Deutsches Wörterbuch: Lieferung 10 Verstehen – Versuch [Reprint 2022 ed.] 9783112641484

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Deutsches Wörterbuch: Lieferung 10 Verstehen – Versuch [Reprint 2022 ed.]
 9783112641484

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DEUTSCHES

WÖRTERBUCH VON

JACOB GRIMM UND WILHELM GRIMM Herausgegeben von der

Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin

XII. Bande§ I. Abteilung 10. Lieferung VERSTEHEN—VERSUCH

1961 S. HIRZEL VERLAG • LEIPZIG IN ARBEITSGEMEINSCHAFT MIT DEM AKADEMIE-VERLAG GmbH, BERLIN

Unveränderter Nachdruck Erschienen im S. Hirzel Verlag, Leipzig C 1, SchuhmachergäQchen 1—3, in Arbeitsgemeinschaft mit dem Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 8» Leipziger Str. 3—4 Lizenz-Nr. 202 • 100/71/61 Oifsetdruok: VEB Druckerei „Thomas Müntzer** Bad Langensalza Bestell-Nr. 3021/XII/I/-/10 Preis DM 5,— Printed in Germany £9 7 D

1665

1666

VERSTEHEN

VERSTEHEN

wenn er nur seine mutter-sprache verstünde d. Vernunft, tadlerinnen 1, 11; dasz die Italiener unter plasma einen gräulich-gesprengten hornstein verstünden LESSING 10, 306; dasz niemand schriebe, was er nicht verstünde HERDER 1, 360; als wenn er auch zu lesen verstünde! GÖTHE 23, 86 Ifeiro.; da braucht man nicht zu thun, als wenn man es verstünde TIECK 6, 55; er stellte sich, als verstünde er die geschichtlichen anspielungen seines volontairs GUTZKOW ritter 8, 400; wehe dir, wenn du mich verstündest! HEBBEL 1, 60 (Judith 5); er meint, man verstund ihn eben auch hier nicht MÖRIKE L, 124; er meinte, dasz er's verstünde FONTANE 5, 130. die jüngere, zu verstand geschaffene form verstände ist nicht durchgedrungen :

nhd. bestehen (th. 1, 1672) in demselben sinne gebraucht wird, so würde es die anschauung vertreten ,einen gegenständ umstehen, bestehen, in seiner gewalt haben' (ahd. bi-standan vgl. umbi-: griech. aacpi). von diesem ausgangspunkte läszt sich der Übergang von dem sinnlichen auf das geistige gebiet verstehen, toie uns die ähnlich entwickelten bildungen be-greifen und ver-nehmen noch heute semasiologisch durchsichtig sind, ein vereinzeltes mhd. er-sten (wb. 2, 2, 582B; LEXER hdwb. 1, 675) können wir einem erfassen an die seite stellen, ein weg zu diesen bildungen musz vom präfix ver- aus erschlossen werden, um auch verstehen begreiflieh zu finden, im got., wo die grundformen des präfixes fairfaur- fra- noch getrennt sind, fehlt das wort, im ahd. erscheinen, im wesentlichen nur landschaftlich und zeitlich geschieden, far- fer- fir- for- für-, so dasz z. b. OTFRID Cr-,

w e r sich auf scnlüsser gut verstände 1 S C H I L L E R 5 2 , 259 (Karlos

2184);

nun denkt einmal, ich verstände die kunst, auf des menschen angesicht zu lesen KLINGER werke 3, 87; verstände und spräche ich nicht italienisch E. TH. A. HOPFMANN fantasiestücke 1, 132; wenn es nur aufzuhören verstände zur rechten zeit LUDWIG 2, I » ; geldborgen, das sie allerdings aus dem gründe verständen KELLER 2, 110. verstände und verstünde halten sich also nebeneinander bei guten Schriftstellern, doch zieht man heule dm gebrauch des coni. prüs. vor, wenn er formell vom ind. präs. zu unterscheiden ist: Friedrich sey ebenfalls aufgefordert sich einzufinden, oder abgeordnete zu senden, damit er die anklage vernehme und sich zu einer angemeszenen genugthuung verstehe RÄUMER Hohen Staufen 4, 141. dazu bildet ANZENGRUBER einen neuen coni. prät.: weil s' ihnen anstellen, als ob s' meine anspielungen gar nit versteheten 10, 263. 8) bei verstehen sind zwei grosze gruppen zu sondern, je nachdem es zur bezeichnung geistiger Vorgänge oder sinnlicher Verhältnisse verwendet wird, die semasiologischen fragen, die sich an das Verhältnis zwischen präfix und Stammwort anknüpfen, werden im folgenden getrennt behandelt. I. verstehen als ausdruck für gen erfassens. A. semasiologie, Verbreitung,

den Vorgang des geistibedeutung.

l ) wie aus der sinnlichen anschauung des stehens die abstracte des vevstehens entstanden ist, hat den semasiologen seit dem 18. jh. gelegenheit zu mehr oder minder geistreichen deutungsversuchen geboten, thatsächlich ist der einzige weg zu einer befriedigenden deutung, wenn man verstehen in enge beziehung zu einem entsprechenden unter- und in- compositum setzt, worauf schon ADELUNG hingewiesen hat. in der composition mit dem Stammwort stehen ist verschiedentlich der versuch gemacht worden, den begriff des geistigen erfassens auszudrücken. ahd. in-stantan gebraucht OTFRID als Anteiligere' ebenso häufig teie fir-stantan, fir-stän (vgl. GRAFF sprachschatz 6, 601). ISIDOR hat ein in-standan (15, 8) neben häufigerem. fir-standan (einmal graphisch fyr-stant 25, 21). im mhd. ist ein en-stän neben ent-stän nachzuweisen, wo sich das t entweder unorganisch entmckelt oder sich das präfix in- mit ent- (ahd. ant-, int-) gekreuzt hat. dieses entstehen belegt auch SCHMELLER 2, 713 und FISCHER 2, 741, letzterer noch für das 15. jh. in der form en-sten. dem, hochdeutschen in- compositum tritt ein under-standan, -stän sächsischer herkunft in diesem sinne neben dem ver- compositum gegenüber (altengl. BOSWORTH-TOLLER 1100 1 , mengl.

S T R A T M A N N - B R A D L E Y 646"; mnd.

SCHILI.ER-

LÜBBEN 5, 36B), das im engl, zur herrschaft gelangt, im nd. dem umsichgreifenden ver- compositum weicht, einem solchen unterstehen liegt offenbar ein dem lat. inter (.unter, zwischen*) entsprechendes präfix zugrunde (gegen PAUL wb.^biT-)-, vgl. lat. intellegere (inter-legere) ,dazwischen auslesen, unterscheiden', in-standan, in-stän besagt ,in einem gegenstände stehen, fuszen, zuhause sein', under-standen, under stän ,dazwischen d. h. mitten darin stehen', wenn nun noch, ob auch ganz vereinzelt, ein XII.

NOTKER

fer-, T A T I A N

f o r - f ü r - als

normalform

des

unbe-

tonten präfixes durchführt (vgl. geim. dbh. 27, 30). um so auffälliger wird es dann, wenn diese regel an bestimmter stelle (unter mehr als 250 fällen 1 mal) durchbrochen wird wie im TATIAN 89, 6: bi hiu ni virstantet ir, quarr non intellegifis. dieses fir- aber entspricht got. fair(griech. 7if.ni-, lat. per-) und ivürde sich got. fair-greipan: y.natEiv, fair-waurkjan: neomoielad^ai an die seite stellen; daher weist auch WILMANNS gramm. 2 § 127 verstehen unter diese kategorie. bei fair-greipan ist auf das deutsche begreifen hinzuweisen, das aus derselben anschauung heraus zum ausdrucksmittel des abstracten denkens geworden ist. auffällig ist die vollere form der Vorsilbe in einzelnen ahd. nomina, die in beziehung zum verbum stehen: furi-stentida, -stentiga neben fer-stendida, -stentida STEINMEYER-SIEVERS gloss. 2, 220 A B ; 282 A ; 502b; 523a; furi-stantlih neben far-stantantlih in der Benedictinerregel (1, 39; 119 Hattemer). dieses furi- ist jedenfalls ebenso aus firi- hervorgegangen, tvie ein ahd. firiwizzi (vgl. got. fair-weitl) in furi-wizzi übergeht (GRAFF 1, 109B f.), im mhd. vir-witz (e) neben vür-witz (e) steht (mhd.

wb. 3, 793";

791 B ; L E X E R

3, 618) und

hdwb.

im

nhd.

fürwitz meist zu Vorwitz fortgebildet erscheint, spricht so die lautform nicht gegen die annahme einer fair -type, so die semasiologische betrachtung entschieden dafür, denn als ,rings um einen gegenständ stehen, ihn umstehen, in der gewalt haben, beherrschen' reiht sich verstehen zwanglos den behandelten parallelbildungen, an. zu der ganzen darlegung vgl. germanist. abhandl. (1907) 27, 191 f . KLUGE geht erst etym. wb. 7 (1910) 475" auf die frage ein und nimmt eine urgerm. Vorsilbe fri- zu hilfe, die in got. fri-sahts ,bild' und ahd. antfristön ,verdolmetschen' stecken soll; friston aber soll mit firstän identisch sein; vgl. darüber LEOPOLD festschr. d. schles. phil.-vereins z. jubil. d. univ. Breslau (1911) 13. der hinweis auf gestehen imd griech. iniaiaLiai, welch letzterer sich schon bei ADELUNG findet, vermag keine klarheit in die auffassung von verstehen zu bringen. 2) seit der ältesten periode ist verstehen weit verbreitet, im got. fehlt es, kommt im altengl. als forstandan, seltener als understandan vor BOSWORTH-TOLLER si8 b , ist in diesem sinne im mittelengl. erloschen, altfries. fehlt es, ist in die jüngeren mundarten aus dem nl. und nd. D I J K S T R A 1, 4 2 0 " ;

eingedrungen TEN

DOORNKAAT

KOOLMAN

S I E B S Helgoland

1, 467 A .

218"; for-

spätaltnord.

standa, fyrirstanda FRITZNER ordbog 462", 522AB ist schon dem mnd. entlehnt FALK-TORP etym. wb. 263; dän. forstaa, schioed. första, altsächs. farstandan Heliand 4655, 5228; mnd.

vorstän

VERDAM

S C H I L L E R - L Ü B B E N 5, 4 6 0 " B ;

hdwb.

mannigfaltigsten mhd.

wb.

637B;

formen

nl.

KILIAN

604 B .

mnl. ahd.

verstaen in

den

GRAFF sprachschatz 6, 593 ; 602ff.;

2, 2, 587 ^ ff.; L E X E R

hdwb.

3,248; nhd.

zahlreich

gebucht. 3) die bedeutung von verstehn findet sich in den älteren quellen verschieden umschrieben: ahd. farstän, seiiHre, intelligere, deprehendere, sapere GRAFF 6, 593; farstandan, intelligere, cognoscere, agnoscere, scire, sentire, resipiscere, animadvertere, advertere 602 ff, dazu treten bei den späteren weitere: capere, apprehendere, comprehendere, pereipere, perspicere, cognitum habere MAALER 432";

105

1667

VERSTEHEN B

KILIAN 604 ;

D E N T Z L E R SIS*; F R I S C H 2 , 327°;

discere

STIELER 2129. bisweilen findet es sich mit deutschen ausdrücken wie hören, sehen, merken, begreifen, vernehmen, wissen zusammengestellt: ich höre oder ich verstehe, capto DASYPODIUS 26"; hör und verstand mein meinung und f ü r n e m m e n oder radtschlag, accipe MAALER 432»; d a t eyn hören et dat ander verstaen, subaudire DIEFENBACH gloss. 559 a ; dise begerunge stillent sü domite dag SÜ dise ding wellent hören und verston TAULER pred. 22, 24 VETTER ; dieweil aber ain r a t biszher sovil und mänigerlay fürnemen und hanndlung gemerckt, gehört, gesehen und verstanden h a b d. städtechron. 25, 354, 20; mit hörenden ohren werdet ihr hören und werdet es nicht verstehen, mit sehenden äugen werdel ihr sehen und werdet es nicht vernemen Matth. 13, 14; als wier das sechen und verstann, so hat die sun iren klaren schein verlan Tirol, paes. 155 Wackernett ; denn werdet ihr recht schmecken und verstehen was liebe für ein labsal sey LOHENSTEIN Ibrahim

1668

VERSTEHEN

589 (1680, «. 70);

sapere, schmackhafftlichen versteen DIEFENBACH glcss. 511C; praesapio, \ o r h i n mercken, etwas künfftiges vorhin erschmecken und verstehn CALEPINUS 1139*; planus . . heyter und klar, verstendlich, gut zu mercken und zu verstehn 1100b; das enkein menschliche verstentnisse enmöchte die luterkeit n ü t begriffen noch verston mit vernunften TAULER 120, 17 Vetter; als das sie hette die lehren . . recht fassen und verstehen können OPITZ poeterei 9 neudr.; die erzte vernamen d a j sich die kranckheit meren und argern ward von tag ze tag und wol verstünden der tod mit im begonde ze ringen ARIGO 21, 18 Keller; ein volck des sprachen du nicht verstehest, und nicht vernemen k a n s t , was sie reden Jer. 5, 15; drumb ists clar das disse bullisten yhr eygen wort nit vorstehn, wissen nit was sie lallen LUTHER 6, 618 Weim. ; west vor nit, das ich jetzt versteh, dasz ich so selig was darinn H . SACHS 17, 3

Keller-Götze.

für den vergleich lehrreich sind die stellen, an denen verstehn in den texten für ein anderes wort eingesetzt oder durch ein anderes ersetzt ist: w a n ich vernym {var. verstee) nit, d a j ich wirk cod. Teplensis 2, 10; der do weisz (var. verstet) den tag, der weysz (var. verstet) in dem herren, qui sapit diem, domino sapit erste d. bibel 2, 52, 25; und sy miskanten (var. verstünden, verstunden nit) das wort l, 2«, 46; Ältus ist ein tapffrer mann, dessengleichen man kaum fünde, wcre tapffrer, wann er nicht, dasz er tapffer, so verstünde LOGAU 507

(.bei LESSING-RAMLER fände: selbst gestände). i) verstehen berührt sich in der bedeutung mit fassen, begreifen, vernehmen, alle sind von sinnlichen auf geistige Vorgänge übertragen, beim begreifen nimmt der geist die einzelnen theile oder merkmale des gegenständes t in sich auf und wird sich durch sie des ganzen bewuszt; beim verstehen kommt die form zum bewusztsein und das ganze in seinem Zusammenhang und seiner Ordnung WEIGAND syn. wb. nr. 561; begreifen ist noch etwas mehr als verstehen, man versteht nämlich viel sachen, die man doch nicht begreift, denn wer nicht völlig einsieht, wie es mit einer sache zugeht, oder wie sie möglich ist, der begreift sie nicht, jedermann versteht, was ich will, wenn ich sage: ein stein sey schwer; aber wie es mit der schwere zugehe, begreifen auch die weltweisen noch nicht vollkommendoTTScnED beobachtungen überd. Sprachgebrauch 407. die lebende spräche unterscheidet beim auffassen der rede vernehmen von verstehen; man vernimmt dm sinnlichen, lautlichen klang des gesprochenen und gelangt dadurch, falls überhaupt die beziehung des klanges zum sinne klar ist, zum verstehen des in den lauten ausgedrückten sinnes vgl. EBERHARD-LYON nr. 1399. verstehen als philosophischer kunstausdruck entspricht in der spräche der mystiker der bedeutung von Verständnis (A 2), in der neueren philosophie der von verstand (A 2). es bezeichnet besonders das deutliche begriffs- und unterscheidungsvermögen: den underscheit (zinschen den beiden arten von gebresten) verstont! TAUI.ER 126, 33

Vetter, sobald wir von einem dinge deutliche gedanken oder begriffe haben, so verstehen wir es CHR. WOLFF gedanken von gott L, § 276; verstehen heiszt anfänglich den sinn oder die bedeutung der Wörter und redensarten oder einer spräche überhaupt wahrnehmen GOTTSCHED beobachtungen über d. Sprachgebrauch 407; begriffe, durch welche allein der verstand etwas bei dem mannigfaltigen der anschauung verstehen d. h. ein object derselben denken kann KANT 3, 93 akad. ausg.; etwas verstehen, d. h. durch den verstand vermöge des begriffs erkennen oder coneipieren 9, 65; dater drückt verstehen auch eine beziehung auf etwas aus, das uns ohne unser zuthun von auszen kommen soll FICHTE L, 234. man verstehet eine rede, ein wort, ein zeichen, wenn man eben den gedanken damit verknüpft, welchen der Urheber der rede oder des Zeichens damit verbindet ADELUNG; sich eine deutliche Vorstellung von etwas machen CAMPE ; die bedeutung, den sinn einer handlung, eines Wortes, eines satzes, eines Satzzusammenhanges erfassen, d. h. die den betreffenden sprachzeichen zugehörigen Vorstellungen, begriffe, urteile mehr oder weniger deutlich, gegliedert, zusammenhängend reproduzieren oder reproduzieren können, auf grund von psychischen dispositionen und assimilationen, die das Verständnis auch ohne deutliche Vorstellungen ermöglichen 3 EISLER philos. WS. 3, 1672; xoir verstehen nur vermittelst der Übertragung unserer inneren erfahrung auf eine an sich tote äuszere thatsächlichkeit DILTHEY einleitung i. d. geisteswissenschaften 1, 172. 5) einzelne besonderheiten des syntaktischen gebrauchs in älterer spräche sind hervorzuheben, verstehen in Verbindung mit einem dativ der betheiligten person bedeutet ,einem mit Verständnis sein ohr leihen, den sinn seiner worte erfassen': solt ihr wissen, das mein meister sehr ubel höret, und musz einer gar laut ruffen, dem er etwas verstehn sol KRÜGER Ciawert 7 neudr.; ich stellte mich aber, als wüste oder verstände ich i h m nichts ZIEGLER Banise

89;

sie glaubt, sie höre gott; denn sie versteht ihm nichts, und was sie halb gemerkt, stützt sie auf ein: er sprichts LESSING 1, 258.

mit doppeltem accusativ: den nehsten sul wir niht ein unser künden und die unser sippe sint vorsten, sünder ein igelichen menschen der unser ebinchristen ist altd. predigten 1, 279, 1 Schönbach; böszlistiglich ich sie verstohn, das macht mir ein groszen argwon SACHS 20, 2 2 , 1 9

Götze.

mit accus, c. inf: gleichwol aber verstand er es rathsamer zu seyn Beiner räche was abzubrechen LOHENSTEIN Arminius

2, 242 B .

B. gebrauch in der literatur. l) dem sinne nach erfassen, wahrnehmen, vernehmen, merken. die Vermittlung der eindrücke durch die sinne wird hervorgehoben: ahd. mit tien üjerfin sensibus f e r s t i n d f n wir dero ü j e r ö n dingo NOTKER l, 335, 7 Piper, ältere nhd. quellen bei FISCHER schwäb. wb. 2, 1354. a) in sinnlicherer Verwendung, mit dem gefühl: (beim, trinken) so du kenst verstehn, dasz dir der athem will entgehn, so magstu thün ein kleine rast, bisz dasz du wider athem hast SCHEIT Grob. 3263 neudr.;

do Jacob virstunt da3 ime nahote der tot, do hiä er ime gewinnen Joseben sinen Iiben sun genesis 105, 8 Dienier. mit dem gesichtssinn: dann sie wol wisten und täglich verstüenden, dasz mir etlich von herrn und ander veintschaft trücgen d. städtechron. 5, 298, 26; zeigt im die herberg, alles an, dasz es der beck wol mocht verstahn FISCIIART Enlenspiegel 576. mit gesichts- und gehörssinn: hete ich ongen oder ören danne da, sO künde ich die rede verstän;

1669

VERSTEHEN swenne ich niht ir beider hän, sone k a u ich nein, sone k a u ich j ä W A L T H E R V. D. VOGELWEIDE 48, 4

mit dem

ich verstau an euch, das diser rath über J h e s u m v o n N a z a r e t h g a t

Lachmann.

Tirol, pass. 34 Wackerneil ;

gehörssinn: also so bald ir lieblica gthön die gmüter mercken und verstehn FISCHART lob der lauten 255; des himmels ahnung den u m w e h t , der deinen liebeston versteht MATTHISSON Schriften 1 , 1 6 .

b) articulierte laute und worte ihrem sinnlichen klänge nach so auffassen, dasz man sie von ähnlich klingenden unterscheiden und einen sinn in sie hineinlegen kann: ihr stehet zu weit von mir, ich kan euch nicht verstehen

KRAMER

2, 940»B;

du

sprichst

so

undeutlich,

dasz man dich nicht verstehen kann ADELUNO; durch das gehör deutlich vernehmen, unterscheiden CAMPE, mnd.:

•erstand von m i r mein clag und w o r t HÄTZLERIN liederbuch

L U T H E R briefe

machten sie ein solches gethöne, dasz auch die nächsten kein wort . . . verstehen konten LOHENSTEIN Arminius 1, 81»; so dasz nach und nach vor weinen und schreien m a n kaum sein eigenes wort verstand GOTTHELF l, 87 Bartels; sie pumelte noch mehr dazu, welches ich aber nicht alles verstehen konnte GRIMMELSHAUSEN 2, 341, 30 Keller; der horcher (konnte) . . . ungefähr folgendes verstehen GÖTHE 21, 217 Weim. mit persönlichem, object: das . . volk machte nun während des Shakespeareschen trauerspieles einen solchen lärm, dasz m a n nicht etwa nur die schauspieler nicht verstand, sondern auch nicht hören konnte, ob sie überhaupt sprächen oder nicht GRILLPARZER 19, 164; verfluchter junge, ich kann dich nicht verstehen . . . wart' ich musz einmal sehen, ob du keine zunge im m u n d e h a s t D R O S T E - H Ü L S H O P F 2, 275; schwäb. 2, 1S58; ostfries. D O O R N K A A T 1, 467".

FISCHER

c) gesprochenes mit aufmerksamkeit und Verständnis anhören: das kind versteht schon, w a s m a n ihm saget GOTTSCHED beobachtimgen über d. Sprachgebrauch 407; als ich din sprauch vorstehen, m i c h duncket, d u sijhest von Galilee

HUTTEN

den jungen hunden soll m a n keynen langen namen geben, damit sie desto eher verstehen, wann sie bei irem namen geruft werden SEBIZ feldbau 147; wir haben über da» mit bekümmertem gemüt verstanden, wie er . . viel unser lieben kinder . . zu zwingen sich unterstehet

L U T H E R 6, 329* Jen.;

do

er verstund,

dag

esz (das schlosz) gewunnen w a s und die von Nürnberg wider heim waren d. städtechron. 2, 153, 20; da ich auch verstand, dasz sich hertzbruder biszher im spital auffgehalten Simpl. 367 Kögel; wir habens verstanden, dasz 2 hübsche leute bey uns u m das bürger recht anhalten WEISE comödienprobe 265; ew. hochgräfl. excellenz habe in Torgau meidung gemacht und damals verstanden, dasz seine czarische majestät einige meiner . . . Vorschläge in gnaden aufgenommen LEIBNIZ 2, 469. instrumental gebrauchtes an tritt hinzu; mhd. reflex.: ich verstän mich an der rede dtn: der ist ROther alsfl lieb leimig Mother 2848. nhd.: d i t hertzogin wol verstünd an desz ritters Worten WICKRAM l, 15, 36. seltener bezeichnet a n , gewöhnlich v o n die mittheilende person:

ihm verstanden

OPITZ

185, 38.

in älterer spräche vor:

kommt auch

ein persönliches

ir cristenlütt, ich etlch b e d ü t : den ackerman süllt ir v e r s t a n : Jhesus ist er genennet I HÄTZLERIN liederbuch judt Elion, solt m i c h verstohn, eylendt m i t m i r auffs r a t h a u s z gohn

d) lesend erfassen,

object

105;

Endinger judenspiel 55 neudr. erfahren:

sin gesicht im Jhesus geben hat, als w i r verstand, am sabat

schauep. d. Mittelalters 2, 224 Hone; nun sollen wir das concilium also lassen beliben, bisz ir verstanden, wie nun der Husz und Jeronimus gen Costentz kommen RICHENTAL Constanzer concil 76; ir habt hie oben verstahn mögen, dasz des Gargantz und balds färb ist gewesen weisz und plo, wie gedörrt bonenstro FISCHART Qarg. 184 neudr. mit präpos. bestimmung: da ward er Hugberto auch aufsetzig (wie im 3. buch am 93. cap. verstanden wirt) STUMPF Schwytzerchron. 317 b ; meines . . herrn . . schreiben habe zu recht erhalten und daraus mit sonderbarer Vergnügung verstanden, dasz m a n . . geneigt verbleibet LEIBNIZ 2, 109; so S T I E L E R 2129; K R A M E R 2, 9 4 0 B ; F R I S C H 2, 3 2 7 ° ;

LUNG.

literarische

belege für

das 18. jh.

ADE-

fehlen.

e) nicht durch das gehör oder einen bestimmten sinn, sondern allgemein aus verschiedenen anzeichen währnehmen, bemerken, erfahren: quod per conjecturam colligitur et proponitur . . . das m a n ausz gemercken oder mutmassungen versteht und abnimpt CALEPINUS IX ling. 308B. ahd.: forstuontun thag her gisiht gisah in templo (cognoverunt)

T A T I A N 8, 10.

mhd.:

s w e r dienet, dä m a n s niht verstat, der verliuset a l sin arebeit REINMAR in minnesangs frühling * 172, 3 0 ; ouch verstuont her Iwein w o l d a j er sich w e r e n solde, ob er niht dulden w o l d e beide laster unde leit HARTM. v . AUE Iwein 1004.

AUfelder pass. 3516 Grein.;

von den h a b ich drey schöne s c h w e n c k erfaren. den ersten thüet verstonl H . SACHS fabeln 4, 73 neudr. ; e u r bitt w i r haben verstanden REBHUN Susanna 5, 608; h a b t ihr doch vielleicht verstanden (erfahren LESSING-RAMLER) w a s der V e n u s gieng z u handen, da sie den A d o n i s liebte . . ? LOGAU 588 •

L, 77; w a s e r v o n

Argenis 1, 458; so ich von etzlichen verstanden dag du dich der selbigen nicht also, wie vorhyn, annemest

Reinke de Vot 8998 Lübbai;

und fangen denn ein klopffen an, das keiner k a n kein wort verstahn FISCHART Bominici leben 146 Kurz; w a r e t w a s minder tobend das gelag, ich hätte w o h l verstanden, w a s m a n sprach DROSTE-HÜLSHOFF 2 , 1 0 7 ;

1, 7, 1 2 ;

do de stat verstunt v a n dem herzog A l f . . , dat er dat bolwerk nicht afdoin wolde d. städtechron. 13, 106, -2TF; es ist auch . . mir offenbart, nämlich durch den prior zu Erfort, der es von e.f.g. beichtvater verstanden

(Belltn stunt buten . . . he rep . . . ) do dit R e i n k e hadde vorst&n, he gink dt unde sprak

nhd.:

1670

VERSTEHEN

nhd.: in welches rühmliche land k a n sich ein m a n w o l vergehen, a l d a er deinen wolstand und n a m e n nicht mSg verstehen? WECKHERLIN ged. 1, 141, 96;

do nun die underthanen hetten verstanden den willen ires herren, gingen sy heym und namen ir hämisch und waffen WARBECK Magelone 40; als das die edele junckfrau höret, auch desz rytters hertz, müt und sinn hat verstanden SCHUMANN nachibüchlein 304; da nun der Türck . . sölche Uneinigkeit der Christen verstanden STUMPF Schwytzerchron. 15 b ; m a n furcht sich für Türkken und kriegen und wassern, denn da verstehet man, was schaden' und frumen sey LUTHER 15, 30 Weim.; und thu an mir ein zeichen, auff das ein j e d e r m a n versteh, das kein gerechter untergeh RINGWALT handbüchlin

c8b.

in diesem sinne noch heute verständlich: (er) verstand ganz gut, dasz die 'carrete' die eben angefahrene kutsche sein sollte GUTZKOW ritter 1, 18. gern tritt ein präpos. auadruck hinzu; ahd.: w&nt Ih mines sponsi gn&da verstßn in sinero vocatione WILLIRAM 46, 4 Seemüller; mhd.:

106*

1671

sich h.lt verwandelst diu ztt. dag verstSn ich an den dingen (var. bi der vogel singen) minnesangs frühling4 37, 31; da; du nieman verderben läst an dem du reinekeit verstäst RUDOLF V. EMS Barlaam 391, 22; nhd.: da die R ö m e r solch erbar fürhalten von R o m u l o verstunden, d a r a b n a m e n sie grosz gefallen CARBACII Tit. Liv. 5r; in d e m werdend ir verstan das der herr e n w e r murren gehört hat Zürcher bibel (1581) a Mos. 16 B ; auch schicket er ir einen ring, . . darbey sie verstünde, dasz er zu land k o m m e n w a r buch der liebe 98*; aus deinem seufftzen verstehen w i r nichts, w e n n w i r nicht die Ursache wissen sollen W E I S E comödienprobe 56; ausz diesem text mag man verstan, das sich sol hüten iederman, sein nechsten menschen hie zu richten SACHS 1, 294, 26 Keller. die mhd. periode

hat eine Vorliebe für

die reflex.

Parziväl verstuont d6 sich dag es Sigüne wffire WOLFRAM Parzival mit

form:

440, 80.

Paulus und Johannes, wol verstuonden si sich des, da; si ze dem gotes rfche scolten varn kaiserchronik 10883 Schröder. an, bei, m i t :

ich verstön michs wol an eime site: des ich aller serest ger, so ich des bite, so git sig einem tören e WALTHER V. D. VOGEL WEIDE 117,19 einzelne festgewordene

Wendungen

Lachmann.

schlieszen sich an.

f ) zu verstehen sein, auch in der lebenden spräche, mit dem gesichtssinn wahrzunehmen, erkennbar (vgl. a ) :

deutlich

o wolf, ich kenn dich an der stimm, wie wol du erzeigst dich nit grimm! aber du bis wol sunst zü verstan und hettestu zehen schafshüt an N . MANUEL ablaszkrämer 73 Bächtold. hörbar:

(die Pforte) durch die des plaudernden gerüchtes zeitungsworte als durch ein Sprachrohr sind ganz deutlich zu verstehn KÖNIG ged. 13, 3. dem sinne nach zu entnehmen: es war, ohne dasz er kreischte, zu verstehn, was er schweigend heischte RÜCKERT makamen 1, 56. lesend zu erfahren: w a s der könig Alexander magnus seinen fürsten und räthen für groszes güt und gaben geben, ist ausz der königin Olympiadis . . brieflen zu verstehen KIRCHHOF wendunmuth 2, 12; do by ist w o l zü verston, dag m a n die schulden sol und musz bezalen KEISERSBERG bilgerschaft B 1°. g) einen (einem) etwas verstehen lassen, machen, thun mit dem sinne 'merken lassen, andeuten, mittheilen', mnd. vorstän laten L Ü B B E N - W A L T H E R hdwb. S24 b ; mhd. verstä,n lägen wb. 2, 2, 588*; LEXER hdwb. 8, 248. mit bezeichnung der person: (sie) leten dem rade vorstan v a n der vorghenanten forsten weghene, w u dat de heren in der borch hebben by one ghehad ore bodeschop unde one vorstan laten, dat dar ghekomen w e r e n kortisanen ut dem hove to R o m e d. städtechron. 16, 32, 10; wann euers namen ich nit waysz . . ich bitt euch laszt mich den verstan SCHWARZENBERG leuisch Cicero 151; mein Sara, lasz michs auch verstan, ob du wollest Thobiam hanl SACHS 1, 148 , 22 Keller. ungewöhnlich mit präpos. a u f ; ist es dein wil, d a j lasz, bit ich, freundlichen mich hierauff versten FORSTER tcutsche liedlein 45 neudr. dieser fassen

gebrauch schlieszt mit dem 16. jh. wir eine Wendung des 18. jhs. auf:

ab.

geh, mach die schönste nymf verstehen, das allerliebste hertzenkind NEUMARK luttwald 296. GOTTSCHED

bildet ungewöhnlich,

anders

la£z in dein heiligthum die scheue muse sehen, und lasz sie den gebrauch der jenschen weit verstehen ZACHARIAS 1, 4. ähnlich: geh hin mit deinem sanften wehen, du sachteseusler, westenwind,

aber verständlich

und

anschaulich: Carl, so läszt sich ihr wort verstehn (zu) verstehn thun ist

ged. (1750) 16.

veraltet:

alsz ich im schreiben thnn verstahn, mag es lenger Verzug nit han, sonder bitz raontag, wie ich bericht Endinger judenspiel

71 neudr.

mnl. daer ic hem dede te verstane, dat twe hinnen ende een hane . . up enen haenbalke säten Reinaert 1609 Marlin. h) zu verstehn

geben ist

noch heute üblich:

care, zu verstene geben DIEFENBACH gloss.6üb;

specifiMAALER

433»; KRAMER 2, 940 b ; DENTZLER 313*; FRISCH 2, 327". gewöhnlich in Worten:

gen.:

mit präpos.

1672

VERSTEHEN

VERSTEHEN

den dit to vorstände w a r t gegeven,

de brachten dit an den rad d. städtechron. 7, 245, 8; nun merk ich eben, das ich soll zu verstehen geben euch meiner 1er den rechten grund MAXIMILIAN Teuerdank 22, 45; ich mos aim solchen grobian die sach grob geben zuverstahn FISCHART glückhaft schiff 400; da kommt ein bube wolgemut, gibt manches zu verstehen — „sprich, du hättst auf Karthago's schutt den Marius gesehen I" SCHILLER 1, 269; w e n sol er denn leren das erkentnis? w e m sol er zuverstehen geben die predigt? Jes. 28, 9; die solches sagen, die geben zu verstehen, dasz sie ein Vaterland suchen Sehr. 11, 14; welches unser heiland in sinem lyden ze verstan geben, durch die glichnusz der zwey schwestern TSCHUDI helvet. chron. l, 25; er w i l so viel zue verstehen geben, das sie alles w a s in ein kurtz getichte k a n gebracht werden beschreiben können OPITZ nebenst diesem poeterei 25 neudr. mit richtungsangabe: sie dem h. reichs cantzler ihre meinung v o m teutschen w e s e n ausführlich und dahin zuverstehen gegeben CHEMNITZ schwed. krieg 2, 12. durch seine handlungsweise kundgeben, verraten: ihm meine grosze gewogenheit zu verstehen zu geben GRYPHIUS Horribil. 43 neudr.; ein feuriger hengst, welcher mit seinem schäumen und hitzigen Sätzen seine ungedult . . zu verstehen gab LOHENSTEIN Arminius l, 31*; hie gibstu ( L u t h e r ) dein Unwissenheit hoch zü verston in villen stücken M U R N E R an den adel 18 neudr.; denn w e r sich also der auffrurischen an n y m p t , gibt gnugsam zuverstehen, das, w o er r ä u m und zeyt hette, auch ungluck anrichtet LUTHER 18, 386 Weim. mit instrumentaler angabe: dise torheyt wil uns got durch die laufenden spilenden kind zu verstehn geben FRANCK chron. Oermaniae 186; N e r o (hatte) mit einem h a n d w i n k zu verstehen gegeben, das er reden wolte A. U . v. B R A U N SCHWEIG Octavia l, 11; gab j e n e m pantomimisch drohend zu verstehen, dasz er sich v o n hier hinwegbegeben solle GÖTHE 21,148 Weim.; w e r dieses nicht tliut, giebt zu verstehen, dasz es i h m nicht u m die Wahrheit . . zu thun sey GOTTSCHED weltweisheit l , § 208. unpersönliches subject: die runtzeln des gesichts, der schnee der grauen haare gibt reichlich zu verstehn, dasz deines lebens jähre nicht schlechter anzahl seyn RACHEL satyr. ged. 51 neudr.; die ahndung der natur giebts heimlich zu verstehen d. Schaubühne 1,177 Gottsched. in jüngerer zeit hat sich die bedeutung verengert: auf eine verdeckte art merken lassen ADELUNG; auf eine entfernte art, indem man es nicht geradezu sagt CAMPE; schwäb. FISCHER 2, 1358; in Berlin BRENDICKE 189*; ostfries. DOORNKAAT l , 467»; die hofmeisterin giebt ihr w a s zu verstehen, w i e es mit bräuten zugehet SCHWEINICHEN 19; diesz gab ich ihm so ungefähr zu verstehen d. Schaubühne 1, 261 Gottsched, gewöhnlich mit erläuterndem zusatz: die . . i h m auf eine feine art zu verstehen gaben, dasz sie ihn für geschickter hielten W I E -

1673

VERSTEHEN

VERSTEHEN

LAND Agathon (1766) 8, 51; damit man mir am ende auf die empfindlichste art zu verstehen geben könne, ich würde wohl thun, wenn ich . . LESSING 2, 355 (Sara 4, 8); bei der nächsten Zusammenkunft gab ihnen der propst . . nicht undeutlich zu verstehen, der kaiser sei nicht geneigt, den zoll aufzurichten RANKE 2, 89. hinweisen, aufmerksam machen auf etwas, nahelegen: ich möchte ihnen ihre eigene natur zu verstehen geben PÜCKLER l, 163. heute übliche Wendungen: vergeblich gab er ihm das tollkühne seines Unternehmens zu verstehen; sie gab ihm zu verstehen, in zukunft mit seinen äuszerungen vorsichtiger zu sein, seltener als in Worten erfolgt die andeutung durch zeichen: mit den äugen aber gab sie ihm zu verstehen, dasz er sich an ihre wort nicht kehren sollte GRIMMELSHAUSEN 2, 387, 18 Keller; wie wär's, wenn wir das kalender-büchlein vornähmen, legten es vor ihn hin, wiesen mit dem Zeigefinger auf unsere namenstage und gäben ihm zu verstehen, dasz wir den seinigen zu erfahren wünschen? HOLTEI erz. Schriften 6, 184. vereinzelt reftex. gebrauch: wie änderst es gibt sich zu verstahnl bistu dann nicht damit zu frid? A Y R E R drame.1 2007,

4

Keller.

mit reflex. dativ in dem sinne 'sich einbilden': auch die versperten in den klöstern in zü versten geben (faccendosi a credere) und gelauben solches in zimlich ze thon sey ARIGO decamerone 10, 15. 2) im zusammenhange, in der gesamtheit aller beziehungen ein ding oder einen menschen erfassen, begreifen, durchschauen; den sinn einer sache, die Handlungsweise eines menschen erkennen und mit Verständnis begleiten, es handelt sich hier um eine' intensivere geistige thätigkeit als bei dem vorigen gebrauch: das werde ich nicht erleben, dasz man dies versteht, d. h. durchdringt und anwendet! FICHTE 2, 76; überall sahen diese menschen ein abbild ihres einfachen lebens, und legten sich, was sie nicht verstanden, auf solche naive weise zurecht SCHERER gesch. d. d. literatur 6; was du hier gibst, versteht man, glaubt es zu verstehen und findet wenigstens ein analogon in dem was man gewisz verstehet GÖTHE IV 40, 140 Weim.; der mensch versteht nichts als was ihm gemäsz ist I 24, 43; die verstehen sehr wenig, die nur das verstehen, was sich erklären läszt EBNER-ESCHENBACH

L, 3.

a) worte nicht nur ihrem sinnlichen klänge nach auffassen und von andern unterscheiden können (lb), sondern auch nach ihrem bedeutungsinhalt richtig erfassen und erkennen: ein rotwelsch vocabularius, daraus man die Wörter, so yn diesem büchlein gebraucht, verstehen kan LUTHER 26, 638 Weim.; drey oder vier auszländische Wörter, die er zum offtern nicht verstehet OPITZ poeterei 27 neudr.; sie haben eine menge Wörter, die man hier nicht versteht, die aber viele leser zu verstehen wünschten LESSING 8, 32; mord, knabe, verstehst du das wort auch? SCHILLER 2, 122 (räuber 3,2); Wilhelm hörte diese worte, und verstand sie nicht GÖTHE 22, 44 Weim. schriftzeichen: geschickt BChlug ich (kater Murr) mit der pfote ein ziemlich dickes buch auf . . und versuchte, ob es mir nicht möglich sein würde, die schriftzeichen darin zu verstehen E. T. A. HOFFMANN 10, 84. die Vorbedingung für dieses verstehen ist, dasz man das Verhältnis zwischen dem klangbild oder lautbild und dem bedeutungsinhalt der worte kennt, das setzt nähere bekanntschaft damit und Übung voraus, der ausdruck eine spräche verstehen ist doppelsinnig; er kann ebenso die fähigkeit bezeichnen, mit Verständnis anzuhören, wie die zu sprechen, soweit die praktische fähigkeit in frage kommt, gehört diese Wendung nach 3 a. hier ist nur von der fähigkeit des verständnisvollen anhörens die rede: ich verstehe die spräche wol, aber ich kan sie nicht reden

mhd.

