läßt, ist mehr als fraglich. Die Teilaufgabenprivatisierung führt nicht nur zu einer Veränderung staatlicher Aufgaben, sondern auch der parlamentarischen Kontrolle. Regulierungsbehörden bilden hier schon organisatorisch einen veränderten Anknüpfungspunkt. Für die Frage ihrer Legitimität ist folgendes zu berücksichtigen: Daß die zusätzlichen Regulierungserfordernisse über die reine Wirtschaftsaufsicht hinausgehen, ist damit zu begründen, daß Privatisierung in der Regel einen Ingerenztat-

254

Zur fehlenden Systematisierung 4. Kap., I. So finden sich bei Schuppert, Verwaltungswissenschaft, Stichwortregister, nicht weniger als einundzwanzig Verantwortungstypen, während der Begriff der Staatsgewalt bezeichnenderweise kein einziges Mal erscheint. 256 Als Beispiel dafür mag erneut Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 403 f., dienen, der wahlweise eine möglichst weite Ausdifferenzierung von Verantwortungsstufen oder die Bildung von Grundtypen vorschlägt. 257 Ebenso Weiß, DVBl. 2002, 1167, 1168, Fn. 8, 1175, der darum zutreffend feststellt, daß die Lehre von der Staatsverantwortung notwendig eine Lehre von den Staatsaufgaben sein müsse, a. a. O., 1173. 258 Vgl. Möllers, Verw.Archiv 90, 187, 199; ders., Staat als Argument, 289 ff., der in ähnlicher Weise die suggestive Verwendung des Verantwortungsbegriffs kritisiert. Siehe weiterhin Weisel, Privatisierung und Beleihung, 131. 259 Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 412. 255

V. Funktionale Privatisierung

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bestand bildet, der den Staat in eine Garantenstellung bringt. Gefordert ist deswegen allerdings nicht nur die parlamentarische Kontrolle der Exekutive als solche, sondern in gleichem Maße auch deren Wirksamkeit. Je eher einzelne Maßnahmen mit erhöhter Grundrechtsrelevanz und mit besonderer Bedeutung für Ziele der Gemeinwohlverwirklichung verknüpft sind, bedürfen sie zusätzlicher Absicherungen der parlamentarischen Überwachung. Daraus folgen also auch hier Rückwirkungen auf den Privatisierungsvorgang, etwa durch die Einrichtung besonderer Regulierungsbehörden, Ministervorbehalte oder parlamentarische Berichtspflichten.

V. Funktionale Privatisierung 1. Begriffsbestimmung Die funktionale Privatisierung ist als eigener Privatisierungstypus weithin anerkannt, allerdings ist sie formenreich und in ihren Einzelheiten heftig umstritten. Der bisweilen vermittelte Eindruck, es mehr mit einem Sammelbegriff zu tun zu haben, läßt erahnen, daß Privatisierung hier noch am weitesten von einer Systematisierung entfernt ist. Relative Einigkeit scheint immerhin darüber zu bestehen, daß es um die Einschaltung von Privaten in die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben hinsichtlich ihrer Vorbereitung oder Durchführung gehe, während die Aufgabenträgerschaft der öffentlichen Hand unverändert bleibe260. Das Ziel sei weder Integration noch Selbstverwaltung, sondern die Aktivierung und Ausnutzung privaten Sachverstandes, privaten Verwaltungspotentials, die Inanspruchnahme privater Situationsbeherrschung im Einzelfall sowie die Rationalisierung und Ökonomisierung der Aufgabenerfüllung261. Inhaltsgleich gebrauchte Bezeichnungen sind hier die Durchführungs-, Erfüllungs-, Dienstleistungs-, Verrichtungs- und Ausführungsprivatisierung262, das contracting out263 und das outsourcing. Typische Beispiele der Verwaltungspraxis sind die Betreibermodelle in der Abwasserentsorgung bzw. die Betriebsführungsmodelle im Krankenhauswesen264.

260 Huber, Allgemeines Verwaltungsrecht, 166; Burgi, Funktionale Privatisierung, 100, 145; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 371 f.; Wahl, DVBl. 1993, 517, 519; ders., in: Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, 260, 284; Hoppe/Bleicher, NVwZ 1996, 421, 422; Schoch, DVBl. 1994, 962, 963; Erbguth, UPR 1995, 369; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 36. 261 Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 148. 262 Remmert, Private Dienstleistungen, 197, Fn. 90. 263 Möschel, in: Lange/Nörr/Westermann, Festschrift Gernhuber, 905, 908; Osterloh, VVDStRL 54, 204, 223, Fn. 69. 264 Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 372.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

Zur Bezeichnung der Privatpersonen, die im Rahmen der funktionalen Privatisierung handeln, hat sich der überkommene Begriff des Verwaltungshelfers durchgesetzt265. Darunter wird schon im klassischen Sinn eine Person verstanden, die als außerordentlicher Organwalter für eine Behörde als Hilfsperson tätig und dabei in die Erledigung hoheitlicher Aufgaben eingeschaltet wird266. Sie handelt im Auftrag bzw. auf Weisung der Behörde und tritt zu Dritten nicht in unmittelbare Rechtsbeziehung. Dazu zählen im weiteren Sinne der Verwaltungsmittler, der technische Erfüllungsgehilfe und der unselbständige Verwaltungshelfer. Ähnlich der Entwicklung im Staatshaftungsrecht267 werden unter Verwaltungshilfe aber auch hier zunehmend solche Fälle verstanden, in denen Privatrechtssubjekten selbständige Handlungsbefugnisse eingeräumt sind268. Sie entsprechen darum nicht der für Verwaltungshelfer im oben genannten Sinn maßgeblichen Werkzeugtheorie269. Umgekehrt fehlt es aber an den hoheitlichen Befugnissen, so daß sie nicht ohne weiteres den Beliehenen zugeordnet werden können270. Nach aufgabenorientierter Betrachtung soll es sich gleichwohl um Fälle der funktionalen Privatisierung handeln. Für die Vorstellung vom Privaten als verlängertem Arm des Staates bilde die Unselbständigkeit des Verwaltungshelfers keine Voraussetzung, solange er im staatlichen Pflichtenkreis tätig werde. Zum Teil ist darum vom selbständigen Verwaltungshelfer bzw. von der modifizierten Werkzeugtheorie die Rede271. Dieses Verständnis erfüllt die Kriterien einer in sich geschlossenen Typologie, weil funktionale Privatisierung eine Lücke zwischen Organisations- und Aufgabenprivatisierung auszufüllen scheint272. Mit ersterer hat sie die Staatlichkeit der Aufgabe gemeinsam273, mit letzterer die Privatheit des Handlungssub-

265 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 62; Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 1, Rn. 114; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 36. Differenzierend hingegen Wahl, in: Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, 260, 284, der Verwaltungshilfe und funktionale Privatisierung nur dann im Zusammenhang sieht, wenn eine zuvor staatlich wahrgenommene Tätigkeit ausgegliedert und auf Private übertragen wird. 266 Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 90a, Rn. 1; Burgi, Funktionale Privatisierung, 153 f. 267 Die Leitentscheidung bildet hier BGHZ 121, 161, 165 f., wonach es für die Amtshaftung nicht auf das Maß der Einflußnahme durch die öffentliche Hand ankomme, sondern vorrangig auf den Charakter der wahrgenommenen Aufgabe und die Sachnähe der übertragenen Tätigkeit. 268 Burgi, Funktionale Privatisierung, 155; zur Diskussion Remmert, Private Dienstleistungen, 263; einschränkend Wahl, in: Gusy, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, 260, 285. 269 Instruktiv dazu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 21 ff. 270 Dazu sogleich. 271 Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 90a, Rn. 13; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 62. 272 Di Fabio, JZ 1999, 585, 589 f.

V. Funktionale Privatisierung

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jekts274. Im Hinblick auf ihre tatsächliche Abgrenzbarkeit ist die Kategoriebildung jedoch nur bei oberflächlicher Betrachtung eindeutig. Auch ihre beständige Perpetuierung in der Privatisierungsdiskussion vermag Abgrenzungsprobleme, die sich insbesondere gegenüber der Aufgabenprivatisierung zeigen, auf Dauer nicht zu verbergen. Gerade dies hat aber nicht nur Bedeutung für das dogmatische Verständnis der funktionalen Privatisierung, sondern – wie zu zeigen sein wird – auch für das Erfordernis parlamentarischer Kontrolle. Eine vertiefte Erörterung der funktionalen Privatisierung ist darum erforderlich. Den Zugang zu diesem Problemfeld bildet die von der herrschenden Meinung hervorgehobene Aufgabenverantwortung, die bei der funktionalen Privatisierung gemeinsam mit der Aufgabenträgerschaft beim Staat verbleibe275. Damit wird vorausgesetzt, funktionale Privatisierung lasse die staatliche Verantwortung für die jeweilige Aufgabe unabhängig von ihrer Wahrnehmung unberührt: „Die Organe des Gemeinwesens bleiben grundsätzlich auch dann für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften verantwortlich, wenn sie Aufgaben von Privaten erfüllen lassen“276. Im Umkehrschluß muß die Aufgabenverantwortung dann als Abgrenzungskriterium zur Aufgabenprivatisierung gesehen werden, weil bei ihr die Verantwortung auf den Privaten übergeht. Die dagegen vorgebrachte Kritik sieht die staatliche Verantwortung nicht in einem umfassenden Sinn, sondern nur im Maße der dem Staat verbleibenden Ingerenzrechte als gegeben, so daß besser von konkreter Erfüllungs-, Beratungs-, Organisations-, Kontroll-, Überwachungs-, Leitungs- und Auffangverantwortung die Rede sein solle277. Wichtiger als die Bezeichnung im einzelnen ist jedoch die Feststellung, daß der Übergang von der eigenen staatlichen Wahrnehmung hin zur Überwachung der privaten Wahrnehmung zugleich mit einer Verantwortungsverlagerung respektive einem Verantwortungsverlust verbunden sei. Funktionale

273

Aus diesem Grund wird die funktionale Privatisierung bisweilen auch gemeinsam mit der Organisationsprivatisierung zur formellen Privatisierung zusammengefaßt: Peine, DÖV 1997, 353, 354 f.; Hofmann-Hoeppel, in: Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, 216, 217, Fn. 1; Vitzthum, AöR 104, 580, 591; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgabe, 38. 274 Von materieller Privatisierung spricht darum Kahl, DVBl. 1995, 1327, 1331. 275 Weiß, Privatisierung und Staatsaufgabe, 38 ff.; Hoffmann-Riem, in: ders./Schneider, Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, 9, 12 f.: „im Grundsatz“; Huber, DVBl. 1999, 489, 491; Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 159; Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 543; Schoch, DVBl. 1994, 962, 963; Hoppe/Bleicher, NVwZ 1996, 421, 422; Wahl, DVBl. 1993, 517, 519; Erbguth, UPR 1995, 369; Vitzthum, AöR 104, 580, 591. Bei Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, Vor § 90, Rn. 16, wohl gleichbedeutend als Aufgabenträgerschaft und Leistungsverantwortung genannt. 276 Gallwas, VVDStRL 29, 211, 228. 277 Mackeben, Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, 23 f.; Remmert, Private Dienstleistungen, 198 f.; Burgi, Funktionale Privatisierung, 309. Kritisch dazu Osterloh, VVDStRL 54, 204, 236.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

Privatisierung sei insoweit eine Unterform der Aufgabenprivatisierung bzw. eine „unechte“ Aufgabenprivatisierung278. Wie bereits an anderer Stelle beschrieben, wird Verantwortung im Zusammenhang der Privatisierung vorwiegend im heuristischen Sinn benutzt279. Der Vorteil, mit dem Verantwortungsbegrifff komplexe Zusammenhänge erklären zu können, verwandelt sich jedoch rasch ins Gegenteil, wenn man ihn ungenau, verkürzt oder zum Zwecke eines vorgegebenen Erklärungsziels verwendet. Die Ausführungen zur demokratischen Verantwortung haben die begrifflichen Dimensionen hinreichend deutlich gemacht280. Auf die dazu erarbeiteten Grundlagen kann hier zurückgegriffen werden. Als maßgeblich für das Entstehen von Verantwortung hat sich die Entscheidungsfreiheit im Rahmen einer Entscheidungszuständigkeit erwiesen. Für die funktionale Privatisierung bedeutet dies die Wahrnehmung der übertragenen Aufgabenvorbereitung oder -durchführung durch einen Privaten. Daraus wird der Schluß gezogen, daß diese Verantwortung nur noch beim Privaten, nicht aber beim Staat bestehe. Dies ist richtig, soweit es um die Verantwortung für eigene Wahrnehmung geht. Damit wird staatliche Verantwortung jedoch nicht ausgeschlossen. Sie ist in einem doppelten Sinn zu verstehen: Zum einen unmittelbar als Wahrnehmung staatlicher Ingerenzrechte, zum anderen mittelbar als die dadurch zugerechnete Verantwortung des Privaten. Letztlich handelt es sich also um eine organisationsrechtliche Maßnahme, die „nicht die staatliche Verantwortung selbst, sondern nur die Form ihrer Wahrnehmung“ ändert281. Erst wenn die Ingerenzrechte hinter der Wahrnehmungszuständigkeit des Privaten zurückbleiben, ist von einer unkompensierten Verantwortungsübertragung auszugehen. Stellt man diesem Ergebnis – ausgehend vom formalen Staatsaufgabenbegriff282 – nun zur Seite, daß Staatsaufgabe nur sein kann, was von einer staatlichen Stelle wahrgenommen wird, kommt man jedenfalls insoweit zur Schlußfolgerung der Kritik, daß im Maße dieser Verantwortungsübertragung eine Aufgabenprivatisierung stattgefunden habe. Der Ausgangspunkt, funktionale Privatisierung lasse die Staatlichkeit der Aufgabe unberührt, würde sich danach als falsch erweisen. Folgerichtig ließe sich die funktionale Privatisierung aus dieser Sicht nur noch dann von der Auf278 Mackeben, Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, 25. Im Ergebnis ebenso Burgi, Funktionale Privatisierung, 158 ff., 309; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 371, setzt funktionale Privatisierung mit „Teilprivatisierung“ gleich. Auch H. Bauer, VVDStRL 54, 243, 252, spricht von Aufgabenprivatisierung, meint damit aber nur deren Erledigung durch Private. Dazu daß der Begriff der (Teil-)Aufgabenprivatisierung wenig über die tatsächliche Aufgabenverteilung aussagt Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 543. 279 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/ders./Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 11, 44. 280 Vgl. 1. Kap., III. 2. a). 281 Weiß, DVBl. 2002, 1167, 1168. 282 Dazu bereits 4. Kap., II.

