Der »Tanz um den Äquator«: Bismarcks antienglische Kolonialpolitik und die Erwartung des Thronwechsels in Deutschland 1883 bis 1885 [1 ed.] 9783428477890, 9783428077892

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Der »Tanz um den Äquator«: Bismarcks antienglische Kolonialpolitik und die Erwartung des Thronwechsels in Deutschland 1883 bis 1885 [1 ed.]
 9783428477890, 9783428077892

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AXEL T. G. RIEHL

Der "Tanz um den Äquator"

Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte Herausgegeben im Auftrag der Preußischen Historischen Kommission, Berlin von Prof. Dr. Johannes Kunisch

Band 1

.. Der "Tanz um den Aquator" Bismarcks antienglische Kolonialpolitik und die Erwartung des Thronwechsels in Deutschland 1883 bis 1885

Von

Axel T. G. Riehl

DUßcker & Humblot . Berliß

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Riehl, Axel T. G.: Der "Tanz um den Äquator" : Bismarcks antienglische Kolonialpolitik und die Erwartung des Thronwechsels in Deutschland 1883 bis 1885/ von Axel T. G. Rieh!. Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Quellen und Forschungen zur brandenburgischen und preussischen Geschichte ; Bd. I) Zug!.: Mainz, Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-07789-X NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0943-8629 ISBN 3-428-07789-X

Meinen Eltern

Geleitwort Mit dem hier vorzulegenden ersten Band der "Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte" eröffnet die Preußische Historische Kommission eine in unregelmäßiger Folge erscheinende Schriftenreihe, in der Quelleneditionen und Monographien zur brandenburgischen und preußischen Geschichte veröffentlicht werden sollen. Die Beihefte zu der von der Kommission betreuten Zeitschrift "Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte - Neue Folge", deren zweiter Band soeben erschienen ist, werden dagegen aktuellen Sammelpublikationen zu eng umgrenzten Themenkomplexen vorbehalten bleiben. Die "Quellen und Forschungen" sollen neben den Mitgliedern der Kommission auch ihren Schülern und Mitarbeitern und darüber hinaus Autoren und Herausgebern zugänglich sein, die durch wichtige Publikationen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte ausgewiesen sind. In inhaltlicher und methodischer Hinsicht ist beabsichtigt, ein breites, auch Nachbardisziplinen wie Religions-, Kunst- und Rechtsgeschichte einbeziehendes Spektrum zu erfassen. Möge auch diese Reihe dazu beitragen, das Interesse an der Geschichte Brandenburg-Preußens neu zu beleben und zu vertiefen. Der Geschäftsführer des Verlages Duncker & Humblot, Prof. Norbert Simon, hat sich bereiterklärt, neben der Zeitschrift und ihren Beiheften nun auch die eigentliche Schriftenreihe der Preußischen Historischen Kommission in das Verlagsprogramm aufzunehmen. Für seinen Rat und die vielfach bewährte vertrauensvolle Zusammenarbeit habe ich ihm auch an dieser Stelle herzlich zu danken. Köln, im Oktober 1993

Johannes Kunisch Vorsitzender der Preußischen Historischen Kommission

"Ich wage zu behaupten, daß eine instinkbnäßige Empfindung desjenigen, was augenblicklich, was beinahe handgreiflich aus den Nebeln der Zukunft an uns herantritt, größere Mengen der denkenden und gebildeten Kreise erfüllt haben mag. Nun, meine Herren, dieser Instinkt hat darauf hingewiesen, daß es für ein neugestärktes und innerhalb Europas zu großer Macht gelangtes Reich angemessen und nützlich sein könnte, sich in anderen Welttheilen gleichfalls ein neues Heim zu gründen, auch dort eine Macht zu entwickeln, welche zum Unterschiede von demjenigen Einfluß, den Deutsche sich überall errungen haben, einen direkt nationalen Charakter tragen möchte, und darum nimmt Deutschland mit großem Interesse Theil an den ersten Versuchen einer Kolonialpolitik, den allgemeinen Tanz um den Aequator, der seit geraumer Zeit die Kulturländer der Welt in Athem hält, mit neuen und eigenen Kräften zu unternehmen". (Georg von Bunsen, Mitglied der »Nationalliberalen Partei« am 10. Januar 1885 im Reichstag, SB RT, VI. Leg. I. Sess., Bd. 1, S. 523, Hervorh. im Orig.)

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1992/93 vom Fachbereich 16 - Geschichtswissenschaft - der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) angenommen. Die Studie beschäftigt sich mit den Motiven Bismarcks für den Eintritt in die deutsche Kolonialpolitik in den Jahren 1883 bis 1885. Entgegen der ursprünglichen Absicht ist das Werk sehr umfangreich geworden. Für diese - gemessen an den Ansprüchen einer Dissertation - ungewöhnliche Breite ist der große Beweisdruck verantwortlich, dem ich mich während der langen Beschäftigung mit diesem Thema ausgesetzt sah. Insbesondere die immense Fülle der unterschiedlichsten Forschungsmeinungen sowie die Notwendigkeit, die von mir vertretene These nach allen Seiten glaubhaft und hieb- und stichfest zu machen, trugen zu dieser Ausführlichkeit bei. Ausdrücklicher Dank gebührt Prof. Dr. Winfried Baumgart. Er regte das Thema dieser Arbeit an und förderte ihren Entstehungsgang mit Geduld und zahlreichen Ratschlägen. Das von ihm geleitete Doktorandenkolloquium war stets ein willkommenes Forum, um sich kritisch-konstruktiven Fragen zu stellen. Für die Aufnahme meiner Untersuchung in die Reihe »Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte« bin ich Prof. Dr. Johannes Kunisch dankbar. Die Dissertation beruht auf einem umfangreichen Quellenbestand und resultiert zu einem großen Teil aus zahlreichen Archivbesuchen. Allen Inhabern und Bediensteten der im Quellenverzeichnis aufgeführten privaten und staatlichen Archive sage ich aufrichtigen Dank. Mit ihrem großzügigen Entgegenkommen sowie ihrem freundlichen und fachkundigen Rat begleiteten sie mich über viele Monate hinweg bei meinen Forschungen. Für das anstrengende und zeitraubende Korrekturlesen des Manuskripts bin ich Dr. Ralph Erbar und Gerd Benzig verpflichtet. Auch den Familien Peter Rumland (potsdarn), Georg Schenk (Merseburg) und Karl-Wilhelm Schubert (Dresden) danke ich, da sie mir während meiner Archivforschungen in der ehemaligen DDR das Gefühl vermittelten, zu Hause zu sein. In gleicher Weise fühle ich mich Dr. Liselotte Sauer und Dr. Hilmar Sauer in Oldenburg i. O. verbunden.

12

Vorwort

Ein tief empfundenes Wort des Dankes gilt darüber hinaus meinen Mainzer Freunden. Besonders der unermüdliche Zuspruch und Rat von Dr. Michaela Speth-Martin und Dr. Andreas Martin, Anke Stahl und Claudia Wank waren mir stets eine Hilfe und ein Ansporn. Schließlich war mir die Unterstützung durch meine Eltern äußerst wertvoll, ohne deren Beistand und Verständnis ich diese Untersuchung nie hätte in Angriff nehmen und vollenden können. Mainz, im September 1993

Axel T. G. Riehl

Inhaltsverzeichnis A.

Einleitung: Bismarcks Kolonialpolitik ............................................................ .

21

B.

Das Verhältnis zwischen dem Kronprinzenpaar und Bismarck seit den sechziger Jahren ............................................................................................... .

57

c.

Im Schatten des nahenden Thronwechsels 1857 bis 1883 ............................. . I. Der Gesundheitszustand Wilhelms I. und das Wanen auf ein liberales Regiment bis September 1883 ..................................................................... . TI. Das Tauziehen um die Spanienreise des Kronprinzen im Herbst 1883 .. . ill. Alexander von Bulgarien, Kronprinzessin Victoria und die englischen Einflüsse im Herbst 1883 ........................................................................ . IV. Die >>Gravitation« der englischen Zustände und Bismarcks Zukunftspessimismus Ende 1883 ............................................................................

D.

97 97 126 141 153

Verschärfter Kampf Bismarcks gegen den Linksliberalismus von Januar bis März 1884 .................................................................................................... . I. Das angespannte Verhältnis zwischen Kronprinz und Kanzler sowie der Tod Eduard Laskers im Januar 1884 ........................................................ . TI. »Kulturkampf«, Sozialistengesetz und die Rückgabe der Lasker-Resolution im Februar W1d März 1884 ................... ........................ ... ... ... ... ... ... ill. Bismarcks Antigladstonianismus, die Fidschi-Landreklamationen und die Gründung der »Deutschen Freisinnigen Partei« im Februar W1d März 1884 ...........................................................................................................

228

E.

Kronprinzlicller Unitarismus und Bismarekscher ..Föderalismus« ............ .

260

F.

Verfassungsrechtliche Offensivstrategien gegen ein liberales Regiment unter Friedrich III. von Dezember 1883 bis April 1884 ............................... . I. Plan einer Bundesratsrevision, Reichsratprojekt, beabsichtigter Rückzug vom preußischen Ministerpräsidentenamt und innenpolitische WeichenstellWigen im Winter 1883/84 .................................................................. . TI. Der Geburtstagsempfang des Kaisers, die Bundesratsinitiative im März und April 1884 sowie Bismarcks Verbältnis zu der »Nationalliberalen Partei« ...................................................................................................... . ill. Das Scheitern der preußischen Ministerpräsidentenaufgabe und die Reaktivierung des preußischen Staatsrates im April 1884 ........................... .

G.

Das Schutztelegramm für Angra Pequeiia vom 24. April 1884 und das Wiederaußeben des Battenbergischen Heiratsplans ..................................... . I. Die Vorgeschichte der deutschen Erwerbungen in West- und Südwestafrika 1880 bis 1883 ................................................................................. . TI. Das Schutztelegramm für Angra Pequeiia vom 24. April 1884 ............... . ill. Das Wiederaufleben des Battenbergischen Heiratsplans seit Mine April 1884 .......................................................................................................... .

174 174

197

286 286 322 352 384 384 405 419

14

Inhaltsverzeichnis IV.

Krisenzeit: Kolonialpolitik, Battenbergische Heirat Wld das Beinahescheitern der verlassWlgsrechtlichen Offensivstrategien ....... ... ............... ...... ...

427

H.

Forcierte englandfeindliche und antiliberale Attitüden des Reichskanzlers und die Battenberg-Krise im Mai 1884 ........................................................... .

449

I.

Die Entsendung Prinz Wilhelms nach St. Petersburg und der offene Ausbruch der deutsch-englischen Kolonialzwistigkeiten im Mai und Juni 1884 .................................................................................................................... . I. Die Entsendung Prinz Wilhelrns nach SL Petersburg .............................. . II. Offener Ausbruch der deutsch-englischen Kolonialzwistigkeiten .......... .

485 485 499

J.

Symptome der allgemeinen Erwartung des Thronwechsels ......................... . I. Die BeseitigWlg Kar! von Nonnanns 1883/84 ......................................... . II. Der Karrieresprung Herbert von Bismarcks 1883 bis 1886 .................... .

520 520

K.

Exkurs: Regungen der Battenbergischen Romanze bis Ende 1884 ............. .

538

L.

Antiliberales und Kolonialpolitisches im Spannungsgeflecht des Wahlkampfes im Jahre 1884 ..................................................................................... . I. Die Postdampfersubventionsvor!age Wld Bismarcks Angriffe gegen Albrecht von Stosch im Juni und Juli 1884 ............................................ .. II. Eskalationen ............................................................................................. . ill. Englische »Einflüsse« im Sommer 1884 ................................................. . IV. Reaktionen des Kronprinzen- Wld Kaisetpaars auf die Kolonialpolitik .. . V. Wahlausgang Wld Nachhutgefechte ......................................................... .

528

543 543 572 595 606

614

Der Battenbergische Heiratsplan und Bismarcks ostafrikanisches Abenteuer im Januar und Februar 1885 ................................................................. .

632

N.

Bismarcks Unbehagen vor dem Thronwechsel und deutsch-englische Rivalitäten in Ostafrika von März bis Juni 1885 .................................................. .

680

O.

»Juli-Krise« 1885: Bismarcks Aussöhnung mit England und dem Kronprinzenpaar ....................................................................................................... .

722

Ausblick ............................................................................................................. .

741

Zusammenfassung ...........................................................................................................

762

Quellen- und Literaturverzeichnis .............. ... ..................... ............... ......... ................... I. Verzeichnis der Archivalien ...... ............... ... ...... ... ............ ... ..................... II. Verzeichnis der gedruckten Quellen Wld der Literatur ............ ......... .......

789 789 800

Personen-, Sach- und Ortsverzeichnis ...........................................................................

843

M.

P.

Abkürzungsverzeichnis AA Abschr. Abt.

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»Allg. Ztg.« Anh.

Anm.

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Aug. Ausz.. ausgew.

B BA »Bamb. Tagebl.« bay. Bd. bearb. »Berl. Bör.-Cour.« »Berl. Frerndenbl.« »Berl. Polit. Nachr.« »Berl. Tagebl.« bes. BiAr

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BM BN BPH Brit. Doc. For. Aff. Bril. Doc. Orig. Bstd. CEH

OH 0. »Colonialpolit. Corr.« Commerzbibl.

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Dez.

Auswärtiges Amt Abschrift Abteilung Archiv für Sozialgeschichte Abgeordnetenhaus American Historical Review »Allgemeine Zeitung« Anhang Anmerkung Aus Politik IDld Zeitgeschichte August Auszug ausgewählt Berlin BlDldesarchiv »Bamberger Tageblatt« bayerisch Band bearbeitet »Berliner Börsen-Courier« »Berliner Fremdenblatt« »Berliner Politische Nachrichten« »Berliner Tageblatt« besonders Bisrnarck-Archiv bei keiner Fraktion BerlinerMona~hefte

Bonn

Brandenburgisch-Preußisches Hausarchiv British Doannen~ on Foreign Affairs British Doannen~ on the Origins ofthe War Bestand Cenual European History Canadian Journal of History Oassis »Colonialpolitische Correspondenz« Commerzbibliothek Consolidated Treaty Series Darmstadt Documen~ Diplomatiques Fran~s Dezember

16 DFP »DHPG« »DKGfSWA« »DKV« »DKZ« »DOAG« Dok. Geh. Arch. Dok. Handelsk. Hamb. DD »Dresd. Ztg.« DRP

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DlRev »Dt. Tagebl.« »Dt. Petersb. Ztg.« »Dt. Ztg.« EcHR EHR eigenh. ein gel. Einl. erg. erl. F F.A. Fa. Fasan. Fasz. »FAZ« Feb. Fr.

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»Fränk. Kurier« gesam. GFBl. »GfdK« GG GLA GP großherzogl. GStAPK GW GWU

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H.A. »Hamb. Börsencourier« »Hamb. Cour.« »Hamb. Corr.«

Abkfuzungsverzeichnis »Deutsche Freisinnige Partei« »Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft der Südsee« »Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika« »Deutscher Kolonialverein« »Deutsche Kolonialzeitung« »Deutsch -Ostafrikanische Gesellschaft« Dokumente aus Geheimen Archiven Dokumente rur Geschichte der Handelskammer Hamburg Dresden »Dresdener Zeitung« »Deutsche Reichspartei« Deutsche Rundschau Deutsche Revue »Deutsches Tageblatt« »Deutsche Petersburger Zeitung« »Deutsche Zeitung« Economic History Review English Historical Review eigenhändig eingeleitet Einleiumg ergänzt erläutert »Deutsche Fortschrittspartei« Familienarchiv Finna Fasanerie Faszikel »Frankfurter Allgemeine. Zeitung für Deutschland« Februar »Deutsche Freisinnige Partei« Friedrichsruh »Fränkischer Kurier« gesammelt Gustav Freytag-Blätter »Gesellschaft für deutsche Kolonisation« Geschichte und Gesellschaft Generallandesarchiv Große Politik großheT7Dglich Geheimes Staalsarchiv Preußischer KululTbesitz Gesammelte Werite Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Heft Hausarchiv »Hamburgischer Börsencourier« »Hamburgischer Courier« »Hamburgischer Correspondent«

Abkürzungsverzeichnis »Hamb. Nachr.« »Hannov. Cour.« Hans. ParI. Deb. HB Hervorh. hess. Hg. HH HHStA HJ HJb hrsg. HS HStA

HZ

Jan. JbGMO JbPK JbW JbWB JCH Jg. JIH JMH JNH INS K KA Kap. »Karlsr. Ztg.« KO »Köln. Ztg.« Komm. kom. Konv. Konz. »Korr. von und für Dtschl.« »Kreuz-Ztg.« L Leg. »Leipz. TagebI.« Len. BerI. Emb. LV M MA »Magdeburg. Ztg.« MdprAH MdprHH 2 Riehl

»Hamburger Nachrichten« »Hannoverscher Courier« Hansard's Par1iamentary Debates Bremen Hervorhebung hessisch Herausgeber Hamburg Haus-, Hof- und Staatsarchiv Historical Journal Historisches Jahrbuch herausgegeben Historical Studies Hauptstaatsarchiv Historische Zeitschrift Januar Jahrbuch für die Geschichte Minel- und Ostdeutschlands Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte Jahrbuch der Wittheit zu Bremen Journal of Contemporary History Jahrgang Journal of Interdisciplinary History Journal of Modem History Journal of Negroe History Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik »Deutsch-Konservative Partei« Karlsruhe Kapitel >,Karlsruher Zeitung« Koblenz »Kölnische Zeitung« Kommentar kommentiert Konvult Konzept »Korrespondent von und für Deutschland« »Kreuz-Zeitung« London Legislaturperiode »Leipziger Tageblan« Leners from the Berlin Embassy »Liberale Vereinigung« München Ministerium des Auswärtigen »Magdeburger Zeitung« Mitglied des preußischen Abgeordetenhauses Mitglied des preußischen Herrenhauses

17

18 MdR MER MGM mitget. NA Nachw. »Nal.-Ztg.« »NAZ« Ndr. N.F. NJbfL NL NI. Nov. NPL »NPZ« o.D. Oestr. Okt. OL 0.0. o.M. Orig. o. T. P PA PJbb »Polil. Corr.« P&P preuß. PRO »Provinz. -Corr.« provisor. Rep. RdI RKA RP RT RTA S S. sächs. SAP SAQ SB SchI. Sept. Sess.

Abkürzungsverzeichnis Mitglied des Reichstages Merseburg Militärgeschichtliche Mitteilungen mitgeteilt National Archives Nachwort »National-Zeitung« »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« Nachdruck Neue Folge Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte »Nationalliberale Partei« Nachlaß November Neue Politische literatur »Neue Preußische Zeitung« ohne Datum Oestrich Oktober Oldenburg ohne Ort ohne Monat Original ohne Tag Potsdam Politisches Archiv Preußische Jahrbücher »Politische Correspondenz« Past and Present preußisch Public Record Office » Provinzial-Correspondenz« provisorisch Repositur Reichsamt des Innem Reichskolonialamt Review of Politics Reichstag Akten des Reichstages Stuttgart Seite sächsisch »Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands« South Atlantic Quaterly Stenographische Berichte Schloß September Session

Abkürzungsverzeichnis »SfWA«

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Sp. StA Stal. Jb. SWI » Tägl. Telegraph« Tagebl. Teleg. Tgb. Übers. v. vgl. Vol. » Volks-Ztg.« »Voss. Ztg.« W Wash. Wb. »Weimar. Ztg.« »Wiener Allg. Ztg.« WR würn. WVfL Z Ze. ZfG ZfGO ZfP zil. Ztg.

19

)>syndikat für Westafrika« Social History Spalte Staatsarchiv Statistisches Jahrbuch Sozialwissenschaftliche Infonnationen »Täglicher Telegraph« Tageblan Telegramm Tagebuch Übersetzung von/vam vergleiche Volurnina » Volks-Zeitung« »Vossische Zeitung« Wien Washington Weißbuch »Weimarer Zeitung« »Wiener Allgemeine Zeitung« Wehrwissenschaftliche Rundschau würnembergisch Würnembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte »Zentrum« Zeile Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zeitschrift für die Geschichte des Obenheins Zeitschrift für Politik zitiert Zeitung.

"Im übrigen hoffen wir, daß der Baum durch die Thätigkeit der Gärtner, die ihn pflanzen, auch im Ganzen gedeihen wird, und wenn er es nicht thut, so ist die Pflanze eine verfehlte, und es trifft der Schade[nl weniger das Reich, denn die Kosten sind nicht bedeutend, die wir verlangen, sondern die Unternehmer, die sich in ihren Unternehmungen vergriffen haben"l.

A. Einleitung: Bismarcks Kolonialpolitik Obwohl mehr als hundert Jahre seit dem Griff Deutschlands nach Afrika und einigen Inseln im Pazifik verstrichen sind und verschiedene Historikergenerationen sich diesem Thema gewidmet haben, umwittert ein geheimnisvolles Dunkel die Motive Otto von Bismarcks für den Eintritt in die Kolonialpolitik. Erstaunen erregte sowohl bei den Zeitgenossen als auch bei der Nachwelt, daß sich der Reichskanzler in einem Augenblick vermeintlicher außenpolitischer Stabilität 1884 plötzlich in den Kreis der Kolonialmächte drängte, vom "informell-indirekten Freihandelsexpansionismus seit den 1860er Jahren zum direkt-formellen Kolonialbesitz"2 schwenkte, sich eineinhalb Jahre lang eifrig am »scramble for Africa« beteiligte und seit dem Sommer 1885 wieder die alte Reserviertheit gegenüber einer aktiven Überseepolitik demonstrierte 3. Schutz und Förderung des deutschen Handels, sei es in femen ostasiatischen Gewässern oder im Golf von Mexiko, befürwortete Bismarck bereits als preußischer Ministerpräsident in Form der finanziellen Unterstützung von Forschungsexpeditionen, Kriegsschiffsbesuchen, Abschlüssen von Handelsverträgen, der ständigen Anwesenheit von Konsuln und des engmaschigen Knüpfens Bisrnarck arn 26. Juni 1884 (SB RT, V. Leg. IV. Sess., Bd. 2, S. 1062). Gründer: Geschichte, S. 51. 3 Vgl. W. Baumgart: German Imperialisrn, S. 156; Eyck: Reich, S. 257f; Eberhard, S. 56; Stern, S. 568; Turner, S. 47; W. Mommsen: Triebkräfte, S. 98f, u. Bade: Kolonialexpansion, S. 13. - Die angebliche außenpolitische Gunst der Stunde für den Kolonialerwerb, d. h. Deutschland als »Auge im Sturm« der europäischen Politik, angesichts des englisch-französischen Streits über ägyptische Finanzangelegenheiten, Londons partieller Abhängigkeit von Berlin in der Regelung dieser Frage, der Probleme Frankreichs in Tonkin und Nordafrika sowie des Gegensatzes zwischen England und Rußland in Zentralasien würdigen W. Mommsen: Bisrnarck, S. 156 u. 16lf; W. Baumgart: Imperialismustheorie, S. 204; Bade: Germany, S. 137; Rothfels: Bündnispolitik, S. 70; Eyck: Reich, S. 258, u. Rodd: Memories, S. 66f. Gründer: Geschichte, S. 57, knüpft besonders an den im »Kissinger Diktat« - vom Standpunkte Deutschlands aus - beschriebenen Idealzustand ausbalancierter Kräfte in EUTOpa an. Man beachte dagegen unten Kap. G. m., S. 420-426, u. unten Kap. H., S. 449-484, daß sich die "außenpolitische Schönwenerlage" (Gründer: Geschichte, S. 57) im Frühjahr 1884 jederzeit ändern konnte. 1

2

22

A. Einleitung: Bismarcks Kolonialpolitik

des konsularischen Netzes. Gegen eine territorial definierte Überseepolitik, die das Reich juristisch und moralisch für Kolonialbesitz haftbar machte, hegte Bismarck jedoch bekanntlich zeitlebens eine tiefe Abneigung. "Einerseits beruhen die Vortheile"4, schrieb er an Albrecht von Roon im Jahre 1868, "welche man sich von Colonien für den Handel und die Industrie des Mutterlandes verspricht, zum größten Theil auf illusionen. Denn die Kosten, welche die Gründung, Unterstützung und namentlich die Behauptung der Colonien veranlaßt, übersteigen, wie die Erfahrungen der Colonialpolitik Englands und Frankreichs beweisen, sehr oft den Nutzen, den das Mutterland daraus zieht, ganz abgesehen davon, daß es schwer zu rechtfertigen ist, die ganze Nation zum Vortheile einzelner Handels- und Gewerbszweige, zu erheblichen Steuerlasten heranzuziehen. [... ] Endlich würde der Versuch, Colonien auf Gebieten zu gründen, deren Oberhoheit andere Staaten, gleich ob mit Recht oder mit Unrecht, in Anspruch nehmen, zu mannigfachen und unerwünschten Conflikten führen können,,5.

Berühmt ist Bismarcks abwehrender Ausspruch von 1871, als das besiegte Frankreich für den drohenden Verlust Elsaß-Lothringens Pondicherry und Saigon als Kompensationsobjekte in die Waagschale warf. Zum Schriftsteller Moritz Busch sagte er entschieden: "'Ich will auch gar keine Kolonien. Die sind bloß für Versorgungsposten gut. In England sind sie jetzt nichts and[e]res, in Spanien auch nicht. [... ] Diese Kolonialgeschichte wäre für uns genauso wie der seid[e]ne Zobelpelz in polnischen Adelsfamilien, die keine Hemden haben"'6. Der »Zentrum«-Abgeordnete Victor Rintelen zeichnete dieses einprägsame Bild 14 Jahre später nach, als er der Regierungsbank im Reichstag zurief: "Diese Kolonien, wie wir sie jetzt haben, das ist reines Flittergold in der 4 Bismarck an Roon (Absehr.), Berlin, 9. Ian. 1868 (BA Abt. P, RKA 7155). Wörtlich hatte der preußische Ministerpräsident geschrieben: "So hege ich gegen die Einleitung VOll Colonisationsplänen überhaupt erhebliche Bedenken". - Vgl. Weh/er: Imperialismus, S. 194-214; Townsend, S. 54f; Langer, S. 288, u. MedJicott: Germany, S. 150, zum Handels- und Finanzimperialismus, der sich an manchesterlichen Idealen orientierte. - Den problematischen Begriff »Imperialismus« zu definieren, ihn in den Kontext staatlicher Handelsförderung einzureihen bzw. ihn vom Feld der Kolonialpolitik abzugrenzen, soll an dieser Stelle nicht versucht werden. Vgl. hierzu die Studien VOll W. Baumgart: Imperialism, u. W. Mommsen: Imperialismustheorien. - Siehe ferner Delbrück an Gildemeister, Berlin, 18. Ian. 1868, mit der Bitte "festzustellen, ob die Persönlichkeit des Reisenden [Kallenberg] Garantie dafür bietet, daß die Exploration von dem durch das deutsche Exportinteresse bedingten praktischen Gesichtspunkte geleitet und daß ihre etwaigen Ergebnisse von dem deutschen Exporthandel benutzt werden" (StA HB, Bstd. 2 - M.6.d.). 5 Bismarck an Roon (Absehr.), Berlin, 9. Ian. 1868 (BA Abt. P, RKA 7155). Vgl. Wehler: Imperialismus, S. 191, u. Zimmermann, S. 6f. Man beachte auch WilheIm I. an Bismarck, Berlin, 13. Ian. 1883: "Frankreich in seiner unüberlegten Kolonialpolitik vergeudet Summen und Menschen, obgleich es schließlich obsiegt, wie es scheint". (Wilhelm I.: Briefe, Reden u. Schriften, Bd. 2, S. 401.) 6 Busch: Tagebuchblätter (Tgb. v. 9. Feb. 1871), Bd. 2, S. 157. Vgl. Bismarck: GW (Gespräch mit Theophile Gautier v. 24. Okt. 1870), Bd. 7, S. 382: "'01 01 Cochinchinal Das ist aber ein sehr fetter Brocken für uns; wir sind aber noch nicht reich genug, um uns den Luxus von Kolonien leisten zu können"'.

A. Einleitung: Bismarcks Kolonialpolitik

23

Ruhmeskrone Deutschlands (sehr richtig! im Zentrum und links); es sieht nach etwas aus und ist nichts"7. Phantasievolle Kolonisationsprojekte von Kaufleuten und Abenteuersüchtigen füllten seit 1870(71 viele Aktenbände im Archiv der Wilhelmstraße. Bismarck interessierte sich nicht dafür. Symptomatisch ist die Reaktion des Auswärtigen Amts auf Friedrich Fabris berühmtes Buch "Bedarf Deutschland der Colonien?" (1879). Die offiziösen »Grenzboten« und der »Deutsche ReichsAnzeiger und Königliche Preußische Staats-Anzeiger« schmetterten derartige Ideen als unpraktisch und hochfliegend ab. Als Fabri, der "»Vater der deutschen Kolonialbewegung«"8 im April 1880 die Berliner Zentrale um Schutz für die in Südwestafrika ansässige »Rheinische Missionsgesellschaft« bat und andeutete, man könne über Transvaal ein deutsches Protektorat errichten, falls England die südafrikanische Republik aus dem Empire ausstoße, wischte der Kanzler die gängige Kolonialpublizistik mit einer Handbewegung zur Seite. Die abschätzige Meinung seines Vorgesetzten über die Kolonialpolitik als ideale Lösung sozialökonomischer Probleme gab Chlodwig zu HohenloheSchillingsfürst unumwunden wieder: "Der Reichskanzler hat nicht viel Vertrauen in Fabri u[nd] dessen Pläne. Die Frage der Transvaalrepublik hält er für bedenklich wegen der Eifersucht Englands. Auch im Uebrigen hat er keine Neigung, die sonstigen Pläne Fabris in ernste Erwägung zu nehmen"9. In Gegenwart des Reichstagsabgeordneten Friedrich von Frankenberg-Ludwigsdorff betonte Bismarck ein Jahr darauf besonders außenpolitische Bedenken. "'Solange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik'" 10, erklärte er energisch. "Wir haben eine Flotte, die nicht fahren kann [oo.J, und wir dürfen keine verwundbaren Punkte in femen Erdteilen haben, die den Franzosen als Beute zufallen, sobald es losgeht''' 11. Das Vorhaben eines Dresdner Papierexporteurs, Kolonien an der Westküste Afrikas, in Madagaskar und Patagonien zu gründen, lehnte der Vortragende Rat Arthur von Brauer mit der vielsagenden Rintelen am 13. März 1885 (SB RT, VI. Leg. 1. Sess., Bd. 3, S. 1798). Gründer: Geschichte, S. 34. 9 Hohenlohe-Schillingsfürst an Kusserow, B[erlin], 13. Mai 1880 (BA Abt. P, RKA 2098). Vgl. Fabri an Hohenlohe-Schillingsfürst, Barmen, 30. April 1880 (ebd.). Man beachte auch Bade: Fabri, S. 106f, u. Eynem an seine Frau, [0.0.,] 2. Feb. 1881 (H. v. Poschinger: Parlamentarier, Bd., 3, S. 106). Siehe ferner S. 29-47 dieses Kapitels zu Hans-Ulrich Wehlers »Sozialimperialismus«, der unter diesem Begriff die Argumente der Kolonialpropagandistik aufnimmt und zu einem höchst komplexen Erklärungsmodell verarbeitet. 10 H. v. Poschinger: Parlamentarier, Bd. 3, S. 54. 11 Ebd. Zum englischen Botschafter Odo Russell sagte Bismarck im Jahre 1873, Kolonialbesitz schaffe nur Angriffspunkte bei kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa (vgl. Onclcen: Reich, S. 251). Deutschlands Flotte sei zu klein, um Überseebesitz zu schützen, wandte der Kanzler gegenüber Hohenlohe-Schillingsfürst im Februar 1880 ein. Außerdem habe man keine geschulte Bürokratie, um Kolonien zu verwalten. (Vgl. Hohenlohe-SchiliingsJÜTst, Tgb. v. 22. Feb. 1880, Bd. 2, S. 291.) 7

8

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A. Einleitung: Bismarcks Kolonialpolitik

Aktennotiz ab: "Es ist bereits vor einigen Jahren als Regel festgehalten worden[,] auf Eingaben[,] welche Kolonisationsprojekte (mit den üblichen Redensarten: Ablenkung bezw. Nutzbarmachung der Auswanderung) zum Gegenstande haben, und nicht etwa von beachtenswerther Seite herrühren, keinen Bescheid (auch nicht mündlich) zu ertheilen" 12. Als man versuchte, ihn für die deutsche Besiedlung und Ausbeutung Formosas zu erwärmen, formulierte Bismarck im Februar 1883 vor dem Hintergrund der hitzigen Parlamentsberatungen über den Militäretat drei schwerwiegende Argumente gegen eine Überseepolitik, die von der traditionellen konsularisch-maritimen und finanziellen Unterstützung zur territorial definierten Ebene staatlicher Kolonialherrschaft vorstieß: "Zu Colonien gehört ein Mutterland[,] in dem das Nationalgefühl stärker ist als der Parthei[ -]Geist[.] [... ] Mit diesem R[eichs]tag ist es schon schwer genug[,] dem Reiche zu erhalten[,] was es hat, sogar das Heer im Inland. So lange das Reich finanziell nicht consolidi[e]rt ist, dürfen wir an so theure Unternehmungen nicht denken. [... ] Colonial-Verwaltung wäre nur Vergrößerung des parlamentarischen Exerzierplatzes" 13. Er fügte hinzu: "Directe Colonien können wir nicht verwalten, nur Compagnien unterstützen, dazu wäre aber auch ein nationaler Reichstag nöthig, mit ander[e]n höher[e]n Zwecken[,] als der Reg[ierung] Schwierigkeiten zu machen u[nd] Reden zu halten" 14. Obwohl keine dieser Voraussetzungen erfüllt war, übernahm der Reichskanzler im berühmten Angra Pequefia-Telegramm am 24. April 1884 für die südwestafrikanischen Besitzungen des Bremer Kaufmanns Adolf Lüderitz den staatlichen Schutz. Selbst wenn das Schutzbriefkonzept vorgaukelte, das Reich sei aller unmittelbaren Verwaltungsaufgaben enthoben, hatte Bismarck mit dieser territorialen Bestandsgarantie deutscher Niederlassungen gegenüber Drittländern den Rubikon in Richtung einer direkt-formellen kolonialen Gebiets12 Notiz Brauers, [0. 0.,] 25. Juli 1882 (BA Abt. P, RKA 7159). Vgl. Heineck an Wilhelm 1., Dresden, 10. Juli 1882 (ebd.). Man beachte auch Townsend, S. 53f u. 64-66, sowie Mohl, S. 39f, mit einer Auflistung von Überseeprojekten, die Bismarck über viele Jahre hinweg ablehnte. - Auch Oemens Denhardt, der besorgte, "daß die deutschen Interessen im aequatorialen Ost-Afrika zu Falle kommen", und um Unterstützung bei Errichtung einer Handelsstation nachsuchte, verweigerte das Auswärtige Amt jegliche Hilfe. (Vgl. Denhardt an lindau, Berlin, 6. Aug. 1882, u. Busch an Denhardt, Konz., Berlin, 15. Sept. 1882, BA Abt. P, RKA 7159.) 13 Marginalie Bismarcks am Schreiben Baares an ihn, Bochum, 29. Nov. 1882 (mit dem Präsentationsvermerk 14. Feb. 1883) (BA Abt. P, RKA 7159, Hervorh. im Orig.). Vgl. unten Kap. C. 1., S. 113f. 14 Marginalie Bismarcks am Schreiben Baares an ihn, Bochum, 29. Nov. 1882 (mit dem Präsentationsvermerk 14. Feb. 1883) (BA Abt. P, RKA 7159, Hervorh. im Orig.). Ähnlich lauteten die Randbemerkungen Bismarcks am Schreiben C. Buschs an H. v. Bismarck (Absehr.), Berlin, 3. Jan. 1881, über Adolf von Hansemanns Bitte um Reichsunterstützung für seinen Plan, an der Nordostküste Neuguineas einen Landstrich Zll okkupieren: "Zu dergl[eichen] müssen wir ein nationales Parlament hinter uns haben, nicht bloss Fractionen". (BA KO, NI. Goldschrnidt, Nr. 6.) Vgl. BaUhaus, S. 99; Langer, S. 288, u. Townsend, S. 66.

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herrschaft überschritten. Diese blitzartige Gesinnungsänderung gibt seit 1884/85 Rätsel aufl5 . Zeitzeugen glaubten, der Reichskanzler habe sich dem Druck der Allgemeinheit in Deutschland gebeugt, die Kolonialbesitz - wie viele Franzosen und Engländer im 19. Jahrhundert - als Sinnbild und schmückendes Beiwerk nationaler Größe und Macht betrachtete l6. Bismarck selbst liebte es zuweilen, seine Gestaltungsfreiheit im historischen Prozeß zu leugnen, indem er vorgab, lediglich Erfüllungsgehilfe einer mächtigen Zeitströmung gewesen zu sein. Rückblickend erklärte er im Reichstag am 26. Januar 1889: "Ich bin kein Kolonialmensch von Hause aus gewesen; ich habe gerechte Bedenken gehabt, und nur der Druck der öffentlichen Meinung hat mich bestimmt, zu kapituli[e]ren und mich unterzuordnen" 17. Dieser Interpretation, der sich viele Historiker anschlossen, ist entgegenzuhalten, daß sich im Winter 1883/84 und im Frühjahr 1884 nirgendwo eine Äußerung des Kanzlers findet, die beweist, daß er dem Verlangen kolonialbegeisterter Kreise der Bevölkerung gehorchte, weil er sich bedrängt fühlte. Vielmehr verkörperte Bismarck die zentrale agierende Figur beim Erwerb des Überseebesitzes und öffnete aus freien Stücken die Büchse der Pandora, indem er das vorhandene Interesse zu einem wahren nationalen Begeisterungssturm entfesselte. Unhaltbar ist auch die Ansicht Mary Townsends (1932), der leitende Staatsmann habe seit Jahren auf die Gelegenheit einer aktiven Überseepolitik gewartet und im rechten Moment zugegriffen 18. 15 Nach der empfindlichen Wahlschlappe für die Regierungsparteien im Oktober 1881 (vgl. unten C. 1., S. 64) waren die innenpolitischen Voraussetzungen für den Kolonialerwerb drei Jahre später weniger denn je gegeben. Gleichfalls wußte Bismarck um die manchesterliehe Einstellung der Hanseaten (vgl. Marginalie Bismarcks am Schreiben C. Buschs an H. v. Bismarck, Abschr., Berlin, 3. Jan. 1881, BA Ko, NI. Goldschmidt, Nr. 6). Siehe ferner Wehler: Imperialismus, S. 424434, mit dem Ziel, die am 24. April 1884 eingeleitete Richtungsänderung zu kaschieren und einen fließenden Übergang vom informellen zum formellen Imperialismus zu konstatieren. "Es gibt 1884/86 keinen Bruch in den Wenvorstellungen, keinen Gesinnungswandel, keine plötzliche Begeisterung für Kolcrüen, keinen eigentlichen Verzicht auf bisher bewährte Grundanschauungen. Wohl aber gibt es einige Motive, die ihn [d. h. Bismarckl zeitweilig, entgegen seinen früheren Absichten und Hoffnungen dazu bestimmt haben, auch an wenigen Orten den bisher - und danach wieder - vermiedenen Schritt zu einer Politik staatlichen Engagements in »Schutzgebieten« zu tun, die er ganz unbestreitbar am liebsten privaten Interessensyndikaten als Handelskolonien unter einem locker formalisierten Reichsschutz überlassen hätte". (Ebd., S. 425.) 16 Einen Überblick über verschiedene Forschungsmeinungen - mit kritischen Kommentaren bieten W. Baumgart: Bismarcks Kolonialpolitik, S. 147-149; Gründer: Geschichte, S. 51-62; Waller, S. 69-74; Smith: Empire, S. 27-33; MedlicolI: Germany, S. 150; Williamson, S. 76f; Stern, S. 569, u. Wehler: Imperialismus, S. 412-423. 17 Bismarck am 26. Jan. 1889 (SB RT, Vll. Leg. IV. Sess., Bd. 1, S. 620). 18 Vgl. Raschdau: Bismarck, S. 96f. Das Motiv der Zeitdeterminienheit klingt auch an bei Bade: Reichsgründung, S. 183-185; Townsend, S. 61; Pogge von Strandmann: Consequences, S. 109; Gründer: Geschichte, S. 60; Pflanze: Herrschaftstechnik, S. 591; Weh/er: Imperialismus, S. 452f, u. Bade: Germany, S. 138f. Geiss: Policy, S. 44, behauptet: "The personal ideas of the German Chancellor are, of course, not irrelevant in explaining German foreign policy, but in the final

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In seiner Studie "Germany's First Bid for Colonies" propagierte A.l.P. Taylor (1938) die These, Bismarck habe die Kolonialpolitik als antienglischen Handstreich initiiert und Frankreich für ein Bündnis in Übersee gewonnen, um die begehrlichen Blicke des westlichen Nachbarn vom '''Loch in den Vogesen"'19 abzulenken und langfristig eine Versöhnung mit dem »Erbfeind« anzubahnen. Auch wenn diese Deutung eine stattliche Zahl von Anhängern findet 20, reduziert sie sich auf das einzig anzuerkennende Faktum, daß der Kanzler Frankreich beharrlich ermunterte, seine Kräfte außerhalb Europas - beispielsweise in Tonkin, Madagaskar und Marokko - zu verausgaben. "Wir müßten uns freuen, wenn es Befriedigung anderwärts als am Rhein finde"21, sagte er in diesem Sinne im Oktober 1881 zum deutschen Botschafter in Paris. Obwohl Bismarck französische Interessen in Afrika schonte und sich im September 1884 sogar weigerte, hanseatische Firmen vor den Unwägbarkeiten des französischchinesischen Krieges zu schützen, verstieg er sich nie zu der kühnen Idee, aus analysis, they remain of secondary importance. From a certain point onwards, the German Chancellor had to conform to dominating trends in German society, whatever his personal views may have been". Dagegen (in sich selbst widersprüchlich) Pogge von Strandmann: Consequences, S. 105f; Gründer: Geschichte, S. 51, u. Esterhuyse, S. 46. - Siehe ferner Townsend, S. 58-61. Die Autorin unterstellt: "Indirekt und im Stillen verfolgte er [d. h. Bismarck] eine koloniale Expansionspolitik, während er sie gleichzeitig öffentlich und offiziell verwarf' (ebd., S. 59). Diesen Mythos begründete anscheinend ein Artikel der »Colonialpolit. Corr.« aus dem Jahre 1885, der eine angebliche Unterredung zwischen Bismarck und zwei Protagonisten der Auswanderungsbewegung nacherzählte. "Der gegenwärtige Zeitpunkt [1876] sei sehr ungünstig, erst müsse in der Nation ein fruchtbarer Boden für derartige Unternehmungen geschaffen werden, und dann müsse die äußere Lage sich anders gestalten. Hierauf rechne er [d. h. Bismarck] mit Bestimmtheit, und dann könne man handeln. Acht bis neun Jahre könnten noch vergehen, bis die Frage für ihn reif sei". (»Die Gremboten«: "Die Lucia-Bucht" 44,1, 1885, S. 162.) 19 Hu/ten-Czapski, S. 86. Vgl. Taylor, S. 5f. Eine Stütze findet diese These in der Bemerkung des Kanzlers zu Philip Currie im Spätsommer 1885: "[Germany's] recent attitude of unfriendliness towards England in different parts of the world [... ] had originated, he [i. e. Bismarck] said, in his efforts to effect a reconciliation with France and dis suade her from her obsession of revenge" ("Summary of the Memorandum, by Sir Philip Currie, of his Conversations with Prince Bismarck, September 28-30,1885", G. Cecil, S. 257). 2D Vgl. W. Richter: Bismarck, S. 438f; Hildebrand: Saturiertheit, S. 195; W. Mommsen: Bismarck, S. 161; Bair, S. 45f; Ramm, S. 19Of; HiUgruber: Großmacht, S. 23-25; Ga/I: Bismarck, S. 619-623; GaU: Bismarck und England, S. 58; Hildebrand: System, S. 129f; Hildebrand: Zentrum, S. 63 u. 73, u. Kluke: Duell, S. 288-291, mit der Schlußfolgerung, daß sich England in dieses neue westliche Allianzsystem hätte eingliedern müssen, wollte es nicht allen Einfluß auf die europäische Mächtegruppierung verlieren. 21 Hohenlohe-SchillingsfÜT'st (Tgb. v. 23. Okt. 1881), Bd. 2, S. 319. Vgl. ebd. (Tgb. v. 22. Feb. u. 26. Nov. 1880 u. 24. Jan. 1884), Bd. 2, S. 291, 305f u. 348; Holstein: Papiere, Bd. 1, S. 106-109, u. Rothfels: Bündnispolitik, S. 7Of. Exakt reflektierte Bernhard von Bülow den Standpunkt der Berliner Zentrale: "Je mehr sie [d. h. die Franzosen] Kolonialpolitik machen, um so weniger mögen und können sie auf dem Kontinent Vorrnachtpolitik treiben" (8. v. Bülow an H. v. Bismarck, Paris, 15. Jan. 1884, BA Ko, NI. Bismarck, FC 2958). Ähnlich haUe sich der Kanzler eine Woche zuvor geäußert (vgl. Bismarck: GW, Gespräch mit Cohen v. 8. Jan. 1884, Bd. 8, S. 499). Man beachte auch Carroll, S. 180-185.

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einer Kolonial-»Entente« könnte eine echte Freundschaft zwischen Berlin und Paris erwachsen. Dazu waren die Politiker und die Bevölkerung Frankreichs zu revanchistisch gestimmt. "Was die Zeitungen von der deutsch-französischen Allianz reden, geht vor der Hand, lUld vielleicht für immer, über die Wirklichkeit hinaus"22, bezeichnete der leitende Staatsmann ein derartiges hochgestecktes Ziel, in dem Lothar GaU eine Alternative zum Dreibund sieht, als unsinnig. Bismarck fügte hinzu: "Ich würde niemals dazu raten, daß Ew[er] M[ajestät] die Zukunft unserer Politik auf so unsichere Grundlagen basierten"23. Vermuteten Paul Kluke (1953) und Werner Richter (1977), Bismarck habe London minels seiner antienglischen Kolonialpolitik fühlen lassen, daß es von der Unterstützung der Drei-Kaiser-Mächte abhängig sei, schwenkte der Wirtschafts historiker Hansjoachim Henning (1978) auf das innenpolitische Feld zurück. Ohne Beweise für seine These vorzulegen, behauptet er, der Kanzler habe die Kolonialpolitik begonnen, um das an "Kultur- und Glaubensmission"24 interessierte BildlUlgsbürgertum, repräsentiert durch das katholische »Zentrum«, für sich zu gewinnen, um eine solide parlamentarische Basis für seine Politik zu etablieren. Hans Herz/eid (1938), Immanuel Geiss (1979), Paul Kennedy (1980), Wolfgang 1. Mommsen (1988) lUld Hartmut Pogge von Strandmann (1988) hoben dagegen auf die Kolonialpolitik als Interessenschmelztiegel einer nationalliberal-konservativen Allianz ab, die der Regierung in den Reichstagswahlen (Herbst 1884) eine treue Mehrheit verschaffen sollte 25 . Henry A. TurBismarck an Wilhehn 1., Friedrichsruh, 9. Okt. 1884 (Bismarck: GW, Bd. 6c, S. 308). Ebd. "Meine Hoffnung beschränkt sich darauf, daß es gelingen werde, [... ] die bineren Erfahrungen an Ew[er] M[ajestät] Siege, wenn nicht in Vergessenheit, so doch zum Verblassen zu bringen und einen Zustand zu erreichen, in welchem Deutschland nicht mehr von Jahr zu Jahr einem Kriege mit Frankreich entgegenzusehen hat" (ebd.). Vgl. Hohenlohe-Schi1lingsfürst an Bismarck, Paris, 5. Nov. 1884, zu den Lamentos in der Pariser Presse über den Verlust Elsaß-Lothringens anläßlich der Reichstagswahlen vom Vormonat (PA BN, Frankreich Nr. 87, Bd. 42). Man beachte auch Turner, S. 77: "Bismarck's advances to France were the result of his colonial policy not its cause". Siehe ferner ebd., S. 77f u. 79f; Puntila, S. 275f, sowie Eyck: Reich, S. 258: "Vielleicht wären die Franzosen im Laufe der Zeit dahin gekommen, Sedan zu vergessen, aber Straßburg und Metz konnten sie weder vergessen noch vergeben". Vgl. Senatsprotokoll v. 12. Sept. 1884 (StA HH, a. xvm Nr. Xa 1884N). Man beachte auch die Marginalie Bismarcks am Bericht SchuJzes an Woermann (Absehr.), Gabun, 12. Aug. 1884, über seine Reise entlang der westafrikanischen Küste, wo sich ein Schiffskommandant beschwert habe, daß Deutschland unaufhörlich die Interessen Frankreichs schädige: "Die französischen Ansprüche dort sind mit besonderer Rücksicht zu schonen u[nd] zu berücksichtigen; wir können nicht gleichzeitig Frankreich u[nd] England verstimmen, sind darauf angewiesen, uns dem unverständigen englischen Widerstande gegenüber mit Frankreich in Einvernehmen zu halten". (BA Abt. P, RKA 4202, Hervorh. im Orig.) Ähnlich die Marginalie Bismarcks am Bericht Caprivis an Hatzfeldt, Berlin, 27. Sept. 1884 (ebd., RKA 4196). Man beachte auch Turner, S. 48-50, u. Kennedy: Rise, S. 173f, mit Kritik am Ansatz Taylors. 2A H. Henning, S. 78. Vgl. Kennedy: Rise, S. 169f, u. W. Mommsen: Bismarck, S. 156. 25 Im September 1889 sagte Bismarck: "Die ganze Kolonialpolitik habe er nur widerstrebend, aber doch aus einem opportunistischen Gesichtspunkt begonnen. Er habe sich der Hoffnung hinge22

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ner (1967), Paul Kennedy (1972) und Otto Pjlame (1982/1990) negierten innen- und außenpolitische Instrumentalisierungsabsichten und führten Bismarcks Motive für den Eintritt in die Kolonialpolitik auf rein ökonomische Überlegungen zUlÜck. Angesichts der Zuwachsraten des deutschen Überseehandels und der Rivalität anderer europäischer Nationen habe den Kanzler eine »Torschlußpanik« befallen, so daß er den hanseatischen Kaufleuten territoriale Bastionen sichern wollte 26. geben, daß man in Deutschland Sinn dafür haben und sich dafür einsetzen werde. Es sei damals alles so von Parteien durchsetzt gewesen, daß er geglaubt habe, man könne dadurch etwas aus dem Parteigetriebe herauskommen, namentlich auf die Nationalliberalen habe er dabei gezählt". (Philipp, Tgb. v. 22. Sept. 1889, S. 105.) Vgl. Geiss: Policy, S. 48f, u. Pogge von Slrandmann: Consequences, S. Illf. Ähnlich Langer, S. 296. 26 Vgl. Turner, S. 50-53. Man beachte auch Kennedy: Expansion, S. 139. Vgl. Pflanze: Herrschaftstechnik, S. 59lf; Pflanze: Development, S. 122f, u. Schäl/gen: Großmacht, S. 86. Ähnlich Kennedy: Rise, S. 167-169 u. 174f; Kusserow, S. 297f; Raschdau: Bismarck, S. 97, u. Canis: Motive, S. 4-6, für die marxistische Geschichtsschreibung. Gern operiert man, wie Pflanze: Herrschaftstechnik, S. 591, u. Wehler: Imperialismus, S. 448f, mit Bismarcks Reichstagsrede vom 13. März 1885 über die angeblichen kolonialen "Phantasiegebilde" der Engländer. "Sollten da nicht solide englische Interessen dahinterstecken, die Hoffnung, englische Manufaktur in großer Masse durch ihre Faktoreien an der Küste und nach dem Innem von Afrika an die Hunderte von Millionen abzusetzen, die diese Länder bewohnen, und die allmählich an einen größeren Verbrauch von europäischen Waaren [sie] sich gewöhnen? Sie sponen über das bunte Papier, von dem hier die Rede gewesen ist; aber von der Fabrikation dieses bunten Papiers leben in unseren Gebirgsdörfern eine rechte Masse achtbarer Arbeiter". (SB RT, VI. Leg. I. Sess., Bd. 3, S. 1799.) Man beachte auch GannlDuigfIßn: Reflections, S. 102, über "the myth of the tropical treasure house" im viktorianischen England. Siehe ferner die hitzige Debane zwischen Stanley und Pechuel-Loesche über den ökonomischen Wert und die Besiedlungsfähigkeit des Kongo-Beckens (vgl. Essner, S. 114f). Selbst die offiziösen »Grenzboten« warnten: "Manches in seinen Cd. h. Stanleys] Darstellungen ist wohl mehr Rhetorik als Wiedergabe der Wirklichkeit, und im allgemeinen dürfen die Reden, mit denen er den Kongo in England empfahl, unbedenklich in das Gebiet der besser[e]n Sorten der Reklame verwiesen werden. [... ] Der Kongo und sein Gebiet haben ferner jetzt schon unstreitig einen nicht geringen Wert. Aber fraglich ist doch sehr, ob dieser Wert so hoch angeschlagen werden darf, daß man sich für ihn stark erwärmen kann. [... ] Das Paradies am Kongo ist auf alle Fälle nicht ganz so schön und reich, wie man vielfach annimmt, und die Konsumtionsfähigkeit seiner schwarzen Bewohner wird noch geraume Zeit viel zu wünschen übrig lassen. [... ] Für Deutschland hat das fast nur insofern Bedeutung, als wir uns freuen, daß die Gesinung auch von dieser Seite in das Innere von Afrika einzudringen und die Barbarei zu beseitigen anfängt. Viel Nutzen für uns werden wir davon nicht erwarten dürfen. Für die Auswanderung ist der Kongostaat schon wegen des heißen und ungesunden Klimas so wenig wie and[e]re Tropenländer geeignet". (»Die Grenzbolen«: "Das neue Königreich in Afrika" 44,2, 1885, S. 39Of.) Siehe ferner Rintelen am 13. März 1885 (SB RT, VI. Leg. I. Sess., Bd. 3, S. 1796). Vgl. Buchner an Bismarck, Kamerun, 17. April 1885: "Der Handel wird hier in der Zukunft nur die zweite, die erste Rolle aber wird die Kultivation spielen. Zum Glück ist ja das Kamerungebiet in Bezug [sie] auf Kultivation wenn nicht das günstigste, so doch gewiss eines der günstigsten Gebiete des ganzen sonst vielfach überschätzten afrikanischen Kontinents. Der Kamerun-Handel ist gering u[nd] ohne Kultivation keiner besonders großen Ausdehnung fähig. Er lebt von den Erträgnissen einer Produktions zone, die sich kaum mehr als 50 bis 100 Kilometer ins Innere erstreckt, u[nd] große Karawanenstraßen münden hier nicht. Sicherlich werden uns[e]re Kaufleute demnächst bis zu den Grenzen jener Produktionszone vordringen u[nd] mit den Produzenten sich den Gewinn theilen, den bisher die Dualla als letzte, die Abo u[nd] Wuri etc. als

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Furore in Wissenschaft und Medien machte die »Sozialimperialismus«-Theorie Hans-Ulrich Wehlers (1969). Sie beansprucht, nicht nur eine allumfassende Erklärung für den Sprung Bismarcks nach Übersee, sondern generell für imperialistisches Handeln inner- und außerhalb Europas zu liefern. Das verführte dazu, das »Sozialimperialismus«-Modell auf die wilhelminische Ära und die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus zu übertragen und Bismarck in eine Reihe mit Alfred von Tirpitz und Adolf Hitler zu steUen 27. Man feierte Wehlers Buch als wegweisenden Beitrag zur "Intensivierung von Theorie-Diskussion und Methodenreflexion in der Geschichtswissenschaft"28. Klaus Bade ernannte den Bielefelder Forscher sogar zum Begründer einer "Historischen Sozialwissenschaft zwischen Geschichte, insbesondere Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Ökonomie und Soziologie" 29. Um Wehlers Interpretationsmuster, das eine vielschichtige pyramidale Abfolge von Motivkomplexen enthält, rankt sich mittlerweile in der Forschung ein nahezu undurchdringliches Gestrüpp des »Für und Wider«, das, definiert man Wehlers Studie als »Primärwerk«, den Bereich der Sekundärliteratur längst überwuchert hat. Ziel dieser Arbeit ist es nicht, den Disput über den Wehlerschen »Sozialimperialismus«, also die Erkenntnismöglichkeit der Strukturgeschichte, wiederzubeleben. An anderen Orten sind in einer riesigen Flut von Beiträgen die Standpunkte der verschiedenen Historikerschulen ausgiebig gegeneinander abgevorletZle u[nd] wahrscheinlich auch noch andere, noch weiter rückwärts wohnende Zwischenhändler aus den Produkten gezogen haben. Aber sollten sie schließlich noch weiter nordostwärts, bis in die Nähe des Niger-Benue vordringen, an dieser großen Wasserstraße werden sie umkehren müssen. Denn mit einer solchen kann höchstens eine Eisenbahn konkurrieren". (BA Abt. P, RKA 4212.) 27 VgL Hildebrand: Fall, S. 381: "Alle drei Repräsentanten deutscher Politik, Bismarck, TiIpitz und Hitler, standen grundsätzlich im Dienste einer Utopie, nämlich innenpolitisch einen Gesellschaftszustand zu zementieren und eine Sozialordnung W1ter Quarantäne ru stellen, die vom Bazillus der industriewirtschaftlichen VeränderWIg bereits ergriffen war. Bismarck suchte den Weg ru diesem Ziel in einer Strategie der außenpolitischen Status-quo-Bewahrung in Europa verbWlden mit dem beginnenden überseeischen Expansionismus des Reiches". Man beachte auch Schleier, S. 49Of, u. W. Baumgart: Theorie, S. 5f. 28 Bade: Fabri, S. 1 L VgL Pflanze: Herrschaftstechnik, S. 597-599, zur Fragwürdigkeit komplexer modellhafter ErldärWIgen, weM sie nicht Massenphänomene, sondern - wie im Falle Bismarcks - Motive individuellen Handelns und Denkens zutage fördern sollen. - Man beachte auch Rumpler: Stand, S. 266, mit dem Hinweis, daß schon vor Wehler andere Historiker mit dem »sozialimperialistischen« ErldärWIgsmodus arbeiteten. Siehe ferner Bade: ReichsgründWlg, S. 183185, wo der Kanzler als verantwortlicher Akteur W1ter einer Vielzahl von handelnden Personen und ZeitströmWlgen verlorengeht. 29 Bade: Fabri, S. 1 L VgL Bley, S. 10. Positive Wertungen der Studie Wehlers finden sich u. a. - trotz aller Kritik - bei W. Baumgart: Theorie, S. 5f; W. Mommsen: Bismarcks Kolonialpolitik, S. 58 u. 60; Kennedy: Expansion, S. 134; Hallgarten: Imperialist, S. 258f, u. Stürmer: Revolutionsfurcht, S. 188f u. 196f. Dagegen W. Mommsen: Imperialismustheorien, S. 80: "Am Ende erweist sich seine Cd. h. Wehlers] Theorie als eklektisch; sie kombiniert mehrere, ihrer Natur nach durchaus verschiedene ErklärWIgsmodelle in einer nicht eindeutigen Weise miteinander, die es erlaubt, je nach dem Argumentationszusarnmenhang eines dieser ErldärWIgsmodelle auf Kosten der anderen in den VordergrWId zu stellen".

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A. Einleitung: Bismarcks Kolonialpolitik

grenzt worden30. Trotzdem ist es legitim und hilfreich, einige wichtige Punkte der Wehler-Kritik aufzugreifen, um den gewaltig aufgebauschten Kokon von Argumenten, der sich mittlerweile um die Motive Bismarcks für den Eintritt in die Kolonialpolitik gesponnen hat, zu entwirren und die »Desiderate der Forschung« aufzudecken 31 . »Sozialimperialismus« definiert Hans-Ulrich Wehler als wissenschaftlich bewiesene Form einer antizyklischen Konjunkturpolitik, die mittels "Gewinnung von Außenmärkten, die dann zu einem »Informal Empire« oder auch zu kolonialer Gebietsherrschaft führen konnte, [... J, auf die Wiedergewinnung oder Erhaltung der wirtschaftlichen Prosperität"32 abhob. Kehrseite der ökonomischen Begründung bildet eine psychologisierende Erklärung. Real fühlbare wirtschaftliche Erfolge oder deren Vorgaukeln sollten ein Gefühl der Zufriedenheit in aufsässigen Bevölkerungsgruppen erzeugen. "Im Sinne eines solchen Sozialimperialismus bestand die Intention und Funktion namentlich der deutschen überseeischen Expansion [... ] darin, als konservative Ablenkungs- und Zähmungspolitik systemgefährdende Reformbestrebungen - wie sie die emanzipatorischen Kräfte des Liberalismus oder der organisierten sozialistischen Arbeiterbewegung verkörperten - nach außen abzulenken"33. Wehler identifi30 Ausführliche Literaturllinweise zur oftmals sehr polemisch geführten Wehler·Diskussion enthalten z. B. Pflanze: Herrschaftstechnik, S. 562f, dort Anm. 1; Rumpler: Stand, S. 264, dort Anm. 31, u. Bade: Reichsgründung, S. 202. - Kurze prägnante Beschreibungen der Wehlerschen These bieten W. Mommsen: Imperialismustheorien, S. 76f; W. Baumgart: Imperialismustheorie, S. 199; Rumpler: Stand, S. 262f; StÜT"m2r: Perspective, S. 295; W. Mommsen: Kaiserreich, S. 239f; Kennedy: Expansion, S. 135f; StÜT"m2r: Bismarck-Mythos, S. 6f; W. Mommsen: Triebkräfte, S. l00f; Pflanze: Herrschaftstechnik, S. 587-590; StÜT"m2r: Revolutionsfurcht, S. 19lf u. 195f; H. Henning, S. 53f, u. Hampe, S. 274-276. 31 Zur Kritik an der Übertragbarkeit des »Sozialimperialismus«-Modells auf den internationalen Impellalismus vgl. W. Baumgart: Imperialismustheorie, S. 199f, u. Rumpler: Stand, S. 264f. 32 Wehler: Kaiserreich, S. 173. "Empirisch ist die Genesis des modemen Imperialismus unauflöslich - und zwar subjektiv im Bewußtsein der damals Handelnden, aber auch objektiv für die Imperialismusforschung von heute - mit den Konjunkturschwankungen verknüpft" (ebd., S. 172). Vgl. Bade: Kolonialexpansion, S. 19. J3 Wehler: Kaiserreich, S. 173. Vgl. Reinhard, S. 385: "Obwohl Wehler's [sie] Imperialismuskonzept auf der Einführung der modemen Wachstwns- und Konjunkturtheorie in die politische Geschichte beruht, ist es doch [... ] gegen empirische Einwände von Wirtschaftshistorikern weitgehend immun; denn es ist ja nicht ausschlaggebend, ob wirtschaftspolitische Maßnahmen ihre Ziele tatsächlich erreichen; es genügt, daß sie ihre systemstabilisierende Wirkung entfalten. Insofern ist Wehler's Theorie der rein ökonomischen Imperialismustheorie überlegen". Dagegen W. Baumgart: Theorie, S. 11: "Imperialismus sollte [... ] synonym für die politisch-territoriale Aneignung und Angliederung der nqch nicht beherrschten Regionen der Weh durch die okzidentalen Mächte gebraucht werden. Wenn man ihn wesentlich anders definiert und Begriffe wie Finanzimperialismus und Sozialimperialismus einführt, gelangt man rasch zur Inflation, das heißt zur Entwertung des Imperialismusbegriffs. [... ] Man muß dann [... ] auch konsequenterweise die Existenz von Erscheinungen wie Kulturimperialismus, Religionsimperialismus, Gesinnungsimperialismus usw. postulieren" .

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ziert diese hochfliegenden Erwartungen der Kolonialpublizistik - vornehmlich repräsentiert durch die Werke Friedrich Fabris, Wilhelm Hübbe-Schleidens und Ernst von Webers - mit den Absichten Bismarcks. Er behauptet: "Den Exponenten dieses ideologischen Konsensus blieb der Zusammenhang von wirtschaftlicher Prosperität und gesellschaftlicher Ruhelage als Leitbild stets präsent. Dieser Zusammenhang schwebte auch Bismarck vor" 34. Die Formel "überseeische Expansion als allumfassende Krisentherapie"35 - Wilhelm Liebknecht hatte bereits 1885 vom »Export der sozialen Frage« gesprochen - bringt Wehlers vieldimensionale Theorie auf einen kurzen Nenner36. Die Quellen erlauben keine Kongruenz zwischen den Bismarckschen Motiven und den Maximen der führenden Kolonialpropagandisten, die mittels des Exports der sozialen Frage die überkommene Gesellschaftsordnung zu stabilisieren suchten. Die Überseepolitik der Reichsleitung - wie auch die der hanseatischen Handelskreise - orientierte sich nie an diesen theoretisierenden Forderungen und denen ihrer »praktischen« Exponenten, d. h. des ))Centralvereins für Handelsgeographie und Förderung deutscher Interessen im Ausland« (1878), »Westdeutschen Vereins für Colonisation und Export« (1881), ))Deutschen Kolonialvereins« (1882) und der ))Gesellschaft für deutsche Kolonisation« (1884)37 . ... Wehler: Kaiserreich, S. 175. ]S Bade: Kolonialexpansion, S. 19. 36 Vgl. Liebknecht am 4. März 1885 (SB RT, VI. Leg. I. Sess., Bd. 3, S. 1540). Der sozialdemokratische Abgeordnete klagte mit Blick auf die Regierungsbank und die kolonialfreundlichen Parteien im Reichstag: "Sie zaubern vor die Augen des Volks eine Art Fata Morgana auf dem Sande und den Sümpfen Afrikas". Er mahnte: "Glauben Sie, daß durch solche Kolonien etwas er· reicht werden kann, die jetzt von der Reichsregierung geglÜndet worden sind und eine neue Aera für uns erzeugen sollen? Man muß mitunter wirldich annehmen, daß die Deutschen den Namen des Volkes der Denker sehr mit Unrecht führen". (Ebd., Hervorh. im Orig.) Man beachte auch die Rede des »Zentrums«-Abgeordneten Josef Racke am 16. März 1885: "Wenn kräftige Kolonialpolitik getrieben werden soll, und wenn diese Kolonialpolitik in der That diejenigen FlÜchte tragen soll, die wir von derselben erwarten, dann müssen wir vor allem dafür sorgen, daß wir wieder Frieden haben im eigenen Lande. So lange dieser Frieden im eigenen Lande nicht hergestellt ist, [... ) so lange werden wir nicht in der Lage sein, mit derjenigen Konzentration unserer Kräfte an die Aufgabe heranzutreten, die unser in der Kolonialpolitik warten". (Ebd., S. 1868.) ]7 Vgl. Hallgar/en: Imperialist, S. 26Of, u. Bade: Germany, S. 124f. Man beachte auch die Kritik von W. Baumgar/: Imperialismustheorie, S. 202, u. Langewiesche: Kaiserreich, S. 633f, daß selbst das starre, konservative Hernchaftsgefüge des Kaiserreichs wandlungsfähig war, so daß zu fragen ist, welche "konservative Utopie" (Weh/er: Imperialismus, S. 115) es ru zementieren galt.. Siehe ferner eingehend zur Kolonialpublizistik und deren Rezeption in der Bevölkerung die Studie von Bade: Fabri, bes. S. 97-105; Smilh: ldeology, S. 644f u. 65Of; GaMlDuignan: Reflections, S. 117f; Bade: Kolonialexpansion, S. 19f; Snyder: Diplomacy, S. 55-57; Bade: Germany, S. 121·124; Gollwitzer, S. 222-226; Hampe, S. 283-285 u. 290, sowie Townsend, S. 66-72. Zur ReseTViertheit der praktisch erfahrenen und im Überseehandel tätigen Hansestädte vgl. Washausen, S. 56: "Das Interesse der Hanseaten an den Kolonialbestrebungen stand in umgekehrtem Verhältnis zu der Bedeutung, die ihnen von den Kolonialtheoretikern für eine deutsche Kolonialpolitik rugesprochen

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Das Kernanliegen der Kolonialpropaganda, durch Territorialerwerb in Übersee eine Ansiedlungsmöglichkeit für die explodierende Bevölkerung Deutschlands zu schaffen, der Heimat ihre Auswanderer kulturell zu erhalten und gleichzeitig revolutionären Zündstoff aus dem unter Druck stehenden Dampfkessel einer sozial und ökonomisch angeblich instabilen Gesellschaft zu entfernen, vernachlässigt Wehler. Diesem für seine Theorie äußerst wichtigen Punkt, der eine "zentrale, jedenfalls bedeutendere Rolle gespielt [hatte] als das Argument des Waren- und Kapitalexports"38, widmet er nur einen knappen dreiseitigen Exkurs. Bismarck strafte dagegen Auswanderer mit einer gewissen Verachtung und bekundete nie Interesse, ihren Strom in die Kolonien zu lenken. In einem Runderlaß vom 17. Februar 1886 an die Bundesstaaten verriegelte er dieses »Sicherheitsventil«, durch das - gemäß dem Wunsche Friedrich Fabris und anderer Publizisten - Verbrecher und unliebsame Sozialdemokraten nach Übersee abgeschoben werden sollten. Da der Siedlungsgedanke in der Ideenwelt der Kolonialenthusiasten einen sehr breiten Raum einnahm 39, Wehler ihm jedoch als system stabilisierendes Instrument eine nebenrangige Bedeutung zumißt, vergißt er, eine tragende Mauer in sein auf die Konservierung der gesellwurde". Überseebesitz lehnte zum Beispiel der Lübecker Senator Klügmann ab, "da er von Kolonien nicht die notwendige Vermehrung des Absatzes industrieller Produkte erwartete. Für diesen Zweck hielt er Handelsverträge für geeigneter". (Ebd., S. 59.) Im Reichstag sprach Victor Rintelen zum Ärger des in die Defensive gedrängten Kanzlers spöttisch von buntem Papier, Mundharmonikas und gläsernen Perlen als Konsumprodukten der "Wilden in Mrika" (Rintelen am 13. März 1885, SB RT., VI. Leg. I. Sess., Bd. 3, S. 1796). Vgl. Bismarck am 13. März 1885 (ebd., S. 1799). Die Mitglieder der Kolonialvereine rekrutierten sich vorwiegend aus in Handels-, Finanz- und Wirtschafts angelegenheiten unerfahrenen Professoren, Lehrern, Forschern, Zivilangestellten und Soldaten (vgl. Gann/DuigfUJn: Reflections, S. 116f; H. Henning, S. 69f, u. Dietzel, S. 5). Scharf urteilt Oncken: Reich, S. 252, über die Protagonisten der Kolonialbewegung: "Ein schwungvolles Vereinstreiben von Männern, die durchweg keinen Atemzug kolonialer Luft in sich aufgenommen hatten. Nicht der koloniale Praktiker war die Regel, sondern häufiger fast war der koloniale Theoretiker, der Kolonialschwärmer, der aus wirtschaftlichen Berechnungen oder aus nationalen Erziehungsbedürfnissen die Notwendigkeit kolonialer Betätigung erwies und seinem Volke die Lehre verkündete, daß es [... ] Kolonien erwerben müsse". - Siehe insgesamt zur hanseatischen Skepsis gegenüber staatlich organisiertem und von Vereinen propagiertem Kolonialerwerb Washausen, S. 24-34; Bade: Fabri, S. 185-187; Gann, S. 223, u. Bade: Germany, S. 128-133. 38 Gründer: Geschichte, S. 27. Vgl. Wehler: Imperialismus, S. 155-157. 39 Tatsächlich übten gerade Mrika und der Pazifik auf Auswanderer - so wie es earl Strauss im Jahre 1886 aufgrund der Nachweisungen des Kaiserlichen Statistischen Amtes herausfand - für den Zeitraum 1871 bis 1884 keine Faszination aus. "Das Ziel fast aller deutschen Auswanderer ist Nordamerika, insbesondere die Vereinigten Staaten. Süddeutschland, beide Mecklenburg und Posen sandten fast alle ihre sämtlich Abziehenden dahin, aber auch Westdeutschland (mit Ausnahme von Rheinland), sowie Thüringen und Königreich Sachsen mehr als 95%. [... ] Sehr unbedeutend ist die deutsche Auswanderung nach Mrika, Minelamerika etc. und Asien. Mrika empfing 1,8% der Auswanderer aus Hamburg, 1,7% aus Lübeck, aus Brandenburg, Hannover, Westfalen je 0,6%, Provinz Sachsen und Anhalt je 0,5%". (Strauss, S. 56.) Die vier zuletzt genannten Zahlen ähneln den Ziffern des Güterexports des Reichs in die deutschen Kolonien (vgl. unten S. 36-39 dieses Kapitels).

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schaftlichen Ruhelage fixiertes »sozialimperialistisches« Theoriengebäude einzuziehen. Der Kanzler hatte nie einen Gedanken daran verschwendet 40. Auch die von Wehler ausgebreiteten ökonomischen Krisendaten einer überproduzierenden Industrie, die den Kolonialerwerb angeblich notwendig machte, um neue Exportmärkte zu eröffnen, verzerren die historische Wirklichkeit. Die »große Depression« der siebziger und achtziger Jahre war "mehr eine Krise der reichen als der armen Leute"41 und wirkte keineswegs systemgefährdend. Hat 40 Vgl. Schweinitz an Bismarck, St. Petersburg, 14. Dez. 1883, daß viele in Rußland lebende Deutsche "mit Stolz die eigene Nationalität und die Verbindung mit dem Vaterlande" bewahrten. Sarkastisch merkte der Kanzler an: "Da sie keine Steuern zahlen". (PA BN, Rußland Nr. 61, Bd. 39.) Man beachte auch Oncken: Reich, S. 250; Busch: Tagebuchblätter (Tgb. v. 28. Jan. 1883), Bd. 3, S. 138, u. Meyer, S. 27. In seinen Memoiren schrieb Richard von Kühlmann im Zusammenhang mit dem » Panthersprung nach Agadirdeutsches Ministerium Gladstone«, eingebettet in den verfassungsrechtlichen Rahmen einer am englischen Vorbild angelehnten parlamentarisch kontrollierten Monarchie, unter der Ägide des liberal-anglophilen Kaiser Friedrichs m. als Alpdruck beschreibt, der schwer auf dem Kanzler lastete: "Anfang der 80er Jahre 'war der Kronprinz noch nicht krank', soll Herbert v. Bismarck geäußen haben, 'und wir mußten auf eine lange Regierungszeit gefaßt sein, während welcher der englische Einfluß' - die sogenannte 'englische Intimität' dank Kronprinzessin Victoria und drohendem 'Kabinen Gladstone' in Berlin - 'dominieren würde'. Das aber habe Bismarck auch im 'Hinblick auf unsere inneren Verhältnisse für bedenklich' gehalten".

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In der Forschung wird die »Kronprinzen-These«, wie man dieses Motiv für den Kolonialerwerb Bismarcks benennen kann, vielfach belächelt, weil sie angeblich in die historische Argumentationskategorie »quod non est in actis, non est in mundo« fällt 86. Hermann Oncken (1933) mokiert sich über die "etwas zynische Kraftäußerung"87 Herbert von Bismarcks, und Adolf Rein (1936) qualifiziert sie als "Diplomaten-Anekdote"88 ab. Besonders in der Periode der euphorischen Aufbruchsstimmung einer vornehmlich strukturwissenschaftlich orientierten Geschichtsschreibung, die beansprucht, naturgesetzähnliche Beschreibungsparameter entdeckt zu haben, mithin der Neigung verfiel, der persönlichen Bewegungsfreiheit des Individuums im Geschichtsverlauf enge Grenzen zu setzen, wurde dieser Ansatz als eindimensional, der Komplexität des schillernden Phänomens »Imperialismus« nicht adäquat und personalistisch zugespitzt, abgelehnt89 . Wolfgang 1. Mommsen (1969) schmälert die »Kronprinzen-These« als "unbefriedigend[en]"90 Lösungsversuch, und HansUlrich Wehler gesteht ihr nur zu, ein "sicherlich nicht unwillkommenes Nebenergebnis"91 zu sein. (Weh/er: Kaiserreich, S. 188.) Die oben zitierte Passage aus dem Memoirenwerk Lothar von Schweinitz' (vgl. unten Kap. G. IV., S. 442), referiert Wehler - in seinem typisch willkürlichen Umgangsstil mit Quellen - nur lückenhaft. Zwar räumt er ein, daß der Kanzler "gelegentliche außenpolitische Reibungen mit England für notwendig hielt, 'um den deutschen Ärger gegen England zu nähren' und damit den 'Einfluß britischer Ideen in Deutschland ... , die den Konstitutionalismus und Liberalismus betreffen', zu hemmen" (ebd.), doch verschweigt er mittels geschickter Auslassungen im Zitat, daß der Kolonialpolitik, die er vier Jahre zuvor »sozialimperialistisch« interpretiert hatte, diese Funktion zufallen sollte. 86 Vgl. Lappenküper, S. 9, der sich in seiner Studie über die umstrittene »Mission Radowitz« nach St. Petersburg mit einer ähnlichen Problematik beschäftigt. 87 Oncken: Reich, S. 254. 88 A. Rein, S. 86. Ähnlich Carroll, S. 179: "This Machiavellian purpose was perhaps an afterthought". 89 Vgl. Hallgarten: Imperialismus, S. 219f: "Dieser Ausspruch projiziert zwar unzweifelhaft einen politischen Zweck, den Bismarck unter Umständen mit der Kolonialpolitik zu verbinden imstande war, in eine Politik hinein, die durchaus nicht nur dieses Ziel anstrebte, und erweist sich außerdem zur Klärung des im wesentlichen ja soziologischen Bedürfnisses [tl deutscher Kolonien als nicht minder unzureichend, wie eben jede »politische« Interpretation gesellschaftlicher Vorgänge auch sonst im allgemeinen". Dagegen Pflall2e: Herrschaftstechnik, S. 562: "Es stellt sich doch auch die Frage, ob sie [d. h. die Sozialwissenschaftler] nicht gleichzeitig die Gefahr eines erneuten Abgleitens ins magnetische Feld der Generalisierung heraufbeschworen haben, und ob wir, die Historiker, bei unreflektierter Übernahme dieser Methoden, nicht Gefahr laufen, den Kontakt mit dem Feld der Empirie zu verlieren".