KRAMER

2, 940*;

mnd.

ik vorsta des nicht, spreket up dudescb juwe bicht Reinlee de Vos 1393 Lübben;

1674

die kriechisch knnnen veretän RUDOLF v. EMS Barlaam 402, 29. nhd. sie wüsten aber nioht das Joseph verstund, denn er redet mit inen durch einen dolmetscher 1 Mos. 42, 23; ire spraach verwirren, das keiner des anderen spraach verstände Züricher bibel (1581) l Mos. xi B; sy wissendt offt ouch selber nit, worum ir eyner gott erbit, den dasz sy betten mit dem mundt: der keyner nie latin vorstundt MURNER ichelmenzunft 21 neudr.; der was der Spanier . . sagt, und was der Brite spricht, und der Franzose fragt, bis auf den grund versteht NEUKIRCH geil. 133; er ist teutsch und latein wolberedt gewesen, und griechisch hat er wol verstanden FRANCK chron. Germ. 79; unsere Übersetzer verstehen selten die spräche; sie wollen sie erst verstehen lernen LESSING 8, 9; ich verstehe kein wort wenn sie [die Bologneser) mit einander reden GÖTHE I I I l, 311 Weim. spräche in übertragenem die spräche des affects sie verstand die stumme mein herz verstand

sinms: sie verstehen also auch mehr als wir HERDER I, 152; spräche der dinge STORM I, 45; sein liebevolles schweigen L E N A U 76;

selbst das schweigen ist beredt, wo es von gesammelter aufmerksamkeit verstanden wird GÖRRES l, 128; ob nun die juden noch heutiges tages diese musikalische charaktersprache verstehen, ist mir nicht bekannt SCHUBART tsthetik d. tonkunst I i ; die Vögel verston, linguas volucrum sentire MAALER 471»; ja, ich versteh des vogels sang, verstehe seinen Aug ARNIM 22,10. mit persönlichem object; die spräche, ausspräche, sprachweise c>nes menschen verstehen: meinen sprachmeister verstehe ich besser als einen andern KRAMER 2, 940*; ein liebriche zungen und ein unliebriches hertze enkan als wenig verston als ein Tütscher einen Walch der ewigen wiszheit betbüchlin n b ; er sah mich lange so an, wie man einen menschen ansieht, der eine wildfremde spräche spricht, den man nicht versteht und doch gern verstehen möchte KLINGER werke 4, 66; dasz in der zweiten hälfte meines (englischen) aufenthaltes mich jedermann verstand, nur ich die andern nient GRILLPARZER

19, 165.

b) zeichen und willensäuszerungen verständnisvoll erfassen: er verstehet jeden wink, jede miene ADELUNG, CAMPE; er glaubte den hellen wink des schicksals zu verstehen GÖTHE 21, 46 Weim.; die grosze Chemiker haben ihr (der natur) gar sehr müssen unter die äugen sehen, ehe sie ihren blick verstanden BETTINE königsbuch l, 42; sein buhlen wirst du nicht versteh'n, im Sturmschritt ihm entgegengeh'n lieder zu schütz u. trutz 105 Lipperheide; in diesen tiefen seufzem ist ein sinn; legt sie uns aus, wir müssen sie verstehn Shakespeare 3, 281 (Hamlet 4, 1); und die thiere verstanden alle meinen segen MALER MÜLLER 1, 27. mit persönlichem object: den Mortimer spielt ich am besten, Maria war immer so schön I doch trotz der natürlichen gesten, sie wollte mich nimmer verstehn HEINE 1, 25; lasz die reime lieblich flieszen, lasz mich des gesangs genieszen und des blicks der mich versteht! GÖTHE 3, 338 Weim.; es (das thier) kennt mich schon und ich versteh's am besten TIECK 1, 213. c) den Zusammenhang eines gedankeninhalts, einer rede, Schrift, die Zusammensetzung und das wesen eines werks erkennen und erfassen: das geheimnis der h. dreyeinigkeit verstehet kein mensch KRAMER 2 , 940". absolut: ein richter sol in summa langsam urtheylen, bald verstehn FRANCK sprichw. (1545) l, 6 B ; der wirih. unsere policey ist sehr exaekt, gnädiges fräulein. — das fräulein. ich verstehe: von meinen gütern aus Thüringen also LESSING 2, 193 (Minna 2,2); Moor (nachdenkend). ich verstehe (die fiigung des geschicks) — len-

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VERSTEHEN

VERSTEHEN

ker im himmel — ich verstehe — die blätter fallen von den bäumen — and mein herbst ist kommen SCHILLER 3, 168 (räuber t, 6). mit nichtsubstant. object: kinder, das ein heiden dis verstunt and darzü k a m , das wir dem also verre and also ungelich sint, das ist uns laster und grosze schände TADLER SOI, 2 Vetter; verstehestu nicht, was ich sage? GRYPHIUS Horribü. 17 neudr.; nu vorsteestu, was heyligen heyst, was heilig ist LUTHER 2, 88 Weini.; er soll selbst nicht verstehen, was der brieff heiszen soll WEISE erznarren 68 neudr.; ich freue mich wenn kluge manner sprechen, dasz ich verstehen kann wie sie es meinen GÖTHE 10,110 Weim. (Tateo 117); das holz läszt unser herrgott frei wachsen und das wild wechselt ans eines herren lande in das andere; die können niemandem gehören, doch das verstehst da noch nicht DROSTE-HÜLSHOFF 2, 268; dasz er in seinem testamente den wünsch ausgesprochen hat, in W. begraben zu werden. Friedrich wird schon verstehen, was das heiszt EBNER-ESCHENBACH 4, 72. mit substantivobject: ob ir dig btspel verstet, iwer prts wirt hich unde snel W O L F R A M Parzival UUO, 6 ; du verstehest ineine gedancken von ferne psalm 139,2; drnmb redt Christus verdeckt in parabolis, das die got gelerten . . allein verstehn FRANCK sprichw. (1641) 1, I I S ' ; ihre majestät verstehen den titul nicht wol GRYPHIUS Squenz 18 neudr.; wenn m a n alle die feinen anmerkungen verstehen will, die herr Klopstock mehr im vorbeigehen als mit Vorsatz za machen scheinet HERDER I, 199; trinke muth des reinen lebens I dann verstehst du die belehrung GÖTHE 1,182 Weim.; allegorieen verstehe ich entsetzlich schwer PÜCKLER 1, 89; eyn knrtze form, das pater noster zu versteen und zu beten LUTHER 6, 11 Weim.; Qiauslehrer) der mich . . quälte mit dem glaubensbekenntnis, das ich nie verstand und er auch nicht FONTANE 6, 98. Schrift- und kunstwerke: dann ich on nutz vil bücher han, die ich nit lysz und nyt verstan BRANT narrenschiff 139 Zarncke; ein döricht man aber dermasen der verstet deiner werck gar nicht SACHS 18, 363, 20 Kdler-Qötze; lasz den lacher, o Gleim, lauter dein lied entweihn! deine freunde veretehns KLOPSTOCK oden 1,102,10; wenn man problematische bilder wie das fragliche von Tizian verstehen und auslegen will GÖTHE IV 86, 800 Weim.; denselben Hamlet, den Goethe sich fruchtlose mühe gegeben hat, zu deduzieren, versteht der Schneider in der vierten galerie, das heiszt, er findet es natürlich, dasz die menschen sich so und nicht anders benehmen, und faszt das ganze in eine erhöhte empfindung auf. eine dichtung mitleben heiszt aber sie verstehen GRILLPARZER 19, 126; dasz nach jener ersten Vorstellung Schiller aufs theater geeilt sei, Graff umarmt und ausgerufen habe: jetzt erst verstehe er seinen eigenen Wallensteini 185; wer die uhr gleich nicht versteht, mercket dennoch, wie sie geht LOGAU 365; wer ihrer (der erde) felsenglieder geheimen bau versteht, und unverdrossen nieder zu ihrer Werkstatt geht NOVALIS 4,122. das Viesen der weit und der dinge erkennen: wer die weit will verstehen, musz sie sehen ABRAHAM A S. CLARA etwas für alle 2, 31; die weit ist innerlich ruhig und still, und so musz es auch der mann sein, der sie verstehen und als ein wirkender theil von ihr sie widerspiegeln will KELLER 2, 13; ich verstehe die weit nicht mehr! HEBBEL 2,71 {Maria Magdalma 3,11); der mensch ist der höchste . . gegenständ bildender kunst; um ihn zu verstehen . . ist eine allgemeine kenntnisz der organischen natur unerläszlich GÖTHE 47, 12 Weim. sprichwörtlich in Barlin: det verstehn sie nich, det versteh ik kaum BRENDICKE 189*; ebenso preusz. als scherzhafte Zurechtweisung FRISCHBIER sprichw. L, 272.

d) sich eine er scheinung, die eigenart eines aesens erklären können, Verständnis zeigen für etwas: die einzige, die erste, die meine seele ganz versteht SCHILLER 5 -, 239 (Karlos 1848); was weisz denn ich vom menschenleben ? bin freilich scheinbar drin gestanden, aber ich hab es höchstens verstanden, konnte mich nie darein verweben HOFMANNSTHAL ged. u. kl. dramen 114; wer hat des irdischen leibes hohen sinn erraten? wer kann sagen, dasz er das Blut versteht? NOVALIS 1,87; deine liebe gott versteht, deine tiefe, hoffnungslose! LKNAU 169; sie verstand diese unruhe nicht, ahnte nur, dasz ihr blut sie trieb ZAHN frauen von Tanna 119; er verstand nicht die zukunftschwangern regungen des geistes IMMERMANN L, 26.

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neutral ausgedrückt in Verbindung mit einem nebensatz etwas verstehen, nicht verstehen können: wie's aber in der weit zugeht, eigentlich niemand recht versteht G Ö T H E 5, 86 Weim. ; nunmehr verstehe ich erstlich, wozu dir die flügel an deinen füszen nützen R I S T friedewünsch. Teutschland 48; Montesquieu wollte verstehen, warum die universalmonarchie . . im alterthum möglich gewesen war JUSTI Winckelmann 1, 210; zwar verstehe ich, dasz es für unsre politik nützlich, wenn die liberalen die hoffnang behalten, die hand mit an's rüder legen za können BISMARCK erinner. 2, 178. besonders die läge, handlungsweise und ansichten eines menschen begreifen und nachfühlen können: jetzt verstehe ich seine Warnung, was er damit hat sagen wollen; ich kann sein benehmen nicht verstehen; ich verstehe nicht, warum er das tut PAUL wb.; vor schäm und freüden . . nit reden mocht, ein semliches die hertzogin wol verston kundt WICKRAM L, 15, 3; Wilhelm verstand nun erst, warum das leichtfertige . . m&dchen den knaben der sonne verglichen GÖTHE 22,85 Weim.; man versteht es, dasz Augastus diese unterliesz und jene aufnahm MOMMSEN röm. gesch. S, 7; nur wenige verstehn, was dem für ehren bleiben, der liegt, und Überwunden hat KLOPSTOCK oden 1, 100, 57; freund, niemand, der's versteht und billig denkt, mag tadeln dich und deine Streitbarkeit BORGER 1,175; und könnt' es nicht versteh'n, warum sie mochten laufen RÜCKEST 1, 86; sie wissen's nicht und kSnnen's nicht verstehn, was er, der reiche herr in himmelshöhn, den seinen mag im schlafe zubereiten DROSTE-HÜLSHOFF 2,197. e) mit persönlichem object; den gedankengang, den sinn der rede eines menschen, seine meinung und absieht richtig erfassen, man kann in einer bekannten spräche rede/n, ohjie begriffen zu werden, wenn der sprechende bei dem hörenden dieselben, oft sprunghaften gedankenverbindungen voraussetzt, wie er sie hat: ich werde reden, und du wirst mich nicht verstehen KLINGER werke 3, 66. man bequemt sich daher der fassungskraft des hörers an: ich musz stammeln, damit mich die kinder verstehen SCHUBART ästhetik d. tonkunst 202; (Johannes der täufer zu den juden••) die mich nu wol vorstanden hand, die mögen sich bereiden Altfelder pase. v. 499 Qrein; so, schätz, so werd ich sehen, bey dem verstände dein, dich mich vielmehr verstehen, als bey den Worten mein ZINKGREF ged. 54 neudr. ; wolan, ich weysz noch ein lidlin von Rom . . verstehst mich wol, liebes Rom, was ich meyne LUTHER 6, 469 Weim.; ich verstehe dich nicht! du widersprichst dir! GÖTHE I , 308 Weim.; Francisca, wenn alle mädchens so sind, wie ich mich jetzt fühle, so sind wir sonderbare dinger . . . du wirst mich nicht verstehen, ich verstehe mich wohl selbst nicht LESSING 2, 202 (Minna 2, 7);

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VERSTEHEN

VERSTEHEN

tocbter, dir wurde geist; da verstehst die mutter, sie warnt dich: lasz dich niemals blenden den wahn der westlichen thörin I KLOPSTOCK oden 2, 99, 21; Gianettino. du hast mich verstanden. Mohr. w o b l . Gianettino. die weisze maske. Mohr, w o h l SCHILLER 3,13 (Fiesko l, 2); ich verstehe dich nicht, B o t h o ; w a s soll dies ' m a n k a n n es sagen'? FONTANE 5, 160; sie sah ihn staunend a n , sie verstand ihn nicht STORM I, 20. besonders gern als kurzer ausruf oder befehlende frage: hast du es verstanden? oder verstast du es w o l ? ich habs verstanden und gemerckt MAALER 432 b ; aber ich musz eine haben, versteht ihr — eine . . L U D W I G 2, 813; Nathan, versteh mich, sultan. Saladin. ich versteh dich, weiter! LESSING 3, 91 (Nathan S, 7). in der frage liegt meist eine versteckte drohung: Fiesko. fragt dich j e m a n d , so hast du v o n weitem m u r m e l n gehört, dasz dein herr damit j a g d auf die Türken mache, verstehst d u ? Mohr, verstehe SCHILLER 8, 71 (Fiesko 2, 15); d u m m e göhre I w e n n ich dir rufe, kommste. verstehste? FONTANE 5, 5. im Berliner dialect wird verstehste w o l ? häufig drohend zu einer iehauptung zugesetzt; verstehn se wird oft von leuten, die nicht gut erzählen, in die rede eingeschoben METER 128•; verschtehn se mir? h a b e n se mir verschtanden ? merken sie sich dasl BRENDICKE 189". dieser brauch ist aber viel weiter verbreitet als bezeugt, über verstanden, verstehste, verstandez-vous vgl. D 8 und i (sp. 1693/.). die absieht und den sinn eines dichters, Schriftstellers erfassen: w i e j e d e r m a n bekennen muste, der denselben poeten recht lese und verstünde Faust Volksbuch 132 neudr.; räthsel! wird hr. Klotz ruffen. ich m a c h e keinen ansprach mehr d a r a u f , v o n i h m verstanden zu w e r d e n LESSING 10, 262; dasz Deutschland gar keiner verteutschung Homers bedürfte, sondern jeder virtuose und dilettant ihn in dem göttlichen grundtexte selbst ganz verstehen . . möchte BÜRGER l, 17511; wer den dichter will verstehen musz in dichters lande gehen GÖTIIE 7, 211 Weira. f) einen durchschauen, seine meinung erkennen; die Handlungsweise eines menschen erkennen und begreiflich finden: dag ich aber k o m da hin ich w o l t , und verstanden w e r d , w a r u m b ich dise translaciones uf das geneuest dem latin nach gesetzet h a b W Y L E translationen 8, 20; denn wer einmal uns versteht, wird uns auch verzeihen GÖTHE 6, 25 Weim.; verstanden wenigstens mögte ich gern zuweilen sein, w e n n auch nicht aufgemuntert und gelobet; v o n einer seele wenigstens mögte ich gern z u w e i l e n verstanden werden, w e n n auch alle andern mich verkennen KLEIST 5, 48; Holofernes. solch ein w o r t hört' ich noch nicht, n i m m die goldne kette für dies wort. Judith {verlegen). herr, ich verstehe dich nicht. Holofernes. wehe dir, w e n n du mich verstündest I HEBBEL l, 60 (Judith 5); dasz m a n die alten nicht versteht, w e n n m a n gegenstände ihres täglichen lebens . . n i c h t . . sich anschaulich denkt N I E B U H R röm. geschichte 1 , 8 ; ich versteh' den alten nicht, und ich k a n n es m i r m i t seiner predigt blosz so denken, dasz er ein Unglück verhüten will FONTANE 6, 21. mit präpos. bestimmung: als kind schon w a r sie ein kleiner Starrkopf, schwer zu verstehen in ihren bedürfnissen POLENZ Grabenhäger 1, 20. es handelt sich nicht um ein vorübergehendes verstehen einer handlungsweise, sondern um das Verständnis des ganzen Wesens und der eigenart eines menschen: gott hat v o m himel h e r a b auff aller menschen kinder gesehen, ob doch einer unter inen were, der in verstünde, lfnd n a c h i m fragte GRLTTER ep. Pauli a. d. Römer (1566) 579; w i r verstehen, als erdenthiere, das erdenthier besser, als das wassergeschöpf HERDER 5, 7; willst du dich selber erkennen, so sieh wie die andern es treiben, willst du die andern versteh'n, blick' in dein eigenes herz SCHILLER'11,170;

ich höre, dasz er euch seit kurzem oft vertraute zeit geschenkt; und dasz ihr selbst

1678

mit eurem zutritt sehr bereit und frey wart, wenn dem so ist . . musz ich euch sagen, dasz ihr euch selber nicht so klar versteht, als meiner tochter ziemt und eurer ehre Shakespeare, Hamlet 1, 3; aber du — du verstehst m i c h : denn ich weisz, dasz auch dir das wunderbare, romantische reich aufgegangen . . ich h a b e dich v e r s t a n d e n : dein gemüth h a t sich i m gesange m i r aufgeschlossen E. T. A . HOFFMANN fantasiestücke 1,134; o mutter, ich fürchte, m e i n m a n n versteht dich besser als ich! EBNER-ESCHENBACH 4,129. g) seit dem 17. jh. datiert auch der gebrauch flex. form zum ersatz für die passive.

der

re-

das versteht s i c h , hoc per se patet STIELER 2129; KRAMER 2, 940H; nd. dat versteit sich, verstöt sich W A N D E R 4, 1606; schwäb. FISCHER 2, 1360; schles. W E I N HOLD handschr. nachlasz S bl. 430 b ; luxemb. GANGLER 470. vielleicht ist die Wendung unter französischem einfiusz geprägt, ein schwartzes kind das nicht w a r weisz, weil es sich w o l ohne disz verstehet I OPITZ poeterei 30 neudr.; das versteht sich j a a l l e s ! (läszt sieh ohne weiteres begreifen, ist selbstverständlich) HERDER 5, 33. in die rede eingeschoben oder in der gegenrede: Wallenstein. wenn ich mich gegen sie verpflichten soll, so müssen sie's auch gegen mich. lllo. versteht sich SCHILLER 12,109 (Piccol. 698); Sittah.

so mach, und sag, dasz ich das geld mir nur kann hohlen lassen. Al-Hafi. versteht sich, so wie immer LESSING 3, 46 (Nathan 2, 2); Plutzerkem. w e r kein geld hat, soll auch n i x essen. Christoph, versteht sichl kinder h a b e n nie geld und essen alleweil NESTROT l, 4; 'soll Christine den kafiee bringen?' 'versteht sich soll sie. und gib mir die p f e i f e ! ' FONTANE 6, 31; w e i l n u n der denkende ein m i t sich redender ist, darf er, w i e sich versteht, in erster person reden J. GRIMM kl. Schriften 3, 283; v o n dieser zeit an, versteht sich's, schnitt' ich bey allen anlassen Ännchen ein entschieden freundlich gesichtgen B R Ä KER l, 61. mit folgendem conjunctionalsatz: es versteht sich, dasz die dichtungsarten nicht alle gleiche Schwierigkeiten h a b e n HERDER 3, 231; es versteht sich zuerst, dasz die weisze fläche die sämtlichen f ä r b e n des bildes a m reinsten und mächtigsten zeigen w i r d GÖTHE IT 2, 206 Weim.; denn das versteht sich schon seit Fritz des groszen zeit, dasz lehrer und Soldat zusamm' bei uns gehören lieder zu schütz und trutz 112 Lipperheide. sich verstehen v o n

etwas:

und von der lieb' versteht sich's gar, dasz sie nie ohne thorheit war GÖTHE 18», 304 Weim.; von deiner seel' es sich versteht, dasz sie mit in den handel geht LENAU 383. später gewöhnlich in der verstärkten form: das versteht sich v o n selbst ADELUNG, CAMPE; das versteht sich v o n selber schtcäb. FISCHER 2, 1360; in Berlin BRENDICKE 189"; dasz die gesammte k u n s t w e i t . . gastlich eingeladen ist, versteht sich v o n selber STIFTER 14, 16. früher auch das versteht sich selbst: d a doch oft, w e n n m a n s mit mühe auseinander gelesen, es sich selbst verstehet L E I B N I Z l, 260; den eröffneten weg, der sich n u n m e h r gewissermaszen selbst verstünde GÖTHE 24, 343 Weim. die sprichwörtliche Wendung: das versteht sich a m rande schreibt ADELUNG dem gemeinen leben zu: das ist auszer allem streit, ist unleugbar, ist leicht einzusehen; schwäb. FISCHER 2, 1360; i n Berlin B R E N DICKE 189*; schles. das versteht sich a m rande, dasz es in der mitte tief ist W A N D E R 4, 1606; westf. dat versteit sik a m ranne, dat de pannekauken r u n d is ebd.; preusz. dat versteit söck a m r a n d , w e n n de schätel voll ösz FRISCHBIER sprichw. 1, 273; dasz sie m e i n e m lieben söhn recht viele grüsze v o n m i r überbringen sollen — versteht sich a m rande ELISABETH GÖTHE an Christiane Vulpius vom 12. l. 1798; v o n allem, dessen rand er {Runge) mit seiner kunstreichen h a n d geschmückt hat, kann gesagt w e r d e n : es versteht sich

1679

1680

VERSTEHEN

VERSTEHEN

a m r a n d e , sollte es sich i m innern selbst gleich n i c h t i m m e r v e r s t e h e n BRENTANO 4, 431. eine ähnliche Wendung: d a s m a n m u e s z e i n gesoheidten kopff h a b n , . . d a s v e r s t e h t sich a u s w e n d i g SCHWABE tintenfäszl 17. sonst herrscht die form, es v e r s t e h t sich v o n selbst, meist unpersönlich mit abhängigem satz : dasz v o n d e n e n hier n i c h t die rede i s t , . . v e r s t e h t sich v o n selbst LESSINO 8, 22; dasz er dort n i c h t feierte, . . v e r s t e h t sich v o n selbst KELLER 1, 80. eingeschoben: die gesells c h a f t b e s t a n d a u s 12 personen, E n g l ä n d e r w a r e n dabei, w i e s i c h v o n s e l b s t v e r s t e h t MOLTKE 1,106. in veränderter form : w a s soll i c h n u n w e i t e r f o r t f a h r e n ausz u s p r e c h e n , w a s sich v o n s e l b s t v e r s t e h t l GÖTHE 26, 59 Weim.;

einsieht kommen': in dag götteliche abgrunde, do got s i c h selber b e k e n n e t u n d v e r s t a t sich selber und s m a c k e t sin selbes w i s h e i t und w e s e n l i c h e i t TAULER 109, 19 Vetter; j e n e d u n k l e m e t a p h y s i k , die sich selbst k a u m v e r s t e h e t HERDER 23, 67;

sag etwas, das sich von selbst versteht, zum ersten male, und du bist unsterblich E B N E R - E S C H E N B A C H 1 , 3.

weniger

üblich

ist ein dingliches

subject:

Doja.

nun gebt mir nur die liebe zu ; den unsinn will ich euch erlassen. tempelherr. weil er sich von selbst versteht? L E S S I N G 3 , 1 0 5 ( N a t h a n 3, 3 ) ;

jene maohf-.n partei ; welch unerlaubtes beginnen ! aber unsre partei, freilich, versteht sich von selbst G Ö T H E 1 , 354

Weim.;

dinge, die sich v o n s e l b s t v e r s t a n d e n LUDWIQ 1, 347; t a u s e n d h e r z l i c h e grüsze a n alle I t z e h o e r v e r s t e h e n sich v o n selbst MOLTKE 6, 79. ungewöhnlich ist persönliches subject: a l s lord P e r c y . . die v i e r gröszten c o m p o s i t i o n e n der n e u e r e n k u n s t v e r e i n i g e n w o l l t e , w ä h l t e er . . f ü r die f a r n e s i s c h e gallerie A n n i b a l e ' s F e i i c e C o s t a n z i , a b e r f ü r die gröszte c o m p o s i t i o n der n e u e r e n k u n s t und der k u n s t ü b e r h a u p t v e r s t a n d sich v o n selbst Mengs JUSTI Winckelmann 2 28. die wendung z u v e r s t e h e n sein dient ebenfalls zum ersatz des passivs; schon ahd.: endi i o h d h a z s ist n u unzuuiflo so l e o h t s a m o zi firstandanne ISIDOR 7, 8. nhd. n u n hertzog Jubil dieses k ü r t z l i c h erzehlte, w a r die i n dieser W a h r s a g u n g e n t h a l t e n e billigung des z u m heerf ü h r e r e r w ä h l t e n hertzog H e r r m a n n s d e u t l i c h genug z u v e r s t e h e n LOHENSTEIN Arminius 1, 30"; w e i l gerade diese dinge z u m heiligsten j e d e r e i n z e l n e n s p r ä c h e gehören, u n d o f t so s c h w e r z u v e r s t e h e n als unübersetzb a r sind HERDER 12, 192. auch sächlich: so w e i t näherten sich die P r o t e s t a n t e n n o c h e i n m a l 'dem r ö m i s c h e n k i r c h e n w e s e n . . es i s t k a u m z u v e r s t e h e n , d a s z m a n sie d a b e i n i c h t f e s t h i e l t RANKE 3, 196. h) Verwendung der reflex, form in anderem sinne, in älterer zeit gern 'verständig sein, zu verstände kommen, Vernunft annehmen': ahd. ir g o u c h a f e r s t ä n t i ü h éteu u e n n e , stulti aliquando sapite NOTKER 2, 395, 22 Piper, mhd. do er {Johannes) dar zu gedech dag er sich vorstunt, do h u b er sich in die w ö s t e n u n g e altd. predigten 1, 164, 29 Schönbach; swer mit disen schanzen allen kan, an dem hat witze wol getan, der sich niht versitzet noch vergét und sich anders wol verstet W O L F R A M Parzival

nhd. :

2, 16.

du bist ein arm eintönig einfalt kind, verstast dich nüt und wilt doch wissen ! N . M A N U E L Barbali

1062.

die oben aus WOLFRAM angeführte stelle gibt einen schlüssel zu KEISERSBERG: v e r s t e e s t d u d i c h o n t r ü b sai ii. d. anhebenden, menschen A 8 (im buch granatapfel 1510), wo die geistige bedeutung ganz verblaszt ist. 'merken, erkennen, durchschauen', nur mhd. : dö sprach der snelle Hagene : 'als ich mich kan verstän, wand ich den hèrren lange niht gesehen hän, ei varent wol dem geliche sam eg si Rüedeger' Nibelungenlied 1120,1 Lachmann. mit präpos.: ein meere ich dir bescheiden wil, an dem solt du dich verstän, das ditze begger ist getan R U D O L F V. E M S Barlaam

164, 1 9 .

etwas anders sich selber, selbst v e r s t e h e n , besonders in jüngerer spräche, 'sich durchschauen, erkennen, zur

mit dir versuch' erst umzugehn, und kannst du dich nicht selbst verstehn, so quäl' nicht an'dre Ieute GÖTHE 3,111 Weim. sich v e r s t e h e n l a s s e n : v o n w e l c h e m b e t t e l p a c k soll i c h m i c h d e n n v e r s t e h e n l a s s e n ? PÜCKLER 1, 93. 3) etwas praktisch anzuwenden wissen, auf einem gebiete kenntnis, besonderes Verständnis, fachmännisches urtheil haben (vgl. v e r s t a n d B 4 sp. 1539, Verständnis B 8 sp. 1603); klare, und im engsten und wissenschaftlichen verstände, deutliche begriffe von etwas haben ADELUNG; w e r eine s a c h e n i c h t v e r s t e h t , der m u s z sich n i c h t d a r e i n m e n g e n , der k a n n n i c h t d a v o n u r t h e i l e n GOTTSCHED beobachtungen über d. Sprachgebrauch 407, a) die trans. rection fehlt dem mhd. mit unbestimmtem object; synonym mit k ö n n e n : ers . . . weder v e r s t e h e t n o c h besser m a c h e n k a n GRIMMELSHAUSEN 4, 503, 10 Keller; k ä m e es nur so w e i t , dasz n i e m a n d schriebe, w a s er n i c h t v e r s t ü n d e HERDER I, 260; die n i c h t s v e r s t e h e n corrigiren oft a m m e i s t e n STEPHANIE lustspiele 10, 20; schwäbische Sprichwörter bei FISCHER 2, 1358; Göttingen: w a t einer n i c h eiert h a t , dat v e r s t e i t h e a k n i c h SCHAMBACH 267"; w e r r e c h t v e r s t e h e n w i l l w a s (guts) z u t h u n , der t h u e dasj e n i g e , so er s c h o n v e r s t e h e t KRAMER 2, 939; er v e i stehts n i c h t besser FRISCH 2, 32', c ; dag ir uns d o r u m b v e r s c h r e i b t , alg dag e u w e r k ü n i g k l i c h h o h w i r d i k e i t w o l v e r s t e t d. städtechron. 1, 142, 29; der . . n i c h t s k a n n , als i m lande m i t s e i n e m s c h w a r z e n f a s s e h e r u m z i e h e n und t h ö r i c h t e n k n a b e n , die es n i c h t besser v e r s t e h e n , die füsze m i t W a g e n s c h m i e r e a n s t r e i c h e n STIFTER S ' . S S ; der alte s c h u l m e i s t e r h a t ein s t ü c k e l m e h r v e r s t a n d e n a l s birnsieden ROSEGGER waldschulmeister 12; sitz nider, schweig und höre zu denen, so mehr verstehn als du S P R E N G Tlias

2,17»:

das ist ein schalk, — der's wohl versteht — er lügt sich ein — GÖTHE 1 5 , 1 4

Weim.

(Faust

4885);

i c h d a c h t e a b e r die l i e b e n h e r r e n solten e s w o l vers t e h e n , und w e n n sie d e m g e l e h r t e n doctor n i c h t t r a u e n d ü r f f e n , so w ü r d e n sie n i c h t so ein l e b e n gem a c h t h a b e n WEISE comödienprobe 319; die drei a n d e r n a b e r t a n z t e n w i e leute, die's v e r s t e h e n FONTANE 5, 143; a bessern S c h w i e g e r s o h n w i n s c h t ' i c h m i r n i e : a v e r stieht seine s a c h e ! G. HAUPTMANN Böse Bernd 69; zum a l sie b a l d h e r a u s h a t t e n , d a s z er seine s a c h e a u s d e m f u n d a m e n t v e r s t e h e STORM 1, 121. sprichwörtlich: d e n n sie v e r s t e h e n s doch so w o n i g als der esel d e n p s a l t e r LUTHER 26, 341 Weim.; w i e der o c h s d a s s c h w e b e l p f e i f e n (schwegelpfeifen) ABRAHAM A S. CLARA (zeitschr. f . d. wortforsch. 8, 210); schwäb.: der v e r s t e h t sein s ä c h l e i i ; der v e r s t e h t s w i e der esel 's rezept FISCHER 2, 1359; luxemb.: de verstfit de romm e l d e f i f f , der kennt die schliche und kniffe tob. 467 B ; westfäl.: d a t versteist'e, ä s s e de b u e r dat w o e r s t f r e a t e n WANDER 4, 1607. weitere derartige Wendungen s. unter c (sp. 1682). etwas der eigenen kenntnis entsprechend beurtheilen: du sprichst, wie du's verstehst, willst du etwa die nedel tragen, Evchen, in der kirche am nächsten sonntag reuig busze tun? K L E I S T 1 , 352 (krug

mit

subst.

object:

K R A M E R 2, 9 4 0 * ; haben

eine

spräche,

F R I S C H 2, 3 2 7 ° ;

eine k u n s t ihren

regeln

CAMPE;

6).

verstehen nach

inne .

verstehst du nicht deine kunst, so ist alle m ü h ' u m s u n s t

W A N D E R 4, 1607.

die wendung eine s p r ä c h e v e r s t e h e n gehört hierher, so bezeichnet weit sie die fähigkeit des praktischen gebrauchs (über das verständnisvolle anhören vgl. 2 a sp. 1673). sie ist heute allenthalben gebräuchlich: der h e r r w i r d ein v o l c k ü b e r dich s c h i c k e n , . . des s p r ä c h e du n i c h t verstehest 5 Mos. 28, 49;

1681

VERSTEHEN

VERSTEHEN

ein Teutscher ist gelehrt, wenn er sein teutscU \ ersteht HEBAUS ged. 15 (vgl. CANITZ 98; GÖTHE 3,141 Weim.); und aus lust zur Wissenschaft, liebt sie Frankreich, sammt den Britten, deren sprachen sie versteht, und durch mund und kiel erhöht GOTTSCHED ged. (1751) 248; man bemerkte, er ( K a r l V.) verstehe nicht einmal deutsch und habe noch keine probe persönlicher tüchtigkeit gegeben RANKE I, 241. einen beruf, eine fertigkeit, kunst auszuüben wissen; sprichwörtlich elsäss. MARTIN-LIENHART a, 566 B ; schwäb. FISCHER 2, 1859; die alten verstehen nicht das recht Hiob 32, 9; da waren die männer des positiven rechts, die politik weder machten noch verstanden MOMMSEN röm. geschickte 3, 3; arehitekt und gärtner verstehen ihr handwerk und sind gewohnt mit freyem sinn zu arbeiten GÖTHE IV 33, 10 Weim.; nur dadurch wurden sie eines gefühls der ehre fähig und werth, dasz sie ihren beruf verstanden und erfüllten HERDER 23, 44; zu meiner z e i t . . da muszte man noch sei geschäfte verstehn HAUPTMANN weber 8; weil wir frieden wollen, müssen wir den krieg verstehen ARNIM trösteinsamkeit 81 Ff ä f f ; eines mädchens wegen . . , das . . die fesselnden künste einer buhlerinn so wenig versteht LESSING 2,299 (Sara 3, L); er versteht die Passauer kunst BORCHARDT-WUSTMANN 359; ich setze mich niemals zu einem spiel ohne es zu verstehen STEPHANIE lustspiele 23, 19; auch nicht wegen des decori oder Wohlstandes, denn solchen verstehen ist ein gut der seele LEIBNIZ 2, 43. mit beurtheilendem adverb.: in Wirklichkeit hätten sie nichts oder nicht viel mehr, als einen groszen fleisz im geldborgen, das sie allerdings aus dem gründe verständen KELLER 2, 110; etwas aus dem ff verstehen BORCHARDT-WUSTMANN 143.

52; die verstehn das schwelgen im genusz BETTINE Oünderode 1, 171.

liiszt sich schon an sich die Verbindung mit substantivobject am einfachsten aus der Unterdrückung eines infinitivischen ausdrucks erklären, so besonders im folgenden, wo es sich nicht um die ausübung eines berufs oder einer kunst handelt, sondern um die anwendung der kenntnis im einzelnen am object: der den schenckel wohl verstehet (beim reiten) DUEZ nomencl. 179; ein abgericht pferd . . ist ein pferd, das sehr wohl in der faust ist, den schenckel verstehet (das auf den Schenkeldruck reagiert) HOHBERG geórgica 3, 15511; er aber verstand ire kranckheit nicht, sonst het er ir geholffen SCHUMANN nachtbüchlein 17; einer artzney die du nit verstandest GESNER-FORER thierbuch 26; der todten angesichter versteh ich besser doch als ihr STORM 4,255; mag doch kein Schiffer heiszen, der keinen wind versteht RACHEL ged. 121 neudr.; kein neuling schnell erhöht der noch des landes heil und Wohlfahrt schlecht versteht GOTTSCHED ged. (1750) 3; verstehst j a die rohe frucht sowohl als das garn BRÄKER L, 216; er verstand nun den wein und die speisen, sie schmeckten ihm überaus köstlich NOVALIS 4, 155; ferner verlange ich dasz du . . den putz mit geschmack wohl verstehest GÖTHE IV L, 109 Weim.; ich verstehe eben meinen vortheil nicht, meinte er, und er sehe höchst ungern meine besondere liebhaberei, die zeit zu verderben I 28, 171; die Franzosen können keine grabschrift machen, sie verstehen das leben, aber nicht den tod, und j e n e s nur, so viel man es ohne diesen begreifen kann BÖRNE 5, 160. auch von geisteswissenschaften: heimlichkeiten natürlicher dingen, so wol als Aristoteles . . solche verstanden THURNEISSER alehymia vorr. 1; man meldet, dasz aus diesem gründe, der bischof, der moral verstünde, den sonnen-weiser oft den falschen freund genannt LICHTWER äsop. fabeln 73. mit subst. inf.: Simplex handelt auch mit pfeiffen, derer kein ihm abe gehet, ob sie gleich sind wol gebrochen, weil er pfeiffen nicht verstehet LOG AU 452; diese äugen (des kindes) . . . regten sich noch nicht, weil sie noch das sehen nicht verstanden STIFTER 3, XII.