V. Funktionale Privatisierung

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gabenprivatisierung unterscheiden, wenn man diese als völlige Herausnahme einer Aufgabe aus der staatlichen Verantwortung definierte, während für die funktionale Privatisierung stets gewisse staatliche Ingerenzrechte verbleiben müßten283. Vom Standpunkt der herrschenden Meinung ist jedoch einzuwenden, daß die für funktionale Privatisierung maßgebliche Aufgabenverantwortung nicht im Sinne tatsächlich zurechenbarer staatlicher Verantwortung, sondern als gesollte Verantwortung zu bestimmen ist284. Der Begriff der Aufgabenverantwortung ist demnach eine Zielbestimmung für die Ebene der Aufgabenwahrnehmung. Tatsächlich bestehende Verantwortungsdefizite sind Zielverfehlungen, die im Rahmen der Aufgabenorganisation bewältigt werden müssen, die aber die Aufgabenträgerschaft nicht in Frage stellen285. Umgekehrt wird erst dadurch die Abgrenzung zur Aufgabenprivatisierung deutlich, daß der Staat seine Aufgabenverantwortung für bestimmte Ziele aufgibt286. In diesen Fällen werden Private nicht mit der Aufgabenwahrnehmung betraut, vielmehr werden die Aufgaben als solche überlassen. Gleichwohl verbleibende Kontrollen, Beratungen oder sonstige Einwirkungen des Staates dienen nicht mehr der Aufgabenerfüllung, sondern der Abwehr privatisierungsbedingter Störungen bzw. anderen Gemeinwohlzielen, wie sie für die Wirtschaftsaufsicht typisch sind287. In ihnen ist eine neue, inhaltlich veränderte Aufgabenverantwortung des Staates zu sehen. Dieses Verständnis schließt notwendig die Frage ein, wie sich die Aufgabenverantwortung des Staates in Abgrenzung zur privaten Verantwortung bestimmen läßt. Sie bildet nicht nur den Hintergrund der Kritik an der herrschenden Meinung, sondern führt auch zurück auf das Problem der Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft288. Als Zielbestimmung setzt Aufgabenverantwortung nämlich die Möglichkeit voraus, den Inhalt staatlicher Aufgaben unabhängig von ihrer Wahrnehmung durch eine staatliche Stelle abgrenzen zu können. Dieses Problem wird nicht dadurch entschärft, daß die funktionale Privatisierung die Einbeziehung Privater auf Maßnahmen der Aufgabenvorbereitung oder 283

Mackeben, Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, 25. Dazu schon im Hinblich auf die Aufgabenprivatisierung 4. Kap., IV. 3. 285 Wahl, in: Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, 260, 285, nennt es das organisationsrechtliche Zentralproblem, den Verwaltungshelfer in seiner dienenden Funktion zu halten. 286 Insoweit mißverständlich H. Bauer, VVDStRL 54, 243, 252, der von Aufgabenteilprivatisierung spricht, damit aber lediglich die Erledigung durch den Privaten meint. 287 Zur Wirtschaftsaufsicht als Aufsichttypus 3. Kap., II. 4. 288 Damit zeigen sich zugleich die Grenzen des Verantwortungsbegriffs in aller Schärfe. Zwar vermag er das „Kooperationsspektrum zwischen staatlicher und privater Aufgabenerfüllung“ (Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/ders./Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 11, 43) begrifflich zu veranschaulichen, die Bestimmung der jeweils verbleibende Aufgabenverantwortung bleibt seine Achillesferse. 284

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

-durchführung beschränkt, weil diese auch als Teilaufgaben angesehen werden können und damit in den Grenzbereich zur Aufgabenprivatisierung gelangen289. Bevor jedoch unter Hinweis auf eine fehlende Staatsaufgabenlehre der Verantwortungsbegriff pauschal aufgegeben bzw. auf den Bereich der Ingerenzrechte beschränkt wird und damit auch die eindeutig identifizierbaren Fälle unberücksichtigt bleiben, erscheint es vorzugswürdig, auf die jeweiligen Regelungskomplexe abzustellen. Die Frage, ob und wie der Staat in diesen Lebensbereichen Verantwortung übernehmen soll, ist zu beantworten „mit Hilfe vorgefundener Regelungsmodelle, ihrer analytischen Durchdringung und Systematisierung und der Suche nach normativen Vorgaben durch höherrangiges Recht“290. Dies entspricht der schon für die Organisationsprivatisierung gefundenen Linie, nicht nur die tatsächlich bestehende Beherrschung – sei sie nun Beteiligung oder Ingerenz –, sondern auch die damit verfolgten Regelungsziele einzubeziehen. Ohne die dogmatische Bedeutung der Staatsaufgabendiskussion in Abrede stellen zu wollen, lassen sich auf diese Weise die meisten Zuordnungsfragen beantworten. 2. Funktionale Privatisierung und Staatsgewalt Unter den Privatisierungsformen erfüllt die funktionale Privatisierung das Merkmal der Kooperation zwischen Staat und Gesellschaft in besonderem Maße. Die dogmatische Verfestigung von Public Privat Partnership und Drittem Sektor mit den ihnen zugrundeliegenden Vorstellungen intermediärer Einrichtungen berechtigt zugleich zu der Annahme, daß die Zuordnungsprobleme hier am größten sind291. Unter Umständen könnte die Notwendigkeit der Zuordnung hier aber entfallen. Damit es auf demokratische Legitimation ankäme, müßte der Gegenstand der funktionalen Privatisierung nämlich überhaupt das Merkmal der Staatsgewalt erfüllen können. Es liegt nahe, dies zu verneinen, soweit man an untergeordnete Beiträge der Vorbereitung und Durchführung von Verwaltungsaufgaben denkt, wie sie insbesondere im Begriff des Vollzugshelfers fokussiert sind. Dies hieße aber nicht nur den Anwendungsbereich der funktionalen Privatisierung mißzuverstehen, der unter dem Stichwort des selbständigen Verwaltungshelfers eine deutliche Ausweitung erfahren hat, sondern auch die Voraussetzungen der Staatsgewalt unverhältnismäßig einzuengen292. Die fortbe289 Vgl. dazu auch die fundierte Kritik Möllers, Staat als Argument, 286 ff., am Begriff der staatlichen „Letztverantwortung“. 290 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, 156. Ähnlich Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, 153. 291 Keinen Aufschluß darüber leistet die bereits genannte Deutung der funktionalen Privatisierung als formelle oder materielle Privatisierung. Sie ist im wesentlichen dem Blickwinkel geschuldet, der entweder die Staatlichkeit der Aufgabe oder die Privatheit des Verwaltungshelfers in den Mittelpunkt rückt. Das Handeln des Verwaltungshelfers wird in beiden Fällen nicht erfaßt.

V. Funktionale Privatisierung

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stehende Aufgabenzuständigkeit bei einem Träger der öffentlichen Verwaltung bedeutet nicht, daß dem Verwaltungshelfer keine Entscheidungen über die Art der Aufgabenwahrnehmung zukämen293. Gerade die darauf bezogenen Ingerenzrechte der öffentlichen Hand sind ein deutliches Zeichen dafür. Weiterhin könnte hier als Argument gegen eine Zuordnung der Verwaltungshilfe der Umstand in Betracht gezogen werden, daß sich demokratische Legitimation im Wege der Verantwortungszurechnung vermittelt. Die dazu erarbeiteten Erkenntnisse besagen, daß umfassende demokratische Legitimation im Rahmen einer Legitimationskette dann besteht, wenn eine vollständige Zurechnung zum unmittelbar übergeordneten Kettenglied möglich ist294. Zurechnungsmittel ist im Rahmen der hierarchisch strukturierten Verwaltung das Weisungsrecht. Die Situation des Verwaltungshelfers könnte damit vergleichbar sein: Das Ziel der Aufgabenverantwortung macht umfassende Ingerenzrechte des Aufgabenträgers gegenüber dem Verwaltungshelfer erforderlich. Wenn bereits sie die demokratischen Anforderungen erfüllen, also volle Verantwortung herstellen, wäre die Zuordnung der Verwaltungshilfe zur Staatsgewalt selbst nicht mehr entscheidend. Dieser Gedanke entspricht nicht nur der Tendenz der Privatisierungsdiskussion, allein die staatlichen Ingerenzrechte zu betrachten, sondern auch der inneren Logik der Verantwortungszurechnung. Er ist gleichwohl unzureichend, weil er davon abhängig ist, daß die Ingerenzrechte auch tatsächlich umfassend sind. Unbeantwortet bleiben dabei zudem die Frage nach der personellen Legitimation sowie die Begründung für eigenverantwortliche Handlungsspielräume des Verwaltungshelfers. Die Zuordnungsfrage läßt sich also nicht umgehen. Auch erweist sich an der Frage nach der Staatsgewalt die Tragweite der Diskussion um den Verantwortungsbegriff. Sieht man mit der Mindermeinung in allen selbständig durchgeführten Handlungen des Verwaltungshelfers eine Aufgabenteilprivatisierung, so reicht der Bereich potentieller Staatsgewalt nur soweit wie die staatlichen Ingerenzrechte. Bei der herrschenden Meinung kommt hingegen das gesamte Tun des Verwaltungshelfers im Rahmen der staatlichen Aufgabenverantwortung als Staatsgewalt in Betracht. Aber auch dann ist nicht gesagt, daß es sich tatsächlich um Staatsgewalt handelt. Dabei rückt die subjektbezogene Privatautonomie des Verwaltungshelfers in den Blick, die prima facie für dessen privates Handeln spricht. Er ist darum – soweit man nicht die privatrechtlich organisierte Verwaltung einbezieht – stets „echter Privater“. Dieser Gedanke liegt vor allem der Untersuchung Burgis zugrunde, der die rein privatrechtliche Stellung der 292 Hier ist insbesondere daran zu erinnern, daß die Außenwirkung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 93, 37, 68) nicht zu den Voraussetzungen der Staatsgewalt gehört. Vgl. dazu 2. Kap., III. 293 Insoweit werden die Wahrnehmungsbereiche der Verwaltungshelfer bisweilen auch als Teilaufgaben umschrieben. 294 Grundlegend dazu 1. Kap., III. 2. a) ee).