W. Mommsen: Bismarcks Kolonialpolitik, S. 58. Wehler: Imperialismus, S. 480. Die Gefahr englischer Einflüsse und die vom Reichskanzler mittels der Kolonialpolitik erteilte - mündlich verbürgte - Antwort darauf schmettert Weh/er mit dem Einwand ab: "Nun hat Bismarck je nach Situation, Stimmung und Gesprächspartner sehr verschiedene Leitgedanken als die für seine Überseepolitik allein entscheidenden bezeichnet" (ebd., S. 416). Diese unwissenschaftliche Argumentation ließe sich nicht zuletzt gegen Wehlers Theorie verwenden. 9C

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Führt die »Sozialimperialismus«-Theorie des Kanzlers Engagement in Übersee auf dessen Furcht vor dem Emanzipationsdrang einer politisch, wirtschaftlich und sozial unzufriedenen Bevölkerung zurück, beschreitet die Erklärung des ältesten Kanzlersohns den umgekehrten Weg. Auch sie bedient sich des in dieser allgemeinen Formulierung akzeptablen Verdikts, daß "Bismarcks Imperialismus [... ] unter dem Zeichen des Primats der Innenpolitik"92 stand. Die »Kronprinzen-These«, die im Mittelpunkt dieser Studie stehen soll, begreift die Gefahr des Thronwechsels, also den Herrschaftsübergang vom prorussisch, konservativ gesonnenen Wilhelm 1. zum anglophil, liberal denkenden Friedrich 111., als »Revolution von oben«93. Aufgrund des hohen Alters des 1797 geborenen Monarchen mußte man in Berlin jederzeit auf dessen Ableben, das den Systemwechsel implizierte, gefaßt sein 94. Bismarcks Verhältnis zu Kronprinz Friedrich Wilhelm und dessen Gattin Victoria, einer Tochter Queen Victorias, gestaltete sich seit Beginn seiner Ministerpräsidentschaft denkbar schlecht. Den Regierungsantritt des Prinzen identifizierte Bismarck mit Parlarnentarisierung und einer Umformung der sozialen und ökonomischen Verhältnisse nach eng92 93

Narr, S. 205. Vgl. Weh/er: Imperialismus, S. 487: "Wenn »Utopien verfolgt« und den »niedersten Klassen

00. eine Macht gegeben« werde, »die das Königtum verliert«, »so führe dies zum Parlamentarismus und zum Niedergang der monarchischen Gewalt«. Diesem Schreckensbild einer parlamentarischdemokratischen Zukunftshemchaft sah er [d. h. Bismarck] mit tiefer Skepsis entgegen: »die Hungrigen 00', die werden uns fressen, ich sehe sehr schwarz in Deutschlands Zukunft«, schon wenn der Liberalismus einmal siege, »so fällt alles wieder auseinander«. Zugleich stemmte er sich daher diesen Kräften, die seinen Obrigkeitsstaat bedrohten, mit aller Macht entgegen, und seinem Erfindungsreichturn entsprangen immer neue [sozialimperialistische] Stabilisierungsmaßnahmen. Trotz seiner zunehmenden Kritik am Reichskanzler gestand Friedrich v[ on] Holstein, daß nur Bismarck »die größte aller Aufgaben, das Zuriickstauen der Revolution 00' besorgen könne: »Dafür ist kein Ersatz ZlI sehen, weit und breit.«" - Abgesehen davon, daß Wehler verhehlt, welche Bevölkerungsgruppen und -schichten eigentlich das Bismarck-Reich gefährdeten, verschweigt er in der obigen Passage, die mit aus dem Zusammenhang gerissenen und nicht eindeutig identifizierbaren Zitatfetzen operiert (Spitzemberg, Tgb. v. 2. Dez. 1883, S. 202, u. Holstein: Papiere, Tgb. v. 17. Nov. 1884, Bd. 2, S. 181), daß der Kanzler im Kronprinzen den gefährlichen Akteur vermutete, der einst die systemgefährdenden, emanzipatorischen Kräfte frei walten lassen würde. Man beachte auch unten Kap. C. IV., S. l7lf, dort Anm. 78, zu anderen Beispielen für den verfälschenden Umgang mit dem Spitzemberg-Zitat. 94 Vgl. Ampthill an Granville, Berlin, 19. Nov. 1881: "When the dear old Emperor dies, [00'] then Bismarck's irresponsible power ought to come to an end, - that is, if the Crown Prince has the moral strength to compel bis Chancellor to submit to the Constitution of the Empire and accept the accidents of a parliamentary system based on universal suffrage, wbich at present Bismarck absolutely refuses to do". (um. Berl. Emb., S. 235.) Man beachte auch Van der Kiste, S. 126: "The possibility that he [i. e. William I] could suddenly succumb to a stroke or some ailment at any time was never far from Bismarck's mind". Ähnlich Goldschmidt, S. 77: "Kaiser Wilhelm I. stand im neunten Jahrzehnt seines Lebens. Jeder kleine Unfall, jede kleine Erkrankung, die der Monarch erlin, ließen sofort alle Hoffnungen und Befürchtungen deutlicher in Erscheinung treten, die sich an seinen möglicherweise bevorstehenden Tod knüpften". Siehe ferner Ho/lyday: Rival, S. 217. Bismarcks Furcht vor dem Thronwechsel im Kolonialjahr 1884 konstatieren konkret Canis: H. v. Bismarck, S. 331, u. H. Müller: Friedrich m., S. 411f.

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lisch-liberal-gladstonianischen, insgesamt antipreußischen, Werten. Außenpolitisch fürchtete er, werde sich das neue Kaiserpaar im englischen Interesse gegen Rußland mißbrauchen lassen. Nicht nur Bismarcks Lebenswerk sowie die Dominanz der konservativen Elite im Deutschen Reich waren im Falle dieses »Paradigmenwechsels« in Gefahr, sondern der »Politiker aus Leidenschaft« mußte damit rechnen, des Amtes enthoben zu werden und - zu einer Komparsenrolle verurteilt - sein Gnadenbrot in Friedrichsruh fern der politischen Bühne Berlins zu fristen. Den Kanzler - mithin das »System Bismarck« - als politisch und persönlich akut existenzgefährdete Figur im Schatten des drohenden Thronwechsels hat die Forschung bislang als »point negligeable« behande1t 95. In der Periode or95 Vgl. W. Baumgart: Bismarcks Kolonialpolitik, S. 149f. Stürmer: Regierung, S. 21, konstruiert lediglich ein Wlglückverheißendes "Dreieck von Staatsstreichdrohung, ParlamentarisieTWlg und Revolutionsfurcht". Man beachte auch Wolter: Problem, S. 191-204, zu Bismarcks Angst vor der »roten Gefahr«. "In der Auseinandersetzung mit dem Linksliberalismus wie dem politischen Katholizismus waren es wohl eher vermeintliche Gefahren einer »schleichenden Revolution«, die der sein bonapartistisches System verteidigende Kanzler aus vorwiegend taktischen Gründen heraufbeschwor". Siehe dagegen unten Kap. F. 1., S. 312, zu einer diametral entgegengesetzten Äußerung Bismarcks vom 14. März 1884. - Auch in einem anderen Fall ist in der Forschung die vom Kronprinzenliberalismus ausgehende Gefahr Wlterschätzt worden. Gall: Bismarck, S. 384f, behauptet, Bismarck habe das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht der Verfassung des Norddeutschen Bundes konzediert, um das Massenpotential der unteren Bevölkerungsschichten gegen das emanzipatorische Bürgertum ins Feld zu werfen. Ähnlich Pollmann, S. 103-118, bes. 104-106. Man beachte auch KluJce: Ära, 94, zur Taktik Bismarcks, "gegen die anarchisch revolutionären Massen der modemen Großstädte die gesWlden Elemente zu setzen, welche den wahren Kern des Volkes bildeten" . Diese Interpretation ist zu oberflächlich gefaßt, da sie den eigentlichen »Revolutionsherd«, d. h. das Thronfolgerpaar Wld in ihrem Gefolge die liberalen, mißachtet. Als Otto von Diest-Daber, einer der Repräsentanten der Konservativen, die Auskunft des Ministerpräsidenten anzweifelte, daß er das im Vergleich zur oktroyierten preußischen Verfassung sensationell modem anmutende neue Wahlrecht dazu benutze, um Österreich im hegemonialen Wettstreit in Deutschland zu besiegen, ließ der Kritisierte die Maske fallen. "Was wollen Sie von mir?"', herrschte Bismarck den Regierungspräsidenten an. "Wollen Sie mich überhaupt noch der konservativen Partei erhalten? Bin aber nicht ich Wld die Konservativen völlig verloren, wenn der Kronprinz zur Regierung kommt? Sobald der alte Herr die Augen zumacht, bekomme ich vom Kronprinzen einen Tritt; den Tritt kann er mir aber nicht geben, wenn ich mir der Majorität in den VolksvertretWlgen sicher bin, diese Majorität aber wiederum erlange ich jetzt nur durch ein solches Wahlsystem!" (Bismarck: GW, Bd. 7, S. 216.) - Allgemein formuliert W. Mommsen: Kaiserreich, S. 259: "Die große Mehrheit der konkreten politischen Entscheidungen Bismarcks ist weit stärker auf den Augenblick berechnet gewesen, als die Bismarck entweder positiv oder negativ heroisierende Bismarck-Historie bislang anzuerkennen bereit war, Wld trugen dem jeweiligen Gewicht der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in bemerkenswertem Umfang RechnWlg". - Allein W. Baumgart: Prolog, S. 297-325, hat exemplarisch den Zusammenhang zwischen einer vom Kanzler entfachten außenpolitischen Krise und der Furcht vor dem Thronwechsel herausgeschält. Andeutungsweise nur bei Canis: H. v. Bismarck, S. 333f, in bezug auf den deutsch-spanischen Streit um die Karolinen-Inseln (vgl. unten Kap. J. II., S. 535f u. dort Anm. 31). - Daß des Kanzlers Politik in vielerlei anderer Hinsicht, aber stets durch den Kaiser als Spender seiner Macht gedeckt, auf wakkeligen Füßen ruhte, hat Lothar Gall nachgewiesen. Man beachte besonders das Kapitel "Das

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thodox-apologetischer Geschichtsschreibung kürte sie ihn vor 1945 zum bewunderten, in seinen Entscheidungen unanfechtbaren Helden, während man den Kanzler nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen der Kontinuitäts- bzw. Sonderwegsdebatte zum "negativ gewendeten - genialen [... ] überragenden innenpolitischen Manipulator"96 stempelte. Angesichts der Virtuosität Bismarcks in der innen- und außenpolitischen Arena vergessen sowohl Bewunderer als auch Kritiker, daß er nur solange mit fünf Kugeln jonglieren konnte, wie der greise Kaiser Wilhelm I. ihm den Zugang zur Manege gestattete. "Der Atemzug eines freien, wohl situierten Mannes ist ihm verhaßt"97, klagte die Gattin des linksliberalen Reichstagsabgeordneten Karl Schrader Ende April 1884 bitterlich über die Allmachtsgelüste des Kanzlers: "Er will herrschen, die Fäden zurechtlegen, daß sie in seiner Hand zusammenlaufen, und er das Reich wie im Marionettentheater am Draht regieren kann"98. Starb der Monarch, schnitt das neue Kaiserpaar Bismarcks Fäden der Macht sehr wahrscheinlich mit einem Male durch. Weder Reichstag, Bundesrat, Bürokratie, Wahlvolk und Interessenverbände, noch andere Gruppierungen legitimierten die »Kanzlerdiktatur«. Allein der Kaiser fungierte als Spender der Bismarckschen Autorität. Kam der anglophile Kronprinz Friedrich Wilhelm zur Regierung, drohte die einzige tragende Säule, auf der das »System Bismarck« ruhte, einzustÜTzen 99 . Mittels des antibritischen System der Aushilfen: die innere Politik nach 1881" seiner Bismarck-Biographie (GaU: Bismarck, S. 642-683). 96 Langewiesche: Kaiserreich, S. 634. Vgl. Andrews, S. 345f. Man beachte auch GaU: Geschichtsschreibung, S. 132, die Kritik nach 1945 referierend: "Die stark biographische Betrachtungsweise habe den Blick auf die eigentlichen Antriebskräfte des historischen Prozesses verstellt, denen auch Bismarck, so entscheidend er fraglos im einzelnen den Gang der Entwicklung bestimmt und beeinflußt habe, in stärkstem Maße unterworfen sei. Die Konzentration auf ihn als den großen Täter habe also mehr die entscheidenden Probleme der deutschen und europäischen Geschichte jener Zeit verschleiert". Man beachte auch Wehler: Imperialismus, S. 50lf. 97 Schrader-Breymann (Tgb. v. 28. April 1884), S. 263. 98 Ebd. 99 Lapidar heißt es im Artikel 18 der Reichsverfassung: "Der Kaiser ernennt die Reichsbeamten, läßt dieselben für das Reich vereidigen tmd verfügt erforderlichen Falles deren Entlasstmg" (Huber: Dokumente, Bd. 2, S. 390). V gl. Rauh, S. 62, "daß der Kanzler eine Position einnahm, die solange der Kaiser sie stützte, praktisch tmangreifbar war". Man beachte auch GaU: Bismarcks Preußen, S. 32Of: "Wirklich abhängig war er [d. h. Bismarck) allein vom Monarchen, dessen Herrschaftsanspruch tiickhaltlos zu verteidigen er vor seinem Regierungsantritt versprochen hatte". Siehe ferner Nippertky: Deutsche Geschichte, Bd. 2, S. 419, u. Van tkr Kiste, S. 126. Vgl. Canis: Motive, S. 7: "Es gilt Zll beachten, daß die Kanzlerdiktatur Bismarcks die faktische Unterordnung des Kaisers unter den Kanzler implizierte. Nur dann, wenn des Kaisers verfassungsmäßig tmd historisch-politisch übergeordnete Position in der Substanz der Kompetenz des Kanzlers gleichsam Zllgeschlagen war, ließ sich Bismarcks Herrschaft behaupten, so, wie das zu Zeiten Wilhelrns I. funktionierte. Kam es dagegen Zll tiefgreifenden Widersptiichen zwischen Kaiser tmd Kanzler, traten beide Institutionen und ihre Träger gewissermaßen miteinander in Konkurrenz, saß der Kaiser a priori machtpolitisch arn längeren Hebel. Wäre der Kronprinz jetzt [d. h. 1884) Kaiser geworden,

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Aufschreis monarchisch gesinnter Deutscher, die dem Kolonialfieber verfallen waren, also eines indirekt wirksamen Plebiszits, konnte der Kanzler in einer Zeit, zu der er den Thronwechsel als unmittelbar bevorstehend ansah, eine innen- und außenpolitisch anglophil orientierte Politik in der deutschen Öffentlichkeit desavouieren. Das Kronprinzenpaar, von der Bevölkerung im Gegensatz zu Wilhelm I. nur wenig geliebt, wäre aufgrund dieser brutalen Pression in einem Augenblick außenpolitischer Spannung vielleicht auf die Bahnen traditioneller preußisch-deutscher Politik zurückgekehrt oder hätte es von Anfang an nicht gewagt, sich auf diesen unbekannten Weg zu begeben 100. Diesen machiavellistischen Mechanismus, letztlich ein "Mittel zur Festigung der eigenen wäre eine solche Auseinandersetzung wahrscheinlich unvermeidlich gewesen". Ein frappierendes Beispiel für die Verkennung der wahren Machtverhältnisse im Bismarck-Reich liefert Wehler: Kaiserreich, S. 67: Man könnte "es bis 1890 arn ehesten als ein plebiszitär gekräftigtes, bonapartistisches Diktatorialregime im Gehäuse einer die traditionellen Eliten begünstigenden, aber rapider industrialisierung und mit ihr partitieller Modemisierung unterworfenen halbabsolutistischen und pseudokonstitutionellen, von Bürgertum und Bürokratie teilweise mitbeeinflußten Militärmonarchie kennzeichnen". Man beachte auch die Kritik von Nipperdey: Auseinandersetzung, S. 539-560, an der Studie Wehlers. - Im Unterschied zu der unbestreitbaren verfassungspolitischen Realität des Kaiserreichs und unter Beiseiteschieben der realen Machtverhältnisse an der Spitze des monarchischen Deutschlands kürt die strukturwissenschaftlich beeinflußte Forschung den angeblichen plebiszitären Legitimationsbedarf Bismarcks und seiner Nachfolger zur entscheidenden Triebfeder vieler manipulatorischer Aktionen. Geflissentlich übersieht diese Historikerschule einen tiefgründigeren Kausalzusammenhang. Ist die Effizienz »sozialimperialistischer« Strategien anzuzweifeln und muß man fragen, ob Bismarck aufgrund der verfassungsrechtlich überragenden Stellung des Monarchen plebiszitärer Legitimation bedurfte, benötigte er diese nur, um seine eigene Stellung, getragen von des Volkes Stimme, gegenüber dem Kaiser zu festigen und ihm zu zeigen, daß seine Politik von Erfolg gekrönt war. Das galt auch für Bismarcks Position gegenüber Rivalen, die ihn noch unter der Herrschaft Wilhelrns I. »beerben« bzw. nach dem Thronwechsel beseitigen wollten (vgl. unten Kap. B., S. 89-93, u. unten C. 1., S. 103-114). - Zum Definitionsproblem des »Cäsarismus« (»Bonapartismus«) bzw. der »Kanzlerdiktatur« vgl. die Studie von Stürmer: Regierung, u. Has. Hofmann, S. 77-101. Man beachte auch MitchelI, S. 181-199, mit einem Überblick über verschiedene »Cäsarismus«-Modelle und einer Kritik an der Übertragbarkeit des »Bonapartismus« auf den Bismarckschen Herrschaftsstil. 100 Zur Verletzbarkeit des Thronfolgerpaars durch rüde antienglische Stimmungsmache in der deutschen Presse vgl. Friedrich Ill.: Kriegstagebuch (fgb. v. 26. Aug. u. 24. Okt. 1870), S. 75 u. 180. Man beachte auch Nipperdey: Deutsche Geschichte, Bd. 2, S. 446: "Die deutschen Kolonialansprüche lagen in Gebieten des englischen Interesses, und sie wurden absichtsvoll und entschieden genutzt, England vor den Kopf zu stoßen". Siehe ferner Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria, Neues Palais [Potsdarn). 1. Juni 1875: "The irritation and rage against England is very great here and abuse of all kind is poured upon uso The nasty horrible Kladderadatsch is a specimen of it. Why all this is I really do not understand. The who1e time we were in Italy I never looked at a newspaper, and was thankful to hear as little as possible of politics which poison one's life at horne". (Victoria: Darling Child, S. 182, Hervorh. im Orig.) Vgl. Sühlo, S. 148, dort Anm. 55, zur Erleichterung Friedrich WilheIms über die Verbesserung der deutsch -englischen Beziehungen im Jahre 1882. Man beachte auch Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria, Neues Palais [PotsdamI, 29. Sept. 1874 (Victoria: Darling Child, S. 154f). Siehe ferner Emily Russell an Queen Victoria, [0.0.,1 15. März 1873: "'Mein Gatte fürchtet, daß Fürst Bismarck versuchen wird, die Stellung der Kronprinzessin in der Öffentlichkeit möglichst zu erschweren, um bei der Verwaltung Deutschlands [...1 völlig freie Hand zu haben'''. (Kaiserin Friedrich: Briefe, S. 162.)

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Position"lOl, hatte Bismarck bereits im Jahre 1856 erkannt. Der englische Einfluß am preußischen Hofe könne nur dann eingedämmt werden, schrieb er seinem Freund Leopold von Gerlach, "wenn die [konservative] Opposition in Presse und Parlament unsere Königsfamilie und unser Land [nach dem Thronwechsei] schlecht macht" 102. Allen Darstellungen, die der »Kronprinzen-These« einen hohen Erklärungswert für den Eintritt Bismarcks in die Kolonialpolitik zubilligen, ist gemein, daß sie die TÜckwärtsgewandte Äußerung des ältesten Kanzlersohns in ein paar Zeilen, bestenfalls auf wenigen Seiten, referieren und kommentieren. Niemand hat sich bislang der Mühe unterzogen, in einer Monographie nachzuprüfen, ob diese Behauptung durch ihre Einbettung in den konkreten tagespolitischen Kontext verifizierbar ist. Methodisch unternimmt diese Studie den Versuch, aus der Perspektive des Reichskanzlers eine kompakte Bedrohungsanalyse seiner Situation anzufertigen, die den Sprung nach Afrika und in die pazifische Inselwelt im Frühjahr 1884 von seiner Warte aus notwendig machte. Dazu ist es erforderlich, das persönliche und politische Verhältnis des leitenden Staatsmannes zum Kronprinzenpaar und dessen Anhängerschar strukturell und chronologisch zu beschreiben (Kapitel B., C. I., und E.) und - stets mit festem Blick auf den instabilen Gesundheitszustand Wilhelms I. - jenen Zeitpunkt aufzuspüren, von dem an sich Bismarck akut vor dem Thronwechsel fürchtete (Kapitel C. IV.) und in aggressiver Abwehrhaltung (Kapitel D.) zu einer umfangreichen Reihe seine Herrschaft stabilisierender Gegenmaßnahmen griff (Kapitel F. bis J. und L.). Von Kolonialpolitik wird auf weiten Strecken dieser Arbeit nicht die Rede sein. Die Reise des Kronprinzen nach Spanien und Italien, die Lasker-Affare, das Ringen um die Verlängerung des Sozialistengesetzes, die gefährliche Gravitationskraft des gladstonianischen England auf das monarchische Deutschland, Bismarcks Verhältnis zu den Nationalliberalen, die Amtsenthebung des kronprinzlichen Hofmarschalls Karl von Nonnann, der Karrieresprung Herbert von Bismarcks, Wahlkampffragen und das Battenbergische Heiratsprojekt, das am Kern der deutsch-russischen Beziehungen nagte, sind Wegstationen und scheinbar zusammenhanglose Episoden, in denen sich das problematische Verhältnis zwischen dem Kanzler und dem Thronfolgerpaar in den Jahren 1883 bis 1885 widerspiegelte und krisenhaft verdichtete. In der Forschung sind diese Einzelaspekte durchaus bekannt, aber noch nie inhaltlich geschlossen - unter Würdigung des Leitmotivs der »Kronprinzen-These« - in einem zeitlich fixierten Rahmen miteinander verwoben und mit Bismarcks überseeischem Engagement verknüpft worden 103. Grüruier: Geschichte, S. 57. Bismarck an Gerlach, Frankfurt a. M., 8. April [18]56 (BismarckJGerlach, S. 313). 103 Vgl. W. Baumgar/: Bismarcks Kolonialpolitik, S. 141, der an eine "schlichte methodische Maxime" erinnert: "Jacob Burckhardt hat in seinen Weltgeschichtlichen Betrachtungen' einmal von 101

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Verblüffenderweise bildet die Kolonialpolitik vor dem Hintergrund der allgemeinen Erwartung des Thronwechsels nur eine der Reaktionen Bismarcks auf dieses spannungsreiche Geflecht innen- und außenpolitischer parallel laufender Handlungsstränge. Nachdem sich die Antagonisten im Sommer 1885 für beide Seiten befriedigend - über die Eventualitäten nach der Thronbesteigung Kaiser Friedrichs III. verständigt hatten, verlor die Expansion nach Übersee für den Kanzler ebenso schnell ihren Wert als Mittel der Einschüchterung und Zeugnis seiner politischen Unentbehrlichkeit, wie sie plötzlich in einer Krisensituation dramatisch an Wichtigkeit gewonnen hatte. Bismarcks Aktivitäten im Pazifik und im »dunklen Erdteil« sind daher im Kontext einer vielschichtigen, zeitlich befristeten innen- und außenpolitischen Offensivtaktik gegen ein liberales Regiment zu beleuchten. Ereignisse, die - wie die oben aufgezählten - vor und gleichzeitig mit der Kolonialpolitik spielten, sind ausführlich zu würdigen und verstärken die Erklärungskraft der »Kronprinzen-These«, weil auch ihnen die Furcht vor dem Thronwechsel als auslösendes Moment zugrunde lag. Wegen der chronologischen und inhaltlichen Dependenz soll unter dem Begriff der »Kronprinzen-These« nicht allein die Kolonialpolitik, sondern das gesamte Bündel der innen- und außenpolitischen Offensivstrategien Bismarcks gegen die erwartete liberale Herrschaft Friedrichs III. subsumiert werden. Dem Werk Hans Goldschmidts "Das Reich und Preußen im Kampf um die Führung" schuldet diese Studie unermeßlichen Dank. Goldschmidts kommentierende Quellensammlung enthält den Schlüssel für den Zugang zur »Kronprinzen-These«. Diese Kompilation liefert die innenpolitische Antwort Bismarcks auf den bevorstehenden Herrscherwechsel im Jahre 1884 und untermauert damit den Verdacht Erich Eycks und Winfried Baumgarts, daß die zur gleichen Zeit einsetzende Kolonialpolitik als ihre außenpolitische Kehrseite fungierte. Interpretiert man beide Aspekte - angelehnt an das linguistischstrukturalistische Zeichenmodell F erdinand de Saussures - als untrennbare Einheit eines Gedankens, als zwei Seiten einer Medaille, und unterlegt man der unbestreitbaren chronologischen Parallelität vordergründig zusammenhangloser Ereignisse, die sich auf wechselnden Ebenen vollzogen, die oben zitierte Äußerung Herbert von Bismarcks als inneren Nexus, konstituiert diese synoptische Methode die »Kronprinzen-These« als komplexe innen- und außenpolitische Waffe gegen eine liberale Ära 104. Bewußt wird dabei in Kauf geder Unerschöpflichkeit der Quellen gesprochen, so daß man sie, obwohl sie tausendmal schon aus· genutzt seien, immer wieder lesen müsse, 'weil sie jedem Leser und jedem Jahrhundert ein beson· deres Antlitz weisen .... 104 Einen relativ hohen Annäherungswert an die »Kronprinzen-These« . freilich widerspruchs· voll mit »sozialimperialistischen« Versatzstücken beschwert - hat KenN!.dy: Rise, S. 177f, mit fol· gender Erklärung erzielt: "In the beginning there probably existed the pleas of the overseas merchants and his [i. e. Bismarck'sl own worries about the German economy and the prospect of some

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A. Einleitung: Bismarcks Kolonialpolitik

nommen, daß sich Bismarcks Handeln - der als Staatsmann jeder kunstfertigen abstrakten Theorie abhold war - auf ein letztlich persönliches, äußerst pragmatisches Motiv, nämlich die Konservierung seiner Position und seines Lebenswerkes, »verengt« 105. Diese scheinbar »unzeitgemäße« personalistische Erklärung, die - wenigstens im Falle der Kolonialpolitik - den in der Historiographie umstrittenen Primat der Innenpolitik über die Außenpolitik impliziert, kollidiert mit dem oft postulierten Anspruch, eine modeme »totale« Imperialismustheorie zu fonnulieren 106. Entscheidend ist nur, ob die »Kronprinzen-These« eine Antwort auf die von der - mit vom Zeitgeist abhängiger und mit politischer Pädagogik überfrachteten - neueren Strukturgeschichtswissenschaft häufig überhörte Frage Leopold von Rankes »wie es eigentlich gewesen ist« 107 bietet und historische Wirklichkeit abbildet.

future »Gladstone ministry«. [... ) A successful colonial policy might weil increase Gennan exports, assist the economy and help - to a greater or lesser degree - to reduce the prospects for social unrest; more specifically, it would please certain National Liberal and Free Conservative cirdes, and bind them doser to the govemment. At the same time, it would hurt the political fortunes of the Freisinnige coalition; and it would make it virtually impossible for »liberal« and »English« influences to operate with success inside Gennany, even if a new emperor came to the throne. Finally, these succes ses would enhance Bismarck's own position, identifying him yet again in the public's eyes as the great national hero". (Hervorh. im Orig.) 105 Vgl. TiedemaM (Tgb. v. 7. Mai 1875), S. 33: "Fürst [Bismarck) ergeht sich dann in Betrachtungen über die Schwierigkeit seiner [persönlichen) Stellung, die von der Mitwelt und wahrscheinlich auch von der Nachwelt nicht gebührend gewürdigt werde. Die Historiker sähen auch immer nur durch die eigene Brille. Carlyle schätze er deswegen so hoch, weil er es verstehe, sich in die Seele anderer hineinzuleben". 106 Vgl. Reinhard, S. 389. 107 Vgl. Ranla!, S. VII: "Man hat der Historie das Amt, die Vergangenheit ru richten, die Mitwelt rum Nutzen zukünftiger Jahre zu belehren, beigemessen: so hoher Aemter unterwindet sich gegenwärtiger Versuch [über die Geschichte der romanischen und gennanischen Völker von 1494 bis 1514) nicht: er will blos zeigen, wie es eigentlich gewesen". Dagegen Wehler: Krisenherde, S. 9, mit der Forderung, die "Geschichtswissenschaft als eine lebendige, politische [l), kritische Sozialwissenschaft" zu definieren. "Solange noch die Feststellung, daß der Historiker des 19. u[nd] 20. J[ahr]h[undert)s unvergleichbar viel mehr von Marx als von Ranke lernen kann, heftig bestritten wird, erweist sich allerdings der Einfluß einer konservativen Tradition als gegenwärtig" (!Hehler: Imperialismus, S. 29, dort Anm. 19). Ähnlich Narr, S. 202. Man beachte auch Wilh. Mommsen: Beitrag, S. 81: "Daß die Haltung Rankes im ganzen unaktiv und betrachtend ist, macht sie nicht apolitisch. Die Abneigung gegen politische Aktivität gehört zu seinem politischen Weltbild". Siehe ferner Jaml!s in der »FAZ« v. 17. Sept. 1990 in kritischer Auseinandersetzung mit dem Bielefelder Historiker als Reflex auf die kurz bevorstehende deutsche Einheit vom 3. Oktober 1990. Wehler hatte - so das Zitat bei Jaml!s - in krasser Fehleinschätzung der im geschichtlichen Prozeß meistens vorhandenen Alternativen statisch-strukturell und zugleich politisch-geschichtlich belehrend argumentiert: "'Ein pluralistisches, im besten Fall föderalistisches System deutscher Staaten ist - historisch gesehen [l) - die für alle Nachbarn einzig erträgliche Lösung ... Es ist beruhigend, daß die Konstellationen der internationalen Politik einem gesamtdeutschen Nationalismus allerengste Grenzen ziehen, vennutlich auch einer Dynamisierung massiven Gegendruck entgegensetzen würden".

Der Kronprinz, der "Schwanenritter, auf dem die Hoffnung aller idealen Bestrebungen ruht" 1. - '''Der Kronprinz will sein konstitutionelles Butterbrot in Ruhe mit seiner Frau genießen",2.

B. Das Verhältnis zwischen dem Kronprinzenpaar und Bismarck seit den sechziger Jahren Nach dem Scheitern der verfassunggebenden Versammlung in der Frankfurter Paulskirche, dem preußischen Heereskonflilet und der Niederlage der Habsburgermonarchie bei Königgrätz umwehte die liberale Bewegung in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts ein Gefühl der Resignation und des Selbstrnitleids über eigene Versäumnisse vergangener Tage. Ohnmächtig, in die Rolle des politisierenden Zuschauers der Wirtshausstuben, Parlamente und preußenfeindlichen Fürstenhäuser gedrängt, mußte sie erleben, wie Otto von Bismarck einen Teil ihrer Forderungen, vor allem die Institution des Reichstags und die glühend herbeigesehnte deutsche Einheit, unter Verwendung fragwürdiger innen- und außenpolitischer Methoden mittels pseudodemokratischer Instrumentarien - sowie mit Hilfe dreier Kriege - verwirklichte 3. Liberale Reformbestrebungen dämmte der gleichermaßen gehaßte und vergötterte Kanzler nach 1871 - überwiegend um den Preis des inneren Friedens - inmitten des konservativ regierten Reiches ein. Mit mehr oder minder großem Erfolg leitete er sie auf seine eigenen politischen Mühlen und verhinderte die Überflutung des Landes mit demokratischem Gedankengut. Kulturkampf, preußische Kreisreform und die Kodifizierung des bürgerlichen Rechts dokumentieren die Meilensteine der zeitweiligen Zusammenarbeit Bismarcks mit den Liberalen, ohne daß es ihnen gelang, ihren politischen Einfluß in der Verfassung zu verankern. Gleichwohl glückte es Fortschrittlern und Nationalliberalen in den 1 Anna von Helmholtz an ihre Schwester lda, Neue Wilhelmstraße [Berlin], 11. Nov. 1887 (He/miloltz, S. 309). 2 Bemerkung Bismarcks zu Friedrich von Holstein in den achtziger Jahren (Holstein: Papiere, Tgb. 14. März 1884, Bd. 2, S. 112). 3 Stellvertretend für viele freisinnig-bürgerliche Gesinnungsfreunde, dennoch an Bismarcks Seite harrend, weil unter seiner Führung die Einheit schrittweise Kontur gewann, schimpfte der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm über den "kühne[n] gewalttätige[n] Junker" (Friedrich IH.: Kriegstagebuch, Tgb. v. 31. Dez. 1870, S. 302). Er nannte ihn einen "Ono Annexandrowitsch" (Friedrich Wilhelm an Schweinitz, Windsor, 30. Nov. 1865, Schweinitz: Briefwechsel, S. 21), der eine "Seeräuberpolitik" (Friedrich Wilhelm an Schweinitz, Berlin, I. April 1866, ebd., S. 23) betreibe und dessen »Blut und Eisen«-Politik Deutschlands Nachbarn in Angst und Schrecken versetzt habe. Man beachte auch Kahlenberg, S. 51-74.

B. Das Verhältnis zwischen dem Kronprinzenpaar und Bismarck

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siebziger Jahren, beispielsweise bei der Fonnulierung der Presse- und Justizgesetze, Elemente ihres Gedankenguts in die Reichsverfassung einzubringen. Mit dem Übergang vom manchesterlichen »Laissez-faire« zum Wirtschaftsprotektionismus am Ende des Jahrzehnts kündigte Bismarck den ungeliebten Mitstreitern die Freundschaft auf und säte Sturm in ihre Reihen. Tiefgehende Erosionen personeller und programmatischer Natur brachen innerhalb der liberalen Parteien auf. Der »Magier« Bismarck hatte es über Jahre hinweg geschickt verstanden, Quader aus dem ehedem fest gefügten liberalen Gedankengebäude herauszulösen, zumal sich führende bürgerliche Repräsentanten wie Eduard Lasker, Ludwig Bamberger, Rudolf von Bennigsen und Eugen Richter in die Politik des "labilen innenpolitischen Kompromisses"4 flüchteten und sich nicht auf eine einheitliche und stringente politische Oppositionslinie gegenüber dem scheinbar allmächtigen Reichskanzler zu einigen vennochten 5. Aus diesem Grunde wurde Deutschland im 19. Jahrhundert im Zuge der Laskerschen Konzessionspolitik zwar bürgerlich, aber niemals liberal. Konservativ-preußische und katholische Traditionen behaupteten sich als mächtige Faktoren, zu denen sich der Sozialismus als Gegengewicht und fundamental-kritische Gesellschaftskraft des Kaiserreichs hinzugesellte. Der zwischen den Blöcken eingezwängte Liberalismus, aus Todesangst eigenen Positionen entsagend und von Wilbelm I. und Bismarck nie als Regierungspartei akzeptiert, wurde allmählich zwischen diesen Mahlsteinen zerrieben. Fortschrittler und Nationalliberale bauten das "Haus aus, das sie mitgeschaffen hatten" 6, beschreibt Dieler Langewiesche ihr Dilemma, "blieben aber einer Hausordnung unterworfen, die sie vom vollen Wohnrecht aussperrte"7. Kaiserreich, S. 258. Vgl. Stürmer: Perspective, S. 304-306, zu den massiven Vorwürlen der linksliberalen, Bismarck habe eine cäsaristische Diktatur errichtet. Man beachte auch Böhme: Weg, S. 550-586; Rathmann, S. 922, u. Stürmer: Bismarckstaat, S. 467-498. 6 Langewiesche: liberalismus, S. 168. Vgl. rh. Schieder: Europa, S. 45. Man beachte auch Wink/er, S. 6, zur von Hennann Schulze-Delitzsch vorgenommenen Identifikation der Begriffe »bürgerlich«, »liberal« und >>national«. Siehe ferner Nipperdey: Geschichte, Bd. I, S. 414-427, mit einem Überblick über die »Klassengesellschaft« des Kaiserreichs. 7 Langewiesche: Liberalismus, S. 168. Vgl. Stürmer: Perspective, S. 299-301; Stürmer: Bismarck-Mythos, S. 12-17; Langewiesche: Kaiserreich, S. 630-632, u. Stürmer: Reich, S. 176-182. Schraepler, S. 538f, urteilt sogar: "Seit 1880 hatte das liberale Bürgertum den politischen Kampf praktisch aufgegeben und war regierungsfromm geworden. [... ] Die Opposition der Fortschrinspartei und ihrer freisinnigen Nachfolger konnte seitdem nur noch unfruchtbar sein, eine Kritik verbitterter Einzelgänger und Pessimisten ohne Chance und Verantwortung, die von der Gesamtentwicklung übergangen wurden". Man beachte auch Evans, S. 126: "They [i. e. the liberals] failed at all the most critical moments of modem German history". Siehe ferner - aus der umfangreichen literatur - zum komplexen Motivbereich des liberalen Scheiterns im 19. Jahrhundert die Studien von Sheehan, Seil u. Gall: liberalismus, S. 328-356. Man beachte auch W. Mommsen: Kaiserreich, S. 258-263; W. Baumgart: Deutschland, S. 159-161; Elm, S. 247-250; Faber, S. 201-226; Schraepler, S. 529-542, u. Blasius, S. 213-224. 4

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W. Mommsen:

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Verläßt man diese in der Wissenschaft beliebte Warte rückwärtsgewandter Betrachtung und begibt man sich in die Mitte des hin- und herwogenden Geschehens - versucht man also das distanziert-überlegene historische Wissen des Nachgeborenen zu vergessen -, stellen sich das »Versagen« des Liberalismus und der »Sieg« Bismarcks keineswegs als gradliniger, determinierter Weg, sondern als weit ausgreifende Verästelung dar, die der Zeitgenosse nicht zu überblicken vermochte 8. Den Schlüssel, um dem Liberalismus alle Räume des konservativ eingerichteten Staatsgebäudes zu öffnen und die erhoffte Bewegungsfreiheit zu verschaffen, hielt Kronprinz Friedrich Wilhelm in Händen. Nur das ungewöhnlich lange Leben seines Vaters, des "Kaisergreis[es],,9 und aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Position - Hüters einer konservativen Ordnung, sowie der frühe Tod des an Kehlkopfkrebs erkrankten Friedrich III. verhinderten, daß in Deutschland einem liberalen Regiment die Bahn geebnet wurde 10. Die unter Friedrich Wilhelm herannahende Ära begriff Bismarck als ernste Gefahr für das von ihm gegründete Reich. '''Wenn es unser Herrgon mit Deutschland gut meint, dann läßt er den Kronprinzen nie zur Regierung kommen'''l1, flehte er im Laufe der achtziger Jahre. Ein Brief Albrecht von Stoschs dokumentiert die Schwierigkeiten, die der Kanzler zu meistem hane, als das furchtvoll erwartete Ereignis im Drei-Kaiser-Jahr eingetreten war. "'Die Kaiserin ist in steter Aufregung, befehlend, anordnend, überall einredend, und jedermann ermüdend"'12, schilderte der ehemalige Marinechef die sich in Potsdam abspielende Tragödie. Zum ersten Vortrag ins Neue Palais befohlen, sei Bismarck mit Victoria zusammengetroffen. Freundlich habe er mit ihr geplaudert, bis sie ihm bedeutete, sie wolle ihn nicht aufhalten und er möge beginnen. Verwundert entgegnete der Fürst: "'Seine Zeit stehe ihr immer zur Verfügung. Sie: Nein, die Geschäfte gehen vor, fangen Sie nur an. - Er: Ich kann nur dem Kaiser allein vortragen. - Sie: Sie wolle aber jetzt den Kaiser nicht verlassen. Er: Dann erbitte ich den Befehl zum Vortrag auf einen anderen Tag. - Da giebt 8 W. Mommsen: Kaiserreich, S. 262. Anband der Lösung der deutschen Frage im 19. Jahrhunden hat beispielsweise Kaernbach, zusammenfassend auf S. 238-244, dem Mythos der positiven wie auch negativen historischen Determinienheit - von zeitgenössischen Bismarck-Anhängem als zielgerichtete »Reichsgründung « von oben bejubelt, und von Bismarck -Gegnern als Niederlage eines zu demokratisierenden Deutschland beklagt - widersprochen. 9 Keyserling an Uexküll, Reval, 26. Juli 1884 (Keyserling, S. 392). Vgl. CarroU, S. 175f. 10 Vgl. Bismarck - ausnahmsweise positiv vom Kronprinzenliberalismus sprechend - in bezug auf die schwierige Durchsetzung einer Reform der Kreisordnung und des preußischen Herrenhauses: "Wäre der Kronprinz am Ruder, so würde es leicht sein, sofon große organische Neuerungen zu machen" (Bismarck: GW, Gespräch mit Ritter von Schulte v. 12. Jan. 1873, Bd. 8, S. 48). 11 Hols/ein: Papiere (Tgb. v. 9. Nov. 1887), Bd. 2, S. 402. 12 Stosch an Freytag (Abschr.), Oestrich, 11. April 1888 (Oes/r., NI. Stosch, Denkwürdigkeiten, Bd. 3). Vgl. ausführlich Nichols: Year, S. 188-334, zu der permanenten innen- und außenpolitischen Krise der 99 Tage.

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der Kaiser an Bismarck einen Zettel: »Da bleiben« und winkt der Gattin ab. Sie geht"'13. Auf diese Weise habe der Kampf begonnen, beunruhigte sich der Erzähler im April 1888, und sich dennaßen verschärft, daß jeder voller Schrecken an den Ausgang denke l4 . Nach wenigen Wochen beendete der Tod des Monarchen gewaltsam diesen Konflikt. Die Menschen wandten sich schnell der aufgehenden Sonne Wilhelrns 11. zu, und der Schattenkaiser Friedrich m. geriet in Vergessenheit. Der Nachwelt war es lediglich überlassen, sich - vor allem im Rahmen der deutschen Kontinuitätsdebatte - mit der unbeantwortbaren Frage zu beschäftigen, »was wäre gewesen, wenn Friedrich III. gesund und früher zur Herrschaft gelangt wäre«. Der liberal denkende Althistoriker Theodor Mommsen seufzte am Ende des Jahrhunderts wehmütig: "'Hätte Kaiser Friedrich länger gelebt, so wäre es vielleicht anders gekommen'" 15. 13 Stosch an Freytag (Abschr.), Oestrieh, 11. Apri11888 (Oestr., NI. Stosch, Denkwürdigkeiten, Bd.3). 14 Ebd. Der Privatsekretär des Kronprinzen, Sommerfeld, bedauerte: '''Man muß nur sehen, was Sie [d. h. Victoria] aus ihm [d. h. Friedrich Wilhelm] gemacht hat [... ]. Ohne sie wäre er ein Durchschnittsmensch, sehr hochmütig, gutmütig, mittelmäßig begabt, mit einem Quantum gesunden Menschenverstand. Jetzt aber, jetzt ist er überhaupt kein Mensch mehr, er hat keine eigenen Gedanken, wenn sie ihm dieselben nicht erlaubt. Er ist gar nichts. »Fragen Sie meine Frau« oder »Haben Sie schon mit der Kronprinzeß gesprochen?« - damit ist alles gesagt .... (Holstein: Papiere, Tgb. v. 6. Mai 1885, Bd. 2, S. 211.) Ähnlich Friedrich I. von Baden an Gelzer, Berlin, 31. März 1872: "Seine Abhängigkeit von dem Willen seiner Frau übersteigt alle Begriffe". (Großherzog Friedrich: Reichspolitik, Bd. 1, S. 64.) Man beachte auch Waldersee (Tgb. v. 10. Juni 1884), S. 239f: "Die geistige Überlegenheit seiner Gemahlin ist zu einem großen Unglück geworden. Aus einem einfachen, braven und ehrlichen Prinzen gut preußischer Gesinnung hat sie einen schwachen Mann gemacht, der sich selbst nichts zutraut, der nicht mehr offen und ehrlich ist, der nicht mehr preußisch denkt. Sogar seinen festen Glauben hat sie ihm genommen. Der Prinz hat faktisch keine eigene Meinung mehr; er hört auf jeden und gibt immer dem letzten recht. Wenn er heute eine Ansicht bestimmt ausspricht, so kann er morgen mit derselben Bestimmtheit das Gegenteil behaupten". Ähnlich Wehrenpfennig an Treitschke, Berlin, 21. Nov. 1868: "Der Kronprinz läßt sich von der Frau immer vollständiger beherrschen, und sie selbst kehrt ganz die hochmütige, alles preußische und deutsche Wesen verachtende Engländerin heraus". (HeyderhoJf7Wentzcke, Bd. 1, S. 431.) - Brüsk fuhr Victoria ihren Gemahl einmal an, sie habe keine Zeit, um ihren ältesten Sohn zu empfangen. Konsterniert fügte sich der Kronprinz. Die Szene stimmte Friedrich von Holstein nachdenklich: "Ob er die Staatsangelegenheiten von ihr ebenso abhängig machen wird, wie jetzt die Privatangelegenheiten? Leider muß man es vermuthen, obdessen manchmal leise Symptome eines Strebens nach Unabhängigkeit sich bei ihm zeigen". (Tgb. Holsteins v. 26. Juni 1885, PA BN, NI. Holstein, Bd. 74.) Man beachte auch Memoiren Wilmowskis (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhelm l., Rep. 51 Fm 90); Friedrich 1. von Baden an GeIzer, Berlin, 21. März 1872 (Großherzog Friedrich: Reichspolitik, Bd. 1, S. 54); Tgb. Gelzers v. 5. Juni 1883 (ebd., Bd. 2, S. 207f), u. Lerchenfeld-Koefering an Prinzregent Luitpolt, Berlin, 30. Nov. 1887 (HStA M, Abt. II MA rn, Nr. 2665). 15 Whitman: Erinnerungen, S. 234. Vgl. H. Müller: Friedrich rn., S. 419, dort Anm. 2, u. Dah· rendorf, S. 151. Diese Frage stellten unter anderen Muralt: Voraussetzungen, S. 305; Knopp: Kaiser, S. 352; Nipperdey: Deutsche Geschichte, Bd. 2, S. 420, u. Schraepler, S. 534f. Man beachte auch den Titel von Cortis Biographie "Wenn ... Sendung und Schicksal einer Kaiserin". Siehe ferner Stürmer: Grenzen, S. 94: "Friedrich rn. hinterließ kaum mehr als die Frage, ob unter günstigeren Umständen seine liberalen Gesinnungen alles hätten wenden können zum englischen Bündnis, zur demokratischen Verfassungsreform, zu bürgerlichem Selbstbewußtsein in der Politik". - Eine

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Merkwürdigerweise strich der Altreichskanzler nach seiner Entmachtung Szenen, wie sie sich in Potsdam ereignet hatten, aus dem Gedächtnis. Er liebte es, seine Beziehungen zum Kaiserpaar Friedrich zu beschönigen. Gästen in Varzin und Friedrichsruh versicherte der Pensionär treuherzig, man habe sich niemals ernsthaft gestritten. Victoria rühmte er als "sehr kluge Dame" 16 und "außerordentlich intelligente Frau von klarem Blick" 17, die verstanden habe, "daß meine Politik im Vorteil der Hohenzollernpolitik lag" 18. Er behauptete sogar, der Verstorbene habe ihm mehr als dessen Vater vertraut. Er pries den Interimsrnonarchen als einen der '''liebenswürdigsten und edelsinnigsten Menschen"'19, der, wäre ihm vom Schicksal eine längere Herrschaftsfrist zugemessen gewesen, zum Erstaunen seiner liberalen Parteigänger konservativer als alle Vorgänger regiert hätte. Vollends verdunkelte Bismarck das vergangene, an Aufregungen reiche Kapitel seines politischen Lebens, als er in den "Gedanken und Erinnerungen" den Eindruck zu erwecken suchte, Friedrich III. habe keine Sekunde lang gezögert, ihn nach dem Thronwechsel in seinen Ämtern zu bestätigen. Beruht diese holzschnittartige Schilderung sogar auf Wahrheit, da sich das Kronprinzenpaar nach dem kolonialpolitischen Abenteuer des leitenden Staatsmanns im Sommer 1885 überzeugt hatte, daß es von seinem Rat und tatkräftigen Beistand abhängig war20, kaschiert sie die tiefe Kluft, die zwischen ihnen zeitlebens existiert hatte. Bismarcks Geschichtsverfälschung entsprang offenbar einer ungeheueren Erleichterung. Das frühe Ableben des Herrschers hatte ihm den - aufgrund des hohen Alters Wilhelms 1. - jederzeit möglichen Konflikt mit Friedrich III. und womöglich anschließenden Sturz erspart. Da der verhängnisvolle Kelch an ihm vorübergegangen war und der Kanzler letzten Endes am »persönlichen Regiment« Wilhelms H. scheiterte, häufte er all seinen Haß im berühmten, erst nach dem Ersten Weltkrieg publizierten, dritten Band seiner Memoiren auf Friedrichs III. ältesten Sohn 21 . befriedigende Antwort zu geben, ist objektiv unmöglich. Zu verschlungen . sowohl in ideengeschichtlicher als auch parteiorganisatorischer Hinsicht - suchte sich der liberalismus seinen Pfad, und allzu widersplÜchlich trin die Gestalt des freisinnigen 99-Tage-Kaisers der Nachwelt gegenüber, als daß sich dalÜber eine kontrafaktische Prognose fixieren ließe. Im Gegenteil, geradezu tragisch symbolisiert das frühe, unerwartete Ableben des 56jährigen Monarchen in der Geschichtsschreibung den sinkenden Stern des liberalismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der in der wilhelminischen Ära endgültig verglühen sollte. Siehe ferner Hejfler, S. 713. 16 Stumm, S. 79. 17 Herm. Hofmann, S. 185. 18 Ebd. 19 Bismarck: GW (Gespräch mit Schlözer und Liman am 23. Aug. 1892), Bd. 9, S. 248. Vgl. Booth, S. 77, u. Blum (Tgb. v. 29. April 1893), S. 275. 20 Vgl. unten Kap. 0., S. 733-737. 21 Vgl. Dahrendorf, S. 146-155 u. 276. Immerhin beschuldigte Bismarck die trauernde Witwe und Mutter während der Entlassungskrise, sie habe mit Hilfe Hinzpeters gegen ihn bei Wilhelm 11 intrigiert (vgl. Fester, S. 94, u. Hohenthal und Bergen an Fabricc, Berlin, 29. März 1890, StA DD,

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B. Das Verhältnis zwischen dem Kronprinzenpaar Wld Bismarck

Im Gegensatz zu Bismarck, der aus einer konservativ-junkerlichen, antifortschrittlichen Werten und Traditionen verpflichteten Umgebung stammte und nur im Vormärz geglaubt hatte, "daß die Republik die vernünftigste Staatsform sei"22, wuchs Friedrich Wilhelm unter dem beherrschenden Einfluß seiner liberal angehauchten Mutter auf. Augusta, die im mit Wolfgang Johann von Goethe eng befreundeten Weimarer Fürstenhaus groß geworden war, impfte dem Sohn einen humanitären, "schwärmerischen, nicht sehr erdennahen Liberalismus"23 ein. Pädagogen und bürgerliche Jugendfreunde vertieften diese Gesinnung des jungen Prinzen. Zum blanken Entsetzen des ultrakonservativen Leopold von Gerlach, eines Mitgliedes der Hofkamarilla um seinen Onkel, König Friedrich Wilhelm IV., zog der Achtzehnjährige aus den Berliner Barrikadenkämpfen ebenso wie Bismarck - den Schluß, daß eine Volksvertretung für eine gesunde Entwicklung des Staatslebens unabdingbar sei. In der Bonner Studienzeit Anfang der fünfziger Jahre - der Besuch einer Universität bildete ein bemerkenswertes Novum in der Ausbildung preußischer Prinzen und verriet Streben nach bürgerlichen Bildungsidealen - festigte der Prinz in Kollegien bei Ernst Moritz Amdt und dem Englandverehrer Friedrich Christoph Dahlmann seine romantisch-liberalen Überzeugungen. In der Praxis lernte Friedrich Wilhelm ihre Bedeutung kurz vor dem Krimkrieg kennen. Augusta, antirussisch orientiert und in ständigem Kontakt mit der Königsfamilie in Windsor stehend, ermöglichte ihrem Sohn einen Aufenthalt in England. Der Besuch auf der Insel im Frühjahr 1851 verzauberte Friedrich Wilhelm und veränderte sein Leben. Die sensationell kühn geschwungene Glasarchitektur des im Londoner Hyde Park errichteten Kristallpalasts, Ausdruck englischen zivilisatorischen Vorsprungdenkens, und das unkomplizierte Leben der königlichen Familie in Osborne - unvergleichbar mit der strengen antiquierten preußischen Hofetikette - faszinierten den jungen Fürsten. Mehr noch beeindruckte ihn die älteste Tochter der Queen, die elfjährige Victoria, die ihn voller Anmut und erstaunlich kenntnisreich in den Lebensstil der englischen Aristokratie einführte. Seit diesem Erlebnis trug Friedrich Wilhelm das Bild der Prinzessin in einem Medaillon ständig bei sich. Nach Bonn zurückgekehrt, wandte er sich begeistert historischen und literarischen Studien über England zu. Sogar im Gottesdienst der kleinen anglikanischen Gemeinde der Universitätsstadt wurde er von nun an häufig beobachtet. Zahlreiche Reisen über den Ärrnelkanal folgten, und sieben Jahre nach ihrer ersten Begegnung reichten sich die englische Prinzessin und der preußische Kronprinz - unter den wohlwollenden Blicken der russenfeindlichen Fraktionen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Nr. 1076). Dieser leise Vorwurf läßt erahnen, wie freimütig sich Bismarck über das Kaiserpaar Friedrich geäußert hätte, wäre er unter ihm zu einem früheren ZeitpWlkt zum Rücktrin gezwungen worden. 22 Bismarck: Gedanken, Bd. I, S. 1. Vg!. sehr ausführ!. Engelberg, Teil I, S. 85-230, zu den Erziehungs-, Studien- und ersten Berufsjahren sowie den junkerlichen Wurzeln Bismarcks. 2J Freund: Friedrich m., S. 200. Vg!. Lerclumfeld-Koefering: ErinneTWlgen, S. 259.

B. Das Verhältnis zwischen dem Kronprinzenpaar und Bismarck

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an den Höfen in London und Berlin - die Hände zu einer in den Adelskreisen des 19. Jahrhunderts seltenen Neigungsehe 24. Noch bevor Bismarck der künftigen Thronerbin begegnete, beide auf politischem Parkett miteinander kollidierten und persönliche Ressentiments ihr Verhältnis trübten, ahnte er, daß die Verbindung politisches Unheil bringen werde. "Das Englische darin gefallt mir nicht"25, schrieb er nach der Bekanntgabe der Verlobung an Leopold von Gerlach. "Gelingt es [... ] der Prinzessin, die Engländerin zu Hause zu lassen und Preußin zu werden, so wird sie ein Segen für das Land sein"26. Besessen von der Idee, die ihn bis an sein Lebensende verfolgte, daß weibliche Intrigen Politik und Privatleben der Herrschenden in zerstörerischer Weise lenkten, zumal im Falle Victorias das "Vaterland der Frau mächtiger und in seinem Nationalgefühl entwickelter ist, als das ihres Mannes"27, warnte er: "Bleibt also uns[e]re künftige Königin auf dem Preußischen Throne auch nur einigermaßen Engländerin, so sehe ich uns[e]ren Hof von Englischen Einflußbestrebungen umgeben, ohne daß wir [ ...] irgend welche Beachtung in England finden [... ]. Bei uns [... ] wird Brittischer Einfluß in der stupiden Bewunderung des Deutschen Michels für Lords und Guineen, in der Anglomanie von Kanunem, Zeitungen, Sportsmen, Landwirthen und Gerichtspräsidenten, den fruchtbarsten Boden finden. Jeder Berliner fühlt sich jetzt schon gehoben, wenn ein wirklicher Englischer Jo[c]key von Hart oder lichtwald ihn anredet, und ihm Gelegenheit giebt, the Queen's english zu radebrechen; wie wird das erst werden, wenn die erste Frau im Lande eine Engländerin ist,,28.

24 VgL Dalwigk (fgb. v. 25. Feb. 1867), S. 313; Knopp: Kaiser, S. 342; Van der Kiste, S. 1524; Dorpalen, S. 3; Barkeley, S. 22f; Bamberger: Tagebücher (EinL Feder), S. 44; Rodd: Friedrich m., S. 147 u. 155f; W. Mommsen: Entwicklung, S. 376f; H. Müller: Friedrich m., S. 400f; Herre: Friedrich m., S. 46 u. ffi-79, u. Mohl, S. 57. Man beachte auch Notizen und Erinnerungen (feil 1) H. v. Bismarcks: "Während des Krirnkriegs war sie Cd. h. Augusta] auf Seiten Englands u[nd] der thörichten fr[an]z[ösischenl öffentlichen Meinung. Die englische Heirath, deren Folgen zum chronischen Übel Preußens geworden sind, war ihr Werk, weil sie sich in klein staatlichem snobismus »geehrt« fühlte durch die Vermählung ihres Sohnes mit der coburgisch-welfischen Prinzeß aus London". (BA KO, Ni. Bismarck, Fe 30l8N.) Siehe ferner Holstein: Papiere, Bd. 1, S. 102. 25 Bismarck an Gerlach, Frankfurt a. M., 8. April 1856 (BismarckJGerlach, S. 291, Hervorh. im Orig.). VgL Baum, S. 29. 26 Bismarck an Gerlach, Frankfurt a. M., 8. April 1856 (BismarckJGerlach, S. 291). 27 Ebd.., S. 292. Vgl. Pflanze: Interpretation, S. 441: Bismarcks "collected writings and conversations display an almost paranoid suspicion of feminine intrigues directed against hirnself and bis policies by the wives of other statesmen, diplomats, ministers, and monarchs". Man beachte auch Cohen (fgb. v. 22. Okt. 1880), S. 301: "Er Cd. h. Bismarckl habe nicht bloß mit dem Monarchen zu tun, sondern mit seiner Frau - vielleicht seinen Maitressen - dem ganzen Hofgesindel" . 2lI Bismarck an Gerlach, Frankfurt a. M., 8. April 1856 (BismarckJGerlach, S. 292). Vgl. Baum, S. 29. Anläßlich des Widerstandes gegen das Bombardement von Paris sagte der Ministerpräsident verhittert zu Ludwig Bamberger, "er habe die größte Lust fortzugehen, wenn das so dau[elre, Kronprinz und König seien von Weiber- und Freimaurereinflüssen umgarnt" (Bamberger: Tagebücher, Tgb. v. 4. Dez. 1870, S. 240).

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B. Das Vemältnis zwischen dem Kronprinzenpaar und Bismarck

Mit seiner Meinung stand Bismarck keineswegs allein da. Nach dem hartnäckigen internationalen Werben um Preußens Eintritt in die Allianz der westlichen Krimkriegs-Teilnehmer - Berlin hatte sich zahlreicher Londoner Verführungskünste zu erwehren - fürchteten die Konservativen, es niste sich eine antirussische, englisch-demokratische Fraktion inmitten der königlichen Familie ein. Sie würde vielleicht einer liberalen Verfassungsreform vorarbeiten und eine gegen St. Petersburg gezielte eurostrategisch ungünstige außenpolitische Anlehnung Preußens an das Inselreich herbeiführen. Die Liberalen dagegen bejubelten die Heirat als verheißungsvollen Aufbruch in eine Epoche der Freiheit29 . Die hochfliegenden Erwartungen des Bürgertums enttäuschte der Kronprinz. Er war eine zu zerrissene, unsichere und weiche Natur, um im Spannungsfeld verschiedenster Ansprüche einen archimedischen Punkt zu finden und zu verteidigen. Nie vermochte er sich, wie sein Vorfahre Friedrich der Große, dessen wagemutiger Fluchtversuch nach England in der Küstriner Festungshaft endete, zur bedingungslosen Opposition gegen das väterliche Regiment durchzuringen oder auf die Seite des Monarchen zu wechseln. Im seit 1860 schwelenden Heereskonflikt zwischen Krone und Abgeordnetenhaus beschritt Friedrich Wilhelm einen eigenen Pfad, der als vermeintlicher Mittelweg zwischen den verhärteten Fronten ins Abseits führte. Wie der König beharrte er auf der parlamentarischen Anerkennung der dreijährigen Dienstzeit und der Vermehrung der seit 1815 unveränderten Präsenzstärke der Armee. Zugleich respektierte er das verfassungsmäßige Bewilligungsrecht der Volksvertretung, die sich weigerte, der temporären Ausweitung und personellen Aufstockung zuzustimmen. Vergegenwärtigt man sich aus der Retroperspektive die lange Regierungszeit Wilhelms I., versäumte es der Thronerbe, den Monarchen am 19. September 1862 im Babelsberger Park zur Abdankung zu ermutigen und das Szepter zu ergreifen. Die Treue zum alten Vater und die Ehrfurcht vor dem monarchischlegitimistischen Prinzip der Erbfolge, das sich äußeren Widrigkeiten nicht beugen durfte, bewegten ihn, dem Gang der Ereignisse zuzusehen und zu warten, bis ihn die Zeit - voraussichtlich in wenigen Jahren - zur Regierung rief. Der Streit zwischen den Eltern über die Verfassungskrise, insbesondere des Königs "unselige Meinung, daß die Democratie bei uns eine ungeheuere Macht sei, was er in jeglicher Angelegenheit herausfindet, wo man nicht seiner Ansicht ist"30, verstörten den Prinzen. Der Amtsantritt des Konfliktministers Otto von 29 Vgl. Eyck: Empress. S. 356f; Barke/ey. S. 36f; Van der Kiste. S. 29f. u. Bussmann: Preußen. S. 422f. - Als Bismarck zu einem späteren Zeitpunkt von den Heiratsplänen eines deutschen Fürsten hörte. wehrte er ab: "'Nur keine englische; wir haben an einer genug'" (Ger/ach. Tgb. v. 24. lan. 1866. S. 476). 30 Friedrich Wilhelm an Friedrich I. von Baden. [0. 0 .•1 15. Feb. 1862 (GLA KA. F.A. Korrespondenz 13. Bd. 12). Vgl. Van der Kiste. S. 7lf. Man beachte auch Knopp: Erinnerung, S. 9:

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Bismarck - von Wilhelm I. widerstrebend als »ultima ratio« akzeptiert - verschärfte die Gegensätze innerhalb der Familie. "Diese Ernennung wird erbitternd auf [die] Abgeordnete[n] wirken, und man wird sofort Reaktion winern, Mißtrauen muß allseitig erwachsen, und der arme Papa wird sich durch diesen unwahren Charakter manche harte Stunde einbrocken!"31, entsetzte sich der Thronerbe. Obwohl er und Victoria genau wußten, welche Hoffnungen das Bürgertum mit ihnen verband, waren sie nicht gewillt, sich öffentlich mit dem Programm der »Deutschen Fortschrinspartei« zu identifizieren und die Spitze der liberalen Bismarck-Fronde zu bilden. Trotz aller Sympathie - vor allem für die gemäßigten Linken - lehnte es der Prinz ab, in die undankbare Rolle des "Oppositionsführer[s]"32 zu schlüpfen. "Wir dürfen es nicht - obgleich es unserer Zukunft schadet [-] wir können es nicht! "33, entschuldigte die Kronprinzessin ihren inneren Zwiespalt und ihr Zögern. Die Angst, es sich angesichts des ungewissen Endes des Verfassungsstreits mit beiden verfeindeten Lagern zu verderben, lähmte das Thronfolgerpaar. Trotzdem rang sich Friedrich Wilhelm - von Victoria ermutigt - im Juni 1863 in Danzig dazu durch, sich »coram publico« von den verschärften Pressegesetzen des Ministerpräsidenten zu distanzieren. Stolz, das Schweigen gebrochen und etwas gewagt zu haben, notierte er in sein Tagebuch: "Ich habe mich also laut als Gegner Bismarcks und seiner unheilvollen Theorien bekannt und habe also der Welt bewiesen, daß ich sein System nicht angenommen oder gebilligt habe"34. Flugs überhäufte der "Dieser liberale Hohenwller hat, längst ehe die tödliche Krankheit ihn lähmte, in manchem versagt, und er ist in fast allem, was er politisch wollte, [... ] gescheitert". Man beachte auch ebd., S. 11, Dorpalen, S. 9f, u. Knopp: Kaiser, S. 342f. 31 Friedrich lll.: Tagebücher 1848-1866 ([gb. v. 23. Sept. 1862), S. 161. 32 Friedrich Wilhelm an Duncker, Putbus, 14. Juli 1863 (Friedrich ///.: Briefe, S. 116). "Wenn die Fortschrinspartei mich zu den Ihrigen rechnen will und alles daran setzt, so ist hiergegen ebenso wenig zu thun als ich's verhindern kann, daß Bismarck mich zu den Seinigen zu stempeln eifrig bemüht war. [... ] Sind Waldeck und Consorten die Fortschrinler, so habe ich keine Gemeinschaft mit diesen. Versteht man aber die Freisinnigen unter jenem Namen, mit denen leider die Altliberalen jetzt nicht rusammengehen, so denke ich nicht daran, jene Fortschrinler als Feinde zu betrachten". (Ebd., S. 116f.) 33 Victoria an Friedrich 1. von Baden, Neues Palais [Potsdarn,] 31. Mai 1863 (GLA KA, F.A. Korrespondenz 13, Bd. 12). Bereits im Juni 1863 hane Victoria in einem Brief an ihre Muner die Zwickmühle beschrieben, in der sich ihr Gane gefangen wähnte: "Ein Jahr des Stillschweigens und der Selbstverleugnung hat Fritz keine anderen Früchte gebracht, als daß er für einen hilflosen Schwächling gehalten wird. Die Konservativen glauben, daß er in Dunckers Hand ist und daß dieser ihm jeden Schrin diktiert, den er tut. Die Liberalen dagegen sind überzeugt, daß er nicht von ganzem Herzen zu ihnen gehört und die wenigen, die anders denken, bilden sich ein, daß er nicht den Mut hat, es öffentlich zu bekennen. Er hat ihnen jetzt eine Möglichkeit gegeben, seine Überzeugung ru beurteilen und will infolgedessen jetzt wieder passiv sein und schweigen, bis bessere Tage kommen". (Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria, [0.0.,] 8. Juni 1863, Kaiserin Fried· rich: Briefe, S. 63.) Vgl. H. Müller: Friedrich III., S. 404. 34 Friedrich 11/.: Tagebücher 1848-1866 ([gb. v. 5. Juni 1863), S. 198. "Der König weiß nunmehr, daß ich der entschiedene Gegner des Ministeriums bin" (Friedrich Wilhelm an Bismarck, 5 Rieb!

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B. Das Verhältnis zwischen dem Kronprinzenpaar Wld Bismarck

König ihn mit Strafandrohungen, erwidert von Bitten um Verzeihung seitens des von Reue übermannten 11rronfolgers. Er bot dem Vater an, ihn sämtlicher Pflichten zu entbinden, ohne bereit zu sein, seine Danziger Erklärung zu revidieren. Von allen Seiten bestürmt, mangelte es dem Kronprinzen schließlich an der Courage, konsequent zu handeln und sich auf die Seite der Liberalen zu schlagen. Kopflos flüchtete er. Er setzte seine militärische Inspektionsreise in Ostpreußen fort und verbarg sich anschließend längere Zeit in England, dem geistigen Hort und Refugium der Gattin. "Der Kronprinz läßt sich in England malen, weiht Kirchen ein und ißt mit der Prinzessin Wales zu Mittag"35, artikulierte Wilhelm Wehrenpfennig die Enttäuschung vieler Liberaler. Innerlich hatte der 11rronerbe mit Bismarck gebrochen, der seinerseits keine Lust verspürte, jemals unter ihm als Minister zu dienen 36. Über das Verhalten des Prinzen war das Bürgertum ernüchtert. Immerhin begründete der Vorfall in der Öffentlichkeit das »on dit« vom berühmten "'Kronprinzenliberalismus', der sich indes einer näheren Beurteilung entzog"37. Freudigere Monate und Jahre blieben aus. Vom Standpunkt eines friedensbewegten und idealen Liberalismus war das Kronprinzenpaar dazu verurteilt, untätig Bismarcks risiko- und kriegsbereite Außenpolitik in den sechziger Jahren zu beobachten und zu kommentieren. Auf dem Weg zur Einheit zog FriedBerlin, 3. Sept. 1863, Friedrich 1If.: Briefe, S. 120). VgL Friedrich Wilhelm an Duncker, Königsberg, 10. Juni 1863: "Nach langem Überlegen, nach heftigen Gemütsbewegungen bei dem Abwiegen des Pro und Kontra entschloß ich mich, von meiner Frau lebhaft unterstützt". (Dunclu!r, S. 348.) 35 Wehrenpfennig an Häusser, Berlin, 2. Dez. 1863 (HeyderhofflWenJzclu!, Bd. 1, S. 192). Schon im VOIjahr hatte der kronprinzliche Berater Max Duncker zu Bedenken gegeben: "Meinerseits habe ich S[eine]r K[öni]g[lichen] Hoheit nicht vorenthalten, welches Aufsehen Wld welchen Anstoß es überall erregt hat, daß der Kronprinz von Preußen auf englischem Schiff und unter englischer Flagge reisen wolle" (Duncker an Ernst von Stockmar, Berlin, 21. Sept. 1862, Dunclu!r, S. 336). 36 VgL insgesamt zur Danziger Episode Van der Kiste, S. 78-82 u. 92; H. Müller: Friedrich ill., S. 403f; Freund: Friedrich III., S. 202; Freund: Drama, S. 17; Heinemann, S. 394-407, u. Bismarck: Gedanken, Bd. 1, S. 362-378. Man beachte auch Knopp: Erinnerung, S. 11: "Die Kraft, als Monarch aus dieser auch ihn tragenden Ordnung herauszutreten, um mit ungewissen Verbündeten den Kampf um ihre Reformierung zu wagen, hat er wohl kaum besessen". - Bismarck wütete: "Friedrich Wilhe1ms Danziger Rede sei schlimmer als die Plonplonsche in Ajaccio; er könne den Tod seines Vaters nicht erwarten; er habe bereits sein Zukunftsministerium; er (Bism[arck]) diene nur dem Könige; was nachher würde, das sei ihm einerlei; er gebe die Dynastie für verloren; der Kronprinz stehe in allgemeiner MißachlWlg" (Goltz an Bemstorff, Paris, 22. Okt. 1865, o. v. Stolberg-Werni· gerode: Goltz, S. 413). Zu dem Konflikt zwischen Napoleon ill. und seinem Vetter in Korsika vgL Schultheß (27. Mai 1865), S. 255. 37 H. Müller: Friedrich ill., S. 404. Vgl. Enge/berg, Teil 1, S. 532f: "Sein Auftreten zeigte weniger seine selbständige Kraft, auf die sich die liberalen allenfalls hätten stützen können, als vielmehr das Vorhanden sein einer höfischen Fronde, deren Haupt die Königin Augusta neben der Kronprinzessin Viktoria [... ] war". Man beachte auch Mathy an Freytag, Karlsruhe, 17./19. Juni 1863, u. Twesten an lipke, Berlin, 19. Juni 1863 (Heyder-hofflWentzclu!, Bd. I, S. 156-158).

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rich Wilhelm die "moralischen Mittel"38 der nackten Gewalt vor und gab sich über die Allmacht des »ehernen Junkers« keinen Illusionen hin. "Wenn Bismarck meinem Vater eine Allianz mit Garibaldi oder selbst mit Mazzini vorschlüge"'39, belustigte er sich, "'so würde er anfangs verzweifelt im Zimmer herumlaufen und rufen: Bismarck, was machen Sie aus mir! Dann bliebe er mitten im Zimmer stehen und sagte: Wenn sie jedoch glauben, daß dies im Interesse des Staates unerläßlich ist, so läßt sich dagegen am Ende nichts einwenden"'4O. Mit unabänderlichen Realitäten konfrontiert, hieß der Prinz die Einigungskriege aus patriotischen Gründen gut, da ein Zaudern seinerseits als Schwäche hätte interpretiert werden können. Als einziger unter den Anwesenden wandte er sich im Kronrat vom 28. Februar 1866 gegen den Hohenzollernschen-Habsburgischen Bruderkrieg, erwarb sich aber Ruhm bei Königgrätz, als er die zweite schlesische Armee im entscheidenden Moment zur Entlastung der Truppen Prinz Friedrich Karls in die Schlacht führte. Anstatt dem dramatischen Streit zwischen König und Ministerpräsident über preußische Gebietsforderungen an Österreich ruhig zuzuschauen, besann sich Friedrich Wilhelm auf die Staatsräson und verhinderte im Sinne Bismarcks eine folgenreiche Demütigung Wiens. Zufrieden, der Einheit ein Stück näher gerückt zu sein, blickte er auf den Waffengang zurück und billigte die preußischen Annexionen in Süddeutschland. Kurz vor dem Prager Friedensschluß schrieb Victoria - sich des Widerspruchs bewußt, ein Etappenziel auf unlauterem Wege erreicht zu haben - an ihre Mutter: nOh, wie grausam ist es, wenn sich Herz und Kopf so gegenüberstehen! Eine liberale, dewschjühlende, vernünftige preußische Regierung würde all das vermieden haben! [... ] Ich kann und will nicht vergessen, daß ich Preußin bin, aber als solche weiß ich, daß es sehr schwer ist, Dir oder irgendeinem anderen Nichtdeutschen begreiflich zu machen, wie unser Fall liegt. Wir haben ungeheure Opfer gebracht, und die Nation erwartet, daß sie nicht umsonst gewesen sind,,41.

Victorias Abneigung gegen das konservative Preußen-Deutschland und ihre allseits bekannte Liebe zu England waren ihr und Friedrich Wilhelms Verhängnis. Den Seelenkonflikt, unter dem sie litt, brachte ihr letzter Hofmarschall 38 HohenJohe-SchillingsfÜTst (Tgb. v. 18. April 1868), Bd. I, S. 303. Der württembergische Außenminister Neurath glaubte, als König würde der Kronprinz den Liberalen Konzessionen machen, das Mi1itärbudget kürzen und auf diese Weise eventuell die süddeutschen Demokraten, die Preußen verachteten, für die Einheit gewinnen (vgL Dalwigk, Tgb. v. 25. Juni 1869, S. 405f). 39 Ludwig, S. 498.

Ebd. VgL Holstein: Papiere (Tgb. v. 9. Jan. 1885), Bd. 2, S. 56. Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria, Heringsdorf, 10. Aug. 1866 (Kaiserin Friedrich: Briefe, S. 91, Hervorh. im Orig.). VgL H. Müller: Friedrich ill., S. 405; Engelberg, Teil I, S. 569; Scholz, S. 19f; Van der Kiste, S. 97f; Seier, S. 413f; Knopp: Erinnerung, S. 11; Bismarck: Gedanken, Bd. 2, S. 47-55, u. Friedrich Wilhelm an Curtius, Berlin, 8. Dez. 1866 (Friedrich 111.: Briefe, S. 160-162). 40

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B. Das Verhältnis zwischen dem Kronprinzenpaar und Bismarck

Hugo von Reischach auf einen bündigen Nenner: "In Deutschland war sie englisch, in England deutsch"42. Das Brandmal der Ausländerin, Königin MarieAntoinette ähnlich, die der Pöbel bei ihrem Einzug in Paris als ~>Österreicherin« beschimpft hatte, prangte unauslöschlich auf ihrer Stirn. "Sie sei in erster Linie 'feige', sie wolle populär sein"43, warf Bismarck ihr vor. Den '''Unterrock'''44 nannte er sie und ihre Schwiegermutter Augusta bisweilen respektlos. Friedrich Wilhelm "stehe unter dem unbedingten Einfluß seiner Frau, die lieber ihren [englischen] Vettern als Preußen ein Land zuwende; er verrate Staatsgeheimnisse nach außen"45, wetterte er gegenüber dem Botschafter Roben von der Goltz in Biarritz im Oktober 1865, und Friedrich von Holstein notierte zahlreiche Beispiele in seinem Tagebuch, die bezeugen, daß Victoria nichts mehr scheute als vernichtende Zeitungskritiken ihrer Person 46. Ohne Umschweife

42 ReiscJ/ach. S. 110. Vgl. Meisner. S. 489: "Nie häne er [d. h. Friedrich WilhelmI sich eingestanden. daß die über alles geliebte Frau und ihr Milieu vieles von dem verschuldeten. was seine Stellung in der Öffentlichkeit erschwene". - Inwieweit sich in diesem Wettstreit der Neigungen. dem Rudolf DelbTÜck in seinem Nachruf auf die Kaiserin die "ganze Tragik des menschlichen Daseins" (Delbrück. S. 606) zumaß. Emotionales und Rationales einander ausbalancienen. ist für Außenstehende schwer zu entscheiden. Hemmungslos schwärmte Victoria im November 1872 von ihrem "herrlichen und geliebten Vaterland" und glaubte sich ungenien dazu bekennen zu dürfen. weil sie inzwischen mit Haut und Haaren eine Deutsche geworden sei. (Vgl. Victoria an Schweinitz. Bex. 23. Nov. 1872. SchweiniJz: Briefwechsel. S. 89.) Man beachte auch Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria. Berlin. 6. April 1873: "John Bull has more hean than anyone alive. that I know and feel and see every day of my life!" (Victoria: Darling Child. S. 84.) '''Die germanischen Nationen und nicht die romanischen stehen von jetzt an an der Spitze der Entwicklung; ihnen gehön die Führerschaft.... sagte sie im Mai 1871 stolz zu Heinrich Gelzer (Tgb. Gelzers v. 2. Juni 1871. Groß· herzog Friedrich: Reichspolitik. Bd. 1. S. 20). 43 Lucius von BaI/hausen (Tgb. v. 14. Juli 1887). S. 396. Vgl. Van der Kiste. S. 117 . .. Tgb. Gelzers v. 26. Mai 1877 (Großherzog Friedrich: Reichspolitik. Bd. 1. S. 260). Vgl. Bismarck: GW (Gespräch mit M. Busch am 31. Aug. 1870). Bd. 7. S. 331. u. Barkeley. S. 81. 45 Goltz an Bernstorff. Paris. 22. Okt. 1865 (Stolberg-Wernigerot:k: Goltz. S. 413). Ähnlich RadowiJz. Bd. 1. S. 8lf. 46 Vgl. Holstein: Papiere (Tgb. v. 27. Jan .• 25. April u. 17. Mai 1884 u. 11. März 1885). S. 74. 138. 161. u. 188. Die Unpopulärität der Kronprinzessin betonen auch Kraus (Tgb. v. 11. März 1888). S. 533f. u. Delbrück. S. 616. Friedrich Wilhelm begegnete Untergebenen in schlichter Bürgerlichkeit. wobei er - wie sein ältester Sohn - dazu neigte. seinem Gesprächspanner mit unpassenden Scherzen vor den Kopf zu stoßen und ihn vor den Umstehenden zu bTÜskieren. Holstein überliefen folgende Anekdote: "Jemand erzählte mir gestern. wie sehr unpopulär der Kronprinz sich mit seinen Witzen macht. Bei irgendeiner festlichen Gelegenheit [...1bot er dem weiblichen Festkornitee. aus den Spitzen der Kälner Finanzaristokratie bestehend. Zigaretten an. Frau Joost. eine dicke ältere Dame. sagte: 1ch rauche zwar nicht. aber gestatten E[ure I K[aiserliche H[ oheitl. daß ich diese Zigarene als Andenken behalte'. 'Gewiß'. sagte S[einel K[aiserlichel H[oheitl. 'setzen [Siel sich drauf. pressen Sie ordentlich und legen Sie sie ins Album'. Tableau. Schweigen. hinterher natürlich Schimpfen". (Holstein: Papiere. Tgb. v. 27. Aug. 1884. Bd. 2. S. 171.) Allgemeines Befremden erweckte auch die intensive Beschäftigung des Kronprinzen mit protokollarischen Problemen der Hofetikette und Ordensangelegenheiten. die ihn bisweilen mehr beanspruchten als Politika (vgl. W. Richter: Friedrich III.• S. 247f. u. Memoiren Wilmowskis. GStAPK Abt. MER. H.A .• NI. Wilhelm I.. Rep. 51 F III 90). Man beachte auch unten Kap. E.• S. 269f. Siehe ferner Stosch an Freytag.