1682

b) das object ist ausgedrückt durch einen nebensatz, selten durch einen fragesatz: wie man . . . durch tiefe Wissenschaft zur sonnenkugel steiget, . . . das hat der Grieche wohl und Rom in seinen landen, jedoch, zu beyder zeyt, der Deutsche nicht verstanden NEUKIRCH ged. III; j a Christi wort sein selbst vorhanden; der hat am besten zwar verstanden, was rathsam und unghorsam ist FISCHART nachtrab 660. gewohnlich geht ein Infinitivsatz voran oder folgt nach, auch selten in der älteren periode: diese itzige kirche hat nicht einen bischoff . . , der den catechismum . . für sein eigen person zu beten verstehe LUTHER 86, 592 Weim.; sie . . . verstehen die gelegenheit in acht zu nehmen PRÄTORIUS Katzenveit A 6 R; (Felix) sagte ihr . . alle worte nach, . . als wenn er auch zu lesen verstünde GÖTHE 23, 86 Weim.; wie schön klingen todesglocken dem, der zu sterben versteht HIPPEL lebensläufe L, 204; wer nicht zu hören versteht, Versteht auch nicht zu bemerken HERDER 17,11. sprichwörtlich preusz. : dei versteit (weet) drop to lope, auch mit dem scherzhaften zusatz: wie de kau op em appelboom FRISCHBIER sprichw. L, 273; er versteht mit gekochtem essen umzugehen 2, 190. c) mit präpos. zusatz ungewöhnlich, aber aus einem unterdrückten infinüiv (zu spielen) zu erklären ist die Verbindung mit auf: ich verstehe etwas auff der viol di gamba, auff der laute, auff der zieter, auf der harpffe, auf der flöhte schausp. engl. com. 103, 34 Creizenach. gewöhnlich ist von etwas verstehen, von etwas eine Vorstellung, einen begriff, nähere kenntnis haben: ich verstehe etwas davon KRAMER 2, 940A. vereinzelt mhd.: wie soltent ir denne verston von disen göttelichen indewendigen dingen? TAULER 301, 16 Vetter, es ist selten bis zum 1 8 . j h . : der ihm aus dem catechismo, was er von seinem christenthum verstünde, examiniret GRIMMELSHAUSEN 2, 355, 28 Keller; du muszt nicht glauben, dasz ich von den sachen ganz und gar nichts verstehe LESSING 2, 57 (freigeist L, 3); der soviel unverständliche Visionen . . über die theorie der musik schrieb, wovon weder er, noch sonst irgend ein mensch j e m a l s etwas verstanden hat GÖTHE 45, 7 Weim.; der . . von pferden so viel verstand, wie ein faszbinder vom spitzenklöppeln EBNER-ESCHENBACH i, 63. solche scherzhaften vergleiche sind sehr beliebt (vgl. sp. 1680); schwäb.: der versteht k e i n e n pfifferling, keinen dreck von etwas; der verstaht so viel von deren sach®, als der blinde von der färbe FISCHER 2, 1358; als die kuh vom A B C 1369; preusz.: er versteht (weisz) soviel, wie die k; h vom rothen (grünen) thor; wie der todte hund vom bellen FRISCHBIER sprichw. L, 278; wie die ziege vom pfeffer 2, 190; luxemb.: wei t kallef vun der ho»mass, wie das wos kalb vom hochamt luxemb. wb. 467 B ; oberharzisch: verstieht der bauer vom gorkensalat WANDER 4, 1607; Schweiz.: e verstoht so vil dervo as e chue vom br&tspil ebd. 1609; als die katz vom pfeiffen, wie die krähe vom Sonntage, als die kuh vom kalender, wie ein ochs von musik, wie der esel das flötenblasen 1608, 1609. d) reflex. rection ist schon in alter zeit beliebt, besonders mit genetivzusatz: ¿ab äntwurti ther ftnder, ther firstüant sih filu m6r OTFKID i, 81, 5. mnd.: de sik vorstunt der wendeschen sprake quelle bei SCHILLER-LÜBBEN 5, 460". mhd.: das von alter her behalten was an briefen, sigeln, büchern und klainot, wann sich des keiner verstund d. städtechron. 3, 146, 6; swer sich rechtes verstSt Sachsenspiegel prol. 125. nhd. : syndicus, stattschreiber, der sich der rechten verstehet ALBERUS 10 b ; da ich mich aber der frage nicht verstund apostelgesch. 25, 20 (nach TELLER Luthersprache L, 246 einzige bibelstelle); alle so sich der geschrillt verstand ZWINGLI v. freiheit d. speisen 40 neudr.; er was aber angsthaftig umb dag er sich der welschen spräche

106

1683

VERSTEHEN

VERSTEHEN

1684

nit g n u g s a m k l i c h v e r s t ü n d e W Y L E translat. 35, 33; da v e r s t u n d , b a t er v o r a l l e n dingen, n a c h der w u n d e z u sehen, u n d i h n z u v e r b i n d e n ZIEGLER Banise 18; veri n n e er f ä n d e groszen s c h a c z e . . v o n edelera gestein« stehet ihr e u c h auffs c a l e n d e r - m a c h e n GRYPHIUS Squenz g e f a s t u n d u n g e f a s t , der er sich w o l v e r s t ü n d e ARIGO 10 neudr.; w i e n i e m a n d v e r s t a n d sie s i c h a u f die k u n s t , decamerone 17, 22; n i c h t s z u v e r s p r e c h e n u n d — alles h o f f e n z u l a s s e n lieber, kumb her und sie besieh, EBNER-ESCHENBACH 4, 94; du verstehst dich der kne mehr denn ich SACHS 14,116, G KeUer-Götze. wenn dem volke weise vereinzelt ist die Verbindung mit i n und a n : weiter nichts wfir' als klug? und klug nur der, der sich auf seinen vortheil gut versteht die edeln und die wisen hänt LESSING 3, 86 (Nathan 3, 5); vil witze, in den sie sich verstänt RUDOLF V. EMS Barlaam 326, 8; der mann verstand sich nicht auf weiberseelen se (die Handwerker) v o r s t a n sek n i c h t i n d e m testaWIELAND (1794) 10,153; m e n t e des r i c h t e s (non intelligent testamentum jui c h b i n ein k r i e g s m a n n , v e r s t e h e m i c h w e n i g a u f n a s s e dicii) Sir. 38, 38 bei SCHILLER-LÜBBEN 5, 460 B ; VERDAM w a n g e n SCHILLER 3 , 160 (Piesko 5 , 1 6 ) ; K o h l h a a s , der 637 B . mhd. auch, ü b e r , u m : s c h e n d e t e n d e n a l t e n s i c h a u f d a s g e s i c h t des g r o s z k a n z l e r s gar w o h l verr a t a n d s p r a c h e n t , sie h e t t e n gesatz ü b e r die h a n t w e r k stand, setzte sich, in s e i n e m e n t s c h l u s z n u r b e s t ä r k t , g e m a c h t , d a r ü b e r sie s i c h n i t v e r s t u n d e n d. städtechron. a u f der s t e l l e nieder KLEIST 3, 211; i c h w i l l d e r beS, 146, 17; trügerey ihre w ü r d e n i c h t n e h m e n , d a s h i e s z e sich der ie getriuwen friunt gewan s e h r s c h l e c h t a u f die w e i t v e r s t e h e n BODE Montaigne und weis, wie man den meinen sol, 5, 20. sprichwörtlich mit scherzhafter anspielung (vgl. entriowen der veratät sich wol sp. 1680, 1682): umbe Kurven&les swsere GOTTFRIED Trittau 7802; darauff verstund er sich so vil, gleich wie ein kuh ob dem bretspil Scherimdenbart und Schlap sein knecht SACHS 21, 301, 21 Götze; verstunden sich umbe weltlich recht ALBERUS ¿top 147. d a s w e i b v e r s t e h t sich a u f s h a u s w e s e n w i e der esel a u f s e) alle behandelten reflex. Verbindungen, die mit dem l a u t e n s c h l a g e n ebd.; w i e der esel a u f s h a r f e n s p i e l e n , 16. jh. erlöschen, sind überlebt und verdrängt von sich w i e die k u h a u f d e n m i t t a g , w i e die ziege a u f die v e r s t e h e n a u f e t w a s 'mit etwas bescheid wissen, umzupetersilie, w i e die k a t z e a u f die s a u e r e m i l c h , w i e der gehen wissen, etwas zu beurtheilen wissen', bis ins 18. jh. blinde a u f die färbe, w i e der b a u e r a u f s a u s t e r n e s s e n , kommt die Wendung er v e r s t e h e t sich n i c h t s auff d a s a u f s l a t e i n WANDER 4, 1609, 1608; w i e ein d a u s BORstudieren vor DENTZLER 313»; d o c h s o l c h s alles w i s s e n CHARDT-WUSTMANN 473. selten mundartlich verzeichnet: die kriegsleute b e s s e r d e n n ich, der i c h m i c h auff s o l c h luxemb. wb. 467 B ; in Berlin BRENDICKE 189». abweichend gelegenheit u n d l e u f f t e n i c h t s v e r s t e h e LUTHER SO 2 , 1 8 4 davon heiszt es in Tirol: sich v e r s t e a n a u f e t w a s , sich Weim.; die r e g e n t e n und Vorsteher der w e i t v e r s t e h e n dessen erinnern SCHÖPF 706; i h ü ' m i ' n6t d r a u f versioh n i c h t s auff geistliche ding ALBERTINUS hirnschleifstanden, besonnen S C H M E L L E R 2 2 , 715; in Kärnthen: i ' fer 295; d a s z sie sich n i c h t s a u f die b e l a g e r u n g und v e r s t e a m i ' nfet äff di', ich kenne dich nicht; g u o t a kinv e r t h e i d i g u n g der s t ä d t e v e r s t u n d e n M. J. SCHMIDT der v e r s t e a n t si' äff die fcltern, erinnern sich an sie, gesch. der Deutschen (1778) l , 123; sonst heiszt es stets helfen ihnen; i' v e r s t e a m i ' äff ¿pans, es fällt mir ets i c h n i c h t a u f e t w a s v e r s t e h e n : i c h v e r s t o n m i c h selbs was ein LEXER 241. wieder anders nd.: d a b ü n i k u p w o l auff m e i n h a n d e l MAALER 432*; STIELER 2129; v e r s t a a n , so haV ich's verstanden (Hamburg) SCHÜTZE KRAMER 2, 940"; FRISCH 2, 327°; i c h v e r s t e h e m i c h a u f s 4, 180. f r a u e n z i m m e r , kenne es, weisz, n i e mit demselben umpersönliches object ist selten, 'mit menschen umzugehen zugehen ist ADELUNG, letzterer weist mit recht auf spätwissen': lateinischen einßusz hin (intelligere se i n a l i q u a re). von kan ich mich recht uff iich verston, ich glaub, ir sind von gott harkon sprachen, Wissenschaften und wissenschaftlicher kenntnis Schweiz, schausp. d. 16. jhs. 1, 216, 859 Bächtold ; ist diese Wortfügung nicht so gewöhnlich: so f e y n verm ä d c h e n , du v e r s t e h s t dich so t r e f f l i c h auf die guten s t e h e t s i c h dieser g e y s t auff das gesetz Mose und auff m e n s c h e n : aber, w e n n w i l l s t du die s c h l e c h t e n e r t r a g e n e b r e i s c h LUTHER 18, 121 Weim.; i c h v e r s t e h e m i c h n i c h t l e r n e n ? LESSING 2, 233 (Minna 4, 3); sie m a c h e n h i e r gnug a u f d e n a b s t r a k t e n begriff der liebe, a l s dasz i c h ein b e i s z e n d e s p a s q u i l l a u f die g o t t h e i t , die sich so w i s s e n k ö n n t e HERDER S, 88. man sagt nicht leicht die ü b e l a u f ihre l e u t e v e r s t u n d SCHILLER 3, 419 (kabale Sterne, die h e i l k r ä u t e r v e r s t e h e n , aber wohl die Stern2, 7). vereinzelt ist der präpos. attsdruck durch einen k u n d e , die h e i l k u n d e v e r s t e h e n (und s i c h a u f die Sterne, infinitiv ersetzt: gott b e h ü t e ! so w e i t v e r s t e h e i c h m i c h die h e i l k r ä u t e r v e r s t e h e n ) CAMPE; mnd. LÜBBEN-WALnicht, m y l a d y , z u w i s s e n , w a s die Worte h e i s z e n KLINGER THER 624»; mnl. VERDAM 637 B . stürm u. drang 2 , 2. am üblichsten mit concretem object: H i e r a m s a n d t seine 4) in bestimmter art und weise auffassen, auslegen, k n e c h t i m schiff, die s i c h auff schiff v e r s t u n d e n d Zümeinen (vgl. v e r s t a n d B 5 sp. 1542, Verständnis B -1 richer bibel (1531) 3 kön. c E ; s o l c h e p e r s o n e n . . . , die sp. 1604). s i c h auff die seide z u m b e s t e n v e r s t e h n SEBIZ feldbau 452; sie v e r s t e h e n sich b e s s e r a u f die a m p h o r a s a p h o r i s m o s ABRAHAM A S . CLARA 4, 51 Strigl;

als

das rind versteht sich nicht, dann nur auff stroh und gras LOGAU 109; versteht sich ein mägdgen auf küssen und schertz GÜNTHER ged. 260; wer sich auf's geld versteht, versteht sich auf die zeit GÖTHE 5,154 Weim. ; apropos, gnädiges f r ä u l e i n , sie v e r s t e h e n s i c h doch a u f j u w e l e n ? LESSING 2, 196 (Minna 2 , 2 ) ; a l l e s , w a s die k i n d e r t r u g e n , w a r d i m h a u s e g e m a c h t , u n d sie vers t a n d s i c h a u c h s e h r gut a u f e i n e n m a n n s s c h l a f r o c k MÖSER werke 1, 205; sie v e r s t e h e n s i c h g a n z u n d gar n i c h t a u f B e r l i n E . T . A . HOFFMANN 1 , 1 4 . ähnlieh: der k ö n i g s p r a c h z u d e n w e i s e n , die sich auff l a n d e s Sitten v e r s t u n d e n Esther 1 , 1 3 ; ein e h r l i c h e r f r o m m e r m a n n , der s i c h a u f b ü r g e r l i c h e gute e h r b a r e polioey v e r s t e h e FRONSPEROER leriegsbuch 1, a 3R; und w e i l er w ü s t e , d a s z er s i c h auff die w u n d e n - c u r w o h l

a) die art der auffassung wird durch einen adverbialen ausdruck gegeben: ein w o r t auff z w e e n w ä g verston, verbum in duas pluresve sententias aeeipere MAALER 432 ä ; dis . . . ist u n d e h e i s z e t ein unbegriffenl i c h e w i l d e w ü s t e , do n i e m a n v i n d e t w e g n o c h w i s e , w a n es ist ü b e r alle w i s e . d a s v i n s t e r n i s s e sol m a n also v e r s t a n TAULER 55, 5 Vetter; sone wil eg diu werlt s6 niht verstän als e^ doch gote ist erkant HARTM. v. AUE Iwein 1902; wie versteest du das ? zeig mir on! SACHS 1, 70,19 Keller; ach wie solt ichs von euch verstehn, das ihr für uns thut über gehn und gönt uns nicht eur angesicht AYRER dramen 1638,19 KeUer; i c h w ü s t e i m m e r n i c h t w i e i c h d a s v e r s t e h e n . . solte MOSCHEROSCH Philander 1 , 6 ; Götz, w i e v e r s t e h t i h r das? Martin, w o h l e u c h d a s z i h r ' s n i c h t versteht GÖTHE 8, 12 Weim.; w i r v e r s t e h e n d e n d i c h t e r n u n m e h r so, w i e w i r i h n v e r s t e h e n sollen LESSING 11. 309; (ein)

1686

VERSTEHEN

VERSTEHEN

ehrenmann; der . . . nur . . . seiner pflicht, wie er sie verstand, gemäsz gehandelt hatte MOMMSEN röm. geschickte 2, I i i ; christlich, in dem sinne wie wir es Terstehn, war soviel ich weisz auch ihr (der mutter) glaube nicht BISMARCK an braut u. gattin 49. mit demonstrativem adverb.: got begabt manchen, das im billich wol sein solt, wann ers also acht und verstund FRANCK sprichw. (1545) l, 16 B ; die möglichkeit, sich zu einigen, . . wurde nicht benutzt, weil jeder sie so versteht, dasz er der mittelpunkt derselben wird MOLTKE 7, 13. das demonstr. adverb. ist vor einem nebensatz zu ergänzen: sagt, acht halb schoff, wie vil hatz fiiesz? er sprach mit grymen peiszig: 'sie haben nit meer dan dreiszig.' der von Kalenberg sprach: 'ich versteen, das sie nit haben mer dan zwen . .

bei persönlichem object, einen redenden, handelnden, einen Schriftsteller in dem von ihm gewünschten sinne verstehen:

1685

Pfarrer

v. Kalenberg

27 neudr. ;

das obgemelte ummgraben soll verstanden werden, weil (während!) die jungen schöszlin noch kleyn sein SEBIZ feidbau 258. das adverb. wird eingehender bezeichnet: die rede er weltlich verstuont, als ie diu kint der weite tuont RUDOLF V. EMS Barlaam

40, 5 ;

sind sie nit (ich hab dann unrecht verstanden) in sondere regel und gebot . . . gesetzet worden? SCHEIT Orob. 9 neudr.; diesz alles trifft zusammen mit dem inhalt ihres briefes, wenn ich ihn recht verstehe GÖTHE IV 29, 84 Weim.; wie man die schrillt mit der heyligen römischen kirchen uberein bringen müsse, und catholischer weisz verstahn FISCHART binenkorb A 6"; eine . . alle Vernunft chagrinirende sucht, die nothwendig figurate müszte verstanden werden LEIBNIZ 1, 283; er versteht das priestertum der Iaien, dies palladium der Protestanten, im verwegensten sinne TREITSCHKE hist. aufsätze L, 14. eine locale bestimmung tritt ein oder ist zu ergänzen: wird an beyden orten des reichspostreiters (einer zeitung) der nehmliche mann verstanden, oder nicht? LESSING 13, 202; wo unser . . noturfft ein anders heusche, soll der sabath . . uns underworffen sin. du solt ouch die letzten noturfft hie nit verston, da man kummen sye in die nähe des todes, als die irrenden theologi troumend ZWINGLI v. freiheit d. speisen 14 neudr.; eigentlich gab es nur zwei blasinstrumente, von denen eins hier verstanden werden musz STILLING 3, 30. meist ist die locale bestimmung zu ergänzen: Homerus verstehet das haupt Meduse SCHAIDENRAISSER Odyssea 5011; j a die unsrigen (er verstehet die stoischen) haben darvor gehalten, das ein weiser alleine ein poete sey OPITZ poeterei 10 neudr.; man kann leicht muthmaszen, dasz der herr Verfasser allezeit eine seeligkeit um Christi willen verstehe LESSING 7, 9; wenn ich liebe sage, so versteh ich die wiegende empfindung, in der unser herz schwimmt GÖTHE IV l, 236 Weim. häufig redet der autor den User an, um ihm seine auffassung deutlicher zu vermitteln; ein solches imperativisches verstehe, verstehet bedeutet geradezu 'das ist, das heiszt, nämlich', es wird in den satz eingeschoben, ohne eine rectionsänderung zu verlangen: dieses bat gott durch mich geredt von seinem Mesia (verstet!): der geist des herren bey mir w a n d SACHS 1 , 1 6 7 , 24

Ketter;

welchem (Schleier) diese worte, dir einig und allein, verstehe, gebühret ehre, eingestickt zulesen waren BIRKEN ostl. lorbeerhäyn II*; ey j a verstehet eine Wasserkunst GRYPHIUS Squenz 12 neudr.; bey dem gold befindet sich viel eisen, verstehe das zanck-eisen ABRAHAM A S. CLARA etwas für alle 1, 253; davon uns gottes gQt und gnad durch Lutherum befreyet hat, der hier wider Polylojpim (versteh den Tetzel) nicht ist stumm

RINCKHART chriett. ritter 20 neudr. ;

versteht: des kleinern schatzes, — denn des grSszern waltet sein vater noch — des schatzes fUr sein haus LESSING 3, 20 (.Nathan 1, 3).

ein beurtheilender auadruck wie recht, unrecht, wohl, übel tritt.hinzu oder ist zu ergänzen.

versteht mich recht! SACHS 17, 351, 8 Keller-Götze ; nun, verstehn w i r uns nur recht! LESSING 3, 22 {Nathan 1, 3 ) ;

alsz es heraus käme, dasz beyde (Streiter) einander unrecht verstanden, so umarmeten sie sich wieder ABRAHAM A S. CLARA etwas für alle 2, 7; pfui, wenn ich dich recht verstehe KOTZEBUE 2, 57; darum bin ich kaltsinnig worden — versteh mich aber wohl, in euren ä u g e n S C H I L L E R I , 56.

bei sächlichem object, worte oder handlungen einer person übel auslegen und als verletzend ansehen: der harlequin musz alles über quer verstehen und thun GOTTSCHED anmuth. gelehrsamkeit 3, 207; jane solt du mirg, Kriemhilt, ze arge niht verstän wan ich äne schulde niht die rede hän getan Nibelungenlied 763,1 Lachmann;

du verstast es lätz, du nimpst es zum aller bösten a u f f , perverse

interpretaris

M A A L E R 4 8 2 ' ; KRAMER 2,940";

ADELUNG; er wollte ihn necken und hänseln, aber dieser verstand es unrecht und gab ihm eins hinter die ohren, wollte es nicht für spasz aufnehmen, wollte sichs nicht gefallen lassen und auf ähnliche ort erwidern CAMPE; in solcher vollen weise gerathe ich an einen polnischen edelman, . . der verstehts unrecht und langt mir eines mit seinem sebel über den rechten arm WEISE erznarren 42 neudr.; in den oberen ländern sind in ein seitendorf . . zwölf französische reiter gekommen, um zu plündern, die bauern verstanden aber die Sache schlecht und überfielen sie STIFTER 5 1 , 361; treibt's ock ni gar zu tolle, dasz a ni etwa amal falsch versteht! G. HAUPTMANN weier 60; sie wolle diese meine rede und antwort . . nicht in bösen von mir verstehen schausp. engl. com. 281, 1 Creizenach; ir kai. maj. wollten das inen nit in Ungnaden versteen d. städtechron. 25, 375; zum besten verston und aufnemmen MAALER 433*; werden also die herren . . in guttem verstehen, das ich ihren namen hiesigen geringfügigen buche . . versetzen . . wollen OPITZ poeterei 6 neudr.; so bitten w i r euch all vorahn, ir w ö l t es in gut hie verstahn und uns z u dem besten ausz-Iegen SACHS 14, 3 , 1 3

Keller-Götze.

b) dem sinne nach schlieszt sich hier an die redensart scherz, spasz verstehen. KRAMER 2, 940* bucht keine kurtzweil verstehen; das sind complimenten vor statsdamen, die vexirerey verstehen: solche mädgen musz man gar auff andern stangen reiten: sie verstehen die worte nicht WEISE comödienprobe 238; scherz verstehen, einen scherz als einen scherz aufnehmen, nicht empfindlich darüber werden ADELUNG, CAMPE; menschen, die gar keynen schimpft vorstehen können, wo du sie antastest, da brechen sie entzwey LUTHER 10 1 ,1, G53 Weim.; du grober betz, und du brodt-hemel, kanst du den keinen schimpft verstahn? SACHS 14, 3 3 , 1 1 KeUer-Göbie; (ihr habt ey botz, so müsz und als

meinen scherz) gleich in ernst auffgnomen, wie seidt ir darzft komen. ers dann in schimpft verston, ein weinred bleiben Ion SCHEIT Grobianus v. 4759 •

die stadtmausz sprach: hab ein gut h e r t z ! mich dunckt z w a r , du verstehst kein schertz

WALDIS Esopux 1, 88 Kurz; wer schertzen wil, sol auch schertz verstehen und auffn e m e n F R A N C K sprüchw.

(1545) 1, 8 2 ' ;

wie

unglücklich

die leute sind, die keinen scherz verstehen L i s c d w 34 vorr. ; seid ihr d a glücklich v o r b e i , so naht euch dem zielenden hofrath Schütz nur getrost, er liebt und er versteht auch den spasz GÖTHE 5, 216 Weim. ;

es ist ein jammer mit den Deutschen, dasz sie, weil keinen spasz, auch keinen ernst verstehen BÖRNE 6,42. mit präpos. ü b e r : ich verstehe darüber so gut spasz, dasz es fast keine Iust ist, mit mir darüber zu spaszen LESSING 18, 860; dem alten, der über eine solche un-

106»

1687

1688

VERSTEHEN

VERSTEHEN

regelmäszigkeit keinen scherz verstanden hätte GÖTHE 22, 236 Weim.; über mein mädchen versteh' ich keinen spasz BAUERNFELD 2, 201. i n : wir fränkische mädchen verstehn in solchen dingen keinen scherz KLINGER werke l, 165. ähnlich angewendet: der feldherr verstand ort nnd zeit (die umstände, unter denen ihm der schimpf geschah), mäszigte die hitze einiger jungen offleiere und sprach lächelnd DAHLMANN franz. revolution 80.

weiste, wie dasz durch die mäusz die edel-leut verstanden seyn ABRAHAM A S. CLARA Judas 1, 8; unterdessen sehe ich wohl, dasz er durch den groszen polyhistor einen vornehmen mann verstehe LEIBNIZ 2, 861; wenn man durch die erfahrungen Sätze verstehet, die . . GOTTSCHED weltweishMt 1 § 109; lassen sie mich erklären, w a s ich durch ein beyspiel verstehe LESSING 8, 59; HERDER 16, 428; was hier durch das neue land und den meerbusen verstanden werde, läszt sich auf keine weise bestimmen FORSTER 4, 15.

c) präpos. ausdrücke bestimmen die art der

auffasstmg:

diu heilic schrift si ein vellung und ein gift, EÖ mans nach dem text verstat TEICHNER 65 dann er das senil für hanff verstundt, wie solchs dann gibt der Sachsen mundt, und ist hierinnen bald miszhört FISCHART Eulenepiegel

Karajan;

v. 1126;

hatte er sorge, wir würden ausgeteilet brod für ausgeteilte bradwürste und a u s g e t e i l t e n wein für ausgeteilet wasser verstehen? LUTHER 26, 488 Weim.; wir . . bitten, sollich unser vorgegeben antwort in khainen Ungnaden aufzunemen noch für ain ungehorsame zü versteen d. städtechron. 25, 897. noch anderer art ist: so doch on busze keyn Vergebung der sunden ist, es kan auch Vergebung der sunden nicht verstanden werden on busze LUTHER 26, 202 Weim.; alle diese andern Schriftsteller . . haben den poetischen ausdruck desselben entweder in seinem geiste nachgebraucht, oder wider seinen geist verstanden

L E S S I N G 11, 806.

verstehen a u f , i n , 'auslegen, beziehen auf etwas', im 16.—17. jh.: welches die vorgemelte h. vätter auch auff die höltzine marmelsteinine und glockenspeisine bilder verstanden haben FISCH ART binenkorb 14011; eben auff diesen schlag kan m a n meine erfahrenheit . . auch verstehen Simpl. 9 Kögel; von dieser frag . . . , welche in zweyerley weg verstanden wirdt AGRICOLA bergwerkbuch 2. bei LUTHER ohne präpos.: dis gebeth mag vorstanden werden tzweyerley weysz 2, 116 Weim.; darumb wirt dis gebot auch zweyerley vorstandenn 6, 243. v o n : s. Paulus (seine äuszerung) musz auch von Ieyplicher vorretherey vorstanden werden 1 0 1 , 657; von solchen nammen allen wirdt ein thier verstanden, so gemeingklich Leppard genent wirdt GESNER-FORER thierbuch 10*; ein geschminckter äffe, wird verstanden, theils von euszerlicher scheinheiligkeit, theils von ungestalten personen, so sich schöne ausputzen TREUER d. Dädalus 1, 62; die angabe des gewichts . . musz . . von alten italischen talenten verstanden werden NIEBUHR röm. geschickte 2, 239. b e i , d u r c h , u n t e r etwas verstehen, 'unter einem ausdruck oder gegenstände sich etwas bestimmtes vorstellen'. b e i ist belegt vom 11.—16. jh., d u r c h vom IG.—18.; u n t e r , vom 17. an '/lachzuweisen, hält sich allein heute lebendig. b e i : by den schribern verstet m a n die vernünftigen die alle ding ziehent in ir vernünftige wise oder in ire sinnelicheit TAULER 41, 18 Vetter; desgelichen hört men degelich uis dem alden testament, dat bi eine sundigen m a n doch ein goit exempel ind gelichenis verstanden wirt d. städtechron. 18, 455, 14; bey diesem häszlin würt verstanden . . die cristenlich kirch REIFERSBERG hasz im pfeffer A 2; erstlich David anzeiget hat allhie der gottlosen rhat, darbey man ein mensch verstehn mag, der gott veracht, nichts nach im frag SACHS 18, 27, 7 Götse.

durch einen ausdruck etwas verstehen ist wahrscheinlich einer fremden spräche nachgebildet (vgl. franz. entendre par); durch einsamkeit verstehe ich jede entfernung von der gesellschaft der menschen noch bei ADELUNG; heute nicht mehr üblich; durch diese drey todten werden verstanden nach der lere saneti Augustini dreyerley geschlecht der sünder LUTHER 1, 273 Weim.; ausz welcher anführung und induetion . . die gantz weit durch weisz hat verstanden lust, freud, kurtzweil und ergetzliohkeit FISCHART Garg. (1590) 889; solchen traom legte er eigensinnig dem bauren volek ausz, und be-

während ADELUNG noch daneben d u r c h kennt, erwähnen schon die älteren lexicographen KRAMER 2, 941A und

FRISCH

2 , 327°

nur

unter,

das

bei

LESSING

und HERDER neben d u r c h vorkommt: worunter ich herren Sänfftleben verstehe OPITZ poeterei 5 neudr. ; unter dem text 'falsche reden' werden billig alle schmeichelhaften propheten verstanden ABRAHAM A S. CLARA lauberhiitt 1 , 429; Aristoteles würde nicht sagen, mitleiden und furcht, wenn er unter der furcht weiter nichts als eine blosze modification des mitleids verstünde LESSING 10, 100; niemand verstehe hier unter diesem namen (elegische poesie) jenen hinkenden äffen, der sich nach unsern weisen lehrbüchern der poesie blosz im sylbenmaas unterscheiden soll HERDER 3, 28; die liebenswürdigste aller eigenschaften unsere geschlechts . . ich verstehe darunter die neugieTde GÖTHE 25, 78 Weim. d) einige feste Wendungen zur Umschreibung sivs haben sich herausgebildet.

des pas-

zu verstehen sein, eine gewisse art der auffasstmg und auslegung verlangen; mit adverb. oder präpos. zusatz, dem lat. (intellegi in aliqua re) nachgebildet, schon ahd.: dhar ist auch in dhemu gotes nemin fater zi firstandanfie (intelligitur) ISIDOR 16, 5. mhd.: die sint rehte als rinder oder kelber zü verstonde zü disen hohen götlichen dingen TAULER 10, 30 Veiter. nhd.: er legt den verstand des gesetzes ausz, wie es zuverstehen sey LUTHER 11, 259 Weim.; dasz in manchem griechischen epigramme . . der historische umstand selbst nichts weniger als nach den Worten zu verstehen ist LESSING 11, 805.

v o n : solcher befehl gehet allein die apostel an und ist von den priestern zu verstehen LUTHER 26, 611 Weim.; ist doch solches allein zuverstehn von der Germania jenseyt R h e y n s STUMPF Schwytzerchron. 6 7 ' ; dem Homer sey z. e. ein schiff entweder nur das schwarze schiff, oder das hohle schiff, oder das schnelle schiff, . . zu verstehen von seiner manier überhaupt LESSING 9,109. der heutigen spräche durchaus lebendig wie auch die Verbindung mit u n t e r . b e i , d u r c h , u n t e r : wo ir die verpoten frücht nieszen, alszdenn wert ir wie die göter. dabey zuversteen sein d r e y g ö t l i c h p e r s o n e n B E R T H O L D V. CHIEMSEE 58;

der

ein eyd schweren musz, der sol auffheben drey finger, bey dem ersten, das is der d a u m , darbey ist zu verstehen gott der vatter FRONSPERGER kriegsbuch 1, C 2r; so ist gewisz die hirtenflöte und leyer, und ganz und gar nicht unsere geige darunter zu verstehen SCHUBART ästhetik der tonkunst 5; ist eine frist von acht tagen mündlich vereinbart, so sind hierunter im zweifei volle acht tage zu verstehen handelsgesetzbuch § 359 abs. 2. etwas verstehen wollen (16. jh.), verstanden haben wollen (16.—17.), verstanden wissen wollen (18.—19.), dem lat. nachgebildet (intelligi, intellectum velle aliquid) ; ebenfalls mit adverb. oder präpos. zusatz: dise weyssagung hat Christus nit allain wollen versteen von gemainer Zerstörung gantzer kirch und aller weld BERTHOLD v . C H I E M S E E S ; a l s o h a b e n w i r n u . . v e r n o m e n ,

was Paulus dardurch verstehen wil GRETTER ep. Pauli a. d. Börner (1566) 61; disz aber will ich für sich selbs verstanden haben SEBIZ fddbau 62; solches will ich mit diesem wort . . verstanden haben MOSCHEROSCH Philander L, 103; dasselbig w i l l ich auch hiebey verstanden haben von dem schley

ALBEHUS Jabeln 83 neudr.;

1689

VERSTEHEN

1690

VERSTEHEN

liierunter aber, wollen wir nicht verstanden haben, etliche frembde Sachen und zugleich frembde Wörter IIARSDÖRFFER secretarius L, v *; was ich aber nicht in abstracto verstanden wissen will SOLGER Schriften l, 646; ioh will hierunter sowohl das werk des Planudes als des Kephalas verstanden wissen LESSING 11, 299; der pöbel, worunter ich keineswegs die gassenkehrer allein will verstanden wissen SCHILLER 2, 12. die reflex. wendung (das) versteht sich mit einem die art der auffassung bezeichnenden zusalz erinnert an 1 a und 2 g, weist aber feine unterschiede auf. veraltet-, Aas fetten verstehet sich nicht allein auf das unkraut, sondern auch auf die weinstöcke selbst HOHBERG georgica 1, 344°. heute noch verständlich: das verstehet sich von dem, de hoc intelligendum DENTZLER 813'; dieses alles versteht sich nur von der ältesten zeit KANT 8,178 akad. ausg.; ich bins zufrieden, . . wenn meine frau will, versteht sichs d. Schaubühne l, 94 Gottsched; dasz sie ihn kennen, haben sie mir schon gesagt; aber es versteht sich doch wohl, von person? LESSING 2, 158 (schätz N ) ; es versteht sich dieses im grosen ganzen der menschheit betrachtet GÖTHE IV 8, 231 Weim.

stehen und zu verständigen JAHN 2, 798; menschen, die so ekzentrisch sind, . . tugendhaft zu seyn . ., verstehn sich überall, finden sich leicht F. SCHLEGEL im Athenäum L, 127; Schlurck und Gelbsattel verstanden sich sehr gut . . . es waren menschen, die eine ziemlich gleiche lebensphilosophie hatten GUTZKOW ritter 8, 262; die einander am besten verstunden, verstellten ihre vertrauligkeit mit Schmähungen und gezäncke LOHENSTEIN Arminius L, 44B. u n t e r : sobald er sich aber entfernte, brach die entzweiung wieder hervor, schon seine eigenen anhänger konnten sich nicht unter einander verstehen HANKE 8, 28. m i t : da wir mit dem teuffei uns so woll verstehen, und mit gott in stetiger feindschaft leben OLEARIUS pers. baumgarten 918; dasz Montan sich mit unserm astronomen bald verstehen würde, war vorauszusehen GÖTHE 25, 269 Weim.; das ist ein verzweifelter bube, aber er hat seine sache so gut gemacht, dasz ich mich mit ihm verstehen musz SCHILLER 14, 177 (neffe als onkel 8, 5); den papst, mit dem er sich verstehen konnte, muszte er erst setzen RANKE L, 14. besonders gilt dies von dem Verhältnis zweier liebenden (vgl.

meine Wahrheit I 6, 235. noch heute geläufig: die niedrigen preise für die waren verstehen sich bis zum l. april (sind aufzufassen). C. in anderem sinne. l ) ein reeiproker und reflexiver gebrauch von verstehen geht von B 2 aus; er berührt sich mit verständigen 8, verstand C, Verständnis G (sp. 1582, 1547, 1604). a) sich mit der spräche verständigen: j a in Frankreich und Teutschland sein heutiges tages die einerley spräche reden und sich doch nicht verstehen MORHOF Unterricht l, 33; obgleich verschiedene sprachen redend, verstehen sie sich vollkommen GÖTHE 4 1 1 7 3 Weim. b) sich verstehen bedeutet meist wie sich verständigen 'im reden, denken, handeln einander Verständnis entgegenbringen; sich über etwas verständigen können': wir müssen einander recht verstehen; sich mit einem wol verstehen KRAMER 2,940"; sie verstehen ein anderen nicht, male inter illos convenit; ein anderen wohl verstehen, congruere inter se et convenire DENTZLER 313*. selten durch zeichen: das ruhig aufmerksame kind verstand sich mit dem haushofmeister durch blick und wink, dasz alles auf das trefflichste gerieth GÖTHE 20, 113 Weim. gewöhnlich durch worte: damit man nun gewisz versichert werde, ob auch ein wahrer wiederspruch unter ihnen verhanden ist, oder ob es nur ein wortstreit sey: so müssen sich beyde erst recht verstehen; versteht man einander, so musz der gegner den anfang machen den satz zu wiederlegen, welches durch gute erklärungen der Wörter leicht zu erhalten ist GOTTSCHED weitWeisheit 1, § 204f.; w a s brauchen sie der worte die tiefer denkenden männer? sie handeln! verstehen sich durch ihr handeln! KLOPSTOCK odm 2, 21, 82; w o aber zweie sich in keinem punkt verstehn, w i r d die Verständigung in leeren streit ausgehn RÜCKERT 8,188; so aber sind's die namen nur, worüber man sich versteht; in Sachen denkt man anders SCHILLER 6 , 1 4 2 ;

dasz man sich beinahe nur über die Ordnung verstehen dürfte, in welcher man die phänomene . . aufzustellen der natur gemäsz finde GÖTHE II 51, 85 Weim.; wir verstehen uns über diesen punkt so wenig, wie über viele andre KI.INGER werke 4, 103; wer über diese Vorstellung sich verstanden hat, begreift und erhöhet sein inniges Wohlgefallen an den dichtungen eines vergangenen und zukünftigen lebens HÜLSEN im Athenäum 2, 162. c) e« handelt sich um ein ständiges einverständnif, gutes einvernehmen , das auf gegetiseitiges verstehen begründet ist: MAALER 433°; schwäb. nicht populär FISCHER 2, 1860; berlin. BRENDICKE 189"; regierung und volk hatten in der Zwischenzeit gänzlich verlernt, sich zu ver-

Verständnis

C l d sp.

1605):

nur uns armen liebevollen beiden ist das wechselseit'ge glück versagt, uns zu lieben, ohn' uns zu verstehen

Wahrheit sag' ich euch, Wahrheit und immer Wahrheit, versteht sich:

GÖTHE 4, 97 Weim.

in:

dem prinzen starb eine braut in seiner jungen mutter. schon hatten sie mit wünschen sich gewiegt, in feurigen empfindungen verstanden SCHILLER 5 2 , 284 ( K a r l o s 2648);

dasz wir uns in manchen punkten unsers wesens am innigsten berührten und am besten verstanden TIECK 4, 22. m i t : lassen sie Kathrinen nichts merken, wenn ich nicht glauben soll, dasz sie sich mit ihr verstehen J. E. SCIILEGEL 2, 378; aber noch kürzere zeit brauchte sie, um sich mit ihrem liebhaber zu verstehen PFEFFEL pros. versuche 8, 165. d) eine Vereinbarung, einen vergleich treffen: sie haben sich mit einander verstanden, sich verglichen ADELUNG; ob wir uns drüber in etwas verstehen nnd vergleichen könnten LEIBNIZ 1, 376; einen feldhauptmann des reichs wollte er selbst ernennen, wenn er sich mit Albrecht von Baiern nicht verstehe RANKE l, 109. e) das einverständnis kann eine zu bestimmtem zweck und meist gegen dritte getroffene Vereinbarung sein (vgl. Verständnis 2 sp. 1606): sie verstehen einander wie ein paar pflasterjuden, wie jahrmarktsdiebe WANDER 4,1610; sich mit jemanden verstehen, gemeinschaftlich mit ihm zu einer geheimen absieht wirken ADELUNG; die von Straszburg verstundend sich mit künig Heinrichen TSCHUDI helvet. chron. 1, 128; w e r diesz von weisen lernt, sein eigner freund zu werden, mit der Versuchung nicht sich heimlich zu verstehen

HAGEDORN poet. werke 1, 28;

wenn sich die majestät zur hehlerin erniedrigt — hinter unserm rUcken mit unsern schlimmsten feinden sich versteht, w a s wird mit uns? SCHILLER Ö2, 441 ( K a r l o s 5171); zwei schelme sind's — verstehn sich schon

GÖTHE 15,17 Weim. (Faust 4951); ein Steinschneider verstand sich mit einem vignerol; dieser gab vor, den camee im Weinberge gefunden zu haben IV 8, 268. der nebensatz bezeichnet den zweck: könnten sie sich mit der wittwe verstehen, dasz sie ihnen das gegenwärtige inventarium für ein billiges überliesze R A B E N E R

3, 86.