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

Verwaltungshilfe aus dem formalen Staatsaufgabenbegriff ableitet295: Wenn sich eine staatliche Aufgabe über die Wahrnehmung durch eine staatliche Stelle definiere, höre sie auf staatlich zu sein, sobald sie einem Privaten übertragen werde. Dies gelte nicht nur für die Aufgabe als Ganze, wie im Fall der Aufgabenprivatisierung, sondern auch für bloße Vorbereitungs- und Durchführungsakte der funktionalen Privatisierung. Zu legitimierende Staatsgewalt beschränke sich demnach auf die Ingerenzrechte. Dieser „theorielastigen“296 Argumentation ist allerdings entgegenzuhalten, daß es Gesichtspunkte gibt, die das Handeln eines Privatrechtssubjekts gleichwohl als staatlich erscheinen lassen können. Dies betrifft offensichtlich die Figur der Beleihung, deren Einordnung bei Burgi eine gewisse Widersprüchlichkeit an den Tag legt297. Löst man sich hier von der alleinigen Voraussetzung formell eingeräumter Hoheitsrechte, kann gerade in der faktischen, normativ abgestützten Hoheitsgewalt des selbständigen Verwaltungshelfers eine Parallele zur Beleihung gesehen werden298. Im übrigen ist selbst bei bloß funktionalem Bezug der Tätigkeit des Verwaltungshelfers auf eine Staatsaufgabe nicht gesagt, daß sie nicht gleichwohl der staatlichen Sphäre zugeordnet werden muß. Diesen Ansatz verfolgt namentlich Remmert unter dem Gesichtspunkt der Zurechnung299. Danach müsse der Verwaltungshelfer als Amtswalter verstanden werden, „dessen Handeln und Entscheiden aufgrund eines atypischen Amtswalterverhältnisses als Handeln und Entscheiden eines atypisch zugeschnittenen Amtes und damit als das der übergeordneten Verwaltungseinheit“ zu gelten habe300. Seine Tätigkeit sei nicht als die eines freiheitsausübenden Individuums, sondern als das der staatlichen Verwaltungsorganisation zu bewerten301. Unter dem Gesichtspunkt der Volkssouveränität ist diese Ableitung plausibel. Die bei funktionaler Privatisierung fortbestehende Aufgabenträgerschaft besagt nicht mehr und nicht weniger, daß die Erfüllung dieser Aufgabe der individuellen, d.h. privatautonomen Bestimmung entzogen bleibt. Anders als bei einer Aufgabenprivatisierung wird sie nicht jedermann überlassen, sondern nur aufgrund individueller Verpflichtung übertragen. Die erforderliche Aufgabenverantwortung ist Teil des demokratischen Verantwortungszusammenhangs, so daß auch die von ihr erfaßten Bestandteile zur Staatsgewalt zu rechnen sind. Zugleich ist damit dem Argument der Boden entzogen, funktionale Privatisierung könne schon deswegen keine Staatsgewalt sein, weil es am amtlichen Handeln fehle302.

295 296 297 298 299 300 301

Burgi, Funktionale Privatisierung, passim. Bull, Besprechung Burgi, Funktionale Privatisierung, DÖV 2000, 654. Burgi, Funktionale Privatisierung, 80. Siehe dazu auch 4. Kap., VI. 1., Fn. 316. Di Fabio, VVDStRL 56, 235, 273. Remmert, Private Dienstleistungen, passim. Remmert, Private Dienstleistungen, 340 f., 349. Remmert, Private Dienstleistungen, 248.

V. Funktionale Privatisierung

433

Diesem Ergebnis kann auch nicht der Vorwurf der Etatisierung der Verwaltungshilfe entgegengehalten werden303, dem neben seinen sachlichen Argumenten stets der Hautgout einer überkommenen Staatssicht anhaftet304. Daran ist zwar richtig, daß sich die Privatisierung, vor allem wenn sie in Kooperationsformen mit dem gesellschaftlichen Bereich erfolgt, nicht als Einfallstor einer Ausdehnung des Staatlichen erweisen darf. Insbesondere der freiheitssichernde Rahmen der Grundrechte darf durch sie nicht angetastet werden305. Allerdings ist zu beachten, daß die mit dem Begriff der Kooperation insinuierte Gleichberechtigung der daran beteiligten Partner in diesen Fällen nicht gegeben ist306. Grundlage der staatlichen Beiträge ist nicht Freiheit, sondern rechtlich gebundene Kompetenz, die auch in den Kooperationsverhältnissen Beachtung verlangen. Eine falsch verstandene Rücknahme des Staates wäre darum mit einem Verlust an Volkssouveränität verbunden, die gerade nicht als Zuwachs an Freiheit gedeutet werden kann. Dies einzusehen mag insbesondere denjenigen schwerfallen, die sich von Privatisierung den „schlanken Staat“ erhofften. Insoweit erweist sich aber der Wert einer Typologie, die erkennen läßt, welche Formen dieses Ziel gewährleisten können und welche nicht. Hier gilt es zu wiederholen: Funktionale Privatisierung ist keine Aufgabenprivatisierung. Sie mag zwar als Ausgliederung der Aufgabenwahrnehmung umschrieben werden, verfassungsrechtlich bleibt die Verwaltungshilfe Teil staatlichen Handelns, was nicht zuletzt darin zum Ausdruck kommt, daß der Verwaltungshelfer als „verlängerter Arm des Staates“ beschrieben wird. Sie ist mediatisierte Staatsgewalt und darum Gegenstand demokratischer Legitimationsanforderungen307. 3. Bedingungen der parlamentarischen Kontrolle Mit der Bejahung der Staatsgewalt für das Handeln der Verwaltungshelfer ist zugleich die Entscheidung über die Geltung des Demokratieprinzips gefallen. Für die Kontrolle des Verwaltungshandelns kann es keinen Unterschied machen, ob es von staatlichen Stellen oder von privatrechtlichen Erfüllungsgehilfen ausgeht. Weil Verwaltungshelfer lediglich in die Erfüllung einer bei staatlichen 302 Durner, Verw.Archiv 96, 18, 37, unter Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach „jedenfalls das gesamte amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter“ zur Staatsgewalt zähle. Siehe dazu 2. Kap., III. Allerdings läßt schon die einschränkende Formulierung erkennen, daß auch darüber hinaus Staatsgewalt nicht ausgeschlossen ist und hier nur ein Mindestbestand definiert wird. Zum Verständnis des amtlichen Handelns Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 556. 303 Burgi, Funktionale Privatisierung, 154 f. 304 Vgl. 2. Kap., I. 305 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 339. 306 Vgl. Gusy, in: ders., Privatisierung von Staatsaufgaben, 330, 335, im Hinblick auf Public Privat Partnership. 307 Di Fabio, VVDStRL 56, 235, 269.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

Verwaltungseinheiten verbleibenden Aufgabenzuständigkeit eingesetzt werden, setzt die damit korrespondierende Erfüllungsverantwortung umfassende Steuerungsrechte voraus. Daraus lassen sich auch hier Rückwirkungen auf den Privatisierungsvorgang ableiten. Die Exekutive muß die Beauftragung mit umfassenden Einwirkungsbefugnissen verknüpfen. Dazu gehört, „alle für die tatsächliche Aufgabenerfüllung maßgeblichen gesetzlichen Pflichten privatrechtlich auf den Verwaltungshelfer überzuleiten“308. Anders als bei der Organisationsprivatisierung ist ihr Anknüpfungspunkt nicht das Gesellschafts-, sondern das Schuldbzw. das Vertragsrecht. Gelingt dies nicht, weil die privatautonome Bindungsfähigkeit des Privaten hinter der gesetzlichen Steuerung der Verwaltung zurückbleibt, sind bereits hier Steuerungsdefizite angelegt, die der funktionalen Privatisierung entgegenstehen. Daß sie sich nicht im Weg der parlamentarischen Kontrolle ausgleichen lassen, ist weniger ein spezifisches Problem der parlamentarischen Kontrolle als vielmehr der Zulässigkeit dieser Privatisierungsform. Mit der funktionalen Privatisierung ist der Verwaltung zugleich ein Mittel an die Hand gegeben, die Aufgabenerfüllung willkürlich aus dem demokratischen Zurechnungszusammenhang auszugliedern. Es wird erwartet, daß Verwaltungshilfe um so effektiver ist, je umfassender die Delegation ist309. Daher ist ein Gesetzesvorbehalt zu fordern, je weiter sie zugleich eine Aufgabenübertragung an den Privaten bedeutet und diesem faktische Hoheitsgewalt eingeräumt310. Dies wird insbesondere die sogenannte selbständige Verwaltungshilfe betreffen. Demgegenüber ist der klassische Verwaltungshelfer auf kurzzeitiges, entscheidungsarmes Handeln beschränkt, so daß der unmittelbare Zusammenhang zwischen Beauftragung und Ausführung in diesen Fällen den Gesetzesvorbehalt als überflüssig erscheinen läßt. Vor dem Hintergrund dieser Bedingungen stellen sich für die demokratische Legitimation durch parlamentarische Kontrolle keine Besonderheiten. Hinsichtlich ihrer Legitimität ist bei der kurzfristigen Inanspruchnahme Privater allerdings zu beachten, daß vor- und mitwirkende parlamentarische Kontrolle rein tatsächlich ausgeschlossen ist. Die Reduzierung ihrer Wirksamkeit mag sich mit der geringen Bedeutung der Verwaltungshilfe rechtfertigen. Mittel zur sachangemessenen Erhöhung der parlamentarischen Kontrolleistung sind jedenfalls nicht vorstellbar. Der Weg, Steuerungsdefizite zu verringern, besteht darum allein darin, die Verwaltung gesetzlich auf hoheitliches Handeln festzulegen.

308

Osterloh, VVDStRL 54, 204, 237. Osterloh, VVDStRL 54, 204, 235. 310 Di Fabio, VVDStRL 56, 235, 271, 273; Erbguth, UPR 1995, 369, 376 f.; Däubler, Privatisierung, 95 f. 309

VI. Beleihung

435

VI. Beleihung 1. Begriffsbestimmung Die Beleihung nimmt unter den Formen der Privatisierung eine gewisse Sonderstellung ein311. Sie geht über untergeordnete Beiträge der Vorbereitung oder Durchführung von Verwaltungsaufgaben hinaus, hat aber weder deren materielle Privatisierung noch deren Wahrnehmung in privatrechtlicher Form zum Inhalt. Vielmehr werden beliehene Privatrechtssubjekte mit der hoheitlichen Wahrnehmung bestimmter Verwaltungsaufgaben betraut, die sie in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts selbständig erfüllen312. Sie sind Behörde im Sinne von § 1 Abs. 4 VwVfG und werden als Verwaltungsträger der mittelbaren Staatsverwaltung zugeordnet313. Obwohl die Beleihung zu den klassischen Formen des Verwaltungsorganisationsrechts gehört, sind Zuordnung und Inhalt nach wie vor umstritten. Auf der Grundlage der Aufgabentheorie314 wird die Beleihung der Organisationsprivatisierung zugerechnet315. Daran ist richtig, daß sowohl der Beliehene als auch die privatrechtlich organisierte Verwaltung Träger von Verwaltungsaufgaben sind. Vom Standpunkt anderer Beleihungstheorien ist dagegen einzuwenden, daß der Beliehene zudem ein zu hoheitlichen Handlungen befähigter Privater ist. Typisches Kennzeichen der Organisationsprivatisierung ist hingegen die Auslagerung von Verwaltungsaufgaben auf juristische Personen des Privatrechts und deren Beschränkung auf privatrechtliche Handlungsformen316. Nach anderer Ansicht wird der Beliehene darum der funktionalen Privatisierung zugeord311

Ausgrenzend v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 70. BVerwG DVBl. 1990, 712, 713; BremStGH NVwZ 2003, 81; OVG Frankfurt (Oder) NVwZ 1997, 604, 608; Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 90, Rn. 4; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 248 f. 313 H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 248; v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 60 f.; I. Schmidt, ZG 2002, 353; kritisch Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 86, Rn. 68, Fn.164. Anderer Ansicht neuerdings Stelkens, NVwZ 2004, 304, 306, der den Beliehenen nur als Behörde, nicht aber als Verwaltungsträger behandelt wissen will. Umgekehrt Burgi, in: Geis/Lorenz, Festschrift Maurer, 581, 593, der Beliehene nur als Verwaltungsträger, nicht aber als Behörde ansieht. 314 Die Aufgabentheorie sieht in der Übertragung von Staatsaufgaben das eigentliche Kriterium der Beleihung, während die Übertragung von hoheitlichen Befugnissen kein wesensnotwendiges Merkmal sei. Zu den Beleihungstheorien im einzelnen Weisel, Privatisierung und Beleihung, 55 ff.; Grabbe, Privatisierung kommunaler Aufgaben, 39 f. 315 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54, Rn. 25; ders., Funktionale Privatisierung, 79; Peine, UPR 1996, 161, 162; ders., DÖV 1997, 353, 356, 362. Einschränkend Steiner, Verwaltung durch Private, 210, der hier nur von einer Parallele spricht. 316 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54, Rn. 11, ist darum gezwungen, die Beleihung als Ausnahme innerhalb der Organisationsprivatisierung zu bezeichnen. Den Hintergrund seiner Zuordnung bildet offenbar das Bestreben, 312