B. Das Verhältnis zwischen dem Kronprinzenpaarund Bismarck

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erklärte die Gattin des linksliberalen Reichstagsabgeordneten Karl Schrader der Kronprinzessin, sie besitze viele Feinde. Insgeheim bemängelte sie Victorias Unvermögen, den Makel des Ungeliebtseins abzustreifen und in der bürgerlichen Mittelschicht und der "bessere[n] Volksklasse"47 eine Anhängerschar um sich zu sammeln. "'Man sehe in allem und jedem unpraktische, englische Ideen der Kronprinzeß"'48, jammerte Friedrich Wilhelm, den die ständige Hetze und die Weigerung der Umwelt, seine und Victorias Verbesserungsvorschläge ernst zu nehmen, ermüdeten. Die verletzende Verdächtigung, nach ihrer Übersiedlung von Windsor nach Berlin »Engländerin« geblieben zu sein, verwand die Kronprinzessin nie. "Ich habe stets für meine Ansichten u[nd] Überzeugungen leiden müssen"49, klagte sie noch im Juli 1891. Andererseits war Victoria zu stolz, um ihre englischen und liberalen Neigungen zu verbergen. Dem nüchternen Dasein in Berlin, das sich vor allem in der antiquierten Hofetikette und im Verzicht auf viktorianische Annehmlichkeiten des täglichen Lebens spiegelte, vermochte sie nie Freude abzugewinnen. Zum größten Ärger ihres Schwiegervaters behauptete sie steif und fest, die hektische Metropole - Inbegriff des industriell aufstrebenden Preußen-Deutschlands mache sie krank. Unablässig betonte sie die zivilisatorische Überlegenheit ihres Mutterlandes und meinte beispielsweise, die "königlichen Rubens' und van Dycks [der Hohenzollernschen Schlösser] wären ja alle falsch"50. In Potsdarn erschuf sich Victoria eine englische Schein- und Ersatzwelt. Regelmäßig, meistens ein- bis zweimal in der Woche, lud sie Angehörige der englischen Botschaft zum Tennis und zum Abendessen ins Neue Palais ein. Begreiflicherweise schockierte der plötzliche Tod Ampthills (August 1884), des englischen Oestrich, 14. [Aug. 1886]: "Von dem Begräbnis des Königs von Bayern hat der Herr [d. h. der Kronprinz] das Unglaubliche zu berichten gewußt, daß der Stalthalter Hohenlohe[ -Schillingsfürst] die Kette zum Schwarzen Adler Orden in Straßburg Zllriickgelassen hatte. - Einige Embleme und Anordnungen haben die Aufmerksamkeit des Herrn erregt. Basta!" (Slosch: Briefe, Teil 3, S. 12.) Ähnlich Stosch an Freytag, Oestrich, 26. Juni 1885, über die Totenfeier für den Prinzen Friedrich Karl (ebd., S. 9). 47 Schrader-BreYl'Nlnn (Tgb. v. [0. T.] Sept. 1883), S. 251. "Sie [d. h. Victoria] müßte lebendige Fühlung haben mit der Welt, und sie müßte raten, helfen, die Popularität gewinnen, die ihr auch einst zugute kommt bei den Regierungsgeschäften" (ebd., S. 252). Beispielsweise unterstellte man ihr, "sie kaufe alles in England" (Schrader-Breymann an Frau Baumgarten, Berlin, 13. Juli 1878, ebd., S. 140). Vgl. Tgb. Gelzers v. 26. Mai 1877, daß die Kronprinzessin, bei manchen als "in hohem Grade eingebildet und launisch, aber darum unzuverlässig und unwahr" verschrien sei (Großherzog Friedrich: Reichspolitik, Bd. I, S. 260). 48 Lucius von BaIlhausen (Tgb. v. 22. Dez. 1882), S. 244. Vgl. Ampthill an Granville, Berlin, 25. Nov. 1882 (Lell. Berl. Emb., S. 281). Man beachte auch Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria, Berlin, 18. Jan. 1882: "PeopIe say 'Oh the Crown Prince would approve of everything that the Govemment do were it not for bis English wife"'. (Vicloria: Darling Child, S. 115.) 49 Kaiserin Friedrich an Frau VOll Stockmar, Homburg v. d. Höhe, 25. Juli 1891 (Schi. Fasan., NI. Friedrich m., Hervorh. im Orig.). so Knopp: Kaiser, S. 345.

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B. Das Verhältnis zwischen dem Kronprinzenpaar und Bisrnarck

Repräsentanten in Berlin, das Kronprinzenpaar. Victoria entriß er ein Stück heimischer Lebensart, als während der Kolonialstreitigkeiten zwischen Berlin und London die deutsche Volksseele vor Zorn über das angeblich hochmütige englische Gebaren kochte 51 . Selbst wenn ihr Wilhelm I. die Bitte letzten Endes abschlug, engagierte sich Victoria in einem Bagatellfall für die Begnadigung von Landsleuten, die man wegen "nächtlichen Skandals"52 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt hatte. Regelmäßig las sie die von dem linksliberalen Politiker Theodor Barth herausgegebene »Nation« und empfahl ihrem Gatten die Lektüre englischer Zeitungen, wie die des »Daily Telegraph« und der vom Reichskanzler verabscheuten »Times«. Die ungebrochene Liebe zu ihrer Heimat dokumentierte sich besonders in Victorias Kindererziehung. Von klein auf erlernten und benutzten die Enkel des Kaisers das Englische als selbstverständliches Idiom bei Hofe. Zum Erstaunen Bismarcks und anderer Ohrenzeugen sprachen die Kronprinzessin und ihre Kinder von »wir«, "'unseren Truppen' und 'unseren Gesandten"'53, wenn sie England meinten. Auch auf provokative 51 "Berlin was an awful hole", entsann sich Kaiserin Friedrich nach einem halben Jahrhundert an ihre ersten Ehejahre in Preußen. "No drainage, fearful pavernents, awful srnells". Fehlende sanitäre Einrichmngen, eine impertinente Dienerschaft und die Tyrannei der Schwiegereltern hätten ihr das Leben vergällt. (Vgl. Kaiserin Friedrich an ihre Tochter Sophie, [0. 0., o. T. u. o. M.] 1899, Kaiserin Friedrich: Sophie, S. 309.) Man beachte auch Van der Kisle, S. 12 u. 4lf; Ponsonby, S. 242; Vicloria: Memoirs, S. 29f; Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria, Wiesbaden, 1. Dez. 1883 (Vicloria: Beloved Mama, S. 151), u. Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 12. Juli 1885 (GStAPK AbI. MER, H.A., NI. Friedrich m., Rep. 52 F I Nr. 7y). - Trübsinnig bemerkte der Kronprinz nach dem Tode Arnpthills: "We shall have to begin a new life now'" (Rodd: Memories, S. 53). Ähnlich Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 25. Aug. 1884 (GSIAPK AbI. MER, H.A., NI. Friedrich m., Rep. 52 F I Nr. 7x). Man beachte auch Victoria an Friedrich Wilhelrn, Osborne Cottage, 26. Aug. 1884: "Ach[,] was geht auch für mich verloren; ich mag gar nicht daran denken. Es war mir ja eine solche Freude[,] Erfrischung [und] Anregung[,] wenn ich ein Bischen zu den Odo's konnte! Es war für mich eine Oase in der Berliner Atmospähre, auch das ist nun vOlbei". (Schi. Fasan., NI. Friedrich m., Hervorh. im Orig.) Siehe ferner Victoria an Augusta, Osborne Cottage, 29. Aug. 1884 (GSIAPK AbI. MER, H.A., NI. Friedrich m., Rep. 52 TNr. 12f). 52 August zu Eulenburg an Friedberg, Neues Palais [Potsdam], 5. Mai 1870 (BA AbI. P, NI. Friedberg, Nr. 6). 53 Baum, S. 29. Vgl. Vicloria: Mernoirs, S. 4; Bismarck: GW (Gespräch mit Bemhard v. Oettingen im Jahre 1878), Bd. 8, S. 44; Busch: Tagebuchblätter (fgb. v. 7. Apri11888), Bd. 3, S. 235; Victoria an Mary Ponsonby, Potsdarn, 11. Mai 1885 (Ponsonby, S. 245); Holslein: Papiere (Tgb. v. 3. Nov. 1885), Bd. 2, S. 288f, u. BismarcJc: GW (Gespräch mit Schlözer u. liman v. 23. Aug. 1892), Bd. 9, S. 248. Man beachte auch Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria, Berlin, 28. Nov. 1876, über Differenzen zwischen ihr und den Schwiegereltern wegen unterschiedlicher Auffassungen in der Kindeserziehung (Vicloria: Darling Child, S. 232). - Großen Anteil nahm der Kronprinz an den englischen Niederlagen im Sudan und bangte bei dem Fall Kharturns (1885) um das Schicksal der Heerführer Gordon und Wilson (vgl. Corli: Sendung, S. 36lf; Gröler, S. 69, dort Anm. 4; Victoria an Friedrich Wilhelrn, Wiesbaden, 26. Nov. 1883, Schi. Fasan., NI. Friedrich rn., u. Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 5. Feb. 1885, GSIAPK AbI. MER, H.A., NI. Friedrich rn., Rep. 52 F I Nr. 7y). Man beachte auch den auf englisch geführten Briefwechsel zwischen der Kronprinzessin und ihrem ältesten Sohn (ebd., Rep. 52 T Nr. 13, Bd. 2). Das historisch verhängnisvollste Produkt der Erziehung unter den kronprinzlichen Kindern war der nachmalige Kaiser Wilhelm 11. Innerlich

B. Das Verhältnis zwischen dem Kronprinzenpaar und Bismarck

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Äußerlichkeiten verzichtete das Thronfolgerpaar trotz des Murrens im Volk nie. Zur Feier ihrer silbernen Hochzeit im Jahre 1883 kostümierten sich die Gäste im Neuen Palais mit Gewändern aus der Zeit Elisabeths I. und des mittelalterlichen Kaisers Friedrichs III. und reihten sich in einen deutschen und einen englischen Zug ein. Bei Ausritten auf seinem Gut in Bornstedt pflegte sich der Kronprinz in schottische Kleider zu werfen. Kaum war Wilhelm I. gestorben, stattete Victoria zum Unmut ihrer Umgebung das Interieur des Neuen Palais mit englischen Tapeten und Vorhängen aus und ließ sich nach dem Ableben Friedrichs III. in Kronberg im Taunus ein Schloß im englischen Landhausstil erbauen. Testamentarisch verfügte sie sogar, gemäß dem anglikanischen Ritus in einem in London gefertigten Sarg bestattet zu werden 54. Der Kronprinz war dagegen zeitlebens ein "leutseliger, liebenswürdiger Herr"55, wie ihn der Chef des kaiserlichen Zivilkabinetts charakterisierte, "eine offene, wahre Natur, reiner Charakter, abgesagter Feind jeder Unmoralität, voll mittheilenden Vertrauens, wo er ein solches einmal gefasst hatte; ein reiches Gemüth, aber dieses überwog den Verstand, ohne solide Intelligenz, daher in seizerrissen huldigte er mit seiner Leidenschaft für die Seefahrt englischen Vorbildern und lebte sie im fatalen deutschen Flottenbau aus, während er in prinzipieller Opposition ru den Eltern oftmals alles Englische verdammte. Seine GroBmutter Queen Victoria beschimpfte er sogar als "'alte Hexe'" (Notizen und Erinnerungen, Teil I, H. v. Bismarcks, BA KO, NI. Bismarck, Fe 3018N). Nach Meinung des Kanzlersohns entsprang der Haß Wilhelrns einer einseitig englischen Erziehung inmitten einer preußischen Umgebung. Er wurde, wie Herbert von Bismarck glaubte, von der Mutter mißachtet und in "bitterster verletzender Weise als »unreifer, grüner Junge« behandelt" (ebd.). Siehe ferner Aufz. H. v. Bismarcks, an Bord der »Hohenzollern«, 25. Juli 1888 (GP, Bd. 6, S. 328), u. Röhl: Kaiser, S. 33f. Spätestens seit seinem Besuch in St. Petersburg im Kolonialjahr 1884 hetzten beide Bismarcks den jungen Prinzen bewußt gegen die Eltern auf, um in ihm ein konservatives, frondierendes Pendant rur herannahenden liberalen Ära ru besitzen. Daß diese nicht ernstgemeinten, sondern als Mittel für einen dunklen Zweck gedachten Einflüsterungen Wilhelrns selbstherrliche Gefühle stärkten, er folglich rur maßlosen Selbstüberschätzung neigte und der »Magier« Bismarck die Gewalt über seinen impulsiven Lehrling verlor, schlug im Frühjahr 1890 in einer ironischen Wendung des Schicksals auf den Reichskanzler zurück. (Vgl. Röhl: Kaiser, S. 1lf.) Man beachte auch Mohl, S. 316, u. Steininger an Kronprinz Rudolf, Berlin, 10. April 1887 - auf einer Unterredung mit Waldersee beruhend - daß Wilhelm einen "prinzipiellen Hass gegen alles Englische besitze, daher auch mit der Königin Victoria und dem Prinzen VOll Wales sehr schlecht stehe. Aus diesem Hass gegen England hätte sich nun beim Prinzen unwillkürlich eine gewiße Sympathie für Russland entwickelt, schon aus prinzipiellem Widerspruch gegen die Kronprinzessin". (HHStA W, NI. Kronprinz Rudolf, Nr. 19.) 54 VgI. Albedyll-Alten, S. 236. Man beachte auch unten Kap. E., S. 270. Siehe ferner »Neues Charlottenburger IntelligenwI.« v. 26. Juni 1885 (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Friedrich ill., Rep. 52 S ill b Nr. 2); Reischach, S. 132, u. Marschall von Bieberstein an Turban, Berlin, 13. April 1888 (Großherzog Friedrich: Reichspolitik, Bd. 2, S. 539). Der demonstrative Protest gegen alles Preußisch-Deutsche über den Tod hinaus endete kurios. Wilhelm II. - sichtlich verärgert - ordnete an, den englischen Sarg in einen in Berlin gearbeiteten ru betten, und seine Mutter in einem gemischt anglikanisch-protestantischen Zeremoniell zu Grabe zu tragen. (VgI. Radziwill, S. 202.) 55 Memoiren Wilmowskis (GStAPK Abt. MER, HA, NI. Wilhelm 1., Rep. 51 F ill 90). Ähnlich Forckenbeck an seine Gattin, Berlin, 16. Aug. [1866] (Forck.enbeck, S. 3).

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B. Das Verhältnis zwischen dem Kronprinzenpaar Wld Bismarck

nen Ansichten schwankend und leicht bestimmbar"56. Viele, die ihn näher kannten, erschraken über seine Unselbständigkeit und Hilflosigkeit im Umgang mit der Gattin. Rasch wechselte er seine Überzeugungen und beugte sich Victorias Diktum, selbst wenn er zuvor eine andere Meinung verkündet hatte. Die Kronprinzessin habe aus ihm ein "fast willenloses Werkzeug gemacht"57, entsetzte sich sein Onkel, der Großherzog von Baden, und Victoria, die von diesen Vorwürfen zur Genüge gehört hatte, fühlte sich bis ins Mark getroffen, als Gustav Freytag sie im Jahre 1889 in seinem Buch "Der Kronprinz und die deutsche Kaiserkrone" beschuldigte, den Gatten als Politiker und Privatmann unterjocht zu haben 58 . Das zeitgenössische Urteil ist sich fast einhellig darüber einig, daß die Kronprinzessin - mit ihrem Gemahl im Schlepptau - danach strebte, dem konservativ-preußisch dominierten Reich die politisch-kulturellen Vorzüge ihres Mutterlandes aufzupropfen. "Sie hängt mit allen Banden des Geistes und des Gemüthes an ihrem Geburtslande und sowie Allem was englisch ist"59, umriß der 56 Memoiren Wilmowskis (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhelm 1., Rep. 51 Fm 90). Ähnlich urteilt Rethwisch, S. 20: Kaiser Friedrich ill. "berechnete nie, er fühlte nur; er fühlte immer hochherzig, großartig, culmrbegeistert, aber der kalte politische Calkül fand in seiner warmen Namr keinen Platz". Siehe ferner Normann an Freytag, Neues Palais Potsdarn, 6. Juli 1873: "Wenn etwas ihn [d. h. Friedrich Wilhelrn] schützen wird, so ist es - offen gesagt - weniger die klare Erkenntnis der Dinge, als ein immer noch vorhandenes inneres Wld vielleicht instinktives Mißtrauen gegen den Kanzler". (Heyderhoff/WenJzck2, Bd. 2, S. 82.) 51 Friedrich I. von Baden an Gelzer, Berlin, 21. März 1872 (Groß~rzog FriedTich: Reichspolitik, Bd. 1, S. 55). 58 "Meine Meinung habe ich stets vertreten", rechtfertigte sie sich halbherzig, "sie galt ihm [d. h. Friedrich Wilhelrn] viel u[nd] oft - aber nicht immer [-I machte er sie zu der seinigen, wir hanen dieselben Freunde u[ nd] dieselben Interessen, - ich wies aber stets in allen schwierigen Fragen - auf Männer hin[,] von denen ich wußte, daß sie die klügsten u[nd] die besten, u[nd] die bedeutendsten seien - sie zu hören, - dies war allerdings ein Dienst[,] den ich ihm leistete" (Kommentar Kaiserin Friedrichs zu Freytags Buch "Der Kronprinz und die deutsche Kaiserkrone", Schi. Fasan., NI. Friedrich ill.). Vgl. Freytag: Kaiserkrone, S. 39f u. 45-48. Man beachte auch die Belege in Anm. 14 dieses Kapitels. Siehe ferner Friedrich Wilhelm an Schweinitz, Neues Palais [Potsdarn], 8. Juli 1865: "Es ist wie zwei Schüler, wo einer von dem anderen abschreibt. [... ] Wir beide haben in diesen sieben Jahren Ehestandes schon sooft denselben Gedanken gleichzeitig gehabt, daß es nachgerade patriarchalisch wird". (Schweinitz: Briefwechsel, S. 17f.) Positiv deutet Van du Kiste, S. 69, das gegenseitige Verhältnis: "Vicky simply reinforced his [i. e. Frederick William's] belief in his own opinions, and gave him the confidence in himself that prevented him from being swayed away too much from one view to the other". 59 Szechenyi an KaJnoky, Berlin, 14. Jan. 1882 (HHStA W, PA ill, Nr. 123). "Natürlich hänen wir eine englische Orientierung bekommen", war nach dem Tode Friedrichs ill. der Hofmarschall der verwitweten Kaiserin fest überzeugt (Reischach, S. 110). Eulenburg-Hertefeld schloß sich dieser Beurteilung an: "Ich glaube allerdings, daß bei einer längeren Regierungszeit des Kaiserpaares Friedrich tatsächlich eine von den Konservativen mit Zinern befürchtete, von den liberalen heiß erwünschte Änderung des Systems Wlter Bismarcks Führung eingetreten wäre" (Eulenburg-Hertefeld: Aus 50 Jahren, S. 187). Ähnlich Rodd: Memories, S. 81: "Had the Emperor Frederick, with his broad and liberal outlook on life, reigned for a number of years on which he might reasonably have

B. Das Verhältnis zwischen dem Kronprinzenpaar und Bismarck

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österreichisch-ungarische Botschafter Imre Szechenyi ihre Gesinnung. Die Verfassung Großbritanniens erhebe sie über diejenige aller anderen Nationen. Victoria selbst bezeichnete das System ihrer Heimat "[as] the best and most useful and blessed form of govemment in the world"60, und Henriette Schrader-Breymann nannte sie gelegentlich eine wahrhaft "konstitutionelle Fürstin"61. Pries Max von Forckenbeck im Jahre 1866 die "korrekte, konsecounted, much rnight have been different. The omnipotent influence of the Bismarckian bureaucracy and the military caste would have been weakened, and time would have worked for the elements which make for peace". Man beachte auch Schweinitz: Denkwürdigkeiten (Tgb. v. 15. April 1887), Bd. 2, S. 344; Roggenbach an Stosch, Schopfheim, 26. Sept. 1887 (Roggenbach, S. 269); HuJten-Czapski, S. 137, u. Eulenburg-Hertefeld: Aus 50 Jahren, S. 170-174. Ähnlich Snell, S. 210; Rethwisch, S. 20; Dorpalen, S. If; Barkeley, S. 61; Freund: Friedrich III., S. 201; Schraepler, S. 543, u. Knopp: Kaiser, S. 337f. Vgl. Rich, S. 131: "It was generally assumed in Germany that when the Crown Prince came to the throne there would be a decided shift in Germany's domestic as weIl as in her foreign policies". Vgl. Reischach, S. 109: "Gewiß war sie [d. h. Kronprinzessin Victorial eine stolze Britin". Ähnlich Rich, S. 130. 60 Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria, Wiesbaden, 11. Dez. 1880 (Victoria: Beloved Mama, S. 94). 61 Schrader·Breymann (Tgb. v. [0. T.l Sept. 1883), S. 252. Vgl. Reischach, S. 156. "Besteigt sie einst an der Seite ihres Ganen den Thron", faßte Imre Szechenyi die landläufige Erwartungshaltung zusammen, "so glaubt man nicht allein, daß sie auf ihn politischen Einfluß nehmen werde, sondern auch daß sie die Inspirationen hie[rlzu von ihren Freunden aus England entnehmen dürfte" (Szechenyi an Kälnoky, Berlin, 14. Jan. 1882, HHStA W, PA III, Nr. 123). Vgl. Tgb. Gelzers v. 13. Jan. 1873 hinsichtlich der "Eindrücke des Großherzogs über den Charakter der Kronprinzessin und die Gefahren ihrer Zukunft ('sie lächle über die Ereignisse'; es fehle das Pflichtgefühl, was der Kronprinz habe, der auch zuweilen sehr gereizt sich äußere, da sie immer recht haben wolle!)" (Großherzog Friedrich: Reichspolitik, Bd. I, S. 108). "Wenn der Kronprinz mal zur Regierung kommt, dann wird die Kronprinzeß Kaiser"', sagte Hofmarschall Radolinski düster voraus (Holstein: Papiere, Tgb. v. 6. Mai 1885, Bd. 2, S. 210). Ähnlich Steininger an Kronprinz Rudolf, Berlin, 10. April 1887, über Friedrich Wilhelrn, "den man unter dem Einflusse der ganz englisch gebliebenen Kronprinzessin weiß" (HHStA W, NI. Kronprinz Rudolf, Nr. 19). "Der Kronprinz war überhaupt im englischen Fahrwasser", urteilte der Chef des Geheimen Zivilkabinens (vgl. Memoiren Wilmowskis, GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhelm I., Rep. 51 F III 90). Vgl. LerchenfeldKoefering: Erinnerungen, S. 70: "Wie alle nicht sehr geschlossenen Charaktere blieb der Kronprinz Friedrich sein ganzes Leben hindurch fremden Einflüssen sehr zugänglich". Man beachte auch Freund: Drama, S. 24. Siehe ferner Lerchenfeld-Koefering: Erinnerungen, S. 259: "Von dem Ehepaar war Kronprinzessin Victoria der führende Teil, eine sehr gescheite, hochgebildete Frau, voll künstlerischer Interessen, aber leidenschaftlich, jähzornig und eigensüchtig. Meiner Meinung nach wäre deshalb das Verhältnis zwischen Bismarck und Kaiser Friedrich von dem Grade des Einflusses bestimmt worden, den die Kronprinzessin auf ihren Gemahl behalten hätte". Ähnlich Dorpalen, S. 4. - Daß man sich in Berlin allgemein an den Verstrickungen des Londoner Kabinens in Ägypten weidete, deutete Friedrich Wilhelm rnit dem konservativen "Bewußtsein, daß England der Träger freiheitlicher Institutionen sei" (Holstein: Papiere, Tgb. v. 16. Jan. 1883, Bd. 2, S. 32). Holstein mutmaßte sogar, die liberale Umgebung des Kronprinzen versuche diesem einzuimpfen, daß die höheren konservativen Gesellschaftskreise das Heimatland seiner Gattin aus tiefstem Herzen haßten, weil es das Sinnbild des Liberalismus verkörpere (vgl. Holstein an Hohenlohe-Schillingsfürst, [0.0.,1 15. Jan. [1883], Rogge, S. 184; BA KO, NI. Hohenlohe-Schillingsfürst, Nr. 240). - Man beachte auch unten S. 83f dieses Kapitels über Friedrich Wilhelrns Zorn wegen der antienglischen Anitüde der deutschen Presse bezüglich der ägyptischen Wirren.

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B. Das Vemältnis zwischen dem Kronprinzenpaar und Bismarck

quent liberale und unabhängige Anschauung des Kronprinzen"62, blieb dessen politisches Programm "dunkel und daher beunruhigend"63. "Freiheit [ ... ][,] Konstitution, Parlament, individuelle Selbständigkeit, Selfgovernment, Freihandel "64 und Zentralstaatlichkeit hatte das Kronprinzenpaar auf sein Revers geheftet. Fairness, Toleranz - mit Ausnahme der Beschneidung katholischer Reservatrechte in Staat und Gesellschaft - soziale Wohltätigkeit, aber kein »Staatssozialismus« im Sinne der Bismarckschen Sozialgesetzgebung, und die Bereitschaft, neue Ideen der Zeit gierig in sich aufzusaugen, erachteten Friedrich Wilhelm und Victoria als unverzichtbare Erfordernisse der Zukunft 65. Die Bismarcksche Alternative der Konfliktszeit "'königliches Regiment oder Parlamentsherrschaft"'66, nach der Reichsgriindung freilich subtiler praktiziert, war dem Kronprinzenpaar zuwider. Im Unterschied zu der }}Lückentheorie« des Ministerpräsidenten respektierte es die verbrieften Rechte der Volksvertretung. Andernfalls, neigte Friedrich Wilhelm zur gemäßigten Parlamentarisierung, 62

Orig.).

Forckenbeck an seine Gattin, Berlin, 16. Aug. [1866] (Forckenheck, S. 3f, Hervom. im

63 Tgb. Gelzers v. 23. Juli 1878 (Großherzog Friedrich: Reichspolitik, Bd. 1, S. 315). "Froh bin ich, daß England und Deutschland eine Annäherung suchen - ich habe gemeint, es sei NJtürlich, heilsam und vernünftig, nicht nur praktisch für die augenblickliche Lage der auswärtigen Politik, das ist eine wankende und veränderliche Sache! Was mein Vater und später mein Mann und alle unsere näheren Freunde wünschten, war ein gemeinsames Mitarbeiten beider Völker an der Entwicklung der Kultur und ein wechselseitiger Einfluß aufeinander". (Kaiserin Friedrich an Henriene Schrader-Breymann, Homburg v. d. Höhe, [nach 1891], Schrader-Breymann, S. 56, Hervom. im Orig.) Vgl. Muralt: Voraussetzungen, S. 305. 64 Kaiserin Friedrich an Henriene Schrader-Breymann, Homburg v. d. Höhe, [nach 1891] (Schrader-Breymann, S. 56). os Vor allem den »Staatssozialismus« verdammten heide als Entmündigung des freien Bürgers, der sich aufgrund der die natürlichen Gesellschaftsunterscbiede angeblich egalisierenden Politik des Kanzlers eines Tages in einer kommunistischen Gesellschaft wiederfinden werde. Vor radikalen Bewegungen, die zur Durchsetzung ihrer Ziele Gewalt anwendeten, empfanden sie panische Angst. Handelte es sich um den Schutz bürgerlicher und monarchischer Werte vor »Umstürzlem«, sei es der irischen Fenier-Bewegung, englischen Kommunisten und Sozialisten sowie deutschen Sozialdemokraten, scheute sich Victoria nicht, harte staatliche UnterdTÜckungsmaßnahmen zu propagieren. "All temporising with anarchy is criminal weakness, abandoning the sheep to the wolves and damaging in every way the cause cf true liberty! Peace-Ioving, order-Ioving, law-Ioving people have a right to be protected against anarchy". (Victoria an Mary Ponsonby, Berlin, 4. März 1886, Ponsonby, S. 255, Hervom. im Orig.) Vgl. Hohenlohe-Schillingsfürst (Tgb. v. 24. März 1890), Bd. 2, S. 464. Siehe ferner Victoria an Friedberg (Abschr.), Neues Palais Potsdarn, I. Juli 1885: "So schwebte dem Kronprinzen stets [... ] ein vertieftes u[nd] erweitertes Werk vor; ein weiterentwickeltes der Kultur u[nd] des Wohlstandes, ein allmähliges Erziehen des ganzen Volkes zu größerer Freiheit u[nd] Selbständigkeit u[nd] dadurch das Heranbilden zu größerer politischer Reife u[nd] Gewissenhaftigkeit, welche zu einem gewissen Maaß zum rnitregieren befähigen. Ein allmähliges Entlasten der Centraigewalt in administrativen Dingen dadurch, daß sie einige Funktionen in die Hände des Volks legt, worin das beste Minel zur Beruhigung, Beschäftigung u[ndJ Befriedigung der Gemüther liegt". (BA Abt. P, NI. Friedberg, Nr. 50.) Man beachte auch unten Kap. E., S. 260276, zu den zentral staatlichen, d. h. unitarischen, Auffassungen Friedrich Wilhelms. 66 Engelberg, Teil I, S. 526. Vgl. Van der Kiste, S. 72.

B. Das Verhälmis zwischen dem Kronprinzenpaarund Bismarck

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würden "später Konzessionen viel schlimmerer Art kommen müssen, weil am Ende [das] Abgeordnetenhaus einer der Regierungsfaktoren ist und ein Recht auf Bewilligung hat, so daß schließlich ein Abschluß unvermeidlich bleibt"67. Die Debatte über das Sozialistengesetz eineinhalb Jahrzehnte später förderte den prinzipiellen Unterschied der "'Auffassungen von der Rolle des Parlaments im konstitutionellen Staat"'68 zwischen Bismarck und Friedrich Wilhelm noch einmal zutage. Wollte der Kanzler den Reichstag anläßlich des Nobilingschen Attentats auf den Kaiser auflösen, um unter dem Eindruck des Verbrechens die öffentliche Meinung zugunsten der Regierung und ihrer Anhänger zu manipulieren, suchte der Thronfolger einen verträglichen und alle Akteure befriedigenden Ausweg aus der Krise. Er beabsichtigte, mit den Repräsentanten der Parteien zu konferieren, um sich mit ihnen über die gegen die Sozialdemokraten zu ergreifenden gesetzlichen Maßnahmen zu verständigen. Letztlich reduzieren sich die kronprinz lichen Ideen, sieht man von unitarischen Neigungen sowie der tiefverwurzelten Überzeugung einer innen- und außenpolitischen Symbiose zwischen England und Deutschland ab, auf Antonyme zur Bismarckschen Realpolitik69 . Sie verkörpern - ohne Verschulden ihres Protagonisten Schlagworte eines nebulösen und gefühlsbetonten idealen Liberalismus, dem wegen des frühen Ablebens Kaiser Friedrichs III. die Gelegenheit verwehrt wurde, sich als Alternative zum Regiment des Kanzlers zu präsentieren 70. 67 Friedrich 111.: Tagebücher 1848-1866 (Tgb. v. 1. Sept. 1862), S. 157. Romantisch-idealistisch dachte sich der Kronprinz das Funktionieren des Staatsorganismus: "Loyale Handhabung der Gesetze und Verfassung, Achtung und Wohlwollen gegen ein leicht zu führendes, intelligentes und tüchtiges Volk - das sind die Prinzipien, von denen meiner Meinung nach jede Regierung in ihrem Verfahren gegen das Land geleitet sein muß" (Friedrich Wilhelm an Bismarck, Stettin, 30. Juni 1863, Friedrich IIl.: Briefe, S. 113). 68 Slürmer: Staatsstreich gedanken, S. 595f. 69 Außenpolitisch schwebte dem Kronprinzenpaar ein westlich orientiertes Bündnis, bestehend aus Österreich-Ungarn, Deutschland, England und Italien gegen Rußland vor (vgl. Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria, Neues Palais Potsdam, 20. Okt. 1876, Vicloria: Darling Child, S. 226). Man beachte auch unten Kap. C. ill., S. 150-152. 70 Als von Anfang an beide Fraktionen trennendes Element gilt außerdem die Ablehnung des Bismarckschen diktorialen Hemchaftsstils, d. h. die in den Augen Friedrich Wilhelms und Victorias machtlüsternen und unmoralischen Methoden des Kanzlers. - In einem Brief an ihren Vertrauten Heinrich Friedberg entwarf die Kronprinzessin folgende Gegenpostulate zur Politik des Reichskanzlers: "Ein freies und unabhängig denkendes Volk - arbeitsam u[nd] ordnungsliebend wollen wir haben, - stets weiter und weiter uns bildend u[nd] entwickelnd, - wohl - eine starke Regierung welche den Staat schützen kann vor äußerer Gefahr -- ein gutes und starkes Heer, -- eine nützliche wenn auch kleine Marine - aber nicht den Absolutism in Gestalt des Kanzlerism oder lmperialism, nicht -- das blinde hin- u[nd] her gestoßen werden von einem einzigen Willen, - u[nd] wenn der Willen selbst der jenige eines Erz[ -]Engels Gahriel wäre, u[nd] nicht als fast unausbleibliche Folge dessen den arbeitenden Staat, die Rückkehr zur Barbarei! Das segensreiche Institut des deutschen Parlamentes soll aber möglichst zerstört, rnisbraucht u[nd] unmöglich gemacht werden. Es ist der Gewalt von oben unbequem, hindernd u[nd] störend im unbeschränkten Ausüben seines Willens [... ], weil es den Damm von Gesetz u[nd] Recht gegen ihre unsinnig wilden Träume von Gleichheit ... bildet. Die Wahrheit behält aber sIels ihr Recht, u[nd] der Bürgerstand - der Träger aller unserer

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B. Das Verhältnis zwischen dem Kronprinzenpaar und Bismarck

Im Falle des Thronwechsels bangte Bismarck nicht nur um seine persönliche Stellung, sondern ihm grauste vor den anstürmenden Fluten des Liberalismus, welche die konservativen Eliten hinwegschwemmen, das Parlament als wahre Macht im Reich nach oben tragen, kurzum die politische, soziale, ökonomische und kulturelle Landschaft Deutschlands verwandeln würden. Im Thronfolger erblickte er den unglückseligen Schleusenwärter, der, beeinflußt von seiner Gattin und einer liberalen Clique, die Ventile des Wehres, die bislang er geregelt hane, öffnen würde. War der entscheidende Handgriff einmal getan, erkannte der Kanzler keine Regulationsmöglichkeiten mehr. Preußen bzw. das Reich würde nach seiner Ansicht im Morast des Liberalismus versinken, wenn die liberal-emanzipatorischen und reformerischen Kräfte sich ungehemmt entfalteten. Der Kronprinz, "dieser vergönerte Liebling der Demokraten" 71, war er überzeugt, werde nach seiner Thronbesteigung das Vorbild der englischen Verfassung nachahmen, fest vertaute königliche Prärogativrechte kappen und sich mit der Marionettenrolle eines parlamentarisch kontrollierten Monarchen begnügen, deren Fäden die Volksvertretung und ein ihr verantwortliches Kabinett zögen. Bescheinigte Bismarck dem betagten Wilhelm I. respektvoll, dieser "würde sich für das, was ihm der Staat sei, in Stücke hauen lassen"72, verdächtigte er den Sohn, sich in seiner "Geistlosigkeit, Borniertheit, Unempkostbaren Güter - wird schon nicht untergehen! Der vernünftige solide Freisinn wird sich schon ein mal Geltung verschaffen - seine Zeit noch kommen. Aber unterdessen wird viel verdorben u[nd] viel verworren. Wenn der Adel weniger thöricht wäre [... ] u[nd] weniger kurzsichtig - so würde er sich auch zur verständig-ruhigen aber liberalen Miuel[-]Parthei halten, u[nd] wenn die [Deutsche] Fortschritt[s-]Parthei einen Theil ihrer Schrullen und Doctrinen ablegen wollte, müßte sie auch dazu zu rechnen sein". (Victoria an Friedrich Wilhelm, Gries-Bozen, 7. Nov. 1884, Schi. Fasan., NI. Friedrich ill., Hervorh. im Orig.) Man beachte auch Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria, Wiesbaden, 11. Dez. 1880: "My idea of a liberal is simply a commonsense view of things, and a wish to be fair, and tolerant and charitable, and to improve at a11 times that which wants improving; in fact to try and raise each branch of existence into something as good as it can be made, not to change and destroy things because they are old and traditional nor to preserve what is no longer useful merely because it is old". (Vic/oria: Beloved Mama, S. 93.) 71 Brauer, S. 284. Im Drei-Kaiser-Jahr erregten sich die offiziösen »GrenWoten>Vergnügungsreisen« .... (Notizen und Aufzeichnungen, Teil I, H. v. Bismarcks, BA KO, FC 3018N.) - Vgl. Gladstone an Queen Victoria, Ship Pembnlke Castle, Themsemündung, 20. Sept. 1883 (Guedalla, S. 577-579), u. Queen Victoria an Gladstone, Balrnoral, 20. Sept. 1883 (Victoria: Letters, S. 441f). Man beachte auch Gladstone an Granville, Downing Street, 22. Sept. 1883, über die Nachfrage der Königin bezüglich des Aufenthalts in Kopenhagen "which has made me rather angry" (Gladstone/Gran1lille, S. 90). 4 Zit. nach Windelband: Großmächte, S. 505. Vgl. ebenfalls Bismarck an Radowitz (Abschr./Ausz.), Friedrichsruh, 12. Okt. 1883, daß der türkische General Mukhtar Pascha ihn vor einigen Tagen besucht habe, der "natürlich keine Idee von dem Mangel an Nachdenken [hatl, mit

IV. Die »Gravitation« Englands und Bismarcks Zukunftspessimismus Ende 1883

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Wie tief der Abscheu und die Furcht vor der Ausstrahlungskraft Gladstones und dem Engländertum des Kronprinzen und dessen Gattin Victoria in Bismarck wurzelten, bezeugt ein Immediatschreiben, das er wenige Wochen nach dem Kopenhagener Vorfall am 22. Oktober 1883 an Kaiser Wilhelm I. richtete. Noch unter dem Eindruck dieses Ereignisses und der Pressefehde zwischen »Times« und »Norddeutscher Allgemeiner Zeitung« stehend, ergoß sich ein mächtiger Zornesschwall über den Premier. Er schalt ihn als "unfähigen Politiker [... ], der nichts als ein großer Redner ist"5. Deshalb sei es aussichtslos, eine Politik zu treiben, bei der England als zuverlässige Konstante ins Kalkül gezogen werden könnte6. Dem Kaiser entwarf der Kanzler ein angsteinflößendes Horrorgemälde der englischen Gesellschaft: "Es liefert dies parlamentarische Musterreich ein ebenso abschreckendes Beispiel wie Frankreich von der Auflösung, der die größten und mächtigsten Reiche entgegengehen, wenn als herrschendes Prinzip in ihnen nur das Rednerta1ent übrig bleibt, welches die urteilslosen Massen mit sich fortzureißen versteht. [... ) Der gesamte Mittelstand ist heute schon republikanisiert, und wenn Gladstone noch einige Jahre am Ruder bleibt, so kann I[hre) M[ajestät) die Königin Victoria noch selbst die Anträge auf geselzliche Abschaffung der Monarchie in Englanti ebenso erleben, wie diejenigen auf Abschaffung des Oberhauses schon heutzutage niemanden mehr befremdlich erscheinen"7.

welchem die auswärtige Politik Englands unter dem gegenwärtigen Ministerium betrieben wird". Mukhtar "wollte nicht glauben, daß der Leiter der Politik eines so großen Reiches nur nach Laune einen demonstrativen Besuch macht, welche das Mißtrauen anderer Mächte in einem Maße erregt, dessen Abschwächungen durch Erläuterungen und Betheuerung hinterher immer schwierig ist" . (PA BN, Rußland Nr. 79.) Man beachte auch die Bemelkung Bismarcks zu Philip Currie im Jahre 1885: "Austrian statesmen had been convinced, by Mr. Gladstone's repudiation of his predecessor's policy in 1880, that no trust was to be placed in England. The same thing might happen again. Mr. Gladstone's visil to the Czar at Copenhagen a year later [!) had put the seal on this suspicion". (Summary of the Memorandum, by Sir Philip Currie, of his Conversation8 with Prince Bismarck, September 28-30,1885, G. Cecil, S. 259.) 5 Bismarck an Wilhelm 1., Friedrichsruh, 22. Okt. 1883 (Bismarck: GW, Bd. 6c, S. 283). 6 Ebd. 7 Bismarck an Wilhelm I., Friedrichsruh, 22. Okt. 1883 (Bismarck.: GW, Bd. 6c, S. 283). Die Hervorhebung ist nur im Original (BA KO, NI. Bismarck, FC 2986) als solche kenntlich gemacht. H..]. Schoeps, S. 79, nennt diese Äußerungen Bismarcks eine "Velkennung und sinnlose Übertreibung". Doch sind sie schlagender Beweis seiner "Besessenheit gegen alles Parlamentarische und liberale" (Augslein: Bismarck, S. 28) und Furcht vor dem liberalen Umsturz in Deutschland, die freilich erst 1884/85 ihrem Höhepunkt zustrebten. Man beachte auch Bismarck an Schweinitz, Friedrichsruh, 26. Feb. 1884 (MedliCOI/: Concert, S. 341-343). Schon einen Monat vor der Kopenhagener Episode hatte sich der Kanzler in einem Brief an den bayerischen König über die "Unfähigkeit und Verkehrtheit" der englischen Politik geärgert (vgl. Bismarck an Ludwig II., Bad Kissingen, 22. Aug. 1883, Bismarck: GW, Bd. 14,2, S. 944). - Anlaß für Bismarcks Zornausbruch war die für die nächste Reichstagssession vorzubereitende Gesetzesvorlage für den Bau des NordOstsee-Kanals. Im Immediatbericht setzte Bismarck dem Kaiser eingehend die strategische und politische Lage Deutschlands auseinander und betonte die herausragende Bedeutung einvernehmlicher deutsch-russisch-österreichischer Beziehungen für die Wahrung des Friedens in Europa. Das Erreichen dieses Ziels werde aber durch die Feindschaft Frankreichs und die ungeschickte Politik Eng-

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Noch in den neunziger Jahren sagte Bismarck zu Randolph Churchill, "ein Mann wie Gladstone an der Spitze 'seines Landes' würde ihm die größte Sorge und Aufregung bereiten"8. Die Verstimmung des Kanzlers über England deutete Gerson von Bleichröder im Oktober 1883 in einem Gespräch mit dem deutschen Botschafter Hohenlohe-Schillingsfürst in Paris als Enttäuschung über den Mangel an Dankbarkeit, den dieser in London für seine Hilfeleistungen gefunden habe. Was dem Bankier aber am meisten Kopfzerbrechen bereitete, war das Verhältnis des Kronprinzen zum Reichskanzler. Das sei zur Zeit womit er offensichtlich das Projekt der Spanienreise meinte - ungetrübt, versicherte er seinem Gegenüber. Aber wie lange werde es andauern, fragte er, und wie werde sich der Kronprinz, wenn er Kaiser sei, zu Bismarck stellen? Der Nachfolgekandidat des Thronfolgers sei Max von Forckenbeck, aber den werde der Fürst niemals akzeptieren. "Bennigsen ja, aber Forckenbeck nimmermehr"9. Als ob das vernichtende Urteil des führenden deutschen Politikers über das angeblich unzuverlässige und undankbare Wesen der englischen Politik einer Bestätigung bedurfte, empfing dieser Ende des Monats Oktober in Friedrichsruh einen Brief Herberts aus London. Der Sohn beschrieb darin seinen Antrittsbesuch als Geschäftsträger der deutschen Botschaft beim englischen Außenminister. Granville habe sich für das ausgleichende Einwirken Deutschlands auf das englisch-türkische Verhältnis bedankt und die armenischen Gebietsreformen als einzigen Punkt hervorgehoben, in dem London und Berlin unterschiedlicher Auffassung gewesen seien. Die englischen Forderungen hätten Sultan Abdul Harnid 11. bislang nur irritiert und keine Ergebnisse gezeitigt. Wie würde es ihm aber imponieren, wenn der deutsche Botschafter Joseph Maria Radowitz in Allianz mit den österreichischen und italienischen Kollegen in Konstantinopel die Reformen befürwortete. "Unser Einfluß"lO, habe Granville "fast beredt"11 gemeint, schrieb Herbert, "könnte dies [... ] zu Wege bringen" 12. Auf den Vorschlag des Außenministers reagierte Bismarck jedoch nur mit der lands erschwert. (Vgl. Bismarck an Wilbelm 1., Friedrichsruh, 22. Okt. 1883, Bismarck: GW, Bd. 6c, S. 283.) - Bezüglich der deutsch-englischen Pressefehde schrieb H. v. Bismarck an Scheel-Plessen (Absehr.), Bad Gastein, 19. Sept. 1883, die Artikel der "NAZ« seien vordergründig gegen die »Times« gerichtet, eigentlich habe man aber die englische Regierung im Visier: "'Den Sack schlägt man, den Esel meint man"'. (BA KO, NI. Bismarck, FC 3015.) • Bismarck: GW (Gespräch mit Randolph Churchill v. 6. Aug. 1893), Bd. 9, S. 361. 9 Tgb. Hohenlohe-Schillingsfürsts v. 26. Okt. 1883 (BA KO, ~1. Hoheniohe-Schillingsfürst, Nr.1375). 10 H. v. Bismarck an Bismarck (Absehr.), London, 27. Okt. 1883 (PA BN, England Nr. 69, Bd. 20). Vgl. Stamm, S. 31-33. 11 H. v. Bismarck an Bismarck (Absehr.), London, 27. Okt. 1883 (PA BN, England Nr. 69, Bd.20). 12 Ebd.

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Bemerkung, Englands Arrnenien-Politik sei eine "alberne Marotte" 13. Ihren Leiter beschimpfte er wie wenige Tage zuvor als "unzurechnungsfähig" 14. Ein anderes Schreiben Herbert von Bismarcks traf Anfang November 1883 in Friedrichsruh ein. Es nahm sich - ähnlich dem Immediatbericht vom 22. Oktober - wie eine apokalyptische Schilderung der englischen Innen- und Außenpolitik aus. Eingehend beschäftigte sich der Kanzlersohn mit den Rückschlägen für das liberale Kabinett in Irland und Indien sowie mit der unaufhaltsamen Radikalisierung des Inselreichs und den Schattenseiten der englischen WahIreform für die besitzenden Klassen des Landes 15. In seiner Analyse stützte er sich auf die Ausführungen des konservativen Oppositionspolitikers Robert Salisbury, der in einem Artikel der »Quarterly Review«, betitelt "'Zersetzung' (disintegration)" 16, unter anderem gemahnt hatte: "Königtum und Kabinett seien leere Begriffe geworden, die Minister seien nichts als die eingeschüchterten Diener der Majorität des Unterhauses" 17. Bismarck ordnete an, im Auswärtigen Amt einen Auszug des Briefes für den Kaiser anzufertigen. Nach erfolgter Lektüre vermerkte WilheIm I. betroffen am Rand an, das Schriftstück sei ein "'Spiegel, in dem alle Regierungen ihre Zukunft sehen können, die mit 13

(ebd.).

Marginalie Bismarcks am Bericht H. v. Bismarcks an ihn (Absehr.), London, 27. Okt. 1883

14 Ebd. Wenn man den Memoiren Herbert von Bismarcks Glauben schenken darf, hatte er den Vater gebeten, ihn nach S1. Petersburg Z1l versetzen, da der rumänische Minister Joan Bratianu im September 1883 in Bad Gastein sehr russenfeindlich aufgetreten war: "Bei den vom englischen Hofe u[nd) manchen englischen Politikern ausgehenden Bemühungen, uns mit Rußland zu brouilli[e)ren u[nd) beim Zaren Mißtrauen gegen die Bismarcksche Politik zu erregen[,) hielt ich die persönliche Demonstration meiner Versetzung von London nach [S1.) Petersburg für nützlich". (Notizen und Aufzeichnungen, Teil 1, H. v. Bismarcks, BA KO, NI. Bismarck, Fe 3018N.) Vgl. Bratianu, S. 25f. Man beachte auch Bismarck an Reuß, Bad Gastein, 8. Sept. 1883, über die Neigung der Türkei, Rumäniens und Englands, "abzuwarten, ob wir·nicht die Geschäfte besorgen u[nd) die Kriege führen, welche zu besorgen u[nd) zu führen jene Staaten ein gleiches, vielleicht ein näheres Interesse haben" (GP, Bd. 3, S. 294). - Auf Geheiß des Reichskanzlers erfolgte die Versetzung Herberts erst Anfang 1884, so daß er zunächst nach London zurückkehrte und gerade mit den englischen Insinuationen konfrontiert wurde, denen er in Rußland entgegenarbeiten wollte (vgl. unten Kap. 1. II., S. 528f). 15 Vgl. H. v. Bismarck an Bismarck, London, 1. Nov. 1883 (H. v. Bismarclc: Privatkorrespondenz, S. 178-184). - Zur englischen Wahlreformbewegung seit 1832 und der allmählichen Ausweitung des Wahlrechts auf die unteren Schichten der Bevölkerung, wodurch 1884 die Zahl der Wahlberechtigten fast verdoppelt und sowohl der Mittelstand als auch die Oberschicht langsam aus ihrer beherrschenden Rolle verdrängt wurden, vgl. die Berichte Münsters an Bismarck, London, 27. Juni u. 1. Juli 1883, die beide dem Kaiser und dem Kronprinzen vorlagen (PA BN, England Nr. 69, Bd. 19). Man beachte auch Kluxen: Problematik, S. 128-132; Niedhart, S. 79-102; BullockJShock, S. 273f; Hobsbawm, S. 122f, u. insgesamt die Studien von Cowling, Hanham und Setzer, hier bes. S. 143-146 u. 202-206. 16 H. v. Bismarck an Bismarck, London, 1. Nov. 1883 (H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz, S. 182). 17 Ebd. Diesen Passus kennzeichnete der Kanzler mit einer Unterstreichung (vgl. das Original in PA BN, England Nr. 69, Bd. 20).

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den Liberalen kokettieren, bis von Stufe zu Stufe der hier geschilderte Fall unvermeidlich kommt!"'18 Sicherlich wollte der Reichskanzler den Monarchen mit dieser in den düstersten Farben gemalten Schilderung des außenpolitischen Niedergangs Englands und dessen angeblich zersetzender Sogkraft auf das übrige monarchische Europa erschrecken. Daß das Entsetzen über die >>englischen Zustände« beim Kaiser gleichsam die Furcht vor einem »deutschen Ministerium Gladstone« unter der Regierung seines Sohnes einschloß und Bismarck vielleicht als eigentlichen Zweck der Vorlage diese Assoziation provozieren wollte, beweist die Marginalie Wilhelrns 1. Sie hob nicht auf die Gegenwart, sondern auf künftige Ereignisse ab, die nach seiner Meinung einem teleologischen Geschichtsverlauf unterworfen waren. Er war so ergriffen, daß er Augusta eine Abschrift des Briefes sandte. Die Kaiserin pflichtete seiner Ansicht uneingeschränkt bei l9 , während der Kronprinz die Kopie kommentarlos an das Auswärtige Amt zUTÜckgab20. Die vermeintlich verheerenden Wirkungen des radikalen Liberalismus in England führte Bismarck auch der deutschen Öffentlichkeit vor. Anonym druckte die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« den Brief Herberts auszugsweise ab. In einer der folgenden Nummern analysierte sie ihn sehr gründlich und unterstrich, daß die Kritik Salisburys an den Liberalen in vielen Einzelheiten auf die deutschen Verhältnisse übertragbar sei. Das Blatt polemisierte außerdem gegen die "fortschrittliche Presse, die jedes Wort aufzunehmen und zu verbreiten pflegt, das hie und da zur Verherrlichung des Parlamentarismus von den Lippen englischer Redner fällt"21, wogegen sie es nun vermieden habe, die Äußerungen Salisburys zu kommentieren, "da sie erdrückenden Vernunftgründen nur hohle Phrasen entgegenstellen"22 könne. Daß sich der Kanzler vor einem Aufgehen der Saat des englischen Liberalismus 10 Marginalie Wilhelms I. v. 11. Nov. 1883 am Bericht H. v. Bismarcks an Bismarck. London. 1. Nov. 1883 (H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz. S. 184. dort Anm. a). 19 Vgl. Wilhelm I. an Augusta (Abschr.). Berlin. 13. u. 18. Nov. 1883 (CStAPK Abt. MER. H.A.. Ni. Wilhelm 1.. Rep. 51 I 509b. Bd. 28). Man beachte auch B. v. Bülowan Hohenlohe-Schillingsfürst. Potsdam. 22. Aug. 1883: "Der Kaiser schüttelt den Kopf zu den Fortschritten des Radi-

kalismus in Frankreich und England". (Rogge. S. 200.) 2D Vgl. H. v. Bismarck an Bismarck. London. 1. Nov. 1883 mit dem Vermerlc "v[on] S[einer] K[aiserlichen] H[oheit] 16. 11. [1883]" (PA BN. England Nr. 69. Bd. 20). 21 Vgl. »NAZ« (Nm. 524 u. 544) mit einem in den Aktf..l nicht vermerkten Datum (Nr. 524) und vom 21. Nov. 1883 (Nr. 544). Darin suchte der Autor anhand der Wahlergebnisse der Berliner Stadtverordnetenwahlen vom 18. Oktober 1883 zu beweisen. daß die Mehmeit der fortschrittlichen Abgeordneten nicht die Majorität des Volkes repräsentiere. weil jenes überwiegend den Wahlen ferngeblieben sei oder gegen die Linksliberalen gestimmt habe. Es sei daher eine Fiktion des englischen und des an dessen Vomild orientierten deutschen liberalismus. daß das Parlament das Volk vertrete. (Ebd.) - Der Artikel geht möglicherweise auf den Vortragenden Rat Lothar Bucher zurück. Ähnliche Ansichten hatte dieser bereits 1855 in der Schrift "Der Parlamentarismus. wie er ist" als Warnung an die Adresse der kontinentalen Monarchien in bezug auf die englischen Vemältnisse geäußert. (Vgl. Enge/berg. Teil 1. S. 646.) 22 »NAZ« v. 21. Nov. 1883 (PA BN. England Nr. 69. Bd. 20).

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fürchtete, wenn ihr in Deutschland Kronprinz Friedrich Wilhelm als Kaiser fruchtbaren Boden bereitete, verrät folgender Satz aus dem Immediatbericht vom Oktober 1883: "Möge Gott unser Vaterland auch ferner vor ähnlichen Ministern wie Gladstone behüten"23. Bei oberflächlicher Betrachtung gleichen die Zeitungstiraden gegen die Linksliberalen in der zweiten Novemberhälfte 1883 einem der üblichen Griffe Bismarcks in das publizistische Waffenarsenal der Regierung. Doch verbarg sich mehr dahinter. Der Gesundheitszustand des Kaisers sorgte wieder für Aufregungen, nachdem er die Anstrengungen bei der Einweihung des Niederwalddenkmals mühelos gemeistert hatte 24. Anfang November 1883 war er im Arbeitszimmer des Babelsberger Schlosses während eines Immediatvortrages an einen Tisch gestoßen und der Länge nach hingefallen. Wilhelm I. verletzte sich schmerzhaft die rechte Schulter, trug aber keine Knochenfraleturen davon. Eine Woche später überkam ihn plötzlich eine Schwäche beim Sonntagsgottesdienst im Berliner Dom. Nur indem ihm der Kronprinz und Prinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen geistesgegenwärtig eine Prise Riechsalz verabreichten, verhinderten sie, daß der Monarch ohnmächtig zu Boden sank. Es gelang ihnen, den Kaiser ohne größeres Aufsehen auf seinen Stuhl zu setzen, der von einer Säule verdeckt wurde. Dafür war Wilhelm I. im nachhinein sehr dankbar, weil "somit nicht alle Zeitungen ihre Zeilen durch Schlaganfall etc. füllen konnten"25. Dem russischen Außenminister Giers, der angeblich privat in Berlin weilte, war der Vorfall freilich nicht entgangen 26. In Friedrichsruh berichtete er Bismarck, mit dem er ein Anleihegeschäft russischer Wertpapiere besprechen wollte, über das schlechte Befinden des Monarchen und eröffnete ihm freimütig die russischen Bedenken bezüglich der Thronbesteigung des Kronprinzen. Zuvor hatte der Kanzler Giers gegenüber seiner Verwunderung über die gewaltigen Truppenmassierungen des Zarenreichs an der gemeinsamen Grenze Ausdruck verliehen und ihn gefragt, ob man in Rußland ernsthaft glaube, daß Deutschland einen militärischen Erstschlag beabsichtige. Der Minister antwortete Bismarck, Rußland befürchte das nicht, solange Kaiser Wilhelm I. regiere. Besteige aber der Kronprinz den Thron, halte er eine andere Ausrichtung der deutschen Außenpolitik wegen des englischen Einflusses auf Vgl. Bismarck an Wilhelm 1., Friedrichsruh, 22. Okt. 1883 (Bismarck: GW, Bd. 6c, S. 283). Vgl. liebe an Jansen, Berlin, 2. Okt. 1883 (StA OL, Bstd. 132-224); Holstein an lda v. Stülpnagel, Berlin, 23. Okt. 1883 (Holstein: Lebensbekenntnis, S. 133), u. AmpthiI1 an Granville, Berlin, 27.0kt. 1883 (Leu. Berl. Emb., S. 301). Man beachte auch oben Kap. C. 1., S. 123f. 2S Wilhelm 1. an Augusta (Absehr.), Berlin, 13. Nov. 1883 (GSIAPK Abt. MER, HA, NI. Wilhelm 1., Rep. 51 I 509b, Bd. 28). Vgl. Friedrich Wilhelm an Victoria, Berlin, 4. Nov. 1883 (Schi. Fasan., NI. Friedrich III.), u. Tgb. Friedrich Wilhelms v. 11. Nov. 1883 (GStAPK Abt. MER, HA, NI. Friedrich III., Rep. 52 F I Nr. 7w). 26 Vgl. Waldersee (Tgb. v. 15. Nov. 1883), S. 231, u. Busch: Tagebuchblätter (Tgb. v. 16. Nov. 1883), Bd. 3, S. 164. 23

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das neue Herrscherpaar für wahrscheinlich 27 . Der Kanzler bestritt, so seine offizielle Version des Gesprächsverlaufs in einem anschließend verfaßten Immediatbericht an Wilhelm I., entschieden die mögliche Umorientierung der deutschen Politik nach dem Thronwechsel. Das Reich und Rußland seien viel zu große Mächte, als daß sie sich von anderen Maximen als dem jeweiligen Staatsinteresse leiten ließen. Persönliche Sympathien und Abneigungen der Monarchen änderten nichts daran 28 . Die dem Kaiser zur Schau gestellte Contenance war nichts als Fassade. Nach den kaum verklungenen Mißtönen wegen der Spanienreise und dem Battenbergischen Heiratsplan bebte Bismarck vor Zorn, wenn er an die nahende Regierung Victorias und Friedrich Wilhelms dachte. In Wirklichkeit hatte er Giers anvertraut, man könne Gott nicht genug anflehen, Wilhelm I. noch ein langes Leben zu schenken. Auf ihn sei Verlaß, und er wünsche ebenso wie der Kaiser, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland zu bewahren. Sterbe der greise Monarch, werde er um den Abschied bitten, denn der Kronprinz bewundere Gladstone, dessen Regierungssystem für die deutschen Verhältnisse denkbar ungeeignet sei. Alles werde in einem Scherbenhaufen enden, und er wolle sein Werk deshalb so gut wie möglich festigen 29 . Denselben Gedankengang wiederholte er in Gegenwart Moritz Buschs kurz nach der Abreise Giers'. Die Kronprinzessin bezichtigte er Mitte November 1883, eine "'liberale Engländerin"'30 und eine 27 Bismarck an Wilhelm 1., Friedrichsruh, 16. Nov. 1883 (GP, Bd. 3, S. 302). Ähnlich Waldersee (Tgb. v. 20. Sept. 1886), S. 297f: "Es ist ein in der ganzen Welt verbreiteter Gedanke, daß die Friedensbürgschaft für uns jetzt allein in der Person unseres Kaisers liege; mit seinem Tod würde auch Kaiser Alexander sich weniger geniert fühlen, namentlich weil ihm die englischen Sympathien des Kronprinzen bekannt sind". 28 Vgl. Bismarck an Wilhelm 1., Friedrichsruh, 16. Nov. 1883 (GP, Bd. 3, S. 303), u. Corti: leben, S. 155f. - Den Argwohn gegenüber dem deutschen Kronprinzen streifte der Zar zeitlebens nie ab. Dem deutschen Botschafter in Petersburg erklärte er, daß, solange der Monarch lebe, kein Krieg entfesselt werde. Als Schweinitz die ehrlichen Absichten des Thronfolgers hervorhob, antwortete Alexander rn., das sei ihm bekannt, aber er mißtraue den starlcen Einflüssen, die sich nach dem Thronwechsel geltend machen würden. (Vgl. Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 9. Dez. 1886, GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Friedrich rn., Rep. 52 F I Nr. 7z.) Das war eine unverkennbare Anspielung auf Kronprinzessin Victoria und ihre Beziehung zum englischen Hof. - Kurz nach dem Ableben Kaiser Friedrichs sagte der Zar zu Herbert von Bismarck: "'J'ai deja depuis quelque temps eu l'impression, que le pauvre Empereur Frederic pour lequel j'avais la plus grande aruitie, n'a ete qu'un instrument sans volonre dans les mains de sa femme"'. Der Kanzlersohn überlieferte auch eine Äußerung Prinz Wilhelms: "Meine Muuer bleibt immer Engländerin, und ich bin Preuße, wie sollen wir da kongruieren?" (Aufz. H. v. Bismarcks an Bord der Hohenzollem, 25. Juli 1888, GP, Bd. 6, S. 328 u. 329.) 29 Vgl. Giers an Blangali, Montreux, 7./19. Nov. 1883 (Fester, S. 87f). 30 Busch: TagebuchblätteT (Tgb. v. 16. Nov. 1883), Bd. 3, S. 164. Weiterhin sagte Bismarck zu Busch: "'Giers hat den Kaiser recht hinfällig gefunden, und vielleicht dauerts mit ihm nicht mehr lange. Wenn er tot ist, gehe ich auch. [... ] Mit dem Kronprinzen mache ich aber keine Experimente, dazu bin ich zu alt und schwach. Es wird dann nicht gut werden, und ich bin überhaupt der Überzeugung, daß dann das, was wir seit sechsundsechzig geschaffen haben, keinen Bestand hat"'.

(Ebd.)

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"'Anhängerin Gladstones"'31 zu sein und mehr Einfluß auf Friedrich Wilhelm auszuüben, als förderlich sei. Wie sehr der Alpdruck eines »deutschen Ministeriums Gladstone«, mit Hang zur parlamentarisch kontrollierten Monarchie nach englischem Vorbild und von einer starken linksliberalen Fraktion im Reichstag gestützt, auf dem Kanzler lastete, erhellt ein Schreiben Kuno zu Rantzaus, das am 24. November 1883 im Auswärtigen Amt einging. Darin resümierte der Schwiegersohn Bismarcks das Ergebnis der Friedrichsruher Besprechungen. Beide Staatsmänner hätten darin übereingestimmt, daß die Drei-Kaiser-Mächte in geschlossener Front die Gefahren bekämpfen müßten, die aus der Propaganda der französischen Republik und aus der "zunehmenden Gravitation der Englischen Zustände in der Richtung republikanischer Institutionen für die monarchischen Einrichtungen"32 erwüchsen. Die Furcht Bismarcks vor dem Ableben des Kaisers war begründet, da jähe Krankheitsanfälle und Phasen der Erholung im November und Dezember in rascher Folge wechselten. Von der Unpäßlichkeit Mitte November genas Wilhelm I. erstaunlich schnell, so daß er in der letzten Woche des Monats an einer Jagd in Letzlingen teilnahm, wo er in scheinbar vollster Rüstigkeit 50 Stück Wild schoß. Während der Heimfahrt wurde er in der Kutsche von einem "ohnmachtartigen Unwohlsein"33 heimgesucht, das Unruhe in seiner Umgebung auslöste, weil die Ärzte kaum noch den Puls gefühlt hatten. Auch diese Attacke überwand er wie im Auge 34 , doch beschlich Waldersee eine bange Ahnung, als er über die kommende Herrschaft des Kronprinzen grübelte. Ähnlich wie Bismarck erblickte er in der Persönlichkeit des greisen Monarchen, keineswegs also in einem quasi entpersonalisierten Staatsinteresse oder in festgefügten Strukturen, die der Kanzler in dem Gespräch mit Giers als einzige maßgebliche Faktoren vorgeschützt hatte, die Zukunftsgarantie. Auch Alfred von Waldersee bat am 25. November 1883, "Gott möge ihn [d. h. Wilhelm 1.] 31

Ebd.

Rantzau an AA (Konz.), Friedrichsruh, 23. Nov. 1883 (PA BN, Deutschland Nr. 129 Geheim, Bd.7). 33 Baur-Breitenfeld an Minnacht, Berlin, 27. Nov. 1883 (HStA S, E 73 Verz. 61, Fasz. 126, provisor. Nr. D 124). Vgl. Tgb. Waldersees v. 23. Nov. 1883 (GStAPK Abt. MER, NI. Waldersee, Rep. 92 A I Nr. 12). Man beachte auch Wilhelm I. an Augusta (Abschr.), Berlin, 25. Nov. 1883, daß ihm "das Blut nach dem Kopf jagte, so daß ich ganz matt ankam" (ebd., H.A., NI. Wilhelm 1., Rep. 51 509b, Bd. 28). Siehe ferner Lerchenfeld-Koefering an Ludwig II., Berlin, 27. Nov. 1883 (HStA M, Abt. II MA III, Nr. 2661). Vgl. Wilhelm I. an seine Schwester AIexandrine, Berlin, 27. Nov. 1883: "Da ich nicht so gut wie mein Finanmrinister mit Einnahme und Ausgabe balanzierte und let:ttere durch erstere stopfte, bekam ich etwas Drang des Blutes nach dem Kopfe, was aber ganz überwunden ist". (Wilhelm 1.: Briefe, S. 208.) 34 Vgl. Victoria an Friedrich Wilhelm, Berlin, 4. Dez. 1883 (SchI. Fasan., NI. Friedrich III.). Man beachte auch Victoria an Friedrich Wilhelm, Wiesbaden, 27. Nov. 1883: Sie habe Wilhelm I. nach der Rückkehr aus Wiesbaden etwas vergeBlich, im ganzen aber wieder "wohl und munter" vorgefunden. (Ebd.) 32

11 Riehl

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C.1rn Schatten des nahenden Thronwechsels 1857 bis 1883

uns noch recht lange erhalten!"35 Er war fest davon überzeugt, daß sich der künftige Kaiser mit derart extremen liberalen Anschauungen, wie sie der jetzige Kronprinz besitze, schnell sein eigenes Grab schaufele. Er orakelte: "Was für einen Umsturz zöge ein solcher Fall nach sich"36. Kaum eine Woche war verstrichen, als die »Deutsche Fortschrittspartei« zu einem Schlag gegen die preußische Verfassung ausholte, der bei der Reform des Wahlrechts anhakte, wie sie auch in England, wenn auch in vergleichsweise radikalerer Form, stufenweise von William Gladstone verwirklicht wurde. Wäre dieser Vorstoß von Erfolg gekrönt gewesen, wäre dem deutschen Linksliberalismus ein entscheidender Schritt in Richtung der von Bismarck gefürchteten Demokratisierung gelungen. Damit hätte er der englischen »Ballot Act« von 1872 in ihren Grundzügen nachgeeifert. Der Abgeordnete Stern, Hospitant der fortschrittlichen Fraktion im preußischen Abgeordnetenhaus, brachte am 29. November 1883 in der Petitionskommission den Antrag ein, die in Preußen seit 1849 bestehende offene Stimmabgabe zur Wahl des Landtages und der Kommunalvertretungen in eine geheime umzuwandeln 37. Seit Jahrzehnten gewährte das öffentliche Dreiklassenwahlrecht der Regierung einen genauen Einblick in das Wahlverhalten der Bevölkerung und insbesondere in das ihrer Beamtenschaft Es bildete ein äußerst wertvolles und wohl kaum gleichwertig zu substituierendes Element des Herrschaftsinstrumentariums des preußischen Königs und dessen Ministerpräsidenten. In vielen Fällen massiven Zwangs wurden die Beamten genötigt, für einen der Obrigkeit genehmen Kandidaten zu stimmen, indem man ihnen mit Strafversetzung, Verweigerung von Beförderung und Gratifikationen sowie anderen Repressalien drohte 38. In der 35 Waldersee (Tgb. v. 25. Nov. 1883), S. 233. Nachdenklich hatte Holstein im Oktober geschrieben: "Mit dem Kaiser geht es gut, obschon da die Sache mal plötzlich aus sein kann" (Holstein an Ida v. Stülpnagel, Berlin, 23. Okt. 1883, Holstein: Lebensbekenntnis, S. 133). 36 WaJdersee (Tgb. v. 25. Nov. 1883), S. 233. Vgl. zusammenfassend Liebe an Jansen, BerJin, 17. Dez. 1883, über die Jagdsession im Winter: "Nach einer der letzten Jagden hane der Kaiser einen kleinen Anfall von Unwohlsein gehabt. Weil dergleichen immer mit großer Secretion behandelt wird, fehlt es nicht an allerlei Übertreibungen und ängstlichen Gerüchten, die indeß nicht begründet gewesen sein können, da es sich offenbar nur um ein vorübergehendes Unwohlsein gehandelt hat". (StA OL, Bstd. 132-244.) Mine Dezember war der Kaiser aber wieder kränklich (vgl. unten S. 173, dort Anm. 85 dieses Kapitels). 37 Vgl. »Antrag Stern« v. 29. Nov. 1883 (SB All, AnIagenband, Nr. 18 der Drucksachen, S. 454). Man beachte auch Klu:u,,: Problematik, S. 129: "Der empfindlichste Schlag gegen die Abhängigkeit der Wahlberechtigten, die insbesonders auf dem Lande immer noch ärgemiserregende Formen der Beeinflussung oder Nötigung annahm, gelang mit der »Ballot Act« von 1872, die das geheime Wahlverfahren einführte und wenigstens den offenen Wahlpressionen entgegenwirlcte". 38 Vgl. Puttkafl1l!r, S. 155f, zum »Antrag Stern«. Man beachte auch H. MiiJler: Punkamer, S. 358-361; Huber: Verfassungsgeschichte, S. 87f, u. Puttkafl1l!r, S. 152f, zum DreikJassenwahlrecht und den Wahlbeeinflussungen von den fünfziger bis in die achtziger Jahre: Bereits im Frühjahr 1881 hatte sich das Plenum des Abgeordnetenhauses mit der Wahlrechtsfrage beschäftigL Eine Aussprache war damals mit schwacher Mehrheit abgelehnt worden. Genau zwei Jahre später ge-

IV. Die »Gravitation« Englands und Bisrnarcks Zukunftspessimismus Ende 1883

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Sitzung des Staatsministeriums vom 4. Dezember 1883 votierte Innenminister Puttkamer für die beharrliche Ignorierung der kommenden Landtagsdebatte seitens der Regierung, auch dann, falls das Plenum dem Antrag folgen sollte. Jedoch beugte er sich dem Willen Bismarcks, der ihn von Friedrichsruh aus schriftlich instruiert hatte, den von der Fortschrittspartei hingeworfenen Fehdehandschuh aufzunehmen. "Aggressiv und mit Energie"39 sollte Puttkamer dem Sternschen Antrag die Stirn bieten. Der Kanzler beschuldigte die Linksliberalen, sie verhetzten die Bevölkerung und erzögen sie mit der Einführung der geheimen Abstimmung zur "polit[ischen] Feigheit und Verlogenheit"40. Das geheime Wahlrecht wirke demoralisierend auf den Nationalcharakter und untergrabe die sittlichen Grundlagen des Volkes. Wem der Mut fehle, seiner Überzeugung öffentlich Ausdruck zu verleihen, dürfe keine Meinung besitzen. Bismarck verglich die Politik der »Deutschen Fortschrittspartei« mit der "Tendenz der im Dunkeln arbeitenden Umsturzparteien, ihre Taten und Umtriebe zu verheimlichen und zu verschleiern"41. Im Gegenzug erwog er die Abschaffung des geheimen Reichstagswahlrechts. Diese Drohung lancierte er als eine Art Damoklesschwert für die gegnerischen Parteien in die Presse, damit sie sich permanent unter dem bedrohlichen Eindruck einer eventuellen Stimmrechtsänderung befänden. Ernsthaft dachte Bismarck keineswegs an ein solches staatsstreichähnliches Vorgehen, da dies im Lande ein preußischer Alleingang gewesen wäre und der Billigung der übrigen Bundesstaaten bedurft hätte. Vielmehr betrachtete er es als verbale Pression gegen den Linksliberalismus und gleichzeitig als Mittel der Beschwichtigung, um die hochgehenden Wogen der Erregung in der Öffentlichkeit und vor allem in den beiden konservativen Parteien, die auf eine energische Reaktion der Staatsregierung warteten, zu glätten 42, Die Debatte um den »Antrag Stern« stand bereits im Schatten der Reichstagswahlen des Jahres 1884 und sollte enthüllen, in welche Höhen sich die Erbitterung des Reichskanzlers über die republikanischen Tendenzen mittlerweile langte die Frage in die Petitionskommission des Abgeordnetenhauses und stand nun im Dezember 1883 erneut auf der Tagesordnung. 39 Bisrnarck an Puttkamer, Friedrichsruh, 3. Dez. 1883 (Bismarck: GW, Bd. 6c, S. 288). Vgl. die Sitzung des Staatsministeriums (Absehr.), Berlin, 4. Dez. 1883 (BA KO, NI. Boetticher, Nr. 36). 40 Bisrnarck an Puttkamer, Friedrichsruh, 3. Dez. 1883 (Bismarck: GW, Bd. 6c, S. 288). 41 Ebd.

42 Vgl. PuttIcamer, S. 150-160. Man beachte auch Marschall von Bieberstein an Turban, Berlin, 22. Dez. 1883 [»NAZ« v. 20. Dez. 1883] (GLA KA, Staatsministerium, Nr. 233-12928); Schultheß (20. Dez. 1883), S. 17lf, u. Rantzau an Rottenburg, Friedrichsruh, 14. Dez. 1883 (BA KO, NI. Rot-

tenburg, NT. 5). Den wahren Grund des Sternsehen Antrags erblickte die »Post«, die des öfteren von Bisrnarck inspiriene Anikel druckte, in der "Beherrschung der Geister mittels kirchlichen Zwangs" und in der "Aufreizung der Hab- und Selbstsucht" (»Post« v. 7. Dez. 1883), was eine Anspielung auf die Sonderinteressen des »Zentrums« und der »Deutschen Fottschrittspattei« war (GStAPK Abt. MER, 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinett, Nr. 604). Siehe ferner Bisrnarck an Punkamer (Konz.), [Friedrichsruh], [20. Dez. 1883] (Bismarck: Ialuhunden-Ausgabe, S. 63-65).

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C. Im Schauen des nahenden Thronwechsels 1857 bis 1883

aufgeschwungen hatte43 . Der badische Gesandte in Berlin, Marschall von Bieberstein, fürchtete, daß die Oppositionsparteien gestärkt aus dem Schlagabtausch hervorgehen und sich eine gute Ausgangsbasis für die Wahlen erobern würden44 . Im preußischen Abgeordnetenhaus stieß Eugen Richter zu diesem eigentlichen Kernpunkt der Auseinandersetzung vor, indem er den Konservativen siegesbewußt erklärte, sie sähen die "Fanale der Liberalen für die nächsten Wahlen brennen"45 und hätten Angst bekommen, weil sie schon viel zu hoch loderten. Ganz im Sinne Bismarcks sprach Innenminister Puttkamer in der hitzig geführten Debatte von der "Verhetzung und Verleumdung anderer Parteien und insbesondere der Regierung"46 durch die Fortschrittler, woraus "Heuchelei und Unselbständigkeit"47 des Volkes resultierten. In direkter Gegenrede beschuldigte Virchow die Regierung, sie habe bei den letzten Berliner Kommunalwahlen in einigen Stimmbezirken die Staatsbeamten gezwungen, sozialdemokratisch zu wählen, um den Liberalen zu schaden. Im übrigen bekannte er sich bedingungslos zu den Prinzipien des monarchischen Staates 48 . Den Vorwurf der Wahlbeeinflussung wies Puttkamer zurück, ebenso wie das später die offiziöse Presse tat 49 . Das Loyalitätsbekenntnis Rudolf Virchows zur Monarchie reizte ihn so sehr, daß er ohne Umschweife offenbarte, er halte die »Deutsche Fortschrittspartei« für die 43 Vgl. Marschall von Bieberstein an Turban, Berlin, 6. Dez. 1883, über Bismarcks angebliches Vorhaben, den Sternschen Antrag mit der Abschaffung des geheimen Reichstagsstimmrechts zu kontern: "Ich halte denselben für einen jener momentanen Eingebungen, welche wiederum beweisen, bis zu welchem Grade die Antipathie des Kanzlers gegen den Parlamentarismus und speziell gegen seine eigene Schöpfung, den Reichstag, bereits gesteigert ist". (GLA KA, Staatsministerium, Nr.233-12928.) 44 Ebd. Vgl. »Nat.-Ztg.« v. 5. Dez. 1883: Die Zusammenkunft des Wahlvereins der »Deutschen Fortschrittspartei« im zweiten Berliner Reichstagswahlkreis, um über dessen Neuorganisation zu beraten, deute darauf hin, daß man schon an die kommenden Wahlen im Jahre 1884 denke (GStAPK Abt. MER, 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinett, Nr. 604). 45 Richter am 14. Dez. 1883 (SB AR, S. 453). 46 Punkamer am 5. Dez. 1883 (ebd., S. 194). 47 Puttkamer am 5. Dez. 1883 (ebd., S. 195). 48 Vgl. Virchow am 5. Dez. 1883 (ebd., S. 201). Die »NAZ« vom 9. Dezember 1883 nannte diese Rede eine "Beleidigung unserer Nation" (BA KO, Reichskanzlei R 43F/685). 49 Vgl. Punkamer im preuß. Staatsministerium am 13. Dez. 1883: Viele Beamte hätten liberal gestimmt, seien deshalb aber nicht benachteiligt worden. Eine andere Frage sei es, "ob die Staatsregierung verpflichtet, ja berechtigt sei, einen Beamten zur Beförderung und Auszeichnung vorzuschlagen, der sich einer Agitation und notorischen StellWignahme gegen die Staatsregierung schuldig mache". (BA KO, NI. Boenicher, Nr. 36.) Man beachte auch Szechenyi an KaInoky, Berlin, 20. Dez. 1883, zur »Provinz.-Corr.« v. 19. Dez. 1883 (HHStA W, Botschaftsarchiv Berlin, Nr. 148). Ausführlich zur konservativen Säuberungswelle, von der die liberale Beamtenschaft in der »Ära Punkamer« stark demruert wurde, vgl. Kehr, S. 64-86. Dagegen AndersonJBarhn, S. 452-498, besonders pointiert S. 455, daß die Entfernung liberal denkender Beamter in Zusammenhang mit Fragen des Kulturkampfes "von den Liberalen nicht nur gutgeheißen, sondern sogar gefordert worden

war".