2) der zweck tritt besonders hervor und wird durch zu mit dat. oder inf. wiedergegeben, die form des verbs ist reflexiv, sich zu etwas verstehen, sich gleichsam dazu hergeben, sich efitschlieszen, willig finden lassen etwas zu thun, zu ubernehmen: sich zu einer unangenehmen sache entschlieszen ADELUNG, wohl allgemein verbreitet, die wendung erscheint seit dem 17. jh.; sich nicht verstehen zum streit, declinaa-e certamen DENTZLER 813*; KRAMER 2, 940°; ursprünglich vielleicht von einer abmachung zwischen zwei parfeien gebraucht PAUL, aber aus den belegen nicht zu erweisen; reeiprok läszt sich auffassen: (da)

1691

VERSTEHEN

VERSTEHEN

doch ich weisz, dasz auch in mir sich ein verstehen regt, und dasz ich schwer gefehlt

nichts zu unser erkenntnisz mehr dienen, noch mehr daran hindern kann, als andere menschen, so folgt daraus, dasz man trachten müsse, sich dazu m i t ihnen bestens zu verstehen LEIBNIZ 2, 42; was ist das? hat alles hier zusammen sich verstanden, mich zu besttirzen SCHILLER 8,209 (Iphigenie in Aulie 5, 3). ich will mich zu der straffe willig mit substantivobject: verstehen, in betrachtung, einem diener übel der ungehorsam anstehet HARSDÖRFFER gesprechspiele 6, 41; dasz sich desz jüdischen Messiae leibliche mutter zum cristenthumb verstehen werde GRIMMELSHAUSEN 4, 647 Keller; er hebet bel&gerungen der schon sich zur ergebung verstehenden festungen auf LOHENSTEIN Arminius l , 997b; ob sich der schuldige selbst zu dieser genugthuung verstünde LESSING 17, 221; die gute dame, obgleich ungern, verstand sich hierzu GÖTHE 26 , 262 Weim.; nach langem hader verstand man sich zu dem . . concordat RANKE 1, 23. die bedeutung 'sich vereinigen' tritt hervor: städte, w o bürger sich zu kleinen gesellschaften verstanden, sind die Stifter der Staaten gewesen HIPPEL werke 9, 217. statt m i t steht vereinzelt g e g e n : da ich mich gegen euch zu nichts verstanden, als euch durch meine fabel . . zu — täuschen HERDER 3, 278. ebenso auszergewöhnlich i n statt z u : ich verstehe mich nicht in die drittel (theilung) WEISE comödienprobe 193. in jüngerer zeit ist auch ein infinitivsatz mit z u üblich: und mich dazu von herzen gern verstehn, ihm jährlich diesen lohn ansehnlich zu erhöhn G E L L E R T 1, 221;

auf den wünsch meines gönners verstand er sich gerne dazu, mich . . . zeichnen zu lassen MÖRIKE 3, 20; in Cöln verstanden sich die stände, dem könig hülfe zu leisten RANKE 1, 110. vereinzelt: darein der jüngling sich nicht verstehen wollte HAMMER rosetum historiarum (1654) 214. ungewöhnlich (auch mnl. VERDAM hdwb. 637b m e t enen verstaen te) ist intrans. gebrauch in diesem sinne: verstehen zu einer sach, consentire, nicht verstehen darzu, dissenüre DENTZLER 318A; er könte, bey so gestalten sachen und vertröstetem secours, zur ergebung noch nicht verstehen CHEMNITZ schwed. krieg 2, 164.

3) andere reflexive

Wendungen.

a ) e t » reflex. sich auf etwas verstehen, 'verlassen, rechnung machen, auf jemanden bekennen' findet sich nur bei ADELUNG lehrgebäude 2, 163. b) mhd. auch sich eines dinges versten, 'sich einer sache versehen, ihrer gewärtig sein', gewöhnlich mit präpos.: ob ir iuch rechter sinne an mir verstän kunnent und ob ir mir gunnent beide guotes unde Sren, so lä;et mich kSren ze unserm herren Jesu Krist HARTM. V. AUE armer Heinrich 803; da man sich mehr freuntschaft bei versten mocht dann kriegs v o n in d. städtechron. 2,128, l ; j e n e hingegen hätten sich . v o n dem landvolcke alles Vorschubs zu verstehen LOHENSTEIN Arminius 2, 728A. D. nominalformen 1) infinitiv,

des verbs.

Über die form

vgl. sp. 1662.

a) zum ersatz der subst. verstand, Verständnis, 'die fähigkeit tu verstehen', ahd.: ist ubarhepfendi angilo firstandan, super angelorum intelligentiam ISIDOR S, 4. mhd.: eigene ungclossene mütwillige menschen, die . . verloszent sich uf ir übunge und ir gfit verston und ir werk und groszen schin TAULER 188,24 Vetter; die leute sind schweren lesens und verstehens und schreibens und drnckens GRABBE 4, 415; denn alle tiefen, alle höhen durchdringt sein sehen, sein verstehen ist man arm, was hilffet schön? ist man arm, was hilfft verstehn ?

Verständnis:

SCHNITZLBR grüner kakadu 53;

sehr schwere dinge seien ihm jetzt klar, es komme ihm ein unerhört verstehen, dasz er bis jetzt ein matter stümper war HOFMANNSTHAL ged. u. kl. dramen 45. b) mehr verbal gefühlt. ECKEHART spricht sondernd von dem üzern verstän unde von dem innern verstän 39, 14 Pfeiffer, mit object. genetiv in anlehnung an B 2, bei TAULER ohne änderung der verbalen rection: der vatter an siner persönlicher eigenschaft . . durchsiht sich selber in clorem verston den wesenlichen abgrunde sins ewigen wesens, und von dem blossen verstane (var. verstonde) sin. selbs so sprach er sich alzümale us 8, 30 Vetter; vernunftbegriffe dienen zum begreifen, w i e verstandsbegriffe zum verstehen (der Wahrnehmungen) KANT 3, 244 akad. ausg.; ein verstehen der Wahrnehmungen durch verstandesbegriffe wird ein begreifen seyn HEGEL 5, 236; er sprach vieles mit mir, welches ich aber nicht verstand, da mir damals als einem jungen unerfahrnen kiek in die weit von käterchen das verstehen der menschlichen spräche noch nicht eigen E. T . A. HOFFMANN 10, 18; also wird vielleicht die philosophie der kunst das bessere empfinden oder verstehen der kunstwerke bewirken SOLGER ästhetik 8; das streben nach dem verstehen der naturerscheinungen A. v . HUMBOLDT kosmos l, 68. c) das Verständnis, gute Verhältnis zwischen zwei wesen (vgl. C l c sp. 1689): mit dem fräulein gestaltete sich das verhältnisz des gastes bald gründlich und tief in das zarte verstehen ohne worte aus IMMEHMANN 1, 93; w i e danke ich dir dasz du dich des französischen etwas annimmst, und dasz du es gethan ehe ich dich bat, ist eine neue bürgschaft unsres gegenseitigen verstehens, wenn es deren bedarf BISMARCK an braut u. gattin 34. d) einzelnes, infinitiv in passiver form: erkenntnisse oder bilder, welche in sich selber in ihrem Verstandenwerden dinge, als das in ihnen abgebildete, setzen FICHTE 4, 376. mit anderen Infinitiven zusammengesetzt: dasz sie (die methode) zum . . . verstehenmachen nicht tauge ällg. d. bibliöthek 52, 251; aber ein verstehenwollen seiner gefühle und wünsche fand er darin nicht POLENZ Grabenhäger 2, 122. 2) part.

LÖSAU 145.

präs.

a) 'verständig': creatur, creatura

eine verstehende (verstand habende) intelligente KRAM ER 2 , 940°; veraltet.

b) 'verständnisvoll', seit der zeit der romantiker: sie hätte dir die hand gedrückt, und so unendlich menschlich, flüchtig, leicht, tief, einfältig, herzlich, leis', gefühlig und verstehend mit dir geplaudert BRENTANO 8, 271; w i e würde es freilich erst um den philosöphen stehen, wenn er zu einer verstehenden . . nation sprechen könnte SOLGER Schriften S, 2; ich reichte ihm dankbar die hand, denn seine worte und energische bewegang bewiesen mir seine verstehende teilnähme KELLER 2, 268; sie aber hat die grosze gäbe des verstehenden instinktes, j a sie hat selbst das, was ich genie des herzens nennen möchte BIERBAUM Oraunzer 252; sie . . fühlte ein heiszes verstehendes mitleid mit ihr ZAHN frauen von Tanna 308. c) reflexiv zu B 2 g (sp. 1678), 'selbstverständlich': was dem papstthum . . zu hülfe kam, w a r das natürliche, sich gleichsam von selbst verstehende bündnisz, in welchem es mit den deutschen fürsten stand RANKE 1, 23. subst.: weil die personen fast nichts natürliches und sich von selbst verstehendes thun und denken LUDWIG 5, 200. negativ 'unverständlich,': (wenn der satz vom gründe) in j e n e verkehrten, sich selbst nicht verstehenden formen und fragen eingegangen wäre SCHOPENHAUER l , 52. 8) part.

ARNDT werke 6,182;

1692

prät.

a ) i n passiver Verwendung hält es sich allein lebendig: deprensa, ferstantiniu STEINMEYER-SIEVERS ahd. gloss. 2, 465,2; unvergleichlich war die Wirkung eines scharfen schlaglichtes a m oberen zinnfande eines bierkrugs, von

1693

1694

VERSTEHEN

VERSTEHEN

welchem ein seltsamer, aber verstandner reflex den knöpf des feldwebelstocks traf, welcher darüber am dritten haken hing IMMERMANN l, 21. subst.: ich habe . . mich darauf verlassen, dasz meine eigene kleine dichtergabe . . . mir zu hülfe kommen würde, das verstandene so auszudrücken, dasz der schwung und die deutlichkeit nicht zu viel verlören LESSING 8, 5; dein gott, mein hruder — und der meinige — unser, unser gott — mein unaussprechlicher versteher und verstandener LAVATER an Herder 1772 (aus Herders nachlasz 2, 26). im anschlusz an B 4 a und 2 e (sp. 168*, 1676) mit beurtheilendem adverb.: in einem durch höchst verstandene falten vermannigfaltigten einfachen kleide GÖTHE 47, 230 Weim. ; dasz sie die klöster aufgethan und tausend schlachtopfer einer falsch verstandnen andacht den pflichten der natur zurückgegeben

besoheidenheit alle sine werg, wort und gedenke durchsehe mit eime verstanden (var. verstentlicheme) gemüte TAULER 92, 8 Vetter; welche er auch nach seinem gütlichen wolgefallen in verstandenem alter durch den na türlichen tod wider zü seinen götlichen gnaden berüfTt WICKRAM 2 , 888 , 32. von verstanden b ist das subst. verstandenheit (s. d.) abgeleitet.

SCHILLER 12, 449 (M. Stuart

1176);

wenn Simonides, richtig verstanden, gerade eben das sagte, was Plinius und Valerius versichern? LESSING 11, 806; Macbeth, der graf von Cawdor lebt . . . Rosse. freilich lebt er noch, — wohl verstanden, der gewesene graf BÜRGER l, 290 (Macbeth 1, 3). das adverb. fällt weg: und lasz die lampe vorn brennen . . verstanden? FONTANE 5, 166; und wenn de satt bist, scheer dich, verstanden!? G. HAUPTMANN biberpelz 8. in Berlin: verschtanden? merken siesich dasi BRENDICKE 189*; Schwab. verstanden? bekräftigt oft eine erregte rede, einen unwirschen befehl FISCHER 2, 1358. über den elliptischen ausdruck s. GRIMM gramm. 4, 131. eigenthümlich ist verstanden sein 'selbstverständlich sein' (vgl. B 4 d sp. 1688): der pfarrer liesz ihn nicht ausreden, sondern herrschte ungeschlacht: 'bei wem ? beim VelderndoriTer nit, das ist vierstanden I' 'schon beim Velderndorffer', sagte der forster HANDEL-MAZZETTI Jesse u. Maria l, 12; 'tut mir sohin — ums lohn ist verstanden —' 'nein!' 'he? was nein?' 'ich mach nichts an dem bild!' 188. in attributiver Stellung: der ofen spuckt hitze, auch mit verstandenem object: der ofen spuckt, vgl. th. 10, 2, 209 (und öfter). b) in der mhd. und frühnhd. periode herrscht verstanden in activem sinne als 'verständig', als lebend wird es in der negierten form unverstanden noch bei SCHMEL2 LER 2, 715 für das bair. bezeugt: an üve stand ns kind. solche participien sind mit Vorliebe zu reflexiven verben gebildet worden, vgl. WILMANNS gramm. 3, § 59. verstanden,

vafer

BACH-WÜLCKER

D I E F E N B A C H nov. 5 6 8 ; M A A L E R 432 1 > .

gloss.

375B;

prädicativ:

DIEFENwer

iit

gelert ist und verstanden, der mag alleine us disem capittel wol sagen von vil klügen dingen d. städtechron. 9, 871, 16; ein trommeter soll keck und mannlich seyn, auch verstanden, geschickt und auffrichtig FRONSPERGER kriegsbuch 1, R l ' ; weliche (ich.) auszerwelen sol unter den jüngling allen sanden, der weisz, fttrsichtig und verstanden SACHS 13, 9 5 , 3 8

attributiv:

Keller-Götze.

verstanden Iüten ist predigen g&t BRANT narrenschif 72 Zarncke; Friedbert, welcher gar ein weiser verstandener mann was WICKRAM 2, 77, 30. comparativ: wer ein wenig verstandner, gelerter oder reicher ist dann der ander, wolt gern herrschen FRANCK weltbuch Iis 6 , der grad wird bestimmt: ein guot verstanden wlp minneburg 15»;, wa solcher will und eynigkeit zwischen den hauptleuten und regierern wer, wa der minder dem basz verstandnen volgte CARBACH Tit. Liv. 6or; der ein iunger püffel was und nit übrichs verstanden ARIGO decamerone 79. das gebiet wird angegeben, auf dem einer etwas versteht (vgl. B 3 sp. 1680): legisperitus, des rechten ain wyser, vel verstandner; eyn recht-verstandener, -verstender, -vorsteh DIEFENBACH

gloss.

323";

dag tete die jungelinge ze minnen verstanden KONRAD F L E C K Flore

725.

übertragen auf das gemüth und alter (vgl. verständig 2 b TIrd c sp. 1572/.): dag der mensche mit dem liehte siner

c) im 18. jh. vorübergehend mit einem verstanden sein (vgl. C l sp. 1689/.): sie sind darüber verstanden, sie sind in dieser sache einig ADELUNG, nach demselben, ist einverstanden sein nur im obd. üblich, verdrängt aber bald das einfache und weniger deutliche verstanden sein. CAMPE kennt nur dieses: sie müssen ihn natürlich unterstützen, da sie mit ihm verstanden waren STEPHANIE lustspiele 195; soll der wirth, den ich vor einen ehrlichen mann gehalten hab', mit meiner tochter auch verstanden seyn? HAFNER lustspiele 2, 70; . . . gerad' als wärest du mit meinem arzt verstanden GÖUINGK ged.

vgl. zeitsch. /. d. Wortforschung

3,117.

12, 62.

4) die scherzhaft wie drohend gebrauchte frageform verstehst du? populär verstehste? (vgl. B 2 e sp. 1677) hat sich in den verschiedensten mundarten zum subst. ausgewachsen, das im volksmunde an stelle von verstand 'fassungsgabe, Verständnis' lebt, es ist schon im 18. jh. litterarisch bezeugt: ich dürffte es wohl nicht melden, denn wer nur ein wenig ein verstehste hat, der wird die nähBten begreiffen können, die zu gevattern gebethen worden jungfer Bobinsone 10. verstehste ivird als weiblich gebraucht in Berlin: sie haben wol 'ne schwere verstehste? zu einem schwerhörigen oder schwer begreifenden

männlich KHULL

MEYER 128*;

BRENDICKE

in Steiermark

227B;

189verstehstes

als

und Tirol (versteastes) UNGER-

S C H Ö P F 706;

schwäb.

der h a t

keinen

ver-

stahst-mich, verstand FISCHER 2, 1359; in Baiern heiszt es der versteh-mich SCHMELLER2 2, 715; in Oberhessen der versteht-ihr-mich neben verstehst-du-mich CRECELIUS 878; do host-de de vestehtermich net davoh NIEBERGALL dram. werke 230; in Niederhessen nach EDW. SCHRÖDER verstehtsemich: er hat 'n guten verstehtsemich. \eistehst-du-mich ist die meistverbreitete form, selten stich lieh, meist männlich gebraucht: lothring. FOLLMANN 154B. es ist besonders in Mitteldeutschland verbreitet: Leipzig ALBRECHT 231*; Meiningen SPIESS 269; Thüringen HERTEL 234; KLEEMANN 25"; Eichsfeld HENTRICH 25; Oberhessen CRECELIUS 878; SCHÖNER Eschenrod 64; LEIHENER Cronenberg 86 b ; Frankfurt ASKENASY 39; Luxemburg GANGLER 470; lux. wb. 467 B ; Köln HÖNIG I94B.

zu den scherzhaften volkstümlichen Bildungen gehört auch die französisi rte form verstandez-vous für verstehstdu? verstanden? (vgl. B 2 e sp. 1677), gesprochen farätandewü; FISCHER 2, 1359 nennt sie als früher verbreitet, sie ist üblich im Elsasz (MARTIN-LIBNHART 2, 566B), in Preuszen

(FRISCHBIER

2 , 442B),

Berlin

(MEYER

128*),

Schlesien (JÄSCHKE fremdwb. 45), hier als barsche, unhöfliche, sonst als scherzhafte frageform, offenbar auch in Österreich bekannt: ohoool . . ohne die päsz keine heirat, verstandez-vous, voulez-vous HANDEL-MAZZETTI Jesse u. Maria l , 68. die form scheint nach voulez-vous gebildet zu sein. E.

besonderes.

l) der begriff des 'verstehens, begreifens, einsehens, geistigen beherrschens' hat sich so fest mit dem präfix verbunden, dasz auch die gaunersprache ihn durch verbildungen wiedergibt, dem verstehen steht lautlich am nächsten versteunen KLUGE rotuelsch 476. am weitesten verbreitet ist verlunschen (ebd. 19, 55, 78, 94), das in der form verlüntzen schon 1411 bei VINTLER nachzuweisen ist (ebd. 4). selbst die rection ist nachgeahmt (vgl. B 3 e sp. 1689): welch leninger (verstehe landsknecht) . . verlunscht sich recht auf das reckhedisz quelle von 1598 (ebd. 115); von 1620: ich verlunsch (verstehe) mich auch wenig drauff ebd. 140; (vgl. B 4 b sp. 1686): kanstu auch

1695

VERSTEHEN

. . schimpf verlunschen (verstehen)? ebd. 136. für verstanden (D s b sp. 1698), verstandig: wer hat dich so verlünscht (verstanden) gemacht? ebd.: es seynd grobe und verlunschte horcken (verschmitzte baurn) da 137. ferner kommen, in dem sinne von verstehen noch verämen, veraumen (437, 442), verkneisen, verkneisten (339, 413, 157), vernuppen (442), versnuwen (446) vor. vgl. german. abh. 27, 197. 8) CAMPE schreibt: oft gebraucht man im gemeinen leben verstehen, wo ein miszverstündnis eingetreten ist: ich verstand, dasz ich heut zu ihnen kommen sollte. ähnlich: die feinde verstunden (meinten fälschlich), ihr geschütz wer alles abgangen, sein daruff mit groszem geschrei die unsern angefallen d. städtechron. 27, 57, 7. II. verstehen in rein sinnlicher, nicht geistiger bedeutung ist in allen Sprachperioden neben der geistigen nachzuweisen, in weitester Verbreitung im mhd. sonst überwiegt stets die geistige, am meisten ahd., wo NOTKER der einzige Vertreter des sinnlichen gebrauchs ist. auffälligerweise verwendet er ferstän in der bedeutung 'versperren, verwehren' gesondert von ferstanden 'protegere' GRAFF sprachschatz 6, 593, 603. in der heutigen spräche ist dieses verstehen bis auf einige verschwindende reste zusammengeschrumpft, weil verstehen als ausdrucksmittel für geistige Vorgänge immer unentbehrlicher geworden ist, während es sich in der sinnlichen bedeutung leicht ersetzen liesz. vgl. dazu im ganzen GRIMM gramm. 2, 854—861; WILMANNS 2, § 125, 3; 126, 6. sehr ähnlich ist die entwicklung von versprechen (sp. 1448 ff.). A. verstehen in resultativer Verwendung ist wohl als iair-type anzusehen (vgl. germanist. abh. 27, 203 ff.). l) intransitiv: stehen bleiben, aufhören, stocken, verfallen mhd. wb. 2, 2, 586; LEXER 3, 247; mnd. SCHILLERLÜBBEN 5, 459"; mnl. VERDAM 637 B ; nhd. be-, verstan, belyben, harren, perseverare DIEFENBACH gloss. 429°. noeA im nl. lebendig als 'verfallen'. a) 'stillstehen, stocken, nicht vorwärts kommen'; selten bei personen: d.

a) zunächst schlieszt sich der ausdruck eng an das sinnliche bild an: ich habe mich verstiegen, kann nicht mehr rückwärts und vorwärts ROSEGGER II l, 873 ; Plato versteigt sich offt in diser hohen sach, das er offt sein selbs vergessende, i m selbs nicht gleich und änlich ist FRANCK chronica zeytbuch (1531) 8 B ; die speculativi syndt jemsen steyger die sich vorsteygen LUTHER 29, 672, 28 Weim.; dieses sind nur genies, nur die gattung von capricciosi, die sich auf steilen felsen und höhen auch freilich oft versteigen HERDER 4, 300; weil sie das niedrige fliehen, so versteigen sie sich über alle wölken GOTTSCHED crit. dichtkunst 830; so versteigt ihr euch doch auch in höhere regionen und betrachtet von da herab die verschiedenen pantomimen der menschengattung GÖTHE 45, 148 Weim.; zu hohen würden sieht man tausende aus freier wähl sich drängen, in vermess'nen entwürfen schwindelnd sich versteigen

SCHILLER 6,168 ( I p h i g e n i e in Avite

405) ;

so gar hast dich im obern gmach deiner vernunfft verstigen gach FISCHART gegenbadetübldn 370 Kurz;

du siehst nicht, . . dasz du die gränzen der Vernunft überspringest, da du dich in die intellektuelle weit versteigst? KLINGER werke 5, 385; der verstand versteigt sich m i t seinen begriffen über die grenzen seines gebrauchs KANT 3, 235 Martenstein. b) man versteigt sich in ausdrücken, wenn man schwülstige, übertriebene ausdrücke gebraucht ADELUNG; einen Phantasten . ., der sich überstudiret, und in der poeterey gewaltig verstiegen Simpl. 208 Kögel; (dasz) niemand sich in seinen hohen gedanken versteigen möge A. U. v . B R A U N S C H W E I G Octavia

3, 959;

drum will ich deinen rühm viel lieber hier verschweigen und mich mit Worten nicht, wie Phaeton, versteigen ged. v. HOFFMANNSWALDAU u. and. 2, 886 Neukirch

;

1709

dichterI wohin versteigest du dich? GÖTHE 1, 212 W H m . ;

doch ich versteige mich and verdiene darum billig aasgelacht za werden, als ein sohaster, der über seinen leisten will GOTTHELF l, 168; hatte doch ein . . mitglied . . za dem doktrinären aassprach sich verstiegen BENNIGSEN nat.-lib. partei 18. in älterer spräche bedeutet es gradezu 'lügen, schwindeln': wer viel redet and selten schweyget, derselb sich liederlich versteiget, hie in des lügenpergea wendten SACHS 6, 825,17

1710

VERSTEIGERN

VERSTEIGEN

KeUer;

bista so zornig denn dasz ich mich so verstiegen

OPITZ teuttche poem. 40, 18 neudr.;

was Canitz grosz gemacht und Bessern hat erhaben, w a r nicht der blosze reim, doch wohl ein zag von oben: der wSrter klage wähl and ein beglückter trieb, so nimmer sich verstieg and bey aer Wahrheit blieb HAGEDORN ged. 69 neudr.

c) 'sich vermessen in gedanken und thaten': man v e r steigt sich im nachdenken, wenn man sich an unerforschliche dinge wagt; in Unternehmungen, wenn man etwas unternimmt, was über seine kräfte ist ADELUNO; denn gemeiniglich diejenige, die etwas neues anfangen and sich darinnen zuviel versteigen, in schimpf! und gpott und in euszerste noth kommen und gerahten SCHUPP Schriften 650; in seinem leben finde er nichts zu entschuldigen, und . . wäre nicht zu besorgen, dasz er im widrigen den reichs-stab würde lassen aus der hand fallen, im guten aber sich versteigen LOHENSTEIN Arminias 1, 1 8 8 s o wird er bald sehen, wie weit er sich mit andern ausgaben versteigen darf CHR. WOLFF von der menschen thun und lassen 352; wie 'viel zeit damit nicht gewonnen? in wie viel kühnbeiten und Vielbeschäftigungen mich niclit verstiegen? HERDER 4, M7; auszerdem hatte sie von frühester jugend an schon eine masse verwirrender moderner Schriften gelesen und sich dadurch in ein verkehrtes, phantastisches wesen verstiegen HOLTEI erz, Schriften 4, 817. übertragen auf unpersönliches subject: kein träum, der hente früh glock achte noch zn solchem glflcke sich versteigen durfte KLEIST 1, Sil (krug 290);

so weit, dachte ich, hat sioh wohl diese kleine schüchterne hand, deren unsohuld ich so genau kannte, noch nicht verstiegen THÜMMEL reise in die mittägl. provinzen 4, 70; ein tropfen weckt die lust nach einem glase, ein glas die sehnsucht nach einer flasche, und eine flasche die wuth nach mehreren, ja, bei wahrhaft groszen gemüthern kann sich der gedanke bis zu einem fasz versteigen BEER 438 (Struensee 4, L); das vierte gebot . . versteigt sich . . nirgends zu dem zusatzparagraphen: du sollst onkel und tante ehren FONTANE 5, 89. 8) ohne den begriff der vermessenheit 'sich verrennen in etwas': sich greulich in etwas versteigen KRAM ER 2 , 948°; ich hatte mich wie ein nachtwandler unter meine gedanken verstiegen JEAN PAUL 8, 180; etliche eitern versteigen sich inn geitz, zusamt dem kinderhasz, so weit, das sie . . irn sönen ganz ungescheut nichtswürdige leut zu zuchtmeysteren bestellen FISCHART ehzuchtbücMin 286 Bauffen; dieser untreüe neüsichtige Teutsche hat sich in seinen kleidem und gebärdungen also verstiegen, dasz er es uns wälschen teufflen in dem a la mode weit bevor gethan MOSCHEROSCH Philander l, 498; versteigst du dioh schon wieder in die politik BODE Thomas Jones 8, 41. 4) ohne die Vorstellung der vermessenheit und verimmg, 'sieh auf ein gebiet wagen und darin umthun und hervorthun': a ddctrina partim instruetus, an der kirnst, was die konst anlanget, beläafft es sich nicht hoch mit ihm, hat er sich nicht grosz verstiegen CORVINUS fons latinitatis 2; er hat sich in den studiis nicht allzu hoch verstiegen KRAUER 8, 948°; auch verstieg er sich inn derselbigen plätterkunst. . also hoch, dasz er beides inn der theorie und practic, in ertürung und erspreohung derselben vortreflich ward beriimt FISCHART Q'arg. 276 neudr.; hier legte sich Gelanor dazwischen, und sagte, sie solten sich in der lateinischen Weisheit

nicht za tief versteigen WEISE erznarren 146 neudr.; kaum dasz ich mir mehr zutraue, etwas besseres bearbeiten zu können, als solchen bettel. wenn ich mioh weit versteige, so sammle ich zu unserm wörterbuche L E S S I N G 17, 346. 6) im preusz.

besonderen

wb.

sinne

2, 442"; allgemein

'sich

betrinken'

FRISCHBIER

'sich vergaUopieren'

KLUGE

Studentensprache 1S3*. C. das part. verstiegen 'überspannt begegnet schon in der literatur des 17. jhs., wird aber noch bei ADELUNG und CAMPE nicht erwähnt; ein verstiegener mensch, mit überspannten ansichten und wünschen HEYNE «ob.; in der bedeutung geht es von B 2—8 aus; es werde denn sache, dasz die gar verstiegene weit den himmel selbst . . zwingen wolte SCHOTTEL friedens sieg 69 neudr.; es sey ein band nöthig, die durch die Vernunft verstiegenen und verflogenen geister der menschen wieder zu fesseln KLINGER werke 12, 258; sonnet auf einen verstiegenen poeten DROLLINGER ged. 127; leute, denen Neukirch, Scheyb, Schönaich heldendichter und nebenbuhler des Homers und Virgils sind, werden den Noah beschuldigen, er sey verstiegen WIELAND 3, 820 akad. ausg.; wie sehr ich mich über den verstiegenen witz des Verfassers aufhalte BODMER im Qöthe-jahrbuch 6, 185; vielleicht erschüttert dieses seines stolzes verstiegne Weisheit KLOPSTOCK werke 9, 38 (Salomo 2,1).

auch als adj. gesteigert: dieses verfahren . . ist . . oft geübt worden, in der verstiegensten weise j a von Clauren in seinen verschiedenen werken zeitschr. f. d. Wortforschung 10, 130. substantivisch: die ekelhafte rafinirang im ausdruck der empfindungen und so viel gezwungenes und verstiegenes in dem ausdruck der rede, haben einige dichter aufgebracht SULZER schöne künste 2,18. dazu ist das subst. verstiegenheit gebildet (s. d.), Über ein Irans, versteigen vgl. versteigern I. VERSTEIGERER, m., zu versteigern («. d.), auctionatoT: öffentlich angestellter Versteigerer bürgert, gesetzbuch § 898 abs. 2; auf dem anger waren sohon viele lente beisammen und ergötzten sich an den drolligen ausrufen des Versteigerers ROSEGGER nixnutzig volk 258. CAMPE versteht unter Versteigerer neben einem, 'der etwas versteigert', auch einen, 'der etwas versteigern läszt'. für den zweiten fall hat man die Bezeichnung v e r s t e i g t a s s e r geprägt: man kann im allgemeinen sagen, dasz die ausnahmslos von den versteiglassern selbst gezogenen, garantiert naturreinen weine des herbstes von 1908 ein elegantes, schönes, blumiges und dabei auch gesundes Wachstum vorstellen schlesische Zeitung vom 24. märe 1910 (nr. 208). VERSTEIGERN, verb, durch steigern des preises veräuszern, d. i. an die meistbietenden verkaufen ADELUNG, in der gant verkaufen HEYNE wb. es hat das alte verganten abgelöst, zu dem dann wohl unter dem einflusz von versteigern ein neues vergantern geschaffen ist (sp. 876). es ist zusammengesetzt mit der intensivbüdung zu mhd. steigen, die ihrerseits eine causativbildung zu stlgen darstellt. mhd. ersteigen, gesteigen sind in den entsprechenden bedeutungen 'ersteigern, steigern' belegt LEXER 1, 676; 928. das dazu gehörige versteigen kennen ADELUNG und CAMPE als obd., noch heute mundartlieh ober- und mitteldeutsch: bair. verstaigen neben verstaigern SCHMELLER 2, 741; elsäss. versteige» neben versteigeren MARTIN-LIENHART 2, 67911; lothring. versteien FOLLMANN 154B; luxemb. veritSen wb. 467 B . daneben die form versteigern: tirol. versteigern SCHÖPF 697; schwäb. versteigeren FISCHER 2,1860; Eichsfeld frltaiar» HENTRICH 102. erst ende des 18. jhs. wird es in die Schriftsprache eingeführt: 'ein obd. wort, welches für das verauctionieren auch im hochdeutschen eingeführt zu werden verdiente' ADELUNG; ein haus, ein gut, hansgeräth, böcher versteigern ebd.; gewisse scheffelsaat . . unter die gläubiger meistbietend versteigert MÖSER 8,

1711

VERSTEIGLASSER -VERSTEIGUNG

VERSTEIGERUNG

372; heute wird in Johannisberg der wein wirklich versteigert, und hernach trifft die reihe den stall F O R S T E R 8, 264; da wird versteigert, liquidirt, verordnet und republizirt J. G. JACOBI 7, 180; selb'gcn tags ward ausgebälgt A t t a Troll und ward versteigert seine haut

HEINE 2, 417;

1712

gezeigt FREYTAG 4, 469; zur Versteigerung des nachlasses des pfarrers wurde der fünfte tag nach eröffnung des testamentes bestimmt STIFTER 5 188. 8) eine Versteigerung veranstalten CAMPE; in Köln ist eine grosze Versteigerung von gemalten fensterscheiben GÖTHE IV 38, 224 Weirn.; die Versteigerung fand an ort und stelle statt KELLER 4, 84; sie hatten ihre gemeindewälder weidlich ausgehauen und schrieben nun das holz nach Vorschrift zur Versteigerung aus RIEHL deutsche arbeit 271.

aus dem fürstlichen schlösse, das eben versteigert wurde A R N I M 7, 78, die stimme von vorhin . . versteigerte die kirchenthüren L U D W I G 2, 687; als aber fremde steigerer kamen, trieben sie dieselben . . aus dem wald, . . und versteigerten dann unter einander ihr eigenes holz zu spottpreisen R I E H L deutsche arbeit 271; ist die geschuldete bewegliche sache zur hinterlegung nicht geeignet, so kann der Schuldner sie . . versteigern bürgert, ge-

4) heute geläufig in der rechtssprache: bei einer Versteigerung kommt der vertrag erst durch den Zuschlag zu stände bürgerl. gesetzbuch § 156. vgl. BERNHARDI hdwb. zum bürgerl. gesetzbuch 343'; STENGEL verwaltungsrecht 2, 861; STENGLEIN strafrecht 1, 623; 2, 1515.

setzbuch § 888. versteigern ist im öffentlichen leben gang und gäbe geworden, wahrend verganten auf Oberdeutschland beschränkt bleibt; während in Süddeutschland et-

aber nun hatte der haarkräusler und Versteigerungsausrufer Lenette gänzlich verderbt J E A N P A U L 11, 179.

was im abstreich versteigert wird, hat man am Rheine und im norden den soumissionsweg; während man in Süddeutschland vergantet wird, kommt man in Norddeutschland in concurs A U E R B A C H schrift und volk 220. freier gebraucht: war es unglücklicher oder gewählter zufall, dasz er seine heiligengeschichte bei brennendem lichte versteigerte, wie in manchen städten m i t waaren geschieht, die mit auslöschendem zugeschlagen werden J E A N . P A U L 27, 36 {vgl. dazu J. G R I M M rechtsalterthümer 2, 158); dürft' ich dir nur die versteigerte hand küssen, wie deine hofdamen jetzt t h u n , um m i t meinen thränen die nähe eines gerührten herzens auf die verkaufte hand zu schreiben 7, 146. subst. inf. C A M P E ; ein wildes schmachvolles verschleudern und versteigern aller rechte des thrones führte aber allmählich zur O h n m a c h t der könige R A U M E R Hohenstaufen 5, 66. von personen: (die s-itte) bestand darin, dasz am Vorabend des 1. mai . . unter die versammelten bursche eines ortes die jungfrauen desselben versteigert wurden B Ö H M E ge-

schichte des tanzes 153.

2) ein ganz anders gebildetes fersteigern, ferst8gern liegt im ostfries. vor, von dem subst. steiger 'baugerüst' abgeleitet: 'das baugerüst versetzen oder verlegen, es weiter und höher legen'; reßex. 'sich durch steigern (bäumen) verletzen'

D O O R N K A A T 1, 4 6 7 B .

V E R S T E I G E R U N G , f.. subst. zu versteigern 1, findet sich bei STIELER 2137 mit tadelndem nebensinne: ersteigerung, Versteigerung, lieitatio improba, aestimcctio iniqua et immoderata. verkauf an den meistbietenden, Versteigerung, gant . . kommt schon im 15. jh. vor . . der Zuschlag erfolgte z. b. in dem augenblick, wo ein angezündetes licht erlosch oder das ins licht gesteckte geldstück beim herunterbrennen zu boden fiel (HALTAUS 585, O B E R L I N 470) J . G R I M M rechtsalterthümer * 2 , 158; d i e V e r s t e i g e r u n g , v e r s t e i g u n g , auction ADET.UNG. CAMPE

unterscheidet: die handlung, da man etwas versteigert, ohne mehrzahl, und den öffentlichen verkauf von allerlei dingen an den meistbietenden. auch mundartlich obd.: elsäss.

MARTIN-LIENHART

2, 5 7 9 B ;

schwäb.

F I S C H E R 2,

1860; luxemb. versttngerong, obwohl das verb. verstien lautet wb. 467". vgl. auch SCHIRMER kaufmannsprache 204.

1) auch ist sie (die vertauschung von büehern) weit vortheilhafter, als die sonst gewöhnliche Versteigerung, indem die bibliothek doch ein buch für ein buch bekömmt LESSING 18, S48; wenn, anstatt bei einer öffentlichen Versteigerung bar geld in's gericht zu bezahlen, jeder käufer nur zu bescheinigen brauchte MOSER 2, 827; meublen auf Versteigerungen tritt man sich wohl aus höflichkeit ab, weiber nicht IFFLAND 10, 32; bis auch . . der urgroszvater (d. i. sein bild.) endlich auf der Versteigerung in die hände des gastwirths fällt GAUDY 10, 19.

2) mit obj. genetiv: in einer stadt, wo man mit Ungeduld auf den glockenzug zur Versteigerung der pfaffengüter lauerte JOH. V. MÜLLER 10, 230; ein termin zur Versteigerung der herrschaft wegen concurses war an-



Versteigerungsausrufer,

m.,

auctionator:

— V e r s t e i g e r u n g s b e d i n g u n g , f.: mit der verwerthung des holzes befaszte sich die forstbehörde nicht, doch unterlagen die Versteigerungsbedingungen . . der prüfung des försters BERI«HARDI waldeigenthum 3,118. — V e r s t e i g e r u n g s b u c h , m . , - c a t a l o g . m . , - h e f t , -pro10 c 011, n.; ein buch, welches das Verzeichnis der zu versteigernden sacfien enthält (auctionscatalogus), auch das versteigerungsheft, wenn es nur zusammengeheftete blätter oder bogen sind CAMPE; versteigerungsheft verdeutschungswb. 666; auf den versteigerungscatalog des prinz e n v o n Canino . . i s t v e r w i e s e n

ED. GERHARD

akad.

abhandlungen 2, 308; in vorliegendem falle hat der angeklagte in dem von ihm . . aufzunehmenden Versteigerungsprotokolle . . vorsätzlich falsche angaben über die person der käufer einzelner versteigerter gegenstände gemacht STENGLEIN strafrecht 1, 434. — v e r s t e i g e r u n g s e r i ö s , m., aus der Versteigerung gelöste geldsumme: der finder ist berechtigt . . , die sache oder den versteigerung6erlös (dafür) an die Polizeibehörde abzuliefern bürgerl. gesetzbuch § 967. — v e r s t e i g e r u n g s o r t , - p l a t z , - s a a l , m., - s t u b e , - t a f e l , f., wo die Versteigerung stattfindet: die Versteigerung hat durch einen für den versteigerungsort bestellten gerichtsvollzieher . . zu erfolgen bürgerl. gesetzbuch § 883 abs. 2; frachtwagen waren nöthig, um diesen abhub (alte akten) von den tafeln des justizpalastes an den versteigerungsplatz zu schaffen RIEHL Eisete und Beisele 39; eitern, die aus ihrem Versteigerungssaal voll töchter, aus ihrem liebes-inokulationshospital eine oder die andere abstehen wollen JEAN PAUL 7,485; Versteigerungsstube . . (auctionsstube) CAMPE; er stellte sich zunächst an den hektischen hausherrn hinter die Versteigerungstafel JEAN PAUL 11, 187. — V e r s t e i g e r u n g s s a c h e n , f., gegenstände, welche in einer Versteigerung versteigert werden (auctionssachen) CAMPE. — v e r s t e i g e r u n g s s c h a u s p i e l , n., der viele schaulustige anlockende Vorgang der Versteigerung: morgen früh um 10 uhr wird das versteigerungsschauspiel gegeben CAROLINE briefe 2, 812. — v e r s t e i g e r u n g s t a g , - t e r m i n , m. 1) der zur Versteigerung anberaumte Zeitpunkt, 2) die bis zur Versteigerung gesetzte frist: es würde z. b. ein schlusz aus der natur des Versteigerungstermins . . . auf den einflusz der nichtwahrung der . . zeit der bekanntmachung des Versteigerungstages nicht . . begründet sein STENGLEIN strafrecht 1 , 6 9 ; der Versteigerungstermin von Wulkore rückte heran HOLTEI erz. Schriften 27, 18. — v e r s t e i g e r u n g s w e i s e , adv., auf dem wege der Versteigerung : blut weinen möchte ich, wenn ich . . an arme, verwaisete kinder denke, welche . . durch die gemeinden versteigerungsweise in Verpflegung an die wenigstbietenden gegeben worden sind ZSCHOKKE 14, 270. VERSTEIGLASSER,

m„

s. V e r s t e i g e r e r .