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

net317. Mit deren Erscheinungsformen habe er das typische Kooperationsverhältnis gemeinsam, weil auch hier Private in die Erledigung von Verwaltungsaufgaben einbezogen würden. Die Vergleichbarkeit endet jedoch damit, daß der Beliehene Aufgaben hoheitlich und im eigenen Namen wahrnimmt und dadurch qualitativ über die funktionale Privatisierung im oben beschriebenen Sinn hinausgeht318. Im Fall der Beleihung von privatrechtlich organisierten Verwaltungsträgern319 entfällt überdies das Merkmal der Kooperation, soweit man es auf Private im materiellen Sinne begrenzt. Beide Auffassungen von Beleihung können darum nicht überzeugen. Unbeschadet einer genaueren Betrachtung der Beleihungstheorien zeigt die Gegenüberstellung einmal mehr, daß sich die Formen der Privatisierung einer klaren Zuordnung entziehen und im Verhältnis gradueller Übergänge zueinander stehen. Die Beleihung sollte darum als eigenständiger Typus behandelt werden. Der Theorienstreit findet seine Fortsetzung in der „In-Sich-Beleihung“320, also der Frage, ob als Adressaten der Beleihung nicht nur Private, sondern auch privatrechtlich organisierte Verwaltungseinheiten in Betracht kommen321. Von Seiten der Aufgabentheorie wird im wesentlichen geltend gemacht, Beleihung sei die Übertragung von Staatsaufgaben auf Private, nicht aber deren Wahrnehmung auf privatrechtlicher Basis. Letzteres sei „etwas strukturell vollkommen anderes“ als die Beleihung, so daß die „In-Sich-Beleihung“ nicht in Betracht komme322. Weil aber gleichwohl die Beleihung bei Beteiligung Privater an gemischt-wirtschaftlichen Privatrechtsvereinigungen unmittelbar möglich sein soll323, kann der behauptete Unterschied so groß nicht sein. Eigentlicher Zweck der Argumentation ist es denn auch, das Anwendungsfeld der Beleihung zu begrenzen, was wohlwollend als „Gebot der inneren Einheit des Rechtsinstituts“324 umschrieben wird. Andernfalls würde die Definition durch die Aufgabentheorie, die auf das Element der Hoheitlichkeit verzichtet, die Beleihung nämlich nicht nur als eine Form der Organisationsprivatisierung erscheinen lassen, sondern umgekehrt diese insgesamt als Fall der Beleihung325. Mit der Beeinen einheitlichen Begriff funktionaler Verwaltung herauszubilden, in den sich die Beleihung jedoch noch weniger eingefügt hätte. 317 BremStGH NVwZ 2003, 81, 83; Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, Vor § 90, Rn. 11; Weisel, Privatisierung und Beleihung, 49. 318 Erbguth, UPR 1995, 369, 370. 319 Dazu sogleich. 320 Weisel, Privatisierung und Beleihung, 85. 321 Besonders umstritten ist dabei neuerdings die sogenannte Organisationsbeleihung, bei der eine Privatrechtsvereinigung mit der Anstaltsträgerschaft beliehen wird. Vgl. dazu Wolfers/Kaufmann, DVBl. 2002, 507 ff. 322 Peine, UPR 1996, 161, 162; ders., DÖV 1997, 353, 361 f. 323 D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 112. 324 Steiner, Verwaltung durch Private, 211. 325 Steiner, Verwaltung durch Private, 208.

VI. Beleihung

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hauptung einer dogmatischen Unvereinbarkeit scheint es also um die Verteidigung der Aufgabentheorie gegenüber neuen Anwendungsfeldern zu gehen, an denen sie nicht orientiert ist326. Vor diesem Hintergrund wirkt die Unterscheidung zwischen der Erfüllung von Staatsaufgaben durch Private oder auf privatrechtlicher Basis willkürlich. Geht es aber eigentlich um die materielle Unzulässigkeit der Kompetenzübertragung auf privatrechtliche Verwaltungsträger, liegt gerade darin kein tragfähiges Argument327. Demgegenüber lassen sich die Fälle der „In-Sich-Beleihung“ mit der Rechtsstellungstheorie bzw. der Kombinationstheorie unproblematisch der Beleihung zuordnen, ohne daß diese dadurch zur „Auffangfigur“ wird328. Sie sind mit der Vorstellung eines weiten Organisationsermessens des Staates vereinbar und erlauben zugleich die Überprüfung ihrer Zulässigkeit im Einzelfall. Die Übertragung von Hoheitsrechten auf privatrechtlich organisierte Verwaltungsträger ist darum als Beleihung zu qualifizieren. 2. Beleihung und Staatsgewalt Wie bereits in der Typologie dargestellt, ist der Beliehene ob seiner hoheitlichen Befugnisse, die er im eigenen Namen ausübt, Verwaltungsträger. Im Hinblick auf die konkrete öffentlich-rechtliche Verwaltungsfunktion ist er „eigentlich ein Stück juristischer Person des öffentlichen Rechts“329. Sein Handeln in Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben ist darum Staatsgewalt im Sinne von Art. 20 Abs. 2 GG330. 3. Bedingungen der parlamentarischen Kontrolle Die Beleihung unterscheidet sich von der funktionalen Privatisierung im wesentlichen durch die Hoheitsrechte, die dem Privatrechtssubjekt eingeräumt wer326

Weisel, Privatisierung und Beleihung, 70; Wolfers/Kaufmann, DVBl. 2002, 507,

509. 327 Dies kommt bei Steiner, Verwaltung durch Private, 206, in dem letztlich unbegründeten Bonmot zum Ausdruck, der Staat könne nicht in die Rechtsform des Privatrechts flüchten und die Hoheitsgewalt als Fluchtgepäck mitnehmen. Eine materielle Begründung gegen die Übertragung von Hoheitsrechten auf privatrechtlich organisierte Verwaltungsträger findet sich hingegen bei D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 111 f., der diese nur in Ausnahmefällen für zulässig hält und dafür die Beleihungsgrundsätze sinngemäß heranziehen will. 328 Weisel, Privatisierung und Beleihung, 66. Im Ergebnis ebenso OVG Frankfurt (Oder) NVwZ 1997, 604, 608; Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54, Rn. 11 Fn. 30; Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 90, Rn. 17; Wahl, in: Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, 260, 286, der Organisationsprivatisierung praktisch nur in Form der In-Sich-Beleihung für realisierbar hält. 329 Krebs, in: Isensee/Kirchof, HBStR III, § 69, Rn. 39. 330 BremStGH NVwZ 2003, 81, 83; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 40.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

den. Darum ist sie nicht nur leichter zu identifizieren und in ihrer Zuordnung zur Staatsgewalt praktisch unumstritten, sondern unterliegt auch grundsätzlich dem institutionellen Gesetzesvorbehalt, der ihre Anbindung an den Willen des Gesetzgebers absichert331. Gegenstand der gesetzlichen Regelung sind zumindest Art und Umfang der übertragenen Befugnisse332, so daß sich spiegelbildlich Maßstab und Umfang für das parlamentarische Kontrollbedürfnis ergibt. Es ist zu vermuten, daß gerade die Existenz der Hoheitsrechte schon frühzeitig das Bewußtsein für die Notwendigkeit staatlicher Aufsicht über die Beliehenen gefördert hat. Auch wenn der Unterschied zu faktischer Hoheitsgewalt tatsächlich gering sein mag, wiegt der formale Aspekt obrigkeitlicher Handlungsbefugnisse im staatsrechtlichen Diskurs traditionell schwerer. Fach- und Rechtsaufsicht sind darum anerkannte Bedingungen für die demokratische Legitimation der Beliehenen333. Ihre Bedeutung steigt in dem Maße, wie die inhaltlichen Anforderungen an die Regelungsdichte des Gesetzesvorbehalts abgeschwächt werden334. Entgegen gelegentlich anzutreffender Auffassungen335 stellt die Rechtsaufsicht dabei keine Mindestvoraussetzung dar, die bedarfsweise um Fachaufsicht zu ergänzen ist. Das Demokratieprinzip fordert vielmehr auch hier umfassende Legitimation, also Rechts- und Fachaufsicht336. Die Annahme, die Notwendigkeit der Fachaufsicht hänge von der Intensität der übertragenen Befugnisse ab337, beruht auch hier auf einer Verwechslung zwischen Legitimation und Legitimität. Nur letztere ist einer Abwägung über Effektivitätskriterien zugänglich, während sich Ausnahmen vom demokratischen Legitimationsmodell nach den bereits erörterten Kriterien richten. Die Beleihung mag zugleich als hergebrachter Beleg gelten, daß sich privatrechtliche Organisationsformen durchaus mit den Elementen und Anforderungen öffentlich-rechtlicher Verwaltung vereinbaren lassen. Für die Frage der parlamentarischen Kontrolle enthält sie jedenfalls im Grundsatz keine spezifischen Probleme, solange mit dem Beleihungsakt für ausreichende Aufsichtsrechte gesorgt wird und die staatliche Aufgabenverantwortung gewährleistet werden kann338. Damit soll weder in Abrede gestellt werden, daß der Beleihung aus 331 BremStGH NVwZ 2003, 81,82; Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 90, Rn. 44; Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54, Rn. 27; Stelkens, NVwZ 2004, 304, 307. 332 Burgi, in: Geis/Lorenz, Festschrift Maurer, 581, 588. 333 H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 249; Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 90, Rn. 46; H. Bauer, VVDStRL 54, 253, 279; M. Lange, DÖV 2001, 898, 903; Weisel, Privatisierung und Beleihung, 235; Burgi, in: Geis/Lorenz, Festschrift Maurer, 581, 592; I. Schmidt, ZG 2002, 353, 362 f. 334 Vgl. BremStGH NVwZ 2003, 81, 82 f. 335 Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 20, Rn. 54; Weisel, Privatisierung und Beleihung, 236. 336 Ebenso BremStGH NVwZ 2003, 81, 84. 337 Burgi, in: Geis/Lorenz, Festschrift Maurer, 581, 592.

VII. Weitere Privatisierungsformen

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anderen Gründen, etwa Art. 33 Abs. 4 GG, verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt sind, noch daß es bei ihr zu den gleichen Steuerungsverlusten kommt, die mit jeder rechtlichen Verselbständigung einhergehen339. Anders als bei der Organisations- und der funktionalen Privatisierung begründen die Hoheitsrechte sogar die Notwendigkeit besonders effektiver Kontrolle im Sinne erhöhter Legitimität. Gleichwohl halten sie sich im Bereich des demokratisch zulässigen. Mit dem Gesetzesvorbehalt hat es das Parlament in der Hand, selbst die entscheidenden Weichen für seine Steuerungskapazitäten zu stellen.

VII. Weitere Privatisierungsformen Die dogmatische Durchdringung der Privatisierung hat noch eine Reihe weiterer Privatisierungsformen zu Tage gefördert340. Dabei handelt es sich aber weniger um eine Ergänzung der oben bereits dargestellten Grundtypen als vielmehr um deren Ableitung von einem bestimmten Kriterium der Aufgabenwahrnehmung. Die Typologie ließe sich in dieser Hinsicht nahezu unbegrenzt fortsetzen, ohne daß damit ein Erkenntnisgewinn über die hier zu untersuchende Fragestellung verbunden wäre. Wegen ihrer hervorgehobenen Bedeutung sollen aber die Verfahrensprivatisierung, die Public-Privat-Partnerships sowie die Vermögensprivatisierung zumindest in Kürze vorgestellt werden. 1. Die Verfahrensprivatisierung Bei der Verfahrensprivatisierung, die zum Teil noch als eigener Privatisierungstypus behandelt wird, geht es um die Überantwortung verfahrensbezogener Handlungen auf Private341. In Betracht kommt dafür deren Beteiligung am Verwaltungsverfahren oder die Übertragung einzelner oder sämtlicher Verfahrensschritte. Sie ist keine Form der Bürgerbeteiligung, sondern dient der Einbeziehung von Sachverständigen, Projektmanagern342 oder Verfahrensmittlern. Im Verhältnis zu den anderen Privatisierungstypen bildet die Verfahrensprivatisie338 Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 90, Rn. 38; M. Lange, DÖV 2001, 898, 903. Anderer Ansicht Weisel, Privatisierung und Beleihung, 244 f., der im Fall der In-Sich-Beleihung die gleichen gesellschaftsrechtlichen Aufsichtsbeschränkungen (Verschwiegenheitspflichten) sieht, die sich auch bei der Organisationsprivatisierung stellen. 339 Stelkens, NVwZ 2004, 304, 307; I. Schmidt, ZG 2002, 353, 355. 340 Siehe Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, Vor § 90, Rn. 10 ff. 341 Hoffmann-Riem, DVBl. 1996, 225 ff.; Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, Vor § 90, Rn. 18; Weisel, Privatisierung und Beleihung, 49 f.; anderer Ansicht Di Fabio, JZ 1999, 585, 589 f., der hierunter die Fallgruppen der funktionalen Privatisierung faßt. Explizit spricht er von Beleihung, Verwaltungshilfe, Beauftragung und selbständigen Verwaltungshelfern. 342 Peine, DÖV 1997, 353, 355.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

rung keine eigenständige Kategorie, sondern eine Zusammenfassung verfahrensbezogener Privatisierungsmaßnahmen343. Sie vereinigt in sich Fälle der Aufgaben-, der Organisations- und der funktionalen Privatisierung344. Im Hinblick auf die parlamentarische Kontrolle bedarf sie darum keiner gesonderten Behandlung. 2. Die Public-Privat-Partnerships Besonderes Merkmal der unter dem Begriff Public-Privat-Partnerships zusammengefaßten Erscheinungen ist die Kooperation zwischen öffentlicher Hand und Privaten345. Dabei soll es sich um ein „Institut“346 handeln, dessen wesentliche Leistung darin bestehe, auch solche Fälle zu erfassen, die keiner anderen Privatisierungskategorie zugeordnet werden könnten347. Als dezidierter Sammelbegriff falle eine positive Bestimmung bereits deshalb schwer, weil jeder Definitionsversuch die Gefahr einer Ausgrenzung anderer Kooperationsmodelle in sich trage. Eine abschließende Umschreibung verbiete sich darum348. Public-Privat-Partnerships haben sich als Privatisierungstopos durchgesetzt und entfalten als solcher eine nicht zu unterschätzende Eigendynamik349. Ihr Wert für die Verwaltungswissenschaft soll nicht bestritten werden. Im übrigen erheben sich jedoch gewichtige Zweifel, die ihre Tauglichkeit für die weitere Untersuchung in Frage stellen350. Jeder Typologie liegt der Gedanke der Kategoriebildung aufgrund abgrenzbarer Kriterien zugrunde. Sie bildet damit den Anknüpfungspunkt für weitere dogmatische Ableitungen. Je nach gewähltem