IV. Die »Gravitation« Englands und Bismarcks Zukunftspessimismus Ende 1883

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"verhängnißvolle Partei im Lande [... ), für diejenige Partei, deren Bestrebungen in ihren Konsequenzen allerdings auf eine allmähliche Auflösung und ZerbIÖCkelung des monarchischen Grundcharakters unseres Staates mit Nothwendigkeit hinführen müssen [... ). Was erstreben Sie denn? Die d'arlamentarische Regierung, hier im Hause, in der Presse und in ihren Versammlungen"5 .

Auch der Sprecher der Nationalliberalen, der StaatsrechtIehrer Rudolf Gneist, warnte vor der Einführung englischer Verfassungsprinzipien in Deutschland und erinnerte an die jüngsten Ereignisse in Irland, wo ein "großes blühendes Städteleben unter dem allgemeinen, gleichen geheimen Stimmrecht"51 dem "allerschmachvollste[n] Ausbeutungssystem"52 zum Opfer gefallen sei. Die Linksliberalen schoben vielmehr dem »System Bismarck« die Schuld für die in der Bevölkerung verblassende Treue zur Monarchie zu. Dlr Abgeordneter Albert Hänel forderte - auf die fehlende parlamentarische Ministerverantwortlichkeit in Preußen und im Reich anspielend -, das Staatsministerium müsse sich endlich auf eine solide Mehrheit im Abgeordnetenhaus berufen, um das Königtum wieder zu konsolidieren 53 . Puttkamers Behauptung, die Fortschrittler wiegelten das Volk auf, bestritt Heinrich Rickert, indem er, unterstützt von Eugen Richter, die Autorität des Kronprinzen ins Feld führte. Der Thronfolger habe in einer Sitzung der» Viktoria-National-Invalidenstiftung« im Jahre 1881 die Antisemitismus-Kampagne der konservativen Parteien als eine Schmach für Deutschland bezeichnet, das heißt, eine "zur Befriedigung der niedrigsten Leidenschaften dienende Hetze gegen die Juden"54. Außerdem habe er eingestanden, sich bei seinem Auslandsaufenthalt in Italien dafür »coram publico« geschämt zu haben. Eugen Richter sprang für Rickert sofort in die Bresche, als in den Reihen der Rechten vehementer Protest laut wurde. Er bestätigte, ihm seien die Worte des Kronprinzen von Baron Meyer Magnus, dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Berlin, verbürgt worden. Rudolf Lindau, der Pressereferent des Auswärtigen Amtes, hatte seinerseits dem Reichskanzler diese kritischen Bemerkungen Friedrich Wilhelms über den rüden konservativen Antisemitismus im Oktober 1881 zukommen lassen 55 . Wie dankbar die jüdischen so Puttkamer am 5. Dez. 1883 (SB All, S. 207).

Gneist am 5. Dez. 1883 (ebd., S. 217). Ebd. 53 Vgl. Hänel am 5. Dez. 1883 (ebd., S. 220). 54 Rickert am 5. Dez. 1883 (ebd., S. 229). ss Vgl. Rickert u. Richter am 5. Dez. 1883 (ebd., S. 229 bzw. 256). Nach Massing, S. 57, u. Wo/be, S. 225, sagte der Kronprinz zu dem nationalliberalen Politiker Georg von Bunsen, die antisemitische Kampagne des Hofpredigers Stöcker sei eine "'Schmach für die Nation .... Nach anderer Überlieferung sprach er von der "'Schmach des Jahrhunderts .... Ähnlich bei LeIlY, S. 136. In indirekter Rede ist die Äußerung des Kronprinzen bei E. Richter, Bd. 2, S. 182, überliefert. Man beachte auch Enge/berg, Tei12, S. 334f, u. Rodd: Friedrich III., S. 145. - Siehe ferner Queen Victoria an Kronprinzessin Victoria, Osbome, 22. Jan. 1881: "I so greatly admire dear Fritz' speech about the poor, iIItreated Jews". (Victoria: Beloved Mama, S. 95.) Die Kronprinzessin antwortete ihrer SI

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C. Im Schatten des nahenden ThTOnwechseis 1857 bis 1883

Mitbürger dem Thronfolger für seine schützend über sie gebreitete Hand waren, beweist die Tatsache, daß noch viele Jahre später im Heim des Hamburger Bankiers Moritz Warburg ein Bild Friedrich Wilhelms hing, worunter sich der schriftliche Zusatz befand: "'Der Antisemitismus ist die Schmach des Jahrhunderts'" 56. Die unterschwellige Hoffnung auf den Thronwechsel bzw. die Furcht vor diesem in den konservativen Fraktionen des Abgeordnetenhauses leuchtete an diesem Punkt der Debatte für einen kurzen Moment auf. Die Linksliberalen spannten nicht nur ein Mitglied des kaiserlichen Hauses für ihre politische Propaganda ein, das sich gegen die von Bismarck geförderte antisemitische Agitation gewendet hatte, sondern sie versuchten verzweifelt, sich mit der Person des Kronprinzen einer perfiden Wahl taktik der regierungsnahen Parteien zu erwehren. Denn der "Angriff gegen die Juden"57, schrieb Ludwig Bamberger einmal in Entgegnung auf eine Polemik Heinrich von Treitschkes, sei "nur eine Diversion im heutigen großen Feldzuge gegen den Liberalismus" 58. Da die Einbeziehung des Thronerben in die Öffentlichkeit parlamentarischen Bräuchen zuwiderlief, quittierten die rechten Parteien die Äußerungen Richters und Rikkerts mit erregten Zwischenrufen 59 . Der konservative Abgeordnete Cremer Mutter am 25. Januar 1881. [0. 0.), daß sie ihre Abneigung gegen die Judenhetze teile. Sie bedauerte: "1n the royal family we stand quite alone with our opinion [... ) and in what is called society"'. (Zit. nach Sinclair. S. 186 u. 260, dort Anrn. 23.) Vgl. Van der Kiste, S. 183f. - Man beachte auch Wehler: Imperialismus, S. 472f, u. Snyder: Resolution, S. 44, daß der Kanzler - im Gegensatz zu seinen Söhnen - kein Antisemit war, sich die konservative Judenfeindlichkeit aber für Wahlzwecke dienstbar machte. Siehe ferner als Kontrast zu den kTOnprinzlichen Äußerungen den Brief Herbert von Bismarcks an Scheel-Plessen (Absehr.), Varnn, 4. Nov. 1881, in bezug auf die Reichstagswahlen des gleichen Jahres: "Leider sind die Wahlen im Allgemeinen schlechter geworden, als die letzten: hauptsächlich ist das der jüdischen Rührigkeit u[nd) dem jüdischen Gelde zu711schreiben, jeder Jude hat nach allgemein geübtem Zwang an der Wahlurne erscheinen u[nd) vor allem gegen Conservative stimmen müssen. Selbst ausländische Juden haben gegen die Regierung gewirkt! Da711 kamen noch die furchtbaren Lügen der Fortschrittler über angebliche »Reaction« und über Tabakmonopol". (BiAr FRH, Bstd. D 35.) Siehe ferner insgesamt die Studie Fritz Sterns über das Verhältnis Bismarcks 7ll seinem jüdischen Bankier Gerson von Bleichröder, dort bes. S. 700-732. "Hinter Bismarcks moralischer Unbekümmertheit [gegenüber dem aufkeimenden Antisemitismus im Kaiserreich seit Ende der siebziger Jahre) steckte ein komplizierter Opportunismus" (ebd., S. 727). - Vgl. Kaeh/er: Stöcker, S. 197-200; Massing, S. 21-51; Weh/er: Imperialismus, S. 471; Levy, S. 20-38; Greive, S. 58-72, u. insgesamt den von Boehlich herausgegebenen Quellenband (Der Berliner Antisemitismusstreit) zu den vehementen Auseinandersetrungen in Parteien und Öffentlichkeit sowie den damit verbundenen Wahlkampfinteressen Bismarcks Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre. 56 Zit. nach Stolberg-Wernigerode: Generation, S. 98. 57 Bamberger: Deutschthum, S. 158. 58 Ebd. VgL E. Richter, Bd. 2, S. 182f. 59 VgL die Rufe von rechts: "Wo hat er das gesagt? Ist nicht wahr! Ist nicht gesagt! [... ) Unterbrechung rechts". (SB AH, S. 229.) Man beachte auch Wilhelml.!Bismarck, S. 309, zum Unbehagen des Kaisers, daß mit dem »Hohen Erlaß« vom 4. Januar 1882 seine Person in parlamentarische Streitereien verquickt wurde. Siehe ferner die Bemerkungen Schorlemer-Alsts unten im Text.

IV. Die »Gravitation« Englands und Bismarcks Zukunftspessimismus Ende 1883

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konterte den Liberalen, indem er auf die Gefahren hinwies, die heraufzögen, "wenn - was Gott verhüten wolle - Herr Rickert einmal Minister würde"60. Ungesagt, aber allen Anwesenden sicherlich bewußt, war, daß das nur unter der Ägide des Thronerben eines nicht femen Tages der Fall sein könnte. Cremer betonte, es sei unmöglich, mit dem englischen Regierungssystem in Deutschland zu bestehen. "Und wenn Sie dann beständig auf England hinweisen", fügte er, in Paraphrase einer Landtagsrede Bismarcks vom September 1849 an die Adresse der» Kronprinzenpartei« gewandt, hinzu, "ja, dann bitte ich, schaffen Sie uns auch englische Zustände, schaffen Sie uns die Insel, auf der wir von den Invasionen der übrigen Länder unbehelligt leben können, schaffen Sie uns eine 600jährige parlamentarische Erfahrung, schaffen Sie vor allem eine englische Aristokratie (aha! links), die das feste Bindemittel ist zwischen Volk und Krone, weil sie als politische und nicht bloß als soziale und parlamentarische Institution da stehL Dann werden wir auch in der Lage sein, uns nach englischen Mustern regieren zu lassen,061.

Die Debatte über den »Antrag Stern«, den das Abgeordnetenhaus schließlich ablehnte, entflammte erneut am 14. Dezember 1883, als Heinrich Rickert im Abgeordnetenhaus wiederum das Thema der Wahlbeeinflussungen berührte62. Cremer am 5. Dez. 1883 (SB All, S. 239). Ebd. Vgl.. aus moderner Sicht· Langewiesclu!: Kaiserreich, S. 638, zu den unterschiedlichen Rahmenbedingungen für eine Parlamentarisierung in England wd Deutschland. . Bismarck hatte am 24. September 1849 in der zweiten preußischen Abgeordnetenkammer erklärt: "Die Berufungen auf England sind wser Unglück; geben Sie uns alles Englische, was wir nicht haben, geben Sie uns englische Gottesfurcht und englische Achtung vor dem Gesetze, die gesammJe englische Verfassung, aber auch die gesammten Verhältnisse des englischen GT\Dldbesitzes, englischen Reichthum und englischen Gemeinsinn, besonders aber ein englisches Unterhaus, kurz und gut Alles, was wir nicht haben, dann will ich auch sagen, Sie können ws nach englischer Weise regieren. Aber aus dieser Möglichkeit würde ich noch immer keine VerPflichtung für die preußische Krone entnehmen, sich in die machtlose Stellwg drängen zu lassen, welche die englische Krone einnimmt, die mehr als ein zierlicher Kuppelschmuck des Staatsgebäudes erscheint, während ich in der unsrigen den tragenden Mittelpfeiler desselben erkenne". (BismIJTck: Reden, S. 125f, Hervorh. im Orig.) Man beachte auch oben Kap. C. I., S. I 12f. 62 Vgl. Punkamer an Bismarck, Berlin, 6. Dez. 1883: "Der Antrag ist mit recht erheblicher Majorität abgelehnt. Für den hauptsächlichen Gewinn, welchen die Regierung aus der Discussion gewgen, erachte ich die Mißhandlung, welche Richter den Nationalliberalen angedeihen ließ, wd die überaus gereizte Stimmwg, in welche er sie dadurch versetzt hat". (BA KO, Reichskanzlei R 43F/685.) Der Innenminister hatte sich mit seinen Bemerkungen bezüglich der Wahlbeeinflusswgen seitens der preußischen Regierung wd der eventuellen StimmrechtsändeT\Dlg bei den Reichstagswahlen auf äußerst glattes Parkett begeben wd nur mäßigen Beifall in konservativen Kreisen gefunden. Überdies hatte er den Unwillen Bismarcks erweckt, der das Anliegen der linksliberalen nicht in das Bewußtsein der Öffentlichkeit vertieft wd schnell vergessen wissen wollte, obwohl er Punkamer anfangs die schroffe Gegenwehr empfohlen hatte. Er schimpfte lautstark über den Minister, über den er sich bereits im Frühjahr geärgert hatte, und drohte, nach Berlin zu kommen, um die Angelegenheit persönlich zu bereinigen. Wörtlich hatte Bismarck von der "Hosenkackerei und Unselbständigkeit Punkamers" gesprochen. (Vgl. Rantzau an Rottenburg, Friedrichsruh, 13. Dez. 1883, BA KO, NI. Rottenburg, Nr. 5.) Die »NAZ« schwächte ab: "Regierungsfeindliche Wahlen, 60

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C. Im Schatten des nahenden Thronwechsels 1857 bis 1883

Ständig von den Konservativen gestört, kritisierte er die Manipulationen der Regierung, verteidigte den »Antrag Stern« und bekannte sich ausdrücklich zum monarchischen Prinzip. Scharf attackierte daraufhin Puttkamer die Linksliberalen und behauptete, sie wollten in Wahrheit auf parlamentarische Bahnen lenken63 . Am Ende der Sitzung machte der »Zentrum«-Abgeordnete Schorlemer-Alst, dem Bismarck im Jahre 1882 seine Bedenken bezüglich des Thronwechsels anvertraut hatte64, folgende, ungewöhnlich freimütige Ausführungen: "Es ist mir aufgefallen, daß, während Sie (links) immer der Rechten und der Regierung dahin Vorwürfe machen, daß sie sich gewissermaßen hinter dem Schild des Kaisers dekken, wir gleichzeitig hören, daß Sie selber sich in den Iuonprinzlichen Mantel verstecken, und Sie müssen damit den Eindruck im Lande hervorrufen, als wollten Sie den Kronprinzen gegen den Kaiser ausspielen. (Unruhe.) Ich halte das eine und das andere für gleich verwerflich und verkehrt. (Sehr gut!)'>65

In einer persönlichen Erklärung leugnete Rickert, vom Kronprinzen gesprochen oder früher irgend etwas getan zu haben, was die Anschuldigung berechtige66 . Zweifellos hatte Schorlemer-Alst mit dem Vorwurf der linksliberalen Inanspruchnahme des Thronfolgers einen empfmdlichen Nerv der Zeit bloßgelegt, nämlich die Erwartung einer freisinnigen Wende nach dem Tode des Kaisers. Ludwig Windthorst, der Führer der »Zentrum«-Fraktion, prophezeite denn auch den Abgeordneten die Demokratisierung der Reichsverfassung binnen kurzer Frist: "Ehe zehn Jahre ins Land gehen, haben Sie das parlamentarische System in voller Blüthe"67. Der Kronprinz, den die Liberalen in Deutschland als ihren Hoffnungsträger apostrophierten, hatte jedoch während der Spanien- und Italienfahrt die Erauch wenn ihrer mehrere aufeinander folgen, sind für die Zukunft des Deutschen Reiches nicht so bedenklich, wie schädliche fundamentale Einrichtungen des VerfasslDlgslebens. Ob zu letzteren die heimliche Wahl gehört, ist eine Frage, die wir hier und heute nicht zu entscheiden haben, die aber doch von der Tagesordnung schwerlich wieder verschwinden wird". (»NAZ« v. 20. Dez. 1883, BA KO, Reichskanzlei, R 43F/685.) Man beachte auch Lucius von Ballhausen (Tgb. v. 13. Feb. u. 10. Dez. 1883), S. 250f u. 275; Szichenyi an KaInoky, Berlin, 26. Mai 1883 (HHStA W, PA III, Nr. 124); Rantzau an AA, Friedrichsruh, (Teleg.), 13. Dez. 1883 (BA KO, Reichskanzlei, R 43F/685); Puttkamer an Bismarck, Berlin, 18. Dez. 1883 (ebd.); Rantzau an Rottenburg (Abschr.), Friedrichsruh, 14. Dez. 1883 (ebd., NI. Bismarck, FC 2977N); Baur-Breitenfeld an Minnacht, Berlin, 18. Dez. 1883 (HStA S, E 73 Yen. 61, Fasz. 126, provisor. Nr. D 124), u. Bismarck an Puttkamer (KOIIZ.), [Friedrichsruh, 20. Dez. 1883) (BismlJrck: JahrhlDldert-Ausgabe, S. 63-65). 61 Vgl. Riclcert u. Puttkamer am 14. Dezember (SB AH, S. 429-437). 64 Vgl. Holstein: Papiere (Tgb. v. 22. Feb. 1882), Bd. 2, S. 8. 65 Schorlemer-Alst am 14. Dez. 1883 (SB AH, S. 447, Hervorh. im Orig.). Vgl. Wilhelm I. an Carl Alexander v. Sachsen-Weimar-Eisenach (Abschr.), Berlin, 27. Mai 1884: Er hoffe, sein Sohn sei durch diese Worte darauf aufmerksam geworden, was die Linksliberalen einst VOll ihm erhofften. (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhelm 1., Rep. 51 1588 u l LiL S Nr. I, Bd. 10.) 66 Vgl. Riclcert am 14. Dez. 1883 (SB AH, S. 461). 61 Windthorst am 5. Dez. 1883 (ebd., S. 246, Hervorh. im Orig.).

IV. Die »Gravitation« Englands und Bismarcks Zukunftspessimismus Ende 1883

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wartungen seiner Freunde und Feinde nicht erfüllt. Im persönlichen Umgang mit der Presse ließ er den notwendigen Takt missen. Sein Hofmarschall Karl von Normann verriet zu allem Überfluß die überraschende Einbeziehung Roms in die Rückreise einem Korrespondenten der liberalen »National-Zeitung«, so daß das Unterfangen zum Verdruß Bismarcks durch Publikationen des ~~Wolffschen Telegraphenbüros« und der liberalen »Magdeburger Zeitung« vorzeitig bekannt wurde. Die Zeitungen in Deutschland, darunter vor allem liberale und katholische Blätter, sowie die »Times« und der ~~Globe« in England, spekulierten sogleich, der Thronfolger solle im Auftrage des Reichskanzlers Verhandlungen mit dem Vatikan über die endgültige Schlichtung des Kulturkampfs führen. Dieser hatte jedoch nicht im entferntesten daran gedacht, sich so weit vorzuwagen, sondern einzig und allein einen Höflichkeitsbesuch bei Papst Leo XIII. beabsichtigt, um das Terrain für künftige, detaillierte Gespräche über Kirchenfragen vorzubereiten und wahltaktisch einen Vorsprung vor der »Zentrum«-Partei zu gewinnen68. Abschätzige Kommentare des Thronfolgers, wie sie zum Beispiel die ~~National-Zeitung«, die das Presseorgan Eduard Laskers und Ludwig Bambergers war69, über den schlechten Zustand der spanischen Armee abdruckte, mißfielen nicht allein dem Kanzler, sondern auch Franz von Rottenburg, dem Chef der Reichskanzlei. Emil Pindter, der verantwortliche Redakteur der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung«, sorgte sich ebenfalls, da nach seiner Auffassung diese Berichte mehr Schaden anrichteten, als die gesamte Kronprinzen-Reise nütze. Lakonisch notierte er in sein Tagebuch: "Wie viele solche Fehlgriffe wird wohl »unser Fritz« noch begehen?!"70 Bismarck selbst las in der »Kölnischen Zeitung«, deren Gewährsmann der Schriftsteller und Bekannte des Kronprinzen, Gustav Freytag, hatte in den Reisetroß einschleusen helfen, Äußerungen Friedrich Wilhelms, in denen er sich angeblich über "'die Reise durch die halbe Welt"'71 beschwert hatte. Außerdem 68 Vgl. Hatzfel>Grenzboten« im gleichen Tenor: "Es ist etwas ganz Unerhörtes, daß eine Partei einen Regenten als den ihrigen in Anspruch nirnmL [... ] Noch verwerflicher ist es, wenn dies in der ebenso cynischen und geschmacklosen Weise geschieht, mit welcher Herr Eugen Richter in der Freisinnigen Zeitung, Herr Landgerichtsdirektor Lessing in der Vossischen, Herr Rudolf Mosse im Berliner Tageblatt und die anonyme Demokratie der Achtundvierziger in der Volkszeitung das neue Herrscherpaar mit ihren eig[e]nen Gesimtungen zu identifizi[e]ren suchen und den Thron umwedeln". (»Die Grenzboten«: "Die Kanzlerkrisis und die Freisinnigen" 47)., 1888, S. 144.)

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D. Verschärfter Kampf Bismarcks gegen den Linksliberalismus

rung"l0 seitens der Linksliberalen publizistisch entgegenzutreten. Drei Tage später goß die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung«, dieses Mal anscheinend aufgrund einer ausdrücklichen Anweisung Bismarcks, Öl ins Feuer, indem sie den »Reichsfreund«-Artikel als "neues Symptom der berechneten und wühlerischen Arbeit unserer Republikaner" 11 geißelte. Den Herausgebern des Blatts, Hugo Hermes, Eugen Richter und Ludolf Parisius, warf sie vor, sie suchten den Kronprinzen von der väterlichen Politik zu trennen, seine Verdienste an den Kriegsereignissen von 1866 und 1870nl zu leugnen sowie sein Ansehen zugunsten der republikanischen Ziele zu schmälern. Trotz der eifrigen linksliberalen Agitation, die naturgemäß eine Antwort herausforderte, verurteilte Friedrich von Holstein das selbständige Walten Emil Pindters. Unheil ahnend, hatte das Auswärtige Amt dem Kanzler verschiedene Aktenstücke über die Spanien- und ltalienreise des Kronprinzen nicht nach Friedrichsruh gesandt, um ihm noch mehr Aufregungen wegen des Verhaltens Friedrich Wilhelms zu ersparen. Jede Unstimmigkeit, die Thronfolger und Kanzler hätte entzweien können, versuchte man in der WiIhelmstraße auf diese Weise im Keime zu ersticken. Der Beitrag Pindters in der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung« zerstörte diese Anstrengungen und zerrte die Mißhelligkeiten zwischen Kronprinz und Kanzler vollends ans Licht der Öffentlichkeit, da der Streit in einer bekanntermaßen offiziösen Zeitung fortgeführt wurde. Anstatt die von Pindter beabsichtigte klärende und beruhigende Wirkung auszuüben, trug der Artikel zur weiteren Abkühlung der beiderseitigen Beziehungen bei I2 . Friedrich Wilhelm war über die Presseauseinandersetzungen um seine Person erbost, und auch in Friedrichsruh zollte man der Initiative des Chefredakteurs nach anfänglicher Zustimmung keinen Beifall mehr I3.

Tgb. Pindters v. 6. Jan. 1884 (PA BN, NI. Pindter). Man beachte auch R. Schwarz, S. 164. »NAZ« v. 8. Jan. 1884 (S:zichenyi an KaJnoky, Berlin, 8. Jan. 18841 (HHStA W, PA m, Nr. 125). Ebenfalls abgedruckt bei Robolsky: Damenpolitik, S. 300f: Der Angriff der Fortschrittler richte sich gegen den Thronfolger, "um in der Person desselben die monarchische Zukunft zu treffen (... 1. Es handelt sich eben nur dannn, der Dynastie, in welcher unsere Monarchie erblich ist, in der Oeffentlichkeit Schaden zu thun". 12 VgI. Tgb. Holsteins v. 5. Jan. 1884 (PA BN, NI. Holstein, Bd. 72). - Man beachte auch Schlieber (an Fabricel, Berlin, 8. Jan. 1884, als Beispiel für die von Holstein erwähnte Verbreitung des »Reichsfreund«·Artike1s: Etwa im »Neuen Wochenblatt für Stadt und Land«, Nr. I, Jg. 3 (StA DD, Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Bundesrat und Reichsrat, Nr. 1347), u. Tgb. Pindters v. 8. u. 11. Jan. 1884 (PA BN, NI. Pindter). - Siehe ferner Sargent an Frelinghuysen, Berlin, 18. Feb. 1884: "The North Gerrnan Gazette is the official newspaper of the Gerrnan Chancellor. In that view its utterances are important, and it is not chary of its declarations in most cases". (NA Wash., Despatches, Roll 52.) VgI. R. Schwarz, S. 164. \3 Die Reaktionen beider Seiten wurden Emil Pindter von August zu Eulenburg, dem Oberzeremonienmeister des Kronprinzen, bzw. von Holstein hinterbracht (vgI. Tgb. Pindters v. 8. u. 11. Jan. 1884, PA BN, NI. Pindter). 10 11

I. Das Verhältnis zwischen Kronprinz und Kanzler und der Tod Laskers

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Abgesehen von der Verstrickung seiner Person in für jedermann sichtbare Kontroversen, die mit Blick auf den nahenden Thronwechsel und die bevorstehenden Reichstagswahlen geführt wurden, ärgerte sich der Kronprinz bis in den März 1884 hinein über die vermeintlich herablassende Behandlung, die ihm seitens Bismarcks während der Spanien- und Italienfahrt widerfahren war. Die ergebnislosen Bemühungen um ein entgegenkommenderes Betragen des »Zentrums« enttäuschten ihn, und er sah der Zukunft deprimiert entgegen. Seine liberale Umgebung verstand es außerdem geschickt, in bezug auf Kleinigkeiten seinen Zorn auf den Kanzler zu schüren, wenn etwa Hofmarschall Karl von Normann behauptete, Bismarck habe für die Dauer der Südeuropareise einen Spion im kronprinzlichen Gefolge plaziert l4. Während einer Unterredung mit Paul von Hatzfeldt Anfang Januar 1884 entrüstete sich Friedrich Wilhelrn, der Kanzler habe, ohne seine vorherige Einwilligung einzuholen, das Unternehmen auf Italien ausgedehnt. In einem Anflug von Unmut habe er beabsichtigt, das Ansuchen telegraphisch abzulehnen, sich aber schließlich eines besseren besonnen. "Er sei doch nicht dazu da, um als Kurier des Fürsten Bismarck in der Welt herumzureisen"15, schimpfte er. "In Rom habe er sich nur gewundert, daß nicht noch der Auftrag gekommen sei, sofort nach Bukarest weiterzureisen"16. Der Staatssekretär bemühte sich, den Kronprinzen zu beschwichtigen und erklärte ihm, der Kaiser selbst habe das Telegramm, mit der Weisung, nach Rom zu gehen, verfaßt. Der Reichskanzler habe sich dagegen nicht für autorisiert gehalten, dem Thronerben Anordnungen in dieser Gestalt, versehen mit seiner Unterschrift, geben zu dürfen. Das Fehlen der schriftlichen Instruktion für die Gespräche am italienischen Hof und im Vatikan begründete Hatzfeldt mit einem ausgeklügelten politischen Schachzug des leitenden 14 Vgl. Falk (Tgb. v. 19. März 1884), S. 689f, u. Holstein: Papiere (Tgb. v. 9. Jan. 1884), Bd. 2, S. 55f. - Szechenyi erachtete die Beziehungen zwischen Kronprinz und Kanzler als äußerlich gut, aber die Kontakte seines Hofmarschalls Kar! von Nonnann zu linksliberalen Politikern seien ein "ganz genügendes Moment, um die Verbreitung und Beglaubigung der Annahme eines ernstlichen Zwiespaltes zwischen dem Preußischen Thronerben und dem Fürsten Bismarck erklärlich zu machen" (Szechenyi an KaJnoky, Berlin, 19. Jan. 1884, HHStA W, PA m, Nr. 125). 15 Holstein: Papiere (Tgb. v. 9. Jan. 1884), Bd. 2, S. 54. 16 Ebd. Vgl. Solms-Sonnenwalde an AA (Teleg.), Madrid, 6. Dez. 1883, daß der Kronprinz an Wilhelm I. telegraphiert habe, er sei '''völlig überrascht durch Befehl nach Rom zu gehen'" (PA BN, Italien Nr. 79, Bd. I). Ähnlich Friedrich 111.: Tagebücher (Tgb. v. 6. Dez. 1883), S. 174. Auf die Spanienreise bezugnehmend sagte Friedrich Wilhelm - sein übliches Lamento des Nichteingeweihtseins in die große Politik wiederholend - zu Roggenbach: "Ich weiß von nichts und stehe allen Geschäften fern" (Roggenbach an Stosch, Segenhaus, 3. Feb. 1884, Roggenbach, S. 224). Man beachte auch Szechenyi an KaJnoky, Berlin, 19. Jan. 1884, über die Klage des Kronprinzen, "daß man ihn von den Geschäften so fern hält, daß er von den wichtigen Beschlüssen der Regierung nicht einmal Kenntniß erhält. Fürst Bismarck weiß es und sagt, es könnte ihm nichts erwünschter sein, als den Kronprinzen in alles einzuweihen, wenn er nicht die Erfahrung gemacht hätte, daß wenn er dem Hohen Herrn was immer rnittheilt, es Herr von Nonnann augenblicklich erfahrt und durch ihn die ganze Gruppe der erbitterten Gegner der Regierung". (HHStA W, PA m, Nr. 125.)

12 Riehl

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Staatsmannes. Dieser habe ihm dadurch die Beschränkung der Konversation mit Papst Leo XIII. auf eine unverbindliche, rein gesellschaftliche Ebene erleichtern wollen 17. Hatzfeldts Darstellung entsprach der Wahrheit. Der Kanzler hatte die Italienreise Ende November 1883 nur deshalb konzipiert, weil er fälschlicherweise angenommen hatte, König Humbert I. habe gegenüber Friedrich Wilhelm während dessen kurzen Besuch in Genua große Reserviertheit an den Tag gelegt, um eine dauernde Erschütterung der französisch-italienischen Beziehungen zu vermeiden. In einem Schreiben an das Auswärtige Amt hatte Bismarck für die Ausweitung der Reise nach Rom votiert, um die deutsch-italienischen Beziehungen nicht zu trüben. Doch hatte er das mit der Maßgabe getan, Kaiser und Kronprinz müßten mit diesem Vorhaben einverstanden sein. Die Einwilligung des Sohnes abzuwarten, hatte Wilhelm I. aber für unnötig befunden und ihm die Reise, kurz nachdem Hatzfeldt ihn über den Vorschlag aus Friedrichsruh informiert hatte, mittels eines Telegramms, das in "kurz angebundener Form" 18 abgefaßt war, befohlen. Den Wunsch Bismarcks, den Thronerben - ähnlich wie bei der Planung der Spanienfahrt - in den Entscheidungsprozeß einzubinden und auf diese Weise seinem "Fürstengefühl" 19 gerecht zu werden, hatte der Kaiser mißachtet20. Der Thronfolger, nicht willens, den Erläuterungen Hatzfeldts Glauben zu schenken, meinte jedoch nach wie vor unbeirrt, der Kaiser vollstrecke lediglich die Bismarckschen Forderungen. Das Benehmen des Kanzlers ihm, dem künftigen Monarchen, gegenüber wertete er als mangelnden Respekt vor seiner Person 21 . Ein Berater des Kronprinzen, Franz von Roggenbach, war erschüttert über die katastrophale Reisebilanz. Befände er sich in der 17 Vgl. Holstein: Papiere (fgb. v. 9. Jan. 1884), Bd. 2, S. 55. Man beachte auch Friedrich Wil· helm an Wilhelm I. (Abschr.), Madrid, 6. Dez. 1883: "Begierig harre ich der Instructionen für mein Verhalten am italienischen Hof'. (PA BN, Spanien Nr. 49, Bd. 2.) Der österreichisch-ungarische Botschafter erfuhr von einer ungenannten Persönlichkeit, mit der Friedrich Wilhelm gern und oft sprach, Kurd von Schloezer und Robert von Keudell hätten für ihn keine Anweisung bezüglich des Gesprächs mit Papst Leo XllI. erhalten: "Dies sei dem Kronprinzen sehr unlieb gewesen, denn es habe ihn in die heikliche Lage versetzt, seine Fahrt nach der päpstlichen Residenz ohne jede Direktive über Art und Auftreten daselbst antreten zu müssen". (Szechenyi an Kälnoky, Berlin, 5. Jan. 1884, HHStA W, PA III, Nr. 125.) 18 Holstein: Papiere (fgb. v. 9. Jan. 1884), Bd. 2, S. 56. Der Entwurf des Telegramms Wilhelms 1. an Friedrich Wilhelm vom 5. Dezember 1883 ist abgedruckt bei Winde/band: Berlin, S. 157, und dort als Faksimile zwischen den Seiten 160 u. 161. 19 Holstein: Papiere (fgb. v. 9. Jan. 1884), Bd. 2, S. 56. 1ll Vgl. Winde/band: Berlin, S. 153-156, u. Baur-Breitenfe1d an Uxkull, Berlin, 17. Juni 1884 (HStA S, E 73 Verz. 61, Fasz. 126, provisor. Nr. D 124). - Die Presseindiskretion war vielleicht ein gezielter Revancheakt Normanns für die fehlende politische Instruktion aus Berlin, womit er Zwietracht zwischen Kronprinz und Kanzler zu säen gedachte. 21 Vgl. Ho/stein: Papiere (Tgb. v. 9. u. 11. Jan. 1884), Bd. 2, S. 56 bzw. 60, daß Kronprinzessin Victoria dem Staatssekretär die Verantwortung für die Auswahl der Reporter anlastete und behauptete, sie hätte deren Mitnahme verhindert, wenn sie in Berlin gewesen wäre.

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Lage Friedrich Wilhelms, schrieb der badische Staatsmann an Albrecht von Stosch, würde er sich "nach einer solchen Serie von Schaustellungen [...] in einer Weise gedemütigt fühlen, daß ich längere Zeit bei Tag nicht ausgehen würde"22. Pessimistisch urteilte auch der österreichisch-ungarische Botschafter Imre Szechenyi in Anspielung auf die verheerenden Nachwirkungen der Reise, daß im Falle des Thronwechsels "das einträchtliche Zusammengehen des Ministers [d. h. Bisrnarcks1mit dem neuen Herrscher, beziehungsweise der neuen Hemcherin, wohl schwerlich andauern [würdel, es wäre denn, daß auch hier[ ,I wie es die Geschichte nicht selten aufweist, der Besitz des Thrones ganz andere Gesichtskreise eröffnet, andere Ideen erweckt und andere Richtungen vorzeichnet, als die Anwartschaft auf denselben,,23.

Ende Januar 1884 drohte sich der bislang schwelende Konflikt zwischen Friedrich Wilhelm und Bismarck zu entzünden 24. Wiederum lieferte die Reise in den Süden den Anlaß. Der ehemalige Führer der Konservativen im preußischen Abgeordnetenhaus Wilhelm von Rauchhaupt, meldete die »National-Zeitung«, habe während einer Wahlveranstaltung die Fabel von einer angeblich gefährlichen Begegnung zwischen einem französischen Kriegsschiff und der »Prinz Adalbert«, mit der Friedrich Wilhelm im Mittelmeer gekreuzt war, zum Besten gegeben. Wegen des Vorfalls, den der Kronprinz dem Kaiser berichtet habe, sei der französische Botschafter, Alphonse de Courcel, nach Friedrichsruh zitiert worden, wo er dem Reichskanzler "Abbitte"25 geleistet habe. Der Kronprinz, "unangenehm berührt"26 von dieser erfundenen Geschichte - bei der es sich bloß um das bedeutungslose nächtliche Passieren eines französischen Frachtschiffes gehandelt hatte, bat Bismarck, die Rede offiziell zu dementieren und Rauchhaupt zur Rechenschaft zu ziehen. Ihm mißfiel, daß sie in der Presse weidlich ausgeschlachtet worden war und man ihm eine federführende Rolle an dem Geschehen zugemessen hatte. Wenn Rauchhaupt ungestraft bliebe, meinte Friedrich Wilhelm, könne "diese Schonung als eine seiner parlamentarischen ParteisteIlung gewährte Aner22 Roggenbach an Stosch, Segenhaus, 3. Feh. 1884 (Roggenbach, S. 225). Dagegen Stosch an Freytag (Absehr.), Oestrich, 28. Jan. 1884 (Oes/r., NI. Stosch, Denkwürdigkeiten, Bd. 3), u. Ampthill an Granville, Berlin, 12. Jan. 1884 (Leu. Berl. Emb., S. 312), über den Erfolg der Reise. 23 Szechenyi an Kälnoky, Berlin, 19. Jan. 1884 (HHS/A W, PA III, Nr. 125). 24 Vgl. Hols/ein: Papiere (Tgb. v. 2. u. 7. Feh. 1884), Bd. 2, S. 77 u. 79f. Man beachte auch H. v. Bismarck an Johanna v. Bismarck, Berlin, 13. Jan. 1884, daß der Kronprinz beim Zusammentreffen mit ihm strikt die Etikene wahrte und sich sehr höflich nach dem Befinden des Vaters erkundigte (BA KO, NI. Bisrnarck, Fe 3006). Siehe ferner Windelband: Berlin, S. 142-144 u. 193-203, über den routinemäßigen, geschäftlichen Verkehr zwischen Kronprinz und Kanzler Ende Dezember 1883 bis Mine Januar 1884, ohne die beiderseitige Verstimmung über das Zustandekommen der Romfahrt zu erwähnen. 2S »Nat.-Ztg.« v. 12. Jan. 1884 (PA BN, Spanien Nr. 49, Bd. 4). 26 Hatzfeldt an Bismarck, Berlin, 28. Jan. 1884 (ebd.).

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kennung von interessi[e]rter Seite ausgebeutet werden"27. Bismarck erwiderteaus Rücksicht auf das deutsch-französische Verhältnis und wohl auch, um gerade die konservative Klientel im Wahljahr 1884 nicht zu brüskieren -, ein Tadel Rauchhaupts sei unnötig. Die Rede des Abgeordneten sei in französischen Blättern kaum beachtet worden. Außerdem fehle ihm als preußischem Ministerpräsidenten die Amtsautorität, um einen solchen Verweis auszusprechen. Er könne den Innenminister lediglich ersuchen, die entsprechenden Schritte gegen Rauchhaupt einzuleiten. Der Kronprinz war mit dieser Lösung, bei der Bismarck alle Verantwortung auf den ihm unsympathischen Puttkamer abgewälzt hatte, vordergründig zufrieden. In Wirklichkeit ärgerte er sich über die Ausflucht: "'Ja., natürlich, wenn H[er]r v [on] R[auchhaupt] ein Liberaler wäre"'28, schimpfte er, '''hätte man ihn schon längst angefaßt, aber - er ist eben ein Konservativer"'29. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen, die den Zank um die letzte öffentliche Ehrerweisung an den verstorbenen sezessionistischen Abgeordneten Eduard Lasker30 einschlossen, war der Startschuß für den Wettlauf um die Gunst des Kronprinzen gefallen. Franz von Roggenbach nannte das Anfang Februar 1884 den Streitkampf, "welche Partei den künftigen Regenten in ihre Game ein27 Hatzfeldt an Bismarck, BerIin, 2. Feh. 1884, daß Sommerfeld dies ganz vertraulich als Äußerung des Kronprinzen an ihn weitergeben habe (ebd.). - Rauchhaupt hatte von einem Rammversuch einer französischen Fregatte berichtet. Die liberale »Nat.-Ztg.« rollte in den Ausgaben vom 12. und 17. Januar 1884 die Geschichte, die völlig aus der Luft gegriffen war, auf, um den konservativen Politiker lächerlich zu machen: "Herr v[on] Rauchhaupt scheint uns [... ] das Opfer einer sehr robusten Jagdgeschichte geworden zu sein" (»Nat.-Ztg.« v. 12. Jan. 1884, ebd.). Der Journalist Hugo Zöller, der die Reise im Auftrage der »Köln. Ztg.« mibnachte, wußte lediglich, daß "im Laufe der Nacht ein großes französisches Panzerschiff in Sicht kam" (Zöller, S. 116). - "Auffallend bleibt immer die Kritiklosigkeit, mit der der konservative Führer in öffentlicher Versammlung eine Beleidigung der deutschen Nation und ihres Hemchernauses, sowie eine Demüthigung einer fremden Nation behufs Abwendung dringender Kriegsgefahr als vollzogene Thatsache hinstellte, um schließlich damit ein Kompliment an die Adresse des Fürsten Bismarck herauszuschlagen" (»NatZtg.« v. 17. Jan. 1884, PA BN, Spanien Nr. 49, Bd. 4). Man beachte auch Friedrich Wilhelm an Bismarck, [0. 0.], [28. Jan. 1884] (ebd.), u. WinLUlband: Berlin, S. 208-210. 211 Holstein: Papiere (fgb. v. 2. Feb. 1884), Bd. 2, S. 76f. 29 Ebd. Vgl. Rantzau an Hatzfeldt, Friedrichsruh, 5. Feb. 1884: Er solle dem kronprinzlichen Privatsekretär Gustav von Sommerfeld gelegentlich ausrichten, daß Puttkarner jetzt die Angelegenheit verfolge und der Reichskanzler "mit ihrem weiteren Verlaufe Nichts mehr zu thun habe". (PA BN, Spanien Nr. 49, Bd. 4.) Einen Tag zuvor hatte Puttkarner an Bismarck geschrieben, er wisse noch nicht, ob und wie Rauchhaupt zu belangen sei (Puttkamer an Bismarck, BerIin, 4. Feb. 1884, ebd.). Man beachte auch Nichols: Year, S. 305-334, zum Sturz Puttkamers während der kurzen Regierungszeit Friedrichs III. Als Thronfolger hatte der Kaiser den Innenminister stels als Inbegriff reaktionären Preußennuns zutiefst verachtet (vgl. Holstein: Papiere, Tgb. v. 2. Feb. 1884, Bd. 2, S. 77). hn Herbst 1884 begrüßte der Kronprinz Wilhelm von Rauchhaupt bei einem Empfang in Halle mit der unfreundlichen Frage: '''Sind Sie der Parlamentsschwätzer?''' (Ebd., Tgb. v. 3. März 1885, Bd. 2, S. 185.) 30 Eduard Lasker war am 5. Januar 1884 in New YOrK verstorben. Die Trauerfeier für ihn fand am 28. des Monats statt (vgl. S. 183-191 dieses Kapitels).

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fängt"31. Aufgeheizt wurde das innenpolitische Klima nicht allein durch den Pressewirbel um den Thronfolger. Der zur Sorge Anlaß gebende Zustand des hochbetagten Monarchen verunsicherte gleichfalls alle Beteiligten. Die Erkältung vom Dezember des vergangenen Jahres hatte Wilhelm 1., wie so oft in vergleichbaren Fällen, schnell überwunden, so daß viele Leute bei Hofe bis Mitte Januar 1884 die erstaunliche Agilität des Kaisers rühmten. Die neugewonnene gesundheitliche Stabilität, über die Herbert von Bismarck dem Vater freudig überrascht aus Berlin während seiner Durchreise nach St. Petersburg berichtet hatte32, währte aber nur kurz. Kaiserin Augusta erzählte ihrem Protege, Albrecht von Stosch, gegen Ende des Monats, ihr Gatte sei sichtlich gealtert. "Apathische Zustände"33 machten sich bemerkbar, und tagsüber müsse man ihn manchmal förmlich aus dem Schlaf reißen. Dann aber sei er wohlauf und so rüstig wie gewohnt. Stosch kehrte mit dem beklemmenden Eindruck aus der Hauptstadt nach Oestrich zurück, jedermann in hoher Position habe das Gefühl, "die Dinge laufen zu lassen, bis der entscheidende Moment eintritt" 34. Bismarck dagegen reagierte am 25. Januar 1884 alarmiert, als er in der Tagespresse von einer neuerlichen Erkrankung des Herrschers las. Unverzüglich schrieb er dem Monarchen, der wegen einer Grippe, die ihn sehr viel Kraft kostete, das Zimmer hütete, er hoffe "zuversichtlich"35, daß sich sein Befinden bessere. Er bat ihn, sich zu schonen und Erkältungen möglichst zu vermeiden. Rückblickend berichtete der englische Botschafter Arnpthill Anfang Februar nach London, der Kaiser sei in den vergangenen Tagen krank gewesen. ZweiRoggenbach an Stosch, Segenhaus, 3. Feb. 1884 (Roggenbach, S. 225). H. Müller: Friedrich S. 411, stützt sich in seiner Studie ebenfalls auf dieses Zitat, setzt aber das Buhlen um den Kronprinzen seltsamerweise erst für das Frühjahr 1884 an. 32 Vgl. Tgb. Waldersees v. 1. Jan. 1884: "Seit langen Jahren habe ich den guten alten Herrn nicht so frisch in ein neues Jahr treten sehen wie heute. Es war ein rechte Freude[,] ihn zu sehen". (GSIAPK AbI. MER, NI. Waldersee, Rep. 92 A I, Nr. 12.) Man beachte aueh Ludus von Bai/hausen (fgb. v. 1. Jan. 1884), S. 277, u. Szechenyi an Kälnoky, Berlin, 2. lan. 1884, über das blühende und kräftige Aussehen des Kaisers (HHSIA W, PA ill, Nr. 125). Ähnlich Baur-Breitenfeld an Mittnacht, Berlin, 8. Jan. 1884: "Der Kaiser war auffallend ganz frisch und munter, entschieden ruhiger als vor einem Jahr". (HSIA S, E 73 Verz. 61, Fasz. 126, provisor. Nr. D 124.) Siehe ferner Liebe an Jansen, Berlin, 8. Jan. 1884: "Ieh hatte den Eindruck, daß sich in seiner äußeren Erscheinung seit den letzten 10 Jahren eigentlich nichts geändert [hat]". (SIA OL, Bstd. 132-226.) Vgl. H. v. Bismarck an Bismarck, Berlin, 11. Jan. 1884, über das gesunde und gute Aussehen des Kaisers (H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz, S. 189). "Mich frappierte wirklich das Fließende seiner Sprache" (ebd., S. 190). Man beachte auch H. v. Bismarck an Johanna v. Bismarck, Berlin, 12. lan. 1884: "Er sah brillant aus". (BA KO, NI. Bismarck, FC 3006.) Siehe ferner Lucius von BaI/hausen (fgb. v. 15. lan. 1884), S. 279. 33 Stosch an Freytag (Absehr.), Oestrich, 28. lan. 1884 (OesIr., NI. Stoseh, Denkwürdigkeiten, Bd.3). 11

ill.,

34

Ebd.

Bismarck an Wilhelm 1., Friedrichsruh, 25. lan. 1884 (PA BN, Preußen 1 Nr. I, Nr. 14 seer., Asservat Nr. 9). Gleichfalls vorhanden in BA KO, NI. Bismarck, FC 3004N. 3S

182

D. VerNchärfter Kampf Bismarcks gegen den Linksliberalismus

feHos werde die Börse krachen, sollte er sterben: "But I believe and hope they [i. e. the financiers] may wait many years before it occurs" 36. Angesichts des schlechten Gesundheitszustandes des Kaisers war es wohl kein Zufall, daß fast auf den Tag genau mit Bismarcks besorgt klingendem Schreiben nach Berlin ein Brief Lucius von Ballhausens in Friedrichsruh eintraf. Mit der künftigen Regierung des Kronprinzen liebäugelnd und dessen von den Zeitgenossen oft belächelte Vorliebe für Ordensdekorationen ins Kalkül ziehend, fragte der preußische Landwirtschaftsminister an, ob er einem Gerichtsrat aus seiner Behörde namens Schröder, der ein ausgewiesener Parteigänger der Linksliberalen war, ein Ehrenzeichen verleihen dürfe. Bismarck lehnte das Ansinnen entschieden ab. Der Beamte, dessen Stimmabgabe für die Fortschrittspartei "etwas Ungeheuerliches"37 sei, solle warten, bis der Sezes36 Ampthill an Granville, Berlin, 2. Feb. 1884 (PRO L, 30/29/178). - Die Tagebücher der diensthabenden Flügeladjutanten des KaiserN verzeichnen, daß sich Wilhelm I. "sehr angegriffen" (23. Januar 1884) fühlte und aus diesem Grunde alle Vorträge absagte. ErNt Ende Januar 1884 begann er sich allmählich zu erholen und war Anfang Februar völlig wiederhergestellt. Die Monate Februar und März verliefen weitgehend komplikationslos. (Vgl. die Eintragungen der Flügeladjutanten vom 23. Januar bis 4. Februar 1884, GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhelm I., Rep. 51 Fm 1.) - Man beachte auch Wilhelm I. an Pauline v. Scherff (Abschr.), Berlin, 24. Jan. 1884, daß er wegen einer Grippe seit drei Tagen habe im Zimmer bleiben und die Hoffestlichkeiten aufgeben müssen, "da ich 2 Nächte nicht schlief und also die Nerven so angegriffen sind, daß ich keine Kräfte habe" (GStAPK B, BPH, NI. Wilhelm 1., Rep. 51, Nr. 870). Der württembergische Gesandte schätzte die Situation dagegen als harmlos ein: "Eine PerNon, welche gestern abend den Leibarzt Dr. Lauer gesprochen hatte, erzählte mir, daß derNelbe den Zustand des KaiserN als leidlich' bezeichnet habe, wie denn auch in den Hofkreisen keine Besorgniß zu hemchen schien" (Baur-Breitenfeld an Mittnacht, Berlin, 25. Jan. 1884, HStA S, E 73 Verz. 61, Fasz. 126, provisor. NT. D 124). Ähnlich Ampthill an Granville, Berlin, 26. Jan. 1884, über das gebesserte Befinden des Kaisers (Leu. Berl. Emb., S. 313). - Dagegen wiederum Wilhelm I. an Pauline v. Scherff (Abschr.), Berlin, 26. Jan. 1884, daß er zwar zu arbeiten begonnen habe, aber: "Da ich noch immer schlecht schlafe u[nd) sehr wenig Ap[p)etit habe, so wollen die Kräfte noch garnicht wiederkehren". (GStAPK B, BPH, NI. Wilhelm 1., Rep. 51, Nr. 870.) Man beachte auch Wilhelm I. an Carl Alexander v. Sachsen-Weimar-Eisenach (Abschr.), Berlin, 29. Jan. 1884: Ihn habe ein "wenn auch nur leichtes Unwohlsein" seit "acht Tagen durch Schlaflosigkeit und Appetitlosigkeit so abgemanet", weshalb er nicht zur Beantwortung seines Briefes vom 24. des Monats gekommen sei. (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhelm 1., Rep. 51 I 588 u l Lit. S. Nr. 1, Bd. 10.) Siehe ferner Podewils-Dümiz an Ludwig II., Berlin, 29. Jan. 1884, daß der Monarch an einer "katarrhalischen Affektion im Halse" gelitten habe. Er nehme wieder Vorträge entgegen und erteile Audienzen, "doch scheint noch eine gewisse Schwäche zurückgeblieben zu sein, welche dem Hohen Herrn möglichste Schonung auferlegt". (HStA M, AbL II MA m, Nr. 2662.) Ähnlich Tgb. WalderNees v. 30. Jan. 1884: "Der Kaiser ist noch immer etwas man, aber doch in der Besserung". (GStAPK Abt. MER, NI. WalderNee, Rep. 52 AI, Nr. 12.) Sogar der amerikanische Gesandte in Berlin, Aaron Sargent, der fast nie über den Gesundheitszustand des KaiserN nach Washington berichtete, erachtete es als notwendig, das State Department zu unterrichten: "The Emperor caught a severe cold almost tbree weeks ago. His great age made extreme caution necessary". (Sargent an Frelinghuysen, Berlin, 4. Feb. 1884, NA Wash., Despatches, Roll 52.) 37 Bismarck an Lucius von Ballhausen (Abschr.), Friedrichsruh, 26. Jan. 1884 (BA KO, NI. Goldschmidt, Nr. 21).

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Das Verhältnis zwischen Kronprinz und Kanzler und der Tod Laskers

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sionist Heinrich Rickert, den die offiziösen »Grenz boten« zur gleichen Zeit als "Reichsfinanzminister in spe"38 titulierten, Amt und Würden erlangt habe. Dann könne ihm der "Lohn seiner Tugend"39 nicht verweigert werden. Aus Bismarckscher Perspektive stellte sich Lucius von Ballhausens Aktion als leicht durchschaubare, opportunistische Zukunftsplanung dar, um nach dem Tode des Kaisers trotz der zu erwartenden liberalen Wende sein Ministerium weiterführen zu können. "Lucius sei in seiner Räte Hand"40, schimpfte der Reichskanzler, und er gebärde sich "ordens- und hoftoll"41. Unbefangener betrachtet war das Ansinnen freilich ein Symptom der in politischen Kreisen weit verbreiteten Überzeugung, daß der Thronwechsel unmittelbar bevorstehe. Voller Ingrimm hatte der konservative Alfred VOll Waldersee bereits Anfang Januar 1884 das politische Wetterleuchten bemerkt und in sein Tagebuch notiert: "Es ist wunderbar, wie jämmerlich die Masse der Menschen ist. Recht viele schwanken jetzt zwischen ihrem eigenen Gefühl und ihrem Vortheil; sie wollen es nicht gern mit dem zukünftigen Kaiser verderben"42. Weitaus empfindlicher als die auf den persönlichen Nutzen bedachte Karrieresicherung Lucius von Ballhausens berührte es Bismarck, daß anläßlich der Begräbnisfeierlichkeiten für Eduard Lasker plötzlich nahezu die gesamte, mehr oder minder fest auf ihn eingeschworene, Phalanx der MinisterkoUegen ins Wanken geriet. Der populäre und federführende Kopf der Sezessionisten und neben Eugen Richter von der Fortschrittspartei einer der profiliertesten und hartnäckigsten Widersacher der Bismarckschen Innenpolitik war am 5. Januar 1884 während eines Amerikaaufenthalts in New York verstorben 43 . Der Kanzler hatte den in ganz Deutschland Betrauerten in den siebziger Jahren, trotz des zeitweiligen gemeinschaftlichen Wirkens für das Zustandekommen wichtiger Gesetzesnovellen für Preußen und das Reich, wiederholt einer antimonarchi-

43,1 (1884): "Aus dem preußischen Landtage", S. 456. Wie aus dem Inhalt der Bismarckschen Antwort hervorgeht, datiert der Brief Lucius von Ballhausens vom selben Tag. Man beachte auch Holslein: Papiere (fgb. v. 27. Ian. 1884), Bd. 2, S. 75. - Siehe ferner oben Kap. C. I., S. 114f: Es handelte sich um den Kammergerichtsrat Hugo Schröder, dessen Beförderung Lucius von Ballhausen im Vorjahr forciert hatte, als - wegen der Krankheit des Kaisers -die Möglichkeit des Thronwechsels bestand. ... Spi/zemberg (fgb. v. 15. Feb. 1884), S. 203. J8

»Die Grenzbolen«

39

Ebd.

41

Ebd.

Tgb. Waldersees v. 5. Ian. 1884 (GSIAPK AbI. MER, NI. Waldersee, Rep. 92 A I, Nr. 12). Trotz des Erschreckens über die ungenügende Leistungsfähigkeit des Kronprinzen hoffte Franz von Roggenbach - zweckpessimistisch - auf neuen Elan im staatlichen Leben nach dem Thronwechsel: "Vielleicht kommt es mit der großen Häutung, die aus [dem} Raupenzustand eines überständigen Thronfolgers einen wenn auch nicht jungen, doch frischen Regenten schafft" (Roggenbach an Stosch, Segenhaus, 3. Feh. 1884, Roggenbach, S. 225). 43 Vgl. Valemin, S. 401; Snyder: Bismarck, S. 303; Gall: Bismarck, S. 65lf; Snyder: Resolution, S. 49f, u. »Köln. Ztg.« v. 7. Ian. 1884 (PA BN, Vereinigte Staaten von Amerika Nr. 3, Bd. 1). 42

184

D. Verschärfter Kampf Bismarcks gegen den Linksliberalismus

schen, republikanischen und "revolutionäre[n] Tendenz"44 bezichtigt, ihn als "eigentliche Staatskrankheit"45, als schlimmere "Reblaus wie Windthorst"46 und "dumme[n] Judenjunge[n]"47 geschmäht, wie er ihn ebenso, auf seine jüdische Abstammung anspielend, abschätzig in Verbindung mit anderen Parteifreunden "Bamberge, Laskere und Rickert, die Streber"48 nannte. Erfindungsreich forderte er seine Gattin Johanna auf, den Anfangsbuchstaben von Laskers Namen an dessen Ende zu rücken, so daß das Schimpfwort "Askerl"49 entstünde. "Wäre der Kronprinz an der Regierung, so nehme er vielleicht Bennigsen oder Häne1"50, mutmaßte der Reichskanzler Ende August 1878. "Ein Jahr würden die ganz gut regieren, aber vorn Kapital der Regierungskraft wegen Rücksichtnahme auf die Laskerei"51. Der Parlamentarier hatte nicht nur den Betrug bei der Vergabe von preußischen Eisenbahnkonzessionen unmittelbar nach der Reichsgründung enttarnt und dadurch Herrnann Wagener, einen engen Mitarbeiter Bismarcks, zum Rücktritt gezwungen, sondern maßgeblich dazu beigesteuert, daß die von der Regierung geplante unbefristete Gültigkeit des Sozialistengesetzes in den Kommissionsverhandlungen des Reichstages zeitlich beschränkt wurde. Während der Wende zur konservativen Schutzzollpolitik hatten sich beide Kontrahenten im Parlament schneidende Rededuelle geliefert, die häufig an die Grenze der persönlichen Beleidigung gestoßen waren. Lasker personifizierte für Bismarck den "Versuch, die Macht des Parla-

44 Bismarck an Ludwig II., Bad Kissingen, 4. Aug. 1879 (Bismarck: Gedanken, Bd. I, S. 423). VgJ. Bismarck u. Lasker am 16. Juni 1873 (SB RT, I. Leg. IV. Sess., Bd. 2, S. 1176-1179 bzw. 1182-1184). Man beachte dalll den Kommentar Hohen1ohe-Schillingsfürsts: "Der große Spektakel zwischen Bismarck und Lasker. Beide hatten Unrecht. Bismarck fehlte in der Form". (HohenloheSchillings/wsl, Tgb. v. 16. Juni 1873, Bd. 2, S. 102.) - Bismarck sagte am 9. März 1878 während der Beratungen über das Gesetz bezüglich der Stellvertretung des Reichskanzlers: "Dem Herrn Abgeordneten [Lasker] scheint das Ideal vorzuschweben einer gewissen Zerfahrenheit der Exekutive, einer gewissen Anarchie, bei der jeder im einzelnen Ressort thun und lassen kann, was er will". (SB RT, ill. Leg. II. Sess., Bd. I, S. 413.) VgJ. Hohenlohe-SchillingsfÜlSt - eine Bemerkung Bennigsens über den Wahlkampf des Jahres 1878 und die getrübten Beziehungen zwischen Bismarck und den Nationalliberalen kolportierend: "Lasker aber sei mit Bismarck ganz zerfallen und sie haßten sich beide". (Hohenlohe-Schillings/wsl, Tgb. v. 15. Sept. 1878, Bd. 2, S. 255.) 45 Tiedemann (Tgb. v. 25. Jan. 1875), S. 16. 46 Ebd. 41 Falk (Tgb. v. 10. März 1878), S. 485. Insgesamt 1lI Äußerungen Bismarcks über Lasker vgl. H.-J. Schoeps, S. 21Of. 48 Busch: Tagebuchblätter (Tgb. v. 21. Jan. 1881), Bd. 3, S. 12. VgJ. Hohenlohe·Schil/ingsfürst (Tgb. v. 12. Nov. 1874), Bd. 2, S. 139: "Ich kann mir denken, daß Bismarck den kleinen durchtriebenen Juden haßt". 49 Zit. nach H.-J. Schoeps, S. 211. Die von Schoeps als Beleg angegebene Stelle (Bismarck: GW, Bd. 8, S. 198) ist falsch und mit Bismarck: GW, Bd. 8, S. 192 [Tiedemann, Tgb. v. 22. Feh. 1877, S. 123]1lI berichtigen. so Falk (Tgb. v. 29./30. Aug. 1878), S. 490. 51 Ebd.

I. Das Verhältnis zwischen Kronprinz und Kanzler und der Tod Laskers

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ments in Preußen und Deutschland"52, angelehnt an das Vorbild des englischen Konstitutionalismus, auf Kosten der Monarchie zu erweitern. Mit Beginn der achtziger Jahre verlor Eduard Lasker jedoch allmählich den richtungsbestimmenden Einfluß auf seine Parteifreunde und auf die legislatorische Arbeit im Parlament; 1883 war es gänzlich still um den einstigen Exponenten des liberalen Bürgertums geworden, was ihn - neben gesundheitlichen Rücksichten bewog, anläßlich der Einweihung der Northern-Pacific-Railway in die Vereinigten Staaten von Amerika zu reisen. Dort wollte er Kraft schöpfen und neue politische Ideen entwickeln 53 . Kurz vor seiner Abreise veröffentlichte die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« triumphierend einen "bemerkenswerthen Artikel"54 der »Times« über Lasker und den Schiffbruch des deutschen Parlamentarismus, der dem englischen System nachzueifern suche. "Der wahre Preuße"55 , habe die »Times« geurteilt, beherzige im Unterschied zu Laskers demokratischen Bestrebungen ein Wort Friedrichs des Großen: '''Dieses Land

52 Eyck: Bismarck, S. 47, HelVorh. im Orig. Vgl. Lamer, S. 56, u. Snyder: Resolution, S. 44f. Man beachte auch W. Mommsen: Kaiserreich, S. 250, daß die Linksliberalen und vor allem Lasker stets "auf die Möglichkeit einer Weiterentwicklung der Verfassung im fortschrittlichen Sinne rechneten". Siehe ferner Scheerer, S. 87, u. Saile, S. 114-119. 53 Zum politischen Wirken Laskers, der bis 1880 als Anführer des linken Flügels der Nationalliberalen meistens den Ausschlag für oder wider die Kooperation mit dem Reichskanzler gab und mit seiner beharrlichen Strategie der Kompromisse die Identität seiner Partei gegen die Bismarcksehen Absorbierungsabsichten zu wahren suchte und vielen Gesetzen einen anderen Stempel aufprägte, als er ursprünglich vom Kanzler und seinen Mitarbeitern beabsichtigt worden war, vgl. Harris: Lasker, S. 342-360; Valentin, S. 403-408; Snyder: Resolution, S. 41-48; Steinsdorfer: Lasker, S. 93-98; Eyck: Bismarck, S. 44-48; D. White, S. 127, sowie ausführlich die Studien von Laufs u. Harris: Study, beide zusarnrnengefaßt bei Scheerer, S. 87-90. Man beachte auch Wolter: Krise, S. 177; Pack, S. 250 u. 254 (siehe dort die unterschiedliche Fassung des Paragraphen 22 des 50zialistengesetzes). - Vgl. Snyder: Resolution, S. 47f, u. Seeber:'Richter, S. 317, daß sich Bismarck in Reichstagsreden bei Angriffen auf Lasker vielfach von "Haßgefühlen" habe leiten lassen. Siehe ferner Stürmer: Reich, S. 223, der bei Bismarck einen "antijüdischen Unterton" heraushört wegen seiner - an das Wort in der Bergpredigt (Matthäus 6,26) angelehnten - Äußerung vom 8. Mai 1879 über die angeblich mangelnde Existenzberechtigung des liberalen Bildungsbürgertums in der deutschen Gesellschaft: "Sie [d. h. die Liberalen] säen nicht, sie ernten nicht, sie weben nicht, sie spinnen nicht, und doch sind sie gekleidet - ich will nicht sagen wie, aber jedenfalls sind sie gekleideL [... ] Die Herren, die unsere Sonne nicht wärmt, die unser Regen nicht naß macht, [... ] die die Mehrheit bei uns in der Gesetzgebung bilden, die weder Industrie, noch Landwirthschaft, noch ein Gewerbe treiben". (SB RT, IV. Leg. II. Sess., Bd. 2, S. 1060.) Nach O'Boyle, S. 341f, bildeten Rechtsanwälte und Richter mit 33,6 Prozent die stärkste Berufskategorie in den liberalen Reichstagsfraktionen von 1867 bis 1884, gefolgt von Geschäftsleuten (19,2 Prozent), in der Landwirtschaft Tätigen (16,4 Prozent), Akademikern (9,4 Prozent) und Beamten (7 Prozent), so daß Bismarcks Äußerung über die fehlende gesellschaftspolitische Relevanz der Liberalen als polemisch überspitzt bezeichnet werden kann. 54 »NAZ« v. 29. Mai 1883 (PA BN, England Nr. 69, Bd. 19). 55 Ebd. "Die Wahrheit ist, daß weder in diesem, noch in einem anderen der vorhergehenden deutschen Parlamente die elementaren Vorbedingungen für die Errichtung eines parlamentarischen Gouvernements bestanden haben" (ebd.).

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D.

Verschärfter Kampf Bismarcks gegen den Linksliberalismus

muß stets von Fürsten regiert werden, die immer auf ihrer Hut und gerüstet sind, feindlichen Angriffen entgegenzutreten"'56. Zum größten Entsetzen Bismarcks trugen sich Ende Januar 1884 die meisten preußischen Minister mit dem Gedanken, dem Toten am Grabe offiziell die letzte Ehre zu erweisen. Vom Chef der Reichskanzlei über die Absicht der Kabinettskollegen informiert, drahtete der Kanzler nach Berlin, er sei "unbedingt"57 gegen die ministerielle Beteiligung am Leichenbegängnis Laskers. Sie sei politisch unverantwortbar und ein Fehler, der sich rächen würde. Friedrich von Holstein, völlig im Einklang mit dem Standpunkt seines Vorgesetzten, wertete das Zaudern der Minister als Anzeichen, "wie alles der Zukunft entgegenlächelt"58. Dem Telegramm folgte ein Brief aus Friedrichsruh an Franz von Rottenburg. Darin schrieb ihm der Kanzler, er sei "geradezu erschüttert"59, daß einige Staatsminister zögerten und nicht wüßten, wie sie sich verhalten sollten, obwohl der Kaiser gebeten habe, daß kein Beamter den Trauerfeierlichkeiten beiwohne. Mit dieser »Empfehlung« zwang Bismarck die Abtrünnigen auf die traditionelle antiliberale Linie zurück. Der Kanzler hatte mit seinem telegraphischen Einspruch keineswegs alle Gefahren gebannt. Friedrich von Holstein erachtete es als möglich, daß der Thronfolger von seinen liberalen Beratern zu einer öffentlichen Beileidsbekundung für Lasker überredet würde. "Damit"60, glaubte der Geheime Rat, "wäre das Tischtuch zwischen ihm und dem Kanzler wieder auf längere, vielleicht auf alle Zeit zerschnitten"61 gewesen. Holsteins Furcht war begründet. Lasker und den Kronprinzen verband das Streben nach einem - im Gegensatz zum föderalistisch strukturierten Reich - zentralistisch geformten deutschen Einheitsstaat. Beide waren überzeugte Unitaristen, und Lasker hatte im preußischen Abgeordnetenhaus und im Reichstag verschiedentlich die Einführung von Reichsministerien gefordert, die dem Parlament und nicht der Krone bzw. indirekt dem Reichskanzler verantwortlich sein sollten 62. Nachdem die Zeitungen Laskers Vgl. Th. Schietkr: Friedrich, s. 287f. Bismarck an AA (Teleg./Abschr.), Friedrichsruh, 26. Jan. 1884 (BA KO, Reichskanzlei R 43F/672). Vgl. Stephan an Boetticher, Berlin, 27. Jan. 1884 (ebd., NI. Boetticher, Nr. 92); Holstein: Papiere (Tgb. v. 27. Jan. 1884), Bd. 2, S. 72f, u. Steinsdorfer: Lasker, S. 93. SI Holstein: Papiere (Tgb. v. 27. Jan. 1884), Bd. 2, S. 73. Vgl. Snytkr: Resolution, S. 50. 59 Holstein: Papiere (Tgb. v. 27. Jan. 1884), Bd. 2, S. 73. 56

Ebd.

57

00 61

Ebd. Ebd.

62 Vgl. Hohenlohe-Schillingsfürst (Tgb. v. 23. Jan. 1884), Bd. 2, S. 347, sehr allgemein "über die Bemühungen gewisser Leute, Kronprinz und Kanzler zu entzweien". Man beachte auch Valentin, S. 403f u. 408. Siehe ferner ausführlich unten Kap. E., S. 260-276, zum Unitarismus und der Kaiseridee des Thronfolgers. - Man beachte die energische Parteinahme des Kronprinzen zugunsten Laskers in den sechziger Jahren, womit er indirekt den preußischen Ministerpräsidenten tadelte: "Im Innem des Landes wächst die Unzufriedenheit über die Maßregeln Ihrer Collegen Eulenburg

I. Das Verhältnis zwischen Kronprinz und Kanzler und der Tod Laskers

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Tod gemeldet hatten, würdigte Friedrich Wilhelm ihn in seinem Tagebuch als "uneigennützigen, überzeugungstreuen Mann, der sich immer gleich blieb im langjährigen Ringen um seine Auffassung von freisinnigen Grundsätzen und Regierungshandhabung"63. Das politische Wirken des Verstorbenen schätzte er zwar mehr von theoretischem als praktischem Nutzen für das Staatsleben ein, doch beklagte er den Tod des Mannes, von dem er sich für seine künftige Herrschaft wertvolle Ratschläge versprochen hatte 64• Um ein Unglück zu verhüten, wandte sich Friedrich von Holstein, dem die kronprinzliche Sympathie für Lasker bekannt war, an den preußischen lustizminister Friedberg und schrieb im Anschluß an diese Unterredung an Sommerfeld, den Privatsekretär des Thronfolgers. Beiden schilderte er eindringlich, wie sehr das Verhältnis zwischen Kronprinz und Kanzler leiden könne, wenn sich Friedrich Wilhelm, von linksliberalen Einflüssen verführt, zu einer Geste der Anteilnahme hinreißen lasse 65. und Lippe, wozu namentlich die Verfolgung von Leuten wie Twesten und Lasker beiträgL Was jenen beiden während der Reichstags-SitZlBlgen zu verdanken ist, wissen Sie ebenso genau wie ich, und kann ich nicht verstehen, was es nützen soll, derartige Personen zu maßregeln und zu verletzen". (Friedrich Wilhelm an Bismarck, Misdroy, 1. Aug. 1867, Friedrichlll.: Briefe, S. 174.) 63 Tgb. Friedrich Wilhelms v. 5. Jan. 1884 (GSIAPK AbI. MER, HA, NI. Friedrich ill., Rep. 52 F I Nr. 7x). Die Tagebuchseiten vom 5. bis 9. Januar hatte der Kronprinz großflächig mit Zeitungsartikeln beklebt, welche die politischen Leistungen Laskers würdigten (ebd.). Vgi. Van der Kisle, S. 15lf; Dorpalen, S. 19f, u. Herre: Friedrich ill., S. 155, zur Verbindung Friedrich Wilhelms mit führenden Persönlichkeiten der Nationalliberalen, darunter auch Eduard Lasker, im Jahre 1866. .. Tgb. Friedrich Wilhelms v. 5. Jan. 1884 (GSIAPK AbI. MER, HA, NI. Friedrich ill., Rep. 52 F I Nr. 7x). "Viel hatte ich von ihm für meine Zukunft noch erhofft! .. (Ebd.) Man beachte auch Kaiserin Friedrich in ihren Erinnerungen über das Jahr 1888: "Wie fehlten uns die, welche der Tod uns geraubt haue: Stockmar, Brandes, Samwer und andere brave und vortreffliche Männer, wie Saukken-Julienfelde, Twesten, Lasker, Holtzendorff, Schleinitz, Gruner, Jasmund" . (Gorli: Sendung, S. 488, eig. Hervorh.) - Sleinsdorfer: Lasker, S. 97f, der das Tagebuch Friedrich Wilhelms nicht kennt, spekuliert, mit der von Lasker angestrebten Vereinigung aller liberaler Strömungen wäre vielleicht "jene Parlamentarisierung des Kaiserreiches erreicht worden, die Deutschland unter einem früher zur Regierung gekommenen Friedrich ill. die Eingliederung in den demokratischen Westen vor 1914 ermöglicht hätte". Siehe ferner die »New York Tribune« v. 6. Jan. 1884: Eduard Lasker "would have been the choosen lawrnaker of a Liberal Ministry, if Prince Bismarck had ever deigned to tolerate such a political combination". (PA BN, Vereinigte Staaten von Amerika Nr. 3, Bd. 2.) os Holstein fürchtete vor allem den Einfluß Normanns, den auch Waldersee als bedenklich einstufte (vgL HolsIein: Papiere, Tgb. v. 27. Jan. 1884, Bd. 2, S. 74, u. Waldersee, Tgb. v. 9. Jan. 1884, S. 233f). - Friedberg hatte Holstein geantwortet, er werde dem Thronerben von einer Beileidsgeste abraten, wenn er ihn zu sich rufe und frage, wie er sich verhalten solle. Holstein bat Sommerfeld, "falls der Kronprinz schon einen ungünstigen Entschluß gefaSt habe, ihn auf Friedbergs Gutachten zu verweisen". (VgL Holslein: Papiere, Tgb. v. 27. Jan. 1884, Bd. 2, S. 74.) Anscheinend haUe der Kronprinz bereits beschlossen, Lasker die letzte Ehre zu erweisen, was Friedberg verhinderte, denn Ludwig Bamberger trug in sein Tagebuch ein: "Die bedientenhafte befohlene Abstinenz der Lasker befreundeten Minister. Der Verdacht gegen Friedberg, verdient, aber nicht in concreto begiindet". (Bamberger: Tagebücher, Tgb. v. 23. Feb. 1884, S. 286.) Folgende Passage übernahm der Herausgeber der Waldersee-Tagebücher, 0110 Meisner, nicht in seine Edition: "Es wird wohl noch einen heißen Kampf geben; leider ist gar zu deutlich zu sehen[,l wie [siel ein schwacher Kopf der Kronprinz ist" (Tgb. Waldersees v. 9. Jan. 1884, GSIAPK AbI. MER, NI. Waldersee, Rep. 92 A I Nr. 12).

D. Verschärfter Kampf Bismarcks gegen den Linksliberalisrnus

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Tatsächlich drang am Tage der Beerdigung kein offizielles Wort der Trauer aus dem Neuen Palais an die Öffentlichkeit. Ob das Kronprinzenpaar eine solche Kundgebung beabsichtigt hatte, ist nicht mit Sicherheit zu eruieren. Höchstwahrscheinlich war es einer Beileidsbekundung, d. h. einer antibismarckschen Demonstration, nicht abgeneigt gewesen. Als Lasker beigesetzt wurde, richtete der Kronprinz nämlich das besagte Schreiben wegen der Abmahnung Wilhelm von Rauchhaupts an den Ministerpräsidenten. Damit ging es ihm nach der Vermutung Holsteins weniger um die Sache als um eine allgemeine "Rüge"66 des konservativen Politikers und der Parteilinie, die er repräsentierte. Obwohl Bismarck zur gleichen Zeit das preußische Staatsministerium dringend bat - was einem Befehl ähnelte -, die Trauerfeierlichkeiten für den liberalen Eduard Lasker zu ignorieren, verwehrte er dem Thronfolger kurz danach den Wunsch, den Abgeordneten Rauchhaupt zu disziplinieren, scheinheilig mit der Entschuldigung, ihm fehle "jede amtliche Kompetenz"67 für einen solchen Akt. Seine Auffassungen vermöge er im Kabinett nur durch "Bitten und Ueberreden"68 bei den MinisterkoUegen zur Geltung zu bringen. Diese Doppelzüngigkeit befremdete den Kronprinzen sicherlich69. Einen Monat später sagte Friedrich Wilhelm während einer Audienz zu Ludwig Bamberger, "'er habe immer eine hohe Meinung von Lasker gehabt, namentlich wegen seiner Selbstlosigkeit"'70. Verbittert fügte er hinzu, "'es sei ja [ ... ] von oben streng verboten gewesen, irgendeine Teilnahme zu bezeugen"'71. Immerhin riskierte das Kronprinzenpaar eine kleine Geste oppositioneller Gesinnung. Einige Tage nach dem Leichenbegängnis lud es nicht nur die in Berlin akkreditierten Botschafter, sondern auch den Bürgermeister Max von Forckenbeck und den preußischen Finanzminister Adolf von Scholz zu einem Diner ein, was letzterer anscheinend dem Umstand verdankte, daß er es gewesen war, der die Anwesenheit des Staatsministeriums bei dem Begräbnis angeregt hatte72.

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Holstein: Papiere (fgb. v. 2. Feb. 1884), Bd. 2, S. 76. Bisrnarck an Friedrich Wilhelrn, I. Feb. 1884 (PA BN, Spanien Nr. 49, Bd. 4). Vgl. Windel-

band: Berlin, S. 21lf. 68 Bisrnarck an Friedrich Wilhelrn, I. Feb. 1884 (PA BN, Spanien Nr. 49, Bd. 4). Vgl. Windel· band: Berlin, S. 212. 69 Vgl. Friedrich Wilhelm an Bisrnarck, [0. 0.,] mit dem Eingangsvermetk I. Feb. [1884] (PA BN, Spanien Nr. 49, Bd. 4); Holstein: Papiere (fgb. v. 2. Feh. 1884), Bd. 2, S. 76f, u. Bamberger: Tagebücher (fgb. v. 2. März 1884), S. 279. - Die Weigerung Bisrnarcks, den konservativen Abgeordneten und Parteiführer Wilhelm von Rauchhaupt amtlich zu belangen, sowie das Fernbleiben der preußischen Minister vom Leichenbegängnis des liberalen Parteiführers Lasker fielen auf ein und denselben Tag. 70 Bamberger: Tagebücher (fgb. v. 2. März 1884), S. 279. Die Audienz fand am 1. März 1884 statt (ebd.). 71 Ebd.