V E R S T E I G U N G , f . 1) zu versteigen B 2—8: temeritas, impetus incautus, praedpitatio, praeeipitantia STIELER 2136; smarrimento, forviamento tale KRAMER 2, 948°; die bestia . . soll sich nicht gelüsten lassen den berg anzurühren, das ist, den höhern verstand der schrifft zu forschen und zu gründen, sondern zum fürwitz und

1713

1714

VERSTEINEN

VERSTEINEN

versteigung in allerhand erdichten DANNHAWER catechismusmilch (1657) 1,47; habe ich aber hierwider gesündigt, 60 ist es . . nicht eine versteigung meiner ehrsucht LOHEN STEIN Arminius 2, 1396». 2) zu versteigen im sinne von versteigern 1, so lothring. als versteigung lieben Versteigerung bezeugt FOLLMANN I54 b ; der stand vorhin da, wie einer, der in einer versteigung gern mit biethen möcht', und doch kein geld in der tasche hat

tempel d. städtechron. 8, 274, 17; die juden wollen in verstainen KEISERSBERG schiff der penitentz 85; die propheten haben ir bestes geBücht, sie (die weit) hats hit leiden können, sie versteint FRANCK sprilchw. (1541) 1, 142»; dem sSItent allü werdü wip Einen tugendenlosen lip verfl&chen und verstainen RUDOLF V. EMS Wilhelm v. Orlens 4709;

MALER M Ü L L E R .2, 61.

VERSTEINEN, verb., berührt sich in der bedeutung mit versteinern, versteinigen. CAMPE führt einen autor an, der folgenden sonderungsvorschlag macht: 'es wäre zu wünschen, dasz man von der gänzlichen Verwandlung in stein versteinen, von der bloszen Überwindung durch stein versteinern gebrauchen möchte, wie einige angefangen haben', die heutige spräche verwendet versteinern für diese beiden wie auch die übertragenen bedeutungen; versteinen ist auf den technischen gebrauch beschränkt ('mit steinen versehen'), versteinigen kennt das 18. jh. in diesem sinne; als 'steinigen' ist es in der literatur des ls.jhs. nicht mehr nachzuweisen. I. vereinzelte, nicht mehr recht geläufige

gebrauchsarten.

A. versteinen in instrumentaler anschauung hält die technische spräche fest, schon seit mhd. zeit LEX ER 3, 249; publicos lapides ad dividenda territoria ponere

da im sein Weinberg nit wolt geben Nabot, da liesz er in verstein, nam den Weinberg tyrannisch ein SACHS 1, 825, 31

seltener tritt sächliches an stelle des persönlichen 'mit dem steinigungstode bestrafen, vertilgen':

dieweil und du uns hast geplagt, so pla^ dich gott auch wider hart, .leut, viech und gut verstevnet ward, darnach mit feuer alls verbrennt so wurd der bann vom volck gewendt SACHS 15,178, 25 Keller-Oötze.

allgemein 'verwerfen, verdammen': yetzt tragen wir ein mitleiden mit dem, das wir nacher mit füssen tretten u n d v e r s t e y n e n F R A N C K sprüehw.

lasz seyn, dasz die natur der erde ranfft versteinet, allein dein pflüg geht durch, und deine saat errinnt (später gebessert in: z w a r die natur bedeckt dein hartes land mit steinen) HALLER ged. 301 Hirtel (451);

grund ausstainen, verstainen SCHNELLER 2, 764; schwäb. Eichsfeld:

frstaina,

abgrenzen

HENT-

RICH 80; eine gehörig bestellte grenze heiszt: versteinet und vermalet J. GRIMM rechtsalterthümer 2, 72; insonderheit aber hat man der marck- oder mahl-steine zwölferley gattungen, als . . lochsteine, die in denen bergwercken die fund- und ertz-gruben mit ihren maaszen und wehr-zielen unterscheiden, und sonst auch schnur-steine genennet werden, weil man die gruben und gänge mit angeschlagenen schnüren marckscheidet und versteinet CHOMEL lex. 6, 530; verlochsteinen, auch versteinen, ein grubenfeld:

nach

Vermessung

eines

g a s s e n a u s z g e t h e i l t , v e r s t a i n t schwäb.

rjm-Ue bei F I S C H E R

2, 1360; die Munthat . . gerings umb die statt so weit sie reicht . . auszgemarckt und versteifet MÜNSTER cosmographey 568; sorgfältig versteint waren die äcker oder durch lebende hecken umschlossen FREYTAG 17 , 304; alle dörfer sind mit rüstiger jugend gefüllt, sie fordert baugrund für neue höfe, ackerland, wiese und waldweide, wer soll es hergeben, alles ist aufget e i l t und versteint 8, 95; die Zusammengehörigkeit des hofes sollte dadurch gewahrt werden, dass der hof i m ganzen versteint blieb, seine teile dagegen nur mit hölzernen stützen geschieden wurden KNAPP beitrage 204. auch, auf nd. boden: mnd. dy (hofe) schal men vorsteynen unde vormalen quelle v. 1431 bei SCHILLER-LÜBBEN S, 461 b ; pomm. verstenen, mit steinen bemerken, als grenzen, breite der wege DÄHNERT 527b. vgl. verlochsteinen, vermalen, vermarken, versäulen sp. 819, 841, 844, 1044. B. bis ins 16. jh. hält sich die bedeutung 'steinigen', dann durch steinigen ersetzt, so findet sieh bei LUTHER 10 50, 8 Weim. eine briefstelle Hartmut von Cronbergs: Jherusalem . ., du versteynest die, welliche tzu dir seynd gesandt gebessert in du steinigest; mhd. wb. 2 , 2 , 648 B ; L E X E R 8, 249/.; lapidare,

v e r s t e y n e n DIEFENBACH

gloss.

818"; 432»; 'mit steinen tot werfen, eine nur im obd. übliche bedeutung, wofür im hochd. steinigen üblich ist ADELUNG. auch mnd.: ein di nam ein siden kleit, darumme versteineden se om hannov. quelle bei SCHILLER-LÜBBEN 5, 4 6 1 m h d . : dft man den söt, den briet, den schant alse ein rint, den versteinte mit steinen BEKTHOLD v. REGENSBURG 171, 84; dirre (könig) det den propheten Zachariam versteinen zwischent dem altar und dem XII.

schwäb. ein versteinter platz, versteinter weg (17. jh.) FISCHER 2, 1360. üblicher ist in diesem sinne die intrans. function (vgl. vergrasen, verschlammen, 'sich mit gras, schlämm überziehen'); aller pfad vereinet, w a s dirre w a l t so wilde, verhültzet und versteinet w a s er über al, des lac da grog unbilde jung. Titurel 284; weh' euch dasz dasz

gru-

benfeldes die grenzen desselben auf der Oberfläche durch lochsteine bezeichnen VEITH bergwb. 530; denselben weg der Steinlinger seliger liesz wider vennarcken, verstein und verrein TÜCHER baumeisterbuch 91, 30; Mömpelgart, die neue statt . . darzu ich den abrisz gemacht, die

(1545) 1, 96».

C. selten ist versteinen 'mit steinen bedecken': obstipare, versteynen (Köln 1507) DIEFENBACH gloss. 390 B ; sonst obd.:

S T I E L E R 2141; d i e f e l d e r , ä c k e r v e r s t e i n e n K R A M E R 2, 9 5 l c ; F R I S C H 2 , 330*; A D E L U N G , C A M P E ; bair. einen F I S C H E R 2, 1860;

Keller.

objects;

euch, ihr duft'gen gärten im holden maienlicht I zeig* ich dieses toten entstelltes angesicht, ihr darob verdorret, dasz jeder quell versiegt, ihr in ktlnft'gen tagen versteint, verödet liegt UHLAND ged. 1, 308.

II. die entwicklung von versteinen als einfache denominativbildung des sinnes 'zu stein machen, werden; in stein verwandeln, verwandelt werden' ist insofern überraschend, als die abstracteste bedeutung zuerst (mhd., mnd., mnl.) nachzuweisen ist. trans., intrans., reflex. function scheinen sich aus dem geläufigen gebrauch des part. prät. heraus entwickelt zu haben, über das deutsche gebiet hinaus verbreitet: nl. versteenen, lapidescere, in lapidem converti, in lapideam duritiem converti; convertere K I L I A N (1599) 604 B ; trans. und intrans. SICHERERA K V E L D 1191»; dem nl. entlehnt fries. f o r s t i e n j e DIJKS T R A L, 420 B ; schwed. f ö r s t e n a H E L M S 148 B , dem deut-

schen

entlehnt.

A. am häufigsten

begegnet man dem part.

prät.

l) sinnlich: 'mit steinharter Schicht überzogen, in stein verwandelt'; versteinte körper, pflanzen, schalthiere (petrefacta)

CAMPE; wie hart ist die versteinte rinde 1 GOTTSCHED ged. (1750) 89; und w a n n ich, stehend auf versteinten pfählen, den blick hinaus ins dunkle meer verliere PLATKN 1 , 1 6 6 ; des alten meeres muscheln im stein sucht* ich die versteinten GSTHE 6, 59 Weim. ;

j a hie und da scheint es mehr als einmal, hier schneller, dort langsamer geschehen zu seyn, wie fast allenthalben und in so groszer höhe und tiefe die versteinten thiere und gewächse zeigen HERDER 13, 21; der schreitende Apollo Homers steht in der bekannten bildsäule versteint da, der köcher erklingt nicht auf seinen schultern 22, 175. im Drauihale erzählt man von einer verstauten älbin, wo der hälter, die söndin und eine kv.h verstänt zu sehen sind LEXER kämt. wb. 240. scherzhaft gebildet:

108

1715

da vereteinte herrlichkeit

1716

VERSTEINEN

VERSTEINEN (etetntrümmer

T o r s t e n e n L Ü B B E N - W A L T H E R 626"; mnl. DAM 638».

auf dem baeh),

o wie tanzest da so schwer mit der tollen Trühlingszeit

KELLER 9,

verstenen VER-

1) die sinnliche Verwendung ist erst in jüngerer spräche

i) bildlich, 'starr wie stein':

zu belegen: 'durch und durch zu stein werden' CAMPE;

so ruhig, fremd warst dn mir nie erschienen, es war, als sagten die versteinten mienen, was da verschwiegst: wir seh'n ans niemals wieder! EICKENDORF? 1,508; (sie) ligt in diesem leichen-schrein, ligt in dieser kraft versteinet A . U . v . BRAUNSCHWEIG Odavia 2,1013.

die masse, worin sie versteint waren, ist sehr sonderbar, röthlich und äuszerst hart MERCK briefe L, 356.

hier ist allein die form des part. prät. üblich, nl. zommige wateren doen't hout versteenen . . etliche waaser machen das holz zu stein werden KRAMER nider-hochteutsch.

dict.

456B.

unter dem einßusz einer heftigen gemüihsbewerjung unbe2) 'unbeweglich und fühllos wie stein werden' CAMPE ; iceglich und filhllos wie stein: die schweigende versteinte versteinen für erstaunen FRISCH 2, 330*; den medusenNiobe des Aeschylas WELCKER alte denkmäler 1, 890 kopf beseitigt er, damit niemand, ihn erblickend, veranm. 16; steine GÖTHE 19, 101 Weim.; das denkmal nur, ein denkmal will ich stiften, von rauhen steinen ordnungslos getürmt . . . o laszt mich dort, versteint, am steine ruhnl GÖTHE 10, 320 Weim. (natürl. tochter 1681); der unbesonnen' anfang müsz auf ein so kläglich end aas gehn, ob den versteinten völckem auch die nassen haar za berge stehn I GRYPHIUS (1698) 1, 899; ob aller reize treflichkeit stand sie versteinet ganz {später geändert in versteinert 111) HERDER 25,17; sie stutzt, erröthet, will entfliehn, and bleibt, indem sich schon die schönen knöchel heben, wie in der flucht versteint, halb überm boden sehweben

WIELAND 7, 23 akad. ausg. (Idrit 1, 23);

nun fünfzig jähre auf dem Römerthron I zwar anfangs noch im kämpf mit trotz und höhn, doch immer siegreich, endlich ohne feind, die ganze menschheit stumm und wie versteint, nur odem übrig für ein einzig wort: hoch Diocletian! und ewig fort! HEBBEL 6,130;

sie taumelt aas der luft herab und stürzet sich in eine finstre gruft, am ungestört ihr dasein wegzuweinen and unter felsen selbst, w o möglich za versteinen WIELAND Qberon 8, 61; diesz lasz mit ewig unverwandtem blick mich anschaun. unter gräbern lasz mieb leben, und unter leichen-maalen selbst versteinen

SCHILLER Demetrius (»ehr. d. Oöihe-geseUsch. 9, 78).

ein präpos. auadruck tritt

hinzu:

ihr aug' ist starr; sie kann nicht weinen, sie wird zur Niobe versteinen KIND ged. 1, 20; meines königs loos, versteht' ich am verhaltenen herzensgram! DROYSEN Aschylos 115

8) mhd. nur im abstracten sinne 'hart wie ein stein werden, erstarren, verstoeken': in versteinten diu herzen und geswullen von den smerzen STRICKER Karl

bei dem gedanken der moglichkeit des friedens waren

7219 vor.

alle wie versteint und verdonnert ARNDT an s. I. Deut-

mit präpos. zusatz: die alsö eraltent unde versteinent

schen L, 339.

in d e n sünden B E R T H O L D Y . REGENSBURG 205, 2.

3) 'innerlich abgestorben, verknöchert': das altern eines menschen, . . der versteint seine zeit überlebt und eine neue generation um sich sieht WILHELM V. SCHOLZ ge-

danken zum Aroma 97.

in der älteren periode nur

abstractem sinne, 'verhärtef, LÜBBEN

5,

161 B ;

mhd.

verstockt':

in

mnd. SCHILLER-

wb. 8, 2, 618/.; L E X E R 3, 219;

induratus, versteent (Köln 1507) DIEFENBACH gloss. 296B; obstinax, versteynt vel wydderstrebech 89011; verhärtet, verstockt

F R I S C H 2, 330»; ehemals

. . e i n v e r s t e i n t e r Sün-

der, wofür Klopstoclc ein versteinerter gebrauchte CAMPE ;

hie musz sin gar voisteinet der hude nicht en weinet AUfeider pau. 5978 Brein; nü wären in ir bOsheit di Prügln kegn der cristinheit vil gar vorsteint und vorhart N i e . v . JEROSCHIN preusz. chron. 11639;

er ist als gar vertiertet unde versteinet als der tiuvel i n d e r k e t z e r t e B E R T H O L D V. REGENSBURG 213, 7; d u r c h

irreligiöse doktrinen, verkehrter und in todter antiker hoffart versteinter Iehrer BRENTANO 4, 397; ich bin kein

so versteinter freund des urkundlichen in unwesentlichen dingen J. GRIMM an Meusebach 96. besonders von

herz und sinn: (sie) bewekeden dat vorst6nde herte des chron.

235*;

uns Süllen pilleich die wundertzaichen unser verstaintte hertz erwayehen

Tirol, pat». 155 Wackernett;

fast sind die quellen meiner äugen trocken, mein herz versteint, mein sinn zerstückt, verwirrt TIECK 3,120; mag denn ein menschengeist so gar verteufelt seyn? so grausam? so versteint? GRYPHIUS ged. 239, 11 Palm.,mein gott, behüt' uns doch vor so verstocktem wesen, nnd einer brüst, die so versteint, so hart

BROCKES irdisches vergnügen 2, 2.

als adj. gesteigert: und so dise (menschen) me dar gent und me bettent und gütter werk tünt, es si was das gi, so si ie herter versteinter werdent und blinder nnd grober TAULER 282, 12 Vetter.

B. tntrans. gebrauch kennt das mhd. durchaus: vers t e i n e n mhd. wb. 2,2,618 ^; L E X E R 3,219; mnd.

mägdlein, hast da keinen Spiegel, der dich in sich selber scheinet, deine äugen sind zwei Siegel, denen ganz dein heil versteinet

2,1&>.

C. subst. infinitiv zu B 2: dagegen kommt das verbot sich nicht umzusehen ohne noth bei Straparola vor, da die strafe des versteinens nicht darauf steht G R I M M hausmärchen

2, anh.

xvm;

wie, oder löst vielleicht ein fremder hauch den starren Zauber des versteinens auf?

FOUQUE held des norden» 2,40.

umb Jhesum Cristum unsern Christ

m o r d e r s K O R N E R lüb.

gebildet von BRENTANO:

1) völlig frei

vorsteinen,

D. der reflex. gebrauch erscheint neben dem intrans. als gleichbedeutend,

er ist erst für

WIELAND ZU belegen,

während das an sieh jüngere versteinern D schon bei L O H E N S T E I N nachgewiesen

ist.

gebucht

erst bei HEYNE wb.

1) sinnlich, 'sieh in stein verwandeln, mit einer steinkruste überziehen': in deren labyrinth, den nie ein strahl durchscheint, manch weich-beschaltes ey zur perle sich versteint WIELAND 1, 80 akad. ausg. ; da strömtest keine von den thränen aus, die sich im meer versteint zum perlenstrausz HEBBEL 6,132; ich war der engel, der zu irren meinte und in der kluft die strahlen schosz, von denen sich einer, edelstein, in dir versteinte RÜCKERT 3, 159. (mutdLÜn)

2) bildlich, 'zu stein erstarren': wie sie ans herz ihn drückt! ihr solltet wirklich meinen, sie werde sich mit ihm versteinen WIELAND 7, 56 akad. au>g.; getrennt lebte fern ich von den meinen in strenger und unmütterlicher zucht, denk' ich der zeit, seh' ich sich mir versteinen die tage in des lebens blumenflucht, w i e kleine gärten zwischen steilen mauern, die nie ein sonnenstrahl hat heimgesucht BRENTANO 1 , 8 ; willst du der weit ein ewig' zeichen stiften, so lasz' die gluth zum körper sich versteinen STRACHWITZ ged. 1,150.

8) abstract, 'verstockt werden, sieh verhärten': ach I wer könnte sich versteinen, nicht mit dir, Maria, weinen?

TIECK 5,182.

1717

VERSTEINERN

VERSTEINERN

E. der trans. gebrauch ist erat in jüngerer zeit in dichterischer spräche aus dem part. prät. rückye bildet worden, während die prosa versteinern bevorzugt. 1) besonders die sinnliche Verwendung ist jung: 'in stein verwandeln, zu stein machen' ADELUNG, CAMPE ; wirf eine ros' in heiszen sprudelquell, und bald wirst du die weiche, duftige, hart, kalt rückziehn aus der versteinenden, feindseel'gen woge FOUQUÄ held d. nordens 2, 39; göttliche kunst des Scopas I sie schuf die wilde Thya^e mit dem wunder, das dort jene chimära versteint HERDER 26,112; hüt euch ihr meus auf zwaien. bainen, sankt Ulrichs ert mus euch ferstainen FISCHART Garg. 51 neudr.; und ob das vich rürt den berg es wirt versteint erste d. Obel 2, 274, 83. 2) uneigentlich: 'unbeweglich oder erstarren machen durch schrecken, entsetzen, furcht' CAMPE, den anstosz zu dieser Verwendung hat das bild der Meduse gegeben: ich will sie hinterrücks anfallen, eh' die Medusa mit ihren blicken mich versteint MALER MÜLLER S, 188; mich friert, ich kann nicht denken mehr, nicht weinen, so fürchterlich droht mir der todesschlund, und die Meduse'kann nicht, so versteinen LILIENCRON 11,106; schrecken wollte mich versteinen, wie sie (die tonne) mir den abschied bot BRENTANO 2,136; sind unsre arme eisern nicht, versteinet frost nicht unsre glieder, so schlägt doch keine furcht uns nieder LOHENSTEIN Anniniut 2,1426. 8) 'hart, unempfindlich machen' CAMPE ; 'verstocken, verhärten': meineidig weib! ha 1 du versteinst mein herz, und machst zum mord, was ich beginnen will, was ich als opfer meinte Shakespeare, Othello 5, 2. 'absterben lassen, verknöchern': kttnstelei versteint das leben, gleich Medusen, und der wahn reiht sinnlos wort an wort K. H. L . REINHARDT in d. d. säculardichtgn. 162 Sauer. — v e r s t e i n e r , m., zu versteinen I B, 'steiniger': Steffanus hat got gepeten für sein verstainer BERTHOLD v. CHIEMSEE 683. V E R S T E I N E R N , verb., hat versteinen I I aus der spräche des alltags völlig verdrängt, es erscheint schon gegen ende des 17. jhs. ADELUNG verzeichnet es als erster, hält aber die intrans. form noch für ungebräuchlich; erst CAMPE kennt es in dem heutigen umfange des gebrauchs. in der technischen spräche bürgert es sich selten ein, vgl. JACOBSSON 4, 533 * B ; 8, 88B. in den mundarten ist es stellenweise heimisch geworden,: luxemburg. verstingeren, zu stein werden tob. 467 mansfeld. varstännert, versteinert JECHT 119*; ostfries. ferstSnern DOORNKAAT 1, 468*. bekannt ist es schaäb. FISCHER 2 , 1860 und preusz. FRISCHBIER 2, 442 A. wie bei versteinen ist die form meisten verbreitet.

des part. prät. am

1) sinnlich: versteinert, . . ein Körper, der ursprünglich zum thier- oder Pflanzenreich gehört, da er aber in der erde gelegen, von einem steinmachenden soft durchzogen worden und folglich die natur eines Steina angenommen, und alle eigenschaften eines steins an demselben sich zeigen JACOBSSON 4, 58SB; versteinerte metalle nennen einige die durch Verwitterung oder verrostung entstandenen ochem und kalke 8, 88 b ; versteinertes holz, welches entstehet, wenn das waaser die holztheilchen auflöset und dafür die bei sich führenden steintheilchen absetzt, welche denn die gestalt der ersteren annehmen; so auch versteinerte fische, knochen ADELUNG; zwischen der jetzigen erdoberfläche und jeher, deren Organisationen sich uns nur versteinert zeigen SCHOPENHAUER I, 309; oft sitzen auf versteinertem holze zwischen deutlicher kohle . . bergkrystalle GÖTHE I I 9, 26 Weim.; w i e man denn in dem reiche Huquang an dem berge X e y e n viel versteinerte schwalben findet LOHENSTEIN Armin. l, 626»; gleichwohl haben wir auch einen versteinerten fisch, der in Franken . . in einem weiszen steinschiefer gefunden worden anmuth. gelehrsamkeit 1, 88 Gottsched;

1718

denn Itifalln hält keine furcht zurück, und wenn er eine weit versteinert vor sich sähe WIELAND 7,12 akad. aueg. (Idrit 1, 98); riesenhafte felsenblScke . . . schaun mich an gleich Ungetümen, die versteinert, aus der urzeit HEINE. 2, 886; man bemerkte, dasz der körper des unglücklichen, der fälschlicherweise für versteinert gehalten, in staub zu zerfallen begann E. T. A. HOFFMANN 6,194; der versteinerte regen, die dichten, weiszen felsen . . waren artikel, von deren glaubwürdigkeit w i r selbst sie nicht genugsam überzeugen konnten FORSTER 2, 67. freier: drauszen . . . lag der garten m i t seinen wunderlichen baumfiguren, statuen und vertrockneten bassins w i e versteinert im jungen grün EICHENDORFF 8,821; eine reiche lebendige natur, ein ganzer wald himmelanstrebender bäume wölbt sich über uns . . und steht versteinert da, um den geist der andacht zu begränzen HOFFMANN V. FALLERSLEBEN 7, 84; aber ein wirkliches bauwerk ist ein versteinerter rhythmus PLATEN 1, 286; für ernste wandrer liesz die urweit liegen in diesem thal versteinert ihre träume LBNAU 139. 'steinhart': seit fünf Wochen hast du mit versteinertem Zwieback und lebendigem wasser vorlieb nehmen müssen KOTZEBUE 4, 88. 'erstarrt', von flieszender bewegung: hiermit bückte sich Ariovist, räumete um den güldenen fusz vollends das versteinerte wasser weg LOHENSTEIN Arminius l , 419*; als sei es (der see) ein unheimlich naturauge, das mich hier ansehe . . drinn das wasser regungslos, wie eine versteinerte thräne STIFTER I, 214; ihr rauschendes gewand vergieng, und halb flosz es versteinert in den sand ZACHARIAS 1, 270. 2) bildlich, 'todesstarr': mich schmerzt der süsze blumenduft der lieblich athmet in die gruft, was soll mir flüchtge frühlingsgabe? ich lieg versteinert in dem grabe ARNIM kronenwächter 2,248. starr vor alter: von der leichtweinenden mutter Albine an bis zu händegebenden alten bedienten, die seinetwegen die versteinerten glieder behender bewegten JEAN PAUL 15, 280. starr infolge einer krankheit oder gemüthsbewegung: plötzlich erstarrte sie (die gestalt des grafen) an der wand des palastes in versteinerter Stellung . . die starrsucht, seine alte krankheit, hatt' ihn ergriffen 15, 27; ich kümmerte mich wenig um die aufgesperrten mäuler, versteinerten nasen und glotzaugen, w o m i t die Ieute auf der strasze . . diesem qualifizierten diebstahle zusahen HEINE 8, 87; ich nahm ihr leise, ohne ein wort zu sagen, die reisetasche aus der hand und sah i m nächsten augenblicke in ein v o n angst versteinertes gesteht SEIDEL Leberecht Sühnchen 282. in eine steinerne bildsäule verwandelt: {er) fand seinen bruder m i t seiner begleitung versteinert, und zwang die frau, den zauber aufzuheben GRIMM hausmärchen l , 847. gleich einer bildsäule starr sein, stehen bleiben, vor schreck, angst, staunen, Überraschung: da meine begleiter versteinert w i e Loths weib zurückschaun SCHILLER 2, 92 (räuber 2< 8); Balacin aber stund unbeweglich vor ihr, und schiene, als ob er vor zorn, Wehnrath und liebe gantz versteinert wäre ZIEGLER Banise 780; aber w i e stehst du denn d a , Lisette? bist du versteinert? rede dochl LESSING 2,42 (misogyn 8 , 6 ) ; versteinert bleib' ich stehn, und sehe kaum, und glaube nicht zu hSren GÖTHE 11,220 Weim. (Klaudtne 467); versteinert blieb Holm an der stelle zurück, mit bebenden lippen, mit starrendem blick, als hätt' ihn der donner gelähmet BÜRGER 1,82*. das gleichnisartige wird durch das Kärtchen w i e noch mehr hervorgehoben: ich stuhnd da w i e versteinert BRÄKER l , 67; Ferdinand (steht zuerst wie versteinert) SCHILLER 8 , 886 (k'abale l , 7); da sie uns erblickten, blieben (sie) w i e versteinert GÖTHE 27, 367 Weim. 8) 'innerlich verdorrt, verknöchert, abgestorben'; zunächst enge an das bild angeschlossen: allerlei versteinert zeug, das nicht keimen, nicht blühen mehr will BETTINE Qitnderode l, 183; der hagestolz ist . . eine versteinert*

108*

1719

1720

VERSTEINERN

VERSTEINERN

zeitlose ROSEGGER 8 , 288; der geschickte baumeister Dieckhoff brachte in die versteinerte palmenwelt der christlichen architektur eine Versöhnung mit dem nordischen klima GUTZKOW l l , 211; seiner muttersprache, die selbst i m Virgil noch oft wie versteinert scheint PLATEN 8, 887; Sparta, . . immer noch das gegenbild Athens . . in den versteinerten altfränkischen Institutionen MOMMSEN röm. gesell. 5, 238; sie bezeichnen den bäuerlichen zug . . . das starre versteinerte festhalten am gewohnten KÜRNBERGER Iii. Herzenssachen 100. auf den menschen mit seinem fühlen und denken übertragen:

sen vom medusenkopf der Vernunft, nämlich von seinem eignen hellen köpf, versteinerten alten zu beugen JEAN PAUL 6, 16; er möchte sein väterliches hertz gegen der nicht versteinern, welche . . niemahls was ihrem geschlechte verkleinerliches begangen hätte LOHENSTEIN Arminius 1, 1278"; es gehört eine eigne beredsamkeit dazu, bey einigen das vermögen zu schaden zu versteinern, bey andern hingegen den willen zu helfen zu erwecken HAMANN 3, 221; wer aber die geschichte der spräche studiert, der wird die serbische spräche so wenig, als irgend eine andere fortlebende aus der geschichte heraussetzen und sie gleichsam versteinern wollen J. GRIMM kl. Schriften 4, 104.

der eine war ein versteinerter eflnder, ein graugewordner Verbrecher

KLOPSTOCK Messias 8, 306; die stadtgeistlichen, welche mit ganz andern mittein auf das versteinerte stadtvolk einzuflieszen haben JEAN PAUL 85, JOS; die menschen behaupten, ich sey nun ganz und gar versteinert zurückgekehrt GÖTHE I V 30, SS Weim. auch gesteigert: niemals sah man . . versteinertere lehrlinge RAABE leute aus dem walde 8, 100. empfindung: versteinert sind schon seine gefühle GUTZKOW werke 6, 283; wiewol sie ai s furcht ihr gegen die hoffnung versteinertes gesicht abdrehte JEAN PAUL 10, 304; die natur ist aber nur an sirh die idee, daher sie Schelling eine versteinerte, andere sogar die gefrorne intelligenz nannten HEGEL 7 1 , 84; die worte selbst sind verhärtete und versteinerte gedanken ARNDT an s. I. Deutschen 1, 105. B. t/rans. gebrauch. l ) 'zu stein machen, in stein verwandeln': manche wasser versteinern die körper, welche darein gerathen ADELUNG; doch ist die allgemeine Volksmeinung hier, das fluszwas6er versteinere die bäume, weil man auch auf den fluszinseln häufig die triimmer des hinabgeschwemmten diluviums findet RITTER erdkunde 5, 205. 'unbeweglich wie stein machen': dasz . . die steinichten und kalkichten (wasser) das geMüte versteinern LOHENSTEIN Arminius 2 , 738B. ' m i t einer steinrinde überziehen, fest und hart wie stein machen' CAMPE ; dasz sich der mensch noch behaupten kann, wo ein neunmonatlicher winter das land versteinert PESCHEL Völkerkunde 421; o ! w i e werden deine freunde traurig nach den wölken blicken, wenn des winters zaubergürtel deinen zarten leib versteinert 1 GÖTZ ged.

4) auch adj. in der form des part. präs.: versteinernder erdsaft (bergwerk), eine flüssigkeit, welche die unterirdischen körper zusammensintert und theils weiche verhärtet, fheils fremde durchdringet und ihnen die natur eines steines mittheilet JACOBSSON 4, 583'; er beschreibt eine siedenheisze, versteinernde Schwefelquelle, die den boden 100 fusz umher zu kalk verbrannt, und viele gänge, kanäle, und gestalten gebildet hat HERDER 1, 88; sein früheres . . verhalten war ein . . von der weit ihm äuszerlich angefärbtes, eine kruste im versteinernden wasser des lebensflusses, des weltlaufs LUDWIG 5, 290; Panthea athme flammen aus, oder erkälte gleich der Gorgone, mit ihrem versteinernden anblick zu marmor WIELAND 3, 35 akad. ausg.; schleicht, wie vom haupt der gräszlicfcen Gorgone, versteinernd dir ein Zauber durch die glieder GÖTHE 10, 50 Weim. (Iphigenie 1162). C. der intrans. gebrauch wird noch von ADELUNG gemiszbilligt, von CAMPE an die spitze gestellt. 1) 'zu stein werden; mit einer steinrinde überzogen, steinhart werden' CAMPE; der gemeine glaube ist, dasz die eichen hier versteinerten ARNIM 10, 38. 2) 'zu stein erstarren', besonders infolge heftiger gemüthserregung: er zieht ein gesicht, als solle er versteinern und von der nachweit als antike ausgegraben werden BÜCHNER 143; endlich, als das tigerthier aus Armidens lippen sprang, versteinerte er, so zu sagen IMMERMANN 18, 142; die freude habe ich doch noch zu sehen, wie er versteinern wird, wenn er mich wird unvermuthet singen hören HERMES bei ADELUNG; bis du, unselig weib, zuletzt in deinem weh einsam versteinertest, wie jene Niobe GEIBEL 2,112.

2,46;

zu mumien, arzt, verstein're diese Ieiber

M Ü L L N E R 4, 219.

8) 'durch Zauberkraft in stein verwandeln', bisweilen mit zu ergänzendem object: diesen anblick (einer medusenmaske), der keineswegs versteinerte, sondern den kunstsinn höchlich und herrlich belebte, entbehrte ich nun seit vierzig jähren GÖTHE I V 40, 256 Weim.; ein zauberbüd wie noch vor keinem auge schwam, das statuen belebt, und lebende versteinert SCHILLER 1, 320.

seltener 'bezaubern, begeistern': wenn er nicht die begleitenden stimmen um ihn, wie die zuhörer versteinern kann SCHUBART ästhetik der tonkunst 295; dero angenehmen geist, welcher mich durch anmuthigste geberden versteinerte ZIEGLER Banise 91. unbeweglich machen durch heftige gemüthsbewegungen CAMPE; versteinert werden vor schrecken und staunen, unbeweglich da stehen ADELUNG ; o könig 1 — das schrecken hat ihn versteinert! — königl LESSING 8, 375 (Philotas 8); dieses „ n u n ? " in einem zwar erwartungsvollen, aber vollkommen ruhigen tone gesprochen versteinerte Ernst MOLTKE 1, 94; in jener angenehmen Verfassung, welche Informatoren und jungen gelehrten nichts neues ist, die ihnen die glieder verknöchert und das herz zersetzt und die zunge versteinert JEAN PAUL 7, 227; mit haaren, silberweis, doch lang und voll, mit zügen, die der grimm versteinert hat HEBBEL 6,195.

3) 'hart und unempfindlich machen' CAMPE ; 'verstocken, verhärten, verknöchern': weil es . . unmöglich war, die-

3) 'verharten, unempfindlich, verstackt werden' CAMPE ; 'verknöchern': wie im alter der innere und äuszere mensch . . mit einander versanden und versteinern und gemeinschaftlich, gleich metallgüssen, langsam erkalten und zuletzt gemeinschaftlich erstarren JEAN PAUL 39, 41; (der häusliche mensch) thut verzieht auf den thörichten wünsch sich frey zu bewegen, bis er endlich versteinert F. SCHLEGEL im Athenäum 2, 16; wie denn schon im Sprichwort „er ist nicht weit h e r " dieser grundsatz zur stereotype versteinerte GRABBE 4, 155; doch soll vor einem Teutschland sich . . hüten, . . dasz es nicht das erwachte leben wieder versteinern und verholzen lasse GÖRRES Schriften 2, 388. 4) auch adj. in der form des part. präs.: wie die eben versteinernde Niobe ihr j üngstes, umfaszte sie den zerknirschten Hennig RAABE Schüdderump 2, 34; mich freut es, wenn Hedwigs versteinernde lebenspflanze wieder ausgrünt, ich gönne ihr nach dem freudlosen leben . . das glück BISMARCK an braut u. gattin 308. 5) subst. inf.: erhaltung (der pflanze), verkohlen, versteinern GÖTHE I I I 4, 347 Weim. D. der refiex. gebrauch, viie der von verstemen (D) noch CAMPE nicht geläufig, findet sich in doppeltem sinne schon bei LOHENSTEIN : am siebenden pfeiler sähe man, wie ein korallen-gewächse . . sich versteinerte Arminius l, ll78 b ; daher wird sie zwar meine . . seele nimmermehr durch eine widrige regung sich versteinern sehen 8, 17b. gewöhnlich 'erstarren, verknöchern': die ganze natur versteinerte sich ihm, und er kannte . . nur fossilien und mumien HEINE 6,115; alles verhärtete und

VERSTEINERUNG

VERSTEINERUNGSARM —SUCHT

versteinerte sich mehr in ihm, selbst gott und die religion ARNDT an ». I. Deutschen 1, 18T; (dasz er) etwas rappelich im gehirn geworden ist, und sich einige fixe ideen hineingetragen h a t , die dann dort sich allmälig zu häresien versteinert haben GÖRRES triefe l , 457; Wahnsinn und Verzweiflung hingegen dürfen (in einer dichtung) . . als die wenig zu handlung geeigneten sich auf ihrem wege nicht versteinern, sondern müssen vorüberblitzen JEAN PAUL 52, 97. am üblichsten vom herzen: es verzeih mir der allerbarmherzigste gott mein steinernes herz, das ich in sein hausz mitnahm, das sich noch mehr versteinerte, verfelsetel HIPPEL lebensläufe 2, 362. 'sich in etwas verstocken, hartnäckig festrennen': sie haben sich versteinert in den mineralien dort IMMERMANN 1, 136; hier kann sie sich in dem angenommenen fehler noch immer mehr versteinern PÜCKLER briefwechsel 2, 464. V E R S T E I N E R U N G , f . , subst. zu versteinern, nach zeitschr. f . d. Wortforschung 4, 132 geprägt unter dem einflusz von lat. petrefactum. sowohl von der Wirkung des versteinerns als auch von versteinerten dingen, in welchem falle es auch den plural leidet ADELUNG. CAMPE bevorzugt versteinung (s. d.) vor Versteinerung, mundartlich nicht vorhanden, doch manchen gegenden geläufig

B. concret, der versteinerte körper, fast nur in eigentlichem sinne: Versteinerungen, fremde, zum steinreich ihrer natur nach nicht gehörige und in stein verwandelte körper JACOBSSON 4, 538. die einschlieszende harte hülle: wo in der kohle, in den Versteinerungen die spuren vergangener jahrtausende ruhen ROSEGGER II 9, 132; man findet keine menschengebeine in Versteinerungen, als nur in jüngsten aufgeschwemmten gebirgen ZSCHOKKE 3, 51; er zog mich aus der kalkigsten Versteinerung RÜCKERT 3, 142. meist die versteinerten gegenstände selbst: der ganze zug ist ein urkalksteingebirge, das nirgends spur von Versteinerungen zeigt RITTER erdkunde 1, 575; auf dem berg . . fand sich fester kalkstein mit Versteinerungen: die groszen muscheln lagen unten, die kleinen obenauf GÖTHE SI, 176 Weim.; dort hatten die kinder oft unter einer alten linde gespielt, Schmetterlinge gefangen und in der kiesgrube nach Versteinerungen gesucht FREYTAO 12, 205. nur vereinzelt in übertragenem sinne; zu A 2 : Standbilder vom meiszel des meisters werden Versteinerungen: erst die erinnerung giebt ihnen leben und liebe JAHN 2, 460. zu A s : doch behauptete sich in diesen ganz modernen wirthschaftsverhältnissen unwandelbar wie eine wohl erhaltene politische Versteinerung noch eine adelsherrschaft TREITSCHKE deutsche geschickte 8, 505. in der Zusammensetzung herrscht die form versteinerungs- mit unorganischem auslaut. der sinn schlieszt sich meist an Versteinerung B an. — v e r s t e i n e r u n g s a r m , - f r e i , - l e e r , - l o s : die highlands bestehen aus einer geschlossenen masse dunkler, versteinerungsarmer, offenbar stark metamorphischer schiefer NEUSE landeskunde der brit. inseln 196; (der kalkstein) ist ganz versteinerungsfrey WERNER gebirgsarten 14; unter dem geschilderten flötzgebirge folgt eine reihe von gebirgsbildungen, welche . . crystallinische, versteinerungsleere schichten umfaszt OKEN naturgeschichte 1,731; unteres schieferiges und versteinerungsloses gebirge, urgebirge 768. — v e r s t e i n e r u n g s a r t , f . : die erörterung der verschiedenen Versteinerungsarten ROSSMÄSSLER der mensch 4, 124. — V e r s t e i n e r u n g s f a c h , n.: die liebe zu natürlichen Wissenschaften, besonders mineralogie und geologie ist ihm a n g e e r b t . . auch im Versteinerungsfache . . wird er gern an handen gehen GÖTHE IV 25, 296 Weim. — v e r s t e i n e r u n g s f ä h i g , - f ü h r e n d , - h a l t i g , adj.: versteinerungsfähig, petrifiable MURET- SANDERS deutsch engl. hdwb. 798°; diese sippe tritt . . schon in den . . versteinerungsführenden ablagerungen . . auf BREHM thierl. 3 10, 235; die versteinerungshaltigen schichten bieten uns . . die floren und die faunen der verflossenen jahrtausende dar HUMBOLDT kosmos 1, 284. — V e r s t e i n e r u n g s k u n d e , - l e h r e , f . , Paläontologie: es gibt deren zwei (nachrichten von der Schöpfung)-, die Versteinerungskunde und die ergebnisse der tier- und Pflanzenzucht ROSSMÄSSLER der mensch 1,558; die eigentliche geognostische ansieht der Versteinerungslehre . . verdankt man der groszen arbeit von Georg Cuvier und Alexander Brougniart HUMBOLDT kosmos 1, 286. — V e r s t e i n e r u n g s m a s s e , f . : man sieht, dasz die innere fläche der zellenwand sehr ungleich und buckelig ist. dasz dies von aufgelagerter Versteinerungsmasse herrühre, ist zweifellos ROSSMÄSSLER der mensch 4, 120. — V e r s t e i n e r u n g s m e t a m o r p h o s e , f., - p r o c e s z , m., der Vorgang der Versteinerung (A 1): der gebildete theil des zahnes, der gewissermaszen eine Versteinerungsmetamorphose der Zeilen darstellt SÖMMERRING menschl. körper 7, 424; was mehr für einen versteinerungsprocesz ohne beteiligung der hitze spricht ROSSMÄSSLER der mensch

1721

vgl.