343 Anderer Ansicht offenbar Wahl, in: Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, 260, 284, Fn. 50; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56, 160, 168, Fn. 20. 344 Burgi, Funktionale Privatisierung, 97; Hoffmann-Riem, DVBl. 1996, 225, 226; ders., in: ders./Schneider, Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, 9, 13; bei Schoch, DVBl. 1994, 962, 975, ist sie funktionale Privatisierung im weiteren Sinn; HofmannHoeppel, in: Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, 216, 217, Fn. 1, spricht von formeller Privatisierung; Peine, JZ 1996, 350, 355, nennt sie am Beispiel der „DEGES“ der Sache nach Organisationsprivatisierung. 345 Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 542, unter Hinweis auf: Finanzquellenerschließung, Stadtentwicklung und -erneuerung, Verkehrswirtschaft, Wohnungsbau, Umweltschutz, kommunale Ver- und Entsorgung, Gesundheitsbereich, Wohlfahrtspflege. Ausführlich auch Tettinger DÖV 1996, 764, 765 ff.; Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 92, Rn. 2, 7 ff. 346 Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 92, Rn. 3. 347 Wahl, in: Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, 260, 266 f. 348 Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 92, Rn. 5. 349 Zur Begriffsentwicklung Burgi, Funktionale Privatisierung, 98. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 9, Rn. 162b. Tettinger, DÖV 1996, 764, spricht von einem „Modewort“. 350 Vgl. Burgi, Funktionale Privatisierung, 98 f.; Tettinger, DÖV 1996, 764; Mayen, DÖV 2001, 110, 111.

VII. Weitere Privatisierungsformen

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Abstraktionsniveau reichen die potentiellen Fallgruppen darum von der Privatisierung im weitesten Sinne bis hinunter zur individuellen Privatisierungsmaßnahme. Die hier rezipierte Typologie beruht auf der Zuordnung vormals staatlicher Aufgaben in ein Raster von staatlicher und gesellschaftlicher Wahrnehmung. Wesentliche Merkmale sind dabei die Bestimmung der Aufgabenqualität und die Identifizierung ihrer Träger. Als „Kontakt- oder Brückenbegriff“ genügen die Public-Privat-Partnerships diesen Anforderungen nicht. Ihr Ansatzpunkt ist nicht die Unterscheidung, sondern die in der Kooperation angelegte Verbindung von öffentlicher Hand und Privaten351. Im Gegensatz zu den bereits erreichten Abgrenzungen von Organisations-, Aufgaben- und funktionaler Privatisierung bilden sie einen wiederum aus Teilbereichen zusammengesetzten Oberbegriff352. Insoweit sind sie nicht Ergebnis, sondern allenfalls Ausgangspunkt für die Typologie. Unter demokratiestaatlichen Gesichtspunkten müssen PublicPrivat-Partnerships als Ausdruck einer nicht bewältigten Systematisierung betrachtet werden353. Für den Fortgang dieser Untersuchung können sie darum keine Rolle spielen. 3. Vermögensprivatisierung Die Vermögensprivatisierung steht in gewisser Nähe zur Aufgabenprivatisierung. Allerdings geht es nicht um den Bestand staatlicher Aufgaben, sondern um die Übertragung von Teilen des staatlichen Vermögens auf Private354. Zu denken ist dabei vorrangig an das Eigentum an Liegenschaften und an Anteile an Wirtschaftsunternehmen. Mit der Aufgabenprivatisierung hat sie gemeinsam, daß sie Privatisierung in einem substantiellen Sinne ist355. Zweifelsfragen erheben sich, wenn es zu Überschneidungen zu anderen Privatisierungsformen kommt und damit die Fallgruppen ihre Eindeutigkeit verlieren. Dies betrifft zum einen das Verhältnis zur Organisationsprivatisierung. Auch wenn eine Übertragung von staatlichem Vermögen auf privatrechtsförmig organisierte Verwaltungsträger möglich ist, handelt es sich nicht um einen Fall der Vermögens351 Mehde, Verw.Archiv 91, 540, 543, jede in Kooperation erbrachte Aufgabe stelle „letztlich eine Art (Teil-)Privatisierung dar“. 352 Als Public-Privat-Partnerships werden unter anderem bezeichnet: Gemischt-wirtschaftliche Unternehmen (Burgi, Funktionale Privatisierung, 77; Mayen, DÖV 2001, 110, 111; Habersack, ZGR 1996, 544, 545), funktionale Privatisierung (H. Bauer, DÖV 1998, 89, 90), Beleihung (Burgi, in: Geis/Lorenz, Festschrift Maurer, 581, 584). Abgrenzend gegenüber Beleihung, formeller und materieller Privatisierung hingegen Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, § 92, Rn. 5. 353 Folgerichtig darum die Untersuchung Mehdes, Verw.Archiv 91, 540 ff., zum Verhältnis von Public-Privat-Partnerships zur Staatsgewalt. 354 Weisel, Privatisierung und Beleihung, 47; Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, Vor § 90, Rn. 12; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 35 f. 355 Di Fabio, JZ 1999, 585.

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4. Kap.: Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung

privatisierung356. Die Vermögensteile bleiben in öffentlicher Hand und geraten nicht in die Sphäre grundrechtlichen Eigentumsschutzes. Zum anderen geht es um die Variante, daß im Anschluß an eine Organisationsprivatisierung Anteile des Verwaltungsunternehmens an Private veräußert werden357. Abhängig von den konkreten Beteiligungsverhältnissen kann dies mit Veränderungen im staatlichen Aufgabenbestand zusammenfallen358. Aufgabenprivatisierung kann sich daher durchaus im Wege der Vermögensprivatisierung vollziehen359. Vorrangig betrifft es aber die Fälle der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen. Weil es bei der Vermögensprivatisierung um die Frage der Güterordnung geht, spielt Staatsgewalt bzw. parlamentarische Kontrolle nur beim Privatisierungsvorgang, nicht aber auf der Privatisierungsfolgenseite eine Rolle. Sie ist als Fallgruppe darum nicht weiter zu verfolgen.

VIII. Ergebnis Die Untersuchung hat bestätigt, daß Privatisierung ein ausgesprochen vielgestaltiger Begriff ist. Die Überschrift „Parlamentarische Kontrolle und Privatisierung“, unter der dieses Kapitel steht, kann darum nicht viel mehr als eine Umschreibung des Arbeitsauftrages sein, die eine einheitliche Antwort nicht erwarten läßt. Für die Vereinbarkeit der parlamentarischen Kontrolle mit den verschiedenen Privatisierungsformen bzw. die daran zu stellenden Anforderungen muß insoweit auf die Einzelergebnisse verwiesen werden. Immerhin läßt sich aber generalisieren, daß für jede Privatisierung Privatisierungsvorgang und -ergebnis unterscheidbar sind. Der Privatisierungsvorgang ist zwar hinsichtlich der parlamentarischen Kontrollmittel unproblematisch, gleichwohl kommt der Effektivität der parlamentarischen Kontrolle gerade hier wegen der weitreichenden Privatisierungsfolgen besondere Bedeutung zu. Das Privatisierungsergebnis ist demgegenüber der Ort, an dem sich zahlreiche Problemlinien des Staatsrechts kreuzen, so daß eine Antwort auf die Frage nach ihrer Vereinbarkeit mit den Bedingungen der parlamentarischen Kontrolle besonders schwer fällt. Hier finden sich zugleich diejenigen Erscheinungen, die als Wiedergänger der ministerialfreien Räume in moderner Gestalt anmuten. Die legitimationsbezogene Analyse der Privatisierung steht vor mehreren Herausforderungen. Einerseits muß sie sich frei machen von politischen Heilserwartungen, die in „der Privatisierung“ gleichsam das Patentrezept zur Lösung 356

Anders Kämmerer, JZ 1996, 1042, 1044. R. Schmidt, ZGR 1996, 345, 347, spricht darum von der Organisationsprivatisierung als Vorstufe. Ähnlich Spannowsky, ZGR 1996, 400, 401. 358 Ebenso Kämmerer, JZ 1996, 1042, 1044, demzufolge der Grad der Popularprivatisierung steigt, je mehr Anteile auf Private übertragen werden. 359 Stober, in: Wolff/Bachof/ders., Verwaltungsrecht 3, Vor § 90, Rn. 13. 357

VIII. Ergebnis

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der drängenden Probleme der Staatsverwaltung sehen und die Flexibilisierung zum Selbstwert verfassungsrechtlicher Rechtfertigungsgründe erheben. Andererseits muß sie sich vor Affekten gegenüber dem gleichsam Neuen hüten, das in den vertrauten Kanon des verwaltungsorganisatorischen Instrumentariums eindringt. Privatisierung – in welcher Form auch immer – ist an sich weder zulässig noch unzulässig. Ob es sich um „Formenmißbrauch“ handelt, folgt vielmehr aus der Gesamtheit der rechtlichen Anforderungen, die das Handeln von Legislative und Exekutive binden. Um so bedauerlicher ist es, daß der Gesetzgeber die Gleichstellung der privatrechtlichen Organisationsformen in vielen einfachgesetzlichen Regelungen noch nicht nachvollzogen hat, sondern diesen nach wie vor eine Sonderstellung zuerkennt360. Umgekehrt bestätigt sich aber gerade hieran die besondere Dringlichkeit, den Privatisierungsprozeß in all seinen Facetten rechtlich zu erfassen. Für die vorliegende Untersuchung erwiesen sich dazu gerade die Erkenntnisse zu den Grundlagen der parlamentarischen Kontrolle und zu den öffentlich-rechtlich organisierten ministerialfreien Räumen als außerordentlich hilfreich.