72 Vgl. Bamberger: Tagebücher 1884), Bd. 2, S. 77f.

(Einl. Feder),

S. 47, u. Holstein: Papiere (fgb. v. 2. Feb.

I. Das Verhältnis zwischen Kronprinz und Kanzler und der Tod Laskers

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Am Abend der Beerdigung (29. Januar 1884) hielt Ludwig Bamberger die Totenrede für Lasker. Die Bestanung auf dem Alten Israelitischen Friedhof in der Schönhauser Allee und die nachfolgende Gedächtnisrede in der Berliner Singakademie hanen die Liberalen absichtlich als zwei voneinander unabhängige Ereignisse arrangiert, um den Nekrolog zu einer Manifestation des Liberalismus und einer Abrechnung mit der Politik des Reichskanzlers zu gestalten73. Bamberger rühmte Lasker als angesehenen und bedeutenden Staatsmann, der sich um die innere Entwicklung des Reiches verdient gemacht habe. Er erinnerte daran, "daß in einem Lande von so viel höherer politischer Entwickelung"74 als in Deutschland der Freihändler Richard Cobden in England ähnlich große Leistungen vollbracht habe. In einer langen Passage hob Ludwig Bamberger eingehend die Leistungen und den Einfluß von Laskers liberal-wirtschaftspolitischem Denken hervor. "Die deutsche Nation in ihrer Mehrheit hat mehr als zehn Jahre lang durch seinen Mund gesprochen"75, pries er den Verstorbenen. Dem Reichskanzler, den er nicht ausdrücklich beim Namen nannte, bestritt er das Recht, die Durchführung wichtiger Reformen und Gesetzesvorhaben allein für sich beanspruchen zu dürfen. Lasker sei es gewesen, der Bismarck zu der Macht verholfen habe, seine Innenpolitik im Reichstag voranzubringen. Aber das habe ihm die Regierung stets mit Mißgunst vergolten 76. Be-

13 Vgl. Zucker, S. 195f; Steinsdorfer: Lasker, S. 98; R. Weber, S. 263, u. H.·I. Schoeps, S. 213. Bamberger nannte seine Angriffe auf Bismarck den "Knalleffekt der persönlichen Spitzen" (Bamberger: Tagebücher, Tgb. v. 23. Feb. 1884, S. 286). Die Zeitschrift "Die Gre"zbote,,«, Bd. 43,2 (1884), die der Kanzler häufig mittels Moritz Buschs benutzte, polemisierte in einem Aufsatz, betitelt "Die Kleinlichkeit des Reichskanzlers": "Diese Rede war das Non plus ultra jüdischer Selbstvergötterung". (Ebd., S. 2.) Ferner machte der anonyme Verfasser des Artikels darauf aufmerksam, daß kein Grund vorgelegen habe, die Leiche Laskers von New York nach Berlin zu überführen, da der Verstorbene keine nahen Verwandten in Deutschland hinterlassen habe, überdies nicht in Berlin geboren sei und sein Bruder in Amerika lebe. - Eine Inspirierung seitens des Kanzlers ist anhand von Moritz Buschs Tagebüchern nicht nachzuweisen, doch entspricht der Inhalt (wie der vieler anderer »Grenzboten«-Artikel bei anderen Themen) durchaus Bismarcks Stilistik und Argumentationsführung bezüglich der Lasker-Affäre samt ihren amerikanischen Implikationen. Vgl. Zucker, S. 196, wonach Bamberger der Totenrede als "'political memorial service'" bewußt einen "'politically liberal character'" unterlegte. - Man beachte auch Marschall von Bieberstein an Turban, Berlin, 20. Feb. 1884, daß Sezession und Fortschritt die Trauerfeier für Lasker zu direkter Polemik gegen den Reichskanzler benutzten (GLA KA, Staatsministerium, Nr. 233-3475). Siehe ferner Schultheß (1884), S. 14. 74 Bamberger: Lasker-Gedenkrede, S. 10. 75 Ebd., S. 14, Hervorh. im Orig. 76 Vgl. ebd., S. 24f. "Ohne Lasker wäre wo[hJl die Eisenbahnverstaatlichung nicht durchgesetzt worden. Sein Einfluß war es, der im Abgeordnetenhause in seiner Fraction die Eisenbahnverstaatlichung vorbereitet hatte. Und wie wir wissen, daß im öffentlichen Leben nur mit Undank bezahlt wird, namentlich wenn man mit den Großen der Welt zu thun hat, so ist ilun auch für diese groBe Hülfeleistung kein Dank zutheil geworden". (Ebd., S. 25.) Außerdem würdigte Bamberger Laskers Anteil am Zustandekommen der Sozialgesetzgebung. Vgl. Pflanze: Sammlungspolitik, S. 159-164,

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D. Verschärfter Kampf Bismarcks gegen den Linksliberalismus

sonders bedankte sich Bamberger bei dem ehemaligen 48er-Revolutionär und nun hochgeachteten Deutschamerikaner earl Schurz sowie bei dem früheren Botschafter der Vereinigten Staaten in Berlin, Andrew White, für ihre Ehrenbekundungen, die sie dem Toten während der Leichenfeier in New York gezollt hatten. Das amerikanische Repräsentantenhaus bezog er ebenfalls darin ein und rief der Trauergemeinde zu: "Keine amtliche Enthaltsamkeit, keine Verleugnung von oben wird das deutsche Volk des Bewußtseins berauben, daß Eduard Lasker einen großen, unvergeßlichen und wohlverdienten Platz im schönsten Theile seiner Geschichte einnimmt"77. Unter lebhaftem Beifall der Versammelten beklagte Bamberger die Abwesenheit jeglicher staatlicher Repräsentanten und ergründete sie, indem er Bismarck - wiederum ohne ihn zu nennen -, den Gedankengang unterstellte: "Der Geist Lasker's ist mir so gefährlich, daß ich ihn noch in seinem Tode nicht so ehren darf, mich ihm scheinbar zu nähem"78. Anscheinend durch den in der Presse viel besprochenen Nekrolog Bambergers ennutigt, gab das Kronprinzenpaar seine bislang streng bewahrte Reserve auf. In der ersten Februarwoche 1884 luden Victoria und Friedrich Wilhelm den sezessionistischen Abgeordneten, der stets vorsichtige Distanz zum Neuen Palais beobachtet hatte, zu einem Ball ein, der aber wegen des Todes der Prinzessin Georg von Sachsen abgesagt wurde. Doch war das Kronprinzenpaar fest zu einer "Demonstration"79 gegen den Reichskanzler entschlossen. Zwei Tage später leitete die Gattin des linksliberalen Abgeordneten Karl Schrader den Wunsch Victorias an Bamberger weiter, er möge ihr persönlich die bereits in einer kleinen Broschüre gedruckte Rede überreichen. Angesichts der Einbeziehung des Kronprinzen in die Wahlagitation der liberalen Gazetten, insbesondere der Berichte in der »National-Zeitung« über die Spanien- und ltalienreise, schien ihm dieses Unterfangen zu gewagt, so daß er auf einen Besuch in Potsdam verzichtete und sich darauf beschränkte, die Schrift durch den Hofmarschall Seckendorff zuzustellen so. Mitte Februar 1884 begegneten sich die u. Ullmann, S. 577-6D4, zu Bismarcks Verstaatlichung der Eisenbahnen und seiner Sozialversicherungsgesetzgebung. Man beachte auch H.-J. Schoeps, S. 210. 77 Bamberger: Lasker-Gedenkrede, S. 12f. Vgl. A. White, S. 127. 78 Bamberger: Lasker-Gedenkrede, S. 26f. Vgl. Zucker, S. 196, u. Schultheß (1884), S. 14. 79 Bamberger: Tagebücher (Tgb. v. 23. Feb. 1884), S. 286. Vgl. ebd. (Ein!. Fetkr), S. 45, u. Zucker, S. 196. Man beachte auch den bissigen Kommentar der "Grenzboten«: "Die Kleinlichkeit des Reichskanzlers", Bd. 43,2 (1884), S. 2f, über die Rede, "die dann auch :rum ewigen Gedächtnis der Sache gedruckt bei Brockhaus in Leipzig erscheinen mußte" (ebd., S. 3). - Diese Einladungen sowie die Audienz im Neuen Palais Anfang März 1884 legten den Grund für Bambergers Beratertätigkeit für das neue Kaiserpaar während der 99 Tage. Das Geheimnis entdeckte Bismarck nie. (Vgl. R. Weber, S. 261, u. Nichols: Year, S. 259-261.) 80 Vgl. Bamberger: Tagebücher (Tgb. v. 2. März 1884), S. 276f, u. dort die mit einem Stern versehene Anmerkung über den Schriftwechsel zwischen Henriene Schrader-Breymann und Bamberg er vom 9. Februar 1884.

r. Das Verhältnis zwischen Kronprinz und Kanzler und der Tod Laskers

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Kronprinzessin und Bamberger in Berlin zufällig in der Rauchstraße. Der Parlamentarier wollte es beim freundlichen Grüßen bewenden lassen, doch Victoria wechselte zielstrebig das Trottoir. Sie verwickelte ihn in ein längeres Gespräch und lobte seinen Nekrolog auf Eduard Lasker in den höchsten Tönen. Aus dem Munde seines Parteifreundes Schrader hörte Bamberger später, die Thronfolgerin habe mit dieser Geste gegen Bismarck aufbegehren wollen, da sie über dessen Verbot einer offiziellen Kondolenz für den Verstorbenen verärgert gewesen sei. Sofort liefen mancherlei Gerüchte durch die Hauptstadt, deren Gegenstand das für jedermann nun augenfällig schlechte Verhältnis zwischen Bismarck und dem Kronprinzenpaar war. Der oldenburgische Gesandte Friedrich von Liebe berichtete darüber mit sechswöchiger Verspätung nach Hause, ohne sich für den Wahrheitsgehalt des Geschehens zu verbürgen. "So wird erzählt"81, schrieb er, "verifici[e]ren kann ich die Sache nicht weiter. Es ist aber schon genug, daß dergleichen erzählt, und ohne Zweifel geglaubt wird"82. Von der deutschstämmigen Bevölkerung der Vereinigten Staaten, die eine als Gedächtnishilfe für Bismarcks Lasker-Reichstagsrede vom 13. März 1884 angefertige Denkschrift polemisch als Kreise "'veramerikanerter deutscher Kosmopoliten fortschrittlich-republikanischer Färbung"'83 apostrophierte, war der liberale Politiker im Jahre 1883 begeistert gefeiert worden. Freunde hatten Eduard Lasker in die hohe Gesellschaft als bekannten deutschen Parlamentarier eingeführt, und in zahlreichen Veranstaltungen hatte er sich für die Aufhebung des von den verbündeten Regierungen verhängten Importverbots für amerikanisches Schweinefleisch ausgesprochen und generell die Bismarcksche Schutzzollpolitik kritisiert. Unmittelbar nach der Überfahrt sagte er in New York in einem Interview, daß "'der Kaiser und der Reichskanzler der politischen Entwickelung Deutschlands im Wege ständen"'84. Im texanischen Galveston verLiebe an Jansen, Berlin, 30. März 1884 (StA OL, Bstd. 132-225). "Zwischen der Kronprinzessin und dem Reichskanzler soll auch nicht viel Sympathie bestehen. Es wird erzählt, die Kronprinzessin habe auf einer Spazierfahrt in der Siegesallee, als der Abgeordnete Barnberger des Weges gekommen, halten lassen, sei ausgestiegen und habe sich mit Bamberger unterhalten". (Ebd.) Man beachte zu dieser Episode auch Bamberger: Tagebücher (Tgb. v. 2. März 1884), S. 277. Unter dem Datum vorn 23. Februar 1884 hatte der linksliberale Abgeordnete stichwortartig notiert: "Kronprinzessin's starke[sl Einverständnis - Demonstration" (ebd., S.286). ID Promemoria über die Veranlassung, Entstehung und Übermittlung der Lasker-Resolution, [Berlin,l 13. März 1884 (PA BN, Vereinigte Staaten von Amerika Nr. 3, Bd. 2). Vgl. Sargent an Frelinghuysen, Berlin, 11. Feb. 1884: "A battle between the Conservatives and Liberals has taken place over the corpse of Dr. Lasker, rerninding one of that of the Greeks and Trojans over the body of Patroclus". (NA Wash., Despatches, Roll 52.) 84 Promemoria über die Veranlassung, Entstehung und Übermittlung der Lasker-Resolution, [Berlin,ll3. März 1884 (PA BN, Vereinigte Staaten von Amerika, Nr. 3, Bd. 2, Hervorh. im Orig.). Vgl. Eisendecher an Bismarck, Washington, 10. Dez. 1883 (ebd., Nr. I, Bd. 3). 01

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D. Verschärfter Kampf Bismarcks gegen den Linksliberalismus

traute er einem Journalisten an, er habe es wegen Bismarcks Abkehr von manchesterlichen Wirtschaftsprinzipien für notwendig erachtet, eine geschlossenere und energischere Opposition als in der Vergangenheit gegen den Reichskanzler einzuleiten, worüber sich dieser später - im März 1884 - im Reichstag maßlos empörte 85 . Der deutsche Gesandte in Washington, Karl von Eisendecher, berichtete dem Auswärtigen Amt über die aus Übersee vorgetragenen Angriffe. Auf Direktive Bismarcks vermied es die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« aber, sich eingehend mit den Äußerungen Laskers zu beschäftigen. Seine öffentlich verkündeten freihändlerischen Auffassungen zugunsten der Außerkraftsetzung des deutschen Einfuhrverbots für amerikanisches Schweinefleisch streifte sie in der Ausgabe vom 3. Januar 1884 nur in einem kurzen Nebensatz. Das Totschweigen der Agitation jenseits des Atlantiks begründete das Blatt mit dem lapidaren Hinweis, die Reden des sezessionistischen Abgeordneten dürften für die Leser kaum interessant sein 86. Die pressepolitische Enthaltsamkeit gab Bismarck wegen der plötzlich zu beobachtenden Lasker-Verehrung im Reich schließlich auf. Den "Schwindel"87, den Sezessionisten und Fortschrittler nach seiner Meinung mit dem Verstorbenen, der sich den eigenen Parteifreunden seit Anfang der achtziger Jahre zusehends entfremdet hatte, trieben, befahl er Ende Januar 1884 in regierungstreuen Journalen als Wahlpropaganda zu entlarven. Die Linksliberalen, so lautete die Presseinstruktion Rantzaus aus Friedrichsruh an Rottenburg, kämen dem Kanzler "mit ihrer Leichencultur vor, wie der Portugiesische König [Peter 1.)88[,) der seine Höflinge geZW\Dlgen hat, dem verwesenden Leichname der von ihnen während seiner Abwe8S Promemoria über die Veranlassung, Entstehung und Übermittlung der Lasker-Resolution, [Berlin,) 13. März 1884 (ebd., Nr. 3, Bd. 2). Vgl. Slolberg-Wernigerode: Deutschland, S. 173, der diese Äußerung falsch als Aufforderung Laskers versteht, in Zukunft energischer Front gegen den Reichskanzler zu beziehen. - Außerdem hatte der Abgeordnete in einem Brief an Forckenbeck aus Galveston vom 1. November 1883 [»Nat.-Ztg.« v. 9. Jan. 1884) prophezeit, die Führung der Zivilisation werde einst auf das demokratische Nordamerika übergehen (PA BN, Vereinigte Staaten von Amerika Nr. 3, Bd. 2). Man beachte auch »Washington Post« v. 10. Dez. 1883 [Eisendecher an Bismarck, Washington, 10. Dez. 1883) (ebd., Vereinigte Staaten von Amerika Nr. 1, Bd. 3). 86 Vgl. »NAZ« v. 3. Jan. 1884 (PA BN, Vereinigte Staaten von Amerika Nr. 1, Bd. 3). Der nur 13 Zeilen umfassende Artikel basierte auf dem Bericht Eisendechers an Bismarck aus Washington vom 10. Dezember 1883, den letzterer eigenhändig für die »NAZ« redigierte (ebd.). 87 Rantzau an Rottenburg, Friedrichsruh, 31. Jan. 1884 (BA KO, NI. Rottenburg, Nr. 5). .. Im Original stehen an dieser Stelle zwei Kreuze (XX), da sich Bismarck, als er diese Episode aus der portugiesischen Geschichte, die der Nationaldichter Luiz Camoes in den »Luisaden« (1572) besang, für einen Vergleich gebrauchte, den Namen des fraglichen Königs offensichtlich nicht vergegenwärtigte. Auch irrte er sich bezüglich des genauen Ablaufs der Ermordung von Inez de Castro: Don Pedro hatte als Kronprinz nach dem Tod seiner Gemahlin Constanza deren galizische Hofdame Inez de Castro heimlich geehelicht. Sein Vater, König Alfons IV. (1325-1357), ließ sie, um ihre Nachkommenschaft von der Thronfolge auszuschalten, im Jahre 1355 töten. Als der Kronprinz als König Peter 1. (1357-1367) den Thron bestieg, rächte er sich grausam an den Mördern seiner zweiten Ganin. (Vgl. Marques, S. 122-124, u. Allcinson, S. 102) Man beachte auch die Studie

I. Das Vemältnis zwischen Kronprinz und Kanzler und der Tod Laskers

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senheit ermordeten Geliebten des Königs, Inez de Castro, die Hand :ru küssen, während die Leiche stinkend auf dem Königsthron saß,,89.

Ferner instruierte Rantzau den Chef der Reichskanzlei, Lasker solle als "Freund des amerikanischen Schweines und der Trichine des annen Mannes"90 tituliert werden. Der Artikel wurde jedoch nicht gedruckt, weil sich die Redaktion des »Volksfreunds« weigerte, ihn anzunehmen 91, Die Reaktionen Bismarcks von Ende Januar bis März 1884, die jeder Respektsbezeigung gegenüber einem Toten entbehrten, fielen nicht allein deshalb so scharf aus, weil er Lasker haßte und in ihm »in nuce« das verhängnisvolle Streben der Opposition verkörpert wähnte, den Einfluß der Volksvertretung auf Kosten der monarchischen Institutionen zu vermehren; hinzu kam, daß die Linksliberalen die Totenfeier mit Blick auf die im Herbst des Jahres anstehenden Wahlen geschickt für propagandistische Zwecke nutzten, während der Reichsleitung noch ein zündendes Wahlkarnpfthema fehlte. Außerdem waren am Vortag der Beerdigung einige sezessionistische Parlamentsmitglieder und Freunde des Verstorbenen zusammengetroffen, um die allgemeine innenpolitische Lage zu erörtern und ihre programmatische Haltung zu den übrigen liberalen Parteien zu besprechen. Der Bruder Laskers überbrachte der Versammlung "gleichsam als Vermächtniß"92 des Verstorbenen die in der »National-Zeitung« publizierte Botschaft, "daß einzig und allein ein enges Aneinanderschließen aller liberaler Parteien zur Hoffnung auf den Sieg der liberalen Sache gegenüber den gemeinsamen Feinden berechtige"93, Auf den Tag genau mit dieser Zusammenkunft begannen, initiiert von Eugen Richter und Adalbert Hänel, die in der »National-Zeitung« angedeuteten Geheimverhandlungen zwischen der »Deutschen Fortschrittspartei« und der »Liberalen Vereinigung« über die Fusion beider Parteien. Die Neugründung sollte Anfang März 1884 die größte Fraktion und stärkste oppositionelle Kraft im Reichstag konvon Heinermann, bes. S. 3-8, über Inez de Castro und ihre tragisch endende Liebe sowie die reiche literarische Überlieferung dieses Stoffes. Vgl. ferner Seeber: Lasker, S. 171, u. Steinsdorfer: Lasker, S. 98, über das Vemältnis Laskers :ru seiner Partei. 89 Rantzau an Ronenburg, Friedrichsrnh, 31. Jan. 1884 (BA KO, NI. Ronenburg, Nr. 5). 90 Ebd. "S[eine) D[urchlaucht) wünscht, daß Sie den toten Lasker auch mal hernehmen, das heißt den Schwindel, der mit ihm getrieben wird, und dabei sagten: [... ) Nach seinem Tode wäre der ganze Schwindel mit seiner Leiche von seinen amerikanischen Schweinefreunden in Gang gesetzt, und wir in Deutschland hätten diesen amerikanischen Import willig accepti[e)rt". (Ebd.) 91 Vgl. Holstein: Papiere (Tgb. v. 2. Feb. 1884), Bd. 2, S. 78, der die Pressedirektive fälschlicherweise auf die »NAZ« bezog. Rantzau hatte schon bei der Überminlung der Presseinstruktion Rottenburg angedeutet, daß der von Bismarck angeschlagene Ton vielleicht:ru grob sei (vgl. Rantzau an Ronenburg, Friedrichsruh, 31. Jan. 1884, BA KO, NI. Ronenburg, Nr. 5). 92 »Nat.-Ztg.« v. 29. Jan. 1884 (PA BN, Vereinigte Staaten von Amerika Nr. 3, Bd. 2). Vgl. Schultheß (1884), S. 14. 91 »Nat.-Ztg.« v. 29. Jan. 1884 (PA BN, Vereinigte Staaten von Amerika Nr. 3, Bd. 2). 13 Riehl

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D. Venchärfter Kampf Bismarcks gegen den Linksliberalisrnus

stituieren, die alle ihre politischen Hoffnungen mit der bald zu erwartenden Regierung eines liberalen Kaiser Friedrichs Ill. verknüpfte 94. Hatte der Kanzler dem Verstorbenen einen letzten respektvollen Gruß verweigert, so widerfuhr Lasker auf diplomatischem Wege als "eminent German Statesman"95 eine posthume Huldigung von ganz anderer Seite. Am 1. Februar 1884 überreichte der amerikanische Gesandte in Berlin, Aaron Sargent, dem Auswärtigen Amt im Auftrag seiner Regierung eine Beileidsadresse des Repräsentantenhauses mit der Bitte, daß man in der Wilhelmstraße den Beschluß an den Reichstagspräsidenten weiterleite. In der Resolution hieß es unter anderem, Laskers "firm and constant exposition of and devotion to free and liberal ideas have materially advanced the social, political, and economic condition [of Germany] "96. Sein Tod erfülle alle Freunde der Freiheit in der Welt mit Trauer. Dem Reichskanzler, der eine Verschwörung liberaler Gesinnungsfreunde auf beiden Seiten des Atlantiks witterte, die nach seiner Überzeugung von den deutschen Anhängern Laskers angezettelt worden war, verschuf die Resolution eine willkommene Gelegenheit, den innenpolitischen Streit, den er bislang etwas hilflos verfolgt hatte, auf das Feld der Außenpolitik mit anschließender Rückwirkung auf die Innenpolitik zu verlagern. In einem Erlaß vom 9. Februar 1884 an den deutschen Gesandten in Washington befahl Bismarck, die Beileidsadresse dem amerikanischen Außenministerium zurückzugeben, damit dieses sie zu ihrem Ursprungsort, dem Repräsentantenhaus, befördere. Er freue sich zwar über jede Auszeichnung eines Deutschen im Ausland, begründete er seinen unversöhnlichen Schritt, doch die Resolution enthalte Aussagen über die Tätigkeit Laskers, die von seiner "Kenntniß des Hergangs der politischen und wirthschaftlichen Entwickelung des deutschen Volkes"97 abwichen. 94 Vgl. Seeber: Richter, S. 318f, sowie ausführlicher unten Kap. D. ill., S. 253-259, zum Zusamrnenschluß zwischen Sezessionisten und Fortschrittlern rur »Deutschen Freisinnigen Partei« mit Seitenblick auf die künftige liberale Regierung des Kronprinzen. Der Verfasser des Promemorias über die Veranlassung, Entstehung und Übermittlung der Lasker-Resolution, [Berlin,JI3. März 1884, ließ die Beantwortung der Frage offen, inwieweit die "Leiche Lasken von den Sezessionisten und Fortschrittlern benutzt worden ist, um die jetzt ins Leben getretene Einigung durchmsetzen oder zu beschleunigen" (PA BN, Vereinigte Staaten von Amerika Nr. 3, Bd. 2). 95 Schul/heß (1884), S. 20. 96 Sargent an Hatzfeldt, Berlin, 1. Feb. 1884 (PA BN, Vereinigte Staaten von Amerika Nr. 3, Bd. 1). Die vom Abgeordneten Thornas P. Ochiltree, der mit der Familie Lasker befreundet war, am 9. Januar 1884 eingebrachte Resolution ist abgedruckt in der »NAZ« vom 21. Februar 1884 (ebd.) sowie bei Snyder: Resolution, S. 50, u. in deutscher Übenetzung bei Schul/heß (1884), S. 20. Vgl. S/olberg-Wernigerode: Deutschland, S. 173f, der als Übermittlungstag der Note Sargents das falsche Datum 9. Februar 1884 angibt. 97 Bisrnarck an Eisendecher, Friedrichsruh, 9. Feb. 1884 (PA BN, Vereinigte Staaten von Amerika Nr. 3, Bd. 1). Vgl. Slolberg-Wernigerode: Deutschland, S. 174-177. - In einer Adresse an die Innung der »Handwerksmeister und Praktiker« von Marggrabowa im ostpreußischen Regierungsbezirk Gurnbinnen, worin sich Bisrnarck für deren Schreiben vom 27. Februar 1884 bedankte, sprach er von den "deutschen Urhebern" der Lasker-Resolution [»Neue Preuß. Ztg.« u. »New York

I. Das Verhältnis zwischen Kronprinz und Kanzler und der Tod Laskers

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Er sehe sich außerstande, beim Kaiser die Übermittlung an den Reichstag zu beantragen und zu verteidigen, weil er sich damit "amtlich"98 den Inhalt des Beschlusses aneigne. Mit diesem Erlaß hatte Bismarck seinen überschäumenden Zorn darüber, daß er, genötigt von einem ausländischen Parlament, in den öffentlichen Chor der Lobeshymnen über einen ihm verhaßten Gegner einfallen sollte, in eine milde, aber immer noch deutliche Form gehüllt, die Friedrich von Holstein zwar ein außenpolitisches "Meisterstück"99 nannte, jedoch ungläubiges Erstaunen in Washington hervorrief 1oo. Ursprünglich hatte Rantzau das Auswärtige Amt im Auftrage des Kanzlers zwecks Anfertigung eines Konzepts für den Erlaß an Eisendecher angewiesen, von einem "historischen Irrtum"lOl des Repräsentantenhauses zu sprechen. Lasker habe die innere Festigung des Deutschen Reiches nicht selten erschwert und behindert, indem er seinen politischen Standpunkt wie den seiner Partei über das Gemeinwohl gehoben habe. Er sei derjenige, der es zu verantworten habe, daß die Nationalliberalen, die bislang dem "parlamentarischen Leben in Deutschland die Hoffnung auf Bildung einer konstanten Majorität gewährt hätten"102, durch seine "hohe Beredsamkeit"l03 und "Unduldsamkeit"l04 nach allen Seiten hin versprengt worden seien. Lasker sei "mehr hemmend als förderlich" 105 tätig gewesen. In der Ausfertigung des Erlasses fehlten diese Schuldzuweisungen. Trotz der sehr viel maßvolleren Sprache der endgültigen Fassung, die Bismarck mit sichtlichem Behagen nach Washington schickte, stiftete das Schreiben gewaltige Unruhe in Amerika und in Deutschland. "Für unsere inneren VerTimes« jeweils v. 22. März 1884) (vgl. Kohl: Regesten, S. 306, u. Snytkr: Resolution, S. 60, dort auch Anrn. 83). Man beachte auch Vierer, Bd. 9, S. 278, zu Marggrabowa. 98 Bismarck an Eisendecher, Friedrichsruh, 9. Feb. 1884 (PA BN, Vereinigte Staaten von Amerika Nr. 3, Bd. I). Der Kanzler störte sich vor allem an der oben im Text (vgl. S. 194) zitierten Formulierung, daß Laskers "firm and constant exposition of free and liberal ideas have materially advanced the social, political and economic condition of those ix:oPle" (Bismarck an Eisendecher, Friedrichsruh, 9. Feb. 1884 [mit diesen Hervorhebungen abgedruckt in der »NAZ« v. 21. Feb. 1884], PA BN, Vereinigte Staaten von Amerika Nr. 3, Bd. I). 99 Holstein: Papiere (Tgb. v. 22. Feb. 1884), Bd. 2, S. 93. - Dem Gesandten Kar! von Eisendecher, der Bedenken wegen der Rückgabe der Lasker-Resolution anmeldete, schärfte Bismarck telegraphisch noch einmal ein, daß von einer befreundeten ausländischen Regierung kaum jemals zuvor an Deutschland das Ansinnen gerichtet worden sei, "an Verherrlichung ihrer Gegner amtlich mitzuwirken". Seine Instruktion habe Eisendecher "einfach" ausmführen. (Bismarck an Eisendecher, Teleg./Konz., Berlin, 21. Feb. 1884, PA BN, Vereinigte Staaten von Amerika Nr. 3, Bd. 1.) 100 Auf die ungläubige Nachfrage aus Washington antwortete Sargent: "I have no doubt the resolution has been sent back" (Sargent an Frelinghuysen, Teleg., Berlin, 18. Feb. 1884, NA Wash., Despatches, Roll 52). 101 Rantzau an AA, Friedrichsruh, 3. Feb. 1883 (PA BN, Vereinigte Staaten von Amerika Nr. 3, Bd. I). 102

Ebd.

103

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HM

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lOS

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D. Verschärfter Kampf Bisrnarcks gegen den Linksliberalismus

hälnlisse"106, urteilte der badische Gesandte in Berlin, Adolf Marschall von Bieberstein, am 20. Februar 1884, "ist der Vorgang immerhin beklagenswerth, denn er verschärft die vorhandenen Gegensätze und vermehrt die ohnehin schon hochgradige Verbitterung der Linksliberalen gegen den Reichskanzler" 107.

106 Marschall von Bieberstein an Twban, Berlin, 20. Feh. 1884 (GLA KA, Staatsministerium, Nr. 233-3475). Vgl. Holstein: Papiere (fgb. v. 22. Feb. 1884), Bd. 2, S. 93f, u. Spilzemberg (Tgb. v. 15. Feb. 1884), S. 204. lC17 Marschall von Bieberstein an Tuman, Berlin, 20. Feh. 1884 (GLA KA, Staatsministerium, Nr.233-3475).

n. »Kulturkampf~, Sozialistengesetz und die Rückgabe der Lasker-Resolution im Februar und März 1884

Die Entscheidung in der ersten Februarhälfte 1884, die Lasker-Resolution an das amerikanische Außenministerium zurückzusenden, fällte Bismarck zu einem Zeitpunkt, als er längst entschlossen war, die deutsche Öffentlichkeit zugunsten seiner Politik auf die Reichstagswahlen im Herbst des Jahres einzustimmen, zumal die linksliberale Opposition noch immer die Wahlrechtsdebatte im preußischen Abgeordnetenhaus über den »Antrag Stern« vom Dezember des vergangenen Jahres ausbeutete. Bereits den Besuch des Kronprinzen bei Papst Leo XIII. hatte der Kanzler damals mit der daraus zu erwartenden günstigen Wirkung auf die Klientel der »Zentrum«-Partei begründet. Empfange der oberste Kirchenhirte den protestantischen Kronprinzen, spekulierte er in einem Schreiben an Kaiser Wilhelm 1., rufe das in Deutschland bei den katholischen Wählern der unteren Gesellschaftsschichten den Eindruck einvernehmlicher Beziehungen zwischen dem Vatikan und Berlin hervor. Davon könnte die preußische Regierung profitieren. Die Führer des »Zentrums«, behauptete Bismarck, verfolgten jedoch das Ziel, ihre Wähler vom Gegenteil zu überzeugen. Die Zwickmühle, in welcher der Papst durch den überraschend angekündigten Rom-Besuch Friedrich Wilhelms saß, rechnete sich der Reichskanzler kühl zu seinem Nutzen aus. Verweigere Leo XIII. dem Thronerben die Erfüllung des Wunschs einer offiziellen Audienz, argumentierte er, erzeuge diese Ablehnung bei den deutschen Katholiken ein Gefühl des Unbehagens, weil sie annehmen müßten, der Papst hintertreibe die Verhandlungen zwischen Kurie und Preußen über die Beendigung des Kulturkarnpfes I. 1 VgL Hatzfeldt an Schlözer. Berlin. 15. Dez. 1883. über die Versuche der "Jesuitenpresse". den Besuch Friedrich Wilhehns im Vatikan als Sieg des Katholizismus über die preußische Kirchenpolitik umzudeuten (PA BN. Italien Nr. 79. Bd. 2). Man beachte auch Bismarck an Wilhe1m 1.. Friedrichsruh. 17. Dez. 1883. u. Bismarck an Friedrich Wilhehn. Friedrichsruh. 27. Dez. 1883 (ebd.). In der italienischen und der deutschen Presse lief das Schlagwort vom "'Canossa'" (Windelband: Berlin. S. 160 u. 194) der preußischen Regierung wegen der vorzeitigen Bekanntgabe des Plans. der Kronprinz reise nach Rom. um. Erst ein von Bismarck selbst verfaßter Artikel für die »NAZ« (13. Dez. 1883) machte klar. daß es sich lediglich um einen Höflichkeitsbesuch des Kronprinzen gehandelt hatte. (VgL ebd .• S. 168-170.) - Der Reichskanzierlegte größten Wert darauf. daß I.eo XIII. erst nach der Ankunft des Prinzen in Rom ausdrücklich amtlich. d. h. ohne vertrauliche Vorbesprechung seitens des deutschen Gesandten Kurd von Schloezer. gefragt werden solle. ob er diesen empfangen werde. Damit versperrte Bismarck dem Papst die Hintertür für die Ausflucht. man sei inoffiziell an ihn herangetreten. weshalb er das Ansinnen nicht positiv -beantworten könne. Er zwang den Vatikan zu einem eindeutigen Standpunkt, was für ihn. gleich ob bei Bejahung oder Ablehnung des deutschen Ansinnens. einen diplomatischen Erfolg zeitigen mußte. Die Bismarcksche Taktik. den Papst in die Enge zu treiben. verstand der Kronprinz, der sich wegen fehlender In-

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D. Verschärfter Kampf Bismarcks gegen den Linksliberalismus

Unversehens war damit der Kronprinz in die schwebenden, heiklen Kirchenfragen verwickelt worden, was sich zum Jahresende 1883 augenfällig in einem Brief Leos XIII. an ihn niedergeschlagen hatte. Darin deutete der Papst an, die Kurie erhoffe Zugeständnisse der deutschen Seite, bevor sie ihrerseits der preußischen Regierung entgegenkomme2. Aus der vermeintlichen Gefahr, grundlos in die "Schußlinie des Gefechts der Parteien"3, nämlich der kirchenpolitischen Zankereien zwischen »Zentrum« und Liberalen, zu geraten, suchte der Reichskanzler den Thronfolger zu Beginn des neuen Jahres herauszumanövrieren, obwohl er ihn selbst in diese mißliche Situation gebracht hatte. Entsprach diese Ambition vordergründig Bismarcks Maxime in jener Zeit, daß Preußen in bezug auf Kulturkampf-Angelegenheiten keinen Handlungsbedarf für Gespräche mit dem Vatikan erkenne4, verfälschte er im Grunde die Sachlage. Seine zur Schau gestellte Besorgnis über die anfechtbare Position des Kronprinzen in der Allgemeinheit entsprang in Wahrheit dem Bedürfnis, sich selbst keine Blöße zu geben. Friedrich Wilhelm befand sich in diesem Streit keineswegs zwischen den ihn angeblich zu zermalmen drohenden Mühlsteinen der Parteien, sondern hatte seit Beginn des Kulturkampfes den Standpunkt der Liberalen eingenommen. Wie die überwiegende Mehrzahl seiner Vertrauten und Anhänger aus der Fortschrittspartei, der »Liberalen Vereinigung« und der »Nationalliberalen Partei« befürwortete er die grundsätzliche Trennung von Kirche und Staat. Mit der konsequenten Anwendung dieses Prinzips hoffte er, daß sich alte, ureigene liberale kirchenpolitische Forderungen erfüllten. Obwohl er die Eskalation bedauerte, begrüßte er die antiklerikalen Maßnahmen Bismarcks, wenn auch mit der Einschränkung, er hätte in der Kulturkampf-Gesetzgebung eine andere Reihenfolge als die von der preußischen Regierung vorgezeichnete eingeschlastruktionen aus Berlin wtd einer möglichen Abfuhr seitens des Papstes in eine peinliche Situation manövriert fühlte, nicht. Zur Klärung der Angelegenheit bedurfte es eines ausgiebigen Schriftwechsels zwischen Kanzler, Auswärtigem Amt, Kaiser wtd Kronprinz, wobei sich Bismarck sogar erbot, von Friedrichsruh nach Berlin zu reisen, um Wilhelm I. persönlich die Gründe seines komplizierten Vorgehens zu erläutern. (Vgl. KardorjJ: Bismarck, S. 49; Schmüll-Vol/cmar, S. 294f, u. Windelband: Berlin, S. 150-207.) Man beachte auch Marschall von Bieberstein an Turban, Berlin, 30. Jan. 1884 (GroßMrzog Friedrich: Reichspolitik, Bd. 2, S. 234f), u. Richter am 9. Mai 1884 im Reichstag über die Wahlrechtsfrage vom Herbst 1883 im preußischen Abgeordnetenhaus (SB RT, V. Leg. IV. Sess., Bd. I, S. 498). 2 Vgl. Leo XIII. an Friedrich Wilhelrn, Vatikan, 28. Dez. 1883: "Nous attendons avec confiance cet heureux resultat de la sagesse du Gouvernement de Prusse". (PA BN, Italien Nr. 79, Bd. 3.) Man beachte auch Windelband: Berlin, S. 192f. 3 Bismarck an Hatzfeldt, Friedrichsruh, 6. Jan. 1884 (PA BN, Italien Nr. 79, Bd. 3). Vgl. Windelband: Berlin, S. 201. 4 Vgl. Hatzfeldt an Schloezer, Berlin, 15. Dez. 1883 (PA BN, Italien Nr. 79, Bd. 2), u. Hofstein: Papiere, Bd. 2, S. 47, dort Anrn. 7. In falscher - durch die Akten widerlegbarer - Darstellwtg dagegen C. Weber: Kurie, S. 37: "Einen ersten Beweis des Entgegenkommens [gegenüber Leo XIII.] gab Fürst Bismarck dadurch, daß er den Kaiser veranlaßte, dem Kronprinzen Friedrich die Weisung zu erteilen, von seiner Mission nach Madrid den Heimweg über Rom zu nehmen".

II. »Kulturkampf«, Sozialistengesetz und die Rückgabe der Lasker-Resolution

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gen5 . Die liberalen Parteien unterstützten die Politik des Kanzlers. Sie bemühten sich nicht allein den aus ihrer Sicht an das Mittelalter erinnernden "kirchlichen Obskurantismus und Autoritatismus"6 aus der modernen, zunehmend wissenschaftlich beschreibbaren Welt des 19. Jahrhunderts zu verbannen, sondern gleichzeitig, selbst wenn das im Schulterschluß mit dem Reichskanzler geschah, ihre politische Eigenständigkeit im Zeichen der erlahmenden Kraft ihrer Bewegung zu verteidigen. Nach dem Abklingen des Kulturkampfes erklärte Kronprinzessin Victoria in Reflexion liberaler Anschauungen im März 1884 dem ehemaligen Kultusminister Adalbert Fa1k: "Wir können nur durch die Aufklärung siegen. Wenn man die Schulen wieder den Geistlichen gibt, auch in unserer Kirche, dann kann von Aufklärung nicht die Rede sein"7. Generell S Vgl. Sybel an Baumgarten, Berlin, 11. April 1873 (HeyderhojJ1Wefltzcke, Bd. 2, S. 77). Man beachte auch Friedrich Wilhelm an Kar! von Rumänien, [Berlin, März 1874]: "Mir ists leid, daß es dazu [d. h. dem Kulturkampf] kommen mußte, aber vorhergesehen habe ich es, weil die seit dreißig Jahren eingerissene Art, sich auf die Forderungen Roms lieber nachgiebig als fest m verhalten, nicht länger fortdauern konnte". (FruuJrich /11.: Briefe, S. 358.) - Heinrich Friedberg, preußischer Justizminister und mgleich enger Berater des Kronprinzen, "verkörperte den Typ des liberalen Kulturkämpfers" (Birke: Entwicklung, S. 273), der in der Politik und den Dogmen der katholischen Kirche eine Gefährdung der staatlichen Ordnung sah. • Sheehafl, S. 162. Ähnlich Born: Reichsgründung, S. 49: Der liberalismus "glaubte an den Sieg des wissenschaftlichen lichtes gegenüber mittelalterlicher Gebundenheit und fanatischem Aberglauben". Man beachte auch Schmidl-Vo/lcmar, S. 212-215. Siehe ferner Morsey: Katholiken, S. 34, daß sich die »Zentrum«-Partei als "Kampfansage an den liberalismus" konstituiert habe. 1 Falk (Tgb. v. 18. März 1884), S. 689. Dem französischen Botschafter Gontaut-Biron sagte Victoria, sie "wolle die Freiheit für alle. 'Ich wünsche sie voll und ganz für die Katholiken, [... ] aber dann ist es unmöglich, daß sie den Freidenkern vorenthalten werde"'. (GOfllauJ-Birofl, Tgb. v. 6. April 1877, S. 631.) Vgl. Seier, S. 415: Friedrich Wilhelrns "romkritischer Freiheitsrigorismus" forderte im Grunde ein sehr viel strengeres Vorgehen gegen die katholische Kirche. Man beachte auch W. Richter: Friedrich IIl., S. 267, bezüglich der Romreise Fric;drich Wilhelms, "daß [dies]er den Abbruch des Kulturkampfes in einem Stadium, in dem er für den Staat nicht günstig stand, für fehlerhaft hielt". Siehe ferner Herre: Friedrich m., S. 212, der die Position des Kronprinzen "zwischen der Toleranz eines Fortschrittsgläubigen gegenüber Kirchengläubigen und der freisinnigen Doktrin einer kirchenfreien, verweltlichten Kultur" schwankend charakterisiert. Vgl. Fa/k (Tgb. v. 27. Sept. 1878 u. 19. März 1884), S. 542-545 bzw. 688-691; W. Richter: Friedrich m., S. 264-268; SchmidlVollcmar, S. 82 u. 251; Bornlcamm, S. 273-275, mr energischen Stellungnahme des Kronprinzen für das Schulaufsichtsgesetz und zum Konflikt zwischen Falk und Bismarck, wobei Friedrich Wilhelm auf Seiten des Kultusministers stand, der im Gegensatz zum Reichskanzler der bisherigen unnachgiebigen linie treu bleiben wollte. Falsch dagegen Wo/be, S. 223: "Gern hälte der Thronfolger [1878] durch eine freundliche Kundgebung dem Kulturlcampf ein Ende gemacht". - Im GroBherzogtum Baden hatte Franz von Roggenbach, ein liberaler Ratgeber des Kronprinzen, von 1860 bis 1865 die Auseinandersetzung mit der Kirche geführt (vgl. den Aufsatz von GaU: Problematik, bes. S. 156-176). - Man beachte auch Birke: Bischof, S. 89-97; Bornkamm, S. 46-54 u. 287-294; Schraep/er, S. 532; W. Becker: Kulturkampf, S. 428; Faber, S. 224; Laflgewiesche: liberalismus, S. 180-187; W. Mommsefl: Kaiserreich, S. 254, dort Anm. 31; Born: ReichsgTÜndung, S. 83-88, u. G. Rein, S. 255-259, m den Positionen der liberalen Parteien, deren Wähler und Volksvertreter vornehmlich Protestanten waren, und den Motiven Bismarcks für den Kulturkampf. - Der Begriff »Kulturkampf« wurde bezeichnenderweise von Rudolf Virchow als "Antwort auf klerikale Verdunkelungstendenz[enl" (Bauer, S. 97), besonders in Hinsicht auf die damals äußerst umstrittene

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D. Vem:härlter Kampf Bisrnarcks gegen den Iinksliberalisrnus

hatte Eduard Lasker es einmal als Ehrgeiz seiner Partei bezeichnet, die Etablierung einer "konservativ-klerikale[n] Ära"8 unter der Ägide Bismarcks zu vereiteln. Unter umgekehrten Vorzeichen instrumentalisierte der Kanzler den Konflikt mit der Kirche - neben einer Fülle anderer Motive 9 - als Einrahmungs- und Zähmungsstrategie liberaler Emanzipationsbestrebungen. Führte er den Kulturkampf Beifall heischend auch mit Blick auf den Kronprinzen, um für den Fall des Thronwechsels über einen gemeinsamen programmatischen Nenner und eine Verständigungsbasis zu verfügen lO, bedauerte Friedrich Wilhelm die seit 1879/80 eingeleitete Versöhnungspolitik der Regierung gegenüber »Zentrum« und Kurie und - einem Parallelogramm der Kräfte ähnelnd - deren gleichzeitige Abkehr von den Liberalen. Die Verhandlungen im preußischen Abgeordnetenhaus über das dritte Milderungsgesetz im Juni und Juli 1883 verachtete der Kronprinz als Einlenken und inkonsequentes, prinzipienloses Zurückweichen von ehemals vehement verfochtenen Standpunkten 11. Evolutionstheorie Charles Darwins, zu deren Anhängern sich der Arzt und liberale Parlamentarier zählte, geprägt (vgl. Bussmann: Virchow, S. 283). - Man beachte auch Besier, S. 478-484, zu fundamentalen Meinungsunterschieden zwischen Kronprinz und Kanzler über die protestantische Kirchenpolitik in Preußen. Ebenso wie der »Protestantenverein« war Kronprinz Friedrich Wilhelm bemüht, "etwas liberales Gedankengut in die evangelische Kirche Preußens hineinzutragen". "Darum hoffte man in protestantisch-liberalen Kreisen auf den baldigen Regierungsantrin Friedrich Wilhelrns ebenso, wie man diesen in konservativen Kreisen fürchtete". (Ebd., Zitate jeweils auf S. 482 u. 483.) 8 Lasker an Miquel, Berlin, 29. Juni 1879 (Heyderho/JIWentzcke, Bd. 2, S. 249). 9 Vgl. beispielsweise W. Baumgart: Prolog, S. 297-325. 10 Vgl. Stürmer: Staatsstreichgedanken, S. 581. Man beachte auch die ungewöhnlich intensive Berichterstanung des Reichskanzlers in Kulturkampffragen an den Thronfolger (Bisrnarck an Friedrich Wilhelrn, Varzin u. Berlin, 23. Aug. 1881 bzw. 19. Dez. 1882, Bismarclc GW, Bd. 6c, S. 222224 bzw. 266-268). Siehe ferner Rich, S. 13lf. 11 Vgl. die Rüge Friedrich Wilhelrns anIäßlich der kirchenpolitischen Debatten im preußischen Abgeordnetenhaus: "Ich schäme mich, daß Bisrnarck schon so klein beigibt, denn wozu erst den Kampf mit den Jesuiten aufnehmen, wenn man nach zehn Jahren ihn schon wieder fahren läßt" (fgb. Friedrich Wilhelrns v. 27. Juni 1883, GStAPK Abt. MER, HA, NI. Friedrich ill., Rep. 52 F I Nr. 7w). Ähnlich meinte der Thronerbe zu Adalbert Falk im Jahre 1884: "'Die Jesuiten beherrschen alles, das sind unsere gefährlichsten Gegner, ihre Macht ist größer denn je'" (Falk, Tgb. v. 19. März 1884, S. 689). Man beachte auch den Brief des Kronprinzen an Victoria, Amberg, 8. SepL 1884, worin seine zwiespältige Haltung gegenüber dem »Zentrum« deutlich wird: "Vor wenigen Tagen I... ] tagte hier eine Katholiken[-]Versammlung schwärzesten Anstrich'sI,] auf welcher Windthorst die Hauptperson war uInd] auch zum Ehrenbürger des Orts erwählt ward. Es ging durch die Hauptrede der Haß gegen die Freimaurerei und Feindschaft gegen die Liberalen I... ] - u[nd] heute jubelt mir die Bevölkerung mit ungeheuchelter Herzlichkeit in den Straßen wie auf dem Lande zu, u[nd] bringt mir Abends einen Fackelzug!" (Schi. Fasan., NI. Friedrich ill.) Siehe ferner Eulenburg-Hertefeld an Bismarck, München, 21. SepL 1883 (PA BN, Bayern Nr. 50, Bd. 5). Vgl. den Artikel, den der Kronprinz aus der »Voss. Zlg.« ausschnin IDld mit der Überschrift "Zu Bismarck's Kampf mit »Ultramontanismus« und »SocialI-]Democratie« versah: "Die Erkenntniß der geschichtlich erwiesenen Thatsache, die man in gewissem Sinne als das leitende Princip des liberalismus bezeichnen kann, daß geistige Kämpfe nicht mit polizeilichen Mitteln ausgefochten werden können, schien fast ganz in Vergessenheit gerathen zu sein". (fgb. Friedrich Wilhelrns v. 5. Nov. 1884, GStAPK Abt.

Ir. »Kulturlc:arnpf«, Sozialistengesetz und die Rückgabe der Lasker-Resolution

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Entgegen diesen kompromißfeindlichen Vorstellungen empfahl Bismarck dem Thronfolger und dem Auswärtigen Amt Anfang Januar 1884, in freundlichem Ton, in der Sache aber unverbindlich, auf das päpstliche Schreiben vom Vormonat zu reagieren. Leo XIII. "eine harte Antwort zu geben" 12, schätzte der Kanzler als unklug ein, da sie "lediglich bei den liberalen Parteien im Lande Anklang finden würde" 13. Einen Wettbewerb zwischen der preußischen Regierung und ihren fortschrittlich-sezessionistischen Gegnern, die um die Romfahrt großes Aufheben gemacht und sich eifrig - wenn auch letzten Endes vergebens - bemüht hatten, Friedrich Wilhelm die Audienz beim Papst auszureden, wollte Bismarck vermeiden. Andererseits mußte er das Möglichste unternehmen, um einen Rückschlag in den gegenseitigen Beziehungen auszuschließen, da der Kronprinz in diesem Falle das Gesicht verloren und die Schuld dafür ihm angelastet hätte. Ebenso suchte der Kanzler einer Überflügelung seiner Kirchenpolitik durch die Liberalen vorzubeugen, indem er den Thronerben auf die Aussichtslosigkeit aller Verhandlungen mit Rom hinwies 14. Dieses komplizierte Taktieren war gerechtfertigt. Als der Kronprinz seiner Mutter, die den rheinischen und schlesischen Katholizismus protegierte, für die Indiskretionen des Madrider Telegramms Rede und Antwort stehen mußte, ermutigte ihn Karl von Normann: "'Lassen Sie sich die konservativ-klerikalen Angriffe nicht anfechten. Worauf Sie sich stützen, das ist die große liberale und nationale Partei; es ist ganz in Ordnung, daß diese genauer und früher als die anderen Parteien unterrichtet ist'" 15. Bismarck wiederum ärgerte sich darüber, daß der Papst seinen Brief von Ende Dezember 1883 weder an den Kaiser noch an ihn, den verantwortlichen Leiter der Außenpolitik oder an eine offlZieUe preußische SteUe, MER, H.A., NI. Friedrich ill., Rep. 52 F I Nr. 7x.) - Gegen die Stimmen der Nationalliberalen war das drine Milderungsgesetz arn 25. luni 1883 verabschiedet worden (vgJ. C. Weber: Politik, S. 89f; Franz: Kulturlc:ampf, S. 260-265, u. SchmidJ-Vo/kmar, S. 291f). 12 Bismarck an Hatzfeldt, Friedrichsruh, 6. lan. 1884 (PA BN, Italien Nr. 79, Bd. 3). 13 Ebd. - Ganz im Sinne seiner liberalen Kulturlc:ampfgesinnung lehnte der Kronprinz eine warmherzigere Fassung des Schlußsatzes des Antwortschreibens ab, obwohl der Reichskanzler die Änderung, wenn Friedrich Wilhelm sie gewünscht, gutgehießen hätte (vgl. Winde/band: Berlin, S. 201-204). 14 Vgl. Hatzfeldt an Schloezer, Berlin, 15. Dez. 1883: "S[eine] K[aiserliche] H[oheit] kann eine Mission nur übernehmen, wenn der Erfolg einer solchen ganz zweifellos iSL Eine sachliche und diplomatische Bemühung des Kronprinzen, welche gar keinen oder einen von unserer öffentlichen Meinung gemißbilligten Erfolg hätte, müßte in ihrer Rückwirkung den Kronprinzen nicht nur der Kurie[,] sondern auch denjenigen gegenüber versetzen, welche den hohen Herrn in die Lage gebracht hänen[,l eine diplomatische Niederlage zu erleiden"_ (PA BN, Italien Nr. 79, Bd. 3, Hervom. im Orig_) Man beachte auch Bisrnarck an Friedrich Wilhelrn, Friedrichsruh, 27. Dez. 1883 (ebd., Bd. 2). Siehe ferner Bisrnarck an Hatzfeldt, Friedrichsruh, 6. Jan. 1884: "Der Erbe der Krone kann sich auf Verhandlungen nur dann einlassen, wenn ein glatter und ruhmreicher Ausgang gesichert ist; die mit Rom aber sind end- und erfolglos!" (EIx1., Bd. 3.) Vgl. Winde/band: Berlin, S. 196f u.20lf. IS Holstein: Papiere (fgb. v. 16. lan. 1884), Bd_ 2, S. 64.

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D. Verschärfter Kampf Bismarcks gegen den linksliberalismus

sondern an den Kronprinzen adressiert hatte. Einen weiteren Prestigegewinn Friedrich Wilhelms, der vielleicht aus seinen direkten Verhandlungen mit der Kurie resultiert und sich nahtlos an den der Spanien- und Italienreise angeknüpft hätte, mißgönnte er ihm offensichtlich. Außerdem war die Person des Kronprinzen in jenen Januartagen der Ausgangs- und Kulminationspunkt einer in der »National-Zeitung« und im »Reichsfreund« vehement vorgetragenen antibismarckschen Wahlpropaganda l6, so daß sich der Reichskanzler seinen Feinden mit dem Aufrühren der diffizilen Kulturkampfproblematik wohl nicht einer noch mächtigeren Agitationswelle ausliefern wollte. Der deutsche Gesandte im Vatikan, Kurt von Schloezer, sollte daher Kardinal Lodovico Jacobini, so die Instruktion aus Friedrichsruh an das Auswärtige Amt, zu verstehen geben, daß das besagte Schreiben des katholischen Kirchenoberhaupts in Berlin Befremden ausgelöst habe: "Der Papst habe zwar keine Kinder und könne sich deshalb die Situation vielleicht nicht ganz klarmachen; er würde sich aber doch vielleicht wundem, wenn ein Souverän mit dem präswnptiven Nachfolger seiner Heiligkeit über amtliche Geschäfte korrespondieren wollte, und das unangenehme Gefühl begreifen, welches jeder bejahne Souverän empfinden müßte, wenn man mit seinem Nachfolger über seinen Kopf hinweg über Geschäfte vemandle,,17 .

Auch Friedrich Wilhelm bemerkte sehr schnell, daß man ihn nach seinem kurzen Ausflug in die hohe Diplomatie wieder vom politischen Tagesgeschäft abschotten wollte l8 . Aus Verdruß über die mangelhafte wahlagitatorische Tätigkeit und pressepolitische Indifferenz des preußischen Kultusministeriums in Anbetracht der unaufhörlichen Angriffe der katholischen Zeitung »Germania«, die ihn persönlich attackierte und als "kirchenfeindlich und stets liberal" 19 denunzierte, verfügte Bismarck Anfang Februar 1884, daß in der Reichskanzlei Artikel mit Spitze gegen das »Zentrum« verfaßt werden sollten. Windthorst und seine Parteifreunde, lautete die Direktive Rantzaus, seien wegen wahl taktischer ErwäVgl. oben Kap. D. I.,S. 174-178. Rantzau an AA, Friedrichsruh, 16. Jan. 1884 (PA BN, Italien Nr. 79, Bd. 3). Vgl. Winde/band: Berlin, S. 204. 18 Vgl. Ampthill an Granville, Berlin, 5. Jan. 1884, über die Südeuropa-Reise Friedrich Wilhelms, der - offensichtlich in Anspielung darauf - zu ihm gesagt habe: "He had no instructions whatever from the Emperor, and that politics and »Modus Vivendi« were not alIuded to by himself' . (Leu. Berl. Emb., S. 311.) Man beachte auch Roggenbach an Stosch, Segenhaus, 3. Feb. 1884 (Roggenbach,S.2240· 19 Luciws von Ballhawsen (fgb. v. 10. Jan. 1884), S. 282. Vgl. Baur-Breitenfeld an Minnacht, Berlin, 9. Feb. 1884, zu einer Abstimmungsniederlage Kultusminister Goßlers im preußischen Abgeordnetenhaus, wo man über die Festlegung von Details der Kulturltampfgesetzgebung stritt (HSIA S, E 73 Verz. 61, Fasz. 126, provisor. Nr. D 124). 16 17

ll. »Kulturkampf«, Sozialistengesetz und die Rückgabe der Lasker-Resolution

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gungen daran interessiert, den Kulturkampf wiederaufzunehmen. Für die Machtposition und "eigene Fractionsherrschaft"20 der großen Mittelpartei sei es vorteilhaft, wenn sie ihre Wähler gegen die Regierung aufwiegele. Der eigentliche Staatszweck bestehe jedoch nicht im Parteienstreit, der für das Wohl des "vaterländischen Gemeinwesens"21 schädlich sei. Nach Willen des Reichskanzlers sollte Rottenburg den Beitrag in der »Post« oder in der »Kölnischen Zeitung« plazieren, damit er für das große Publikum den Anschein liberalen Ursprungs erwecke22. Suchte Bismarck auf diese subtile Weise Zwietracht unter seine Gegner zu säen und alte Feindschaften zwischen Katholiken und dem freisinnigen protestantischen Bürgertum zu beleben, wandte sich die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« nun auch direkt gegen die Linksliberalen. Zunächst tat sie das verhalten, indem sie den österreich ischen Sprachenstreit kommentierte. Die Parlamentarier des befreundeten Nachbarlandes debattierten über den Antrag des Abgeordneten Ladislaus Wurmbrand-Stuppachs bezüglich der "'allgemeinen Rechte der Staatsbürger[,] einen Gesetzentwurf einzubringen, wodurch unter Festhaltung der deutschen Sprache als Staatssprache der [liberalere] Gebrauch der landesüblichen Sprachen in Amt, Schule und öffentlichem Leben"'23 gegenüber denen der Minderheiten geregelt werden sollte 24. Während der Verhandlungen behauptete der Abgeordnete Eduard Sturm, Bismarck habe die Deutschen in Österreich wegen ihrer allzu positiven Einstellung zur früheren liberalen Regierung getadelt. Die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« pflichtete diesem Standpunkt grundSätzlich bei, präzisierte jedoch die Ausführungen des Parlamentariers. Entsprechend der Abneigung Bismarcks gegen die "Scheingefechte und künstliche[n] Manöver"25 in den Volksvertretungen, die seit Dezember 1883 verstärkt an den Tag trat, hieß es im Sprachrohr des Reichskanzlers, gerade die Deutschen in Österreich seien "in Treue gegen den Monarchen, ihren angestammten Kaiser"26 berufen, die monarchi20 Rantzau an Rottenburg, Friedrichsruh, 4. Feb. 1884 (BA KO, NI. Rottenburg, Nr. 5). Ebenfalls als Abschrift - mit Ungenauigkeiten in der Entzifferung - in BA KO, NI. Bismarck, FC 2977N, vorhanden. Vgl. andeutungsweise Naujoks: Organisation, S. 76f, zum allgemeinen Stellenwert der Reichskanzlei in der Pressearbeit Bismarcks. 21 Rantzau an Rottenburg, Friedrichsruh, 4. Feb. 1884 (BA KO, NI. Rottenburg, Nr. 5). 22 Ebd. "Bedauerlich für die Zeit und Arbeitskraft des Landtages und für den Credit des ganzen parlamentarischen Systems, auf welches wir angewiesen sind, blieben aber immer solche Scheingefechte und künstlichen Manöver, die keinen anderen Zweck hätten, als das Land in Aufregung zu werfen, um diese bei den Wahlen für sich und die eigene Fractionsherrschaft auszubeuten". (Ebd.) Vgl. Woller: Krise, S. 147, zur Pressekampagne des Auswärtigen Amts vom April 1875, in der beide Blätter verwendet worden waren. 23 Schultlleß (24. - 29. Jan. 1884), S. 142. 24 Ebd., S. 142-144, zusammenfassend über die Sprachendebatte vom 24. bis 29. Januar 1884. 25 Rantzau an Rottenburg, Friedrichsruh, 4. Feb. 1884 (BA KO, NI. Rottenburg, Nr. 5). 26 »NAZ« v. 6. Feb. 1884 [Szechenyi an Katnoky, Berlin, 6. Feb. 1884) (HHStA W, PA m, Nr. 125).

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D. Verschärfter Kampf Bismarcks gegen den linksliberalismus

schen Werte zu verteidigen. Die Dynastie repräsentiere das verbindende Prinzip, wogegen die parlamentarischen Kämpfe Auflösung und Trennung bedeuteten. Die Liberalen und ihre Anführer in der Doppelmonarchie würden, wenn sie regierten - was nach Bismarckscher Auffassung analog auf die Zustände im Deutschen Reich anwendbar war -, das Abgleiten in die Anarchie nicht verhindern können 27 . Auch die zu Beginn des Jahres 1884 anstehende Entscheidung Preußens bzw. der anderen Bundesstaaten, ob das nach sechsjähriger Gültigkeit im Oktober 1884 ablaufende Sozialistengesetz zum zweiten Mal zu verlängern sei, gedachte Bismarck als schneidende Waffe gegen den Linksliberalismus zu gebrauchen. Damit bediente er sich einer ähnlichen Taktik wie bei den vorangegangenen Reichstagswahlen. 1881 hane er die Losung in der Reptilienpresse verbreiten lassen, man habe sich zu entscheiden, ob man mit den Sozialdemokraten kooperieren oder sie gewaltsam unterdrücken wolle. Bei Stichwahlen seien die sozialdemokratischen Kandidaten denen der Fortschriuspartei vorzuziehen, wie überhaupt die Arbeiterpartei der Regierung politisch sympathischer als der Linksliberalismus sei 28. Die Wahlen zum Berliner Stadtverordnetenhaus vom Oktober 1883 fanden unter ähnlichen Bedingungen statt. Nachdem die Sozialdemokraten in der dritten Zensusklasse sensationell fünf Mandate im Roten Rathaus errungen hatten, erhob der linksliberale Parlamentarier Rudolf Virchow im Dezember 1883 massiv Anklage gegen die preußische Regierung. Sie habe der "sozialistischen Wahlbewegung aus politischen, speziell gegen die Fortschrinspartei gerichteten Rücksichten, ganz im Wider27 EIxi. Die Einmischung Bismarcks in innerösterreichische Angelegenheiten war keineswegs ein singulärer Akt. Bereits 1881 hatte ein enger Mitarbeiter des Kanzlers im Auswärtigen Amt, der Vortragende Rat Lothar Bucher, dem Schriftsteller Moritz Busch über einen ähnlich gelagerten Fall erzählt: "Der Chef läßt Artikel schreiben gegen die abgewirtschafteten liberalen Parlamentarier in Wien mit Nutzanwendung auf uns[e]re Gesellschaft" (Busch: Tagebuchblätter, Tgb. v. 10. Juli 1881, Bd. 3, S. 47). Staatsschädigendes Verhalten hatte Bismarck der »Deutschliberalen Partei« Österreichs erst wenige Wochen vor der Diskussion des Wurmbrandschen Antrags vorgeworfen. Im Dezember 1883 sagte er zu seinem Hausarzt Eduard Cohen, "in Österreich hätten die [liberalen] »Herbstleute« der deutschen Sache sehr geschadet, da sie den Kaiser [Franz Josef] erbitterten" (Bismarck: Jahrhundert-Ausgabe, Gespräch mit Cohen v. 14. Dez. 1883, S. 61, dort auch Anm. 37, u. S. 62). Man beachte auch Franz: liberalismus, S. 318f. 28 Vgl. H. v. Bismarck an Rantzau, Varzin, 29. Okt. 1881 (H. 1/. Bismarck: Privatkorrespondenz, S. 108f), u. ebd. (Einl. Bussmann, S. 20f). Man beachte auch Wehler: Imperialismus, S. 190, daß Bismarck im Jahre 1881 die "Sozialistenfurcht vornehmlich als Vehikel antiliberaler Wahlpolitik" benutzte. - Zu den Stichwahlen im Kaiserreich, also Nachwahlen, wenn ein Kandidat die absolute Mehrheit in einem Wahlkreis verfehlt hatte, vgl. Fenske: Strukturprobleme, S. 68-79, u. Fenske: Wahlrecht, S. 115-134. Huber: Verfassungsgeschichte, S. 869, beschreibt treffend die Zwangslage des Wählers, zwischen einem größeren oder kleineren Übel entscheiden zu müssen: "Das Stichwahlsystem führte im Bismarckschen Reich häufig dazu, daß man sich als Wähler veranlaßt sah, einem Kandidaten die Stimme zu geben, dessen politische Anschauungen man durchaus nicht teilte, wenn nämlich in der Stichwahl nur noch zwei Kandidaten im Rennen lagen, die man beide ablehnte". - Siehe ferner Zucker, S. 198f; Pack, S. 136, u.l. Lorenz, S. 131, dort Anm. 9.

II. »Kulturkampf«, Sozialistengesetz und die Rückgabe der Lasker-Resolution

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spruche zu ihrer sonstigen Vorgangsweise[,] freie Hand gelassen"29, grollte er, ja sogar ihre Beamten zur Stimmabgabe zugunsten der Sozialdemokratie ermuntert und die "sozialistische Partei in diesem Falle als Bundesgenossen im Kampfe gegen den Fortschritt benützt"30. Lakonisch erwiderte die offiziöse »Provinzial-Correspondenz«, der Gang zu den Wahlurnen sei politisch unbedeutend gewesen. Für die Regierung habe deshalb kein Anlaß bestanden, in den Wahlkampf einzugreifen oder gegen die Sozialdemokratie vorzugehen, da diese keine Gesetze gebrochen habe 31 . Im Unterschied zu der Handhabe bei den Berliner Kommunalwahlen beabsichtigte Bismarck im Januar 1884, sich einen Schritt weiter vorzuwagen. Auf Weisung aus Friedrichsruh erwog der Staatssekretär des Innem, Karl von Boetticher, im preußischen Staatsministerium auf die Repressivrnaßnahmen gegen die Sozialdemokratie zu verzichten, falls die Oppositionsparteien das Unfallversicherungsgesetz im Reichstag zu Fall brächten, "damit die liberale Bourgeoisie von ihren fortschrittlichen Neigungen durch die Furcht vor der Sozialdemokratie geheilt werde"32. Um den Kaiser nicht zu brüskieren, der das 29 Szechenyi an Kalnoky, Berlin, 27. Okt. 1883 (HHSIA W, Botschaftsarchiv Berlin, Nr. 148). "Von Seiten der Behörden ist bei diesem Anlasse der Wahlagitation in Arbeiterkreisen keine einengende Schranke auferlegt worden" (ebd.). Vgl. SzecMnyi an Kalnoky, BerJin, 20. Dez. 1883 (ebd.), u. Virchow am 5. Dez. 1883 (SB AH, S. 201). Man beachte auch die "Übersicht über die allgemeine Lage der sozialdemokratischen und revolutionären Bewegung", Berlin, 4. März 1884 (Dok. Geh. Arch., S. 215). 30 Szechenyi an KaJnoky, Berlin, 27. Okt. 1883 (HHSIA W, Botschaftsarchiv Berlin, ~r. 148). Im Reichstag griff Eugen Richter die Vorwürfe Virchows am 9. Mai 1884 auf und attackierte Bismarck: "Jeder Unbefangene [muß) den Eindruck gewinnen, daß es dem Herrn Reichskanzler weit mehr um Bekämpfung der Fortschrinspartei oder der freisinnigen Partei zu thun ist, als der Sozialdemokratie, (sehr richtig! links) daß nicht das Sozialistengesetz das eigentliche Ziel seines Angriffes ist, sondern indem er schloß, wer die Sozialisten bekämpfen ·will, wähle vor allem keine freisinnigen oder fortschrittlichen Abgeordneten, daß seine Angriffe ein höheres Ziel haben, daß sie jetZl, wie damals [d. h. 1878), gegen uns gerichtet sind". (SB RT, V. Leg. IV. Sess., Bd. I, S. 498.) 31 VgJ. Szechenyi an Kalnoky, BerJin, 20. Dez. 1883, unter Bezugnahme auf die »Provinz.Corr.« v. 19. Dez. 1883 (HHSIA W, Botschaftsarchiv BerJin, Nr. 148). - Man beachte auch Mehring, S. 583f, :ru den Kommunalwahlen: Danach durchschaute der »Sozialdemokrat« den antiliberalen Kurs der preußischen Regierung sehr genau. Man "wolle die Arbeiter dressieren, daß sie einmal gegen den Liberalismus als Wadenkneifer losführen und dann wieder, wenn ihnen gepfiffen würde, gehorsam kuschten". Siehe ferner LidJke, S. 175: "Around 1883-1884, the authorities softened their implementation of the Socialist Law". VgJ. "Übersicht über die allgemeine Lage der sozialdemokratischen und revolutionären Bewegung", BerJin, 4. März 1884 (Dok. Geh. Arch., S. 214 u. dort Anm. 8). - Man beachte dazu auch Richter am 9. Mai 1884 im Reichstag: "Eine Auflösung wegen des Sozialistengesetzes bedeutet in jedem Falle mindestens die Verdoppelung der soziademokratischen Abgeordneten in der nächsten Session". (SB RT, V. Leg. IV. Sess., Bd. 1, S. 499.) 32 Lucius von Ballhausen (fgb. v. 10. Jan. 1884), S. 280. VgJ. Baur-Breitenfeld an Minnacht, Berlin, 7. Feb. 1884: Der Reichskanzler habe "vor einiger Zeit" der Idee nachgehangen, die "Wahlen unter dem Eindrucke des zu vergegenwärtigenden Aufblühens der Socialdemokratie vornehmen zu lassen in der Hoffnung, daß die :ru erwartenden Siege dieser Partei alsdann einen heilsamen Rückschlag auf die Ansichten der anderen Parteien ausüben werden". (HSIA S, E 73 Verz.

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D. Verschätfter Kampf Bismarcks gegen den Linksliberalismus

Programm der Arbeiterpartei als unmittelbar staatsgefährdend wähnte und sich durch ihre Aktivitäten im wahrsten Sinne des Wortes persönlich betroffen fühlte, weil die vermeintlichen Sozialisten Max Hödel und Karl Nobiling in kurzer Folge Attentate auf ihn verübt hatten 33, änderte der Reichskanzler seine Ansicht. Ende Februar 1884 votierte er für die Verlängerung des Gesetzes um zwei Jahre, während seine Kabinettskollegen zum Teil für erheblich längere Fristen plädierten. Am 1. und 8. März 1884 stellte Boetticher in seiner Eigenschaft als preußischer Staatsminister ohne Portefeuille die entsprechenden Anträge des Königreichs im Bundesrat und im Reichstag 34• Doch bis in den Mai 1884 hinein erwog Bismarck den Gedanken, ein Scheitern der Vorlage als willkommenen Vorwand zu benutzen, um das }}widerspenstige« Parlament aufzulösen und vorzeitige Neuwahlen auszuschreiben. Diese Absicht ließ er über 61, Fasz. 126, provisor. Nr. D 124.) Man beachte auch Marschall von Bieberstein an Turban, Berlin, 2. März 1884, daß Bismarck das Gesetz nicht verlängern wollte, um "einen für den Ausfall der Wahlen sehr heilsamen Schrecken in der »Bourgeoisie« hervorzurufen [... ]. Die Bourgeoisie, argumentierte er, und speziell die der großen Städte, welche aus dem Sozialistengesetz die größten Vorteile für sich zieht, aber stets fortschrittlich und demokratisch wählt, hat ein viel größeres Interesse an der Aufrechterhaltung desselben als die Regierung; zeigt die letzte kein Interesse an der Verlängerung, so wird die Bourgeoisie der großen Städte bei den Wahlen sich in ihrer Besorgnis den Kandidaten zuwenden, von welchen die Verlängerung des Gesetzes zu erwarten steht". (Großherzog Friedrich: Reichspolitik, Bd. 2, S. 238.) Ähnlich Marschall von Bieberstein an Turban, Berlin, 20. Feb. 1884 (ebd., S. 237). Siehe ferner Crailsheim an Ludwig II., Berlin, 25. April 1884, über sein Gespräch mit Boetticher. Der Reichskanzler habe den Gedanken ausgesprochen, eine Zeitlang ohne das Sozialistengesetz zu regieren, um zu demonstrieren, wohin man auf diesem Wege gerate. (HSrA M, Abt. II MA, Nr. 76252.) 33 Vgl. Kieseweller, S. 88f; Pack, S. 136; Lidtke, S. 70 u. 72, u. GaU: Bismarck, S. 564. - Als Kaiser Wilhelm I. die Bundesratsgesandten zusammen mit dem Präsidium des Reichstags und des preußischen Landtags zu seinem 87. Geburtstag am 22. März 1884 empfing, sagte er: "Daß die Pläne der Socialisten den Umsturz der Monarchie bezweckten, sei hinreichend erwiesen. Er persönlich habe dafür bluten müssen und betrachte den Widerstand gegen ein Gesetz, das die Wiederholung solcher Unthaten verhüten solle, als einen gegen seine Person gerichteten Angriff'. (Krüger an Petersen, Abschr., Berlin, 22. März 1884, SrA HH, a. I 3, Bd. 4.) Ähnlich Neidhardt an das hess. Staatsministerium, Berlin, 22. März 1884 (StA DA, Abt. G I, Konv. 81, Fasz. 2); OldenbUTg (Tgb. v. 22. März 1884), S. 84f; Marschall von Bieberstein an Turban, Berlin, 22. März 1884 (Großherzog Friedrich: Reichspolitik, Bd. 2, S. 245); Baur-Breitenfeld an Mittnacht, Berlin, 22.f23. März 1884 (HStA S, E 73 Verz. 61 Fasz. 126, provisor. Nr. D 124), u. Liebe an Jansen, Berlin, 23. u. 30. März 1884 (StA OL, Bstd. 132-225). 34 Vgl. Pack, S. 137 u. dort Anm. I, u. Rantzau an Ronenburg, Friedrichsruh, 28. Feb. 1884 (BA KO, NI. Ronenburg, Nr. 5). Man beachte auch Rantzau an H. v. Bismarck, Friedrichsruh, 28. Feb. 1884: Der Kanzler habe ihm befohlen, Boetticher zu schreiben, daß er "entgegen früheren Verabredungen, doch die Verlängerung des Sozialistengesetzes gleich einbringen solle; ich glaube auch, daß es wegen des Kaisers richtiger ist". (Ebd., NI. Bismarck, FC 3028.) Zu Mittnacht sagte Bismarck im März/April 1884: "In der Verlängerung des Sozialistengesetzes sehe der Kaiser eine Frage der persönlichen Sicherheit". (Gamnumdinger, S. 44.) Siehe ferner Crailsheim an Ludwig II., Berlin, 25. April 1884, über seine Unterredung mit Boetticher: Der Kaiser poche sehr auf das Gesetz. (HStA M, Abt. II MA, Nr. 76252.) Vgl. SB RT, V. Leg. IV. Sess., Anlagenbd. 3, S. 422, Nr.24.

II. »Kulturkampf«, Sozialistengesetz und die Rückgabe der Lasker-Resolution

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zwei Monate lang in die Öffentlichkeit ausstreuen und gab sie auch in Gegenwart des Kronprinzen offen zu 35 . Mit diesem Lavieren zielte der Kanzler auf ein unüberwindbares Dilemma der liberalen Parteien in ihrem Verhältnis zur Arbeiterbewegung seit den sechziger Jahren und besonders seit der Einführung des Sozialistengesetzes im Jahre 1878. Einerseits standen die Liberalen im ideologischen Abwehrkampf gegen den vordrängenden Sozialismus; bürgerliche Freiheiten sowie Recht und Befähigung des Citoyen zum individuellen Handeln, d. h. dessen Bewegungsraum im ungehinderten Spiel der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kräfte, bewerteten sie im Vergleich zu den ihrer Meinung nach gleichmachenden, auf die Klassenlosigkeit vertrauenden Utopien der Sozialdemokratie als sehr viel höher zu schätzende Tugenden 36. Andererseits symbolisierte für die Liberalen gerade das Sozialistengesetz die reinste Intoleranz, weil es wegen der staatlich-dirigistischen Beschränkung der Vereinsbildung sowie der Versammlungs- und Pressefreiheit theoretisch nicht nur auf die zu Treffenden, sondern auf alle bismarckfeindlichen Parteien im Reichstag anwendbar war37 . 35 Vgl. Tgb. Friedrich Wilhehns v. 16. März 1884, daß Bismarck die Auflösung des Reichstags für möglich erachte, falls das Sozialistengesetz abgelehnt werde (GSIAPK AbI. MER, H.A., NI. Friedrich III., Rep. 52 F I Nr. 7x). Man beachte auch Liebe an Jansen, Berlin, 23. März 1884 (SIA OL, Bstd. 132-225). Siehe ferner den Aufsatz von SIÜTf7U!r: Staatsstreichgedanken, zur Konfrontationspolitik des Kanzlers, d. h. den Reichstag durch die pennante Drohung der Auflösung zu unteljochen und zu dirigieren. 36 Vgl. die Studie von Conze über den gescheiterten Versuch Hennann Schulze-Delitzschs, die liberale und sozialistische Arbeiterbewegung in den sechziger Jahren zu fusionieren. Haupthinderungsgrund eines Zusammengehens war damals - wie in den nachfolgenden Jahrzehnten der Bismarck-Ära und des Wilhehninischen Reichs - die doktrinäre und beharrliche Weigerung des Linksliberalismus (trotz vereinzelter mahnender Stimmen), das Prinzip der Eigenhilfe, des »Laissezfaire«, aufzugeben oder zumindest zu relativieren und das staatliche Interventionsrecht anzuerkennen (vgl. Conze, S. 27, u. Fenske: Wahlrecht, S. 104). - Da eine eingehende Analyse des Verhältnisses zwischen liberalismus und Sozialdemokratie, das durchaus Phasen der programmatischen Annäherung kannte, den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, sei aus der Fülle der immensen Literatur nur auf Seil, S. 254-262; l. Lorenz, S. 128-130, u. Sheehan, S. 182-185, hingewiesen. Man beachte auch zusammenfassend Langewiesche: liberalismus, S. 187-200, der die neuere literatur verarbeitet hat, hier bes. S. 195f, über die Ablehnung aller Sozialgesetze seitens der Linksliberalen in den achtziger Jahren. In dieser Opposition "vermischten sich liberaler Glaube an die Selbstheilungskräfte der Gesellschaft, z. T. gesteigert bis zu manchesterliberaler Blindheit und »ökonomischem Darwinismus«, mit der Furcht vor einem Obrigkeitsstaat, der politisch nicht mehr liberalisierbar wäre" (ebd., S. 196). 37 Vgl. l. Lorenz, S. 128f, u. SIÜTf7U!r: Staatsstreichgedanken, S. 593f. Man beachte auch Philipp (Tgb. v. 1O.0kt. 1884), S. 63: Bismarck habe geäußert, die vom Sozialistengesetz nicht berührten Parteien fürchteten, es könne eines Tages auf sie angewendet werden. - Siehe ferner Pack, S. 80-111, zu den parlamentarischen Auseinandersetzungen über das Sozialistengesetz. Vgl. SIÜTf7U!r: Staatsstreichgedanken, S. 593-603, zu den Verhandlungen im preußischen Staatsministerium, Kronrat und zwischen den verbündeten Regierungen im Jahre 1878. Man beachte auch Gall: Bismarck, S. 564-566 u. 572f.