FISCHER

A. abstract,

2, 1360.

der Vorgang

oder

zustand.

1) Versteinerung . . . ein spiel der natur, da dieselbe allerhand Sachen, z. e. das unterirdische holz, fische, vögel, pflanzen oder gewächse, u. s. w. mit einer steinartigen kruste, oder rinde überziehet, welche so denn eben daher versteinert heiszen CHOMEL lex. 8,2181 ; was m a n in tiefern Versteinerungen für menschengebilde gehalten, ist alles zweifelhaft und von genauem naturforschern für gerippe von seethieren erklärt worden HERDER 18, 398; die gegner der heiligen Schriften Iäugneten im Widerspruch alle Versteinerungen und Voltaire erklärte die sämmtlichen versteinerten muscheln für lusus naturae GÖTHE II 9, 277 Weim.; extrauterinschwangerschaften mit Versteinerung des kindes (lithopädion) SÖMMERRING menschl. körper 8 1 , 477; stoffwechsel, der einer Versteinerung nicht unähnlich ist NITZSCH deutsche Studien 91. 2) Verwandlung menschlicher wesen in stein: in den antiken ist die irdische Versteinerung durch anmuth erweicht LÖBEN lotosblätter 1, 186; um die Versteinerung der Niobe als ein steinernes bild, das sie sich über dem grab ihrer kinder machte, zu erklären WELCKER alte denkmäler 1, 216 anm. 5; so war der anblick, der sich . . im hofe darbot, wie die plötzliche Versteinerung der lebendigsten scene GUTZKOW Zauberer 2, 136. vorübergehende erstarrung infolge hoher seelischer erregung: auf deinen lipp^n selbst erkaltet der liebe kusz und in der freude schwung ergreift dich die Versteinerung SCHILLER 11,13. zustand: Karlos geht aus seiner Versteinerung in lebhafte bewegungen über 5 2 , 409 ; es ( d a s wort) hob die Versteinerung der tochter des Tantalus vollständig auf RAABE Schüdderump 2, 55 ; nur mit verbissenem schmerz und einigen von seiner Versteinerung sich losbrechenden schleimigen verwiinschungs-austerschalen GUTZKOW werke 5, 307; sobald wir bei tische saszen, war meine erste sorge, dieser (sonst recht lebhaften) dame aus ihrer Versteinerung herauszuhelfen ZIMMERMANN einsamkeit 3, 96.

3) 'innere erstarrung, verknöcherung, verstockung': diese Versteinerung der volksmasse, jeder mischung der bevölkerungen feind, misfiel dem groszkönige DAHLMANN gesch. von Dänemark 2, 85; weil eine so seltene Versteinerung des ehrgefühls zu einem nachdrucker gefodert wird JEAN PAUL 47, 372; sollten alle dièse keime besserer regung in kalte Versteinerung übergegangen sein? GUTZKOW ritter 7, 198; das ganze system (des ältesten rechts) ist nichts weiter als eine erweiterung und Versteinerung der familie JHERING geist des römischen rechts 78.

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4, 119. — V e r s t e i n e r u n g s m i t t e l , » . : achat, chalcedon, carniol, alles kieselerdegesteine, sind bekanntlich sehr oft die Versteinerungsmittel für holz gewesen 4,119. — v e r s t e i n e r u n g s r e i c h , adj.: der grosze zug der älteren versteinerungsreichen, chemischen grauwackenund thonschieferbildung OKEN naturgeschichte 1, 767. — V e r s t e i n e r u n g s s a m m l e r , m . : h a t irgend von den versteinerungssammlern etwa einer schon aus diesem gesichtspunkte die sache betrachtet? GÖTHE IV 6, 8i Weim. — V e r s t e i n e r u n g s s u c h t , f., kühne bildung

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VERSTEINIGEN -VERSTEINIGUNG

VERSTEINUNG — VERSTELLBAR

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zur Bezeichnung der sucht des Sammlers, in allen funden steinigung, auff die spitz, da er am höchsten und gäheVersteinerungen zu erblicken: überhaupt wollen wir dem sten ist, gestelt RABUS historien der martyrer (1591) 115B; Verfasser unsern rath geben, sich vor der versteineSusanna (wurde) .. bereits auszgeführt zur versteinigung rungssucht zu hüten allg. d. bibliothek 38, 188. — T e r ABRAHAM A S . CLARA etwas für alle 2, 884. 2) zu vers t e i n e r n n g s s y s t e m , n.: du hättest noch das Walsteinigen 2, 'vermarkung mit grenzsteinen': aus- sive verchische Versteinerungssystem GÖTHE IV 28 , 48 Weim. steinigung, idem quod aussteinung, versteinung S T I E L E R — v e r s t e i n e r u n g s v e r h ä l t n i p , n.: die würmer . . 2141; abhandlung von versteinigungen, beschreibungen, unterliegen denselben versteinerungs-verhfiltnissen, wie Verzeichnungen und beziehungen der gränzen buchtitel die meer-schalthiere OKEN naturgeschichte l, 628. in der allg. d. bibliothek 100,138; so haben unsere jägereyvorgesetzte . . bey jedesmaliger versteinigung eine richVERSTEINIGEN, verb., obd. wort. tige beschreibung (abzufassen) Weim. urkunde v. 1775 bei 1) in der literatur schicindet es im 17. jh. vor steinigen SCHWAPPACH forst- und jagdgeschichte 1 , 848 anm. 12. wie versteinen I B . mhd. versteinen L E X E R 8 , 260; die vermarkte stelle: sollen unsere forst- und andern dilapidare DIEFENBACH nov. gloss. 136°; versteinigen, beambte und bediente, die mahl- und versteinigungen mit steinen ze tod werffen, lapidare, lapidibus obruere registriren Mainzer urkunde v. 1666 ebd. 842 anm. 8. b MAALER 432 ; steinigen oder versteinigen CALEPINUS b B V E R S T E I N U N G , f . , erhält sich nur in der ersten Ver798 ; D E N T Z L E R 318 ; K R A U E R 2, 951°. CAMPE erwähnt wendung in technischer spräche; in der zweiten ist es von et als veraltet, bair. versteinigen (vo'staaninga"), steiniVersteinerung verdrängt worden (s. d.). gen SCHMELLER 2, 764; schwäb. mit steinen bewerfen FISCHER 2, I86I. das wort findet sich nur in der obd. 1) zu versteinen I A (vgl. versteinigung 2), 'die verbibelsprache und den von dieser ieeinfluszten quellen: markung mit grenzsteinen': versteinung . . actus lapidibus o du volckh zuo Jherusalem . . du töttest die propheten agros secernendi, divisio territoriorum, positis lapidibus und verstainigest jhen die zuo dir gesandt sein B E R T cruce vel alio signo signatis S T I E L E R 2141; von VereiniHOLD v. CHIEMSEE 111; die gantz gmeynd sol in vergung und versteinung der felder, Sachsen-Gothische steynigen Zürcher bibel (1581) 3 Mos. 24 C; nur gelegentland-ordnung HOHBERG geórgica 3, 20*; versteinung, lalich bei LUTHER: so wil man uns verstainigen, tödten pides limitanei, das besetzen mit mark-steinen F R I S C H und verbrennen 7, 248, 22 Weim.; etlich sind gebunden 2, 880"; noch heute in der feldmessersprache üblich, daworden und gekerckert die andern sint versteiniget neben besteht ein anderer gebrauch beim straszenbau: das d worden KEISERSBERG bilgerschafft 20 ; da sie in für beschütten der straszen mit Schotter oder Steinschlag. ein falschen prophetten versteinigten FRANCK zeytbuch 2) zu versteinen II: 'die handlung, da man etwas verb (1631) 58 ; für den gotts lesterer ausz dem läger, und steint', ohne mehrzahl CAMPE, in der Zusammensetzung lasz ihn die gemein versteinigen F R O N S P E R G E R kriegsversteinungskraft erscheint der ursprüngliche sinn: buch 1. m 2f; sie, durch versteinungs-kratft, versetzet die cristallen ged. v. HOFFMANNSWALDAU U. and. 7,105 Neukirch. wer hat je alle gotts propheten verfolgt, versteinigt und lassen töden, 'Verwandlung in stein': denn allein die schrifftgelehrten und wie sich in dem schein erblickt die schreckerscheinung, FISCHART die gelehrten 352 Httuffefr (». 798); wird selber sie zu stein, die dir gedroht versteinung so ich solches für mein grundt nimm, wollend sie mich RÜCKERT 8,187. gleich alle versteinigen PARACELSUS Chirurg. Schriften übertragen: mit einer eiskälte, die plötzlich über sein 17°; Susanna . . als ehebrecherin von allem volck solte versteiniget werden ABRAHAM A S . CLARA etwas für alle ganzes gesicht und wesen, wie in feindseliger versteinung anzuschieszen schien FOUQUÉ zauberring 1 , 66 2, 319. sächliches object, 'etwas mit der Steinigung be(vgl. 3, 169). strafen': 8) besonders nennt man in der naturbeschreibung verChristas war ein falscher prophet, durch zauberey das alles thet steinungen und Versteinerungen abgestorbene lebenskräfdie Moses verstcynigen heist tige korper CAMPE, übertragen: SACHS 1 , 1 7 0 , 9 Keller. hier ist alles nur versteinung, 2) versteinigen im sinne von versteinen I A 'mit steikalt im kalten mondenlicht nen abgrenzen' ist nur aus der Weimarer forstordnung FOUQUÉ bildersaal 2, 599. von 1776 zu belegen (vgl. auch versteinigung 2): damit nl. versteening entspricht weniger dem heutigen versteikünftig alle waidgrenzen in guter Ordnung . . erhalten nung als Versteinerung, während ein vom part. prät. abwerden mögen: so haben unsere jägereyvorgesetzte . . geleitetes versteendheid in übertragenem sinne 'Verhärbey jedesmaliger versteinigung eine richtige beschreitung, gefühllosigkeit' bedeutet S I C H E R E R - A K V E L D 1191 • bung, worinnen a) die benennung der versteinigten (vgl. obstinatio, duritia immanis K I L I A N 6 0 4 ' ) . schwed. gegend, b) der oder die tage, an welchen die versteiforstening neben förstenande HELMS 143" ist dem deutnigung geschehen . . deutlich bemerkt werden musz schen entlehnt. SCHWAPPACH forst- und jagdgeschichte 1, 348 anm. 12. V E R S T E L L , n. und m., seltenes subst. zu verstellen offenbar im anschlusz daran G Ö T H E : ehe man den hofI A 2: das vorstelle, verstelle, fürgestelle, eine krankheit medikus so vor sich fortgraben l&szt, wäre es doch S C H M E L L E R 2, 749; das augenverstellen, augenverdréhen gut seinen räum an der andern seite noch einmal zu der kinder, eclampsia infantium H Ö F L E R krankheitsnamen versteinigen IV 18, 81 Weim.,- die flurgrenzen und verb 684 ; niederrhein. farstél 'unordnung' L E I H E N E R Cronenreinungen wurden versteinigt VOIGT Goethe und Ilmeberg 86 b . zu verstellen III A 2 mnd. vorstel, vorstal: so we nau 28. dat vorstel hed eder deme de buk is tosamende ghetogen 8) in einer mnd. glosse wird versteinigt wie versteinen WolfenbütHer quelle bei S C H I L L E R - L Ü B B E N 6, 46L B ; so II A 8, versteinern A 3 vereinzelt als 'verstockt, verhärtet we hevet den vorstal nd. Jahrbuch 15, 114, 127; harnbelegt: verhart, eynpessich, eynveghel, eynwillich, verbeschwer de, wobei mitten unterm wasserablaufe ein mitsteynicht, pertinax, obstinatus nd. correspondenzblatt 2, 25. schwimmendes harnsteinchen (gries) sich vor die harnröhrenSffnung in der urinblase stellt oder vorlegt H Ö F L E R VERSTEINIGER, m., zu versteinigen 1; 'einer, der 671 andere steinigt: nur mit Steffanspfeilen diese gesellen tod geschossen, welche nit auffhören lesterwort wider VERSTELLBAR, adj. zu verstellen I A 1; 'ein ding, die h. stett und gesetz zu reden: 0 wie gern hilt der das umgestellt, anders eingestellt oder angebracht werden pfarrherr zu St. Peter zu Löwen den versteinigem den kann': der tisch hat verstellbare leisten und platten, mantel darzu F I S C H A R T binenkorb 1 0 ' . das gewehr ein verstellbares visier; die zeiger der uhr, die gläser des fernstechers sind verstellbar; die hauptV E R S T E I N I G U N G , f . , CAMPE. 1) zu versteinigen 1; bestandteile der verstellbaren barren . . sind: der untere 'Handlung, Vorgang der Steinigung': lapidatio D E N T Z b rahmen, die röhren, die Schieber . . . und die zapfenLER 818 ; der da verartheilt worden ist zum tod, dag federn KREGENOW - SAMEL gerätkunde 29; sie gingen er sol versteiniget werden, der wtirt nackend oder gar beide rasch durch das helle zimmer zu dem groszen auszgezogen mit gebunden henden, an dag ort der ver-

1725

VERSTELLBLOCK-VERSTELLEN

VERSTELLEN

1726

b) 'verwandeln': so will die hSrner ich wol bhalten, aber auff heylig art sie gstalten, und sie so schön anmUtiglich verstellen, das man wunder sich FISCHART jctuiterhüUetn 233,130 Haufen t und da er ine und das pferdt dermaszen verstalt het, er füret in für seine brüeder Aimon (1685) k n b ; die darein verkittet ist JACOBSSON 4, 633 B ; CAMPE. Wohlfahrt, das Unglück, die kranckheit und tausend V E R S T E L L E N , verb. zufälle sind geschickt, das temperament, die neigungen und die wünsche eines menschen zu verstellen discourse form. seit der mhd. periode: verstellen mhd. wb. 2, S, 6656; der mahlern (1721) 2, 29; sie kehren einen gedancken um, sie nehmen ihn in einem andern sinn, sie verstellen L E X E R 3, 250; DIEFENBACH gloss. 138°, 220*, 495 b ; nov. ihn auf allerley art RAMLER einl. in die schönen Wissengloss. 132 b ; F R I S I U S ISO", 240»; M A A L E R 4S2 b ; ALBEschaften 8, 210; unsere gesellschaft wird sich erhalten, RUS b i i j » , p j b ; CORVINUS 266, « 7 ; S T I E L E R 2148; es sey denn, dasz jene Zeiten die weit wieder verstelD E N T Z L E R 313b ; A P I N U S 18«; K R A M E R 2, 961; F R I S C H len, die sie zu Noa's Zeiten verstellten HIPPEL werke 2, s s i b ; STEINBACH 2, 665; ADELUNO, CAMPE, mnl. v e r 10, 163; hingegen soll auch die Wahrheit das wesen diestellen VERDAM 638»; nl. KILIAN 605»; von hier ins ser geschichte bleiben, und wir werden daher keinesfries. eingedrungen: forstftlje, forst&lle DIJKSTRA 1, 4l9b; aus dem deutschen ins schwed.: förställa HELMS weges . . umstände verstellen oder erdichten, um unsere erzählung anziehender zu machen NICOLAI Nothanker i*3°. W I L M A N N S gramm. 2 § 126, 6. v e r s t e l l e n ist im ganzen deutschen Sprachgebiet bekannt: Schweiz. STALDER l, 79; das die meisten dieser schönen mähren . . von dem hm. Verfasser eigentlich märchenmäszig verstellt 2, 397; SEILER I i s » ; elsäss. M A R T I N - L I E N H A R T 2,590»; seien STEUB drei sommer in Tirol 2, 867; dasz man . . schwäb. FISCHER 2,136L; bair. SCHMELLER 2,749; steir. die natur auf einen hohen grad verschönern könne, UNGER-KHULL 227 B ; siebenbürg. SCHRÖER Wiener sitz.ohne sie zu verstellen HEINSE 8, 275. mit präpos. ausberichte 27, 208b; luxemb. wb. 467»; loOiring. FOLLMANN druck: eine maschine als eine müle verstellen KRAMER 164»; hess. SCHÖNER Eschenrod 248; waldeck. BAUER2,961»; selber (heuchlet) würde bey vorgedachten VerC O L L I T Z 32»; köln. HONIG I94 B ; schles. W E I N H O L D handwandlungen desz Ovidii gewiszlich in einen spiegel versehr, nachlasz S 437; preusz. F R I S C H B I E R 2, 442 B ; oststellet werden HARSDÖRFFER gesprechspiele l, B v n b ; fries. DOORNKAAT 1, 467". verstellbaren stahl mit kopfpolstet und grün-plüschenen armlehnen TH. MANN Buddenbrook» 2, « 9 , VERSTELLBLOCK, m., zu verstellen II C; bei den edelsteinschneidern,: ein einem kelche ähnliches hol!, in dessen aehse oben ein loch gebohrt ist, worein man den droht der dogge setzt, wenn der stein zum schneiden

die den sog. rückumlaut aufweisenden formen mit avocalismus überwiegen in der form des part. prät. mhd. durchaus über die jüngere bildung verstellet und erscheinen spärlicher im obd. und nd. des 16. jhs. länger hält sieh das part. im md.: verstallt, präs. ich verstelle STEINBACH 2, 666; lothring. verstalt neben verStilt FOLLMANN 154»; luxemb. verstalt wb. 467; köln. verstalt han, 'sich den anschein geben' HÖNIG 194B. gerundeten stammrocal gebraucht WECKHERLIN durchweg: durch sie kan er, weisz, fürsichtig und klug wol in dem grund den verstölten betrug

es lebe G5rg allhier, . . . den eine mfllion, die sein betrug erschnellt, aus einem pfaff und knecht in grafen hat verstellt

NEUKIRCH ged. 162.

2) dieser gebrauch ist selten, gewöhnlich schleicht sich ein verschlechternder nebensinn ein, auch nl.: detorquere, male coUocare KILIAN 605». heute dafür vielfach ent stellen. a) ,an den ungehörigen ort stellen, falsch stellen': die bücher verstellen, die säulen sind verstellt CAMPE; SCHMELLER 2, 749. 'auf die Seite stellen und dadurch aus dem geeicht verlieren oder aus der Ordnung bringen • und die verborgne warheit sehen gcd. 1,195; ein buch im bücherständer, ein geschirr in der küche SACHS nur im reim einmal: FISCH Elf 2,1361; verstellen, verrücken, zerrütten, verso kondt der badr dem Steffel Lölln das blut unden lang nit verstölln wirren; eine mühl, eine uhr oder Bonst eine maschine 17,110,10 KOler-Qötze. verstellen, zerrütten KRAMER hoch-nider-teutsches dict. bedeutung. 248»; dieser pfeil verstellete das sinesische glücks-rad, und warff das käyserthumb über einen hauffen OLEARIUS I. der geläufige gebrauch von verstellen läszt drei gruppen unterscheiden: 'anders stellen, umgestalten — verun- reisebeschreib, anhang 22; ein uhrwerck wird bald verstelt SPEE tugendbuch 688; der kayser mag . . delibestalten, entstellen — Verkappen, verhehlen'. riren und schlieszen, so lange er will, da doch, wenn A. trans. rection. die schlüsse zu realitäten kommen sollen, die räder inL) 'anders stellen, umgestalten, verwandeln'; schon mhd. wendig verstellt seyn LEIBNIZ I, 239; denn die frau verwie mnl. nachzuweisen; mhd. wb. 2, 2,565"; transformare, stellte . . ihm alle uhren ARNIM 2, 251; verstellen in ein andersz DIEFENBACH gloss. 593»; KRAdu (Kupido) hast mir mein geräthe verstellt und MER 2,961»; mnl. VERDAM 6S8*; transponere, translocare, verschoben, transferre, removere, loco suo movere KILIAN 605». ich such' und bin wie blind und irre geworden GÖTHE 4,104 Weim.; a) 'umstellen, umsetzen': ein ding, die stüle verstellen es war Sophien, als hätte sie in ihrem leichtsinn . . . KKAMER 2, 961»; die stühle, die bücher verstellen, geirgend eine kostbarkeit verstellt gehabt und fände sie wöhnlicher umstellen CAMPE; verstellen, stellen an einen nun wieder GUTZKOW werke 5, 265; mitten unter dem andern ort; vieh verstellen, elocare peeudes DENTZLER 313 b ; Schweiz, verstelltes vieh, stellvieh, von der heim- stoff, den seine grosze belesenheit aufschichtet, wird stelle nach einem ort mit futterüberflusz gebrachtes vieh man befallen von dem heimlichen gefühl, dasz er den rechten vorenthalten, verstellt oder weggeworfen habe MARTINY wb. d. müchwirtschaft 185; auch schwäb.: es J. GRIMM kl. Schriften 5, 27. soll . . die kug . . wann sie in der mttettung abstirbt, dem abgestorben sein, der sie verstellt hat quelle des b) glieder unnatürlich verzerren, den köpf verrücken: 15. jhs. bei FISCHER 2, 1362; Schweiz, auch ein kind auszer bair. die äugen verstellen, krankhaft verdrehen, SCHMELdem hause an die kost thun STALDER 2, 397; schwäb. LER 2, 749; HÖFLER krankheitsnamen 684b; des andern nach einem todesfall werden blumen und bienenstöcke so- Scholaren werden ohne noth und nutzen strapazirt, befort verstellt, um ihr absterben zu verhindern FISCHER sonders musz bey ihnen alle augenblick die hand ver2, 1362; auch in diesen artikeln -wünschten wir nicht stellt und verzogen werden PH. E. BACH art das clavier blosze darzählung der marksteine, sondern bemerkung zu spielen 1, 38; der reiter musz in währender action . . der platze, wie sie verstellt werden können GÖTHE 87, leib und angesicht gerade halten, mund und angesicht 195 Weim. veraltet: kuh und kalb wird mit einander nicht verstellen, mit dem köpf nicht wackeln FLEMING verstellt Simpl. 4,13 Kurz; demnach sich vielmals füget, teutsche soldat (1726) 27. übertragen: einem das hirn dasz man . . . Wechselgelder zu empfahen, wahren zu verstellen KRAMER 2, 961b; andre beschreiben die liebe, dasz sie sey . . eine bezauberung die verstellet HARSverschicken oder auch zu verstellen oder zu versenden DÖRFFER secretarius 1, Cco L B ; hat HARSDÖRFFER secretarius L, Ccc vnr».

1727

VERSTELLEN

ein zaubernd weib kan auch den klügsten köpf verstellen LOHENSTEIN Sophonisbe 4, 225 (1689 «. 66) ; gar bald ihn Uberfällt ein gewalt des geists, so ihm verstellt das nirn, als wann er vom bier voll OPEL-COHN dreiszigjähr. krieg 8. O) 'verunstalten, entstellen': exterminare (faciem) DIEFENBACH gloss. 220"; devenustare nov. gloss. I82B; deformo, dedecoro, devenusto, invenusto, tetro, turpo, vitio, ich mach heszlich, verstell ALBERUS p j b ; dedecorare, verstellen, Unehren, schänden CORVINUS 256; verstellen, entstellen STIELER 2148; das gesichte verstellen, faciem deformare STEINBACH 8, 665; deformare, turpare FRISCH 2, 331B; dem scheine nach oder durch eine zufällige Veränderung auf kurze zeit eine andere und zwar nachtheilige gestalt ertheilen, wodurch es sich von dem härteren verunstalten unterscheidet, welches unter andern auch eine bleibende verderbung der gestalt bezeichnet ADELUNG, CAMPE; verstellen zeigt blosz an, dasz der mensch durch die Veränderung seiner gestalt unkenntlich geworden, sei, ohne zu bestimmen, ob ihn diese Veränderung hübscher oder häszlicher mache; verunstalten: dasz seine gestalt an Schönheit und Vollkommenheit verloren habe; entstellen drückt beide begriffe zusammen aus EBERHARD-LYON syn. hdwb. nr. 1419. heute noch in Oberdeutschland: Schweiz. S E I L E R H S " ; elsäss. FOLLMANN

154";

lothring.

M A R T I N - L I E N H A R T 2, 590"; schwäb.

FISCHER

1728

VERSTELLEN

2,

1362.

ein

un-

schönes äuszere entstellt den menschlichen körper: leberflecken . . . verstellen öffters das frauenzimmer AMARANTHES 1142; die runzeln verstellen dich, rugae turpant te STEINBACH 2, 665; diese häszliche kleidung verstellt sie ganz und verbirgt ihren schönen wuchs CAMPE ; des nachtes wuchs in ein ouge üg irme houbite, alsö d a j si . . . sère dà von verstalt wart d. mystiker l, 76, 16 Pfeiffer; es ekelt mir für mir, der runzeln schlaffe wunden verstellen meine haut FLEMING ged. 1,103; da rafft sie : o du falsche pfeiff, an dir ich mich nicht mehr vergreiff, weil du die schönen leüt verstellst FISCHART leb der lauten v. 281 ; iah . . fragte sie, . . wodurch sie nemlich doch in so kurtzer zeit meiner abwesenheit so jämmerlich verstellt worden wäre GRIMMELSHAUSEN 4, 557 Keller; die kleine hat eine sehr angenehme bildung, die selbst durch ihren fehler am aug nicht ganz verstellt werden konnte SCHILLER briefe 6, 62 ; ein zimlich groszer kvopff . . verstellete ihre Schönheit ABRAHAM A S. CLARA etwas für alle 2, 53; (der bläuliche hart) verstellt euer ansehn gar nicht, im gegenteil, es giebt euch ein gewisses männliches wesen TIECK5,65; er muszte schreyen in seufzen mildern, nicht weil das schreyen eine unedle seele verräth, sondern weil es das geeicht auf eine ekelhafte weise verstellet LESSINO 9, 17; ein langer Schwanenhals würde mich nicht verstellen l, 197 ; dich hat die hand der Venus berührt; sie deutet dir leise, dasz sie das körperchen bald, ach ! unaufhaltsam verstellt GÖTHE 1, 330 Weim. mit präpos.: sie erinnern sich jener amerikanischen wilden, die zwischen zwei bretern ihren kindern köpf und h i m quetschen, und sie zu Ungeheuern verstellen F. H. JACOBI 1, 36. erlebnisse und affecte verhäszlichen den menschen: vitia deformant hominem, laster verstellen den menschen CORVINUS 354; die krankheit hat ihn sehr verstellet ADELUNG; von kestegunge leiden was er nint grobelich verstalt passionai 437, 47 Köplce; wann ihr hertz verzaget, und ein blaicher schmertz verstöllet ihr baupt und geberde'n W E C K H E R L I N ged.

1,302;

hat kummer mich so sehr, mein liebstes kind! verstellt? GRYPHIUS trauersp. 389 (Stuardite 2, 359) ; . . . denn wer hätte die gekannt und aus dem feuer nicht geholt? wer hätte auf mich gewartet? — zwar — verstellt — der schreck L E S S I N O 3, 78 ( N a t h a n 3,124);

. . . ihn sähe kein auge unter den äugen, die nacht und Verzweiflung trübe verstellten KLOPSTOCK Menna» 2, 277.

anders: die einander am besten verstunden, verstellten ihre vertrauligkeit mit Schmähungen und gezäncke LOHENSTEIN Arminius l, 44b; dise nemlich, die han die weit durch ehrsucht, geitz und neid verstellt FISCHART die gelehrten 332 Kurs. d) eine auffassung, äuszerung, ein werk verdrehen: solch wild rencke und ausfluchtige wort, die schrifft zu vorstellen LUTHER 7, 341 Weim.; der aXtnvaOfxo; . . . verstellet auch die rede zue weilen nicht wenig OPITZ poeterei 30 neudr.; ich will hier nur aus seiner heldenode auf den prinz Eugen etwas anführen, welches das ganze gedieht verstellet GOTTSCHED crit. dichtkunst 362; druckfehler, die zwar den sinn nicht verstellen, aber leicht für mangel an sprachkenntnisz ausgelegt werden können LICHTENBERG briefe 3, 175; Yega beklagt sich über die Spanier, wie sehr sie die peruanische spräche im laute der Wörter verstellet, verstümmelt, verfälscht (haben) HERDER 5, 12; es ward nur Jieses älteste und . . einzig wahrscheinliche system durch zwei dinge verstellt LESSING 16, 525; dasz man erstaunen musz, wie ein herr magister das herz hat haben können, die arbeit eines mannes, wie Werenfels war, damit zu verstellen 4, 178. vom schriftsteiler selbst: der hr. professor Geliert hat . . den verdrusz gehabt, sich in unglücklichen Übersetzungen verstellet zu sehen 7,15; nie haben wir geglaubt, dasz Horaz so ganz abscheulich verstellt werden könnte GÖTHE 38, 334 Wes. 74); er straft den Verbrecher, den geiz oder Wollust trieb, das gesetz der natur zu verstören CRONEGK 2, 6 5 ;

255»;

89;

und ein farbenwechsel strebte zu verstören deine mienen PLATEN 1,366; nun sag* du alter, was verstört dir so den grauen köpf FOUQUE hetd des nordens 2, 3 0 ; k r a n k h e i t verstüliret das gehirn SCHILLER L, 162 (vgl. 2, 17G: rauber 5, L).

gemüthe

hieran schlieszt sich der heute allein gedes part. prät. an: mnd. vorstört, verSCHILLER-LÜBBEN

5, 4 6 4 B ;

stoort VERDAM 638 b ; ul. verstoord, ärgerlich,

ersteigt ein feind die Stadt? verstört der heid das fest, der uns die ostern nicht, wie brauchlich, feyren läszt? DACII ged. 242 Üsterley; ein guter wurf, ich bin für Lucius. verstöret nicht das spiel FREYTAG 3, 123;

;

wo auf der weit zwei herzen hie einander angehören, da sollte gott sie scheiden nie, und nichts ihr glück verstören RÜCKERT 1, 421. c) den geistigen zustand eines menschen aus dem gleichgewicht bringen, 'verstört machen': e i n e m das hirn, den verstand, eines gemüt v e r s t ö r e n KRAMER 2 , 9 8 5 ° ; Christus r e i c h und gute gewissen zuverstören LUTHER 18, 75, 19 Weim. ; sein hertz thiit hin und wider wancken, in schweren sorgen und gedancken, die sein gemüth verstören thäten

wirrt

v. 2 0 8 8 ;

Keller;

SICHERER-AKVELD

mnl.

ver-

verstimmt,

1191°.

meist im anschlusz an eine person (vgl. 3 a ) : e r ist gantz verstört, er ist e t w a s v e r s t ö r t i m köpfe KRAMER 2, 986»; seyd ihr gar i m köpfe verstöret Beinicke Fuchs (1650) 399; F o r t u n a t (tritt auf, v e r s t ö r t in a u s s e h e n und anzug) BAUERNI ELD 3, 35; verstört a u s s e h e n , schrecken, furcht und Zerstreuung durch mienen und kleidung verraten ADELUNG; i c h fand ihn ganz verstört CAMPE; köln. v e r s t ö ' t us sin HONIG I 9 4 B ; elsäss. geistig gestört, irre MARTIN-LIENHART 2, 611"; schu-äb. von geistesverwirrung B'ISCHER 2,1365. auch gesteigert: ich hoffte euch h e i t e r e r zu finden . . und finde e u c h n o c h verstörter, n o c h k r ä n k e r KLINGER u-erke L, 42; den andern morgen lag ich n o c h i m b e t t , als m e i n e m u t t e r v e r s t ö r t und ängstlich h e r e i n t r a t GÖTHE 26, 331 Weim.; sie s a h e n wild und verstört aus BÜRGER L, 296 (Macbeth 2, 7). mit präpos. zusatz: er giebt es zu, er fühle sich verstört, allein wodurch, will er durchaus nicht sagen Shakespeare 3, 229 (Hamlet 3 , 1 ) ; und ward im argwöhn so verstört, da ihr euch habt mit Worten gwehrt, hab ich euch ghalten für ein thorn AYREU dramen 2172 Keller; geliebte, hört dies schreyn, (spricht sie, von furcht verstört) ZACHARIAE 1, 4 0 ;

dasz stört 2, 36; dates

VERSTÖRIG - VERSTÖRUNG

VERSTÖRER, VERSTÖRERIN

1777

er unpassend genug antwortete, aufs neue verdurch die rückkehr des königs LAUBE Schriften es wäre auch Silius . . verstöret über des Tyriyerlust A. U. v. BRAUNSCHWEIG Octavia l, 672.

selten im anschlusz an 3 b , 'unruhig': in was für eine verstörte haushaltung hätte euch mein trauriges geschick bringen können! THÜMMEL reise in die mittägl. Provinzen 5, 393; die sonst so geruhige, wohnliche stadt Heilbronn w a r wie verstört GAUDY 4, 129; ihr muth aber, in einem so verstörten lande, wie Italien jetzt ist, so ganz allein, so unbefangen umherzuwandern, ist in der that bewunderungswürdig PÜCKLER briefWechsel 4, 72. zu 3 c : mit verstörtem gemüt etwas anhören KRAMER 2, 986"; meyn hertz ist myr yn meym leybe verstöret LUTHER 18, 521, 21 Weim.; (dasz er) an seinem verstörten gesichte unraht vermerkte A. U. v. BRAUNSCHWEIG Octavia l, 283; indem sie, mit einer verstörten gebärde,

HOF wendunmuth L, 463; ob sie gleich verstörer und tyrannen . . . werden können neuer büchersaal (1745) 8, 385; j a du verstörerin, meinstu, m a n m ü s z dein schonen, und n a c h Verdienste dein dir w i d e r u m nicht l o h n e n ? dreiszigjahr. krieg 206 Opel-Cohn.

2) zu verstören 3, 'Störenfried': verstörer des landfriedens KRAMER 2, 986"; (der teufet) als ein verstörer göttlichs wercks und Ordnung LUTHER 3 4 6 3 , 38 Weim.; der Mahometh ein verstörer ist unsers herrn Christi und seines reichs 302, 122; der verwirrer und verstörer aller stände MOSCHEROSCH Philander L, 656; bald verfluchte sie auch den einen und den andern als . . . verstörer ihrer Vergnügung LOHENSTEIN Arminius 2, 449*; die klugen heiden das glükk eine königin der weit und verstörerin aller menschlichen rahtsläge und klugheit genennet . . haben SCHOTTEL frieden» sieg 9 neudr.; da triffst du's eben, z w e y erzfeinde sind's, verstörer meiner ruh und sttszen s c h l a f t Shakespeare 9 , 1 4 6 (Richard III. 4, 2).

a u f s t a n d K L E I S T 3, 162; wild, und verstörten blicks, und atemlos fragt er nach vater HEINE 2, 255; bemerktest du, w i e ihre schritte w a n k t e n , w i e bleich und w i e verstört ihr antlitz w a r SCHILLER 13, 298 (jungfrau im abgrund des entsetzens, da ich k a u m . . m i c h m i t verstörten sinnen wiederfinde, ergreift mich deine groszmuth noch zuletzt

8836);

GÖTHE 9, 398 Weim. (Tancred 774); einige stunden festen schlummers bringen die verstörte natur in's gleichgewicht HOLTEI erz. Schriften 21, 188; das ganze erscheinen (wesen) war verstört, überwacht GUTZKOW ritter l, 24; war mir's doch ebenso wild und bunt und verstört im herzen EICHENDORFF S, 19. auf äuszerungen bestimmter gemüthsverfassung übertragen: (da) k a m der junge Dietrich aus einem seitenzimmer in verstörter eile TIECK Schriften 17, 64; jemand, der in einem zauberspiegel das bild seiner zukunft mit verstörter aufmerksamkeit betrachtet DROST'E-HÜLSHOFF 2, 272; als er die äbtissin und den stiftsvoigt, in einem verstörten Wortwechsel, unter das portal des klosters t r e t e n s a h K L E I S T 3, 1 7 1 ; 1,209.

5) auch das part. preis, ist als adj. im gebrauch (zu 3): verstörend, turbante KRAMER 2, 986"; als eine feindselige vision mich in der predigt auf so verstörende weise unterbrach E. T. A. HOFFMANN werke 2, 34. auszergewöhnlich ist ein reflexiv.: sich verstören, turbarsi; verstöret euch nicht, non vi alterate KRAMER 2, 985C; itzt stehen sie yn grosser hoffnung, wyr werden uns selbs vorstören mit eygener uneynickeytt LUTHER 10 2 , 12, 8 Weim.; nicht verstöre dich, mein lieber Joseph! es scheint, es sei der wille gottes, dasz wir dahin reisen PETER Schlesien L, 382: und nun, o mensch, w a s thust dagegen d u ? o der du nur, w i e ruhlos du beklommen dich selbst verstörst, verstörst auch uns're ruh RÜCKERT 3 , 1 1 1 . VERSTÖRER,

m„

VERSTÖRIG,

VERSTÖRERIN, f.,

substantivbil-

dungen zum vorigen: verstorer, exterminator, depopulator voc. 1482 k k L b ; dispensator DIEFENBACH gloss. 186" (mhd. wb. 2, 2, 6 6 1 B ; L E X E R 3, 253); vastator STIEL E R 2173; K I R S C H 2, 314»; K R A M E R 2, 986"; CAMPE ver-

VERSTÖRLICH,

adj.,

nur

bis

zum

16. jh., 'zerstörend, verstörend, störend, nachtheilig': turbidus, verstörig, verstorlich DIEFENBACH gloss. 602»; verstorlich, arroganter (i. e. abroganter) 50°; depopulanter voc. 1482 k k l b ; es ist ein bös mensch niemant so untreglich und vorstorlich als er ihm selbs LUTHER 8, 218 Weim. mnd. vorstörlik, exitialis LÜBBEN-WALTHER 526»; mnl.

v e r s t o o r l i k e V E R D A M 638 B .

VERSTÖRNIS, f., wie Verstörtheit, verstörung abstractbildung zu verstören. verstörnis ist veraltet; Verstörtheit wird erst im 19. jh. nach verbreitetem muster gebildet; verstörung allein hat sich in dem ganzen Zeitraum gehalten. v e r s t o r n i s s e , speeimen

(?) D I E F E N B A C H gloss.

545 B .

'Zer-

störung': weisz aber, dasz sie zu dem schaden quemen von brande, von nidderloge, von verstornisse WIGAND GERSTENBERG chronik 420. 'Störung': v a n v r a j h e i t so kumet . . verstornisse der vernunftekeite regel für ein vollkommenes leben 42 , 42 Priebsch. mnd. vorstörnisse, Störung

fern bleibt der wilden weit verstörte künde FOUQUÄ reiseerinnerungen

1778

L Ü B B E N - W A L T H E R 526».

'verstörung':

die

ver-

stöhrnüs wäre unbeschreiblich, und die furcht . . . wäre allenthalben an den höflingen abzunemmen LINDENBORN Diogenes (1742) L, 497; sowie sich nämlich . . der freischarenschrecken als grundlos herausgestellt hatte, war an unserem Gottlieb eine verstörnis bemerkbar geworden SCHERR Gottlieb Bopser (Hesse 6, 59). VERSTÖRTHEIT, f., vgl. verstörnis. mnl. verstoortheit VERDAM 638"; nl. verstoortheyt des gemoeds, Verstörtheit, verstörung des gemüths KRAMER nider-hochteutsch. dict. 457". nhd. weit verbreitet, zu verstören 4, 'gestörte gemüthsverfassung': weil aber Nolten schwieg und übrigens sein einsilbiges wesen den ausdruck von Verstörtheit hatte MÖRIKE 3, 134; die Verstörtheit R.s steigerte ihr wehe AUERBACH Ii, 102; er merkte, dasz seine Verstörtheit auffiel und schlosz sich in seine stube ein ANZENGRUBER 5, 184; trotz ihrer Verstörtheit besasz Aurora noch kraft genug RAABE leute aus dem walde 2, 98; sie warf einen blick scheuer, freudiger Verstörtheit aus unschuldigen äugen zu ihm hinüber FRENSSEN Kl. B. Baas 334.

wirft das biblische verstörer statt Zerstörer, kennt es aber in anlehnung an verstören 3. heute ist es in guter Sprache nicht üblich und in der klassischen literatur auch

VERSTÖRUNG, f., hat verstörnis verdrängt («. d.). verstörung kann bedeuten die handlung des störens, zerstörens, verstörens und den nach der handlung herrschenden zustand, es herrscht seit der mittleren periode

nur

hd.

bei A . W . S C H L E G E L nachgewiesen,

1365 als veraltet gebucht,

bei F I S C H E R 2,

mnd. vorstorer, vorstorersche

S C H I L L E R - L Ü B B E N 5 , 4 6 4 B ; mnl.

v e r s t o r e r V E R D A M 638 B ;

nl. verstoorder, m., verstoorster, f., R E R - A K V E L D 1 1 9 1 ° ; vgl. altnord. bog 462 B .