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Zu erinnern ist hier etwa an die Regelungen in der BHO oder in GGArt45cG.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 1. Kapitel Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle Parlamentarische Kontrolle ist kein selbsterklärender Begriff. Wortlaut und Verfassungsgeschichte machen nur Annäherungen möglich, die jedoch nicht zum dogmatischen Kern führen. Zum Teil stehen sie einer verfassungsrechtlichen Zuordnung sogar im Weg. Ausgangspunkt muß vielmehr sein, daß es sich um eine Parlamentsfunktion handelt, die ihren Inhalt aus dem Demokratieprinzip ableitet. Bereits damit kommt zum Ausdruck, daß parlamentarische Kontrolle mehr ist als ein Instrument der Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive. Das Grundgesetz weist dem Parlament eine zentrale Stellung im demokratischen Prozeß zu. Dies läßt sich mittels des Verantwortungsdenkens veranschaulichen und gliedern. Ausgangspunkt ist dabei, daß demokratische Legitimation auf Verantwortungszurechnung beruht. Sie überführt den zunächst theoretisch formulierten Gedanken des Grundgesetzes, daß alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, in ein konkretes Organisationsschema. Das Grundgesetz hält alle dafür wesentlichen Bedingungen bereit. Das Parlament ist das Staatsorgan, das unmittelbar vom Volk bestimmt wird. Demokratische Legitimation wird hergestellt, wenn das Parlament ihm gegenüber Verantwortung für das Staatshandeln trägt. Eigene Verantwortung entsteht dem Parlament stets dort, wo es durch Gesetz die übrigen Staatsorgane bindet. Ihr legales Handeln ist darum demokratisch legitimiert. Die Zurechnung fremder Verantwortung setzt hingegen ein Beeinflussungsrecht voraus. Innerhalb der hierarchisch gegliederten, der dekonzentrierten und dezentralisierten Verwaltung sind dies die Mittel der Staatsaufsicht, die die Verantwortung zunächst auf der Ebene der Regierung bündeln. Im Verhältnis von Parlament und Regierung steht der Grundsatz der Gewaltenteilung einem hierarchischen Aufsichtsverhältnis jedoch entgegen, so daß eine unmittelbare Verantwortungsüberleitung ausgeschlossen ist. An seine Stelle tritt das Vertrauensverhältnis zwischen Parlamentsmehrheit und der von ihr gewählten Regierung. Es eröffnet Möglichkeiten der politischen Einflußnahme, die nicht nur die Verantwortungszurechnung gewährleisten, sondern auch den Kern der demokratischen Legitimationsfunktion

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der parlamentarischen Kontrolle darstellen. Damit ist die Grundlage für das Verständnis der parlamentarischen Kontrolle entfaltet: (1) Verantwortungszurechnung setzt lediglich die Möglichkeit der Einflußnahme voraus. Demokratische Legitimation findet darum auch dann statt, wenn parlamentarische Kontrolle nicht ausgeübt wird. Solange das Parlament das Regierungshandeln mehrheitlich hinnimmt, ohne auf Korrekturen hinzuwirken, ist von Akzeptanz auszugehen. Daran wird der doppelte Gehalt der parlamentarischen Kontrolle deutlich: Sie ist einerseits abstrakte Strukturbedingung der demokratischen Legitimation, andererseits deren konkrete Ausgestaltung. Darum wäre es ebenso verkürzt zu sagen, die Verantwortung selbst bewirke die demokratische Legitimation, wie umgekehrt, daß diese mit der parlamentarischen Kontrolle identisch sei. (2) Die Zurechnung fremder Verantwortung bedingt, daß sich parlamentarische Kontrolle stets auf fremde Entscheidungen bezieht. Auch wenn der Grundsatz der Gewaltenteilung ihre Einflußmöglichkeiten auf einen politischen Rahmen festlegt, kann parlamentarische Kontrolle in Einzelfällen auch gesetzlich erfolgen. Die Unterscheidung zu anderen Parlamentsfunktionen bestimmt sich darum nicht nach der Form, sondern nach dem Inhalt. (3) Dem demokratischen Mehrheitserfordernis entsprechend, fällt die Legitimationsfunktion der parlamentarischen Mehrheit zu. Die Regierung ist von ihrem fortwährenden Vertrauen abhängig, so daß sie es ist, der die Einflußmöglichkeiten eröffnet sind. Die Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle ist insoweit mehrheitsgebunden. Der parlamentarischen Opposition kommt hingegen die Aufgabe zu, den Vorgang der parlamentarischen Kontrolle in Gang zu setzten, so daß sie den Legitimationsvorgang effektuiert. (4) Bei den sogenannten parlamentarischen Kontrollrechten ist zu unterscheiden: Zum einen sind sie Informations- und Rechenschaftsrechte, die das Parlament in die Lage versetzen sollen, das Exekutivhandeln beurteilen zu können. Sie bilden eine Voraussetzung für parlamentarische Kontrolle und haben selbst keine Legitimationsfunktion. Zum anderen können damit rechtsverbindliche Mitwirkungsrechte gemeint sein, die funktional der parlamentarischen Kontrolle zuzurechnen sind. Wegen der Gewaltenteilung muß es sich um Ausnahmen handeln, die ein besonderes Kontrollerfordernis voraussetzen. Sanktionsmittel, mit denen „Verantwortung geltend“ gemacht wird, gehören nicht zur parlamentarischen Kontrolle, sondern zur personellen Legitimation. (5) Unmittelbaren Einfluß auf den Inhalt des demokratisch legitimierten Staatshandelns kann die parlamentarische Kontrolle nur voraus- oder mitwirkend haben. Nachträgliche parlamentarische Kontrolle betrifft bereits legitimier-

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tes Handeln und zielt entweder auf dessen Bestätigung oder auf dessen Änderung im Wege eines neuen Legitimationsvorgangs. (6) Eine erste Grenze findet die parlamentarische Kontrolle im Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung. Er begrenzt die Informations- und Rechenschaftspflichten, wo sie die Funktionsfähigkeit der Exekutive berühren. Parlamentarische Kontrolle umfaßt einen Teilbereich der demokratischen Legitimation. Komplementär mit der Gesetzgebung verwirklicht sie staatliche Sachlegitimation. Diese gehört mit der institutionell-funktionellen und der personellen Legitimation zu den Elementen des Legitimationsmodells, das für die Verwaltungsorganisation strukturbestimmend ist. Das Demokratieprinzip findet darin eine formale, rechtsstaatliche Verfestigung, die den verfassungsrechtlichen Rahmen für den politischen Prozeß bildet. Demokratische Legitimation ist jedoch nicht statisch, sondern in ihrer konkreten Ausprägung von ihrem Bezugsobjekt abhängig. Hier stellt sich die Frage nach der demokratischen Dignität, die als Legitimität bezeichnet werden kann. Dabei geht es um die Bedingungen der Akzeptanz, die gegenüber staatlichem Handeln gelten sollen. Die Bewertung und Umsetzung von Legitimitätsgesichtspunkten obliegt dem Gesetzgeber, soweit sie nicht bereits in das Verfassungsrecht Eingang gefunden haben. Durch gesetzliche Regelung können sie zum Bestandteil des Legitimationsvorgangs werden. Auch die jeweils erforderliche Effektivität der parlamentarischen Kontrolle gehört zu den Legitimitätswertungen. Zu nennen sind dafür spezielle parlamentarische Informationsrechte, Kontrollgremien und Mitwirkungsrechte. Sie sind auf staatliches Handeln bezogen, das in politischer oder grundrechtlicher Hinsicht bedeutsam ist, so daß in diesen Fällen die tatsächliche Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrolle gewährleistet sein muß. Die Strukturen der demokratischen Legitimation beruhen selbst bereits auf verfassungsrechtlichen Legitimitätswertungen. Sie können darum nicht durch andere – einfachgesetzliche – Legitimitätswertungen überspielt werden. Sie sind stets verbindlich. 2. Kapitel Staatsgewalt als Gegenstand und Rahmen der parlamentarischen Kontrolle Die Staatsgewalt ist im Grundgesetz der Anknüpfungspunkt für das Demokratieprinzip. Sie ist ein verfassungsrechtlicher Zentralbegriff und bildet eine kategoriale, nicht rechtfertigungsbedürftige Grenze für die demokratische Legitimation. Die Bestimmung der Staatsgewalt entscheidet folglich über den Anwendungsbereich und die Notwendigkeit der parlamentarischen Kontrolle hinsichtlich ihrer Legitimationsfunktion. Weil sich parlamentarische Kontrolle auf das Staatshandeln bezieht, geht es um Staatsgewalt im funktionalen Sinn. Im Hinblick auf den Verantwortungsge-

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danken knüpft die zu legitimierende Staatsgewalt an die zu verantwortenden Entscheidungen an. Sie läßt sich darum nicht ohne Rückgriff auf die Entscheidungsträger beschreiben, so daß es auch auf die Staatsgewalt im organisatorischen Sinne ankommt. Staatsgewalt im organisatorischen Sinne ist unabhängig von der Unterscheidung in unmittelbare und mittelbare Staatsverwaltung. Rechtliche Verselbständigung steht ihr nicht entgegen. Die Abgrenzung zwischen Staat und Gesellschaft macht jedoch Kriterien erforderlich, die eine Zuordnung auch dann ermöglichen, wenn Zweifel bestehen. Dies ist insbesondere bei Einrichtungen der Selbstverwaltung der Fall, die, scheinbar intermediär, Strukturelemente aus beiden Bereichen in sich vereinigen. Als ungeeignet für eine Zuordnung erweisen sich formale Kriterien der Rechtsform, eingeräumte Hoheitsbefugnisse, die Abhängigkeit vom Staat sowie der Inhalt der wahrgenommenen Aufgabe. Maßgeblich ist vielmehr, daß die Betroffenenbeteiligung bei den Selbstverwaltungseinrichtungen zum Instrument staatlicher Aufgabenerledigung wird. Ihre begrenzte Unabhängigkeit ist nicht mit gesellschaftlicher Freiheit zu verwechseln und führt nicht zu einer Verminderung der Staatsgewalt. Sie unterliegen damit grundsätzlich den Anforderungen des Demokratieprinzips. Der gegenständliche Bereich der Staatsgewalt im funktionalen Sinn ist weit auszulegen. Neben dem Entscheidungsmoment muß ihre Bestimmung die den ausübenden Staatsorganen zur Verfügung stehenden Handlungsformen und ihre Zwecke einbeziehen. Sie erfaßt nicht nur verbindliche Entscheidungen, sondern auch die erforderlichen Ausführungshandlungen. Die Rechtmäßigkeit ist kein konstitutives Merkmal der Staatsgewalt, sondern ein Aspekt ihrer Legitimationsfähigkeit. Aus diesem Grund ist die Zuordnung der Selbstverwaltungseinrichtungen zur Staatsgewalt auch unabhängig von der Frage, wie sich ihre begrenzte Unabhängigkeit mit der parlamentarischen Kontrolle vereinbaren läßt. 3. Kapitel Beschränkungen der parlamentarischen Kontrolle: Ministerialfreie Räume Einrichtungen der staatlichen Verwaltung, die keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegen, werden unter dem Begriff der ministerialfreien Räume zusammengefaßt. Sie definieren sich über ihre Ausnahmestellung gegenüber dem Regelfall des Ministerialsystems. Ministerialfrei sind darum zur Exekutive zählende, aber der Regierung nachgeordnete Einheiten. Gemeinsam ist ihnen eine zumindest begrenzte Unabhängigkeit. Die Zurechnung der Verantwortung für ihr Handeln ist mangels Staatsaufsicht ausgeschlossen. Das Parlament hat keine

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Möglichkeit zu korrigierender Einflußnahme, so daß demokratische Legitimation nicht stattfindet. Zu den ministerialfreien Räumen gehören einerseits unabhängige Organe der Ministerialverwaltung im engeren Sinne. Bei ihnen ist das ministerielle Weisungsrecht gesetzlich ausgeschlossen. Zu nennen sind andererseits Einrichtungen der mittelbaren Staatsverwaltung einschließlich der Selbstverwaltungseinrichtungen. Weil sie rechtlich verselbständigt sind, bedarf es stets gesetzlicher Regelungen über die Staatsaufsicht. Sobald sie hinter den demokratisch erforderlichen umfassenden Steuerungsmöglichkeiten zurückbleiben, ist von Ministerialfreiheit auszugehen. Bestehende und ehemalige ministerialfreie Räume lassen die verschiedenen Gründe für ihre Organisationsstruktur erkennen. Sie dient der Entpolitisierung in grundrechtssensiblen Bereichen, dem Schutz vor Instrumentalisierung und sachfremder Einflußnahme sowie innerstaatlichen Kontrollzwecken. Die Unabhängigkeit ist darum nie das Ziel an sich, sondern stets Bedingung im Hinblick auf bestimmte Regelungszwecke. Die Reintegration früherer ministerialfreier Räume in den staatlichen Verantwortungszusammenhang beruht umgekehrt darauf, daß die ursprünglichen Gründe für ihre Unabhängigkeit entweder entfallen sind oder anderen Prioritäten, insbesondere den Finanzierungsfragen, untergeordnet werden. Der Gesetzgeber ist sich der Notwendigkeit der Verantwortungszurechnung bewußt, so daß er die Ministerialfreiheit selbst als Ausnahme betrachtet. Sie ist jedoch nur dann verfassungsgemäß, wenn sich die Unabhängigkeit mit dem Demokratieprinzip vereinbaren läßt. Der Ausschluß der parlamentarischen Kontrolle spricht prima facie dagegen. Unter den Begründungsansätzen zu unterscheiden sind solche, die auf den Inhalt des Demokratieprinzips zielen, die eine Legitimationskompensation für die fehlende parlamentarische Kontrolle annehmen oder von einem Rechtfertigungstatbestand ausgehen. Sie können jedoch nicht überzeugen: (1) Dies gilt namentlich für die vom Bundesverfassungsgericht rezipierte Vorstellung, die die Legitimationsstruktur in ihre „Bausteine“ aufgelöst will und demokratische Legitimation dann bejaht, wenn ihre Effektivität ein bestimmtes Legitimationsniveau erreiche. Sie verkennt jedoch nicht nur die jeweilige Funktion der Legitimationselemente, die einer Kompensation nicht zugänglich sind, sondern vermag auch nicht die Frage zu beantworten, was das jeweils gebotene Legitimationsniveau ist. (2) Unter dem Stichwort der autonomen Legitimation wird der Versuch unternommen, die Betroffenenbeteiligung in den funktionalen Selbstverwaltungseinrichtungen mit dem Gedanken demokratischer Selbstbestimmung zu identifizieren und daraus einen Ersatz für die fehlende parlamentarische Le-