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D. Verschärfter Kampf Bismarcks gegen den linksliberalismus

Der Kanzler fürchtete jedoch im Jahre der Kaiserattentate (1878) und vor allem im Kolonialjahr 1884 die »Umsturzpartei« nicht im mindesten, da er bereits alles tat, um die Arbeiter über den Umweg der Sozialversicherungsgesetzgebung mit dem Staat zu versöhnen. Obgleich ein Bericht der Berliner Geheimpolizei am 4. März 1884 besorgt einen wachsenden Zulauf für die Sozialdemokratie und "Siegeszuversicht, ja Kühnheit"38 in ihrem Auftreten registrierte, glaubte er sie notfalls mit Gewalt, letzten Endes also durch den Einsatz von Polizei und Militär, in Schach halten zu können 39. In Friedrichsruh erläu-

38 "Übersicht über die allgemeine Lage der sozialdemokratischen und revolutionären Bewegung", Berlin, 4. März 1884 (Dok. Geh. Arch., S. 212). Vgl. ebd., S. 212-224, zu den Details. Man beachte auch Szechenyi an Kalnoky, Berlin, 27. März 1884, über die Ansicht des Chefs der Berliner Geheimpolizei, daß die Verlängerung des Sozialistengesetzes notwendig sei, da die Anarchisten im Dynamit eine Waffe besäßen, gegen welche sich die Behörden kaum zu schützen wüßten (HHStA W, PA m, Nr. 125). Siehe ferner Pöls: Staat, S. 53: "Das Bild, das sich die Politische Polizei von der angeblich revolutionären, auf den gewaltsamen Umsturz der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung gerichteten deutschen Sozialdemokrtaie und von ihren Führern auf der Grundlage umfangreichen Materials machte, wurde zum offiziellen Bild der Sozialdemokratie bei den Repräsentanten der staatlichen Macht. Dieses Bild aber wurde zum entscheidenden Hebel für die verhängnisvolle Sozialistenfurcht im Bismarckreich, aber auch zum Nährlxxlen einer bis zu echter Revolutionsüberzeugung gesteigerten Revolutionsfurcht" . 39 Vgl. Cohen (Tgb. v. 3. April 1881), S. 305: "Die Sozialdemokraten[, so Bismarck,) solle man in die alte Reichsacht tun, wenn sie den Staat nicht anerkennen". Man beachte auch Podewils-Dürniz an Ludwig Ir., Berlin, 13. Juli 1881: "Man glaubt hier an maßgebender Stelle über den jeweiligen Stand der socialistischen Propaganda bis in die kleinsten Details unterrichtet zu sein und alle Fäden derselben in Händen zu haben". (HStA M, Abt. n MA m, Nr. 2659.) Siehe ferner G. Rein, S. 289f u. 301-303; H.-I. Schoeps, S. 296f u. 313f; Hentschel, S. 9f, u. Engelberg, Teil 2, S. 301, hier mit der Einschränkung, Bismarck habe einen Vernichtungskrieg (ebd., S. 303) gegen die Sozialdemokratie geführt. Vgl. Slürmer: Staatsstreichgedanken, S. 597, für das Jahr 1878 grell überzeichnend, daß der Kanzler unter dem Trauma des Jahres 1848 gelinen habe: "Jetzt rechnete er mit dem Ausbrechen von Straßenkämpfen in Berlin und zweifelte nicht, daß der Staat gegenüber der Barrikade in Notwehr stand". Ähnlich GaU: Sozialistengesetz, S. 477 u. 480-483, u. die Studie von Pöls: Sozialistenfrage, bes. S. 25-32. - Dagegen fühlte sich Bismarck der Herausforderung durch die Sozialdemokratie stets gewachsen (vgl. Bismarck im preuß. Staatsministerium, Sitzung v. 12. Mai 1889, Bismarck und die Revolwion, S. 32lf; W. Mommsen: Kaiserreich, S. 257; Röhl: Staatsstreichplan, S. 612, 616-619, u. 623f; in sich widersprüchlich Stürmer: Staatsstreichgedanken, S. 567, u. unten Kap. L. V., S. 620-625). Das gibt Wehler: Imperialismus, S. 191, paradoxerweise zu, schränkt jedoch - mit Rücksicht auf die Konsistenz seiner »Sozialimperialismus«-Theorie - ein: "Wie sehr aber die gesellschaftliche Ruhelage, die eintels seiner [d. h. Bismarcks) Fernziele bei der Verteidigung des Status quo blieb, auch vom Stand der Wirtschaftskonjunktur abhing, hat ibm stets klar vor Augen gestanden". Unminelbar im Anschluß an diese Behauptung - nur durch einen Absatz vom vorherigen getrennt - widerspricht sich Wehler, indem er einräumt: "Der utopischen Hoffnung der Expansionsagitation, die sich vom überseeischen Besitz ein unminelbar wirksames »Sicherheitsventil« versprach, hat Bismarck wohl nicht nachgehangen". An dieser Stelle erhebt sich die Frage und gleichzeitige fundamentale Kritik an Wehlers Ansatz, welche gesellschaftliche Gruppe oder Schicht der angebliche »Sozialimperialismus« anvisierte, wenn Bisrnarck die Sozialdemokratie als reelle Gefahr für sein Hemchaftsgefüge vollkommen ignorierte, sie sogar politisch förderte, und umgekehrt die auf demokratische VerfasslDlgsreformen bedachten Linksliberalen der Kolonialpolitik volkswirtschaftlich nicht die geringste Wirkung zubilligten, sich also durch kolo-

II. »Kulturkampf«, Sozialistengesetz und die Rückgabe der Lasker-Resolution

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terte er Anfang des Monats einem Besucher, die Sozialdemokratie erschiene ihm minder gefährlich als die Fortschrittspartei. Im Gegensatz zu den Zielen der Liberalen sei das Programm der Sozialdemokraten für jedermann als Utopie erkennbar. "Anders mit dem Fortschritt" 40, warnte er, "da könne die Einsicht zu spät kommen, wenn erst Schlimmes in die Welt gesetzt sei, da könne es so gehen wie mit der Französischen Revolution"41. Er verstehe es daher, wenn man eher einen Sozialdemokraten als den Fortschrittler Eugen Richter wähle. Die Regierungsstrategie, den mittels der Gründung der »Deutschen Freisinnigen Partei« frisch geeinten Linksliberalismus durch den Streit über die Gesetzesverlängerung nach 1878n9 aufs neue zu zersplittern, entlarvte ausgerechnet Eugen Richter im Reichstag: "Wir sollen unsere Kräfte theilen, wir sollen gegen reaktionäre Bestrebungen nicht unsere volle Kraft einsetzen können, wir sollen gespalten werden, indem wir im Rücken die Sozialisten haben. Damals [d. h. 1878) war ein solches Interesse vorhanden, den Liberalismus zu spalten, und heute scheint mir genau dasselbe Interesse vorhanden zu sein ,,42 .

Bis zum Tage der Verabschiedung des Sozialistengesetzes am 12. Mai 1884 schwebte die Auflösungsdrohung wie das Schwert des Damokles über den Köpfen der Linksliberalen. Trotz seines äußerst schonungsbedürftigen Gesundheitszustandes sagte der Kaiser seinen Kuraufenthalt in Wiesbaden ab, um in Berlin zur Beendigung der laufenden Reichstagssession sofort alle erforderlichen Papiere unterzeichnen zu können 43 . Tatsächlich hatte die neue linksliberale Partei eine ungeheuere Belastungsprobe zu meistem. Die Opponenten, wie etwa der doktrinäre Eugen Richter, und Ludwig Bamberger als Repräsentant der pragmatischen Befürworter der Regierungsvorlage vermochten sich nicht über einen einheitlichen Abstimmungskodex zu· einigen. Den Gewissenskonflikt lösten sie, indem sie den Fraktionszwang aufhoben, einige Abgeordnete nicht zur Reichstagssitzung nach Berlin kamen und die übrigen gegen die Verlängerung votierten 44 . Erleichtert atmeten alle Linksliberalen und die übrinialiter versprochene ökonomische Prosperität in kein ster Weise in einer »Ruhelage« gefangenhalten ließen. (Man beachte auch oben Kap. A., S. 29-46.) 40 Phi/ipp (Tgb. v. 2. März 1884), S. 52. 41 Ebd. Vgl. M.L Weber, S. 229. 42 Richter am 9. Mai 1884 (SB RT, V. Leg. IV. Sess., Bd. I, S. 499). Vgl. unten Kap. D. ill., S. 253-259, zur Fusion zwischen Fortschrittlern und Sezessionisten zur »Deutschen Freisinnigen Partei>Cap Times«, der über die Wüstenbucht Angra Pequeiia wenig Vielversprechendes berichtete: '''Die viel verachtete Süd westküste von Afrika mit ihrer ungeheu[e]ren Strecke von Sandbügeln und ihren beinahe hafen1osen, hart umbrandeten Ufern hat für die englische Regierung seine Anziehungskraft gehabL Vergebens ist sie von Reisenden durchforscht, vergebens ist festgestellt, daß hinter den Dünenhügeln eine Gegend ist, überreich gesegnet mit Mineralien und im Besitze ausgedehnter Weideflächen und fruchtbaren Bodens. Und weiter, wenn man von der Küste aus ins hmere vordringen will, um Handelszwecke zu verfolgen, so ist die sandige Südwestküste mit ihren traurigen, wasserlosen Wüstenflächen der Südostküste mit ihren

I. Vorgeschichte der deutschen Erwerbungen in West- und Südwestafrika

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"Ich bin der Ueberzeugung, daß sie selbst beim Einsetzen großer Mittel in wenigen Jahren bankrott, resp[ektive] in Liquidation sein werden; sie kennen offenbar Land u[nd] Leute nicht genügend"43. Allein dem Bergbau billigte er unter der Bedingung Profite zu, daß man vorher gründliche Expertisen angefertigt habe. Angesichts der vom befangensten Betrachter nicht zu leugnenden Öde des südwestafrikanischen Küstenstrichs mahnte die liberale »Vossische Zeitung« im September 1883: "So ergiebt sich denn aus Allem die Thatsache, daß man bei dem Namen Angra Pequefia nicht von Colonisation träumen soll, daß man vielmehr die Handelsniederlassung der Firma Lüderitz als solche gewähren lassen und abwarten muß, welchen Erfolg sie haben wird"44.

tödtlichen Fiebern vorzuziehen ..·. (»Weser-Ztg.« v. 29. Juli 1883, ebd .• RKA 1994.) Würdigte die Zeitschrift »Export« im August 1883 den Pioniergeist Lüderitz', bemaß sie die Handelsaussichten gering: "Es giebt weder Holz, Wasser noch Vieh. Der Anblick der Küste ist sehr traurig und uneinladend; sie besteht aus dürren Sandhügeln mit Klippen vermischt, ohne die geringste Spur von Vegetation. Trotz dieser Missstände [sic] ist Angra Pequeiia seit lange[rn] von Händlern besucht, welche mit den Eingeborenen des Innern Handel treiben und von diesen Vieh, Felle, Straussenfedern u.s.w. gegen Fische, Tabak, Flinten, Munition und Getränke austauschen". (»Export« v. 28. Aug. 1883, ebd.) In einern Beitrag für die Zeitschrift »Ausland« würdigte der Missionar Büttner vor allem die Erfolge der Christianisierung im Narna- und Darnaraland, während er Angra Pequeiia wenig wirtschaftlichen Reiz zugestand und dem Hafen allenfalls bescheinigte, er sei die "Pforte in ein Gebiet, welches dem verständigen Unternehmer reichen Lohn verheißt" (Büttner: "Angra Pequenna". In: »Ausland« 36, 1883, S. 715, ebd.). Die >>Vossische Ztg.« warnte davor, die Konsumptionsfähigkeit der indigenen Bevölkerung zu überschätzen. Zurückhaltend urteilte das Blatt: "GroBNarnaqua- und Darnaraland, zusammen etwa 9.000 Quadratmeilen groß, haben zusammen nur eine Bevölkerung von 135[.000] bis 140.000 Seelen, noch dazu größtentheils halbnackte Hottentotten und Herreros [sic]". Die Ausfuhrprodukte erschöpften sich in Elfenbein, Straußenfedern und Kupfererzen. Überdies seien die Elefanten fast vollständig ausgerottet, und die angeblich wegen des Bergbaus gewinnverheißenden Gebiete befänden sich noch nicht in deutschem Besitz. (>>Voss. Ztg.« v. 11. Sept. 1883, ebd.) 43 Bericht Büttners über deutsche Handelsunternehmungen in Darnara- und Narnaland, Otjimbingwe, 12. Nov. 1879 (BA Abt. P, RKA 2098). Vgl. unten Kap. P., S. 745-747. 44 »Voss. Ztg.« v. 11. Sept. 1883 (ebd., RKA 1994). Ähnlich der »Harnb. Börsencourier« v. 8. Sept. 1884: "'Bei Angra Pequena [sollte] man nicht von Colonien träumen'" (zit. nach Strohschneider, S. 74). "Obwo[h]l es nun bekannt ist, daß die südwestafrikanische Küste von der Capcolonie bis nördlich über die Walfischbai hinaus eine einzige große Wüstenei darstellt - die Angra PequenaFrage hat in letzter Zeit vielfach deutsche Zeitungen zur Klarlegung dieser Verhältnisse veranlaßt -, so ist man doch in der Regel der Meinung, daß Mossarnedes ein gesegnetes Stückchen Land sei mit regelmäßigem Regen und üppiger Vegetation. [...] Was für ein trostloser Anblick!" (Hoepfner an AA, M~edes, Abschr., 25. Dez. 1883, ebd., RKA 2099.) Die >>Voss. Ztg.« schrieb arn 11. September 1883, im Vergleich zu Angra Pequeiia sei die "Lüneburger Heide ein Paradies". "Es ist die reinste Wüste, Sand und Sand und wieder Sand, ohne einen einzigen Wasserlauf. Nur in einigen Monaten des Jahres fällt Regen, der dann eine flüchtige Vegetation hervorruft; mit dem Aufhören des Regens verdorrt aber auch sie schnell wieder". (»Voss. Ztg.« v. 11. Sept. 1883, ebd., RKA 1994.) Auch der »Fränk. Kurier« spottete: "'Es ist ein Land, in Vergleich zu welchem die LÜIleburger Heide ein Paradies genannt werden muß .... (»Fränk. Kurier« v. 12. SepL 1883, ziL nach Rost, S.44.)

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G. Das Angra Pequeiia-Telegramrn und der Battenbergische Heiratsplan

Der Reichskanzler war keineswegs geneigt, sich von Lüderitz oder Woermann zu einer aktiven Überseepolitik verführen zu lassen. Protektion, konstatierte der freihändlerisch gesinnte Direktor der handelspolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Bojanowski, "wird kaum anders als in der Fonn gelegentlicher Strafexpeditionen gegen räuberische Küstenstämme gedacht werden können, da dauernde Schutzmaßregeln auf das Gebiet der Colonisationspolitik führen würden"45. Nachdem Lüderitz das Auswärtige Amt im Sommer 1883 über die Erwerbungen Vogelsangs seit dem Frühjahr unterrichtet hatte, machte Bojanowski den Kanzler am 8. August 1883 nach einem Besuch des Kaufmanns in der Wilhelmstraße - kurz vor dessen Abreise nach Südwestafrika - auf die dubiosen Erfolgsaussichten aufmerksam: "Die Artikel, welche Herr Lüderitz umzutauschen vorhat, sind hauptsächlich Straußenfedern und Erze, namentlich Kupfererze, welche sich in den Gebirgen in reicher Menge und durchaus abbauwürdig vorfinden sollen. Sowie das Unternehmen etwas weiter sich entwikkelt haben wird, will Herr Lüderitz sich auf die Zucht von Vieh (Rindvieh und Schafe) legen, für welche sich in Capstadt ein guter Markt bieten soll"46. Jedem staatlichen Engagement abhold, unterstrich Bismarck, daß sich die "Landeshoheit entweder bei dem betreffenden Negerfürsten oder bei Lüderitz, nicht beim Reich"47 befmde. Gleichwohl versprach er: "Seine rite erworbenen Rechte werden wir immer zu schützen suchen, so lange er deutscher Unterthan ist"48. Zu den englischen Lokalbehörden müsse der Kaufmann gute Kontakte pflegen. Als die »Post« und die »Weser-Zeitung« zwei Tage später meldeten, der Bremer Kaufmann habe in Angra Pequefia das Reichsbanner gehißt, war der Kanzler entrüstet, weil Lüderitz die Regeln des infonnellen Handelsimperialismus verletzt hatte. Bismarck ordnete ein offIziöses Dementi an. Nur um die parlamentarische Opposition der Linksliberalen in das Zwielicht pennanenter destruktiver Obstruktion auf allen Gebieten des politischen Lebens zu tauchen,

4S Promemoria Bojanowskis, Berlin, 26. April 1883 (BA Abt. P, RKA 4189). Vgl. Schüssler: Lüderitz, S. 56f. Man beachte auch W. Mommsen: Bismarck, S. 157: "It would appear that by the spring of 1883 Prince Bismarck hirnself was still Wldecided on this issue, apart from one point, namely that govemment involvement ought to be restricted to the absolute minimum" . 46 Bojanowski an Bismarck, Berlin, 8. Aug. 1883 (BA Abt. P, RKA 1994). Vgl. Lüderitz an AA, Bremen, 13. Aug. 1883 (Lüderitz, S. 58f). Vgl. Schüssler: Lüderitz, S. 52, u. Hodge, S. 16f. Man beachte auch Schüssler: Lüderitz, S. 70-74, zum Aufenthalt des Bremers Kaufmanns in Angra Pequeiia. 41 Marginalie Bismarcks am Schreiben Bojanowskis an ihn, Berlin, 8. Aug. 1883 (BA Abt. P, RKA 1994). Vgl. Aydelotte, S. 39, dort Anm. 4. 48 Marginalie Bismarcks am Schreiben Bojanowskis an ihn, Berlin, 8. Aug. 1883 (BA Abt. P, RKA 1994). Vgl. Wehler: Imperialismus, S. 269. Turner, S. 58, erkennt darin ein verstärktes Interesse des Kan:rlers, "a significant broadening ofthe Reich's obligations to Gennans living overseas", wobei dieser jedoch nicht an eine territoriale Überseepolitik gedacht habe.

L Vorgeschichte der deutschen Erwerbungen in West- und Südwestafrika

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keineswegs um die Bereitschaft der Öffentlichkeit, ihm auf kolonialen pfaden zu folgen, auszuloten, schrieb die »Post«: "Die Kolonisationsidee ist anscheinend augenblicklich sehr populär in Deutschland. Sie wird von rührigen Kräften angeregt und gewinnt sich, wie es scheint, immer weitere Theilnahrne. Im Reichstag aber ist die Manchesterdoktrin, wir wollen zwar nicht sagen, vorherrschend, aber doch in dem Grade einflußreich, daß sie Entscheidungen gegen die lebhaftesten Anstrengungen der Reichsregierungen heIbeiführt. So war es bei der SamoaVorlage, wo man den Predigern jener Doktrin folgte, welche Kolonialerwerb für ein veraltetes Minel der Staatsentwicklung erldärt. Wenn die Kolonisationsidee wirldich einen festen Boden im Volke gewonnen hat, so müssen die Anhänger derselben zunächst dafür sorgen, daß nicht die Gegner der Idee die Majoritäten im Reichstag führen,,49.

Mochte der Zeitungsartikel mit hochgesteckten Erwartungen mancher Kolonialeiferer kokettieren, orientierte sich Bismarck weiterhin strikt an den traditionellen handelspolitischen Leitlinien des Auswärtigen Amts. Richard Krauel instruierte den deutschen Konsul in Kapstadt im Auftrage des Kanzlers am 18. August 1883, er solle dem Bremer Handelsunternehmen "konsularischen Schutz angedeihen [... ] lassen" 50. Bedingung war, daß Lüderitz wohlfeile Rechte Dritter respektierte und gute Beziehungen zu den englischen Behörden 49 »Post« v. 19. Aug. 1883 (BA Abt. P, RKA 1994). Dagegen Turner, S. 59: "Obviously, Bismarck was sounding public, or at least press, opinion on the colonial question. From all accounts, the reaction was generally affinnative, with the bulk of the »respectable« press favoring support for Lüderitz' project". Ähnlich widersprüchlich Weh/er: Imperialismus, S. 269f: "Sodann entschloß sich Bismarck, die öffentliche Meinung und die Reichstagsstimmung erneut daraufhin zu prüfen, ob sich jetzt die inzwischen breiter fundierte Meinung für eine aktivere Überseepolitik auswirken werde". Zu fragen ist, welchen Sinn diese Aktion besaß, wenn der Kanzler sich zu diesem Zeitpunkt innerlich noch gegen jede koloniale Gebietsherrschaft sträubte. Außerdem legte ihm Heinrich von Kusserow erst im April 1884 ein kolonialpolitisches Konzept vor (vgl. unten S. 403 dieses Kapitels u. Kap. G. II. S. 411-417). Turner und Weh/er rücken den Kanrler - gemäß der These Townsends (vgl. oben Kap. A., S. 25) - in die Nähe eines »verhinderten Imperialisten«, der auf den Umschwung der öffentlichen Meinung gewartet habe. - Vgl. H. v. Bismarck [an AA], Bad Kissingen, 15. Aug. 1883 (BA Abt. P, RKA 1994), u. Aydelotte, S. 38f, dort Anm. 8. Man beachte auch W. v. Bismarck [an AA], Bad Kissingen, 10. Aug. [1883]: "Das Aufbissen der deutsch[en] Flagge würde ein Zeichen der Besitzergreifung sein, zu der Genehmigung von Kaiser und Reich erforderlich [sei]. Es würde daher ein frivoles Beginnen [des Lüderitzschen Privatgeschäfts] sein, wenn solches ohne Auftrag geschehen wäre". (BA Abt. P, RKA 1994.) "Desgleichen erscheint es nicht überflüssig, Herrn Lüderitz noch eine besondere Zurückhaltung in der Benutzung der englischen und deutschen Presse für sein Unternehmen zu empfehlen, und den Rath zu ertheilen, namentlich auch die angebliche Stellung der Kaiserlichen Regienmg zu seinen Projekten künftig unerörtert zu lassen" (Bojanowski an lippert, Berlin, 18. Aug. 1883, ebd.). Man beachte auch Schiissler: Lüderitz, S. 6062. so Krauel an lippert, Berlin, 18. Aug. 1883 (BA Abt. P, RKA 1994). - Um die Zäsur im überseeischen Engagement Bismarcks, d. h. den Übergang von bloßer informeller Handels- zur Kolonialpolitik und die bewußte Irreführung Englands im Frühjahr 1884 zu verschleiern, behauptet Wehler: Imperialismus, S. 270: "Am seIben Tag instruierte Bismarck Konsullippert in Kapstadt, daß Lüderitz fortab konsularischen Schutz erhalten solle, - das berühmte Telegramm an Lippert vom 24. April 1884 bestätigte 11UT 110ch einmal diesen Auftrag" (eig. Hervorh.).

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G. Das Angra Pequena-Telegramm und der Battenbergische Heiratsplan

unterhielt51 . Ende September sagte das Auswärtige Amt ihm zu, das Kanonenboot »Nautilus« nach Angra Pequeiia zu schicken. Nochmals schärfte man ihm ein, er dürfe den Besuch nicht mißbrauchen, um die benachbarten Engländer einzuschüchtern52 . Unterstaatssekretär Clemens Busch teilte dem Geschäftsträger an der Londoner Botschaft, Scheel-Plessen, im September 1883 mit, daß das Lüderitzsche Unternehmen konsularischen Schutz genieße. Ein deutsches Kriegsschiff werde gelegentlich vor der südwestafrikanischen Küste Flagge zeigen. Man begehre zu wissen, ob London Souveränität über das in vielen Karten als englischer Besitz ausgegebene Angra Pequeiia ausübe und auf welche Rechtstitel, falls dies zutreffe, sich diese Ansprüche stützten. Vorsichtig solle Scheel-PIes sen im Foreign Office sondieren, ob Aktionen gegen Lüderitz, der britische Mißgunst befürchte, geplant seien. Die Antwort, die eindeutig besagte, daß die Bucht »res nullius« war, lag absendebereit im Kolonialamt, als der südafrikanische Premierminister Thomas Scanlen, zu Besuch an der Themse, davon erfuhr. Er betrachtete den langen Küstensaum nördlich des Oranje bis an den Kunene als natürlichen Vorhof der Kapkolonie, postulierte eine südafrikanische MonroeDoktrin und verhinderte eine klare Auskunft Londons an die deutschen Seite53. Da das Foreign Office zwei Monate lang beharrlich schwieg, wies Paul von Hatzfeldt den ältesten Kanzlersohn am 12. November 1883 an, "mündlich aber amtlich nachzufragen, ob englischerseits Ansprüche auf das Gebiet von Angra Pequena erhoben würden oder nicht, und im bejahenden Falle, auf welche Titel sich diese Ansprüche gründeten"54. Auf den nunmehr ungeduldig klingenden Ton reagierte Außenminister Granville. Dem Botschafter Georg zu Münster erklärte er, daß, wenn auch England nur vereinzelte Flecke an der südwestafrikanischen Küste wie die Walfisch-Bai und die Inseln vor Angra Pequeiia "förmlich in Besitz"55 genommen habe, man doch über das Litoral zwiSI Vgl. AA an Lüderitz, Berlin, 18. Aug. 1883 (Schüssler: Lüderitz, S. 69), u. Bojanowski an lippert, Berlin (Ausz.), 18. Aug. 1883 (Wb. Angra Peqwdia, S. 168). Man beachte auch Snyder: Negotiations, S. 44Of. Siehe ferner Fabri an Lüderitz, Bannen, 16. Aug. 1883: Er hoffe, ihm sei mehr Glück als ihm selbst vor drei Jahren beschieden. Damals sei ein Kriegsschiff zwecks einer Stärkedemonstration vor die Walfisch-Bai beordert worden. Das »Nein« Bismarcks habe das Manöverin letzter Sekunde vereitelt. (StA HB, NI. Lüderitz, 7,15 - A.5.) 52 VgI. Schüssler: Lüderitz, S. 70, u. WehIer: Imperialismus, S. 27Of. S3 VgI. C. Busch an Scheel-PIes sen, Berlin, 6. Sept. 1883 (BA AbI. P, RKA 1994); Aydelo/le, S. 34-36 u. 46f; Schreuder, S. 118f, u. Eslerhll)lse, S. 48f. Man beachte auch WehIer: Imperialismus, S. 27Of, daß Thomas Scanlen von einem britischen Südafrika vom Südatlantik bis an den Pazifik geträumt habe. S! Hatzfeldt an H. v. Bismarck, Berlin, 12. Nov. 1883 (Wb. Angra Pequelia, S. 169). VgI. Pr0memoria C. Buschs, Berlin, 25. Okt. 1883 (BA Abt. P, RKA 1994); Rantzau an AA, Friedrichsruh, Berlin, 10. Nov. 1883 (ebd., RKA 1995), u. Turner, S. 65. ss Münster an AA (Teleg.), London, 22. Nov. 1883 (BA AbI. P, RKA 1995). VgI. Aydelo/le, S. 36f u. 149, u. Turner, S. 62.

L Vorgeschichte der deutschen Erwerbungen in West- und Südwestafrika

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schen dem portugiesischen Territorium und der Kapkolonie ein "Protektorat"56 reklamiere. Die Landeshoheit einer fremden Macht an jener Küste würde mit "legitimen Rechten"57 Englands kollidieren. Die Bemerkung GranviUes, er wisse, daß die deutsche Regierung keine Kolonialpolitik treiben wolle und nicht beabsichtige, in Südwestafrika eine Kolonie zu gründen, akzeptierte man widerspruchslos in Berlin. Der plötzliche Gebietsanspruch Englands aber befremdete den Kanzler58 .

Am 27. Dezember 1883 sandte Clemens Busch den Entwurf jener fatalen Note nach London, die Münster am letzten Jahrestag an das Foreign Office adressierte. Sie blieb sechseinhalb Monate unbeantwortet und stiftete deshalb beträchtliche Unruhe in den deutsch-englischen Beziehungen 59. Anknüpfend an die Verlautbarung Granvilles vom 21. November, man habe nur an vereinzelten Punkten der südwestafrikanischen Küste Souveränität proklamiert, und ein Anspruch einer fremden Macht auf Hoheits- und Jurisdiktionsrechte verletze die Belange der Kapkolonie, fragte der deutsche Botschafter, .. auf welche Titel dieser Anspruch gegründet ist und welche Einrichtungen England dort besitzt, um deutsche Unterthanen in ihren Handelsuntemehmungen und rechtmäßigen Erwerbungen daselbst solchen Rechtsschutz zu gewähren, welcher das Reich der Pflicht 56 Münster an AA (feleg.), London, 22. Nov. 1883 (BA Abt. P, RKA 1995). Vg1. Granville an Münster (Übers.), Foreign Office [Londonl, 21. Nov. 1883 (ebd.). Man beachte auch TUT~r, S. 62; Esterhuyse, S. 49, u. Schüssler: Lüderitz, S. 80-83. 57 Granville an Münster (Übers.), Foreign Office [London), 21. Nov. 1883 (Wb. Angra Pequena, S. 170).

58 Vg1. Marginalie Bismarcks an der Denkschrift Hatzfeldts, Berlin, 14. Dez. 1883: "Die bisher mündlich gestellte Anfrage ist in Form amtlicher Note zu wiederbolen unter Betonung der [... ) Frage quo jure Protektorat und welche Einrichtungen England daselbst habe, um unseren Landsleuten Rechtsschutz zu gewähren, wenn wir denselben nicht selbst ausüben" (BA Abt. P, RKA 1995). - Lüderitz' Besitzungen hatten mittlerweile einen beachtlichen Umfang erreicht. Aus zehn deutschen Quadratmeilen seien, wie die »Köln. Ztg.« am 4. Dezember 1883 berichtete, fast 900 geworden. England habe sich bislang nicht daran gestört. "Die englischen Ansprüche sind auch zu fraglich, als sie ernstlich aufrechterhalten werden könnten". (),Köln. Ztg.« v. 4. Dez. 1883, GStAPK Abt. MER, 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinett, NT. 604.) Vg1. Lüderitz an Bismarck, Bremen, 20. Nov. 1883 (Wb. Angra Pequena, S. 169); Wehler: Imperialismus, S. 271; Aydelotte, S. 3437; Schüssler, Lüderitz, S. 62, u. Cornevin, S. 385. 59 Ende des Jahres beschrieb Georg zu Münster die sorglose Festtagsstimmung in der Londoner City, die in Hinsicht auf Angra Pequeiia und andere deutsche Kolonialreklamationen bis in den Sommer 1884 dauern sollte: "In der Weihnachtszeit ruht hier in England alles noch gründlicher, als in irgend anderen Ländern. Alle maßgebenden Personen sind auf dem Lande [... 1und was die auswärtigen Fragen betrifft, so überläßt das jetzige Cabinet[t) sie überhaupt gern dem Schicksal und den Ereignissen". (Münster an Wilhelm L, London, 29. Dez. 1883, PA BN, England Nr. 69, Bd. 21.) - Münsters Note vom 31. Dezember 1883 übermittelte das Foreign Office am 19. Januar 1884 dem Kolonialamt und kümmerte sich seitdem, d. h. bis Juni 1884, nicht mehr darum. Im Colonial Office wußte man an der Jahreswende 1883/84 sehr wohl, daß allein die Walfisch-Bai und die Angra Pequefia vorgelagerten Inseln in englischem Besitz waren. (V g1. Aydelotte, S. 40 u. 44-46; Schüssler: Lüderitz, S. 84, u. Hodge, S. 21-27 u. 29-31.)

26 Riehl

402

G. Das Angra Pequena-Telegramm und der Battenbergische Heiratsplan überhöbe, seinen Angehörigen in jenem Gebiete selbst und direkt den Schutz zu gewähren, dessen sie bedürfen können,,60.

Diese Anfrage resultierte nicht aus dem deutschen Ärger über das englische Exklusivitätspostulat, und es handelte sich auch nicht um einen verhüllten Annexionsbeschluß, falls London keine verbrieften Rechte auf Angra Pequefia geltend machen sollte. Diese Interpretation schob Bismarck der DezemberNote erst nachträglich unter, um seinen plötzlichen Sprung nach Afrika vom April 1884 zu kaschieren und einen roten Faden in den anscheinend fließenden Übergang der Berliner Überseepolitik vom indirekt-informellen zum direktformellen Imperialismus einzuweben 61 . Der Kanzler beabsichtigte nur, juristisch zu ftxieren, ob England regreßpflichtig sei, falls bei Zusammenstößen zwischen seinen und deutschen Staatsangehörigen letztere geschädigt würden. Er legte keine Fußangeln aus, um England die südwestafrikanische Wüstenei streitig zu machen oder mutwillig einen Streit vom Zaun zu brechen. Es ging lediglich darum, aktenkundig zu machen, wie es in der Anfrage vom 31. Dezember 1883 hieß, "welche Einrichtungen England dort besitzt, um deutsche Unterthanen in ihren Handelsuntemehmungen und rechtmäßigen Erwerbungen [... ] solchen Rechtsschutz zu gewähren, welcher das Reich der Pflicht überhöbe, seinen Angehörigen in jenem Gebiete selbst und direkt den [konsularischen] Schutz zu gewähren, dessen sie bedürfen können"62. Geheim60 Münster an Foreign Office, London, 31. Dez. 1883 (Wb. Angra Pequefia, S. 171). Vgl. C. Busch an Münster, Berlin, 27. Dez. 1883 (ebd., S. 170), u. Snyder: Negotiations, S. 441. 61 Vgl. Bismarck an Münster, Berlin, 10. Juni 1884: Es ist "zunächst mein Bestreben gewesen, zu verhüten, daß wir bei pflichtmäßiger Leistung dieses Schutzes, mit bestehenden oder auch nur behaupteten Rechten anderer Nationen in Kollision geriethen. Es lag mir daran, dies sicher zu stellen, ohne unnöthigerweise Befürchtungen über unsere Intentionen oder die Neigung, letzteren zuvorzukommen, hervorzurufen. Ich habe deshalb die erste Anfrage, welche durch die Kaiserliche Botschaft an die englische Regierung gerichtet wurde, in die Form gekleidet: ob England in der Lage sei, deutschen Ansiedelungen in Südafrika Schutz zu gewähren. Ich war mir dabei bewußt, daß England, ohne neue, bisher nicht vorhandene Einrichtungen zu treffen, in dieser Lage nicht sei. Es war mir aber erwünscht, die eigene Erklärung Englands darüber bei den Akten zu haben". (Wb. Angra Pequefia, S. 175.) Vgl. Wehler: Imperialismus, S. 27lf. - Gröblich fälscht Wehler: Imperialismus, S. 271, die Aussage der Quellen, wenn er folgenden Vorschlag Kusserows als Überlegung des Kanzlers ausgibt: "Es dürfte sich empfehlen, überall wo England nicht thatsächlich Jurisdiktion ausübt und unseren Angehörigen ausreichenden Schutz gewährt, diesen selbst in die Hand zu nehmen bzw. selbst in der Hand zu behalten" (Promemoria Kusserows, Berlin, 14. Dez. 1883, BA Abt. P, RKA 1995). In bezug auf die Diskussion der Bismarckschen Motive für den Eintritt in die Kolonialpolitik ist diese Klitterung umso beklagenswerter, als Wehler: Imperialismus, S. 271, folgert, dies sei eine "Forderung, die - wenn sie nur konsequent vertreten wurde - den gleitenden Übergang vom Informal Empire staatlich unterstützter Handelsinteressen über die geschützte Handelskolonie zum Formal Empire staatlichen Kolonialbesitzes enthüllte". 62 Münster an Foreign Office, London, 31. Dez. 1883 (Wb. Angra Pequefia, S. 171). Vgl. Hodge, S. 32-34. - Ein derartiger Fall ereignete sich, als ein englisches Kanonenboot von Kapstadt zu den Angra Pequeiia-bseln dampfte, um einem deutschen Staatsbürger zu Hilfe zu eilen, der angeblich von einer Freibeuterschar bedroht wurde. "Englischerseits werde alles geschehen, um Ge-

I. Vorgeschichte der deutschen Erwerbungen in West- und Südwestafrika

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niskrämerei und VOTÜberlegungen zu Annexionsschritten enthielt diese Note nicht, zumal im Auswärtigen Amt zu diesem Zeitpunkt kein Konzept für eine staatlich sanktionierte, territorial definierte Kolonialherrschaft existierte. Ein solches sollte Heinrich von Kusserow dem Reichskanzler erst im April 1884 unterbreiten 63 . Eine Woche vor Ausfertigung der Dezember-Note hatte Paul von Hatzfeldt, gestützt auf Vorschläge Kusserows vom 30. November 1883, bezüglich Westafrikas unmißverständlich die traditionelle, freihändlerische Leitlinie der Berliner Überseepolitik formuliert: "liegt auch die Erwerbung der Landeshoheit über feme Gebiete nicht im Rahmen unserer Politik, so dürfen doch die Angehörigen des Reiches, welche zum Zweck der Anlegung von Handels-Niederlassungen in unabhängigen Gebieten Privaterwerbungen zu machen für nützlich erachten, auf den Schutz auch ihrer Grundbesitz-Rechte durch das Reich zählen, soweit derselbe durch Verträge, Konsularische Vertretung und Kriegsschiffe gewährt werden kann, und sobald die Prüfung im einzelnen Falle ergiebt, daß keine anerkannte Macht auf das betreffende Gebiet begründete Ansprüche erbebt und don selbst Hoheitsrechte auszuüben berechtigt und gewillt is1"64.

In der veröffentlichten Lesart des Schreibens im Weißbuch "Togogebiet und Biafra-Bai" wurde diese Passage bezeichnenderweise ausgelassen und nur allgemein von der Errichtung eines Berufskonsulats, der Stationierung von Kriegsschiffen - einstweilen nur der »Sophie« - und Vertragsabschlüssen mit Repräsentanten der indigenen Bevölkerung gesprochen. Selbst der Aottenstützpunkt auf Femando Po sollte von Spanien nicht erworben, sondern nur ge-

walnhätigkeiten zu verhindern; die Ansprüche der Betheiligten sollten genau geprüft und hierbei auch der deutsche Konsul zugezogen werden". (Kusserow an lippen, Berlin, 14. Nov. 1883, BA Abt. P, RKA 1995.) Siehe ferner eine ähnliche Erklärung des Venreters der Firma »Wiu & Büsch« in der Handelskammer über Pono Novo, "wo die Franzosen die Negerfürsten unter ihr Protectorat nehmen und auf diese Weise dem deutschen Handel einen größeren Abbruch thun, als wenn sie die betreffenden Landstriche annekti[elnen; denn im letzten Falle würde man in Reklamationsfällen wenigstens wissen, an wen man sich zu halten häne" (Protokoll der Hamburger Handelskammer v. 1. Juni 1883, Commerzbibl. HH). Man beachte auch Schüssler: Lüderitz, S. 67f, u. Schreuder, S. 118. "The British [...1 read the Münster »Note« to mean nothing more than a yet more determined anempt by Bismarck to secure proteetion for his traders at Angra Pequena" (ebd., S. 122). Vgl. Turner, S. 60-62, mit der Akzentverschiebung, daß Bismarck sich der Neutralität dieses Landstrichs vergewissern wollte, so daß die Ausübung der Souveränität entweder bei Lüderitz oder dem lokalen Repräsentanten der indigenen Bevölkerung, keineswegs aber bei der Reichsleitung liege. Eindeutig Esterhuyse, S. 49: "Bismarck was furious about the naive British anitude and had apparently decided at this stage of the negotiations to gain overseas territories for Germany". Ähnlich Schreuiler, S. 118. Man beachte auch - ohne Wenung - W. Mommsen: Bismarck, S. 158. 63 Vgl. unten Kap. G. TI., S. 411-417. 64 Hatzfeldt an Wentzel, Berlin, 22. Dez. 1883 (BA Abt. P, RKA 4192, eig. Hervorh.). Vgl. richtig Wehler: Imperialismus, S. 308 - im Widerspruch zu S. 27lf (ebd.): "Formell-staatliche deutsche Kolonialherrschaft, sei es in Westafrika oder in Angra Pequena, lehnte Bismarck im Winter 1883 auf 1884 weiterhin ab". Man beachte auch Turner, S. 61, u. Jaeck, S. 59.

404

G. Das Angra Pequeiia-Telegramrn und der Battenbergische Heiratsplan

pachtet werden 65 . In diesem Sinne informierte der preußische Gesandte Wentzel den Hamburger Bürgermeister earl Petersen und die Bremer »Senatskommission für Reichs- und auswärtige Angelegenheiten«. Er bat, die Angelegenheit strikt vertraulich zu behandeln, um den Erfolg des auszusendenden kaiserlichen Kommissars nicht zu gefährden 66.

6S Die Inbesitznahme von Femando Po hätte eine erstaunliche Wandlung der Bismarckschen Handelspolitik bedeutet. Das Gesuch hanseatischer Kaufleute, eine Flottenstation auf Tonga und Samoa zu etablieren, hatte er im Juli 1876 strikt abgelehnt: "Was ist Kohlen-Station? Nur Hafen oder auch Gebäulichkeiten am Ufer? Hafen zu unserer ausschließlichen Benutzung? - Ich bin nicht ohne Sorge, daß wir durch faktisches Vorgehen der Marine in eine Gründung hineingeraten, die einer kaiserlichen deutschen Kolonie nicht unähnlich sieht.... (H. Y. Poschinger: Stunden, S. 293.) Vgl. Hatzfeldt an Went:rel (Ausz.), Berlin, 22. Dez. 1883 (Wb. Togogebiet und Biafra-Bai, S. 128). Man beachte auch Wehler: Imperialismus, S. 307f. 66 Vgl. Hatzfeldt an Bismarck, 30. Nov. 1883 (BA Abt. P, RKA 4192). Die Regelung der freien Schiffahrt auf Niger und Kongo wurde ausgeklammert, da man noch nicht wußte, ob die Bemühungen anderer Staaten in dieser Richtung Früchte tragen würden (ebd.). - Die Einfuhr von Westafrika nach Hamburg wurde für den Zeitraum von 1871 bis 1875 mi13.943.050 Mark, 1881 mit 5.724.830 Mark und 1882 mit 8.588.000 Mark angegeben. Die Hamburger Exporte nach Westafrika betrugen im Jahre 1878251.8077 Doppelzentner, 1880339.080 Doppelzentner und 1882417.513 Doppelzentner. (Ebd.) Man beachte auch Jaecle, S. 59f; Hatzfeldt an Wentzel (Ausz.), Berlin, 22. Dez. 1883 (Wb. Togogebiet und Biafra-Bai, S. 128); Went:rel an Petersen, Hamburg, 26. Dez. 1883 (StA HH, Senat, O. VI Nr. 15 Vol. 6, Fasz. 4); Jaeck, S. 60; Dok. Handelsk. Hamb., S. 176, u. Wentzel an die »Senatskomrnission für Reichs- und auswärtige Angelegenheiten«, Hamburg, 26. Dez. 1883 (StA HB, Bstd. 3 - A.3.A.2., Nr. 45).

ll. Das Schutztelegramm für Angra Pequeöa vom 24. April 1884 Seit dem 31. Dezember 1883, als die deutsche Regierung in London anfragt hatte, auf welche Rechtstitel sich die britischen Hoheitsansprüche entlang der südwestafrikanischen Küste stützten, waren bezüglich Angra Pequeöas bis zum 25. Apri11884 keine Noten mehr zwischen deutschen und englischen Behörden gewechselt worden. Nichts deutete - sowohl in bezug auf die englischen als auch die deutschen Verhältnisse - bis zum innenpolitisch krisengeladenen Frühjahr 1884 darauf hin, daß aus regionalen ökonomischen Interessenkonflikten zwischen einer kleinen, unbedeutenden in Südwestafrika angesiedelten Bremer Faktorei und deren englischer Konkurrenz, der Firma ))de Pass, Spence & Co.«, eine ernsthafte Abkühlung der deutsch-englischen Beziehungen resultieren sollteI. Die Ankunft des deutschen Kanonenboots ))Nautilus« aus dem Indischen Ozean im Januar 1884 in Kapstadt beunruhigte die dortige Kolonialverwaltung. Aus Sorge darüber, der Kommandant des Kriegsschiffes könnte auf der Weiterfahrt in Angra Pequeöa ankern und die Reichsflagge in der Wüstenbucht hissen, bat der stellvertretende Gouverneur den deutschen Konsul Lippert zu sich. Nachdrücklich wies er ihn auf das Interesse S üdafrikas an dem Küstenstreifen nördlich des Oranje hin und machte auf die Unannehmlichkeiten aufmerksam, die seinem Lande entstünden, "wenn so hart an der Grenze der Kolonie ein unbeschränkter Handel mit Waffen, Pulver und spirituosen Getränken mit den Eingeborenen stattfände, nachdem erst vor Kurzem die Kolonie den Hafen von Walfisch-Bai übernommen habe, um diesen Handel reguli[e]ren zu können"2. Um unliebsame Zusammenstöße dieser Art mit England zu venneiden und zu klären, wer bei eventuell auftauchenden Differenzen für den Lüderitzschen Faktoreibesitz rechtlich verantwortlich sei, hatte sich Bismarck im August des Vorjahres sorgsam erkundigt, wo genau sich der Bremer Kaufmann niedergelassen habe. Außerdem hatte er im Dezember in London anfragen lassen, auf welchen verbrieften Rechten der englische Anspruch auf den Küstensaum vom Oranje bis zum portugiesischen Kap Frio beruhe 3• Den verunsicherten Kapbe1 Vg1. rückblickend das Urteil des im westafrikanischen Handelsgeschäft tätigen Bremer Kaufmanns Johann K. Vietor: '''Etwas Primitiveres als den deutschen Besitz in Afrika im Jahre 1884 kann man sich kaum denken'" (zit nach Erbar, S. 10). Man beachte auch oben Kap. G. I., S. 393-398, zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Lüderitzschen Besitzungen. Siehe ferner die Studie von Phillips zur Firma >xle Pass, Spence & Co.« 2 Lippert an Bismarck (Ausz.), Kapstadt, 22. Jan. 1884 (Wb. Angra Pequena, S. 171/BA AbI. P, RKA 1995). 3 Vg1. Weh/er: Imperialismus, S. 269. Man beachte auch oben Kap. G.I., S. 401-404.

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G. Das Angra Pequeiia-Telegramm und der Battenbergische Heiratsplan

hörden beteuerte Lippert in diesem Sinne und nach Rückfrage bei Kapitän Heinrich Aschenborn, daß die »Nautilus« über die Zustände in Angra Pequefia nur einen Bericht anfertigen solle. Einen Grund, wegen der Mitteilung des Konsuls über das Gespräch, das am 14. Februar in der Wilhelmstraße bekannt wurde4, nochmals bei der englischen Regierung nachzuhaken, ob sie den Lüderitzschen Besitzungen Jurisdiktionsschutz gewähren könne, erkannte das Auswärtige Amt nicht. Eine Woche später informierte Berlin den deutschen Botschafter in London, man beabsichtige keineswegs, "in diesem Augenblick zu einer erneuten Anregung der Sache bei der grossbritannischen Regierung"5 zu schreiten. Man wolle erst den Lagebericht des Kommandanten der »Nautilus« abwarten. Allein wenn Münster inzwischen mit Granville über die Note vom 31. Dezember 1883 konferiert habe, würde man gern Näheres über die Unterredung erfahren. Der widerspruchsvolle Bericht Kapitän Aschenborns über Angra Pequefia lag dem Auswärtigen Amt am 7. März 1884 vor. Darin schilderte er die eher auf feme Zukunftshoffnungen gerichteten Schattenseiten der südwe8tafrikanischen Faktorei als deren tatsächlich vorweisbare, gewinnversprechende Qualitäten 6. Daß bis zu diesem Moment seit der deutschen Anfrage • Vgl. Lippen an Bismarck (Ausz.), Kapstadt, 22. Ian. 1884 (mit dem Präsentationsvermerk 14. Feb. 1884) (BA Abt. P, RKA 1995); Aydelolle, S. 5lfu. S. 57, don Anm. 4, sowie Weh/er: Imperialismus, S. 272. S Zit. nach Aydelolle, S. 57, don Anm. 5 (aus einern Instruktionsentwurf an Münster v. 22. Feb. 1884). Nachträglich hob der Staatssekretär des Auswänigen Amts diese Tatsache ausdrücklich hervor (vgl. Hatzfeldt an Bismarck, Konz., Berlin, 30. Mai 1884, PA BN, England Nr. 78, Bd. 1). VgJ. Turner, S. 64f. Man beachte auch Weh/er: Imperialismus, S. 272, grell überzeiclmend, daß eine "Berichterstattung allerdings sehT erwünscht" sei (eig. Hervorh.). Dagegen hieß es in Hatzfeldts Schreiben an Münster vorn 22. Februar 1884 lediglich, falls der Botschafter mit Granville über den Erlaß vorn 27. Dezember 1883 mittlerweile gesprochen habe, "so würde es mir von Interesse sein, gefällige Mittheilungen hierüber III emalten" (zit. nach Aydelolle, S. 57, don Anm. 5). 6 Vgl. Caprivi an Hatzfeldt, Berlin, 7. März 1884 [Aschenborn an Caprivi, südatlantischer Ozean, 27. Ian. 1884] (BA Abt. P, RKA 1995). Der im Weißbuch "Angra Pequeiia" publiziene, aber gekürzte Bericht des Kanonenbootkommandanten, dem in der Forschung eine wichtige Rolle anestien wird, weil er die lokalen Vemältnisse angeblich sehr günstig schilderte, liest sich in der vollständigen Version weniger euphorisch. In der veröffentlichten FasslDlg hieß es, der Hafen liege geschützt, besitze einen guten AnkergTlDld lDld sei "bei Weitem der beste Hafen an der ganzen südlichen Westküste von Afrika". Das Klima charakterisierte Aschenborn als gut Seine weiteren Erhebungen fußten lediglich auf Mutmaßungen: "Der Minera1reichthurn des Landes soll ein großer sein und wird in den, im Bereich der [Kap-]Kolonie und nördlich von derselben liegenden Bergen mit Erfolg nach Kupfer, Silber und Gold gegraben". Lüderitz habe Mineralien, darunter auch Metalle, gesammelt. Um dem Wassermangel abzuhelfen, hoffe der Bremer mit Hilfe eines Ingenieurs Brunnen zu bohren. Seine Eindrücke resümiene Aschenbom dahingehend, daß das Unternehmen des Bremers "gut gegründet und erfolgreich ist und dasselbe wachsen und gedeihen wird, besonders wenn der Versuch, Brunnen anzulegen, gelingt". "Das Fehlen des Wassers", schränkte der Kapitän ein, "ist der Hauptmangel". (Aschenborn an Caprivi, Ausz., südatlantischer Ozean, 27. Ian. 1884, Wb. Angra Pequelia, S. 172.) Die Passagen, die in der WeißbuchveröffentlichlDlg getilgt wurden, trüben das ohnehin nicht besonders hell gemalte Bild. Zwischen Steinbrocken lDld im Sande der Bergschluchten wüchsen kleine Sträucher. "Sonst ist das Land absolut kahl", stellte Aschenborn fest. Der Boden Angra Pequeiias bestehe aus "verwinertem vulkanischen Felsgestein ", und um die

II. Das Schutztelegrarnm für Angra Pequeiia vom 24. April 1884

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vom 31. Dezember 1883 in London mehr als zwei Monate verstrichen waren, bekümmerte noch niemanden in der Wilhelmstraße. Kaum aus Kapstadt zurückgekehrt, fand sich Adolf Lüderitz am 20. März im Auswärtigen Amt ein, um sich zu erkundigen, ob er auf den traditionellen konsularischen Schutz des Reiches für sein Handelsuntemehmen rechnen dürfe. Der Bremer Kaufmann erfuhr, daß wahrscheinlich Gustav Nachtigal von Lissabon aus an Bord eines Kriegsschiffes nach Angra Pequefia segeln werde, um "Freundschaftstractate mit den Namaqua[ -] und Damara[ -]Capitainen" 7 abzuschließen. "Es wird sehr gewünscht"8, schrieb er seinem Unterhändler Heinrich Vogel sang nach Angra Pequena, "daß ich die ganze Küste mit 20 geogr[aphischen] Meilen Inland vom 26· [südlicher Breite] bis zur portugiesischen Grenze kaufe "9. Daß der Reichskanzler - wie die Historiker Wilhelm Schüssler, Hans-Ulrich Wehler und Wolfgang J. Mommsen behaupten - mit dieser Aufforderung, einen ungefähr 1.000 Kilometer langen sandigen Küstenstreifen zu erwerben, bereits im März 1884 beabsichtigte, ein "deutsches Interessengebiet"l0 in Südwestafrika zu schaffen, ist unbegründet. In Berlin war man in der zweiten Märzhälfte 1884 an höchster Stelle noch nicht einmal bereit, die Souveränität Lüderitz' über die Bucht von Angra Pequefia völkerrechtlich zu bestätigen, geschweige denn eine amtlich geduldete, prophylaktische Annexion wüster Landstriche zu betreiben, in denen keine deutschen Handelsniederlassungen existierten 11. Im Auswärtigen Amt verkehrte der Kaufmann Bucht ziehe sich ein "breiter Gürtel von Treib- und Flugsand, welcher die Verbindung mit dem Inneren begreiflicherweise sehr erschwert". "Zur Gründung einer Ackerbaukolonie ist der Platz wegen der Boden- und Wasserverhältnisse nicht geeignet". "Der gewinnbringende Betrieb von Minen ist durch die Schwierigkeit des Transports zum und vom Meere, besonders da bis jetzt keine Kohlen gefunden sind, sehr fraglich". (Aschenborn an Caprivi, südatlantischer Ozean, 27. Jan. 1884, BA Abt. P, RKA 1995.) Ähnlich Büttner in »Das Ausland« 36 [18&3], S. 715 (ebd., RKA 1994). Wehler: Imperialismus, S. 272, glaubt, es habe sich um ein "entschieden positive!s] Gutachten" gehandelt. In ähnlicher Sichtweise Aydelolle, S. 53; &terhuyse, S. 51, u. Schüssler: Lüderitz, S. 86, über den "so überaus günstigen Bericht des Nautiluskomrnandanten Aschenborn". 7 Lüderitz an Vogelsang, Bremen, 26. März 1884 (Lüderitz, S. 86). Vgl. Schüssler: Lüderitz, S.84f. 8 Lüderitz an Vogelsang, Bremen, 26. März 1884 (Lüderilz, S. 86, Hervorh. im Orig.). 9 Ebd. Vgl. Turner, S. 66. 10 Wehler: Imperialismus, S. 273. Vgl. Schüssler: Lüderitz, S. 85, u. W. Mommsen: Bismarck, S.158. 11 Vgl. Lüderitz an Vogelsang (Abschr.), Bremen, 26. März 1884: "Ich sagte!,] man solle einen Präcedenzfall schaffen und meine Souveränität anerkennen, doch ist man dazu offenbar nicht geneigt. - Selbst ein Honentottenkönig ist eben Souverain und kann Tractate mit Deutschland 11l Schutz und Trutz schließen. Ich bin aber Unterthan des Kaisers und als solcher nicht im Stande!,] Verträge über Souveränitätsrechte abzuschließen, trotzdem ich aus meinen Documenten bewiesen habe, daß mir alle Rechte, Souveränitätsrechte wie Privatrechte, vom König Josef Fredriks l1lgestanden sind". (Lüderilz, S. 87f, Hervorh. im Orig.) Man beachte auch Turner, S. 66. Dagegen Wehler: Imperialismus, S. 273: "Wer diese Entscheidung vorbereitet hat, läßt sich nicht eindeutig fIxieren. Nach der Funktionsweise des Auswärtigen Amts kann jedoch ein Entschluß mit derart

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G. Das Angra Pequefia-Telegramm und der Battenbergische Heiratsplan

überwiegend mit Heinrich von Kusserow. Da Lüderitz in seinem Brief an Vogel sang den Kanzler mit keinem Wort erwähnte, was er sicherlich mit Stolz getan hätte, wenn sich der Vortragende Rat auf die höchste Autorität der Wilhelm straße berufen hätte 12, ist zu vermuten, daß ihn der kolonialbegeisterte Kusserow auf eigene Faust zu diesem Landkauf ermunterte. Der Referent mühte sich, was Bismarck später in seiner Erinnerung säuerlich vermerkte, ihn mit aller Macht in die Kolonialpolitik zu drängen und mit einem Fait accompli zu konfrontieren, das eine aktivere Überseepolitik der Reichsleitung bedingte. "'Von Kusserow hat mich in den Kolonialtaumel hineingebracht'''13, schimpfte der Fürst nach Jahren. Das hieß jedoch nicht, daß er die Ideen seines Mitarbeiters im Frühjahr 1884 zur Erreichung völlig anderer, egoistischer Ziele nicht ausbeutete und instrumentalisierte l4. Die Erfahrung, daß in bezug auf die Erwerbung überseeischer Territorien bzw. auf der Suche nach der geeigneten Form des Schutzes deutscher Handelsinteressen zwei Fraktionen um die Gunst des Kanzlers buhlten und sich dieser bislang nicht entschieden hatte, machte der Afrika-Reisende Max Buchner Ende Februar 1884. "Die kühnsten Pläne der Kolonialvereine schienen zu Taten auszureifen" 15, beschrieb er im nachhinein die hochfliegenden Pläne Kusserows in seinen Memoiren. Der Geheime Rat Bojanowski, den Friedrich von Holstein schätzte, weil er "gute Fähigkeiten und ungewöhnliche Kenntnisse in handelspolitischen Dingen" 16 besaß, schärfte Buchner dagegen während seines Besuches im Auswärtigen Amt ein: '''Hegen Sie niemals einen Gedanken, der sich auf Kolonien zuspitzt. Unser leitender Staatsmann will davon nichts wissen. Und wenn auch in diesem Hause selbst derlei Ideen laut werden sollten, weitreichenden Folgen schwerlich ohne die Billigung Bismarcks, der diese prophylaktische Expansion gutgeheißen haben muß, zustande gekommen sein". - Weh/er ist vor allem darauf aus, die Schutzerklärung über Angra Pequefia vom 24. April 1884 nicht als - gemäß der »KronprinzenThese« - singuläres, zäsurhaftes Ereignis erscheinen zu lassen, sondern sie in einen gleitenden, kaum wahrnehmbaren Übergang von einer "Laissez Faire-Überseepolitik .. zu einer nur wenig veränderten Politik "staatlichen Engagements in »Schutzgebieten«" (Weh/er: Bismarcks Imperialismus, Zitate auf S. 262) einrubetten. Ähnlich Weh/er: Imperialismus, S. 274f. 12 Vgl. dagegen Meier [an Gildemeister), Berlin, 21. April 1884, über das erste Treffen zwischen Bismarck und Lüderitz zwei Tage zuvor: Letzterer sei ganz entzückt vom Reichskanzler gewesen, der sich die Äußerungen dieser Bewunderung, mit denen Lüderitz nicht gespart habe, se..'u wohl habe gefallen lassen. (StA HB, Bstd. 2 - M.6.c.2.b.1.b., Bd. 6.) 13 PallenstedJ, S. 38. Daß Lüderitz mit untergeordneten Chargen des Auswärtigen Amtes verhandelte, wird anhand der indifferenten Formulierung ("man") deutlich, die die Person des Verhandlungspartners ins Dunkel taucht: "Man sucht in Berlin nach einem Modus, um mir die Erhebung von Zöllen u[nd) Hafengeltkrn an meiner ganzen Küste ruzuweisen" (Lüderitz an Vogelsang, Abschr., Bremen, 26. März 1884, Lüderitz, S. 87, Hervorh. im Orig.). 14 Vgl. Hallgarten: Imperialist, S. 262. IS Buchner, S. 2. 16 Holstein: Papiere (Tgb. v. 29. April 1884), Bd. 2, S. 140.

TI. Das Schutztelegramm für Angra Pequeiia vom 24. April 1884

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hören Sie ruhig zu und halten Sie damit zurück"17. In seiner für den Kanzler angefertigten Denkschrift vom 8. April 1884 erwähnte Kusserow auch nur, daß Lüderitz beweiskräftige Urkunden eingereicht habe, nach denen ihm der Küstenstreifen vom 26. südlichen Breitengrad bis zum Oranje, samt einer Ausdehnung von 20 geographischen Meilen ins Inland, gehöre. Von einer seitens Bismarcks Ende März forcierten "prophylaktische[n] Expansion"18, die der Vortragende Rat in einem Promemoria der Vollständigkeit halber hätte rekapitulieren müssen - und das in solchen Fällen stets zur Erinnerung an alle wichtigen bis dato vorgefallenen Ereignisse hätte dienen sollen -, war darin nicht die Rede. Kein Indiz bietet bis zum 18./19. April 1884, dem Tag der Vorlage der Kusserowschen Denkschrift, einen Anhalt, daß das Interesse des Fürsten an überseeischen Exportmärkten über den traditionellen konsularischen Schutz, den das Reich den Angehörigen des deutschen Kaufmannstandes in Form des Ausbaus des Konsulatsnetzes und in Gestalt von Kriegsschiftbesuchen gewährte, hinausging. Ein Gespräch zwischen Hatzfeldt und dem spanischen Botschafter Benomar über die Möglichkeit, ein deutsches Kanonenboot vor Fernando Po zu stationieren, und zu diesem Zwecke auf der in der Bucht von Biafra gelegenen westafrikanischen Insel einen Kohlenbunker zu bauen, enthüllt, daß Bismarck noch immer freihändlerischen Handelsmaximen anhing. "Es liege nicht in der Absicht der Reichsregierung[,] Colonien zu erwerben" 19, faßte Solms-Sonnenwalde in Madrid - von dem Kanzler unwidersprochen - den Standpunkt der Berliner Zentrale zusammen. "Wohl aber liege es in ihrem Interesse[,] den deutschen Handel auszubreiten und möglichst zu schützen, das einzige dem Handel zu erschließende Land sei Afrika. Auf diesen Weltteil müsse man sein Augenmerk richten"20. Noch am 8. April 1884 schrieb Ampthill anläßlich der Gründungsversammlung der »Gesellschaft für deutsche Kolonisation«, der Felix von Behr-Bandelin, Ernst Molitor von Mühlfeld und 17 Buchner, S. 2. Ähnlich Promemoria Goerings, Berlin, 31. März 1884, daß die Erwerbung von Kolonien nicht im Sinne der Politik der Reichsleitung liege (BA Abt. P, RKA 4188). VgL Jaeck, S. 51. 18 Wehler: Imperialismus, S. 273. Hätte der Kanzler derart die Initiative an sich gerissen, hätte sich Kusserow mit der großen Denkschrift vorn 8. April 1884 nicht so vorsichtig taktierend um dessen »ja« für den Eintritt in die Kolonialpolitik bemühen müssen. In dieser Sichtweise auch Turner, S. 68: "It appears that the latter [Kusserowl allowed his enthusiasm for imperialist schemes to lead him into overstepping his authority. As the documents of the next weeks reveal, Bismarck was by no means committed in late March to the positions anributed by Lüderitz to the Foreign Office". Ähnlich Schüssler: Lüderitz, S. 84f, daß der Bremer Kaufmann nur mit Heinrich von Kusserow konferierte.

19 Solms-Sonnenwalde an Bismarck, Madrid, 25. Feb. 1884 (BA Abt. P, RKA 4192). Die fragliche Unterhaltung zwischen dem Staatssekretär und dem spanischen Botschafter hatte am 13. Februar 1884 stattgefunden. Dem Kanzler wurde der Inhalt durch das Schreiben Hatzfe1dts an ihn, Berlin, 6. März 1884, d. h. wenige Tage nach dem Aufsetzen des Fidschi-Konzepts, mitgeteilt. (Ebd.) V gl. oben Kap. D. III., S. 244-246. 20 SoIms-Sonnenwalde an Bismarck, Madrid, 25. Feb. 1884 (BA Abt. P, RKA 4192).

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G. Das Angra Pequena-Telegramm und der Battenbergische Heiratsplan

earl Peters präsidierten, nach London, daß Bismarcks Haltung zum Ackerbauund Siedlungskolonialismus nach wie vor unverändert sei 21 . Der Botschafter registrierte lediglich, daß der Kanzler nicht nur der Erledigung der FidschiLandreklamationen plötzlich eine immense Bedeutung beimaß, sondern auch auf der internationalen Beachtung deutscher Interessen an der westafrikanischen Küste und entlang des Kongo pochte, welche die Hansestädte Bremen und Hamburg geschützt wissen wollten. Obwohl Ampthill Mitte April hellhörig vernahm, "[that] Prince Bismarck's civil tone and manner sounded to me rather like a waming that he is about to ask us for more than we can grant"22, hatte dieser von einer "friendly cooperation"23 zwischen England und Deutschland bei der Regelung der Handelsbeziehungen gesprochen. Am 8. April 1884 benachrichtigte Lüderitz das Auswärtige Amt, sein Agent in Kapstadt habe ihm erneut über Schwierigkeiten mit englischen Rivalen telegraphiert. Einzelheiten hoffe er einem Brief zu entnehmen, der in ungefähr vier Wochen eintreffen werde. Die Briten würden fortfahren, ihn zu schikanieren, glaubte der Kaufmann, "solange nicht offiziell bekannt gemacht wird, daß ich, respektive mein afrikanischer Besitz unter deutschem Reichsschutze stehe" 24. Unter Protektion verstand er jedoch nicht eine territoriale Besitzergreifung oder eine über die herkömmlichen Maßregeln hinausgehende Besitzgarantie seitens des Reichs gegenüber fremden Mächten, sondern die Ernennung Heinrich Vogelsangs zum deutschen Konsul im Großnama- und Damaraland. Lippert in Kapstadt sei zu weit entfernt und mit den Verhältnissen in Angra Pequefia zu wenig vertraut, um seine Rechte gegen englische Umtriebe zu verteidigen, klagte Lüderitz. "So wird so leicht kein Fremder es wagen, irgend[welche] Übergriffe in meine Rechte zu machen[,] und kann ich erst dann mit Ruhe an dem weiteren Ausbau meines Unternehmens arbeiten"25, gab sich der Bremer mit diesen Forderungen zufrieden. Den juristischen Standpunkt bezüglich des Lüderitzschen Eigentums verdeutlichte der Geheime Rat Otto Hellwig dem Kanzler am 12. April 1884. Als rechtmäßiger und unabhängiger Herrscher Bethaniens im Großnamaland sei Joseph Fredericks befugt gewesen, Territorien an den Kaufmann zu veräußern. 21 VgL Arnpthill an Granville, Berlin, 8. April 1884: "There is no reason to suppose that the Gerrnan Govemment will be more disposed to lend its countenance to the efforts of this Society than it has been in the case of sirnilar movements in the past". (BriJ. Doc. For. Aff., S. 191.) Man beachte auch Taffs, S. 368; Taylor, S. 29; Hodge, S. 36f, u. GoUwald: Gesellschaft, S. 159. 22 Arnpthill an Granville, Berlin, 13. April 1884 (Leu. Berl. Emb., S. 324). VgL Aydelotte, S. 77 u. S. 86f, dort Anm. 14. 21 Arnpthill an Granville, Berlin, 13. April 1884 (Leu. Berl. Emb., S. 324). 24 Lüderitz an AA, Berlin, 8. April 1884 (LüderiJz, S. 65, Hervorh. im Orig.). Vgl. ESlerhuyse, S.51. 25 Lüderitz an AA, Berlin, 8. April 1884 (Lüderitz, S. 66).

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Dieser sei folglich der Landesherr. In einer Note vom 25. Mai 1880 an den deutschen Botschafter in London und in einem Schreiben des Colonial Office an Hercules Robinson, den Gouverneur der Kapkolonie, vom 30. Dezember gleichen Jahres habe die britische Regierung erklärt, nördlich des Oranje - außer der Walfisch-Bai - keine Jurisdiktionsrechte zu besitzen. Dagegen habe Granville auf eine spätere Anfrage Münsters behauptet, England habe zwar nur in der Walfisch-Bucht und auf den Angra Pequefia-Inseln Souveränität proklamiert, doch der Anspruch einer anderen Macht entlang der südwestafrikanischen Küste würde ihre legitimen Rechte verletzen. Daneben setzte der verdutzte Kanzler die Randbemerkungen "wann"26 und "wieso?"27 Diese Marginalien erhellen, daß dem Kanzler der Stand der Verhandlungen in Sachen Angra Pequefia keineswegs präsent war und er sich aus eigenem Antrieb seit Dezember 1883 kaum um den Fortgang der Sache gekümmert hatte. Der ihm offensichtlich entfallene Vorgang, der sich auf eine Note Granvilles vom November des vorangegangenen Jahres bezog, mußte ihm erst durch die Referenten ins Gedächtnis zurückgerufen werden 28 . Den passenden Fugenstein, der Bismarck die Brücke von der überwiegend freihändlerischen Idealen verpflichteten zur staatlich unterstützten Handelspolitik begehbar machen sollte, fand Heinrich von Kusserow. Er unterbreitete dem Kanzler am 18. April 1884 eine umfangreiche Denkschrift über die Möglichkeiten der Schutzgewährung für die Lüderitzschen Besitzungen und fügte ihr sowohl den Bericht Kapitän Aschenborns vom 27. Januar als auch eine Eingabe des Kaufmanns vom 21. März 1884 bei 29 . Zunächst rekapitulierte der

26

Marginalie Bismarcks an der Vorlage Hellwigs, Berlin, 12. April 1884 (BA AbI. P, RKA

27

Ebd.

1995).

Vgl. Lippert an AA, Kapstadt, 6. Feb. 1884 (mit dem Präsentationsvermerk 28. Feb. 1884): Nach Durchsicht der in Frage kommenden Blaubücher stünden nur die vor Angra Pequefia befindlichen Inseln unter englischer Souveränität. (Ebd.) Ähnlich Lüderitz an AA, Berlin, 21. März 1884, der jedoch die Besitzrechte der Fa. »de Pass, Spence & Co.« an den Inseln bezweifelte (ebd.). Über die Handelsrivalitäten vor Ort und deren Schlichtung von März bis September 1885 informiert - die inhaltlich und chronologisch zusammenhaltlos - verfaßte Studie von Phillips. 29 Vgl. Promemoria Kusserows, Berlin, 8. April 1884 (BA AbI. P, RKA 1995); Eslerhuyse, S. 51, u. Schüssler: Lüderitz, S. 85f. - Wehler: Imperialismus, S. 273f; Schüssler: Lüderitz, S. 86; Ay· delolle, S. 53f u. S. 57f, dort Anm. 6; Eslerhuyse, S. 51, u. Zimmermann, S. 64, gehen fälschlicherweise davon aus, daß die umfangreiche Denkschrift dem Kanzler am 8. April 1884 vorlag. Dagegen sprechen der Präsentationsvermerk, der den 18. April angibt, und die Tatsache, daß sich Bismarck drei Tage später maßlos über die "schwülstige Grobheit von Kusserow" (HolsIein: Papiere, Tgb. v. 21. April 1884, Bd. 2, S. 133) ärgerte. Hätte der Kanzler das Schriftstück schon am 8. April gelesen, könnte man aus seinen Randbemerkungen an der Vorlage Hellwigs vom 12. April 1884 (BA AbI. P, RKA 1995) auf ein begrenztes Erinnerungsvermögen schließen, da er minels der Marginalien an diesem Dokument Kenntnis darüber verlangte, wann Granville eine Art von Monroe-Doktrin über die südwestafrikanische Küste erhoben habe. (Siehe dazu die von Kusserow an den Be28

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G. Das Angra Pequeiia-Telegramm und der Battenbergische Heiratsplan

Vortragende Rat, daß Münster im Foreign Office Ende des vergangenen Jahres angefragt habe, auf welche Titel sich die englische "Auffassung stütze, daß die Ausübung von Hoheitsrechten durch eine andere Macht in dem Gebiete zwischen der nordwestlichen Grenze der Kap-Kolonie und der südlichen Grenze der Portugiesischen Besitzungen in die legitimen Rechte der Englischen Regierung eingreifen würde"30. In Widerspruch dazu befmde sich das Eingeständnis der britischen Regierung, anhand von in Blaubüchern veröffentlichten amtlichen Depeschen dokumentierbar, daß der Oranje die Nordwestgrenze der Kapkolonie bilde. Jenseits dieses Punktes nenne sie nur die Enklave der WalfischBucht ihr eigen. Ausdrücklich habe England erklärt, "auf kein Projekt zur Ausdehnung der Britischen Jurisdiktion über Gross-Namaqua und Damara-Land sich einlassen zu wollen" 3 I. Die Note Münsters sei noch nicht beantwortet worden, ebenso wie der Botschafter noch nicht über eventuelle Ergebnisse der Fidschi-Landreklamationen berichtet habe. Die anfechtbare englische Position kontrastierte Kusserow mit dem Bericht des Kommandanten der »Nautilus«, der sich "über die Rechtstitel des Herrn Lüderitz und die Bedeutung seines Unternehmens sehr günstig"32 geäußert habe. Detailliert listete der Vortragende Rat die Beweismittel für die Besitzrechte Lüderitz' auf. Auch beanspruche der Bremer Kaufmann das "volle Eigentums-,lecht"33 über die Angra Pequena vorgelagerten Inseln, solange ihn die Engländer nicht mit anderslautenden Urkunden behelligten. Dieser Absatz erregte Bismarcks Aufmerksamkeit, denn er warf die Frage auf, ob Lüderitz nach wie vor unter der Souveränität des NamaHäuptlings Joseph Fredericks stand oder sich als landesherrliche, von Dritten unabhängige Macht, aus eigenen Rechten konstituierend, in Bethanien etabliert hatte. Fragend setzte der Kanzler neben die Ausführungen Kusserows die Marginalie "Landeshoheit?"34 Einen schriftlichen Antrag für eine Schutzgewährung von Seiten des Reiches habe Lüderitz bislang nicht eingereicht, fuhr der ginn seines Promemorias gesetzte Rekapitulation der Ereignisse vom November 1883 oben im Text.) 30 Promemoria Kusserows, Berlin, 8. April 1884 (BA AbI. P, RKA 1995). Die Denkschrift ist besprochen bei Schüssler: Lüderitz, S. 88-90; Turner, S. 68f; Weh/er: Imperialismus, S. 273f; Schreuder, S. 124, u. Aydi!lol/e, S. 53. Teilweise gedruckt bei Zimmermann, S. 64-68, u. Aydi!lol/e, S. 57f, dort Anm. 6. 31 Promemoria Kusserows, Berlin, 8. April 1884 (BA Abt. P, RKA 1995). 32 Ebd. Ebd., die HelVorhebung madciert eine Unterstreichung des Kanzlers. Ebd. Bei der weiteren Lektüre stach Bismarck wiederum ins Auge, daß Lüderitz neben dem Festland auch die Inseln "mit allen Privat- und Hoheilsrechten" für sich reklamiere (ebd., die Her· vorhebung markiert eine Unterstreichung des Kanzlers). Bereits am 12. April 1884 hane Hellwig geschrieben: "Wenn angenommen wird, daß Lütkritz d~ SliJalshoheil über das von ihm erworbene Territorium besilZl, so kann dieses Recht durch Ansprüche privatrechtlicher Natur, wie sie von Spence allein geltend zu machen sein dürften, überhaupt nicht berührt werden". Neben der HelVorhebung vermerkte Bismarck verwundert: "Für 100 f?" (Vorlage Hellwigs, Berlin, 12. April 1884, ebd., eig. HelVorh.) 33 J4

II. Das Schutztelegramm für Angra Pequeiia vom 24. April

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Vortragende Rat fort, "weil er nach den ihm gemachten Andeutungen besorgt, daß sein Wunsch wegen Inbesitznahme seines Gebietes oder Uebemahme eines Protektorats über dasselbe durch das Reich sich nicht erfüllen werde" 35. Der Kaufmann sei jedoch zuversichtlich, daß man in Berlin irgendeine Form finden werde, um die Annexion seines Territoriums durch eine fremde Nation zu verhüten. Klarsichtig, auch wenn er sich in den folgenden Wochen noch so sehr gegen den Begriff »Kolonialpolitik« sträuben sollte, erkannte Bismarck, daß ein solches Engagement Deutschlands in eine territorial begründete, von Staats wegen sanktionierte Kolonialherrschaft münden würde. "Dazu [d. h. um einer anderen Nation zuvorzukommen] müßten wir entweder Besitz ergreifen, oder Lüderitz als Souverän anerkennen"36, notierte er in einer Randbemerkung. Um dem Kanzler die Einwilligung in die Schutzgewährung zu erleichtern, schlug Kusserow vor, das Reich solle Lüderitz, orientiert am Vorbild der »North Borneo Company«, einen Charterbrief ausstellen. Auf diese Weise versuchte der Vortragende Rat die zahlreichen Einwände des Kanzlers gegen eine Politik zu entkräften, die das Mutterland rechtlich, finanziell, personell und militärisch mit den örtlichen Gegebenheiten und Geschehnissen in einer Kolonie verquickte37 . Der Charterbrief übereigne dem Eigentümer der überseeischen Niederlassung die freie Verfügungsgewalt über Grund und Boden, laste ihm die Ausübung aller staatlichen Funktionen an, bringe deutsche Gesetze zur Geltung und gestehe ihm das Recht zur Erhebung von Zöllen zu. Da außer Lüderitz die Handelshäuser »Carl Woermann«, »Janzen & Thormälen« sowie ein Konsortium Frankfurter und Stuttgarter Finanziers größere Landstriche in bislang neutralen Gebieten erworben hätten bzw. zu kaufen beabsichtigten, dürfte es ohnehin angezeigt sein, die Form des Schutzes zu defmieren, "den wir in unabhängigen, aber staatlich nicht organisi[e]rten Gebieten, deren Absorbi[e]rung durch dritte Mächte gegen unser Interesse wäre, den deutschen Unternehmungen von Reichs wegen gewähren wollen"38. "Die Verleihung einer der Englischen Royal Charter entsprechenden Berechtigung"39, versuchte Kusserow seinen Vorgesetzten in das koloniale Abenteuer zu locken, "würde für das Reich kaum größere Pflichten und Kosten involvi[e]ren, als dasselbe durch dauernde Stationi[e]rung von Kriegsschiffen und Einrichtung von Berufskonsulaten bisher in der Südsee auf sich genommen hat und nunmehr auch in Afrika über35 Promemoria Kusserows, Berlin, 8. April 1884 (ebd.). Auch aufgnmd dieser Passage erweist sich die Haltlosigkeit von Schüsslers, Wehlers und W. Mommsens Behauptung, der Kanzler habe schon im März 1884 ein deutsches Interessengebiet in Südwestafrika angepeilt (vgl. oben S. 407, u. S. 409 dieses Kapitels, dort Anm. 18). 36 Marginalie Bismarcks am Promemoria Kusserows, Berlin, 8. April 1884 (BA Abt. P, RKA

1995). 37

38 39

Vgl. oben Kap. A., S. 21-25. Promemoria Kusserows, Berlin, 8. April Ebd.