Störenfried

SICHE-

f o r s t j ö r i F R I T Z N E R ord-

l) zu verstören l, 'Zerstörer': landverstörer, landzerstörer, vastator STIELER 2173; der verstörer hütten haben die fülle, und toben wider gott thürstiglich Hiob 12, 6; (der papst war) nit ein verstörer, vil mehr aber ein auffrichter der wechszlertische und taubenkremerey KIRCHXII.

wie nd.:

3, 253;

verstoerunge

exterminium

mhd.

wb. 2, 2 , 6 6 1 B ;

D I E F E N B A C H gloss.

220»;

LEXER sübversio

562C; vastitas 607°; babel (i. e. confusio) 64»; sanguis 511»; obrogatio, devastatio voc. inc. teut. ii 5»; ab-, ver-, Zerstörung, excidium, vastatio, vastitas, eversio STIELER 2174; v e r s t ö r u n g d e r s t ä d t e K I R S C H 2, 3L4 B ; v e r j a g u n g , v e r d e r b u n g , v e r s t ö r u n g K I N D E R L I N G 263; C A M P E , mnd

vorstoringe, Zerstörung,

Vernichtung

SCHILLER-LÜBBEN

5, 4 6 4 B ; mnl. v e r s t o r i n g e V E R D A M 638 B : nl. S I C H E R E R - A K V E L D 1192»; fries. forsteuring L, 420 B .

112

verstoring DIJKSTRA

1779

VERSTOSZ

VERSTOSZ

l ) für Zerstörung steht verstörang {vgl. verstören l ) in aer älteren spräche sehr häufig; ADELUNG erwähnt es als veralteten auadruck der bibelsprache. doch ist es noch vereinten im 19. jh. nachzuweisen; so obd. mundartlich lebendig: schwäb. FISCHER 2, 1866; elsäss. MARTIN-LIENHART 8, 611*. hierher gehören sämmtliche älteren lexicalisehen nachweise, mhd. gemühit was (er) vil s8re noch von der voratönmge joch NIE. V. JBROSCHIN preasz. chron. £0519; daraus . . folgen mus verderben, verstörang and Verwüstung deutsches lands LUTHER 18, 894,16 Weim.; wer da wil oder kan, lese von solcher verstörang der stadt Jerusalem selbst KIRCHHOP wendunmuth 8, soi; spiel von der verstörang Jerusalem GRYPHIUS Squenz 16 neudruck; aaszer den Überbleibseln an diesem orte hat eine allgemeine verstörang alle werke der alten baukunst in dieser insel zernichtet WINCKELMANN 2, MS; doch auszerhalb. der mauern (von Thorn) merkte man die verstörang, oft sahen die bürger den himmel geröthet FREYTAG ll, 96. 'Unterdrückung': dorch strafinge willen und vorstoringe der ketterie (ketzerei) d. städtechron. 7, 866, 81. 8) mit persönlichem genitiv im anschlusz an verstören 8 und 8 a, 'Vertreibung, beunruhigung': dit was de dridde verstorunge der joden sächs. weltchron. 187, l l Weiland; um verstSrfing der armen, {Int um's gelfen elender lent, wiel ich aufsein itzt nfin SCHKDE-MELISSUS ptalmen 45 neudr. 8) mit sächlichem genitiv zu verstören 8 b, 'Störung, behinderung': Judas . . . die brüder der verstörang des wegs der warheit also underweyst vorrede zur epiatel Judä in der ersten d. bibel 8, 465, 84; allerley leyden, das do dynet zu vorstorang unsere willen LUTHER 8,105 Weim.; weil doch Hannibal . . die verstörang seiner last . . rächen würde LOHENSTEIN Arminius l , 840*; ist das keine verstörang (des gottesdienstes) wenn die gemeine, weil wider ihren willen die agende eingeführt ist, die kirche verläszt SCHLEIERMACHER 5, 668. 4) eoncret, 'der zustand der Verwirrung': welche mit einem vollen weinkrag in die verstörang trat BRENTANO 4, 887; es sei ein einziges mal in der nacht ein . . mann da gewesen und von da an sei die verstörang im hause KELLER 7,116; aber auch Irmgard empfand die verstörang dieses morgens FREYTAO 8, 106. ganz austergewöhnlich ist die mehr zahl: Richard, dein weib, Anna, dein elend weib, die keine ruh'ge stunde schlief bey dir, fSUt deinen schlaf jetzt mit verstffrungen Shakespeare 9,193 (Richard III.

6, 8).

6) erst im 18. jh. ist die heute noch übliche anwendung auf den geistigen zustand im anschlusz an verstören 8 c nachzuweisen: verstooring des gemoeds KRAMER niderhochteutsch. dict. 457B; nhd. verstörang des gemüts, perturbatione . . dell' animo; etwas mit grosser verstörang vernehmen, con grand' alteratione, cotiturbatione it. dict. 8, 986*; fehlt bei ADELUNG und CAMPE; SO gab ihm jene, fcobald sie den handel merckte, aus eifersucht einen herben backenstreich . . . mancher würde sich in dieser verstörang fibereilet haben WARNECKE poet. versuch 801; die Sassenkrieger Bähen mit einem gemisch von fieude und verstörang auf den . . . ritter FOUQUE bildersaal 4, 856; in dem zustande von verstörang und ermttdung LUDWIG l, 834; dasz Dorothea sohon während der letzten lebensjahre ihres gemahles merkmale tiefer geistiger trübung und verstörang gezeigt hatte TH. MANN königl. hoheit 166. VERSTOSZ, m. L) seit dem 17. jh. in anlehnung an stosz für das ältere verstoszung 6, dessen gebrauch bis ins 18. jh. hinabreicht, tu verstoszen I B 8 gebildet, 'geringer fehler, versehen', zuerst 1716 in LUDWIGS teutschengl. lex. verzeichnet (WEIGAND-HIRT 1166); verstosz, und sonst auch ein irrthum oder fehler in der rechnung, error caleuli CHOMEL öcon. lex. 8, 8188; einen verstosz in der reohnung begehen ADELUNG; schweif. STALDER 8, 401; ich habe einen posten nicht aufgeschrieben und finde

1780

einen verstosz in meiner rechnung GÖTHE IV 8, 866 Weim.; er war sich zwar . . keiner auffallenden verstösze (in der rechnungsführung) bewaszt GUTZKOW ritter 8, 118; dort (in seiner Werkstatt) fand er freilich grobe verstösze und Unordnungen HOLTEI erz. Schriften 80, 906; so ist rathsam, dasz man vorhero . . versuche, wie hoch solcher (acker) zu brauchen sey, eh er den handel macht, sonsten kan leichtlich Verstoss geschehen (in der Veranschlagung) GÖCHHAUSEN notabili» venatorie (1741) 887. allgemein 'eine handlung. womit man gegen etwas verstösze CAMPE; ein verstosz wider die gute lebensart ADELUNG; gegen regeln und gesetze; wer wil beschreiben ohn verstosz SPBE trutznachtigdB 174; ich wollt auch gerne werden grosz. es war aber dies mein verstosz, bei L&tzen und Oldenburger Schlacht zu bald mich aus dem felae macht drdtzigjähr. krieg 848 Opel-Cohn ; drum ist der miszveistand und klägliche verstosz der menschen, die sich sonst der gnade rühmen müssen: sie stellen das geschftft der Seligkeit zu blos, sie Betzens ins gebot, in formen-ding, in wissen ZINZBNDORF ged. 830; der ganze verstosz bey dieser erklärung steckt in dem worte hlaford GOTTSCHED anmuth. gelehrsamkeii 3, 881 ; dasz diese abscheulichen verstösze wider die regeln des Wohlklangs mit allem fleisz . . wären begangen worden KLOPSTOCK gdehrtenrepublik 206; wenn bei genauer . . durch sieht des Werkes einige verstösze gegen die riehtigkeit in der Zeichnung bemerkt worden GÖTHE 49,480 Weim. ; wie kann dieser kurfürst (bei Kleist) . . dem prinzen (von Homburg) einen so häszlichen verstosz gegen alle ritterliche haltung verzeihen? TREITSCHKE hist. aufsätze l, 110; er . . fand . . den verstosz lustig WIELAND Lucian 8, 816; das ist noch der gröszte verstosz unter allen; der mann sollte in die laterne gesteckt werden; wie ist er sonst der mann im monde? Shakespeare 1, 288 (sommernachtstraum 5, l). vereinzelt concret gebraucht: hoher gefallner! deines geschlechta beginner und ender I seltner söhn ihrer schrSklichsten laune, erhabner verstosz der mutter naturi SCHILLER l, 801. der phtr. verstösze ist gang und gäbe, nach ADELUNGS angabe noch selten: von der jungen dame, welche sonst stundenlang über gesellschaftliche verstösze zu plaudern wuszte KELLER 6, 87. früher auch ohne umlaut gebildet: in englischen und deutschen trauerspielen wären doch so viel verstösze gegen den geschmack A W . SCHLEGEL im Athenäum l 2 , 37. 2) von sich verstoszen, 'sich veruneinigen' (vgl. I C 4) findet sich früher die nd. bedeutung 'Uneinigkeit, streit mit einem andern': verstosz mit jemand bekommen ADELUNG, CAMPE; verstoot mit eenander krigen, 'in Uneinigkeit gerathen, sich verunwilligen' brem. wb. 4, 1054; et kümmt wol eens een verstoot DÄHNERT pomm. 58711 ; dieses nun war der erste verstos zwischen Atheniensern und Peloponnesiern HEILMANN pelop. krieg (1760) 78; da das hochzeitfest geendigt war, fing ich mit meiner jungen frau meine haushaltung an, und lebte recht glücklich mit ihr. gab es j a bisweilen einen verstosz, so zog ich meinen vater zu rathe SALZMANN Conrad Kiefer (1846) 10. 8) auf ein nicht belegtes intr. verstoszen oder reflex. sich verstoszen, 'sich einen schaden zuziehen' mag der gleichfalls veraltete gebrauch für eine pferdekrankheit zurückgehen: 'überdritst des futters, wenn das pferd nicht fressen will und ein trockenes maul hat' allg. haushalt.lex. (1749) 8, 586; ADELUNG erklärt es durch anstosz: ein pferd habe oder bekomme den verstosz, sagt man im gemeinen leben; CAMPE; wohl falsch erklärt bei HÖFLER krankheitsnamen 698*. 4) an verstoszen II A 1 ist ein concret. verstosz 'verstopfungsmittd' anzulehnen: nim feigen ein pfundt, stopfwachs oder verstosz, mit welchem die bienen die klunsen in bienstöcken verkleiben ZECHENDORFER von gebrechen der rosi (1871) 49.

1782

VERSTOSZEN

VERSTOSZEN

ä) zu verstoszen II A 2 'verstecken, verbergen' gehört die Österreich. Wendung in verstosz gerathen, 'abhanden kommen, verloren géhri C A M P E ; S C H M E L L E R 2,791; wenn wir irgend eine in verstosz gerathene sache alle miteinander mit offenen äugen vergeblich gesucht hatten ROSEGGER 8, 41; die Kunigunde Pachnerin, dienstmagd beim Höllerbauern, ist seit zwei wochen in verstosz 6, 89; sie hatte . . . ihr klavierspiel allmählich in verstosz geraten lassen E M I L S T R A U S Z freund Hein (1905) 19. nach E D W . S C H R Ö D E R heute auch in Norddeutschland bekannt.

bald aber Nero sich verkert, Octaviam, sein gmahel, verstiesz

1781

VERSTOSZEN,

Sc, 220', 890°, 4 6 5 B , 488*, 490 A , 4 9 3 B , 4 9 7 " ; VOC. 1482 i i 8 A , KK 2'; nhd. F R I S I U S 6 B , N B ; MAALER 4 3 3 , B ; ALBE-

RUS kkij», iij a ; CALEPINUS 398\ 1161"; STIELER 2180; 2, 9 9 I , L E ;

DENTZLER

SIS";

ADELUNG,

CAMPE.

Verstösse": Schweiz. S E I L E R Basel 118 b, S T A U B - T O B L E R L, 911; elsäss. M A R T I N - L I E N H A R T 2, 6 L 7 B ; schwäb. F I S C H E R 2, 1865/.,- bair. S C H M E L L E R 2, 791. md. verätouszen luxemb. wb. 4 6 7 B . altsächs. farstötan, impingere G A L L E E Vorstudien 425; tnnd. vorstoten L Ü B B E N W A L T H E R 5 2 6 * ; vorstoten, propellare, refutare D I E F E N BACH gloss. 4 6 5 B , 4 9 0 A ; brem. ostfries. pomm. verstöten brem. wb. 4, 1054; D O O R N K A A T 1, 4 6 8 B ; D Ä H N E R T 5 2 7 B ; waldeck. ferätaut«n B A U E R - C O L L I T Z 8 I B . mnl. verstoten VERDAM 639a; nl. verstooten KILIAN 605b. obd. mundarten

A. trans. rection. 1) am meisten verbreitet ist die gehässige bedeutung 'eine person von sich stoszen', die sich mit verwerfen berührt: den sie etwa verächtlich verstoszen und verworfen hatten und ihn verlachten weish. Sal. 11, 15. W I L M A N N S gramm. 2, § 126 führt sie nach dem muster von got. fra-wairpan auf eine fra-type zurück; ahd. virstöjit, praecipitat S T E I N M E Y E R - S I E V E R S gloss. 2 , 7 4 B ; virstojan pin, propellor 600b; bei N O T K E R häufig: diu er geskQof ferstöjet er Üjer sinemo riche, eliminat l, 290,10 Piper; nhd. intercessorem abjicere, den widersächer . . verwerffen oder verstoszen FRISIUS 6 B ; verstoszen, verjagen, vertreyben M A A L E R 4 8 8 A ; kinder, liberos abdicare; sein weib verstoszen, divortium cum uxore facere; braut verstoszen, sponsam repudiare S T I E L E R 2180;

KRAMER

2, 9 9 1 B ;

FRISCH

2, 3 4 2 A .

man

verstöszt

eine person, wenn man ihr den bisherigen schütz, die bisherige liebe und Versorgung auf eine gewaltsame weise entzieht, besonders loenn diese entziehung mit einer Unterbrechung aller persönlichen gemeinschaft verbunden ist A D E L U N G , C A M P E , mundartlich wohl im ganzen Sprachgebiet verbreitet, mhd. von Narbön grftf Heimlich alle sine süne verstieg, da; er in bürg noch huobe lieg, noch der erde dechein s£n itcheit WOLFRAM WiUehalm 5 , 1 7 ; dur dag sí mich sö wandelbaren vant, min wandel und ir wlsheit mich verstieg HARTMANN V. A U E in minnesange frühling 206, 4 . nhd. verbirg dein antlitz nicht vor mir, und verstosze nicht im zorn deinen knecht psalm 27, 9; derhalben so sie von wegen der Unbilligkeit angeklagt werden, vertreibt und verstösst sie die oberkeit AGRICOLA-BECH bergwerckbuch 18; ward Benedictus . . . abgesetzt, entsetzt, verbannt, und mit glocken ausz allen landen geleut, und mit brinnenden kertzen Verstössen FRANCK chron. Oermaniae (1538) 2 8 0 ; Schweinichen ist ein alter fürstl. diener und ein gut mann, er kann ohne genügsame Ursachen nicht Verstössen werden SCHWEINICHEN 479; als nun zwar Rhascuporis . . . den fürsten Cotys als ein huren-kind zu Verstössen bedencken hatte LOHENS T E I N Arminius 2, 115";

Keller;

L E S S I N O 3 , 1 7 5 ( N a t h a n 5, 057);

so Iasz sie fallen und verstosze mich (die priest er in), verbanne mich zur strafe meiner thorheit an einer klippen-insel traurig nfer GÖTHE 10, 85 Weim.

(Iphigenie

1958);

was ist dir? so verschlossen feierlich empfängst du mich — entziehst dich meinen armen, als wolltest du mich (die braut) Heber ganz verstoszen? SCHILLER 14, 84 ( b r a u t v.

verb.

I . schon ahd., besonders bei N O T K E R , in ausgedehntem gebrauch: farstögan, impeliere, depellere, propellere, repeliere, impingcre, offendere, resultare G R A F F 6, 782; auch, in der Verstärkung aba, ana, daña, nider, ü; farstöjan 783. in reicher bedeutungsverzweigung mhd. verstöjen mhd. wb. 2, 2, 6 6 6 / . ; L E X E R 8, 2 5 8 / . , - D I E F E N B A C H gloss.

KRAMER

SACHS 7, 3 9 4 , 1 0

nicht eure Recha mehr? — gottl ihr verstöszt siel gebt ihr ihren christennamen wieder! verstöszt sie meinetwegen 1 (die tochter)

Messina

1796);

ich bin ihnen nichts schuldig und doch wollen sie mich (den treuen diener) verstoszen? L E S S I N G 2, 188 (Minna 1,8); ungehört verhallten die klagen der getreuen Ansbacher, die in verzweifelten adressen den könig baten, er möge sie nicht verstoszen T R E I T S C H K E deutsche geschichte L, 229. 'verleumden': ein böses maul verstoszet redliche weiber, und beraubet sie alles, was ihnen sauer worden ist S C H U P P Schriften 312. häufig wird die Stätte oder stelle bezeichnet, deren man verlustig geht, von der man vertrieben wird, in älterer spräche mit genetiv: des raths Verstössen, abdicatus consulatu A L B E R U S k k i i j a ; dag er mich ir (von ihrer teite) nie verstieg und mich sö gtletltchen lieg mit der junevrouwen eggen HARTMANN V. AUE Iwein

361;

jä mac mit Sren nu min Up ergetzen dig werde wip, dag ich se hulde min verstieg (aus meiner gumt) WOLFRAM Parzival

271,1;

wurdent sie durch deinen engel des paradeisz Verstössen Aimon (1685) r v i a ; ettlich Warden ihrer empter verstoszen und der statt verwisen H E D I O Phil, de Comines (1551) 18. gewöhnlich mit präpos.: das si (die abgefallenen enget) den menschen abgeziehen, das der mensche ir stat nüt ervolge, dannan ab si Verstössen sint T A U L E R 374, 7 Vetter; Lucifer ist vor gottes angesicht Verstössen M O S C H E R O S C H insomnis cura 70 neudr. gewöhnlich steht aus und von: ausz einis gesellschafft vertriben und verstoszen werden, extrudi ab aliguo b M A A L E R 433 ; einen von seinem vätterlichen erb verstoszen, expellere e patrinumio a; dag ir mich nü verstieget si gerne ftgerm lande H E I N R I C H V. VELDEKE Enett

259, 4 ;

und verstosz mich auch nit von dir in deinem zoren, deinen knecht SACHS 18,120, 37 Keller-Götze; do der kling David von sinem küngrich was verstoszen S E U S E 36, 6; ich bin von deinen äugen verstoszen psalm 81, 28; wie kompts dann, dasz man die miinch von aller guten gesellschaft verstöszt F I S C H A R T Oarg. 889 neudr.; er hätte . . . seine kinder . . . aus der erbschafft Verstössen G R I M M E L S H A U S E N 4,722 Keller; du siehest wohl, dasz du aus der väterlichen gnade Verstössen bist W E I S E comödienprobe 56; wie du . . dein arme seel . . von der höchsten Würdigkeit der kindschafft gottes . . . Verstössen A B R A H A M A S . C L A R A 2. 316; verstoszen hab ich ihn aus meinem herzen SCHILLER 12, 523 ( J f . Stuart

2818).

zieht jemanden aus dem rathe, aus oder von einem amte stoszen statt verstoszen vor; dem entspricht der heutige brauch. mit richtungsbestimmung: ins elend verstoszen, mittere in exilium D E N T Z L E R 3 1 3 B ; F R I S C H 2, 342a; und will den von mitternacht ferne von euch treiben, und ihn in ein dürres Iand Verstössen Joel 2, 20; (gott) hat sie mit ketten der finsternisz zur hölle Verstössen 2 Petr. 2, 4; das sie yhre söne, töchter und freunde nicht mehr sollen oder mügen yn klöster und stifft verstoszen und aus dem hause und gutt weysen L U T H E R 15, 28 Weim.; Rheam aber verstiesz er in eia closter S T U M P F Schwytz.chron. 146b; als sie mich jetzo auff die galeeren Verstössen haben S O H L E Don Kichotte 290; wie viel hochwohlgebohrne seelen würde ich nicht unter den pöbel Verstössen RABENER 2, 94; ADELUNG

112*

1783

VERSTOSZEN ir etlich er gar würgen hies und ir vil ins eltent versties S A C H S 2 , 1 3 8 , 22

Keller;

wie wol ich manchen herten straitT ervaren bet, des hab ich klain genossen, seyd ich ward zu dem stegeraiff mit baiden sporen seuberlich Verstössen OSWALD

V. W O L K E N S T E I N

13, 3, 4 ;

da kam der Venus kindt, bracht eine krön von myrtcn vor meinen lorbeerkrantz. verstiesz mich zu dan hirlen OPITZ teutschc poemata 11 neudr.; weggenommen ist dir dein reich, und hinab zu den thieren bist du verstoszen! KLOPSTOCK Messias 11, 3S1; in die wildnisz hinaus sind des Wäldes Faunen verstoszen S C H I L L E R 11, 7 8 ;

dem z a f a l l beliebte es, seine jugcnd in schmutzige hütten, ställe und scheunen zu verstoszen GÖTHE 21, 193 Weim.; sobald man uns . . . in ein amt verstöszt, w o uns alles, was wir gelernt haben, unnütz ist NICOLAI Nothanker 1, 109. nominalformen. sulst. infinitiv: abdicatio, repulsa, das Verstössen ALBERUS k k ü j " ; nuhn aber in seim {Lucifers) Verstössen, ist sein schein ein finsternusz geworden PARACELSUS opera 2, 262B; die frau kann v o m manne verstoszen werden . . . das verstoszen ist sehr häufig R I T T E R erdkunde i, 644. part. präs.: als treulos ich das theure land verliesz, wo mir, wie nirgend sonst, die freude blühte, mich selbst verstoszend aus dem paradies voll freundesliebe, holder frauengUtc LENAU 76. ausgedehnter ist der gebrauch des part. cativer wie attributiver stel'ung:

prät.

in

prädi-

hie vor was ich ein engel klar, nu bin ich vorstoiszen gar Alsfeider paes. 5,152; wir O'uden) liegen in grossem zwang, von got Verstössen gantz und gar S A C H S 1 , 1 7 2 , 20

Keller;

ich sasz einsam und verschmachtet, weil mich der, der lieben soll, liesz verstoszen und verachtet G R Y P H I U S lustspi'le

189;

sieh die Schmach, o bruder, deiner schwester! mich verstoszen, mutter dieser füufe! G Ö T I I E 2, 50 Weim

;

ins öde kloster sahst du dich verstoszen hier an den grenzen der belebten weit S C H I L L E R 15

484 ( D e m e t r i u s 2, 1 ) ;

'verstoszen', antwortete Kohlnaas, indem er die hand zusammenknickte, 'nenne ich den, dem der schütz der gesetze versagt ist' KLEIST 3, 183. attributiv: der arme junge lewe gieng elende und betrübt als ein Verstössen wayse aus seinem erblichen reich LUTHER 26, 548 Weim.; die hierdurch höchst-bekümmerte mutter und freundschafft kamen mit ihrer beschimpften und endlich gar verstossenen tochter für den Varus LOHENSTEIN Arminius l, 61* ; Origenes sagt: seine Zeitgenossen hielten die warmen quellen für heisze thränen verstoszener enget GÖTHE 41-, 54 Weim.; das Unglück und die erniedrigung . . machten aus dem unklar verliebten irrgänger einen verstoszenen liebenden KELLER 5, 46. substantivisch gebraucht: reprobus, verstossener DIEFENBACH gloss. 493 b ; der Verstössen, v e r d a m m t , reprobus DENTZLER 313'; das gelübd einer witwen und verstossenen, alles wes sie sieh verbindet über ire seele, das gilt auff ir 4 Mos. 30, 10; also bleibt der verstossene ( E s a u ) zu hause, der gesegnete {Jacob) musz ein . . exempel der gedult . . ar. sich erkennen lassen WEISE comödienprobe, F.sau u. Jacob, vorrede; aus Nazareth begab sich der verstoszene nach Kapernaum HERDER 19, 166; ich bin eine nichtswürdige verstoszene, die durch kleine kunstgrifle die schände von sich abzuwehren sucht LESSING 2, 325 (Sara 4, 5); ich allein der verstosene, ich allein ausgemustert aus den reihen der reinen SCHILLER 2, 117 {rauher 3, 2); ich habe lange mit meinem schicksal gegrollt und hatte stunden wo ich mir vorkam wie ein verstoszener FREYTAH 3, TS. der verworfene ist verachtet als sittlich heruntergekommener mensch, der verstoszene einsam und verlassen; er kann auch völlig unschuldig sein schicksal tragen EBEHHARDLYON

st/n.

Itdicb.

nr.

1420.

1784

VERSTOSZEN

2) selten ist die Verbindung mit sächlichem object: 'hart von sich weisen, verwerfen'; schon CAMPE bezeichnet verw e r f e n als gewöhnlicher, das heute ganz zur herrschaft gelangt ist, vgl. EBERHARD-LYON ebd. tine gäbe attsschlagen: das . . . sie die c r o n s c h l e c h t e r d i n g s mit un-

danck abweisen, und ohne alle recompens . . . Verstössen wolten C H E M N I T Z schwed. krieg 2, 12; der prfster onch das gut verstiej pastional 517,16 Kopie.

üblicher

übertragen: der knappe nie den muot verstieg, er taete swu/ sin sWeher hies RUDOLF

V . E M S Barlaam

151,11;

nun habt irs für recht zugelossen, darnach für unrecht gar Verstössen, nun habt ir weisz und schwartz geredt FISCIIART S. Dominic. leben v. 1590; musz denn Amaryllens weinen, Amarvllens schwere pein ganz und gar verstoszen sein? F L E M I N G ged.

1,434;

so wird man seine güte loben, die unsre bitte nicht verstöszt H A L L E R ged.

232

Hirzel;

dari.mb ist in disser episteil mechtiglich vorstossen und vordampt alle naturliche weyszheytt, aller menschen vornunfft, aller heyden kunst, alle menschliche lere und gesetz LUTHER IO1, l, 527 Weim.; dann er seine selbst eigne, dir verlihene gnaden Verstössen, und verwerffen wurde GUARINONIUS greuel, dedicatio 3 b ; ich weisz nioht, welches von beiden, ob gewissen oder ehre, er am frechsten verstiesz KRETSCIIMANN *. 151. in noch anderem sinne: man könne nicht ohne schände . . des Vaterlandes die angeborne . . muttersprache ins elend Verstössen SCHOTTEL friedens sieg 59 neudr.; man mus nichz aus der spräche ferstossen, was darin zu sein ferdint KLOPSTOCK über spräche u. dichtkunst 1,302; gar manches wird ausgesprochen, gedruckt und an den tag gebracht, welches demohngeachtet geheim bleibt; man übersieht, verkennt, verstöszt es GÖTIIE I I 5^403 Weim.; Locke . . liesz einen beweisgrund für die gottheit. fahren, den Cicero selbst . . nicht verstoszen wollte HERDER 23, 137; er verstöszt alle mittel, welche man ihm empfiehlt CAMPE; so wird gleich der allgemeine name germanisch . . verstoszen J. GRIMM kl. Schriften 4,67; die aufsichtsbehörde ist namentlich b e f u g t . , die sonst in verbindlicher weise getroffenen bestimmungen zu verstoszen hypotheken-bankgesetz (1899) § 4 abs. 2. part. prät.: alles wird durch lust gerüret. wir nur gönnen unsre zeit der verstosznen einsamkeit F L E M I N G ged.

da mein nun verstosznes sehnen unaufhörlich räche schreyt

1, 4 1 7 ;

S T O P P E Parnasz

258.

mit abhängigem satze: damit will ich nit Verstössen, das du sunt Peter ain ter thüest LUTHER 103, 282, 3 Weim. 3) ähnlichen brauchs a%if.

sinn

weisen einige

seltene arten

des ge-

a) 'ausstoszen': das mörwasser, ob es wol nicht das mitvermengt saltz iergends hin kann auszwerflen oder verstoszen SEÜIZ feldbau 17; unser 'frischeste' also, und, was die poesie beibehielt, 'reineste', hat kein e eingesezt, sondern es nur nicht verstoszen V o s s Zeitmessung 75. vom bilde des hirsches, 'abstoszen': bin gleich wol kein jiingling, der eben aufbrauszt, hab die ersten hörner lang verstoszen MusÄus physiogn. reisen 2, 21. b) 'aus der rieht ung stoszen", wohl nach dem verschlagen {sp. 1086/.) in der poesie gebildet :

muster

o wähnend lieben, liebeswahn. allmächtiger magnet, verstosze nicht des sängers kalin der stets nach süden geht B E T T I N E frühlingekranz

2G2;

der künig Karl fuhr über meer mit seinen zwölf genassen; zum heil'gen lande steuert' er, und ward vom stumi verstoszen Ü H L A N D ged.

1, 270.

1785

1786

VERSTOSZEN

VERSTOSZEN

an dasselbe Vorbild (sp. 1089) schlieszt sich ein mhd. verstoßen 'den ausschlug geben, etwas verschlagen' an mhd. leb. 2, 2, 666 b ; manige rede und manic wort wart dä von in zwein gehört, die nuwit ne verstieg HERRORT V. FRITZLAR 16682. c) Werthgegenstände 'von sich abstoszen, aus noth verkaufen': etwas Verstössen von seinem hauszrath, suppellectilem cogi vendere FRISCH 2,8*2'; sein hausgeräth, klcider, wasche, bücher verstoszen ADELUNO, CAMPE; so noch ANTON, Oberlausitz 5, 12; j a , es ist wohl ehe geschehen, dasz königl. oder fürstl. personen in der theurung haben ihre kleinodien verstoszen, und ein stück landes nach dem andern versetzen müssen, damit es ihnen an nahrung nicht fehlen möchte SPERLING Nicodemus (1719) 2, 301; gemeiniglich trifft das Unglück den gutsherrn zuerst, dasz er, durch die last der processe ermüdet, sein gut verstoszen müsse RABENER 3, 138; er ward daher ein für allemahl des festen sinnes, seine bibliotheck zu verstoszen, wie grosz auch sein schade seyn möchte, wann er sich nur von seines eydams anforderungen los machen . . könte BESSER l, x c i x ; sein vorrath ist aufgezehrt, und er musz borgen, oder geräthschaft und kleidung verstoszen KRETSCHMANN 5, 157. dieses nur im 18. jh. belegte verstoszen ist aus der gaunersprache aufgenommen, wo es wie verschärfen 'gestohlene Sachen im einzelnen verkaufen' bedeutet, zit stosz 'ungezählte menge, gesamtbetrag eines diebstalils' AVE-LALLEMANT gaunerthum 4, 611; stoszen 'gestohlenes gut wissentlich ankaufen' KLUGE gaunersprache 409. es ist auch in die Studentensprache eingedrungen vgl. JOHN MEIER höllische Studentensprache 16; ebd. ein studentenlied von 1790:

'bestoszen, stoszend beschädigen': also dasz wir zwischen zweien stülen in die eschen grub möchten nider sitzen, und von allen enden verstoszen werden FISCHART binenkorb 109*. besonders von körpertheilen : das du lichte üt din füsse an keinen stein verstôssest (offendas) ältere Zürcher bibel (zeitschr. f . d. Wortforschung 2, 167) Luc. 4, Ii (LUTHER: stossest); schon NOTKER: nié du dînen f u ô j n e f e r s t ô j j e s t an den stêin 2, 386,9 Piper:

gestern ist das letzte Vierteljahr verflossen, da der aite gelder schicken musz, sollt er auch den letzten rock verstoszen. älter, aber ebenfalls veraltet ist die Wendung schulden verstoszen, an einen andern abstoszen; gegeneinander umicechseln und ausgleichen HEYNE; Verstössen oder an einanderen stossen, wenn einer seine schuld gegen einem anderen Schuldner verstoszt oder abwächszlet, oder einem anderen zalet und Schuldner stellen daran der schuldforderer kommen mag, delegare; eim seine schulden an einanderen Verstössen, nomina transscribere in alios MAALER 433"; DENTZLER 313 B. ähnlich im 14.—15. jh. leute m.t gesuchen oder anforderungen an andere, auf anderes verweisen, nur schwäb. bezeugt: darumb si mich mit i m briefen an ''ie ambtlude ze Gemunden verstosser, und gewiset. h a n d e Augsburg, quelle v. 1343 bei FISCHER 2, 1365/.,- dag wir . . unser cliche wirtinne . . uf diu vjrbenemten göt weder bewiset haben noch Verstössen ebd. 1366. 4) die bedeutungen 'zerstoszen, stoszend verbrauchen, bestoszen, stoszend beschädigen' sind zum theil noch lebendig. verstoszen für zerstoszen noch old.: Schweiz. SEILER Hasel 113B; elsäss. 'zerkleinern' MARTIN-LIF.NHART 2,617B; schwäb. FISCHER 2, 1366. seltener nd.: ostfries. DOORNKAAT l, 468 b ; allen pfeffer, zucker verstoszen CAMPE, in einen weiteren platz, sähe ich einen groszen Scheiterhaufen pastetenbecker über einander ligen, denen ein teuffei die köpff in mörsern und klingelsteinen verstiesze MOSCHEROSCH Philander 1, 389; etliche fassen den most in ungebichte fasz, und t h u n darzu verstoszen spat ausz Alexandria HERR feidbau 99"; damit sye sich aber bey dem leben erhielten, n a m m e n sie dasselbig h a r t e brod verstoszen, lieszen es m a h l e n und also m a c h t e n sie suppen darausz schwäb. quelle des 17. jhs. bei FISCHER 2, 1366; (radius) fractus, Verstössen, verbrochen DIEFENBACH gloss. 483». noch obd. 'vertheilen, zertlieilen': Schweiz, mist ferstosse, da und dorthin, nach allen Seiten schaffen, auf dem grundstück vertheilen SEILER Basel 11311; schwäb. 'auseinander stoszen': das gras, das heu FISCHER 2, 1366; zugen des nachts dahin, versties den zeug, das si in vier häufen aller erst n a c h sechs orn, da es heller liechter tag was, vor der stat zusamen k a m e n WILWOLT V. SCHAUMBURG 88.

ir müejent iuwer fûlen zene Verstößen anders denne ûf ime KONRAD V. WÜRZBURG troj. krieg 2432 ; ein feind würde sich auch so leichte nicht an ein land reiben, wo er . . ehe an den steinen als Schilden i h m die stirne zu verstoszen h ä t t e LOHENSTEIN Armi.xius 2, 72811 ; wird noch m a n c h e r nach vierzehn tagen den köpf ver; stoszen an den m a u e r n von Tübingen HAUFF l , 100bis ihm ein wilder stier die hiifte verstiesz; es h a t mir . . mein herz verstoszen SILBERSTEIN bei SANDERS ergänz.-tob. 530*. noch modern schwäb.: er will den köpf nicht verstoszen und ist darum fügsam; ^ie h a t den ellenbogen verstoszen, ist schwanger; der h a t (sich) die nase, den a r m verstoszen FISCHER 2, 1366. bei thieren: weiset sein (des hirsches) alter auch die stumpffe derer schaalen, welche er, z u m a h l an steinigten orthen . vorne stumpff gehet, so, dasz sie anzusehen, als wären sie mit der raspel verstoszen GÖCHHAUSEN notabilia venatoris (1741) 33; die flügel . . reichen . . bis an das stets verstoszene . . ende des . . schwanzes NAUMANN naturgesch. d. vögel 1, 156. subst. inf. : durch das . . verstoszen des gefieders, scheint . . der schiefergraue grund hervci (bei der blaumeise) 4. 64. im gemeinen leben sagt man, ein pferd h a b e eine ader verstoszen, wenn es sie durch einen fehltritt verrückt hat ADELUNG, CAMPE, von gegenständen: verstoszene ermel, maniche usate, trite KRAMER 2, 991 b ; elsäss. 'durch stoszen beschädigen', z. b. die hosen durch reiben, die ecken eines buches MARTIN-LIENHART 2, 617 besonders in der form des part. prät. wohl allgemein verbreitet: da das haus noch sehr verstoszen und zerbrochen war SCHÜTZ hist. rer. prussic. (1592) 2, Q i v b ; vergnügte sich der mond dam i t , die alte verstoszene m a u e r mit. neuem goldglanz zu bekleiden FREYTAG 13,32; theile von Standbildern . . sind verstoszen grenzboten bei SANDERS ergänz.-wb. 530*; die neunte rechte ribbe fand sich sehr verletzt und 'verstoszen' L. v. HANKE an Heinrich Ranke 265. in der form des subst. inßnitivs: es ist aber die frage, ob m a n nicht wohl t h u t diese füsze (säulenfüsze aus gips), wegen des zu befürchtenden verstoszens, von holz m a c h e n zu lassen GÖTHE IV 14, 60 Weim. B. intrans.

gebrauch.

1) von der zeit, 'verstreichen, vergehn : weil n u n . . die zeit, sie m i t scharffen Zwangsmitteln besser zum haaren zubringen, verstoszen und vorüber war CHEMNITZ schued. krieg 2, 134; es . . regent tag und n a c h t pisz an sant J o h a n n s tag zu sunbenden bisz in dy i l or, da verstisz es d. städtechron. 1, 388 , 7. mhd. findet sich eine entsprechende trans. bildung: also diu naht den tac verstieg St. Alexius' leben 69 * Maszmann. in neuerer spräche toird das wort in zeitlichem sinne nur von gährenden fiüssigkeicen gebraucht, 'aufhören zu stoszen, bis zur erschöpfung stoszen': das bier h a t verstoszen, vergoren ; den essig verstoszen lassen ADELUNG, CAMPE, vielleicht gehört eine schwäb. qtielle des 16. jhs. hierher: das er (der wein) n i m m e r m e h r verstoszen mag noch sein crafft verlieren; doch vgl. FISCHER 2, 1366. 2) gebräuchlich ist noch heute verstoszen 'anstoszen. einen irrthum begehn, anstosz erregen, sich verfehlen'; CAMPE : 'gegen etwas stoszen, ohne dasz man es sollte und wollte', schon seit ahd. zeit, dazu das subst. verstosz 1 (s. d.). sinnlich: ahd. (diu aha) verstôget ticcho ân dîen skôrrentên skiverrôn dero verbrôchenôn stéino, résistif, saepe obice rupe soluti saxi NOTKER 1, 50, 10 Piper; mhd.

1787

VERSTOSZEN

1788

VERSTOSZEN

wir engän dem pfade vil rehte mite; verstoße wir an einem trite, wir enkomen niemer m&re ze guoter widerköre

GOTTFRIED V. STRASZBURG Tristan

17092;

nhd. wenn an harten klippen ein starkes schiff verstöszt, und zwar nicht ganz zerschellt.. NEUKIRCH ged. 2, 2.