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gitimation herzuleiten. Dies bedingt jedoch die Anerkennung demokratischer Teilvölker als Legitimationssubjekte, für die es im Grundgesetz keinen ausreichenden Anknüpfungspunkt gibt. Überdies läßt sich autonome Legitimation nicht widerspruchsfrei in die parlamentarische Legitimationsstruktur integrieren. (3) Auch wenn die Unabhängigkeit stets bestimmten Regelungszwecken dient, kann sie nicht aus der Natur der Sache abgeleitet ist. Entscheidend dafür ist, daß sich die Natur der Sache als methodisch unzureichendes Argumentationsmuster erweist, weil sie die Zulässigkeit ministerialfreier Räume nicht begründet, sondern voraussetzt. (4) Die Legitimationsanforderungen an das Parlament, an die Rechtsprechung und die Sonderregelung zum Bundesrechnungshof können nicht mit dem Argument der Funktionsähnlichkeit auf die ministerialfreien Räume übertragen werden. Diese Ansicht kann die dafür notwendigen Abgrenzungskriterien nicht nachweisen und verkennt den originären Gehalt der verfassungsrechtlichen Legitimationsbestimmungen. (5) Die einzige verfassungsrechtlich zulässige Rechtfertigung folgt aus grundrechtlichen Organisationswirkungen. Der objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalt kann die staatliche Einflußnahme in bestimmten Fällen verbieten, so daß eine ministerialfreie Struktur erforderlich wird. Praktische Beispiele bilden dazu der öffentlich-rechtliche Rundfunk sowie die staatlichen Hochschulen. Kehrseite ist jedoch, daß sie unter diesen Bedingungen gleichwohl als demokratisch defizitär zu betrachten sind. Die Alternative dazu besteht in der Neubewertung des Demokratieprinzips und der staatlichen Legitimationsbedingungen. Ausgangspunkt dafür ist die Feststellung, daß das Demokratieprinzip ein Prinzip ist und damit Optimierungsanforderungen unterliegt. Verbindlich ist darum stets die größtmögliche Legitimation. Ein Mindestniveau ist ebenso unzulässig wie eine Legitimationsverdünnung. Dies bedingt jedoch einen Maßstab dafür, was optimale Legitimation ist bzw. wann sie als erreicht gelten kann. Ein materieller Maßstab ist ausgeschlossen, weil der Inhalt staatlichen Handelns nur Ergebnis des demokratischen Prozesses sein kann, aber nicht vorgegeben ist. Tatsächlich sind es die verfassungsrechtlichen Legitimationsstrukturen, mit denen das Grundgesetz den Maßstab optimaler demokratischer Legitimation bestimmt. Zur Begründung ist die Aussage der Optimierungstheorie zu berücksichtigen, daß Optimierung von tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten abhängt und in ihnen ihre Optimierungsgrenze findet. Wendet man dies auf den Legitimationsprozeß an, ergibt sich folgendes Bild: Objekt demokratischer Legitimation ist das staatliche Handeln. Es geht um Staatswillensbildung. Auf einer ersten Stufe ist dafür eine demokratische Bestimmung der staatlichen Aufgaben erforderlich. Ihr nachfolgend geht es um die Aufgabenwahrnehmung. Sie bedarf

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ebenfalls der demokratischen Legitimation, verfügt mit der Aufgabenbestimmung jedoch über eine materielle Grenze. Dies macht eine funktionsgerechte Organisationsstruktur erforderlich, in der sachrichtige Entscheidungen getroffen werden können. Die drei Hauptstaatsgewalten gehören zu den verfassungsrechtlichen Staatsaufgabenbestimmungen. Ihre jeweiligen Legitimationsstrukturen beruhen auf Abwägungen zwischen dem Ziel effektiver Aufgabenerfüllung und den möglichen Formen demokratischer Legitimation. Die unterschiedlichen Legitimationsstrukturen von Legislative, Exekutive und Judikative sind folglich mit ihren unterschiedlichen Aufgaben zu erklären. Das Grundgesetz gibt mit ihnen Optimierungswertungen vor, die zum Bezugspunkt und Maßstab der einfachgesetzlichen Rechtsgestaltung werden. In ihrem Rahmen ist Platz für Legitimitätserwägungen. Für die ministerialfreien Räume ist dabei der Sonderfall der Inkompatibilität von Bedeutung. Ihm liegt zugrunde, daß eine Aufgabe demokratisch legitimiert ist, sich aber unter den Legitimationsbedingungen, die für ihre Wahrnehmung vorgegeben sind, nicht erfüllen läßt. Hier wird die Grenze optimaler Legitimation bereits unterhalb des Legitimationsmodells erreicht. Die demokratische Aufgabenbestimmung genießt insoweit Vorrang vor der demokratischen Aufgabenwahrnehmung. Weil es sich gleichwohl um optimale Legitimation handelt, kann weder von einem demokratischen Defizit noch von einer rechtfertigungsbedürftigen Einschränkung gesprochen werden. Maßgeblich ist jedoch, daß eine Aufgabe außerhalb des Legitimationsmodells nicht bloß effektiver, sondern daß sie innerhalb des Legitimationsmodells nicht erfüllt werden kann. Der Kreis der zulässigen ministerialfreien Räume reduziert sich danach auf tatsächliche Ausnahmen. Ihnen liegt zugrunde, daß sich die Bedingungen des Legitimationsmodells, insbesondere die Weisungsbindung, als Störung sachgerechter Aufgabenerfüllung erweisen. Denkbar ist dies in Fällen sachfremder Einflußnahme, bei Aufgabenkollisionen und bei Kontrollwidersprüchen. Die Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung bilden hierzu einen Sonderfall. Ihnen ist nicht das Legitimationsmodell als Legitimationsoptimum vorgegeben, vielmehr beruht ihre verfassungsrechtliche Anerkennung ihrerseits auf einer Optimierungswertung für dieses Organisationsmodell. Ihre demokratische Legitimation erschöpft sich in der Gesetzesbindung und der begrenzten Staatsaufsicht. Die Betroffenenbeteiligung vermittelt keine demokratische Legitimation, sondern gehört zu den rechtsstaatlichen Absicherungen der Aufgabenerfüllung. Alle insoweit demokratisch zulässigen ministerialfreien Räume bedürfen besonderer Vorkehrungen, die die sachrichtige Aufgabenerfüllung sicherstellen. Es handelt sich um Bedingungen der demokratischen Legitimität.

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Für die parlamentarische Kontrolle bedeutet dies, daß sie der verfassungsrechtlich vorausgesetzte Regelfall für die demokratische Legitimation der Exekutive ist. Die Grenze ihrer Anwendbarkeit wird nur erreicht, wenn ihre Bedingungen der demokratischen Aufgabenerfüllung im Wege stehen. 4. Kapitel Beschränkungen der parlamentarischen Kontrolle: Privatisierung Privatisierung führt zu Änderungen der staatlichen Organisationsstruktur und des Inhalts der Staatsgewalt. Sie ist darum für den Anwendungsbereich der parlamentarischen Kontrolle von Bedeutung. Allen Privatisierungsformen liegt die Unterscheidung zwischen Privatisierungsvorgang und Privatisierungsergebnis zugrunde. Während der Privatisierungsvorgang stets Staatshandeln darstellt und darum demokratische Legitimation auch durch parlamentarische Kontrolle erfordert, erweist sich das Privatisierungsergebnis als Sammelbegriff, deren Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle nicht einheitlich beantwortet werden kann. Die Organisationsprivatisierung führt zu rechtlicher Verselbständigung in privatrechtlicher Form, nicht aber zur Ausgliederung aus der Staatsgewalt. Zuordnungsfragen stellen sich insbesondere bei der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung Privater. Sie sind danach zu beantworten, ob der öffentlichen Hand eine beherrschende Stellung verbleibt und ob die Beteiligung der Privaten zum Bestandteil staatlicher Zweckerfüllung wird. Parlamentarische Kontrolle bleibt dann auch nach dem Privatisierungsvorgang erforderlich. Ihrer Wahrnehmung stehen jedoch – in unterschiedlichem Maß – die privatrechtlichen Gesellschaftsformen entgegen, weil sie eine Eingliederung in den demokratischen Verantwortungszusammenhang nicht ohne weiteres zulassen. Hier stellt sich bereits im Privatisierungsvorgang die Aufgabe, im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten für entsprechende Einwirkungsrechte der öffentlichen Hand zu sorgen. Soweit dies aus rechtlichen oder politischen Gründen nicht erfolgt, entsprechen die Privatrechtsvereinigungen aus demokratischer Sicht den ministerialfreien Räumen. Abgesehen von zwei verfassungsrechtlichen Ausnahmebestimmungen für die ehemalige Bundesbahn und -post bestehen für sie keine Rechtfertigungen. Der Optimierungsansatz greift in den regelmäßig effizienzbegründeten Privatisierungsmaßnahmen nicht durch. Eine Ausnahme besteht hier lediglich bei den privatrechtlichen Zusammenschlüssen von öffentlich-rechtlichen Verwaltungsträgern, denen konkrete Gemeinschaftsaufgaben zugrunde liegen. Neben den Einschränkungen bei der Möglichkeit parlamentarischer Kontrolle hat Organisationsprivatisierung auch weitreichende Auswirkungen auf die Ef-

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fektivität ihrer Wahrnehmung. Ihre geringe Legitimität indiziert die Notwendigkeit besonderer Kontrollmittel. Die Aufgabenprivatisierung hat die Überlassung ehemaliger staatlicher Aufgaben an die Gesellschaft zum Inhalt. Ihre Wahrnehmung stellt keine Staatsgewalt dar, so daß das Demokratieprinzip nach dem Privatisierungsvorgang keine Anwendung mehr findet. Soweit der Staat auch weiterhin Verantwortung für die Art der Aufgabenwahrnehmung übernimmt und in den Formen der Wirtschaftsaufsicht wahrnimmt, unterliegt sie, nicht aber das private Handeln der parlamentarischen Kontrolle. Für eine Abgrenzung zwischen staatlicher und privater Sphäre erweist sich der Verantwortungsbegriff jedoch als ungeeignet. Seine bevorzugte Verwendung beruht darauf, daß er die Bestimmung der jeweiligen Aufgabenanteile überdeckt. Mit funktionaler Privatisierung ist die Einbeziehung von Privatrechtssubjekten in die Vorbereitung und Durchführung staatlicher Aufgaben gemeint. Es handelt sich um Verwaltungshelfer. Ihre Zuordnung zu dieser Privatisierungsform wird mit zunehmender Selbständigkeit gegenüber ihrem hoheitlichen Auftraggeber in Frage gestellt. Weil funktionale Privatisierung die Aufgabenträgerschaft unberührt läßt, muß das Handeln der Verwaltungshelfer der Staatsgewalt zugerechnet werden. Sie handeln trotz ihrer subjektiven Privatheit als Teil der staatlichen Verwaltungsorganisation. Aus diesem Grund unterliegen sie grundsätzlich den Anforderungen der parlamentarischen Kontrolle. Die Beauftragung der Verwaltungshelfer muß darum – ebenso wie im Fall der Organisationsprivatisierung – mit umfassenden staatlichen Einwirkungsrechten verbunden werden.