1884 (BA Abt. P, RKA 1995).

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G. Das Angra Pequefia-Telegramm und der Battenbergische Heiratsplan

nehmen will "40. Gleich ob Bismarck geneigt sei, die Charter zu verleihen, könnte das Reich mit dem Stammesfürst von Bethanien einen Vertrag abschließen, in dem beurkundet würde, daß der Lüderitzsche Besitz der indigenen Bevölkerung und dritten Nationen gegenüber ein neutrales Territorium sei. Vom nationalen Standpunkt aus betrachtet, sei der Bremer daran interessiert, seine Unabhängigkeit zu sichern, betonte Kusserow, und unter kommerziellen Aspekten sei ihm daran gelegen, die Zollhoheit über Ausländer ausüben zu dürfen. Der Kanzler bemerkte sofort, daß sich die scheinbare Alternative Kusserows wiederum um die alles bewegende Frage drehte, wer - bei Gewährung des Rechts der Zollerhebung - die eigentliche letzte Verantwortung, d. h. die Souveränität, für Angra Pequeöa trage. Neben den Vorschlag schrieb er fragend: "nomine Lüderitz? nomine Häuptling? nomine Deutschland? "41 Wolle der Kanzler die Ausstellung einer Royal Charter nicht genehmigen, flüchtete Kusserow sich in den Ausweg, der ihm am wenigsten behagte, könne das deutsche Interesse nur durch einen Vertrag mit dem Häuptling von Bethanien garantiert werden. Der Kontrakt müßte die Verfügung enthalten, daß Joseph Fredericks die Landeshoheit über das Lüderitzsehe Anwesen ausübe. Der Häuptling würde die Zollhoheit besitzen oder sie dem Kaufmann als Privileg zuerkennen. Abermals bohrte Bismarck nach: "Unter deutschem Schutz?"42 Kusserow regte an, der englischen Regierung beglaubigte Abschriften der Lüderitzschen Besitzurkunden zu unterbreiten und sie zu informieren, daß alle Voraussetzungen erfüllt seien, um den Reichsschutz zu gewähren. Der deutsche Botschafter könnte in London vielleicht anmerken, daß man sich in Berlin die Form des Schutzes zunächst vorbehalte. Behutsam erkundigte sich der Referent "Darf Graf Münster in diesem Sinne instrui[e]rt, und soll ihm ein Noten-Entwurf übersandt werden?"43 Dieses Ansinnen beantwortete der Fürst mit einem klaren "nein"44. Kusserows weitere Frage, ob man das Reichsjustizamt wegen der Erteilung ei40 Ebd. Vgl. W. Mommsen: Triebkräfte, S. 103, zu den Royal Charters, die - nach der ursprünglichen Konzeption - alle ökonomischen Risiken, Verwaltungskosten und Pflichten rur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, insgesamt die Entwicklung des Schutzgebiets, auf die Kolonialgesellschaften abwälzen sollten, während das Mutterland dritten Mächten gegenüber nur die völkerrechtliche Integrität des Territoriums garantierte. 41 Marginalie Bismarcks am Promemoria Kusserows, Berlin, 8. April 1884 (BA Abt. P, RKA 1995). Man beachte auch Krüger an Petersen (Absehr.), Berlin, I. Mai 1884, daß die Klärung der Souveränitätsfrage wichtig sei, um zu eruieren, wer Eingangswlle in Angra Pequeiia erheben dürfe und wie man sich Gebietsansprüchen fremder Nationen erfolgreich erwehre (StA HH, Senat, a. VI Nr. 15 Vol. 6, Fasz. 4). 42 Marginalie Bismarcks am Promemoria Kusserows, Berlin, 8. April 1884 (BA Abt. P, RKA 1995). Völlig falsch dagegen Wehler: hnperialismus, S. 274: "Der von Nachtigal zu schließende Vertrag solle die 'Landeshoheit bei dem Häuptling von Bethanien' belassen, erklärte Kusserow, dieser solle auch die Zollhoheit behalten oder Lüderitz zu ihrer Ausübung - 'unter deutschem Schutz', bekräftigte Bismarck - ermächtigen" (eig. Hervorh.). 43 Promemoria Kusserows, Berlin, 8. April 1884 (BA Abt. P, RKA 1995). 44 Marginalie Bismarcks am Promemoria Kusserows, Berlin, 8. April 1884 (ebd.).

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ner Royal Charter konsultieren solle, bejahte er dagegen. Aber er schränkte ein: "Besser vielleicht noch [sei ein] Vertrag mit dem Häuptling"45. Schließlich stimmte er der Bitte zu, daß das deutsche Kriegsschiff »Leipzig«, von Ostasien kommend, Angra Pequefia besuchen solle. Allzu großes Vertrauen in die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten des südwestafrikanischen Unternehmens schien der Kanzler jedoch nicht zu hegen. Die Textstelle, worin geschildert wurde, daß die Zukunft der Faktoreien in Angra Pequefia auf einem geregelten Handeisverkehr mit dem Landesinneren beruhe, wobei es sich um eine "gesicherte Straße [!] nach dem oberen Kongo und Zambesi"46 handele, strich er mit Bleistift an. Der Passus, der den Eindruck erwecken sollte, als könne man von einem unwirtlichen Küstenort mühelos und ohne Gefahren quer durch den afrikanischen Kontinent reisen, grenzte - sogar an dem Erfahrungsschatz begeisterter Afrika-Reisender im 19. Jahrhundert gemessen - ans Utopische. Immerhin betrug die Entfernung von Angra Pequefia zu den Stanleyfällen am Kongo, dem späteren Kisangani, von wo aus der Fluß erst bis nach Brazzaville schiffbar war, ungefähr 3.000 Kilometer Luftlinie 47 . Das entsprach mehr als dem Fünffachen der Entfernung zwischen Hamburg und München. Folgerichtig notierte eine unbekannte Hand aus der Wilhelmstraße ungläubig auf der Denkschrift: "Vom Nam[a-]Lande nach dem Congo?"48 Auch die Behauptung Kusserows, Lüderitz habe mehr als 500.000 Mark in sein Projekt investiert, versah Bismarck erstaunt mit einem Fragezeichen. Nur wenige Tage zuvor hatte er sich gewundert, daß der Kaufmann für die geringe Summe von 100 Pfund Sterling die Eigentumsrechte an Angra Pequefia erworben hatte 49. Obwohl sich der Kanzler, wie die kritischen Marginalien an dem Promemoria Kusserows verraten, über die Form des zu gewährenden Schutzes zutiefst unsicher war und schwankte, wer letztlich die Souveränität über Angra Pequefia ausüben sollte, ja sich sogar bis Ende der achtziger Jahre weigerte, von staatlicher Kolonialpolitik bzw. -besitz zu sprechen 50, gebärdete er sich gegenüber 45

Ebd.

Promemoria Kusserows. Berlin, 8. April 1884 (ebd.). V gL Bertaux, S. 244. 48 Marginalie unbekannter Hand am Promemoria Kusserows, Berlin, 8. April 1884 (BA Abt. P, RKA 1995, VOll Zimmermann, S. 66, als Handschrift Bismarcks ausgegeben). - Bei WehIer: Imperialismus, S. 446, fehlt bezeichnenderweise dieser kritische Kommentar. 49 VgL Marginalie Bismarcks an der Vorlage Hellwigs, Berlin, 12. April 1884 (BA Abt. P, RKA 1995). - Für Gold und 60 Gewehre im Gegenwert VOll 100 f: hatte Lüderitz Angra Pequeiia am 31. April 1883 erworben (vgl. SchTeuder, S. 117, u. oben Kap. G. 1., S. 393f). Daß englische Kaufleute den Bremer mit billigen, qualitativ minderwertigen Waren aus dem Wettbewerb zu werfen suchten, kommentierte der Kanzler mit der Bemerkung: "Es gibt einstweilen keine deutschen Fabriken, welche mit den Engländern mit der Herstellung der für die Eingeborenen benötigten Stoffe konkurrieren könnten". (ZiL nach Zimmermann, S. 67.) 50 VgL Schiissler: Lüderitz, S. 87. "Zeigen sie [d. h. Bismarcks Randbemerkungen] doch noch seine Unentschlossenheit und sein Tasten auf dem ungewohnten Boden" (ebd., S. 89). - Der han46 41

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Lüderitz, als habe er eine radikale Kehrtwende vollzogen und als sei alles bereits entschieden. Von nun an ging es Schlag auf Schlag. Einen Tag nach der Lektüre des Kusserowschen Memorandums (19. April 1884) empfing er den Bremer Kaufmann in der Wilhelmstraße51. Er versicherte ihn "seines ausgedehn testen Schutzes"52 und bekräftigte, "er freue sich von Herzen über die Thatkraft, die L[üderitz] in deutschem Interesse bewiesen habe u[nd] beweise, u[nd] werde Alles thun, um seine Sache zu fördem"53. Wiederum zwei Tage später hielt Bismarck Immediatvortrag beim Kaiser. Wilhelm I. erklärte sich "mit jeder Form der Inschutznahme"54 deutscher Handelsinteressen, d. h. vom Raggenhissen, Ausstellung von Charterbriefen, Protektoratsverträgen bis hin zur Proklamation der uneingeschränkten kaiserlichen Souveränität, einverstanden. Obwohl er sich staatlicherseits kolonialpolitisch zu engagieren begann, betonte Bismarck - noch immer dem manchesterlich-freihändlerischen Standpunkt des »Laissez-faire« verhaftet -, er beabsichtige nicht, "Staatskolonien"S5 mit einem großen Beamtenheer, Militärgarnisonen und einem im Reichstag zu seatische Gesandte Daniel Krüger wußte sehr genau über die Bismarckschen Marginalien an Kusserows Denkschrift vom 8. April 1884 Bescheid. Der Kanzler habe mit Lüderitz die Frage erörtert, wer Souverän des erwOlbenen Gebietes werden solle, "ob Lüderitz der Erste - wie sich der Reichskanzler ausdrückt - oder der deutsche Kaiser oder der König zu Bethanien" (Krüger an Petersen, Abschr., Berlin, 1. Mai 1884, StA HH, Senat, O. VI Nr. 15 Vol. 6, Fasz. 4). Am 22. April 1884 erfuhr der Bremer vom Auswärtigen Amt, daß er eine Eingabe an den Kaiser machen solle. "Dieser wird mein Land in Besitz nehmen und mir dann zu Lehen übertragen, wodurch ich die SouveränitätsrechJe bekomme". (Lüderitz an Vogelsang, [Berlin,] 22. April 1884, LüderiJz, S. 90.) - Über eine Unterredung des Kaufmanns mit den Kapbehörden berichtete Kusserow: "Auf die Frage des Herrn Lüderitz, ob England oder die Kapkolonie die Inseln gekauft habe, antwortete der KolonialSekretär, 'dies sei nicht nöthig gewesen, denn die Hottentotten seien »Savages«, deren Land von ir· gend einer civilisi[ejrten MachJ annelcJi[ejrt werden könne ..•. Der Kanzler vermerkte dazu: "Also auch von uns". (Marginalie Bismarcks am Promemoria Kusserows, Berlin, 8. April 1884, BA Abt. P, RKA 1995, die Hervorhebung markiert eine Unterstreichung Bismarcks.) Verwundert sagte Granville am 7. Juni 1884 zu Münster: "Ich muß aber gestehen, daß ich aus allen Äußerungen, welche Sie und Graf Bismarck mir, der Reichskanzler Lord Ampthill gegenüber getan haben, nicht den Eindruck gewonnen habe, als wolle die Deutsche Regierung Kolonialpolitik treiben". (Münster an Bismarck, London, 7. Juni 1884, GP, Bd. 4, S. 63.) Daneben setzte Bismarck die Marginalie: "Was ist Colonial-Politik? Wir müssen uns[e]re Landsleute schützen". (Ebd., S. 64.) Man beachte auch Wehler: Bismarcks Imperialismus, S. 263f. SI Auf die Denkschrift Kusserows hatte Bismarck geschrieben: "1st H[err] Lüderitz hier?'" (Zit. nach Schi4ssler: Lüderitz, S. 91.) 52 Lüderitz an Vogelsang, Berlin, 21. April 1884 (LüderiJz, S. 89). Vgl. Turner, S. 69. Man beachte auch Schreuder, S. 124: "When Lüderitz next called on the Chancellor, on 19 April, he detected a much warmer reception than ever before". 5) Meier [an Gildemeister], Berlin, 21. April 1884 (StA HB, Bstd. 2 - M.6.c.2.b.1.b., Bd. 6). 54 Promemoria Kusserows betreffend Angra Pequeiia, Berlin, 8. Aug. 1884 (BA Abt. P, RKA 1998). Hierin schilderte der Kolonialreferent nachträglich die entscheidenden Ereignisse im April 1884 (ebd.). Vgl. Kohl: Regesten, S. 314 - mit dem Promemoria Kusserows übereinstimmend -, zur Datierung des Immediatvortrages. ss Promemoria Kusserows betreffend Angra Pequeiia, Berlin, 8. Aug. 1884 (BA Abt. P, RKA 1998).

ll. Das Schutztelegramm für Angra Pequena vom 24. April 1884

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verantwortenden Finanzetat zu gründen. Freilich schränkte er ein, daß er sich je nach Bedürfnis für eine der genannten Fonneln entscheiden werde. Auch Kusserow weihte er in das Gespräch mit Wilhelm I. einS6. Wie er mit dem Kanzler mündlich verabredet hatte, übennittelte Lüderitz dem Auswärtigen Amt am 22. April - anscheinend von Kusserow assistiert eine Eingabe. Er bat, den deutschen Konsul in Kapstadt zu beauftragen, den Gouverneur der Kapkolonie über die Schutzgewährung des Reichs zu unterrichten. Da er Vogelsang befohlen habe, noch weitere Küstenstrecken zu kaufen, dürfe Lippert für das Gebiet, auf welches sich der Reichsschutz erstrecken solle, keine Grenzen benennen, sondern nur verlauten lassen, daß es nördlich des Oranje liege. Der Unsicherheit Bismarcks, einerseits Schutz gewähren zu wollen, andererseits jedoch außerstande zu sein, präzise zu detenninieren, was darunter eigentlich zu verstehen sei, trug Lüderitz Rechnung S7. Er suchte um ein baldiges und möglichst oft zu wiederholendes Erscheinen eines deutschen Kriegsschiffes vor der südwestafrikanischen Küste nach. Da sein Faktoreibesitz nicht dazu auserkoren sei, sich zu einer "Reichskolonie"S8 zu entwickeln, schrieb er bedauernd, werde er selbst für den Bau von Wohnungen und die Anstellung von Personal sorgen. Nur deutsche Staatsbürger, für die allein deutsche Gesetze Gültigkeit besäßen, seien anzuwerben, damit sein Besitz "möglichst gennanisi[e]rt"S9 werde. Außerdem werde er eine Polizei truppe rekrutieren und den Schmuggel an der Küste mit einem besonders bewaffneten Schiff unterbinden. In einem neuen Vertrag mit den Nama-Häuptlingen werde er sich die Eigentumsrechte für das gesamte Großnamaland, "wo die besten Weidegründe und Gewässer sich befmden, und [... ] wo kolossale Kupfer- und andere Erzlager sind"60, sichern und die Stammesführer verpflichten, ihr Gebiet nicht ohne Erlaubnis der deutschen Regierung an eine fremde Nation zu verkaufen 61 . Am 24. April 1884 sandte Bismarck das berühmte Telegramm, das die Geburtsstunde der deutschen Kolonialpolitik markierte, an den deutschen Konsul in Kapstadt62. Knapp und ohne Erläuterung des in Berlin gefällten Entschlusses, Ebd. VgJ. Schüssler: Lüderitz, S. 92-95 u. 112. VgJ. HalZfeldt an Caprivi (Konz.), Berlin, 26. April 1884: Bismarck habe mit dem Kaiser über Angra Pequefia gesprochen. Die Lüderitzsche Besitzung werde IDlter deutschen Schutz gestellt, wogegen die Form der Schutzgewähnmg noch nicht klar sei. Mit dem Aufziehen der deutschen Flagge sei Gustav Nachtigal zu betrauen. Die Reise des dazu erforderlichen Kriegsschiffes »Leipzig« von Ostasien nach Kapstadt sei möglichst zu beschleunigen. (BA Abt. p. RKA 1995.) 58 Lüderitz an AA, Berlin, 22. April 1884 (Liideritz, S. 67). V gl. Weh/er: Imperialismus, S.274f. 59 V gJ. Lüderitz an AA, Berlin, 22. April 1884 (Liideritz, S. 66-69). 00 Lüderitz an AA, Berlin, 22. April 1884 (ebd., S. 69). 61 Vgl. Turner, S. 70. 62 Fast einhellig erfahrt das Telegramm diese Bewertung in der ForschlDlg (vgl. aus der Masse der Literatur: Gründer: Lüderitz, S. 452f; Reith, S. 35; Cornevin, S. 384; Gründer: Geschichte, 56

57

27 Riehl

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G. Das Angra Pequena-Telegramm und der Bauenbergische Heiratsplan

nämlich über das Feld der traditionellen Handelsförderung hinauszugreifen, hieß es in der Depesche, nach Mitteilung Lüderitz' bezweifelten die englischen Kolonialbehörden, ob seine Erwerbungen nördlich des Oranje Anspruch auf deutschen Schutz besäßen. Bismarck wies Lippert an, "amtlich [zu] erklären, daß er [d. h. der Bremer Kaufmann] und seine Niederlassungen unter dem Schutze des Reiches stehen"63.

s. 79; Haselmayr, s. 133; Hilllrager; Südwestafrika, S.

11; &lerhMJSe, S. 5lf; Sleilzer; Aufstieg, S. 13; Hillgruber. Außenpolitik, S. 171; Schinzinger. Kolonien, S. 18; Wirz, S. 303 (jedoch falsch datiert); Phillips, S. 93, u. Snyder; Negotiations, S. 441). Man beachte auch KlISserow, S. 299. 6J Bismarck an Lippert (Teleg.), Berlin, 24. April 1884 (Wb. Angra Pequeiia, S. 172). Vgl. Hodge, S. 36; Crewe, S. 41, u. Aydelolle, S. 54f.

m. Das Wiederaufleben des Battenbergischen Heiratsplans seit Mitte April 1884

Die Zeitspanne vom 13. bis zwn 24. April 1884, in der Bismarck wegweisende kolonialpolitische Entschlüsse faßte, ist äußerst bedeutsam, weil bislang chronologisch parallel laufende innen- und außenpolitische Handlungsstränge sich plötzlich innerhalb weniger Tage zu einem Krisenpunkt verdichteten. Seit Wochen sträubte sich Kaiser Wilhelm 1., Bismarcks Wunsch, ihn der preußischen Ämter zu entbinden, zu erfüllen, und indem sich der Herrscher die Argumente der liberalen Gegner des Staatsratsprojekts aneignete, brach er ein weiteres - in den Augen des Kanzlers eminent wichtiges - Glied aus der Schlachtreihe im Kampf mit dem Kronprinzen heraus 1. Über den Widerstand des Monarchen schäumte Bismarck am 16. und 17. April vor Wut, da er alle seine seit Dezember filigran gesponnenen Pläne - mit Ausnahme der bereits erledigten Bundesratsinitiative - plötzlich gefährdet wähnte. In diesem ohnehin aufgeheizten Klima verschärfte der wiederaufflackemde Battenbergische Heiratsplan die Situation wesentlich. Nachdem die Intrige im November 1883 für kurze Zeit die Gemüter im Neuen Palais und im Berliner Schloß erhitzt und beim Kanzler den Verdacht geweckt hatte, die englische Königsfamilie und das deutsche Kronprinzenpaar gefährdeten privater Sympathien willen seine Rußlandpolitik, drangen bis Mitte April 1884 keine Nachrichten mehr über die außenpolitisch fatale Herzensangelegenheit nach Friedrichsruh und ins Auswärtige Amt. Doch ebenso wie sich Kronprinzessin Victoria und die engliscbe Königin seit ihrer ersten Zusammenkunft mit dem Bulgarenfürsten um dessen Schicksal besorgt gezeigt hatten, nahmen sie auch weiterhin regen Anteil an dessen Bemühungen, die russischen Einflußversuche in seinem Lande zu ersticken. Königin Victoria bedauerte, daß sowohl ihr Premier als auch ihr Außenminister es strikt ablehnten, sich zugunsten Alexander von Battenbergs am Zarenhof zu verwenden. Auch über die kühle, beobachtende Zurückhaltung Österreich-Ungarns und Deutschlands waren sie und ihre Tochter in Berlin enttäuscht2. Auf einen Brief Sandros Vgl. oben Kap. F., S. 286-383. VgI. Queen Vietoria an Gladstone (Absehr.), Balmoral Castle, 23. Sept. 1883 (Victoria: Leners, S. 443). Man beaehte aueh Queen Vietoria an Granville (Absehr.), Balmoral Castle, 12. Okt. 1883: "She can only repeat her strang eonvietion that our object is to preve1lt Russia forcing this prince to resign, and Ihus to see a Russian vassal there. Whether he has made mistakes or not is of far less importance Ihan bis being driven away, and Russia having a1l her own way. And this the olher Powers who placed him there should try and prevent". (Ebd., S. 445, Hervorh. im Orig.) Siehe ferner Granville an Queen Vietoria, Foreign Offiee, 13. Okt. 1883, u. Ponsonby an Granville 1

2

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G. Das Angra Pequeiia-Telegramrn und der Bauenbergische Heiratsplan

aus Sofia antwortete ihm Kronprinzessin Victoria im November 1883 traurig, sie dürfe ihm auf Geheiß ihres Gatten keine Hoffnungen bezüglich einer Heirat mit ihrer jüngsten Tochter einflößen. Wenn sich aber seine innenpolitische Lage bis zum Frühjahr 1884 stabilisiert habe, so daß ein Umsturz seitens der Russen nicht mehr zu befürchten sei, versuchte sie ilun Mut zu machen, werde Friedrich Wilhelm sicherlich in die Verbindung einwilligen. Auch der Kaiser, hoffte sie, der mehrfach seine Sympathie für ihn bekundet habe, werde nachgeben3 . Zielstrebig visierte die Kronprinzessin das Frühjahr 1884 an, weil sie bereits seit Oktober 1883 wußte, daß sich in Darmstadt binnen eines halben Jahres Prinzessin Victoria Alberta von Hessen und Sandros Bruder, Ludwig, vermählen würden. Auch die Queen beabsichtigte, falls es ihr Gesundheitszustand gestattete, zu dem Familienfest nach Deutschland zu reisen 4. Während des Treffens der englischen, hessischen und Hohenzollernschen Verwandtschaft mit den Battenbergern würde sich, spekulierte die Kronprinzessin vermutlich, eine Gelegenheit bieten, Vicky und Sandro erneut zusammenzuführen. Im November und Dezember 1883 bestürmte die Queen Außenminister Granville, den Bulgaren im europäischen und insbesondere im englischen Interesse gegen die russischen Hinterhältigkeiten zu verteidigen. Sie beklagte, daß ihre Regierung die Gefahren unterschätze, die drohten, wenn Rußland in den ehemaligen Donaufürstentümern Fuß fasse. Jene sollten eine Festung gegen russische Einflüsse und Übergriffe bilden5. Zar Alexander III. schrieb seiner Schwägerin, der Princess of Wales, ihn amüsiere es zuzuschauen, wie der Battenberger noch immer gegen das "'Unvermeidliche"'6 ankämpfe und nicht begreifen wolle, daß die gesamte bulgarische Nation seine Beseitigung herbeisehne. Sehr zum Ärger Gladstones mischte sich Queen Victoria schließlich direkt in die englische Außenpolitik ein. Nicht nur teilte der englische Generalkonsul in Sofia, Frank Lascelles, in speziellem Auftrag der Königin dem Fürsten die abfälligen Äußerungen des Zaren mit, sondern sie ließ Sandro durch seinen Bruder Ludwig auffordern, die bulgarische Verfassungsfrage zu lösen, wobei er sich der Hilfe Granvilles sicher wähnen könne. Ludwig munterte seinen Bruder im Dezember 1883 ebenfalls auf, die gesamte englische Verwandtschaft der Queen würde die deutsch-bulgarische Heirat willkommen heißen. Die Königin sei rührend besorgt um ihn. Herbert von Bismarck, womit er an(Absehr.), Balmoral, 25. Okt. 1883 (ebd., S. 446f). Vgl. HamiJto/'l (Tgb. v. 17. Nov. 1883), S. 5(m, u. Ampthill an Granville, Berlin, 29. Dez. 1883 (Leu. Berl. Emb., S. 304). 3 Vgl. Corti: Leben, S. 154. Man beachte auch oben Kap. C. III., S. 15Of. 4 Vgl. Queen Victoria an Kronprinzessin Victoria, Balmoral Castle, 30. Okt. 1883 (Victoria: Beloved Mama, S. 148). Man beachte auch Queen Victoria an Kronprinzessin Victoria, Windsor Castle, 21. Nov. 1883 (ebd., S. 150). S Vgl. Queen Victoria an Dufferin, 18. Nov. 1883 (Victoria: Letters, S. 454), u. Corti: Leben,

S.155. 6 Braunschweig an Bismarck, Sofia, 13. Dez. 1883 (PA BN, Bulgarien Nr. I, Bd. 25).

ill. Das Wiederaufleben des Banenbergischen Heiratsplans seit Mitte April

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scheinend auf das Gespräch des Kanzlersohns mit dem Prince of Wales vom l. November 1883 anspielte, habe jedoch erklärt, angesichts der sensiblen Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland werde sich Berlin gegenüber dem Zarenreich nicht in die Rolle des "Schullehrer[s]"7 zwängen. Am Jahresende 1883 freute sich Kronprinzessin Victoria in einem Brief an ihre Mutter, daß sich die Verhältnisse in Bulgarien allmählich stabilisierten. Voller Zuversicht glaubte sie, ihr Gatte werde seinen Widerstand gegen die Heirat überwinden, woraufhin auch das Kaiserpaar und der Reichskanzler ihre Bedenken aufgeben würden. Vicky habe es seitdem nicht gewagt, mit ihrem Vater über Sandro zu sprechen und kein Wort mehr darüber verloren. "Letting a thing rest often does good"8, vertraute sie auf die Wirkung der Zeit. Im deutschen Kaiserhaus betrachteten Wilhelm I. und Augusta die beabsichtigte Vermählung zwischen Sandro und Vicky unverändert als eine persönliche und politische Katastrophe. Während die Queen nach wie vor um den Bulgarenfürsten bangte und dessen Bruder Ludwig ihm Mut machte, er hoffe auf einen günstigen Ausgang seiner Heiratsambitionen9, erwachte die Romanze zu neuem Leben. Obwohl ein Flügeladjutant des Kronprinzen, Prinz Heinrich XVIII. von Reuß, Vicky fleißig den Hof machte lO, galt deren Augenmerk ausschließlich dem Bauenberger. Innerhalb der kaiserlichen bzw. der kronprinzlichen Familie - oder sogar zwischen beiden Höfen - muß sich Anfang 1884 ein neuer Eklat wegen des bulgarischen Heiratsplans ereignet haben. Im Februar 1884 faßte die Kaiserin in einer Aufzeichnung die Gravamina zusammen, die nach ihrer Auffassung gegen die Verbindung, die sie als Mesalliance verurteilte, sprachen. Die Ehe zwischen Alexander von Hessen und Julie Haucke bezeichnete sie wegen deren Vergangenheit sowie ihrer bürgerlichen Herkunft als unehrenhaft. Hinzu zählte Augusta die unsichere Lage Alexanders in Bulgarien und seine politische Abhängigkeit von Rußland. Am schwersten wog für sie die "Möglichkeit einer Compromitti[e]rung deutscher Interessen bei einem

7 VgL Corti: Leben, S. 155. Man beachte auch Braunschweig an Bismarck, Sofia, 13. Dez. 1883 (PA BN, Bulgarien Nr. I, Bd. 25); Gladstone an Granville, Hawarden Castle, 26. Dez. 1883 [mit Bezug auf den Privatbrief Lascelles' an Granville v. 13. Dez. 1883 aus Sofia) (Gladstone/Granville, S. 138, dort Anm. 2). Siehe ferner Hamilton (fgb. v. 27. Dez. 1883), S. 532: "Mr. G[ladstone) thinks such a proceeding on the part of H[er) M[ajesty) somewhat strange, and considers it anything but pleasant that the Souvereign should, without previous consultation [... ), send Her views of the foreign policy of this country". 8 Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria, Berlin, 29. Dez. 1883 (Victoria: Beloved Mama, S. 154). 9 VgL Queen Victoria an Kronprinzessin Victoria, Osbome, 7. Feb. 1884: Sie habe von Lord Dufferin gehört, es sei das Beste für Alexander von Bulgarien, wenn er sich gut mit dem Sultan stelle. Dieser sei aber wegen einer Ordensverleihung erzürnt (Ebd., S. 158.) Man beachte auch Corti: Alexander, S. 162. 10 VgL Tgb. Holsteins v. 31. Jan. 1884 (PABN, NI. Holstein, Bd. 72).

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G. Das Angra Pequeiia-Telegrarnm und der Battenbergische Heiratsplan

Conflicte im Orient" 11. Diese Ansicht deckte sich vollkommen mit den Bedenken Bismarcks, der das Auftreten des Battenbergers gegenüber seinem russischen Namensvetter für äußerst ungeschickt hielt Von einer "Bußfahrt" 12 nach S1. Petersburg riet ihm der Kanzler Anfang Januar 1884 aus Rücksicht auf die schlechte Stimmung in der bulgarischen Bevölkerung ab, weil ihm das als Schwäche angekreidet werden könnte. Doch redete er ihm zu, dem Zaren ein Glückwunschtelegramm zu dessen Genesung von einem Unfall zu schicken, um ihm auf privatem Wege Verbundenheit zu demonstrieren. Der Fürst müsse es als sein ureigenstes Interesse begreifen, was ihm auch Kaiser Franz Joseph von Österreich-Ungarn und der englische Außenminister George Granville immer wieder einschärften, einen persönlichen und versöhnlichen Kontakt zu Alexander III. zu knüpfen l3 . Im Gegensatz zur Wiener Hofburg störte sich Bismarck nicht im geringsten an der russischen Agitation auf dem Balkan und in Bulgarien im besonderen. Unermüdlich versuchte er, dem Zarenreich und der Doppelmonarchie eine Demarkationslinie zur strikten Abgrenzung der beiderseitigen Belange in Südosteuropa schmackhaft zu machen. Kaiser Franz Joseph und dessen Außenminister Kalnoky beobachteten das kontinuierliche Vordringen russischer Macht jedoch voller Mißtrauen und bemühten sich, im direkten Gespräch mit dem großen Nachbarn ein besseres Auskommen zwischen dem Zaren und Alexander von Bulgarien anzubahnen. Während eines Besuchs in Wien im Januar 1884 ließ sich Nikolaj Giers aber auf keine Diskussionen mit KaInoky über dieses Thema ein und sprach nur sehr zugeknöpft von "'ces malheureuses

11 Diktat Augustas v. Feh. 1884 (GStAPK Abt. MER, HA, NI. Friedrich llI., Rep. 52 W 3 Nr. 4). - Rätselhaft schrieb Prinz WiJhelm, der den Battenberger verachtete, an seine Tante, die Großherzogin von Baden, daß die Weihnachts- und Neujahrsstille durch eine ebenso plötzliche wie unangenehme Überraschung Queen Victorias gestön worden sei: "Ich bin tief empön darüber, insbesondere, weil die anne liebe Großmama nicht die geringste Ahnung hane, und tief verletzt und betrübt ist, was mir aufrichtigen Kummer rnachL Ebenso steht es mit Großpapa. Auch er ist sehr verletzt und ernPÖnl,1 und ich bin ergrimmt darob, daß er nun zu allen seinen Mühen und Klagen noch diesen Ärger haben muß. Die Großeltern haben viel und oft darüber mit mir gesprochen, und habe ich dadurch Gelegenheit gehabt, zu sehleln, wie tief und schwer sie verletzt sind; ich thuel,l was ich kann I,] um sie zu unterstützen und zu trösten; aber Du kannst Dir vorstellen, daß meine Stellung in dieser Sache keine leichte ist, in Hinblick auf Mama etc.!" (prinz WiJhelm an Luise von Baden, Potsdam, 5. Ian. 1884, GStAPK B, BPH, NI. WiJhelm ll., Rep. 53, Nr. 44.) \2 H. v. Bisrnarck lan Hatzfeldtl, Frlie]drlichsru]h, 6. Ian. 1884 (PA BN, Bulgarien Nr. I, Bd.26). \] Vgl. Reuß an WiJhelm I. (AbschT.), Wien, 14.Ian. 1884 (ebd.), u. Granville an Queen Victoria, Foreign Office, 13. Okt. 1883, (Victoria: Letters, S. 446). - Entgegen Bisrnarcks Rat billigte Kronprinzessin Victoria die Idee Sandros, den Canossagang in die russische Hauptstadt zu wagen. Falls er don alle Schwierigkeiten ausräumte, spekuliene sie, sei die Zeit reif, um in der Battenbergischen Heiratsfrage erneut den Kampf mit ihrem Gatten, den Schwiegereltern und dem Reichskanzler zu wagen. (Vgl. Corti: Alexander, S. 162.)

III. Das Wiederaufleben des Banenbergischen Heiratsplans seit Mitte April 1884

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affaires de Bulgarie"'14. Auch der Vater des jungen Bulgarenfürsten versuchte von Darmstadt aus in Berlin zugunsten seines Sohnes zu intervenieren. Dem preußischen Gesandten Ferdinand Stumm las Alexander von Hessen Ende Januar 1884 einen Brief aus Sofia vor, worin Sandro die russischen Intrigen schilderte und sich beschwerte, daß ihn Europa im Stich gelassen habe lS. Bismarck rührte sich nicht Er wußte, daß ein deutsches, wenn auch nur dynastisches Engagement im Orient unübersehbare Konsequenzen für die deutsch-russischen Beziehungen zeitigen würde. Wie verbittert man in St Petersburg über Alexander war, entnahm der Reichskanzler einem Brief seines ältesten Sohnes. Am 5. April 1884 berichtete Herbert aus der Metropole an der Neva, Giers spreche "geradezu mit Verachtung vom Fürsten, der alle schlechten Eigenschaften des Polen hätte und löge wie ein Grieche. Seine Geldgier wäre geradezu schimpflich und hätte ihn dem Kaiser Alexander, der einen so geraden Charakter hätte, ganz verhaßt gemacht" 16. In Anbetracht dieser boshaften Bemerkungen des russischen Außenministers, die er ausdrücklich nicht in den Akten wissen wollte, hätte man es in Rußland sicherlich als Schlag ins Gesicht empfunden, wenn eine Prinzessin aus dem regierenden Hause des treuesten Verbündeten plötzlich den Fürsten von Bulgarien heiratete. Auf ein Schreiben Reuß' aus Wien, worin er ihm über die Furcht ÖsterreichUngarns berichtete, daß, wenn England sein Interesse an der Balkanhalbinsel verliere, es sich dort bald allein mit Rußland auseinandersetzen müsse, antwortete der Kanzler dem Botschafter zuversichtlich am 9. April 1884: "Für die nächste Zeit betrachte ich nach Osten hin die Ruhe als gesichert, weil ich nicht zweifIe]le, daß der Kaiser Alexander sein Wort Cd. h. die Vereinbarungen des Drei-Kaiser-Vertrages] halten wird"17. Doch schon drei Tage später schreckte Bismarck auf. Höchstwahrscheinlich durch seine Spione im Neuen Palais oder 14 Reuß an Bismarck, Wien, 21. Jan. 1884 (PA BN, Bulgarien Nr. 1, Bd. 26). Vgl. Reuß an Bismarck, Wien, 17. Jan. 1884 (ebd.); Reuß an Bismarck, 15. März 1884 (ebd., Bd. 27), u. Windelband: Großmächte, S. 566-569. Man beachte auch Reuß an Wilhelm I. (Absehr.), Wien, 14. Jan. 1884, über seine Unterredung mit Kaiser Franz Joseph. Der Monarch sprach "in retrospektiver Weise über die Haltung der Russischen Organe in Bulgarien, die Er als ganz unqualifici[elrbar bezeichnete, und bemerkte, wie wenig, namentlich bei der Mission des Herrn Jonin[,1 die vorgängig hierher gelangten Versicherungen des Petersburger Kabinet[tls mit dem nachherigen Auftreten dieses Agenten in Einklang ru bringen gewesen wären. Seine Majestät fügten hinru, daß das Verhalten des Fürsten Alexander allerdings auch nicht immer korrekt gewesen wäre und daß derselbe es sich theilweise selbst zuzuschreiben hätte, wenn er die Freundschaft des Kaisers von Rußland verloren habe. [...1 Wenn Fürst Alexander durch die Russischen Intriguen daru genöthigt werden sollte, das Land zu verlassen, so würde eine daraus folgende neue Umwälzung für die Interessen ÖsterreichUngarns durchaus nicht erwünscht sein". (PA BN, Bulgarien Nr. I, Bd. 26.) 15 Stumm an Bismarck, Darmstadt, 27. Jan. 1884 (PA BN, Bulgarien Nr. I, Bd. 26). 16 H. v. Bismarck an Bismarck, St. Petersburg, 5. April 1884 (H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz, S. 226). 17 Bismarck an Reuß, [Berlin,19. April 1884 (zit. nach Winde/band: Großmächte, S. 567).

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G. Das Angra Pequeiia-Telegramm und der Battenbergische Heiratsplan

den zurückgewiesenen Verehrer Vickys, den kronprinz lichen Flügeladjutanten Reuß XVIII. informiert, gelangte ihm zu Ohren, daß die Kronprinzessin den bulgarischen Heiratsplan zu beleben suchte. Sein erster Gedanke galt einer möglichen Gefährdung der deutsch-russischen Beziehungen. Er habe den außerordentlichen Eindruck gewonnen, telegraphierte er am 12. April an seinen Sohn Herbert nach St Petersburg, daß die "großbulgarische Combination"18 in Verbindung mit der in Darmstadt bevorstehenden Vermählung zwischen Victoria Alberta von Hessen und Ludwig von Banenberg - von der Queen gefördert werde. Auch der Vater des Battenbergers mische in dieser Intrige mit. Als auf privaten Wahrnehmungen beruhend, könne er Giers seine Beobachtungen vertraulich mitteilen. "Ich werde bemüht sein zu verhüten" 19, bekräftigte der Kanzler, "daß der Kaiser, falls S[eine] M[ajestät] in Darmstadt mit der Königin zusammentreffen sollte, mit Plänen behelligt werde"20. Herbert drahtete am folgenden Tag zurück, er habe die Angelegenheit mit dem russischen Außenminister erörtert. Giers habe zu ihm bemerkt: "'Ich habe immer geglaubt, daß noch etwas hinter der Agitation stecke"'21. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit habe er ihm verraten, im vergangenen Jahr aus sehr zuverlässiger Quelle gehört zu haben, daß eine Heirat zwischen Alexander von Battenberg und Prinzessin Beatrice von England im Werke gewesen sei. "Der Fürst habe den hohen Englischen Damen sehr gefallen"22. Geheimnisvoll rede der Bulgare von einer bevorstehenden Heirat, zu der er Geld benötige. Vielleicht schwebe Queen Victoria aus diesem Grunde ein Königreich Bulgarien vor, fügte Giers hinzu 23 . In einem Brief erinnerte Herbert seinen Vater außerdem daran, daß der Prince of Wales im Auftrage der Queen schon im letzten Herbst versucht habe, den Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Paul von Hatzfeldt, vor den Hochzeitswagen zu spannen. Der Kanzlersohn war überzeugt, die Königin sei von der Idee besessen, den gesellschaftlichen Status ihrer neuen Bauenbergischen Verwandtschaft zu erhöhen. Er beschuldigte sie, das 18 Bismarck an H. v. Bismarck (feleg.), Berlin, 12. April 1884 (PA BN, Bulgarien 1 secr., Bd. 1). Vgl. Corti: Alexander, S. 162f. 19 Bismarck an H. v. Bismarck (feleg.), Berlin, 12. April 1884 (PA BN, Bulgarien 1 secr., Bd. 1). 20

Ebd.

21

H. v. Bismarck an AA (feleg.), St. Petersburg, 13. April 1884 (ebd.).

22

Ebd.

23 In seinen Memoiren verzem Herbert von Bismarck den wahren Geschehnisablauf, anscheinend um zu verbergen, daß Spione des Kanzlers das Wiederaufleben de$ Battenbergischen Heiratsplans im Neuen Palais ausgekundschaftet hatten: "Eine[s] Morgens ließ Giers mich rufen u[nd] theil[t]e mir mit dringender Bitte um strenge Secreti[e]rung die battenbergischen Heirathsprojekte mit, unter vorsichtigem Hinweis auf die daran geknüpften politischen Conspirationen. Auf mein Telegramm nach Berlin hatte m[ein] Vater S[eine]r M[ajestät] die amtliche Unterlage für die nicht schon an ihn gelangten raconters liefern können; S[eine] M[ajestät] sprach gleich mit dem Kronprinzen". (Notizen und Aufzeichnungen H. v. Bismarcks, Teil 1, BA KO, NI. Bismarck, FC 3018N.)

III. Das Wiederaufleben des Banenbergischen Heiratsplans seit Mitte April

1884

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außenpolitische Gewicht Englands zuliebe dynastischer Erwägungen und Herzensneigungen opfern zu wollen. "Wie sich diese Frage zu den Interessen der englischen Politik stellt, dürfte der Königin vollständig gleichgültig sein. Da ihr Gladstone verhaßt ist, freut sie sich sogar wahrscheinlich, wenn sie seinem Kabinett Schwierigkeiten bereiten kann"24. Zu diesem Zeitpunkt mußte jede Einmischung von außen nicht nur Unruhe auf dem Balkan stiften, sondern auch die Beziehungen zwischen den Drei-Kaiser-Mächten komplizieren, denn Alexander von Battenberg bot alle Kräfte auf, um sich an die Spitze der bulgarisch-ostrumelischen Vereinigungsbewegung zu schwingen. Bezeichneten die Unionisten den Reichskanzler - sehr zu dessen Unwillen - als ihren Förderer, lehnten Zar Alexander und Außenminister Giers diese Bestrebungen ab, während Österreich-Ungarn ihnen wohlwollend zusah. In der Hofburg hoffte man, durch die Vereinigung werde Bulgarien lebensfähig und entziehe sich vollends dem russischen Einfluß 25 . Konstatierte Friedrich von Holstein am 14. April 1884 aufatmend, Kanzler und Kronprinz stünden momentan auf gutem Fuß miteinander, weil Friedrich Wilhelm die Ministerpräsidentenaufgabe und die Staatsratsreaktivierung abgesegnet und sich bereit gezeigt habe, nach dem Thronwechsel mit den Nationalliberalen zu regieren, war der Battenbergische Heiratsplan geeignet, das mühsam in Szene gesetzte Versöhnungswerk mit einem Mal zu zerstören. "Die bulgarische Heirat würde politisch unvorteilhaft sein"26, urteilte der Geheime Rat "Selbst wenn wir den Fürsten Alexander nicht unterstützten, werden die Russen doch argwöhnen, daß wir es tun"27. Zwar sträube sich Bismarck mit aller Macht, doch räumte Holstein der Kronprinzessin gute Aussichten ein, zu obsiegen, da sie "zäh und berechnend"28 sei. Vermutlich am 18. April 1884, dem Tag als ihm Kusserows Kolonialmemorandum vorlag, beriet sich der Reichskanzler mit dem Kaiser und warnte ihn vor englischen Einflüssen hinsichtlich der zu knüpfenden bulgarischen Verbindung. Wilhelm I. reagierte unwirsch darauf. Königin Victoria "soll doch mit ihrer Prinzeß Beatrice machen, was sie will" 29, schimpfte er, "aber meine H. v. Bismarck an Bismarck, St. Petersburg, 12. April 1884 (ebd., Fe 3004N). Vgl. H. v. Bismarck an Rantzau, St. Petersburg, 22. Feh. 1884 (H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz, S. 209); Wolkenstein-Trostburg an KaInoky, SL Petersburg, 3. April 1884 (HHStA W, PA X, Nr. 80), u. H. v. Bismarck an Bismarck, SL Petersburg, 5. April 1884 (H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz, S. 226f, hier auch die mit einem »a« gekennzeichnete RandbemerkWlg des Reichskanzlers). Man beachte auch Schaller, S. 98-111, über die StellWlgnahmen der europäischen Großmächte zu der vollzogenen Union im September 1885. 2li Holstein: Papiere (Tgb. v. 14. April 1884), Bd. 2, S. 121. XI Ebd. 211 Ebd. 29 Holstein: Papiere (Tgb. v. 21. April 1884), Bd. 2, S. 132. 24

2S

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G. Das Angra Pequeiia-Telegramm und der Battenbergische Heiratsplan

[Enkelin] soll sie in Ruhe lassen"30. Sofort schrieb der Monarch seinem Sohn, aus St. Petersburg habe er streng vertraulich erfahren - womit Bismarck verschleierte, daß die Nachricht ursprünglich aus dem Neuen Palais stammte Queen Victoria beabsichtige, ihre Tochter Beatrice mit Alexander zu vermählen. Sollte dieses Vorhaben mißglücken, habe sie Vicky als Braut auserkoren. Dieser Klatsch würde unweigerlich genährt, falls die kronprinzliche Familie zusammen mit ihrer jüngsten Tochter nach Darmstadt reise. Niemals werde er in diese Verbindung einwilligen, bekräftigte der Kaiser unmißverständlich. Überrascht beteuerte Friedrich Wilhelm dem Vater, von einem solchen Plan nichts zu wissen 31 . Vicky erklärte er "auf das Bestimmteste, daß ich niemals einer Preuß[ischen] Prinzeß meine Einwilligung zu einer mar[r]iage geben würde, nach einem Lande, dessen pseudo-monarch [sic] schon 3 Mal in der Lage war[,] zu abdizi[e]ren"32. Kaiserin Augusta entschloß sich schweren Herzens, die Queen schriftlich zu bitten, auf die Anwesenheit der Enkelin in Darmstadt zu verzichten, um in einer Sache "indiscreten Gerüchten vorzubeugen"33, die niemals die Erlaubnis der kaiserlichen Familie finden würde. Ohne Angabe triftiger Gründe lehnte die Königin die Bitte Augustas ab und ärgerte sich darüber, daß ihre Freundin Familienangelegenheiten allein vom Standpunkt der Politik aus betrachtete34.

30 Ebd. Ungenau notierte Holstein am 21. April 1884: "Vor einigen Tagen sprach der Kanzler mit dem Kaiser" (ebd.). Unmittelbar vor diesem Datum verzeichnet Kohl: Regesten, S. 313, Immediatvorträge am 16. und 18. April 1884, wobei letzteres Datum wahrscheinlich ist, da Friedrich Wilhelm am 18. April 1884 einen Brief seines Vaters erhielt, den dieser augenscheinlich sofort nach der Unterredung mit Bismarck verfaßt hatte (vgl. Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 18. April 1884, GSIAPK AbI. MER, HA, NI. Friedrich III., Rep. 52 F I Nr. 7x). 31 Vgl. Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 18. April 1884 (GSIAPK AbI. MER, HA, NI. Friedrich III., Rep. 52 F I Nr. 7x), u. Aufz. Augustas, Baden-Baden, [0. T.] Mai 1884 (ebd., Rep. 52 W 3 Nr. 4). Man beachte auch die Aufz. Augustas, B[erlin], 5. Jan. 1885, daß der Kaiser im Frühjahr 1884 mittels zweier Briefe an das Kronprinzenpaar die Heirat zwischen Sandro und Vicky verboten habe (ebd.). Nach Corli: Zaren, S. 357, hatte Wilhelm I. seinem Sohn geschrieben: "'Solange ich lebe, wird keine Prinzessin meines Hauses einen Battenberger heiraten .... 32 Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 18. April 1884 (GSIAPK AbI. MER, HA, NI. Friedrich III., Rep. 52 F I Nr. 7x). In ihren Memoiren verklärte Prinzessin Victoria nachträglich die Haltung ihres Vaters: "My father was genuinely distressed; he wanted me to be happy, and was tom between what some people would have thought loyalty to his father and his nalural pleasure al lhe engagement" (Vicloria: Memoirs, S. 67, eig. Hervorh.). 33 Aufz. Augustas, Baden-Baden, [0. T.] Mai 1884 (GSIAPK AbI. MER, HA, NI. Friedrich III., Rep. 52 W 3 Nr. 4). 34 Ebd. Vgl. Queen Victoria an Kronprinzessin Victoria, Darmstadt, 22. April 1884 (Vicloria: Beloved Mama, S. 164).

IV. Krisenzeit: Kolonialpolitik, Battenbergische Heirat und das Beinahescheitern der verfassungsrechtlichen Orrensivstrategien Im Verlauf der Battenberg-Krise und der innenpolitischen Schwierigkeiten bei der Bekämpfung des vermeintlich herannahenden kronprinzlichen Regiments spitzte sich der Konflikt mit England zu. Am 17. April 1884, dem Tag, an dem der Kaiser sich scheinheilig aus gesundheitlichen Gründen weigerte, den Reichskanzler, der die Reaktivierung des preußischen Staatsrats erneut anschneiden wollte, zur Audienz vorzulassen 1 - also 24 Stunden vor der Lektüre des Kusserowschen Memorandums -, richtete Paul von Hatzfeldt im Auftrage Bismarcks ein Schreiben an den deutschen Botschafter in Paris. Darin suchte der Staatssekretär von Hohenlohe-Schillingsfürst zu erfahren, ob die französische Regierung den am 26. Februar 1884 geschlossenen englisch-portugiesischen Kongo-Vertrag, der niemals ratifiziert werden sollte, anzufechten gedenke. Das Reich wolle sich nicht nur beschweren, weil der deutsche Handelsstand durch die neu vereinbarten Zolltarife am unteren Lauf des Kongo Schaden erleiden würde, "sondern auch, weil wir es überhaupt nicht für zulässig erachten, daß [sich] eine einzelne Macht derartige Fragen von allgemeinem Interesse ohne Mitwirkung der anderen betheiligten Länder nach ihrem einseitigen Interesse zu regeln"2 befleißige. Dieser feindselig formulierte Satz richtete sich zweifellos in erster Linie gegen England, da es entlang der Uferbänke des Kongo mittels eines von Bismarcks Intimfeind Robert Morier in Grundzügen ersonnenen Abkommens für seinen "Handel, trotz der Versicherungen von gleicher Behandlung aller Nationalitäten, durch Ertheilung von Monopolen, Konzessionen und dergleichen, besondere Vortheile"3 zu erringen erhoffte.

VgL oben Kap. F. III., S. 370-373. Hatzfeldt an Hohenlohe-Schillingsfürst (Ausz.), Berlin, 17./19. April 1884 (Wb. KongoFrage, S. 1653). Man beachte auch W. Mommsen: Bismarck, S. 159; Kennedy: Rise, S. 180, u. Wehler: Imperialismus, S. 377. 3 Münster an Bismarck (Ausz.), London, 6. März 1884 (Wb. Kongo-Frage, S. 1645). Vgl. Hagen, S. 323f; Sanderson, S. 189-214; Harding, S. 2Of, u. Louis: Conference, S. 167-220, zur Genesis des englisch-portugiesischen Kongo-Vertrages und der Kongo-Konferenz von 1884/85. Man beachte auch Courcel an Ferry, Berlin, 25. April 1884 (DDF, Bd. 5, S. 268). Vgl. Crewe, S. 34 u. 38, zur antienglischen Attitüde Bismarcks, als er die Vereinbarungen des englisch-portugiesischen Vertrages monierte. Crewe bewertet sie jedoch als Reaktion auf den Streit um Angra Pequeiia. (Ebd., S. 35-49.) Ähnlich Turner, S. 65: "Since Portugal was generally regarded as linie more than Britain's satellite in international affairs, this treaty was widely interpreted as a veiled move to extend British interests into central Africa". 1

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Daß die beiden traditionell eng miteinander befreundeten Kolonialmächte England und Portugal über einen den afrikanischen Interessen der übrigen Nationen abträglichen Kontrakt verhandelten, war dem Kanzler aufgrund der Woermannschen Beschwerden seit dem März des Vorjahres bekannt. Diplomatisch vorstellig wurde Bismarck in London und Lissabon jedoch nicht4. Die zu erwartenden Schattenseiten des Vertrages rückte der deutsche Konsul in San Paola de Loanda dem Auswärtigen Amt abermals Anfang März 1884 ins Bewußtsein, und aus England informierte Georg zu Münster den Kanzler am 6. und 21. gleichen Monats ausführlich über die zu erwartenden Mißstände. Er verwies darauf, daß sowohl die Niederlande als auch Frankreich die englischportugiesischen Abmachungen kritisierten. Die Frage seines französischen Kollegen, William Waddington, wie sich die deutsche Regierung zu dem Kongo-Vertrag stelle, vermochte er jedoch nicht zu beantworten, weil ihm aus Berlin keine entsprechenden Instruktionen zugegangen waren 5. Sich der in Lissabon am 14. März 1884 überreichten französischen Protestnote anzuschließen, sah die Reichsleitung noch keinen Grund 6. Auch auf eine Eingabe der Hamburger Handelskammer vom 24. März, der Adolph Woermann präsidierte, und eine Petition der Solinger Handelskammer vom 1. April 1884, die weitere 18 Kammern aus dem gesamten Reichsgebiet unterzeichnet hatten, rührte sich das Auswärtige Amt zunächst nicht, obwohl der Hamburger Kaufmann die "größte Beschleunigung"7 des deutschen Einspruches gefordert hatte. Wiederum war es

Vgi. Weh/er: Imperialismus, s. 377f. Vgi. Pasteur an Hatzfeldt (Ausz.), Duisburg, 3. März 1884, u. Münster an Bismarck, London (Ausz.), 6. u. 21. März 1884 (Wb. Kongo-Frage, S. 1645f). • Vgl. Crewe, S. 24, u. Hagen, S. 327. Bei Weh/er: Imperialismus, S. 379, ist die Note irrtümlicherweise auf den 13. April 1884 datiert und mit der Falschaussage verbunden, Deutschland habe Frankreich zu diesem Protest bewogen. 7 Hamburger Handelskammer an die »Deputation für Handel und Schiffahrt zu Hamburg«, Hamburg, 24. März 1884 (Wb. Kongo-Frage, S. 1647). Vgi. Handelskammer Solingen an Bismarck, Solingen, I. April 1884 (ebd., S. 1649f). Den Wert der ausgeführten Waren (Pulver, alkoholische Getränke, Waffen und Reis) bezifferte Woennann für das Jahr 1883 und die ersten drei Monate des Jahres 1884 auf 850.()()() Marle, wobei der Frachtgewinn für seine Finna 140.000 Mark betrug. Die Solinger Eingabe unterstützten die Handelskammern aus Chemnitz, Plauen, Limburg a d. L., Pforzheirn, Hannover, Nümberg, Altena, Eberfeld, Dortmund, Stolberg, Mainz, München, Offenbach, Wesei, Köln, Harburg, Frankfurt a. M., Wiesbaden, Iserlohn und Hagen. (ebd., S. 16471650.) Siehe ferner Protokoll der Handelskammer Hamburg v. 21. März 1884 (Commerzbibi. HH). Vgi. Gildemeister an Bismarck, Bremen, 15. April 1884 [Bremer Handelskammer an den Senat zu Bremen, Bremen, 12. April 1884l: Beschwerdepunkte bildeten vor allem die Verwaltungspraxis der portugiesischen Zollbehörden und die Übertragung des in Mozambique 'gültigen Zolltariffs auf das Kongo-Becken, wodurch die "hauptsächlichsten Ausfuhrartikel nach dem Kongogebiete, als da sind ungebleichte Baumwollwaaren [siel, Gewehre und Spirituosen, um 30 bis 35 Prozent, 100 und 120 bis 165 Prozent vertheuert" würden. "Bremische Faktoreien bestehen in dem betreffenden Gebiete zur Zeit noch nicht, dagegen findet ein nicht unbedeutender indirekter Handel nach dem Kongo bereits heute statt, auch ist das Bremische Interesse in anderen Theilen der Westküste Afrikas ein sehr 4

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Heinrich von Kusserow, der Bismarcks Blick mit seiner Denkschrift vom 10. April 1884 auf die voraussichtlichen Mißstände im Kongo-Becken lenkte und die Errichtung einer allen Nationen zugänglichen Freihandelszone vorschlug, so wie sie in Ostasien existierte 8. Noch am 13. April unterhielt sich der Kanzler mit dem englischen Botschafter über Westafrika und die Lösung der Kongo-Frage, für die er möglicherweise "the friendly cooperation, he valued so highly, of H[er] M[ajesty's] Gov[ernmen]t"9 benötige. Trotz der freundlichen Sprache gegenüber Ampthill und der damit verknüpften Bitte um englische Unterstützung strengte sich Bismarck bald danach, exakt in dem Moment, als er größte Unwägbarkeiten wegen des antikronprinzlichen Staatsratsprojekts, der Ministerpräsidentenaufgabe und des Ausgangs der »Battenbergerei« zu vergegenwärtigen hatte, an, Frankreich in der von ihm bislang kaum zur Notiz genommenen Kongo-Frage am 17./19. April 1884 zu einer "gemeinsame[n] Haltung"l0 anzustacheln. Frankreich und Deutschland sollten sich zur Beachtung des "Prinzip[s] der Solidarität und Gleichberechtigung"ll bekennen. Das war eine gegen England gerichtete Spitze. Entsprechende Direktiven an die Missionen in Lissabon, Den Haag, Madrid, London, Rom und Washington erfolgten binnen weniger Tage 12, wogegen - gemäß einer feindseligen Bemerkung Bismarcks - "London nicht nur zu ignorieren, sondern eventuell mit dem Aufrollen der Nigerfrage zu konfrontieren sei "13. Ebenso doppelbödig agierte der Fürst in der ägyptischen Finanzfrage. Während er Münster unter dem Datum des 2. April in englandfeindlichem Tonfall mitgeerhebliches". (Wb. Kongo-Frage, S. 165Of, Zitate auf S. 1650 u. 1651/StA HB, Bstd. 3 - A.3.A.2., Nr. 45.) Man beachte auch Wehler: Imperialismus, S. 377f. 8 Vgl. Wehler: Imperialismus, S. 379. 9 Ampthill an Granville, Berlin, 13. April 1884, "that he [i. e. Bismarck) now received many complaints of a less equitab1e spirit in our Colonial Authorities, - complaints he would not be ab1e to disregard since they involved great and growing interests of vast importance to Germany , and for the equitable adjuslment of which he reckOlIed on your assistance" (Lett. Berl. Emb., S. 323). Das Zitat oben im Text - mit eigener Hervorhebung - befindet sich ebd., S. 324. 10 Hatlieldt an Hohenlohe-Schi1lingsfürst (Ausz.), Berlin, 17./19. April 1884 (Wb. KongoFrage, S. 1653). II Ebd. Vgl. Hohenlohe-Schillingsfürst an Bismarck, Paris, 24. April 1884: "Ebenso wie die Kaiserliche Regierung hält es die französische Regierung nicht für mlässig, daß eine einzelne Macht Fragen von allgemeinem Interesse ohne Mitwirkung der betheiligten Länder einseitig zu regeln versuche". (Ebd.) 12 Vgl. Hatzfeldt an Schmidthals [in Lissabon) (Ausz.), Berlin, 18. April 1884 (ebd., S. 1652); Hatzfeldt an Alvensleben [in Den Haag) (Ausz.), 19. April 1884 (ebd., S. 1653f); Hatzfeldt an Solms-Sonnenwalde [in Madrid), 21. April 1884 (ebd., S. 1654); Hatzfeldt an Münster [in LondOll), Berlin, 29. April 1884 (ebd.); Hatzfeldt an Keudell [in Roml, Berlin, 2. Mai 1884 (ebd., S. 1655), u. Hatzfeldt an Eisendecher [in Washington), Berlin, 4. Mai 1884 (ebd.). 13 Wehler: Imperialismus, S. 379. "Ende April wurde LondOll noch um einige Grade kühler über diesen Standpunkt informiert, denn »England«, umschrieb ihn Bismarck, »kann auf Portugal keine Rechte übertragen, die es selbst nicht besitzt«" (ebd.).

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teilt hatte, "unserer öffentlichen Meinung gegenüber" 14 könne er das Ansinnen auf Entschädigung der in Alexandria lebenden deutschen Staatsangehörigen nicht ablehnen, ja notfalls solle die englische Regierung die Forderungen begleichen, versicherte er Ampthill acht Tage danach treuherzig, "[ta] support H[er] M[ajesty's] Gov[ernmen]t as far as he can"15. "Germany's financial interest in the »caisse« " 16, beruhigte er ihn, "did not exceed a miserable million 0/ Marks, and German shipping in the canal was below the Mark, so that conflicting commercial interests between England and Germany were happily not ta be apprehended in Egypt"17. Vordergründig wegen der Fidschi-Landreklamationen und der Woermannschen Aufrechnungen vom 23. März 1884, deren Wert zusammengerechnet kaum jene in Ägypten investierte »kümmerliche Million Mark« überstieg l8 , riskierte er einen Konflikt mit dem Inselreich. Schließlich zeigte er auch in der ägyptischen Schuldenfrage dem englischen Botschafter am 23. April 1884 plötzlich die kalte Schulter l9. Schmiedete Bismarck bereits am 17. April an einer internationalen, antienglischen Kongo-Allianz, wagte er sich zwei Tage später einen weiteren entscheidenden Schritt in dieser Richtung vor. Am 19. April 1884 versprach er Lüderitz, ihm den "ausgedehntesten"20 Schutz des Reiches für dessen südwestafrikanische Besitzungen zu garantieren. Die kolonial- und innenpolitischen Entwicklungslinien kreuzten sich zu diesem Zeitpunkt. Während des Immediatvortrages vom Vortag (18. April) hatte der Monarch dem Kanzler zwar mündlich seine positive Entscheidung über den Staatsrat bestätigt, doch traf die angekündigte schriftliche Ordre weder am Tage der Unterredung Bismarcks mit Lüderitz noch am folgenden Tage in der Reichskanzlei ein. Der Kaiser unterzeichnete sie erst am 20. April 1884, und wegen eines Kanzleiversehens Bismarck an Münster (Absehr.), Berlin, 2. April 1884 (BA Abt. P, RKA 4193). Ampthill [an Granville] (Teleg.), [Berlin,]10. April 1884 (LeU. Bai. Emb., S. 322). 16 Ampthill an Granville, Berlin, 10. April 1884 (ebd.). 17 Ebd., eig. Hervom. 18 Vgl. oben Kap. D. III., S. 252f, u. oben Kap. F. II., S. 332. 19 Vgl. fan/zen, S. 14. Man beachte auch Ampthill an Granville, Berlin, 24. April 1884: "Count Hatzfeldt to whom I communicated the Egyptian liquidation Circular, on receiving it on Wednesday last [i. e. April 23], was more reserved than ever, and would not commit hirnself to any opinion before he had spoken to Bismarck". (Leu. Bai. Emb., S. 327.) 2D Lüderitz an Vogelsang, Berlin, 21. April 1884 (Lüderitz, S. 89). Bezüglich Westafrikas hatte Hatzfeldt - noch in der Kontinuität freihändleriseher »Laissez-faire«-Politik - am 16. April 1884 an Gustav Nachtigal in lissabon geschrieben, dessen Aufgabe werde in "erster linie darin bestehen, unsere Informationen über den Umfang des deutschen Handels mit der Westküste von Afrika zu vervollständigen und über die im Interesse des deutsehen Handels zu ergreifenden weiteren Maßnahmen, insbesondere die zweckmäßige Organisation etwa konsularischer Vertretung an dieser Küste, sich gutachtlich zu äußern" (Hatzfeldt an Nachtigal, Berlin, 16. April 1884, BA Abt. P, RKA 4193). Vgl. Weh/er: Imperialismus, S. 309f. Falsch dagegen faeck, S. 62, es habe sich um einen "endgültig gefaßten Beschluß, zu Annexionen zu schreiten", gehandelt. 14

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bangte der Fürst weitere 24 Stunden, ob der Monarch tatsächlich seinem Anliegen entsprochen hatte. Die harsche Reaktion Bismarcks, der sich in jenen Augenblicken des Wartens mit Rücktrittsgedanken trug, gegenüber seinem Sohn Bill und dem Unterstaatssekretär Homeyer, die beide die verspätete Zustellung des kaiserlichen Schreibens verschuldet hatten 21 , beweist, wie nervös er war. Angesichts des Widerstands Wilhelms I., der ihm bei seinen verhüllten antikronprinz lichen Aktionen entgegenschlug, beneidete der Kanzler sogar den Staatssekretär des Äußeren. Paul von Hatzfeldt, der zu den Günstlingen des Thronerben gehörte, setzte in diesen Wochen "bei Kaiser und Kronprinz Dinge mit mehr Leichtigkeit"22 durch, als es Bismarck vermochte. Dieser war daher überaus gereizt und verteilte ständig Rügen an seine Mitarbeiter im Auswärtigen Amt23 . Obwohl sich der Reichskanzler seit Dezember 1883 inständig mühte, Friedrich Wilhelm und dessen Anhänger einzuschüchtern und mit der Rückgabe der Lasker-Resolution, antienglischen Zeitungsartikeln und ersten außenpolitischen Vorstößen gegen das Kabinett Gladstone, der Frage der Verlängerung des Sozialistengesetzes und verschiedenen verfassungspolitischen Offensivmaßnahmen gleichzeitig und wechselweise auf außen- und innenpolitischer Bühne gegen den Kronprinzen und die Linksliberalen agierte, hatte er - außer der unter Schwierigkeiten zustandegekommenen Bundesratserklärung - keines seiner Ziele verwirklicht. Statt im Todesfall Wilhelrns I. für die Risiken des Thronwechseis gerüstet zu sein, befand sich - nach viermonatigen Überlegungen und Aktionen des Kanzlers - im April 1884 noch alles im Fluß24. Erschwerend kam

21 Vgl. oben Kap. F. III., S. 372f. Vgl. Wilhelm 1. an Wilmowski, [Berlin, 20. April 1884): "Nachdem das gesamte Staats-Ministerium sich mit der Reaktivierung des StaatsraIhes einverstanden erklärt hat, auch nachdem ihm mein Schreiben an den Fürsten Bismarck vorgelesen worden ist, konnte ich nun meine Unterschrift vollziehen, in der Anlage, die Sie sofort dem Fürsten Bismarck senden wollen". (Zit. nach H. Schneider, S. 269, dort Anm. 1.) Man beachte auch Holstein: Papiere (Tgb. v. 21. April 1884), Bd. 2, S. 134, über sein Gespräch mit dem Kanzler am Nachmittag des 21. April: "Auf die Frage nach seiner Gesundheit klagte er Cd. h. Bismarck) sofort über Ärger. Der Kaiser habe ihm nach dem letzten Vortrage die Unterschrift für die Kabinettsordre wegen des Staatsrats versprochen". Nach den von Kohl akribisch angefertigten Regesten ist mit "dem letzten Vortrage", TÜckwärtsgehend von dem Stichtag des 21. April 1884, das Gespräch Bismarcks mit Wilhelm 1. am 18. April 1884 gemeint (Kohl: Regesten, S. 313). Hiermit stimmt Holsteins weitere Erzählung überein: "Er habe gestern den ganzen Tag vergeblich gewartet, habe deswegen die Nacht nicht geschlafen, und sich überlegt, was nun zu tun sei" (Holstein: Papiere, Tgb. v. 21. April 1884, Bd. 2, S. 134). 22 Holstein: Papiere (Tgb. v. 16. April 1884), Bd. 2, S. 128. 23 Vgl. Rantzau an H. v. Bismarck, Berlin, 19. April 1884 (BA KO, NI. Bismarck, Fe 3028); Holstein: Papiere (Tgb. v. 16. u. 21. April 1884), Bd. 2, S. 128 u. 133-135, sowie Lucius von Ballhausen (Tgb. v. 22. April 1884), S. 292. 24 Vgl. H. v. Bismarck an W. v. Bismarck, St. Petersburg, 23. April 1884: Er sei neugierig, wie die Staatsratsfrage enden werde. Da er aus liberalen Zeitungen nur Bruchstücke entnehme, seien

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hinzu, daß das Verhältnis zu den - dem Kronprinzen sympathischen - nationalliberalen Politikern Johannes Miquel und Rudolf von Bennigsen noch nicht zu der ersehnten konservativ-liberalen Allianz gediehen war25. Überdies hatte die im April kaum überwundene Krankheit des Kaisers dem Kanzler wieder einmal vor Augen geführt, auf welch tönernen Füßen sein »halbdiktatorisches« Regiment ruhte 26 . Wären Friedrich Wilhelm und Victoria unter diesen Auspizien, die sich durch das Wiederaufleben des Battenbergischen Heiratsplans noch ungünstiger gestalteten, im Frühjahr 1884 zur Herrschaft gelangt, hätte sich Bismarck, falls er überhaupt in seinen Ämtern bestätigt worden wäre, wahrscheinlich schwer getan, die Phase des Regierungsübergangs unbeschadet zu überstehen. Deshalb scheint es, so wie es Bismarck im September 1884 in Skierniewice formulierte, glaubwürdig zu sein, daß er sich in dieser prekären außenund innenpolitischen Situation, als seine verfassungsrechtlichen Maßnahmen auf Messers Schneide standen und nach der mündlichen Zusage des Kaisers in Sachen Staatsrat dessen tatsächliche Reaktivierung noch lange nicht abzusehen war, am 18./19. April 1884 in eine forcierte antienglische Außenhandelspolitik flüchtete, die sich - ebenso wie die Lasker-Resolution im Februar - zufällig in einem entscheidungsreifen Stadium des »pro oder contra« befand 27. Mit dem Gedanken, daß es möglich war, eine - mit Blick auf das Kronprinzenpaar - antiliberale Innenpolitik durch eine englandfeindliche Außenpolitik zu treiben, hatte sich der Kanzler seit Anfang Februar 1884 angefreundet Der Mechanismus war ihm übrigens seit den fünfziger Jahren vertraut 28. Die Rückihm Entstehung und Zweck der Sache unklar. "Ich frage Dich aber auch weiter nicht danach, weil es wahrscheinlich zu umständlich zum Schreiben ist". (BA KO, NI. Bismarck, FC 3011N.) 2S Vgl. Miquel an Benda, Frankfurt a. M., 23. April 1884: "Ihnen brauche ich wohl nicht zu sagen, daß alle in den Zeitungen verbreiteten Geriichte über meine Beziehungen zu Bismarck usw. eitel Wind sind. Aber ich vermute allerdings, daß wir einer Wende entgegengehen. Wir müssen uns hüten, daß wir nichts verderben". (HeyderhofflWenJzclu!, Bd. 2, S. 405, Hervorh. im Orig.) Man beachte auch oben Kap. F. TI., S. 344-351. 26 Vgl. Kap. F. TI., S. 33Of, dort Anm. 28, zum Gesundheitszustand des Kaisers im April 1884. Der österreichische Erzherzog Albrecht hielt über ein Gespräch mit Wilhelm 1. im Sommer 1884 fest: "Er scheint, ein baldiges Ende zu befürchten, und klagte mir über seine Hinfälligkeit in diesem Frühjahre" (Erzherzog Albrecht an Kaiser Franz Joseph, Gmünden, 31. Juli 1884, HHStA W, Geheimakten des Kabinensarchivs, Nr. 2). 27 Dagegen Pflanze: Development, S. 122, bereits für den März 1884: "After eight months recuperating [...] he [i. e. Bismarck] retumed to Berlin in March 1884 refreshed and reinvigorated. A rapprochement with Crown Prince Friedrich Wilhelm, furthermore, gave him the prospect remaining at the helm long enough to inaugurate a major departure in foreign [i. e. colonial] policy". Als Holstein in Gegenwart des Chefs der Admiralität - angesichts der Wirren um den Staatsrat und den bulgarischen Heiratsplan - allzu optimistisch vermutete, bei den zwischen "Kanzler und Kronprinzen hemchenden guten Beziehungen" werde Bismarck wahrscheinlich auch unter Kaiser Friedrich dem Staate dienen, erwiderte Caprivi: "'Das freut mich zu hören, um so mehr da ich in neuerer Zeit mich überzeugt habe, daß der Kronprinz leider noch weniger ist [sie], als ich vorher gedacht hatte .... (Holstein: Papiere, Tgb. v. 18. April 1884, Bd. 2, S. 130.) 2lI Vgl. oben Kap. A., S. 52-54.

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sendung der amerikanischen Lasker-Resolution (9. Februar 1884) zeichnete diesen Pfad vor, den er mit der Ermunterung an Rußland, in Richtung Afghanistan vorzudringen (12. Februar 1884), dem Gladstone-Erlaß (26. Februar 1884), dem anschließenden Fidschi-Konzept (1. März 1884), dessen Ausfertigung am 4. April 1884 und dem Protest gegen den englisch-portugiesischen Kongo-Vertrag (17./19. April 1884) konsequent ausweitete. Doch waren diese Aktionen wenig aussichtsreich. Der Streitwert der Fidschi-Landreklamationen war lächerlich gering, obwohl Bismarck sie zu einem wichtigen Moment nationalökonomischer Bedeutung hochzustilisieren suchte 29 . Auch in bezug auf die Regelung der ägyptischen Schuldenbegleichung gebärdete er sich englandfeindlich. Allerdings konnte er in dieser Angelegenheit - im Gegensatz zur Kolonialfrage, welche die Phantasie vieler Menschen zu merkwürdigen Träumereien beflügelte30 - mangels ausreichender Resonanz des von der komplizierten nordafrikanischen Frage wenig faszinierten deutschen Publikums kaum mit einem markerschütternden antienglischen Protestschrei rechnen. Überdies waren zu viele europäische Gläubiger in die ägyptischen Wirren verquickt, so daß Deutschland - wie bei der internationalen Behandlung des englisch-portugiesischen Vertrages - die Gefahr drohte, auf einer Konferenz plötzlich einem ))renversement des alliances« gegenüber- und auf internationalem Parkett isoliert dazustehen 31 . Die Kolonialpolitik eröffnete Bismarck jedoch die Möglichkeit, einen von ihm mutwillig provozierten Streit auf Deutschlanö und England zu beschränken, da es ausschließlich um zwischen beiden Ländern strittige Territorien ging 32. Dem Afrika-Reisenden Gustav Nachtigal schärfte er deshalb auf das bestimmteste ein, französische Interessen in Westafrika unbedingt zu respektieren, während er mit englischen Ansprüchen bedenkenlos verfuhr 33 . Zur rechten Zeit spielte die Kolonialpolitik dem Kanzler zufälligerweise eine Waffe in die Hand. Von nun an mußte er nicht mehr allein auf die ungewissen Wirkungen der verfassungspolitischen Maßnahmen gegen den KronVgL Taylor, S. 32. Man beachte auch oben Kap. D. m., S. 252f. Vgl. unten Kap. L II., S. 591. 31 VgL Arnptill an Granville, Berlin, 10. April 1884 (LeII. Berl. Emb., S. 322), u. Holstein: Papiere (fgb. v. 25. April 1884), Bd. 2, S. 137. Man beachte auch Taylor, S. 21. "To find the ground for such a quarrei lwith England] was by no means easy, for the interests of England and Germany were nowhere in conflict. I... ] A grievance had to be created, and Bismarck tumed to the colonial topics, which he had hitherto despised". (Ebd., S. 23.) Man beachte auch Windelband: Großmächte, S. 582-593, zur Londoner Ägyptenkonferenz. 32 Dagegen Wehler: Imperialismus, S. 269-275, daß Bismarck - unberührt von der akuten innenpolitischen Krise der Erwartung des Thronwechsels, getragen allein von generellen »sozia1imperialistischen« Motiven - innerhalb eines halben Jahres allmählich vom Freihandelsimperialismus zur staatlich protektionierten Außenhandelsförderung umschwenkte. Ähnlich Schreuder, S. 118: "By the autumn lof 1883] he li. e. Bismarck] was beginning to shift his thought on the colonial issue". 33 VgL unten Kap. 1. II., S. 50lf. 29 J()

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prinzen vertrauen, wo er bei der Realisierung jeder einzelnen Etappe von dem Einverständnis des hochbetagten Monarchen abhängig war. In einem Brief an Herbert von Bismarck schilderte Rantzau am 19. April 1884 die Unsicherheit, die sich über diese Tage gebreitet hatte: "Der Papa war während einiger Tage nicht so wohl als sonst; [... ] weil er sich über S[eine] M[ajestät] geärgert hatte, der in Staatsrathssachen Schwierigkeiten machte"34. Der Kaiser habe sich aber gefügt und scheine auch dem Austritt aus dem preußischen Staatsministerium nicht mehr prinzipiell zu widerstreben. Am 20. April werde der Kanzler wieder Immediatvortrag halten, wobei dann der definitive Beschluß gefaßt werden solle. Die angekündigte Audienz fand jedoch nicht statt35 . Es scheint, daß Bismarck während dieses kurzen, von Unsicherheit geprägten Zeitintervalls am 19. April 1884 den Schlüssel fand, um sich ein größeres und von den Bedenken des Monarchen unabhängiges Betätigungsfeld gegen den Kronprinzen und die Linksliberalen zu eröffnen. Denn mit der schriftlichen Reaktivierungsordre (20. April 1884), auf die der Fürst einen weiteren Tag voller Ungeduld wartete, hatte er keineswegs die am kaiserlichen Hof vorhandenen Widerstände gegen den Conseil beseitigt. Noch im Mai schalt Bismarck Wilhelm I. einen '''Analphabeten'''36, als dieser nähere Auskünfte wegen des Staatsrates begehrte. Über den Tag (19. April 1884), an dem der Kanzler dem Bremer Kaufmann den Reichsschutz versprach, bemerkte Rantzau: "Heute ist er [d. h. Bismarck] übrigens ganz wohl"37. Auch Lothar von Schweinitz, der den Fürsten am 23. April 1884 - also 24 Stunden vor der Abfassung des Angra Pequefia-Telegramms - im Reichskanzlerpalais besuchte, traf ihn gut gelaunt an 38 . Als sich das Gespräch der Karriereförderung des ältesten Kanzlersohns - einem weiteren Mosaikstein in der ~)Kronprinzen- These« 39 - zuwendete, meinte Bismarck sehr von sich überzeugt, "Herbert behandle ebenso wie er die Staatsgeschäfte als eigene; [... ] auch er, der Fürst, habe sich ganz mit dem Staat und dessen Interessen identifiziert; er sage freilich nicht wie Louis XIV. 'L'Etat c'est moi!' sondern: 'Mois je suis l'Etat"'40. In seinen Aufzeichnungen über diese bemerkenswerte Unterredung riet der Botschafter künftigen Historikern, Bismarcks "in obigem Aphorismus treffend bezeichnete Eigenart, den Egoismus mit dem Patriotismus zu verschmelzen, nicht unbeRantzau an H. v. Bismarck, Berlin, 19. April 1884 (BA KO, NI. Bismarck, FC 3028). Ebd. Kohl: Regesten, S. 314, registriert für diesen Tag lediglich eine Unterredung des Kanzlers mit Kronprinz Friedrich Wilhelrn. 36 Ho/stein: Papiere (Tgb. v. 12. Mai 1884), Bd. 2, S. 154. Vgl. Lucius von Bai/hausen (Tgb. v. 22. April 1884), S. 292. 37 Rantzau an H. v. Bismarck, Berlin, 19. April 1884 (BA KO, NI. Bismarck, FC 3028). 38 Vgl. Ho/stein: Papiere (Tgb. v. 21. April 1884), Bd. 2, S. 132-135, zu erneuten Stimmungsschwankungen des Kanzlers zwischen beiden Tagen. 39 Vgl. unten Kap. J. II., S. 528-537. 40 Schweinitz: Denkwürdigkeiten (Tgb. v. 23. April 1884), Bd. 2, S. 270. 34

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IV. Krisenzeit: Kolonialpolitik, Heiratspläne und Verfassungsfragen

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achtet [zu] lassen. Ich finde darin genauso viel Selbstaufopferung wie Selbstsucht, vor allem aber eine wirkungsvolle Konzentrierung sämtlicher diesem Mann verliehenen Kräfte "41. Damit charakterisierte Schweinitz unwissentlich die Taktik, die der Kanzler - nach vielen Drohgebärden - in diesem Augenblick mit dem Eintritt in die Kolonialpolitik endgültig in die Tat umsetzte. Er mobilisierte das aufflammende antienglische Kolonialfieber in Deutschland, um seine Position gegen die innen- und außenpolitischen anglophilen Neigungen des Thronfolgerpaars und deren Klientel zu verteidigen und diese Gesinnungen in seinem allmächtigen Schatten verblassen zu lassen. Zwei Wochen nach der Gründung der linksliberalen »Kronprinzenpartei« hatte die }}Norddeutsche Allgemeine Zeitung« am 21. März 1884 zweifelnd gefragt, ob deren Haß gegen den leitenden Staatsmann einen dauerhaften Kitt für die neue Reichstagsfraktion bilden werde. "Jedenfalls aber werden die Parteien"42, lautete die Forderung des Blatts, "welche sich zur Abwehr des demokratischen Sturmangriffs vereinigen wollen, positive Ideale und reale Ziele haben müssen, für die sie sich begeistern, wenn sie zu einer Einheitlichkeit des Handeins kommen wollen"43. Diese }}patriotischen« Vorgaben durch die koloniale }}Schützenfestatmosphäre«, die "Stimmung eines Rausches, einer gehobenen Laune und oft auch einer hohlen Eitelkeit"44 zu erfüllen, war der Kanzler in den nächsten Monaten bestrebt. Feinfühlig, freilich ohne das geringste von den Motiven der kolonialpolitischen Entschlüsse in der Wilhelmstraße zu erahnen, erfaBte der Hamburgische Ebd. »NAZ« v. 21. März 1884 (GStAPK Abt. MER, 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinen, Nr. ffJ7). 43 Ebd. - Entgegen der verschwonunenen Wehlerschen Theorie vom »Sozial«-Imperialismus vermag man die - im negativen Sinne - Zielgruppe der Bismarckschen Kolonialpolitik gemäß der »Kronprinzen-These« mit dem Thronerben Friedrich Wilhelm und dessen Gattin Victoria sowie der »Deutschen Freisinnigen Partei« genauestens zu defInieren. Angesichts der organisatorischen Neukonstituierung der Sezessionisten und Fortschrittler im März 1884 und ihrer Forderung nach verantwortlichen Reichsministerien (vgl. oben Kap. D. ill., S. 255t), Bismarcks :rutiefst antiliberalem Gedankenspiel, der sozialdemokratischen Agitation freien Lauf zu gewähren, und der strikten Opposition der Linksliberalen sowie der Sozialdemokraten gegen die Kolonialpolitik (vgl. oben Kap. A., S. 44t), behauptet Weh/er völlig unverständlich: "Um sowohl die geschwächten politischen Kräfte [!] des Linksliberalismus mit seinem ohnehin gebrochenen Vemältnis zu Macht und Emanzipation [!], aber auch die aus der Arbeiterschaft nachdrängenden Ansprüche auf soziale Gleichberechtigung und politische Mitbestimmung in engen Grenzen [!] zu halten, übte Bismarck mit Virtuosität die bonapartistischen Methoden begrenzten Entgegenkonunens, der Unterdrückung und Ablenkung aus, namentlich auch wegen dieses Ziels tat er den Schrin zum Sozialimperialismus" (Wehler: Imperialismus, S. 487t). Deutlicher noch ebd., S. 267: "Die sozialen Spannungen vertieften sich, die »rote Gefahr« in den Industriegebieten wuchs, das allgemeine Krisenbewußtsein dehnte sich aus, Bismarcks bonapartistisches Regime und seine konservative Sammlungspolitik sahen sich einer schweren Bewährungsprobe gegenüber". ... Bamberger am 26. Juni 1884 (SB RT, V. Leg. IV. Sess., Bd. 2, S. 1064). Wörtlich sprach der linksliberale Abgeordnete abschätzig von der "Schützenfeststimmung" (ebd., S. 1064). 41

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Gesandte Daniel Krüger am 20. April 1884 die innenpolitische Situation. Das Manifest des Bundesrates, die Pläne der Ministerpräsidentenaufgabe und die beabsichtigte Reaktivierung des Staatsrates seien Ereignisse, die alle politisch interessierten Kreise in Berlin fortwährend in Atem hielten. "Zusammengenommen finden dieselben ihre ausreichende Erklärung nur in dem Hinblick auf die Eventualität eines Thronwechsels"45, interpretierte Krüger scharfsinnig die verfassungsrechtlichen Offensivmaßnahmen. "Ich habe Grund zu glauben"46, fuhr er in seiner Berichterstattung fort, "daß der Kanzler in neuerer Zeit lebhafter als jemals zuvor von der Besorgniß erfüllt ist, der Kronprinz könnte, auf den Thron berufen, sich versucht fühlen, seinen liberalen Anwandlungen nachzugeben, ein Ministerium aus den Reihen der neuen Fusionspartei 11l bilden, und der Politik Preußens eine zugleich fortschrittliche und unitarische Richtung 11l geben,,47.