Schweiz. Verstösse 'stottern' STAUB-TOBLER I, 9II; in der jagdsprache verstöszt oder verfliegt der falke, wenn er nicht tmeder zu seinem herrn zurückkehrt zeitschr. f . d. Wortforschung 9, 62. 'irregehn': die kriecht verstieszen, das er sie lang suchen must W I L W O L T V. SCHAUMBURG 1S2; aber als Hastrubal still schweigend in der nacht auffbrach, und des wegs eyn theyl in der nacht zog, verstiessen die in fürten, als frembd leöt, die der weg in dem land nit wol bericht waren CARBACH Tit. Liv. (1551) 161 r; als Bambach zwischen Forcheim und Beiersdorf! bey nacht geritten hatt er verstoszen und doch ein mann im feld gesehen dem er geruffen MELANCHTHON an herzog Albrecht 18. heute nur übertragen üblich: 'fehlstoszen', doch nur im figürlichen verstände, einen fehler, ein versehen begehen; ähnlich wie anstoszen ADELUNO; CAMPE erklärt: ein versehen, einen fehler in einer Sache begehen, die man dadurch gleichsam stöszt oder verstöszt, aus ihrer rechten stelle, aus dem geschicke bringt, seit dem, 17. jh. lexicalisch gebucht: furor iraque mentem praecipitant, durch jachzorn übereilet man sich und verstöst offt CORVINUS 157; offensio belli gravissima, quando quis male rem gerit, wenn einer greulich verstöszt und geklopfft wird 83*; fehlen . . , das ist mangeln, irren, verstoszen HARSDÖRFFER secretarius 1, Hhh i m " ; errare, delinquere, feriendo sibi nocere STIELER 2180; impingiren, verstoszen, hallucinari, imprudentia labi APINUS 282. vereinzelt findet sich schon mhd. ein beleg für diese Verwendung: ich sihe rehte dag ich louc und daj Ich s ® re verstieg, wand ich in einen speher hiej KONRAD FLECK Flore

6033.

sonst erst im 17., häufiger im 18. jh.: ob etwa im geringsten verstoszen und ein fehler begangen wird CHEMNITZ schwed. krieg 1, vorr. L; so wird er entweder hin und wieder verstoszen, oder das, was er poetisch vorträgt, mit einer gar trockenen feder entwerffen GÜNTHER ged. vorr. 5; w e r aber den Spiegel einen gleicher, die nase einen schnauber, den fusz einen trittling nennen Wollte, der würde gewisz verstoszen GOTTSCHED crit. dichtkunst 15 anm. 17. mit präpos. zusatz: niemandt . . , der in diesem nicht Verstössen OPITZ poeterei 37 neudr.; niemahls aber verstiesze man in wählen ärger, als wenn man zu herrschern machte, die nicht fürsten wären LOHENSTEIN Arminius 2, 1279*; aber dennoch dünkt es mich immer ein weit verzeihlicherer fehler, . . als in diesen freiwillig gewählten Charakteren selbst, es sei von Seiten der innern Wahrscheinlichkeit, oder von Seiten des unterrichtenden, zu

die letzten forderungen verstieszen gegen das gesetz MOMMSEN röm. geschickte 3, 92; ein rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches verbot verstöszt, ist nichtig bürgerl. gesetzbuch § 134. part. präs.: stellen sie sich eine Sammlung altfränkischer, pöbelhafter, und wider die grammatik verstoszender Wörter und redensarten vor SCHWABE belustigungen l, 21. subst. infinitiv: es kann geschehen, dasz der bescheidenste Oberbefehlshaber aus übergroszem eifer wider diese regel verstöszt, aber diesz verstoszen ist doch immer ein fehler, der sorgfältig vermieden werden musz AYRENHOFF 6, 303. 3) vereinzelt an stelle reflexiven gebrauchs, 'sich entäuszern' (vgl. A 8 c ) : und haben daruf des genanten theils unseres zehends, freie und lediglich abgetretten und des auch mit mund, hand und halsz . . verstoszen, verziehen und entäuszert HALTAUS 783 (GRIMM rechtsalterthümer l, 174). C. refiex. gebrauch

2) 'heftig

J. E . SCHLEGEL 2, 606;

ich . . möchte leicht wieder die principia somniatoria Verstössen WEISE kl. leute 12; wider diese regel wird aber v o n vielen aus Übereilung sehr verstoszen GOTTSCHED sprachkunst 338; möchte er immerhin gegen dieses, zum vortheil jenes, verstoszen SCHILLER 2,345; ich denke . . darauf, wie die göttin zu kleiden ist, damit man nicht gegen das costüm verstöszt GÖTHE 21, 275 Weim.; mit ihren französischen Umgebungen verstiesz sie bei ihrer ankunft in Schweden gegen den nationalstolz GUTZKOW werke 9, 165; und wer gegen das sechste {gebot) verstöszt, dem kann verziehen werden FONTANE 5, 274; wider oder gegen die gute Iebensart, gegen die regeln, in einer sache verstoszen ADELUNG. auch bei sächlichem subject: also verstöszt die erzehlung in diesem stücke gegen die Wahrscheinlichkeit BREITINQER crit. dichtkunst 1, 218; und jene rede verstiesz wider diese regel viel zu sehr LESSINO 8, 53;

erloschen.

stoszend aufeinanderprallen

und

zerschellen':

so das das wutende mer und ouch sine bulgen swer sich Verstössen und verbrechen

md. poet. paraphrase d. b. Hiob 14177;

von feur und wasser dick geschwollen die wolcken durch des herren stim urplötzlich auff einander rollen mit solchem z w a n g und ungestim; dasz sie verstossend sich zusammen, und über uns voll angst und grausz zerspringend braszlen häufiig ausz rauch, glut, plitz, hiz und feuerflammen WECKHBRLIN ged. 2,106 ( p s . 29);

das bächlein verstöszt sich auff dem felsen dermassen, dass es anzusehen ist wie staub und kein wasser Schwab, quelle v. 1602 bei FISCHER 2, 1366; als v o m letzt erlittenen Manszfeldischen Schiffbruch etliche sagten, es were ein bösz omen oder zeichen, dasz sich das schiff bey stillem wetter verstoszen, antwortet e r : . . das were ein bösz zeichen, wann sich der Manszfelder verstoszen hette ZINKGREF apophthegmata l, 120. 3) 'fehlgehen,

sich

verirren':

fürst Diomedes seinen boltz, auff Hectorem hinfahren liesz, derselbig aber sich versties, gieng ab und traff geleich unrecht Eniopeum sein fuhrknecht SPRENG Utas dann er in disen landen weit sich mit Ulysse vor der zeit verirret und Verstössen hett Aneis

v e r s t o s z e n L E S S I N O 9, 321;

die kleinen gStter sind die stufen zu den groszen. wer diese sucht, der musz bey jenen nicht verstoszen

ist heute ganz

1) von der beivegung. 'eine richtung nehmen, sich verlaufen': w i e sich dan ir rede verstöget (var. verloufet) keyserrecht (1372) 176. 'eine andere richtung nehmen': da? die vaigten dünst verr von uns entzünt werdent, als6 dag sich der galm verstögt, dag er niht zuo uns kümt MEGENBERG buch der natur 92, 9; wenn der man (montl ist neu so mag sich das wetter verstoszen bair. quelle bei SCIIMEI.LER 2, 791. von der zeit, 'sich verzögern, hinziehen': w e r es sache das sich die rechenunge of eine vierzehen tage verstiesze d. städtechron. 17, 261, 7.

97a; 59 b .

'einen fehlstosz thun': gebe du gut achtung auff den ersten stosz mit dem dolchen, dasz er sich verstoszen hat SuTORIUS fechtbuch 72. gewöhnlich in übertragenem sinne: sich heszlich verstoszen, heszlich anlauffen, heszlich A b 0 irren, fehlen KRAMER l, 678 ; 2, 99l ; Verstössen sich, errare, peccare; einen fehler begehn, offendere FRISCH 2, 342*; sich in etwas, in der rechnung verstoszen ADEL U N G ; jedoch

ungut

CAMPE;

älter

schwäb.

FISCHER

2,

1366. die nhd. belege reichen vom ende des 16.—18. jhs.: damit er sich nicht verstosze und ubereile COMENIUS janua 262; ohn dessen (des papstes) instruction können auch die allgemeinen concilia sich Verstössen und fehlen DANNHAWER catechismusmilch l , 28; wie denn mittel vorhanden, zuwege zu bringen, dasz kein theil den statum controversiae verwirren, sich verstoszen und seine eigene präsidia vergessen . . . könne LEIBNIZ l, 256. mit präpos. bestimmung: einige neuere historici haben sich bey ihrer erzehlung von der Hatheburga nicht wenig Verstössen HAHN teutsche staatshist.

VERSTOSZEN

VERSTOSZER, VERSTOSZUNG

(1781) s, 89; man hätte sich im calculo in der zahl und berechnung der jähren gewisz yerstoszen MOSCHEROSCH Philander l, 888; andere (sänger) beobachten . . die mensur, aber verstoszen sieh in der saohe selbst WIELAND Lucian «,489; so lehren die stoiker: die natnr verstosze sich in den meisten ihrer werke gegen die gerechtigkeit BODE Montaigne e, all; die aufsätze dürfen nichts enthalten, was sich gegen religion, staat and gute Bitten verstöszt Qrülparzer -jahrbuch 1, 867. doch findet sich diese Verwendung schon in ahd. wie mhd. zeit: wanda sie sih an imo so mortno so humiliter iacente ferspurnent nnde ferstöjgent NOTKER 8, 477, 80 Piper;

lichen hölern, höltzern, und dergleichen vortheil HON-

1789

in trans.

dag ich mtnen man liege und mich alsfi verstiege, das >ch mich mit in ze lande ttf solhe unstete wände HEINRICH V. D. TÜRLIN Jerone 1186*.

form:

vil manegen man diu werlt hat, der nimmer in kein misse tät stnen fuog verstiege, ob ins diu minne erliege HARTMANN V. AUE Erek 8699.

4) 'sich veruneinigen, streiten' findet sich in nd. und hd. mundart: sik verstöten, 'sich verunwiUigen' brem. wb. 4, 105*; Schwab, er hat sich verstoszen mit ihm, sie haben streit gehabt FISCHER 8, 1866. II. ein anderes verstoszen, das auf eine t&xu-type nach dem muster von got. faur-walwjan hinweist, ist vom 18. bis 16. jh. zu belegen. A. trans. rection. 1) einen riegel vorstoszen, eine Öffnung, einen räum verschlieszen: obstruere, vor stossen DIEFENBACH gloss. 390°; retusus, vorstossen 497*; sie heten koln in das gewelb getragen und alle venster verstoszen, das sie erstickten im schlaf d. städtechron. 10,166; (er) verstiesz die Elbe mit pfälen 27, 67; da lieff er tzü hand tzü im und verstyesz dag vasz nicht vor rechter gehorsam und vergasz des czapffen der heyligen leben (1478) 1766 b; einen alten hadern, dfi mite man billicher eine want verstiege BERTHOLD V. REGENSBURG 16, 86;

ich freu mich zehen korngruop, die hieg ich verStögen wol, wan sie eint getreiaes vol SEIFRIED HELBLING 15,115.

2) einen gegenständ 'verbergen, verstecken': abstrudere, abscondere, includere, vor stossen DIEFENBACH gloss. 6°; abstrudo, verbärgen, verhälen, verstoszen, verschlahen FRISIUS 11 b ; den diebstal Verstössen, furta committere

latebris

MAALER 488»; illaiebro

CALEPINUS 6 7 6 b ;

ver-

stoszen, verstecken, abstrudere, ülatebrare DENTZLER 318"; älter schwäb. FISCHER 8, 1866; so sie von dem iren (besitz) gefarlicher weis Verstössen, verhalten oder verschwigen hetten d. städtechron. 28, 830; dag ich gelt in die erden ala anderschwa heimlich verstiess

tcAausp. d. mittelaltere 8, 893 Mone;

sein gsellschaft er Verstössen hat heimlich in ein verborgnen halt MAXIMILIAN Teuerdank 808, 68; die können uns wol diesen grossen freyheit-brieff wol heimlich Verstössen SACHS 9, 385, 89 Keller-Götze;

das sie ihrem . . söhn . . die äugen auszrisse, und ihn in ein loch verstiesse, damit sie allein möcht regieren FISCHART binenlcorb 158 b ; und under dem stein het er Verstössen zweihundert gülden PAULI schimpf WO. hierher gehört das Schweiz, mundartliche die hände in die taschen verstoszen PAUL tob.; Uli barg sich mühsam unter einem kirschbaum, welcher ihm den rücken schirmte, verstiesz die hände in die kleider GOTTHELF 8, 811. B. auch reflexiv gebraucht 'sich verstecken, verbergen', älter ober- und mitteldeutsch: schwäb. BIRLINGER 159»; bair. SCHMELLER 8, 791; (sie) pesorgten . . . die feind hieten sich etwan verstoszen AVENTINUS bair. chron. 1,881; die Deutschen wichen, stelten sich gleich, als ob sie flöhen, verstiessen sich allenthalben in den heim-

DORF exempelbuch

1790

(1678) 8 4 8 * ; n a c h s o l c h e m Warden die

werber flüchtig, verstiessen sich in die winokel SCHAI-

DENRAISZER Odyssea

98*;

verstost euch abwegs in die necken I SACHS I I , 6, S Qötze.

böhmisch: Wlasta . . virstieg sich torlich . . undir ir vorich veint ältere quelle bei JELINEK wb. 846/.,dSkegin er sich wante mit den slnen heimlich nnde in eine läge sich mit der menie a& vorstig NIE. v. JBROSCJIIN preutz.

chron. 80338.

VERSTOSZER, m., heute ungebräuchliches subst. tu yerstoszen I A l—8, 'einer, der verstöszt': verstosser, depulsor MAALER 4S8 B ; depulsor . expulsor, qui depeUit . . ein abtreiber, vertreiber oder verstosser CALEPINUS 898B; depulsor, DENTZLER 8 I 8 B .

abdicans,

repudians

STIELER

VERSTOSZUNG, f., abstractbildung abweichend vereinzelt verstoBzenung:

8180;

zu verstoszen L

Babilon bedutet vorstogennnge und bezeichent di werlt, spricht mine zunge BRUN V. SCHONEBECK hoheUed

10607.

1) zu verstoszen I A l, die handlung des ausstoszen», verstoszens: remotio, virstoeszunge DIEFENBACH gloss. 491°; repulsio, verstossung 498°; repulsus, depulsio, repudiatio, abdicaUo, eocterminatio, eliminatio, detrusio MAALER 4 8 3 B ;

CALEPINUS 8 9 8 B ;

467B;

1266»;

ins elend, relegatio, ejectio in exilium;

verstossung

des weibs, repu-

dium DENTZLER 8 I 8 ; KRAMER 8, 991°; FRISCH 2, 848*; ADELUNG, CAMPE, bis heute üblich: die verstoszung der B

Hagar nach Celesti allg. d. bibl. 142, 678. über die strafe der verstoszung in der urzeit SCHRÄDER reallex. 908 ; 885; als kirchenstrafe WETZER-WELTE kirchenlex. 11, 640 ; 8,77. die literarischen belege mehren sich erst im 11. jh.: so einem die heyrath nicht behaget. . , ist es vor alters erlaubt und frey gewesen, die gefreyte zu Verstössen, und entstund eine verstossung und ehescheidung COME NIUS janua 178; Lucifers handel und verstossung ist uns nicht sichtbar PARACELSUS opera 8,432; so unterrichten sie sich über den zustand dieser gemeinen (böhmischer gemeinden im dreiszigjährigen kriege) von ihrer entstehung an und endigen mit dieser traurigen verstoszung HERDER 17, 277. mit örtlicher bestimmung: auch dttrffen sie (die Wächter) . . kein trinck-geld nehmen . . bei straff der verstossung von ihrem dienst ABRAHAM A S. CLARA etwas für alle 8, 612; die erschaffung Adams, diejenige der Eva, der bäum der erkenntnis und die verstoszung aus dem garten KELLER 5, 239; von dem aufstand Satans und seines anhangs, von ihrem fall vom himmel, und verstoszung in die hölle BODMER v. d. wunderbaren 48. mit objectivem genitiv: in betrug und verstoszung des rechten natürlichen künigs NAZAREI v. alten u. neuen gott 83 neudr.; Livia . . zwinge ihn zu verstoszung seiner bluts-verwandten LOHENSTEIN Arminius l, 140 b ; die obristin war über die zerstörende heftigkeit ihres gatten und Aber die schwäche, mit welcher sie sich, bey der tyrannischen verstoszung der tochter, von ihm hatte unteijoohen lassen, äuszerst er-

bittert K L E I S T 3, 879.

2) der zustand des verstoszenseins, der Verbannung und attsschlieszung aus der gemeinschaft: zur zeit seiner verstoszung FLEMING ged. l, 616 Überschrift; sie (die juden) haben allbereit bey 19 falscher messias . . gehabt und werden ins künfftig nit aullhören in ihrer blindheit und verstoszung noch mehrern ihres gleichen zu glauben GRIMMELSHAUSEN 4, 617, 4 Keller, concret: da sie von ihrer geburt an mit dem brandmahl der verstoszung bezeichnet. . war PFEFFEL pros. versuche 8, 4; die wellen, die so laut mein herz durchschlagen, wohin doch werden sie die seele tragen . . in der verstoszung trauervolle wüste? LENAU 6. auch

nl.

verstooting SICHERER-AKVELD 1198*.

8) nicht mehr üblich mit genitiv der sache, zu I A 8, 'vervxxfung': also sind der fremden hitz dreyerley, die da den Mercurium zum auffsteigen bringen, ausz wel-

VERSTOTTERT-VERSTRÄHNEN

VERSTRAMMEN - VERSTRECKEN

chem auffsteigen kranckheiten entspringen, das ist verstoszung ihrer hoffart in den todt PARACELSUS opera 1, 45 a ; von ihrer ewigen yerdammnisz, welche sie durch die freywillige verstoszung der mittel zur seeligkeit sich übern hals gezogen LEIBNIZ 2, 379.

nominativbildung zu dem adj. stramm: 'stramm, steif, starr werden; stramm machen', aus dem nl. aufgenommen.

1791

4) zu I A3C 'Veräußerung': mhd. verstögunge dergüeter, alienatio

OBERLIN

1781;

mhd.

wb. 2, 2, 667*;

LEXER

8,

254; sie hat ihn, mit verstoszung ihres geschmeides, zweymal aus dem schuldthurme gerettet HABEN ER 2, 288. 5) zu I A 4 'beschädigung durch stosz': die verstoszung der ribbe hat sich ziemlich wieder hergestellt L. v. RANKE an Heinrich Ranke 265. 6) nur im 18. jh. zu verstoszen I B 2 für das heute allein gütige verstosz L vereinzelt gebraucht vgl. PAUL wb. 2 612 b ; nullitäten, nichtigkeiten, item verstoszung im procesz, kraftlosigkeit BELEMNON bauern-lex. 118; dasz dieser belobte mann und andere vorsichtige Übersetzer vielen vorrückungen allerley kleiner verstoszungen (zu-) vorkommen könnten BREITINGER crit. dichtkunst 2, 178; es wird aber . . hier dienstlich seyn, einer doppelten verstoszung vorzubauen, welche der eben angeführte grundsatz zu begünstigen scheinen könnte LESSING 10,173; itzt würden einem dichter dergleichen grobe verstoszungen wider die historische Wahrheit schärfer aufgemutzet werden 9, 277 (und öfter). VERSTOTTERT, adj. gebrauchtes part. prät. zu stottern, 'mit dem übel des stotterns behaftet': ich will den Schulunterricht . . . der abgelebten Ordnung alter verstotterter schulmeisterknechte . . entreiszen PESTALOZZI s. las. V E R S T R A B E L N , V E R S T R A W E L N , %'erb., s.

verstram-

peln, verstrubeln. VERSTRAFEN, verb., poenam mereri; das gefängnisz mit gelt verstrafen, poenam, carceris pecunia redimere STIELER

2183;

bei A D E L U N G

und

CAMPE

als

ausdruck

des gemeinen lebens: 'strafe für etwas erlegen'; bei den Handwerkern musz der angehende meister jeden bei dem meisterstück begangenen fehler verstrafen. nicht üblich. VERSTRAHLEN, verb., selten, aber in verschiedenartiger Verwendung. CAMPE. 1) intrans., 'aufhören zu strahlen, sich strahlend erschöpfen': wo, die so freudenhell erglommen und erstrahlt, die sonnen unsrer lust? verglommen und veretrahlt

RÜCKERT 8, 627.

'sich strahlend entfernen': unterdesz war . . . der kleine ballon hoch emporgestiegen und verstrahlte allmälig in dey sonnigen luft wie ein rother stern SEIDEL Vorstadtgesch. 144. 2) trans., 'ausstrahlen, strahlend versenden': schon in der innersten phiole erglüht es wie lebendige kohle, ja wie der herrlichste Karfunkel, verstrahlend blitze durch das dunkel GÖTHE 15,101 Weim.

übertragen:

(Faust

6827).

wo Wilhelm, wie sonne, licht, leben und wonne rings um sich verstrahlt

KRETSCHMANN 5, 61.

S) 'strahlend

erschöpfen':

all sein licht verstrahlen

CAMPE.

4) 'strahlend verscheuchen': so wie der kommende tag den schweigenden Aug räubrischer eulen verstralt

DENIS lieder Sineds 164,19.

VERSTRÄHNEN, verb., zu strähne 'Haarflechte'; part. prät. 'verflochten': ein söhn pocht an! auf tu dich, tiefe kammer, wo hand in hand, und haar versträhnt in haar der vater mit der mutter schläft, ich komme! H O F M A N N S T H A I . ged. u. kl. dramen 241. 'verworren, zerzaust': mein haar war solches haar, vor dem die männer zittern, dies haar, versträhnt, beschmutzt, erniedrigt Elektro 77.

VERSTRAMMEN,

nd.

1792

von C A M P E angeführte

verb.,

VERSTRAMPELN, VERSTRAMPFEN,

verb.,

das

de-

erste

nd.-md., das zweite obd.-md. form; das bett 'aus der läge, in unordnung bringen durch stampfen und stoszen mit den füszen'. CAMPE nennt beide formen, FOLLMANN lothring. verstrample n I54b. daneben lebt eine verwandte obd. form Schweiz, verstrabeln, versträbeln STALDER 2, 408; schwäb. verstrablei, verstreblen FISCHER 2, 1367; verstrawleu

lothring.

FOLLMANN

I54b.

in

eigentüm-

licher bedeutung ('zum stampfen be.mtzt'!) bei ROSEGGER: die musik wurde dort im thale aufgefangen von hundert lebendigen menschen und frischweg vertanzt und verstrampft 12, 328. VERSTRANDEN,

verb.,

bei

CAMPE

für

das

übliche

stranden angeführt, 'verschlagen werden': das schiff musz irgendwo verstrandet sein. vgl. verschlagen 4, verströmen l, verstürmen 2. VERSTRASZEN, verb., 'mit straszenanlage versehen', im bergbau meist in der form verstrossen: verstrosset feld ist, wenn das gestein weggehauen ist, das erz aber stehen blieben JUNGHANS gräublein ertz FIJ b ; nemlich das die ertz noch heut zu tag in . . bergfesten, so verstrast sein, wachsen MATHESIUS Sarepta 84B. 'durch eine strasze verbinden': dag ercz . . . dag sie mit dem Stollen verströgt haben Iglauer bergrecht bei JELINEK wb. 847. 'mittels straszenbaues abbauen, gewinnen' VEITH bergwb. 539; (da) legt sich das ertz in stössen an und last sich verstrassen MATHESIUS Sarepta (zeitschr. f . d. wortforsch. beilieft 3, 100). verstrossen ADELUNG, CAMPE. VERSTRAUCHEN, verb., wie verhageln, verschlammen gebildet, intrans. resultativbildung; 'von Strauchwerk durchwachsen, überwuchert und geschädigt werden': die äcker waren verstraucht WIMMER gesch. d. deutsch, bodens 141. schon im 17. jh.: das feld verwildert, verstrauchet, verödet HARSDÖRFFER poet. trichter 3, 199; nach dem aber . . aus einem verstrauchten hügel ein rauch aufgieng LOHENSTEIN Arminius 2, 1176b. auch von gewachsen, die im wuchs verwildern: dasz da, wo starke froste noch spät einfallen, der wuchs der jungen lärchen dadurch so verstraucht wird, dasz man ihre zucht ganz aufgeben musz RATZEBURG waldverderbnis 2, 56. im elsäss. ist verstruchen eine nebenform von verstucheu, verstauchen; verstruchung, Verrenkung MARTIN-LIENHART

2, 626 b .

VERSTREBEN, verb. l ) zum verb. streben nur mhd. verstreben, 'strebend überwinden': und d a j din leben dar an tuge dag eg verstrebe disen tac passional 136, 71 Kiypke. 2) sonst denominativbildung vom subst. strebe 'Stützbalken': 'mit streben versehen, befestigen, stützen', beim brilckenbau: ein unterzug wird durch sprengstreben gegen die pfeiler verstrebt ALTEN hdb. f . heer u. flotte 3, 503. im bergbau: ob wir auch zimmern und verstreben, der druck zersprengt die schwachen schweben lied bei VEITH bergwb. 539. — dazu die V e r s t r e b u n g , Sicherung einer bauconstruction durch ein systern von streben: die Wrightsche flugmaBchine ist ein doppeldecker mit 12,50 m. weit klafternden, parallelen flächen . . ihre Verstrebung erfolgt durch holz und klaviersaitendraht aviatik, 16. Sonderheft der woche (1909) 49. VERSTRECKEN,

verb.,

in

der Schriftsprache

erloschen

und durch erstrecken ersetzt, ähd. farstrecchaa, prosternere, porrigere, extendere neben furstrecchan, projicere GRAFF 6, 741. mhd. verstrecken trans. wie intrans. mhd.

wb. 2, 2, 670 b ; L E X E R 3, 254.

FISCHER

2 , 1367.

verbreiteter

noch lebendig

nd.:

mnd.

schwäb.

vorstrecken

SCIIILLER-LÜBBEN 5 , 465*; brem. wb. 4, 1059; ostfries. DOORNKAAT 1, 468b; mnl. verstrecken VERDAM 639*; noch modern; in schwed. försträcka, norweg. forstrekkja dem mnd. entlehnt.

VERSTRECKUNG, VERSTREICHEN

VERSTREICHEN

1) rein sinnlich obd. trans. und reflex., 'ausstrecken': die s t e l l e . . wo der M a t t l i - L i e n i die Städterin u m s c h l a n gen hielt, als der tod sie gestreift h a t t e , h a t t e n s i c h i h r e a r m e v e r s t r e c k t ZAHN neue bergnovellen 145. Schwab. w a s c h e v e r s t r e c k e n , die durch das waschen eingegangene wüsche in die länge ziehen; um zu einem holten gegenstände zu gelangen, musz man s i c h ganz v e r s t r e c k e n ; v e r s t r e c k t e sehnen sind verrenkt, verzerrt FISCHER, die letzte bedeutung auch im, schwedischen.

I. gering sind die spuren einer fair-ijiye. trans. 'hin und her streichen, streichend zubereiten und glatten': du solt a u c h allweg m e h r pflaster v e r s t r i c h e n , d a n n du g e s i n n e t b i s t zu g e b r a u c h e n WÜRTZ wundartzney 214; (idas tuch konnte) a u f den r a h m e n gespannt, g e t r o c k n e t und v e r s t r i c h e n w e r d e n HEBEL 2, 404; weil der i n h a b e r die federn des k i s s e n s n i c h t ganz gleich v e r t h e i l t und v e r s t r i c h e n h a t t e IMMERMANN werke 3, 36. von der Wundbehandlung: die norm, die da steht, so mit Francisci hand umbgeht, und im wolt gern die wund verstreichen, auf das ir pliben die wundzaichen FISCHART barfüszer secten 411; ein ü b e r b a i n . . d e r m a s e n v e r q u a n t e t und v e r s t r i c h e n , das e r sein bisz a n sein e n d e n i e g e w a h r Zimmer, chron. s, 549; die i n n e r e fläche des s t i r n b e i n e s i s t gleichs a m m e h r v e r s t r i c h e n SÖMMERRING bau d. menschl. körpers 2, 36. verbreitet: b u t t e r , honig, s c h m a l z a u f dem b r o t v e r s t r e i c h e n , breitstreichen HEYNE; Schweiz. S E I L E R ; elsäss. MARTIN-LIENHART; schwäb. F I S C H E R ; auch in Niederund Mitteldeutschland geläufig, schwäb. sich v e r s t r e i c h e n 'sich stark abarbeiten' erinnert an einen mhd. gebrauch : die wil sG was mit ruowen phliht ros und man ze übe komen, wan si sich, als ir hänt vernomen, da vor heten verstrichen lleinfried v. Braunschweig 12419.

1793

2) mehr nd. verbreitet ist die bedeutung 'geld vorstrecken, darreichen, leihen': mnd., ostfries., nl.; dare commodato, l e y h e n , g e p r a u c h e n l a s s e n , v e r s t r e c k e n SCHÖPFER Synonyma f v j d ; doch auch vereinzelt obd.: i h m e sey von sein e m bruder . . . zu d i e s e m b a u v i e l gelds v e r s t r e c k e t worden B I R K E N ostl. lorbeerhäyn Iii. 3) trans. 'vollstrecken': da sollicher kauf verstreckt und versiglet i s t worden BAUMANN bauernkrieg l , 492; und wiewol die apostel a b e r m a l s m ü n d t l i c h e n b e v e l c h von Christo empfiengen, v e r s t r e c k t e n si i n doch nit, bisz der hailig gaist in sein a m p t t r i t ENTFELDER von den manigfaltigen im glauben zerspaltungen (1580) D 4 * ; von der u r s a c h w e g e n , dasz ein j e d t l i c h e r sein r ü h m , hoffart, neid . . gern w o l t v e r s t r e c k e n (geltend machen) PAKACELSUS opera 2, 590. 4) eine frist 'hinausziehen, ausdehnen': die ichneum o n e s . . v e r s t r e c k e n i h r l e b e n bisz auff das s e c h s t e j a r HEYDEN Plinius 143; w a n d dieselben p ü n d t n u s s e n begundend uszgon, hieltend si tag-satzungen m i t eina n d e r n , und v e r s t r a c k t e n d die p ü n d t n u s s e n f ü r b a s z TSCHUDI helvet. chronik 1 , 104. eine erzählung in die länge ziehen: k e i n e s wegs a b e r i s t e s m e i n a b s e h e n gew e s e n , alles n a c h der l ä n g a u s z z u f ü h r e n , und wie e s h ä t t e l e i c h t l i c h seyn k ö n n e n , u m b s c h w e i f ü g zu vers t r e c k e n HARSDÖRFFER gesprechspiele l, A i m ' , auch nd. (s. oben). 5) reflex. 'sich erstrecken', besonders zur bezeichnung des örtlichen bereichs: so w e i t h sich ihr ( d e r stadt) zehenden v e r s t r e c k e n tliuot schwäb. quelle v. 1666 bei FISCHER. lebendig nd.: ostfries. de weg ferstrekd sük nog wol 'n stünde w i d e r DOORNKAAT; pomm. d a t v e r s t r e k k t sik so wiid nig, das geht nicht so weit BÄJINERT 527 b . 6) intrans. in der Jägersprache 'sich völlig strecken': a u f s e t z e n , a u f s p r o s s e n , k o l b e n e n , v e r r e n k e n oder vers t r e c k e n ist, wenn ein hirsch oder ein bock abgeworfen hat und neue gewichter (neues gehörn) bekommt HEPPE wohlredender jäger 5 7 * ; ADELUNG, CAMPE, me verr e c k e n wird auch v e r s t r e c k e n vom 'verenden des wildes gebraucht W E B E R terminol. wb. 616 b . das im mnd., mnl„ nl., ostfries. lebende intrans. 'ausreichen, gereichen zu etwas' ist auf hd. boden nicht nachzuweisen, über ein mhd. 'zögern' s. L E X E R . V E R S T R E C K U N G , f . , abstractbildung

zum

vorigen.

1) zu v e r s t r e c k e n 2 , 'geldunterstützung': mit gutem r a t h und d a es i h n e n a u c h e t w a n g e m a n g e l t , m i t gelde i h n e n in i h r e n r e c h t s s a c h e n hülfe und v e r s t r e c k u n g get h a n CYRIACUS SPANGENBERG chronicon 61. noch schwed. lebendig. 2) zu v e r s t r e c k e n 3, 'Vollstreckung': fraget der h e n c k e r den r i c h t e r , ob er d e m r e c h t e n g n ö g s a m e v e r s t r e c k u n g g e t h a n h e t t e STUMPF SeMoytzerchronik 7 0 8 b ; die vers t r e c k u n g des geleites und b e s t a n d e s SCHÜTZ historia rerum prussic. X, f. l a . s) icohl zu v e r s t r e c k e n 4, 'Verzögerung': i c h blib, d a s der zyt v e r s t r e c k u n g g e s c h e h e Terenz deutsch (Straszbürg 1499) X I X » . V E R S T R E I C H E N , verb. die verschiedenen bedeutungsrichtungen scheinen auf verschiedene formen der Vorsilbe hinzuweisen, schon ahd. (GRAFF 6, 7*8 f a r s t r i c h a n , delere), mhd. v e r s t r i c h e n mhd. wb. 2, 2, 687 B ; L E X E R S, 254; mnd. v o r s t r i k e n SCHILLER-LÜBBEN 5, 465 B . als lebendig obd. wie nd.: Schweiz. S E I L E R U 8 b ; Schwab. FISCHER 2, 1367; elsäss.

M A R T I N - L I E N H A R T 2 , 6 2 6 » ; waldeck.

COLLITZ 3 2 " ; ostfries. treten. der gebrauch XII.

DOORNKAAT L, 468". ist trans., intrans.,

BAUER-

auch nl. reflex.

ver-

I I . häufiger l ) intrans. sinne:

ist

die perfective

und reflex.

'vergehn';

1794

fra-type. mhd.

in

ir gehugede verstreich, wand im die junefrowe gut seiden ouch b e s a j den mut mit lieblichcm sedele passional b i j sich der mut verstriche von schnell vorüberziehenden

übertragenem

689 , 59

Köpke; 643, 28. naturereig-

nhd. intrans., nissen : ein blitz wird nicht so bald vergehen und v e r s t r e i c h e n , . . . als Schönheit der gestalt aus unsera äugen weicht ZIEGLER lSanise 586; ein wind der bald v e r s t r e i c h e t LOHENSTEIN Arminias l , d 3. von unvermerktem verrinnen der zeit S T I E L E R 2203; KRAMER 2, 1 0 0 6 b ; ADELUNG; CAMPE, heute obd. undmd. (so elsäss. MARTIN-LIENHART, schles.); literarisch bezeugt seit mitte des 17. jhs.: die b e s t i m b t e zeit . . ., w e l c h e i n b ä l d e v e r s t r e i c h e n . . würde GRIMMELSHAUSEN 4, 520, 29 Keller, in dem v e r s t r i c h e n e n r o s e n - m o n a t e h ä t t e der blitz des k ä y s e r s . . bild gerühret LOHENSTEIN Arminius 2, 931*; drev tage will ich dir schenken, doch wisse! wenn sie verstrichen die frist, eh du zurück mir gegeben bist, so musz er statt deiner erblassen SCHILLER 11, 285 (bürgschafi); sind . . s e c h s m o n a t e v e r s t r i c h e n bürgerl. gesetzb. § 416 abs. l. mit präpos. zusatz: d a r ü b e r a b e r sind eure b e s t e n j ä h r e v e r s t r i c h e n HAPPEL akad. roman 211; ein leben, das u n t e r t h a t e n , empfindungen und gesängen v e r s t r i c h H E R D E R 3, 2 7 ;

sein kurzes seyn verstreicht in steter Wirksamkeit WIELAND 1, 100 akad. ausg. häufig in der Wendung die zeit (ungenutzt) verstreichen l a s s e n : i c h f ü h l e h e u t e so l e b h a f t . . w i e t h ö r i c h t der m e n s c h s e i n e z e i t v e r s t r e i c h e n l ä s z t ! GÖTHE 23,18 Weim. ; nein! wer liebt, läst sonder pein nimmer einen tag verstreichen GRVPHIUS Lustspiele 185 Palm (Majuma 1,112). von der zeit auf vergangene Vorgänge übertragen: a u s den v e r s t r i c h e n e n a c t i o n e n , so d a m a h l s vorgangen CHEMNITZ schwed. krieg l , 30; doch mancher zeigt, o wahn! . . . was die verstrichne weit für Sünden einst gethan SCHWABE belustigungeil 4, 35; dein zorn ist aus, die schulden sind verstrichen, und wir verglichen NEUKIRCH ged. 70; e r h a t t e s i c h n u n d o c h g e f ü r c h t e t — und die s c h ö n s t e gelegenheit ungenutzt v e r s t r e i c h e n l a s s e n 1 MEYR aus dem Ries 1, 205.

113

VERSTREICHEN

VERSTREICHUNG

2) intrans. und rqflex., 'umherstreichend auseinandergehn' von thieren: (fink) einer von denen vögeln, die zwar sehr häuffig im strich gehen, aber doch nicht gar verstreichen HOHBERG georgica 8 , 3 6 8 i n der mitte dieses monats gehen die haselhiihner auf die lock, alsdann verstreichen sie ans einander, und gehen paarweise in . . ihr Winterquartier allg. haushalt.-lex. (1749) 1, g l b . nd. vom vieh, das sich verläuft SCHILLERLÜBBEN; verbistert oder verstreken guet (vieh) weisthümer 3, 182 Grimm; (wenn) das mastvieh . . ungehütet gehe, und wann selbiges auszerhalb der bruche ver-

verdecken VEITH bergtob. 539; im hochbau: die steinfugen einer nicht zu verputzenden mauer mit mörtel ausfüllen

1795

MÜLLER-MOTHES 2, 963»; im töpferbandwerk: den o f e n v e r s t r e i c h e n K R A M E R 2,I006 B ; FRISCH 2, 846"; ADELUNG, CAMPE; schwäb. F I S C H E R ; elsäss. MARTIN-LIENHART; Schweiz. SEILER.

1) Öffnungen verstopfen: ich verzimert an einer want guldin erz mit miner hant und verstreich eg mit unslide gar

hl. mhd. erzählungen 66, 469 Rosenhagen;

es rüstet sich sein holz der Zimmermann . . die risse und die lücken er verstreicht BRENTANO 6, 852;

streichet MOSER S, 219.

rqflex. in demselben sinne: dese sehyfflude vangen irrer (der krokodile) gar vill uff dem lande die' sich verstrichen haven vsz dem rechten stroume, wanne der Nijll in sijme wassen ist Pilgerfahrt des ritters von Harff 82. 'sich heimlich entfernen': in groszen gebirgen giebt es viel winckel und tahle, in denselbigen theilet und verstreicht sich der lerch . . hinweg AITINGER jagdbücMein 118. im md. passwnal von personen, 'sich eilend oder heimlich fortmachen': dag si im mochte entwichen und sich also verstrichen, dag im sein wille wurde ein spot

im Christophhause hing der Schieferdecker auf dem dache und pfiff ein liedlein, indesz er lücke nach lücke verstopfte und verstrich STIFTER 2, 117. gefäsze dicht verschlieszen: also dasz das fasz nur halb voll werde, decke es nochmals zu, und verstreichs wol mit gyps HERR feidbau 98B. verkitten: eyn sonder trefflich gut mittel, gebrochene gläser zu \«streichen SEBIZ feidbau 109. verfugen: die mauern hoch und aus quaderstücken gut gefugt und in den neueren zeiten genau v e r s t r i c h e n GÖTHE 3 4 2 7 0

469, 2 Köpke.

anders ein intrans. 'aufhören umherzustreichen': etlich fisch leychen uff ein zeit des jars . . im friiling die pectives . haben uff die selbig zeit verstrichen EPPENDORFP Plin. naturgesch. 9, 182. verstrichen haben sagt der jäger von der hündin, die hitzig gewesen ist WEBER terminal, wb. 616b. wieder anders ein 'völlig zu/rücktreten' im verlaufe der umrisse eines körpertheils: der scheidentheil (der gebärmutter) wird nach unten dicker, verkürzt sich allmählig, bis er in der zeit der geburt gänzlich verstreicht SÖMMERRING menschl. körper 6,477.

HART ; wie vil er ir (von den kohlen) kreücz ze machen verstrich oder vermalet, doch darumb die (kohlen) in dem kästlein nicht abnämen STAINHÖWEL decamerone 406. übertragen:

dissipare,

confundere

STIELER 2203;

mnl.

'geld ausgeben, aufbrauchen' VERDAM 639". ein mundartliches 'versteigern', oberhess. CRECELIUS 878 und meining. SPIESS 269, zu dem auch ein subst. verstrich (s. d.) bezeugt wird, hängt mit dem bei SCHNELLER 2, 808 gebuchten strich 'Versteigerung' (s. d.) zusammen. 'streichend entfernen, löschen', wohl zu ahd. farstrichan 'delere' (s. oben) zu ziehen: so verstreicht man die fehrten mit einem zacken vom holtze (im schnee) DÖBEL jägerpraetica 2, 124; wenn ich mir die runzeln unter den äugen verstreiche RAUMER Hohenstaufen 6, 569; dag (schmerz) gerne dä entwichet, swä man dag öl hin strichet, dag öl bediut barmherzikeit: . . diu verstrichet im den smerzen der Sünde näch dem herzen LAMPRECHT tochter Sy