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Sachwortverzeichnis Abgeordnete, Kontrolle durch 414 Abgeordnetenrechte 96 Akteneinsichtsrecht 102 Aktiengesellschaft 391 Akzeptanz 57 Amtswalter – personelle Legitimation 52 – Verantwortung 46 – Verwaltungshelfer 432 Anstalten 133, 220 Arkanbereich 94 Aufgaben, staatliche 324 Aufgabenbestimmung 349 Aufgabenkollision 344 Aufgabenprivatisierung 420 Aufgabenverantwortung 427 Aufsichtsrecht 186 Ausländerwahlrecht 259 Bagatellvorbehalt 172, 254 Bahnprivatisierung 407, 416 Beeinflussungsrecht 35 Befangenheit 292 Beherrschungsvertrag 393 Beleihung 435 – parlamentarische Kontrolle 437 – Staatsaufsicht 438 – Staatsgewalt 437 Beobachtungspflicht 358 Berichtspflichten 104, 403 Berliner Wasserbetriebe 381 Beteiligungsbericht 403, 409 Betroffenenbeteiligung 134, 156, 268 Betroffenheit 270 Budgetrecht 86 Bundesamt für den Zivildienst 235

Bundesbank 224, 355, 363 Bundesbeauftragter – Asylangelegenheiten 222 – Datenschutz 204, 363 – Staatssicherheitsdienst 207, 363 Bundesbehörden, oberste 200, 205, 225, 251 Bundesdisziplinaranwalt 243 Bundeskartellamt 225 Bundesoberbehörden 137, 177 Bundespersonalausschuß 211, 363 Bundesprüfstelle 208, 296, 363 Bundesrechnungshof 334, 407 Bundesrechtsanwaltskammer 220 Bundesschuldenverwaltung 228, 364 Bundessortenamt 232 Bundesstelle – Flugunfalluntersuchung 212 – Seeunfalluntersuchung 215 Bundesverfassungsgericht, Prüfdichte 356 Bundeswehrverwaltung 233 Bundeswertpapierverwaltung 228 Checks and balances 29, 286 Datenschutzbeauftragter 204 Demokratieprinzip 29, 59, 168, 247, 265, 293, 314 – als Prinzip 322 – Optimierungsgebot 323 – Privatisierung 388 – Reichweite 125, 252 Demokratische Legitimation 30 Deregulierung 421

Sachwortverzeichnis Effektivität 258, 281 eigene Entscheidung 27 Eigenverantwortlichkeit 36, 43, 134, 152 Eigenverantwortung, Kernbereich 94, 111 Einflußnahme, informelle 68 Eingetragener Verein 398 Einheit der Verwaltung 165 Einigungsstellen 311 Einwirkungspflicht 390, 411 Enquête-Kommission 119 Enquête-Recht 109, 404 Entfaltungsverantwortung 42 Entpolitisierung 294 Entscheidungscharakter 169 Ewigkeitsklausel 314 Fachaufsicht 188 Fachausschüsse 108 Filmförderungsanstalt 296 Flugunfalluntersuchung 212 formelle Privatisierung 373 Formwahlfreiheit 384 Fragerechte 100 Fraktionen 97 fremde Entscheidung 27 Fremdinformation 91 funktionale Privatisierung 425 – parlamentarische Kontrolle 433 – Staatsgewalt 430 – Verwaltungshelfer 426 Geheimnisschutz 95, 412 Gemeindevolk 271 Gemeinwohl 69, 291, 317 Genehmigungsvorbehalt 357 Gesellschaftssatzung 392 Gesetzesfolgenabschätzung 105 Gesetzesvorbehalt – Beleihung 438 – Demokratieprinzip 361 – institutioneller 193

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– Organisationsprivatisierung 386, 409 – Staatsaufsicht 190 – Verwaltungshilfe 434 – Weisungsfreiheit 185 – Weisungsrecht 307 Gesetzgebung, als Parlamentsfunktion 25 Gesetzgebungsfunktion 26, 75, 81 Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 290 Gewaltenmonismus 65 Gewaltenteilung 64, 75, 92, 93, 105, 251, 285, 332, 356, 361 – intrafunktionelle 245 Gleichheitsgrundsatz 96 GmbH 396 Grundrechte 295, 355 Haushaltsentlastung 89 Haushaltsplan 86 Haushaltsrecht, Organisationsprivatisierung 407 Hierarchie 45 Hochschulen 160, 166, 302, 335 Industrie- und Handelskammern 140 infiniter Regreß 58 Informationsrechte 90 – parlamentarische 358 Input 265, 320 In-Sich-Beleihung 436 Interessenverbände 337, 344 Interpellationsrecht 100, 403 Jugendwohlfahrtsausschüsse 296 Kirchen 139, 144 Kollegialorgane 193, 350 Kompensation der Legitimation 273 Konstitutionalismus 23, 77 Kontrolle – Begriff 21, 288 – Bundesstaatsprinzip 93

257,

482

Sachwortverzeichnis

– controlling 70 – Gesetzgebung 81 – Grundrechte 93 – Haushalt 87 – Informationsrechte 90 – Kontrollmöglichkeit 90 – Mitwirkungsbefugnisse 83 – Opposition 76 – rechtsgeschichtlich 22 – Rechtskontrolle 74 – Selbstkontrolle 76 – Soll- und Istwert 25, 68 – verfassungsrechtlich 22 – vorauswirkende 25 Kontrolleinrichtungen, parlamentarische 107 Kontrollenquêten 110 Kontrollgremium – Art. 13 Abs. 6 S. 2 GG 113 – § 23c Abs. 8 ZFdG 114 Kontrollmaßstab 68 Kontrollobjekt 22 Kontrollsubjekt 22 Kontrollwiderspruch 345 Kontrollzeitpunkt 70 Kooperation 369 Körperschaften 133 Kreationsfunktion 25, 79 Kriegsdienstverweigerung 235, 364 Legalität 59 Legislaturperiode 332 Legitimation – Legitimität 57 – als Sachlegitimation 54 – autonome 272 – durch parlamentarische Kontrolle 57 – durch Parlamentsgesetz 56 – Effektivität 258 – grundrechtliche 296 – institutionell-funktionelle 51, 64 – kollektive personelle 52

– Kompensation 256 – materielle 318 – personelle 52 – Staatsaufgaben 324 – Substituierung 258 Legitimationskette 52, 61, 268, 408 Legitimationskollision 324 Legitimationsmodell 50, 257, 261, 262, 318, 328 – Kritik 50, 282, 314, 367 Legitimationsniveau 122, 255, 257 – in der Rechtsprechung 259 Legitimität 57, 71, 79, 83, 86, 122, 183, 266, 307, 340, 355, 362, 408 Leitungsbefugnis der Regierung 361 Luftverkehrsverwaltung 386 Mandatsdoktrin 69 Mediendemokratie 55 Mehrheitsprinzip 31, 96, 284, 332 Mißtrauensvotum 42, 65, 67, 79 Ministererlaubnis 227 ministerialfreie Räume 175 – Aufsichtsrecht 190 – Demokratieprinzip 247 – Exekutive 199 – Kollegialorgane 193 – Ministerialsystem 200 – mittelbare Staatsverwaltung 180 – Parlamentsfreiheit 201 – Privatisierung 401, 413 – Rechtfertigungen 276 – Staatsgewalt 198 – Treuhand 287 – Verantwortungszusammenhang 248 – Weisungsfreiheit 185 Ministerialfreiheit 176 Ministerialsystem 45 Ministerialverwaltung 176 Ministerverantwortlichkeit 23, 44, 184, 248, 388 Mitbestimmung 364

Sachwortverzeichnis Mitbestimmungsgesetz, schleswig-holsteinisches 255, 261, 311 Mitwirkungsrechte, parlamentarische 82 Musterungsausschüsse 234, 364 Natur der Sache 277 Nebenhaushalte 387, 407 Neutralität 294 Nichtidentifikation 303 öffentliche Meinung 54, 60, 63, 285, 341 Öffentlichkeitsprinzip 339 Opposition 64, 76, 96, 362 Oppositionskontrolle 29 Optimierungsgebot 323, 415 – Kritik 359 – Privatisierung 417 Organisationsmangel 48 Organisationsprivatisierung 372 – Gesetzesvorbehalt 386 Output 265, 320 parlamentarische Kontrolle – als Parlamentsfunktion 24 – Funktion 63 – Verantwortungszurechnung 63 – Verantwortungszusammenhang 49 parlamentarisches Kontrollgremium 95, 112 Parlamentsausschüsse 96, 107 parlamentsfreier Raum 201 Parlamentsfunktionen 25 Parlamentssuprematie 65 Parlamentsvorbehalt 62 Parlamentswahl 54 Parteien 332 Partizipation 134, 348 Patent- und Markenamt 236 Personalvertretungsgesetz 253 personelle Legitimation 31 Petitionsausschuß 117, 405

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Petitionsinformationsrecht 118, 405 plebiszitäre Einflüsse 362 Pluralismus 165 Pluralismusschutz, grundrechtlicher 295 politische Tragweite 254, 354 Postprivatisierung 407, 416 pouvoir constituant 51, 58 pouvoir constitué 58, 66 Prinzipien 321 Privatisierung 133 – Begriff 370 – Vorgang und Ergebnis 385, 422 prozedurale Steuerung 342 Public-Privat-Partnerships 440 Rechenschaft 90 Rechenschaftspflicht 34, 63 Rechtsaufsicht 158, 188, 352, 357 Rechtskontrolle 68, 74, 81 – Rechtsprechung 22 Rechtsprechung 49, 75, 291, 333, 357 Rechtsstaatsprinzip 290 Regeln 321 Regierungsberichte 106 Regierungsstabilität 80 Regulierungsbehörde 239 Repräsentation 40, 54, 285, 362 Repräsentationsprinzip 331 richterliche Beamte 237 Richtlinienkompetenz 43 Rundfunk 298, 335 Rundfunkanstalten 148, 160 Sachgerechtigkeit 291, 317 Sachlegitimation 31, 54 – durch Gesetz 56 – durch parlamentarische Kontrolle 56 Sanktion 35, 63, 79 Seeämter 217 Selbstbefassungsrecht 108, 119 Selbstbestimmung 272

484

Sachwortverzeichnis

Selbstinformation 91 Selbstverwaltung 133 – funktionale 140, 270, 308, 345 – Grundgesetz 136 – grundrechtlich-funktionelle 160 – in der Rechtsprechung 139 – kommunale 140, 271, 308, 334 – Parlamentarischer Rat 138 – Staatsrechtslehre 141 Selbstverwaltungsverband 268 Staatsaufgaben 150, 325, 371 Staatsaufgabenbegriff – formaler 372 – materieller 372 Staatsaufgabenlehre 152 Staatsaufsicht 187 – Privatisierung 389 Staatsfreiheit 165 Staatsgewalt 50, 125, 252 – Aufgabenprivatisierung 421 – Ausführungshandlungen 171 – Bagatellvorbehalt 172 – funktionale Privatisierung 430 – funktionale Zuordnung 147 – Grundgesetz 128 – Hoheitsbefugnisse 146 – im weiteren Sinn 139 – in der Rechtsprechung 130 – Mitbestimmung 312 – Organisationsprivatisierung 376 – organisatorisch 132 – Privatisierung 370 – Selbstverwaltung 133 – staatliches Handeln 168 – Staatsaufgaben 150 – Staatstheorie 126 – Unabhängigkeit 159 – Verantwortung 31 Staatsverwaltung 177 Staatsvolk 268 Staatswillensbildung 60, 317, 339 Steinsche Städteordnung 140

Teilprivatisierung 422 Teilvölker 269, 311 Totalvorbehalt 56 Überwachungspflicht 48 Unabhängigkeit 36, 159, 214, 241 – der Abgeordneten 55, 331 – der Rechtsprechung 49 Untersuchungsausschüsse 109 Untersuchungsführer 242 Verantwortlichkeit – Beeinflussungsrecht 35 – begrifflich 32 – im engeren Sinne 40 – im weiteren Sinne 38, 49 – inhaltlich 34 – ministerielle 23 – politische 23 – Rechenschaftspflicht 34 – Sanktionen 35 – umfassende 249 – Unabhängigkeit 36 Verantwortlichkeitskette 37, 52, 123 Verantwortung – als heuristischer Begriff 32 – begrifflich 32 – der Regierung 43 – Entscheidungsverantwortung 73 – für gesetzmäßiges Handeln 41 – für Programmverwirklichung 42 – für Unterlassen 47 – im Grundgesetz 32, 38 – inhaltlich 33 – Kontrollverantwortung 73 – ministerialfreie Räume 248 – politische 42 – Privatisierung 423 – Rechtfertigung 31 – rechtliche 42 – Staatsgewalt 31 – und Staatsaufgabe 424

Sachwortverzeichnis – Unterlassen 67 – Verantwortungskonkurrenz 73 – Vollzugsverantwortung 74 Verantwortungsgrenze 255 Verantwortungsteilung 423 Verantwortungsvermischung 36, 72 Verbandsvölker 269 Verbriefungsmonopol 230 Vereinigungen, gemischt-öffentliche 374, 399, 419 Verfahrensprivatisierung 439 Vergabekammer 363 Vergabekammern 210 Vermögensprivatisierung 441 Verteidigungsfall 84 Vertrauensfrage 59 Vertrauensgremium 97 Vertrauenskrise 80 Vertrauensverhältnis 65 Verwaltungsgesellschaftsrecht 393 Verwaltungshelfer 426 – parlamentarische Kontrolle 433 Verwaltungsprivatrecht 384 Verwaltungsvorschriften 183 Verzichtstheorie 283, 360 völkerrechtliche Verträge 83 Volksbefragung 171 Volkssouveränität 29, 58, 314, 320

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Volkszählungsurteil 206 Vollzugsverantwortung 42 volonté générale 69, 318 volonté particulière 318 vorrechtliches Gesamtbild 276 Wahl des Bundeskanzlers als Parlamentsfunktion 25 Wahlmündigkeit 332 Wasserverbände 140 Wasserverbandsentscheidung 309 Wehrbeauftragter 115 Weisungen, rechtswidrige 185 Weisungsfreiheit 185 – faktische 194 – gebundenes Verwaltungshandeln 192 – Kollegialorgane 193 – Nachteile 247 – Rechtsaufsicht 191 – Unabhängigkeit 214 – Vorteile 244 Weisungsrecht 46, 177, 181 Wesentlichkeitstheorie 56, 62 Wirtschaftlichkeitsprinzip 415 Zitierungsrecht 98 Zurechnungszusammenhang 37