Warum sich diese Angst just des Reichskanzlers bemächtigt hatte, entzog sich der Kenntnis des Gesandten. Doch vermutete er zutreffend, sie sei dessen Unmut über die Spanien- und Italienreise Friedrich Wilhelms entsprungen. Auch könne sie, glaubte er, mit dem weit verbreiteten Gerücht zusammenhängen, daß der Thronfolger die Parteienfusion der Sezessionisten und Fortschrittler begünstigt und deren Programm öffentlich gebilligt habe. Die Polemik der offiziösen Presse, die sich indirekt gegen den Thronerben gerichtet habe, und insbesondere die Angriffe der »Grenzboten« seien noch in frischer Erinnerung. Rechne man hinzu, daß die Kronprinzessin, der man einen gewissen Einfluß auf ihren Gemahl zuschreibe, dem Kanzler und den konservativen Parteien wenig gewogen sei, so werde man in dessen verfassungspolitischen Offensivstrategien "nur eine prophylaktische Vorbereitung auf den Fall des Thronwechsels erblicken können mit dem Zwecke, den Gefahren vorzubeugen, welche Preußen und dem Reiche aus den liberalen Neigungen des Kronprinzlichen Hauses erwachsen könnten"48. Daß eine gewittrige Spannung in der Luft lag, spürte auch Johannes Miquel. An dem Tag, an dem das Angra Pequefia-Telegramm nach Kapstadt unterwegs war, schrieb er an Rudolf von Bennigsen, auch er schätze die "Lage nach allen Seiten für höchst kritisch, sowohl nach oben als im Volke"49 ein. Bei den 4S

46 47

Krüger an Petersen (Absehr.), Berlin, 20. April 1884 (SIA HH, Q. I 3, Bd. 4). Ebd. Ebd.

48 Ebd. Ähnlich Szechenyi an Kälnoky, Berlin, 26. April 1884: Man sei berechtigt anzunehmen, "daß ein Hauptmotiv bei diesen durch Fürst Bismarck vorgeschlagenen Veränderungen darin lag, hie[r]durch den Übergang bei einer Catastrophe, die möglicherweise jederzeit eintreten kann, vorzubereiten". (HHSIA W, PA III, Nr. 125.) 49 Miquel an Bennigsen, Frankfurt a. M., 24. April 1884 (Oncken: Bennigsen, S. 514). Ähnlich Miquel an Benda, Frankfurt a. M., 23. April 1884, über die Abgrenzung zu den linksliberalen: "Ich

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Reichstagswahlen im Herbst seien die Nationalliberalen mit einer gefährlichen Koalition von »Zentrum«, Sozialdemokraten und Deutsch-Freisinnigen konfrontiert "Was B[ismarck] eigentlich will, weiß ich nicht, aber ich ahne es und halte es für sehr verständig" 50, meinte Miquel, "die am Hofe kommenden Dinge mögen auch mitwirken"51. Die Ängste des Kanzlers vor dem Thronwechsel mußten sich in jenen Tagen noch steigern. Die Einwendungen ihres Gatten und ihrer Schwiegereltern gegen die Battenbergische Heirat nahm Kronprinzessin Victoria ungerührt zur Kenntnis. Damit bestätigte sie die allgemeinen Beobachtungen Außenstehender, daß sie - trotz des Einspruchs Friedrich Wilhelms bei seiner Tochter Vicky - die tonangebende Persönlichkeit im Neuen Palais war. Den Kanzler, der sie in späteren Jahren als "'wilde Frau"'52 titulierte, so daß "ihm oft vor der ungebrochenen Sinnlichkeit, die aus ihren Augen spreche"53 grauste, und sie sogar verdächtigte, "sie sei verliebt in den Battenberger und wolle ihn um sich haben, wie ihre Mutter seine BfÜder"54, bat Victoria am 20. April 1884 zu sich. Dem Treffen bescheinigte Friedrich von Holstein großen Seltenheitswert. Was beide miteinander besprachen, ist nicht bekannt In einer Unterredung mit dem Geheimen Rat drückte sich Bismarck anschließend nur sehr vage aus. Als Holstein fragte, wie die Begegnung verlaufen sei, antwortete er ausweichend: "Sehr gut, die Dame sei jetzt zuckersüß mit ihm, er traue [ihr] aber noch nicht recht. Vermutlich wolle sie etwas, vielleicht solle er den Kaiser für die Heirat des Battenbergers mit der Prinzeß Beatrice oder vielleicht der Prinzeß Victoria gewinnen"55. Holstein, der stets beflissen war, Unebenheiten im Verhältnis

halte die Situation für sehr kritisch und für lange Zeit entscheidend". (HeyderhojJIWen/zc/ce, Bd. 2, S. 404, HelVorh. im Orig.) so Miquel an Bennigsen, Frankfurt a. M., 24. April 1884 (Onc/cen: Bennigsen, S. 514). 51 Ebd. 52 Spitzemberg (Tgb. v. 11. April 1888), S. 249. 53 Ebd. 54 Ebd. Man beachte auch zwei Briefe Victorias, die in die Jahre 1879 und 1881 datieren und sich vor Begeisterung über Sandro fast überschlugen: "He is really such a very nice, channing, good, young man, so pleasing and amiable, natural, frank and simple, and full of the best [00'] intentions gentlemen1ike and also good looking'" "We were so much struck with Sandro Banenberg when he was here. He is grown so handsome and seemed so nice and sensible, manly and yet modest". (Zitate jeweils aus den Briefen Kronprinzessin Victorias an Queen Victoria, Neues Palais [Potsdam], 28. Mai 1879 bzw. 6. April 1881, Vic/oria: Beloved Mama, S. 43 bzw. 98.) Vgl. Freund: Drama, S. 28: Was die Kronprinzessin über Alexander von Battenberg schrieb, "klingt oft so schwännerisch und hemmungslos bewundernd, daß es mit dem guten Ton nicht mehr recht vereinbar erscheint". In ähnlicher Wertung Pritzkoleit, S. 23. Dagegen Bennetl, S. 218f. 55 Hols/ein: Papiere (Tgb. v. 21. April 1884), Bd. 2, S. 132. - Friedrich von Holstein nennt nur Victoria als Gesprächspartner, während Kohl: Regesten, S. 314, verzeichnet, daß Bismarck an diesem Tag auch beim Kronprinzen war. Schweinitz: Denkwürdigkeiten (Tgb. v. 22. April 1884), Bd. 2, S. 271, schreibt: "Bismarck hatte eine Unterredung mit ihr und dem Kronprinzen über diesen

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zwischen dem Kronprinzenpaar und dem Kanzler möglichst schnell zu glätten, riet ihm, Victoria bei der Verwirklichung des Heiratswunsches zu unterstützen. In jüngster Vergangenheit habe sie sich mit Personen, die gegen ihn gehetzt hätten, entzweit. Er werde sie mit Leichtigkeit für sich gewinnen, versuchte der Geheime Rat den Konflikt um den Battenberger zu entschärfen, "wenn er ihr gelegentlich einen Gefallen in Personalien tue und von Zeit zu Zeit sich mit ihr eingehend über Politik unterhalte"56. Bismarck entgegnete lediglich, der Kaiser werde nicht davon zu überzeugen sein, seine "Enkelin mit dem Enkel eines polonisierten deutschen Arztes"57 zu vermählen. Die reservierten Äußerungen seines Chefs interpretierte Holstein dahingehend, daß die Kronprinzessin ohne Umschweife die Heirat berührt und den Kanzler um seine Hilfe gebeten habe. Möglicherweise habe sich der Fürst hinter der Autorität des Kaisers verschanzt, mutmaßte Holstein, und könne ihm das nicht eingestehen, weil er versprochen habe, nichts über den Disput verlauten zu lassen. Die Niedergeschlagenheit und das Zögern Bismarcks in Gegenwart seines auf Harmonie bedachten Mitarbeiters legen den Schluß nahe, daß die Unterredung keineswegs friedlich verlaufen war und ein Streit zwischen beiden Kontrahenten stattgefunden hatte. Während eines Besuchs im Neuen Palais am 23. April 1884 fand Lothar von Schweinitz auch die Kronprinzessin in deprimierter Stimmung vor. "Die Vernichtung der auf den Battenberger gesetzten Hoffnungen war ihr schmerzlich"58, bemerkte er. Das deutet darauf hin, daß Victoria und Bismarck ernsthaft zusammengeprallt waren. Vor allem bekümmerte sie, registrierte Schweinitz, daß nicht bekannt werde, wie sehr sie die bulgarische Heirat herbeigesehnt habe. "Wenn man dem Fürsten von Bulgarien eine preußische Prinzessin gäbe"59, habe der Kanzler ihr und dem Kronprinzen energisch erklärt, "so wäre dies so, als ob man einen Marschallsstab über die Mauem einer belagerten Festung würfe"60. Gegenüber dem Botschafter gab Victoria - anscheinend um ihr Gesicht zu wahren - sogar zu, daß sich Fürst Bismarck im Recht befinde. Der Kanzler wiederum war schlechter Laune, weil er die Ordre des Kaisers über die Staatsratsreaktivierung noch nicht in Händen hielt. Als Holstein ihn im Zusammenhang mit dem Bauenbergischen Heiratsplan ermunterte, in Zukunft intensivere Gespräche mit Kronprinzessin Victoria zu führen, erwiderte er pessimistisch: "Ja, wenn ich 10 Jahre jünger wäre; jetzt fehlt mir die Passion; seit

Gegenstand gehabt". Daraus kann man sowohl auf ein Gespräch zu drin als auch auf zwei getrennte Unterhaltungen schließen. 56 Vgl. Holstein: Papiere (I'gb. v. 21. April 1884), Bd. 2, S. 132. ~ EIxi. so SchweiniJz: Denkwürdigkeiten (I'gb. v. 23. April 1884), Bd. 2, S. 271. 59 EIxi . .. EIxi. Vgl. Corti: Leben, S. 169.

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ich keine Jagdpassion mehr habe, ist auch das übrige weg"6l. Freudig gab er sich erst, als Rolstein ihm erzählte, seine Gegner seien betrübt darüber, daß er noch nicht am Ende sei. Kämpferisch erwiderte Bismarck seinem Untergebenen, gerade der Rückzug von den preußischen Angelegenheiten garantiere sein Zusammenbleiben mit dem Thronfolger62. Doch mußte er in diesem Punkt erneut eine Niederlage verkraften. Am gleichen Tage, an dem er sich mit Rolstein besprach (21. April 1884), war er zum Immediatvortrag beim Kaiser befohlen. Anscheinend schlug ihm dieser abermals die Bitte ab, aus den preußischen Ämtern scheiden zu dürfen. Unverzüglich blockierte der Ministerpräsident, wie er es zuvor getan hatte 63 , den Fortgang der preußischen Geschäfte. Er weigerte sich, sich mit Problemen des Kanalisationswesens in Potsdam amtlich zu befassen, während er dem zuständigen Oberbürgermeister Reinhold Boie privat mitteilen ließ, er plädiere für die Beibehaltung des Istzustandes. Auch sich mit der Suche eines Nachfolgekandidaten für den hochbetagten Generalstabschef Relmuth von Moltke zu beschäftigen, lehnte er ab. "Der Kanzler sei wegen seiner Gesundheit besorgter, als er das ausspreche, er sei deshalb fest entschlossen, den Kreis seiner Tätigkeit einzuschränken"64, schützte Wilhelm von Bismarck die abgegriffene Begründung mit Gesundheitsrücksichten bei Friedrich von Rolstein vor65 . Sie klingt umso fadenscheiniger, wenn man sich vergegenwärtigt, daß sich der Fürst exakt in jenem Augenblick mit der Staatsratsreaktivierung innenpolitisch eine neue Arbeitslast auflud und mit dem Eintritt in die Kolonialpolitik auf außen- bzw. handelsspolitischem Gebiet eine ungleich höhere Bürde auf sich nahm 66 . Holstein: Papiere (fgb. v. 21. April 1884), Bd. 2, S. 133. Ebd. Vgl. oben Kap. F. III., S. 354, zu dieser Unterredung, hier jedoch aus dem Blickwinkel der krisenbaften Zuspitzung des Banenbergischen Heiratsprojektes beleuchtet. - Ähnlich Krüger an Petersen (Absehr.), Berlin, 20. April 1884: "Würde er [d. h. BiBmarck] im Falle einer ihm widerstrebenden ministeriellen Veränderung genöthigt, als Minister-Präsident zurückzutreten, so würde er auch die Stellung des Reichskanzlers nicht mehr behaupten können, wenn sie mit der ersteren combini[e]n bliebe". (StA HH, O. I 3, Bd. 4.) 6J Vgl. oben Kap. F. III., S. 358f. 64 Holstein: Papiere (fgb. v. 25. April 1884), Bd. 2, S. 137. Vgl. Kohl: Regesten, S. 314. M Die »NAZ« meldete sogar am 25. April 1884, daß der Kanzler seit einigen Tagen erlcältet sei und deshalb das Zimmer nicht verlassen dürfe (Szechenyi an Kalnoky, Berlin, 26. April 1884, HHStA W,PAIII,Nr.I26). 66 Vgl. Bismarck an Wilhelm 1., Friedrichsruh, 29. Sept. 1884: "Ich bin nur unvollkommen imstande, die täglich eingehenden laufenden Geschäfte zu bewältigen, und der gänzlich neue Zweig uns[e]rer Kolonialpolitik, in welcher ich ohne Beistand and[e]rer ganz auf meine eigene Arbeit angewiesen bin, vermehrt die letztere in einer Ausdehnung, der ich nicht gewachsen bin. [... ] Für meine Wiederherstellung bin ich infolgedessen außerstande, mir die nötige Ruhe zu gewähren, und ich fürchte, daß meine Kräfte für den Winter nicht ausreichen werden. Zu den Geschäften, welche mich in Berlin in Anspruch nehmen, gehören insbesondere die Vorbereitungen für die Tätigkeit des Staatsrats sowie meine Verständigung mit dem Vicepräsidenten des Staatsministeriums, Minister von Puttkamer, und meinem Vertreter in Reichssachen, Minister von Boetticher, bezüglich der Anträge, welche das Staatsministerium Ew[er] M[ajestät] für die Begutachtung beabsichtigter Ge61

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Vermochte sich Bismarck bezüglich der Ministerpräsidentenaufgabe beim Monarchen kein Gehör zu verschaffen, schwelte auch das bulgarische Heiratsprojekt unvermindert weiter. Schweinitz sprach den Kanzler am 23. April 1884 darauf an, um auszuloten, wieviel darüber nach St. Petersburg durchgesickert sei. "Glücklicherweise nichts"67, notierte der Botschafter erleichtert in sein Tagebuch. "Man hatte dort nur an Prinzessin Beatrice gedacht und war darüber sehr erschrocken gewesen"68. Diese Eintragung verrät zweierlei. Im Zarenreich war man schon darüber bestürzt, daß eine dynastische englisch-bulgarische Verbindung Alexander von Battenberg zu aggressiveren antirussischen Attitüden ermutigen könnte. Bei einer Vermählung mit einer deutschen Prinzessin mußte man dort nicht nur denselben Effekt befürchten, sondern - so wie Nikolaj Giers im November 1883 freimütig in Friedrichsruh zu erkennen gegeben hatte 69 - unter Kaiser Friedrich Ill. mit einem außenpolitischen Schwenk Deutschlands gegen Rußland rechnen. Sogar der französische Botschafter Courcel informierte seinen englischen Kollegen Ampthill über den Heiratsplan. Bismarck habe ihn angeblich ausgeklügelt, "um den deutschen Einfluß dauernd auf der Balkanhalbinsel zu befestigen. [... ] Die Franzosen müssen sich natürlich über ein Ereignis freuen, welches wie ein Keil zwischen die drei Kaisermächte hineingetrieben werden würde"70, sinnierte Holstein. Der Reichskanzler wußte, daß die eigentliche Gefahr noch immer auf ihn lauerte. Trotz der Einsprüche Wilhelms I. und Augustas beharrte das Kronprinzenpaar letztlich mit Erfolg - auf der Mitnahme Vickys zu den Vermählungsfeierlichkeiten am 30. April 1884 in Darmstadt Auch Alexander von Battenberg sollte von Sofia aus nach Hessen anreisen. Das Kaiserpaar und der setzentwürfe zu stellen haben würde". (Bismarck: GW, Bd. 6c, S. 304f.) Man beachte auch Wilhelm I. an Bismarck (Abschr.), Baden-Baden, 3. Okt. 1884: "Die Schilderung Ihrer fast erschöpften Kräfte in den Vorarbeiten dessen, was dann weiter zur Verarbeitung kommen soll, hat mich tief erschreckt und bekümmert! Die beiden Hauptpunkte Ihrer Überanspannung, die Kolonial-Politik und der Staatsrat, die Sie sich neu kreiert haben und daher auch nur genau in Ihrem Sinne durchgeführt werden können durch sich selbst, begreife ich vollkommen! Der erste Punkt, der mit der Zeit unsere finanziellen Kräfte in Anspruch nehmen wird, fängt an mich ernstlich zu beschäftigen. Auf mein Zureden mit dem General Caprivi haben Sie sich verständigt mit ihm dieses Mal. Aber Sie werden sich dabei überzeugt haben, dass unsere Marine ohne Verstärkung auf die Dauer die neuen Anforderungen nicht leisten kann. Der 2te Punkt, der Staatsrat, wird nicht nur Ihnen, sondern der ganzen Staatsmaschine, viel Arbeit dauernd verursachen, namentlich, da auf viele Zeiten hin, der Präsident desselben, mein Sohn, Ihnen keine Stütze sein wird". (BA KO, Reichskanzlei R 43F/2017F, Hervorh. im Orig.) 67 Schwei"itz: Denkwürdigkeiten (Tgb. v. 23. April 1884), Bd. 2, S. 271. 68 Ebd. Vgl. oben Kap. C. IV., S. 159f. Vgl. Holstei,,: Papiere (Tgb. v. 4. Mai 1884), Bd. 2, S. 145. Man beachte auch Ampthill an Granville, Berlin, 1. März 1884, über die Irritation Courcels wegen der deutsch-russischen Annäherung (LeII. Berl. Emb., S. 315), u. Hohenlohe-Schillingsfürst an Bismarck, Paris, 12. März 1884, über die gedrückte Stimmung in der Seine-Metropole darüber (PA BN, Frankreich Nr. 87, Bd. 41). 69

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Kanzler waren empört. Wenn Vicky und Sandro heirateten, nachdem der Fürst den bulgarischen Thron verloren habe, erläuterte Bismarck Holstein am 24. April 1884, betrachte er die Partie lediglich als Mesalliance. Sehr viel entschiedener als bei der letzten Unterredung über dieses Thema fügte er hinzu: "Solange aber der junge Herr auf dem jetzigen exponierten Posten zwischen Österreich und Rußland steht, ist es unmöglich, daß er unsere Prinzeß bekommt. Wir können nicht, einem hysterischen Frauenzimmer zuliebe, unsere Beziehungen zu Rußland aufs Spiel setzen"71. In diesen Stunden des 24. April 1884, in denen der Reichskanzler aus dem femen Berlin ohnmächtig zusehen mußte, wie man in Darmstadt. wo Queen Victoria seit dem 17. April weilte und wo auch der englische Botschafter anwesend sein sollte, möglicherweise eine für die Rußlandpolitik des Deutschen Reichs äußerst verhängnisvolle dynastische Intrige spann72, schickte er das für alle Außenstehenden rätselhafte Telegramm nach London, worin er lakonisch erklärte, die Besitzungen Lüderitz' in Angra Pequefia stünden unter deutschem Schutz. Mit der nebulösen Vokabel ~~Schutz«, die verschleierte, daß sich sein handelspolitisches ~~Interesse« über die Grenze der traditionellen konsularischen Unterstützung und gelegentlicher Kriegsschiffbesuche zur "Politik staatlichen Engagements"73 verschoben hatte, plazierte Bismarck die Sprengmine für die deutsch-englischen Kolonialstreitigkeiten. Weil das Telegramm vom 24. April 1884 fast haargenau der Depesche vom August 1883 glich74 und unerwähnt blieb, daß der Begriff »Schutz« im Verständnis des Kanzlers einen, wenn auch für ihn noch nicht exakt zu definierenden Bedeutungswandel durchlaufen hatte, waren sich weder der englische Botschafter in Berlin, dessen Vorgesetzter Granville und das Colonial Office noch die Behörden in Kapstadt und die Mitarbeiter an der deutschen Botschaft in London der Tragweite des Angra Pequefia-Telegramms bewußt. Erst im Juni 1884 sollte Bismarck - analog zu seinem Verhalten gegenüber dem amerikanischen Gesandten Sargent während der Lasker-Affare - mit Ampthill über Angra Pequefia sprechen und ihm den Sinneswandel der deutschen Regierung erläutern75. Papiere (fgb. v. 25. April 1884), Bd. 2, S. 135. Vgl. Aufz. Augustas, [0. T.) Mai H.A., NI. Friedrich m., Rep. 52 W 3 Nr. 4). 72 Vgl. Palmer: Vettern, S. 250, u. Ampthill an Granville, Berlin, 24. April 1884 (Le/l. Berl. Emb., S. 326). Man beachte auch Freund: Drama, S. 27: "Bisrnarck wurde immer wieder von der Angst heimgesucht, das Reich könne in einen Krieg Englands gegen Rußland hereingerissen werden. Er argwöhnte, das Reich sei von England dazu ausersehen, in einem Krieg mit Rußland für Großbritannien die Kastanien aus dem Feuer zu holen". Siehe ferner oben Kap. C. ill., S. 141-152. 73 Weh/er: Bismarcks Imperialismus, S. 262. 74 Vgl. oben Kap. G. 1., S. 399, u. oben Kap. G. II., S. 417f. 75 Vgl. Aydelo/le, S. 76f; Taylor, S. 33, u. Es/erhuyse, S. 52. Man beachte auch Turner, S. 70: "These telegrams were highly cryptic". Ähnlich Williamson, S. 78. Siehe ferner Aydelolle, S. 59f u. 83, zum ambivalenten »Schutz«-Begriff Bismarcks. Vgl. Turner, S. 71: "Bismarck wanted to get 71 Hols/ein:

1884 (GSIAPK Ab/. MER,

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Spielten des Kanzlers Ängste vor dem Thronwechsel, seine verfassungsrechtlichen Maßnahmen zur Verhinderung des liberalen Regiments und einzelne antienglische Ausbrüche chronologisch parallel auf innen- und außenpolitischer Ebene, verschmolzen sich die einzelnen Handlungsstränge in den Tagen vom 13. bis 24. April 1884 vor dem Hintergrund des gefährlichen Battenbergischen Heiratsprojekts und der Krankheit des Kaisers zu einem Krisenund gleichzeitigen Ausfluchtsmoment76• An diesem zeitlichen Schnittpunkt, der auf den vorhergehenden Seiten aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet worden ist, gewinnt die von Herbert von Bismarck im März 1890 aufgestellte Behauptung Authentizität: "'Als wir in die Kolonialpolitik hineingingen, war der Kronprinz noch nicht krank, und wir mußten auf eine lange Regierung desselben gefaßt sein, während welcher der englische Einfluß dominieren und uns zum Kriege für britische Interessen Wlzweifelhaft mißbrauchen würde; um diesem vorzubeugen, mußte die Kolonialpolitik eingeleitet werden, welche volkstümlich ist und jeden Augenblick Konflikte mit England herbeiführen kann",77.

Daß sich die geschilderten Fäden in dieser Weise verknoteten, dokumentierte Friedrich von Holstein - freilich ohne die Verknüpfung zu erahnen - mit seiner Tagebucheintragung vom 5. Mai 1884, indem er den Battenbergischen Heiratsplan und die kolonialpolitische Wende in einem Atemzug erwähnte: "Der Reichskanzler [... ] erldärt, er werde die Kabinettsfrage stellen, wenn von jener Heirat (der bulgarischen) noch weiter die Rede sei. Er könne dann die Verantwortung für die auswärtige Politik des Reiches nicht weiter übernehmen. In einem Punkte seiner auswärtigen Politik hat der Kanzler sich neuerdings geändert. Er hatte mir wiederholt und noch vor Jahr und Tag gesagt: 'Solange ich Reichskanzler bin, machen wir keine Kolonialpolitik'. Und jetzt fängt er damit doch an, in West- und Südwest-Afrika,,78.

his statement of April 24 into the files of the English without alerting them to the fact that his policy had undergone a major change. [... ] Whereas Bismarck previously misled the English inadvertently, he was now doing so deliberately". 7. Vgl. Wilhelm I. an Elisabeth von Hessen und bei Rhein, Berlin, 25. April 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhelm 1., Rep. 51 1513 Preußen III). Die Teilnahme an der Darmstädter Hochzeit sagte der Kaiser aus gesWldheitlichen Gründen ab, gleichwohl seine Anwesenheit in Darmstadt sicherlich nützlich gewesen wäre, um den zu erwartenden Battenbergischen Komplikationen zu begegnen: "Ich bin von meinem letzten Unwohlsein noch so matt, daß die Aerzte mich noch nicht reisen lassen wollen". (Ebd.). 77 Schweinilz: Briefwechsel, S. 193. Dagegen - stellvertretend für die Gegner der »Kronprinzen-These« und zugleich widersprüchlich in sich selbst (vgl. Kap. A., S. 48 u. S. 55f, dort Anm. 104) - Kennedy: Rise, S. 171: "Such a statement, possessing all the characteristie clarity of a retrospective assessment, is far too bald: it disguises the halting, tentative nature of the first stages of the Chancellor's colonial poliey, which already bad WIder contemplation some measures of support for German interests overseas before the advent of the 1884 election and before it possessed such adefinite anti-British thrust". 78 Halstei,,: Papiere (Tgb. v. 5. Mai 1884), Bd. 2, S. 149.

IV. Krisenzeit: Kolonialpolitik, Heiratspläne und VerfaSSlmgsfragen

443

Verschiedene Indizien legen nahe, daß Bismarck mittels des plötzlichen Einstieges in die Kolonialpolitik eine künstliche Reibungsfläche mit England konstruieren, wohl aber keinen endgültigen Bruch heraufbeschwören wollte und sie zeitlich befristet für den Kampf gegen das kronprinzliche Regime zu instnunentalisieren gedachte. Obwohl der deutsche Botschafter in London am 20. April 1884 in Berlin mit Bismarck zusammentraf, verschwieg letzterer ihm, daß er Lüderitz tags zuvor versprochen hatte, ihn über die Grenze des bislang gewährten konsularischen Schutzes hinaus zu unterstützen. Münster registrierte nur, daß der Kanzler der Erledigung der Fidschi-Landreklamationen eine - gemessen an den globalen deutschen Handelsinteressen - übertriebene Bedeutung beimaß79. Daß er seine Außenpolitik zeitweise antienglisch auszurichten begann, beweist Bismarcks Äußerung zu Friedrich von Holstein in jenen Stunden, in denen das berühmte Telegramm an Lippert nach Kapstadt gekabelt wurde. Mit Bezug auf die Einladung Großbritanniens zur Londoner Ägyptenkonferenz sagte der Fürst '''Wir können England nicht dauernd schlecht behandeln, da es sich sonst wieder mit Frankreich zu einer Gruppe vereinigt, der sich dann auch noch andere anschließen würden"'so. Darin war das Eingeständnis enthalten, für einen befristeten Zeitraum mit dem Inselreich brechen zu wollen. Sogar der »cauchemar des alliances«, die Entstehung einer französisch-russischen Koalition, schreckte ihn nicht '''Sofern sich die gegen England bildet, ist es auch kein Unglück"'81, meinte er leichthin. Gerson von Bleichröder wußte: "Unsere Gefühle für England sind nicht übermüthig warm, da wir durch die Behandlung der Deutschen seitens der Engländer in überseeischen Gebieten etwas froissi[e]rt sind"82. Ein von Bismarck verworfenes Telegrammkonzept an die deutsche Botschaft in London, das Granville über die Schutzgarantie für Angra Pequefia informieren sollte, enthüllt, daß Bismarck in der Saumseligkeit des Foreign Office - mittlerweile waren seit der Dezember-Note fast vier Monate verstrichen - endlich ein brauchbares Ventil für seine seit Mitte Februar 1884 latente Englandfeindlichkeit gefunden hatte 83 . "Auf Anfrage soll der Botschafter einstweilen sagen"84, hieß es in dem Entwurf, "daß wir uns entschlossen hätten, die von den Angehörigen des Reiches außerhalb der Jurisdiktionsgrenzen anderer Mächte zum Zweck von Handelsunternehmungen gemachten 19 Vgl. Ampthill [an Foreign Office) (Teleg.), Berlin, 21. April 1884 (LetL Ber!. Emb., S. 325). Münster war erst am 27. April 1884 wieder in London (vgl. Aydelotte, S. 59, u. Snyder: Negotiations, S. 443). Man beachte auch oben Kap. D. ill., S. 247 u. 252. 80 Holstein: Papiere (Tgb. v. 25. April 1884), Bd. 2, S. 137. 81

Ebd., S.

138.

Bleichröder an Hohenlohe-Schillingsfürst, Berlin, 22. April 1884 (BA KO, NI. HohenloheSchillingsfürst, Nr. 107). 8l Vgl. oben Kap. D. ill., S. 231f, zur Ermunterung Bismarcks an die Adresse Rußlands, in Asien antienglisch zu agieren. 84 Schüssler: Lüderitz, S. 95. 82

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G. Das Angra Pequefia-Telegramm und der Battenbergische Heiratsplan

Landerwerbungen unter den Schutz des Reiches zu stellen"85. In der Nichtbeantwortung des im Dezember 1883 an die britische Regierung gerichteten Schreibens "erblicken wir das Anerkenntniß, daß England keine zu Kraft bestehende Rechtsartikel für Jurisdiktions[-]Ansprüche in Südwest-Afrika, nördlich vom Oranje[-] Fluß, mit Ausnahme der Walfisch[-]Bay und eines kleinen umliegenden Territoriums geltend zu machen in der Lage ist"86. Diese aufschluß.reichen Sätze tilgte Bismarck und ließ statt dessen das Foreign Office in dürren Worten wissen, daß die Lüderitzschen Erwerbungen unter dem Schutz des Reiches ständen und Granville hiervon zu benachrichtigen sei 87 . Am 25. April 1884, kurz nachdem die sibyllinischen Depeschen nach Kapstadt und London abgesandt worden waren, bat Bismarck den französischen Botschafter Alphonse de Courcel zu sich. Nachdem der Kanzler seinen ganzen Haß über Gladstone ausgeschüttet hatte ("stil avait sur la conscience les fautes commises par M[onsieur] Gladstone en une seule annee de son ministere, il brillerait la cervelle"88), womit er Courcel anscheinend zu signalisieren suchte, daß Frankreich bezüglich der Ordnung der ägyptischen Schuldenfrage bei einem Aufbegehren gegen England auf deutsche Rückendeckung zählen konnte 89 , wandte er sich den Kolonialfragen zu. Ebenso wie Deutschland wegen der Fidschi-Landreklamationen Klage über England zu führen habe, besitze Frankreich Interessen, die mit denen des Inselreichs kollidierten. Zwietracht zwischen Paris und London zu säen, läge nicht in seiner Absicht, beteuerte er, da er in einer Spannung zwischen beiden Ländern nur ein großes Unglück entdecken könne. Aber er sei überzeugt, daß alle Nationen begierig seien, internationale Regeln über die Gepflogenheiten von Handel und Verkehr zu vereinbaren. Er schlug dem Botschafter eine Entente der neutralen Mächte vor, um die Handelsrechte eines jeden Staates in bislang nicht annektierten Gebieten zu garantieren. Damit zielte Bismarck auf das englisch-portugiesische Kongo-Abkommen. In dieser Angelegenheit fungierten die Portugiesen als "les

os Ebd.

Bismarck an Botschaft London (verworfenes Konz.), Berlin, 24. April 1884 (BA Abt. P, RKA 1995). VgL Turner, S. 71, daß der Kanzler die Engländer absichtlich zu läuschen suchte: "Tbe original draft of the telegram to London [... ] made it quite clear that the »proteetion« in question was something different from mere consular protection. It also included an open challenge to the claim that England had title to any of the southwest coast aside from Walfisch Bay. But, significantly, Bismarck deleted all of this, leaving only the bare statement regarding bis message to the consul". PJ7 Vgl. Bismarck an Botschaft London (Teleg.), Berlin, 24. April 1884 (Wb. Angra Pequelia, S. 173), u. Aytklotte, S. 54f. 88 Courcel an Ferry, Berlin, 25. April 1884 (DDF, Bd. 5, S. 265f). Vgl. oben Kap. D. m., S. 235-238. 89 Vgl. CouJ'::el an Ferry, Berlin, 25. April 1884 (DDF, Bd. 5, S. 266). 86

IV. Krisenzeit: Kolonialpolitik, Heiratspläne und Verlassungsfragen

445

comparses des Anglais" 90. Deutschland habe in Lissabon gegen den Vertrag protestiert und auch die Niederlande, Belgien, Italien und die Vereinigten Staaten von Amerika zur Beschwerde aufgefordert. Um das französische Unbehagen vor einer Kolonialentente zwischen den einstigen Waffengegnern zu zerstreuen, hob der Kanzler den deutschen Friedenswillen hervor. Er betonte die guten Beziehungen Berlins zu Rußland und machte die Kriegspartei in St Petersburg für zeitweilig auftretende Irritationen verantwortlich. Gleichzeitig akzentuierte er, wie behutsam er Österreich im Jahre 1866 behandelt habe. Die deutsch-französische Grenzziehung von 1871 versuchte er mit dem Argument zu rechtfertigen, daß er sich an der Sprachengrenze orientiert habe. Hatte der Kanzler außenpolitisch die Weichen für einen antibritischen Kurs gestellt, und strengte er sich an, auch den »Erzfeind« auf dieses Gleis zu lotsen, erklärte er quasi als innenpolitische Kehrseite der komplexen Offensivstrategie gegen den Kronprinzenliberalismus - dem bayerischen Außenminister Christoph von Crailsheim am gleichen Tag seiner Unterredung mit Courcel, er wolle sich vom preußischen Ministerpräsidentenamt lösen und die Autorität des Bundesrats erhöhen, um den unitarischen Tendenzen einer künftigen liberalen Regierung entgegenzusteuern91. Daß der Antrieb zur Kolonialpolitik - wie die Restitution des preußischen Staatsrates92 - momentanen Erwägungen entsprang, verdeutlicht eine kleine Episode. Im Juli 1884 lobte Bismarck das taktvolle und umsichtige Vorgehen Gustav Nachtigals bei den Aaggenhissungen in Togo und Kamerun. Über den württembergischen Kaufmann Friedrich Colin, der um den Schutz seiner Faktorei am Dubreka gebeten hatte, schimpfte er dagegen, er sei ein "unzuverlässiger Charakter"93. Der Stamm der Bagas, mit dem Nachtigal zur Wahrung der Colinschen Interessen einen Vertrag vereinbaren sollte, befand sich bereits unter französischem Protektorat, als der Kommissar in Westafrika eintraf. Seinem Kolonialreferenten Heinrich von Kusserow lastete der Kanzler diesen Mißerfolg an. Er forderte ihn zu einem Gutachten auf, "was für Garantien dieser für Colin's Glaubwürdigkeit gehabt hätte, wie das Verhältniß mit 90 Courcel an Ferry, Berlin, 25. April 1884 (ebd.). Vgl. Taylor, S. 3Of; Königk, S. 99, u. Windelband: Großmächte, S. 557f, daß Bismarck dem Botschafter eine Art "'bewaffneter Seeneutralität' wie zur Zeit Katharinas II." (ebd., S. 558) schmackhaft ru machen suchte, worauf sich Jules Ferry troLZ weiterer Vorstöße des Kanzlers im Sommer 1884 nicht einließ (vgl. Langer, S. 301-304). Man beachte auch Louis: Conference, S. 173: "Bismarck broached the subject of naval and colonial cooperation with France against England". Dagegen Rothfels: Bündnispolitik, S. 71: "Diese deutsch-französische Annäherung hatte an sich und von vornherein keine Spitze gegen England". Man beachte auch oben Kap. A., S. 26f. 91 Vgl. Crailsheim an Ludwig II., Berlin, 25. April 1884 (HStA M, Abt. II MA 76252). Man beachte auch oben Kap. F. II., S. 341. Siehe ferner Parsons, S. 672-674, rur wohlwollenden Haltung Bismarcks gegenüber Frankreich in der marokkanischen Frage im Frühjahr 1884. 92 Vgl. Bennigsen an Miquel, Hannover, 7. Juni 1884 (HeyderhofJ1Wentzcke, Bd. 2, S. 415). 93 W. v. Bismarck an Hatzfeldt, Varzin, 23. Juli 1884 (BA Abt. P, RKA 3403).

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G. Das Angra Pequeiia-Telegramm und der Battenbergische Heiratsplan

letzterem angeknüpft [worden] wäre und welches überhaupt die Genesis dieses Falles gewesen sei" 94. Der Vortragende Rat rechtfertigte sich umgehend. Nachdem der Kanzler "aus Anlaß der Angra Pequenna-Angelegenheit [sic] die Allerhöchste [d. h. Wilhelms 1.] Ermächtigung zu der eingeschlagenen Kolonial-Politik"95 eingeholt habe, habe er ihn gefragt, ob denn keine anderen Faktoreien als die des Bremer Kaufmanns Lüderitz an der westafrikanischen Küste existierten, welche für den Schutz des Reichs in Betracht kämen. Daraufhin habe er die von der Hamburger Handelskammer vorgetragenen Petitionen hinsichtlich der Erwerbung von Territorien im Golf von Biafra und an der Dubreka-Mündung erwähnt. "Der Herr Reichskanzler bezeichnete es als besonders erwünscht, einer von Süddeutschen ausgehenden Unternehmung die Fürsorge des Reichs zuzuwenden"96, erinnerte Kusserow ihn an die Entscheidungsfindung im April 1884. An diesen Äußerungen ist mancherlei verräterisch. Obwohl die meisten Historiker dem Beginn der Kolonialpolitik - oft seit dem Sommer 1883 - eine stringente, wenn auch zunächst vorsichtige und allmählich kräftiger werdende Dynamik attestieren, was heißt, daß sich Bismarck über Monate hinweg intensiv mit den Eingaben Lüderitz' und Woermanns beschäftigte, fragte er Kusserow im April 1884 ahnungslos, "ob wir denn keine anderen Unternehmungen als die Lüderitz'schen an der Westküste von Afrika hätten"97. Das beweist, daß Kusserow die handelspolitischen Fragen plötzlich an ihn herangetragen und der Kanzler sie vorher nicht mit allzu großem Interesse verfolgt hatte. Ansonsten wären sie ihm sicherlich deutlicher im Gedächtnis haften geblieben. Beachtenswerter ist die Tatsache, daß Bismarck dem Württemberger Friedrich Colin seine Aufmerksamkeit nicht wegen ökonomischer Gewinnaussichten vor Ort gönnte oder weil es galt, Deutschland aus »sozialimperialistischen« Gründen einen »riesigen« Absatzmarkt in Afrika zu sichern, sondern weil er aus Süddeutschland stammte. Diese Merkwürdigkeit klärt sich folgendermaßen auf. Der Stuttgarter Gustav Siegle, Generaldirektor der »Badischen Anilin- und Soda-Fabrik«, der Frankfurter Industrielle Adolf von Brüning sowie Hermann 94 Ebd. Man beachte auch Buchner, S. 27. Die "Franzosen wussten viel besser als die Geheimräte in Berlin, wie es mit dem Dala Bemba und dessen deutschen Gelüsten stand. Dr. Nachtigal sollte sich eine lustige Abweisung holen". "Die Behauptungen des Herrn Colin waren einfach unbegreiflich". (Ebd., Zitate auf S. 27 u. 30.) 9S Bericht Kusserows über die Angelegenheit Colin bzw. Sendung des Dr. Nachtigal nach der Dubreka-Mündung, Berlin, 27. Juli 1884 (BA Abt. P, RKA 3403). 96 Ebd. Neben verschiedenen sachlichen Erwägungen, wie dem hohen Ansehen von Colins Gesellschaftern, seiner respektablen Herkunft und der Empfehlung Hohenlohe-Langenburgs führte Kusserow an: "Das anständige, sichere Auftreten und die z. B. gegen die Nervosität des Herrn Lüderitz vorteilhaft abstechende Ruhe des Herrn Colin konnten das Vertrauen nur vennehren. Meinen günstigen Eindruck theilten damals alle Personen, die mit Herrn Colin in Berührung gebracht wurden". (Ebd.) 97 Ebd.

IV. Krisenzeit: Kolonialpolitik, Heiratspläne und VeIfassungsfragen

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von Hohenlohe-Langenburg zählten zu den Förderern Colins. Siegle und Brüning gehörten wie Johannes Miquel zu den führenden Mitgliedern der »Nationalliberalen Partei« in Süddeutschland, während Hennann von Hohenlohe-Langenburg als ehemaliger Reichstagsabgeordneter der konservativen »Deutschen Reichspartei« dem »Deutschen Kolonialverein« präsidierte. Brüning und Miquel besaßen obendrein einen Sitz im Vizepräsidium der Gesellschaft98 . Im Rahmen dieser Personenkonstellation muß man sich vergegenwärtigen, daß der Kanzler die Nationalliberalen seit Jahresanfang und besonders seit März und April 1884 umwarb, um dem Kronprinzen mit der Annäherung an die gemäßigteren Liberalen die Zustimmung für seinen Verbleib im Amte nach dem jederzeit möglichen Thronwechsel zu erleichtern. Deshalb bemühte er sich unter allen Umständen jene konservativ-nationalliberale Allianz zu etablieren, die sich im »Deutschen Kolonialverein« in Hohenlohe-Langenburg, Siegle, Brüning und Miquel sowie in dem praktischen Kolonialunternehmen ihres Geschäftspartners Friedrich Colin personifizierte. Das Schutzversprechen für das Colinsche Dubreka-Projekt diente folglich nur als Lockvogel, um die schutzzöllnerisch und kolonial interessierte »Nationalliberale Partei«, die sich im Süden Deutschlands in einer regierungsfreundlichen Aufbruchsstimmung befand 99 , gegen die manchesterliche »Kronprinzenpartei« abzugrenzen und sie ins Regierungslager zu ziehen. Dahingehend hatte Bismarck dem Thronerben einmal in den achtziger Jahren gesagt, "Preußen könne ebensogut mehr in konservativem und mehr liberalem Sinne regiert werden, je nachdem es der Monarch befehle" 100. Er beherzigte seine bewährte Einsicht aus der Konfliktszeit, daß ein Achtelschwenk nach links durchaus pflicht sei, wollten er und das monarchische System in Preußen-Deutschland politisch überleben. 98 Gustav Siegle (1840-1905), Fabrikbesitzer, MdR NL 1887-1898 (vgl. M. Schwarz, S. 464); Adolf v. Brüning (1837- 21. April 1884), Fabrikeigentürner, MdR NL 1874-1881 (vgl. ebd., S. 281), u. Herrnann von Hohenlohe-Langenburg (1832-1913), MdR DRP 1871-1881 (vgl. ebd., S. 353). Man beachte auch Wehler: hnperialismus, S. 163, sowie D. While, S. 94 u. 119, ohne jedoch den oben aufgeschlüsselten Zusammenhang :ru kennen. - Zum »DKV«, der im Jahre 1882 gegriindet worden war, vgl. Wehler: hnperialismus, S. 162-168; Esterhuyse, S. 46f; HaI/garten: Imperialismus, S. 21Of, u. GOI/wald: Kolonialverein, S. 159-161. Daß Hohenlohe-Langenburg einer der Förderer des Colinschen Dubreka-Engagements war, würdigt Wehler: hnperialismus, S. 330, nicht. Dagegen ist dies ausdriicklich im Bericht Kusserows über die Angelegenheit Colin bzw. die Sendung des Dr. Nachtigal nach der Dubreka-Mündung, Berlin, 27. Juli 1884, erwähnt (BA Abt. P, RKA 3403). 99 Vgl. Wesdehlen an Bismarck, Stuttgart, 19. Apri11884 (PA BN, Württemberg Nr. 32, Bd. 5), u. »NAZ« v. 21. u. 22. April 1884 (GStAPK Abt. MER, 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinen, Nr. 608). Man beachte auch Dönhoff an Bismarck, Dresden, 21. April 1884, daß Konservative und Nationalliberale bereit seien, ihre Feindschaft zu begraben, um don, wo ihre Kräfte allein nicht ausreichten, "sich mit einander zu vereinigen zur Bekämpfung der unter neuer Firma auftretenden alten Fonschrittspanei mit ihren bis zum Sozialismus reichenden Abstufungen" (PA BN, Königreich Sachsen Nr. 48, Bd. 12). 100 Delbrück, S. 618.

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G. Das Angra Pequena-Telegramm und der Battenbergische Heiratsplan

Der Witwe des frühverstorbenen Adolf von Brüning kondolierte der Reichskanzler schon einen Tag nach dem Tod ihres Gatten am 22. April 1884. Wahrscheinlich beabsichtigte der Fürst mit dieser Beileidsbekundung allen süddeutschen Nationalliberalen seinen Respekt zu bezeigen und sie durch diese Geste der Anteilnahme für sich zu gewinnen 101.

101 V gl. das Dankschreiben Bisrnarcks an den konservativen Reichstagsabgeordneten Amold von Frege für eine Zustimmungsadresse liberaler und konservativer Wähler vom 25. April 1884, die vier Tage später in der »NAZ« veröffentlicht wurde (Kohl: Regesten, S. 314). Man beachte auch allgemein D. White, S. 118-120, zur kolonialen Entente zwischen Bismarck und den Nationalliberalen, ohne eine detaillierte Analyse und chronologische Einordnung der Geschehnisse zu bieten. - Obwohl Kennedy: Rise, S. 17Of, in einer kurzen Passage - freilich ohne chronologisch dichte Folge und unter ständigem Wechseln innernalb der einzelnen Handlungsebenen - thematisch die schlechten Beziehungen zwischen Kronprinz und Kanzler im Januar und Februar 1884, die Zurückgabe der Lasker-Resolution, den Gladstone-Erlaß, den Battenbergischen Heiratsplan, die Krankheit des Kaisers im Mai [!I 1884 und die Fusion von Fortschrittlern und Sezessionisten aneinanderreiht, kann er sich nicht entschließen anzuerkennen, daß Bismarck die Kolonialpolitik von Anfang an initiierte und instrumentalisierte, um den Iinksliberalisrnus und das Kronprinzenpaar ins politische Abseits zu drängen sowie die »Nationalliberale Partei« an sich zu binden. - Diese intention Bisrnarcks dürfte mit der Schutzvergabe an das Colinsche Unternehmen nunmehr untermauert sein. - Dagegen K ennedy: Rise, S. 171: "1bis does not rnean, h~wever, that the Chancellor immediately saw in the colonial issue the »trurnpcard« against German liberalism [ ... 1. Only gradually, as the c1arnour for a colonial policy developed in 1883 and 1884 and as Bisrnarck's first rnoves in that direction won such applause - did the Chancellor see that here was an issue which might bind the National Liberals c10ser to the govemment while splitting and discrediting the Freisinnige groupings". (Hervorn. im Orig.) Vgl. Kohl: Regesten, S. 314, u. Vierer, Bd. 3, Sp. 285.

"'Vor allem muß der Kanzler fortfahren, ihr Cd. h. der Kronprinzessin] :ru imponieren; er muß für sie Jupiter tonans bleiben. Sie verträgt einen starken Widerspruch. Wer mit ihr zimperlich umgeht, ist verloren",l.

H. Forcierte englandfeindliche und antiliberale Attitüden des Reichskanzlers und die Battenberg-Krise im Mai 1884 Ende April 1884 fanden sich Queen Victoria, ihre Lieblingstochter Beatrice, der Prince of Wales, die deutsche Kronprinzenfamilie und Zarin Marija Feodorovna, insgesamt eine "ungewöhnlich große Abordnung europäischer Monarchen"2, in Dannstadt ein, um die Hochzeit zwischen Victoria Alberta von Hessen und Ludwig von Bauenberg zu feiern. In diesen Tagen unterhielt sich die englische Königin verschiedentlich mit dem Bruder des Bräutigams, Alexander von Bulgarien. Dieser beschwerte sich heftig über die russischen Eigenmächtigkeiten und die Kühle, die ihm aus der Wilhelmstraße in Berlin entgegenschlug. '''Man vergiBt dort ganz, daß England und Österreich auch noch existieren"'3, ärgerte sich ebenfalls Kronprinzessin Victoria über die Reserviertheit des deutschen Kaiserhofs. Sie versuchte Sandro Trost zu spenden, indem sie spekulierte, ihr Premierminister Gladstone werde einmal von seiner bulgarienfeindlichen Haltung abrücken. Die hessischen Tage verliefen äußerst gefühlsbetont. Prinzessin Beatrice verliebte sich in Heinrich von Battenberg - die Verlobung sollte im Dezember des Jahres in EngJand stattfinden -, während dessen älterer Bruder Alexander und die jüngste Tochter des Kronprinzenpaars die ihnen beschiedene kurze Zeit auskosteten, um - protegiert vom Prince of Wales - so viele Stunden wie möglich gemeinsam zu verbringen 4. Doch die Festtagsfreude wurde getrübt durch die heimliche Vermählung Großherzog Ludwigs IV. von Hessen mit der geschiedenen Gattin eines früher in Dannstadt akkreditierten russischen Legationssekretärs am Abend der offiziellen Vermählung seiner Tochter. Zum Entsetzen der Hochzeitsgäste und der höheren Gesellschaftskreise in Berlin und St Petersburg wurde die Mesalliance innerhalb weniger Tage publik, so daß Kaiserin Augusta dem Kronprinzenpaar und

Bemerlcung Seckendorffs zu Holstein (Ho/stein: Papiere, Tgb. v. 6. Juli 1885, Bd. 2, S. 232). Palmer: Vettern, S. 250. Vgl. Scludtheß (30. April 1884), S. 54. ] Corti: Leben, S. 171. Vgl. Corti: Alexander, S. 162. 4 Vgl. Erbach-Schönberg, S. 57f, u. Bennett, S. 217. 1

2

29 Riehl

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H. Englandfeindliche und antiliberale Attitüden und die Banenbergkrise

den übrigen Vertretern des preußischen Hofes telegraphisch befahl, umgehend nach Potsdam und Berlin zurückzukehren5. Waren Wilhelm I. und Augusta bereits vor der Darmstädter Heirat wegen des Wiedersehens zwischen Vicky und Sandro äußerst nervös gewesen, bekräftigte der Kaiser nach der überhasteten Rückkehr der kronprinzlichen Familie in Anwesenheit Paul von Hatzfeldts umso energischer, er werde niemals seinen Konsens zu der geplanten Liaison geben. Von "allen Heiraten, die die Kronprinzeß anstifte"6, mokierte er sich Anfang Mai, höre "man immer erst dann etwas [... ], wenn alles bis zum Jawort fertig sei"7. Was die außenpolitischen Komplikationen betraf, die daraus möglicherweise resultierten, maß er der Heirat sogar vom Geheimen Rat Holstein in dieser Wertung unterstützt - die fatale Bedeutung der Hohenzollern-Thronkandidatur bei. Im Sinne seiner Äußerung zu dem Staatssekretär unterrichtete der Monarch den Kanzler am 3. Mai 1884 mit der Bitte um strengste Diskretion, seine Gattin und er hätten vor einigen Monaten "instinctrnäßig"8 geahnt, daß im Neuen Palais zugunsten einer Heirat zwischen seiner Enkelin und dem Bulgarenfürsten konspiriert werde. Da die Presse kurz vor der Abreise der kronprinzlichen Familie nach Hessen begonnen habe, über ein Heiratsprojekt zu rätseln, habe er sich verpflichtet gefühlt, die Brauteltern "in keinem Zweifel darüber zu lassen, daß ich eine derartige Verbindung einer preußischen Prinzeß niemals zugeben würde"9. Die niedrige Herkunft der Battenberger, die er penibel in drei Punkten auflistete, betrachtete er als einen ebenso unüberwindbaren Makel, wie das vierte, letztlich entscheidende Kriterium, wonach die "Stellung dieses Fürsten in seinem Lande eine so precaire ist, daß er schon mehrere Male der Abdication nahe war, gar keine gesicherte u[nd] 5 Vgl. Palmer: Vettern, S. 25Of; Stumm an Bismarck, Darmstadt, 6. u. 7. Mai 1884 (PA BN, Hessen Nr. 51 seereta), u. Brauer (Tgb. v. 12./13. Mai 1884), S. 166f. Man beachte auch Tgb. Friedrich Wilhehns v. 30. April 1884, über die allgemeine Freude in der hessischen Hauptstadt wegen der Heirat zwischen Victoria Albena von Hessen und Ludwig von Banenberg "trotz dieser mesalliance, die uns gewiß noch manche schwere Verlegenheiten bereiten wird" (GStAPK Ab/. MER, H.A., NI. Friedrich m., Rep. 52 F I Nr. 7x). Siehe ferner H. v. Bismarck an Johanna v. Bismarck, St. Petersburg, 10. Mai 1884, daß die morganatische Heirat das "Hauptgespräch" in den Salons sei. "Alles ist entsetzt darüber: ich fmde die Sache auch unüberlegt u[ndl recht bedauerlich". (BA KO, NI. Bismarck, Fe 3006.) - "Die Kronprinzeß wollte durchaus nicht von Darmstadt weg, weil sie die bulgarische Heirat unter Dach und Fach bringen wollte. Sie benahm sich 'wie eine Megäre', ward aber doch fortgeschleppt". (Hols/ein: Papiere, Tgb. v. 5. Mai 1884, Bd. 2, S. 149.) 6 Hols/ein: Papiere (Tgb. v. 4. Mai 1884), Bd. 2, S. 145. 7 EIxi. 8 Wilhehn 1. an Bismarck (Abschr.), Berlin, 4. Mai 1884 (BA KO, NI. Bismarck, Fe 2986). Das Schriftstück ist - anscheinend wegen eines Versehens während der Abschrift - fälschlicherweise um einen Tag vordatiert. Inhaltlich nimmt Bismarcks Antwortschreiben vom 3. Mai 1884 darauf Bezug und erweitert die Einwände des Kaisers gegen Alexander von Banenberg um einen fünften PunkL (Vgl. [Bismarck an Wilhehn 1.], Berlin, 3. Mai 1884, Bismarclc: GW, Bd. 6c, S. 297.) 9 Wilhehn 1. an Bismarck (Absehr.), Berlin, 4. Mai 1884 (BA KO, NI. Bismarck, Fe 2986).

H. Englandfeindliche und antiliberale Attitüden und die Battenbergkrise

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pecunniaire Lage besitzt u[nd] das Land von einem Volk bewohnt würde, daß eine Preußische Prinzeß demselben nicht anvertraut werden darf!" 10 Queen Victoria schüre das Aufflammen der Herzensneigungen nicht nur, sondern wolle sie definitiv besiegelt sehen, um die Heirat ihrer Enkelin Victoria Alberta von Hessen mit Ludwig von Battenberg durch die Einbeziehung eines weiteren europäischen Herrscherhauses zu legitimieren. Die Königin sei sehr ungnädig darüber, daß er die beabsichtigte Heirat verboten habe. "Die Art[,] wie mein Sohn meine Erklärung aufnahm, bewies, daß er mit uns [d. h. dem Kaiserpaar] ganz einverstanden sei"ll, glaubte sich der Monarch beruhigen zu dürfen, indem er ihn - abweichend von seinem sonstigen Verhalten - auf seiner und des Kanzlers Seite wähnte. Dagegen habe die Kronprinzessin seit dem Sommer letzten Jahres die Romanze gefördert. Seufzend schloß er den Brief mit dem Satz: "Ich sehe sehr unangenehmen Stunden entgegen!"12 Unverzüglich antwortete Bismarck dem Kaiser und bat ihn, seinen Überzeugungen unbedingt treu zu bleiben. Auch Friedrich Wilhelrn, bestätigte er erleichtert, mißbillige den Battenbergischen Heiratsplan. Der Kanzler, der drei Jahre später unter Benutzung einer sehr plastischen Formulierung betonte, "er werde sich kein Leitseil in der Orientfrage von irgend einer Macht um den Hals legen lassen"13, präzisierte die Ausführungen des Monarchen und ergänzte sie um einen fünften Punkt. "'Durch die Heirat einer Enkelin Ew[er] M[ajestät] mit dem Fürsten von Bulgarien"'14, warnte er, "'würde unsere Politik in alle Verwicklungen hineingezogen, in welche dieses Fürstentum und sein gegenwärtiger Herr Rußland, der Pforte, Oesterreich und den bulgarischen Revolutionen gegenüber geraten können. Wir würden stets der Gefahr ausgesetzt sein, wählen zu müssen, ob wir die Tochter unseres Kronprinzen in bösen und vielleicht unwürdigen Lagen im Stiche lassen oder mit Aufwendung von Macht und Geld für sie eintreten wollen. Der ganze große Vorzug unserer unbeteiligten Stellung zu den Fragen im Orient würde verloren gehen ... 15.

Durchdrungen von dem Gedanken, er sei von englischen Intrigen umgarnt, drohte Bismarck, wie Friedrich von Holstein am 5. Mai 1884 in sein Tagebuch schrieb, er werde um seine Entlassung bitten, falls den Battenbergischen Hei10 Ebd. Alexander VOll Battenberg stamme aus einer Ehe, die "notgedrungen vollzogen werden mußte". Nur durch die "übermäßig rasche Erhebung dieser Familie in den Fürstenstand" habe man die Unebenbürtigkeit kaschiert. Daran habe auch die Ernennung zum Fürsten von Bulgarien nichts geändert. (Ebd.) 11 Ebd.

12 Ebd. Vgl. Holstein: Papiere (Tgb. v. 4. Mai 1884), Bd. 2, S. 145: "S[eine] M[ajestät] ließ sich aus über die Abkunft des Bulgaren und tadelte, daß bei allen Heiraten, die die Kronprinzeß anstifte, man immer erst dann etwas erfahre, wenn alles bis zum Jawort fertig sei". 13 Lucius von Ballhausen (Tgb. v. 14. Jan. 1887), S. 365.

14 IS

[Bismarck an Wilhehn 1.], Berlin, 3. Mai Ebd., Hervorh. im Orig.

1884 (Bismarck: GW, Bd. 6c, S. 297).

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ratsintrigen nicht ein Riegel vorgeschoben werde. "Er könne dann die Verantwortung für die auswärtige Politik des Reiches nicht weiter übernehmen" 16. Interessanterweise und allen Demissionsankündigungen zum Trotz - die Aufgabe des preußischen Ministerpräsidentenamtes schwebte noch immer im Raume - bürdete sich Bismarck gerade zu dem Zeitpunkt, als die BattenbergKrisis endgültig sein Vertrauen in die politischen Fähigkeiten des Kronprinzenpaars vernichtete, mit dem Eintritt in die Kolonialpolitik neue und immense Verantwortlichkeiten in der Außen- und Handelspolitik auf. Wie im Falle Angra Pequefias war es bis zum Abgang des Telegramms vom 24. April 1884 nach Kapstadt keineswegs zu erkennen gewesen, daß sich die Berliner Überseepolitik auch bezüglich Westafrikas qualitativ wandeln und sich der Kanzler territorial engagieren sollte. Die im Vorjahr versprochene Stationierung von Kriegsschiffen und die Entsendung eines kaiserlichen Kommissars in die Bucht von Biafra hatte die Bremer Handelskammer im Januar 1884 freudig begrüßt17 . Die meisten in Frage kommenden Gebiete stünden schon unter englischer oder portugiesischer Oberhoheit, bedauerte Präsident Gildemeister, und "bieten die daselbst bestehenden Verhältnisse zu Klagen wegen etwa englischer Behandlung deutscher Handeltreibenden vor ihren englischen oder portugiesischen Konkurrenten keine Veranlassung" 18. Nur die Zustände entlang des Küstenstrichs zwischen Quitta und Little Popo bereiteten Sorgen, weil sich dort keine europäische Schutzmacht etabliert habe, so daß der Handel der Willkür der Häuptlinge ausgeliefert sei. Einem Reichskommissar müßte die Aufgabe zufallen, die Probleme vor Ort genauestens zu studieren und zu überprüfen l9. In seiner Eigenschaft als Mitglied der Bremer »Senatskommission für Reichsund auswärtige Angelegenheiten« übennittelte Gildemeister dieses zunächst für den Senat gedachte Schreiben dem preußischen Gesandten in den Hansestädten. Den Passus, daß man über englische Benachteiligungen keine Beschwerden zu führen habe, sparte er jedoch aus. In Hamburger Handelskreisen wußte man spätestens seit Mitte Januar, daß die Reichsleitung in Westafrika ein Berufskonsulat einzurichten, d. h. den konsularischen Schutz auszuweiten beabsichtigte. Allein die Personalfrage war noch ungeklärt 20. Auf eine Eingabe der Finna »Jantzen & Thonnählen« an die Hamburger Handelskammer vom 5. Februar 1884, worin die Kaufleute um den Abschluß von Handels- und Holstein: Papiere (Tgb. v. 5. Mai 1884), Bd. 2, S. 149. Vgl. oben Kap. G. 1., S. 403f. 18 Gildemeister an den Senat, Bremen, 5. Ian. 1884 (StA HB, Bstd. 3 - A.3.A.2., Nr. 45). 19 Ebd. Seitens der Wlabhängigen Häuptlinge würden Zölle und Abgaben wahllos emoben Wld emöht, Verkehrsstraßen plötzlich gesperrt Wld Verträge gebrochen. Diese Unregelmäßigkeiten Wld Unsichemeiten sowie die Notwendigkeit, sich von Fall zu Fall mit Geschenken die Handelsfreiheit erkaufen zu müssen, erschwerten die Geschäfte. (Ebd.) 20 Vgl. Gildemeister an Wentzel, Bremen, 7. Jan. 1884 (ebd.), u. Krüger an Petersen (Absehr.), Berlin, 14. Jan. 1884 (StA HH, Cl. 13, Bd. 4). 16

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Freundschaftsverträgen mit den Häuptlingen entlang des Küstenabschnitts von Gabun bis Kamerurn gebeten hatten, regte der Staatssekretär des Auswärtigen Amts am 9. März 1884 beim Kanzler die Eröffnung eines Berufskonsulats in jener Gegend an. Als Vertreter des Reichs schlug Hatzfeldt den deutschen Generalkonsul in Tunis, Gustav Nachtigal, vor21 . Nach knapp drei Wochen informierte der Staatssekretär den Kaiser über das Vorhaben. Ferner sei es wünschenswert, setzte er hinzu, "zur einstweiligen Vertretung der deutschen Interessen und zur Vervollständigung der vorhandenen Informationen einen mit den Afrikanischen Verhältnissen vertrauten Beamten dorthin zu entsenden"22. Spanien habe Deutschland überdies das Benutzungsrecht des Marinestützpunktes auf Fernando Po eingeräumt. Den erfahrenen Afrika-Reisenden benachrichtigte der Staatssekretär (29. März 1884), er solle während seiner Erkundungsfahrt Fakten sammeln, die es ermöglichten, in Westafrika ein Konsulat zu gründen. Die endgültigen Instruktionen würden ihm nach Lissabon geschickt. Chronologisch parallel zu den Vorgängen in Angra Pequefia erkannte der Kanzler also Ende März 1884 zunächst keinen zwingenden Grund, sich auf das ihm unbekannte Gebiet einer aktiven, territorial definierten Überseepolitik zu wagen 23 . Die Reiseordre für Nachtigal, der mittlerweile in der portugiesischen Hauptstadt angekommen war, wurde im Auswärtigen Amt am 16. April ganz in den Grenzen der traditionellen Bismarckschen Handelsförderung des »Laissez21 Vgl. Fa. »Jantzen & Thormählen« an die Handelskammer zu Hamburg (Abschr.), Hamburg, 5. Feb. 1884 (Wb. Togogebiet und Biafra-Bai, S. 128f). In der Sitzung der Hamburger Handelskammer vom 21. Januar 1884 hane der Kaufmann Brohrn das deutsche Eingreifen in Grand und linie Popo gefordert, da aufgrund seiner letzten Nachrichten die Engländer einen der donigen kleinen Könige unter ihr Protektorat genommen hätten. Nach einer jüngsten telegraphischen Mitteilung hätten sie den Küstenstrich ganz okkupiert. "Die Ausdehnung der englischen Herrschaft dort schädige den deutschen Handel, und [es) sei WÜDschenswenh, daß dem Einhalt geboten werde". Jantzen erklärte, ihm erschienen die flußmündungen zwischen dem Niger und Kamerun·Fluß ökonomisch wichtig zu sein. "Dort sei der Abschluß von Verträgen sehr erwünscht". (protokoll der Handelskammer v. 21. Jan. 1884, Commerzbibl. HH.) - Man beachte auch Hatzfeldt an Bismarck, Berlin, 9. März 1884 (BA Abt. P, RKA 4192), u. Wehler: Imperialismus, S. 309f. Z2 Hatzfeldt an Wilhelm I., Berlin, 26. März 1884 (BA Abt. P, RKA 4192). 23 Vgl. Hatzfeldt an Nachtigal (Konz.), Berlin, 29. März 1884: Nachtigal sei auf privatem Wege davon unterrichtet, daß die Regierung beabsichtige, die für den deutschen Handel wichtigen Punkte entlang der westafrikanischen Küste durch einen konsularischen Beamten bereisen zu lassen, dem die Aufgabe zufalle, "über die Ausdehnung unserer commerziellen Interessen in jenen Gegenden eingehend zu berichten und das Material zu Vorschlägen zu sammeln, aufgrund deren demnächst eine ständige konsularische Vertretung des Reichs in West-Mrika eingerichtet werden könnte". (BA Abt. P, RKA 4192.) Man beachte auch Krüger an Petersen (Abschr.), Berlin, I. April 1884: Nachtigal werde Instruktionen emalten, "um die Nationen der Westafrikanischen Küste zu besuchen und auf Grund seiner persönlichen Anschauungen und gesammelten Erfahrungen dem Auswänigen Amte Vorschläge über die Organisation des Gonsulatswesens und die sonst für den Schutz des deutschen Handels in diesem ausgedehnten Küstengebiet zu treffenden Maßnahmen entgegenzubringen". (StA HH, Cl. I 3, Bd. 4.) Völlig unverständlich dagegen Jaeck, S. 62, über "den zu diesem Zeitpunkt endgültig gefaßlen Beschluß [Bismarcks), zu Annexionen zu schreiten".

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faire«, so wie sie zuletzt noch für die Südsee gegolten hatte, ausgefertigt Am gleichen Tag - kurz vor dem entscheidenden Höhepunkt der Staatsratskrise benachrichtigte die Wilhelmstraße das Landoner Kabinett über die harmlose Erkundungsreise Nachtigals nach Westafrika. Gleichlautende Depeschen wurden nach Paris, Lissabon und Madrid gesandt. Speziell die Regierung in Landon ersuchte man am 19. April 1884 um Hilfe seitens ihrer lokalen Kolonialbehörden, damit sie die Mission des Deutschen an der Küste unterstützten. Bereitwillig erfüllten die Engländer diesen Wunsch. Die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« veröffentlichte am 21. April eine entsprechende Meldung. Vom Schutz für deutsche Firmen in der Form von Charterbriefen und dem Hissen der deutschen Flagge auf afrikanischem Boden war in der Segelordre Nachtigals noch nicht die Rede. Die Reise sollte lediglich zu Informationszwecken dienen 24 . Nachdem das Wiederaufflackem des Battenbergischen Heiratsprojekts und die kurze, wenngleich nervenaufreibende Krise wegen der Reaktivierung des Staatsrates dem Reichskanzler unmißverständlich klar gemacht hatten, daß seine verfassungsrechtIichen Offensivmaßnahmen und das parteitaktische Annäherungsmanöver in Richtung auf die Nationalliberalen zur Bekämpfung des künftigen liberalen Regiments nicht genügten, drahtete er das Angra PequefiaTelegramm nach Kapstadt und ging auf einen antibritischen Kurs 25 . Mit dieser Kehrtwendung waren auch die Würfel zugunsten des erweiterten Schutzes der westafrikanischen Handelsniederlassungen gefallen. Neben der Entsendung Nachtigals in den Golf von Guinea, berichtete der hanseatische Gesandte Daniel Krüger am 1. Mai 1884 nach Hamburg, sei "namentlich auch die Sicherstellung der von deutschen Angehörigen an jener Küste erworbenen Besitzun-

24 Vgl. Hatzfeldt an Nachtigal (Konz.), Berlin, 16. April 1884, u. Hatzfeldt an die Missionen in London, Paris, Lissabon und Madrid (Konz.), Berlin, 16. April 1884 (BA Abt. P, RKA 4193). Man beachte auch Vitzthum von Eckstädt an Granville, German Embassy [London), 19. April 1884, u. lister an Colonial Office, Foreign Office [London), 23. April 1884 (»StaaJsarchiw( 44, 1885, S. 291). Siehe ferner »NAZ« v. 21. April 1884 (BA Abt. P, RKA 4193), u. Jaeck, S. 62. Vgl. Stuebel an Bismarck (Ausz.), Apia, 18. Dez. 1883, u. Busch an Stuebel (Ausz.), Berlin, 29. Dez. 1883 (Wb. Südsee, Teil 1, S. 199 bzw. 223), u. Schultlleß (17. April 1884), S. 5Of. - Falsch ist die Darstellung bei Wehler: Imperialismus, S. 310, die den Trugschluß impliziert, als seien hinsichtlich Westafrikas Mitte April 1884 bereits Entscheidungen getroffen worden, die jenseits der Grenze des traditionellen konsularischen Schutzes lagen: "Die englische Regierung wurde am 19. April "ur über eine »Informationsreise« Nachtigals unterrichtet und um Unterstützung durch ihre westafrikanischen Behörden gebeten, die tatsächlich dieser Bitte gemäß angewiesen wurden" (eig. HeTVOIh.). Heinrich von Kusserow erinnerte sich nachträglich: "Zugleich wurde die dauernde Stationi[e)rung von Kriegsschiffen an der westafrikanischen Küste in das Auge gefaSt und durch Verhandlungen mit Spanien die Erlaubnis zur Anlegung einer Kohlenstation auf Fernando Po unter spanischer landeshoheit erwirkt. Die Begründung eigener Reichskolonien stand zunächst noch nicht in diesem Programm". (Kusserow, S. 297.) 2S Vgl. oben Kap. G. TI., S. 417f, u. oben Kap. G. N., S. 434f.

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gen hier ernstlich in's Auge gefaßt [...]. Der Reichskanzler interessiert sich lebhaft für diese Frage"26. Doch es scheint, daß Bismarck, bloß um des innenpolitisch so dringend benötigten englandfeindlichen Effektes willen, sich überhastet in das kolonialpolitische Abenteuer stürzte, das dem Reich binnen weniger Jahre alle Lasten einer staatlichen Territorialherrschaft in Übersee bescheren sollte. Schon während der vom Kolonialreferenten Kusserow organisierten Zusammenkunft zwischen den Kaufleuten Lüderitz, Woermann, Dyes und Colin sowie dem Reichskanzler am 28. April 1884 kristaliierten sich die divergierenden handelspolitischen Konzeptionen zwischen den Beteiligten heraus. Die komplizierten Verhältnisse vor Ort mißachtend und um die neue Handelspolitik für die Berliner Zentrale möglichst zu vereinfachen und überschaubar zu gestalten, schwebte Bismarck vor, alle Kaufleute mit einem einzigen übergreifenden Charterbrief auszustatten. Diese Idee verwarfen die Interessenten sofort. Sowohl Lüderitz als auch Woermann beharrten darauf, daß für die noch zu erwerbenden Landstriche individuell das "sofortige Flaggehissen unerläßlich sei"27. Der Bremer ergänzte, falls sich die Vertragsverhandlungen mit den Häuptlingen außerplanmäßig in die Länge zögen, sei es notwendig, die deutsche Flagge an der jeweiligen Küste ohne Umschweife aufzuziehen, um englische Annexionsgelüste auszustechen. Doch dem Kanzler widerstrebte es noch immer, sich an eine langfristig staatlich organisierte Überseepolitik zu binden, und er versuchte, sich an freihändlerische Positionen zu klammem. Paradoxerweise sollte Bismarcks kolonialpolitisches Programm den Reichsschutz unter dem Schirm der kaiserlichen Souveränität garantieren, den Staat aber zugleich aller Regierungspflichten und finanziellen Leistungen entheben. Dieses Vorhaben glich einer waghalsigen Gratwanderung. Nur zu leicht konnte der Kanzler, ähnlich wie er es leidenschaftlich in bezug auf die von ihm befürchtete Herrschaft des liberalen Kaiser Friedrichs III. beschrieb, bei diesem Experiment auf einen abschüssigen Weg geraten 28 und hilflos in das verpönte staatliche Engagement abrutschen. Der Gefahr, die auf ihn lauerte und ihn wenige Monate später zu packen begann, war er sich von Anfang an bewußt Verschiedentlich betonte er im Mai 1884, keine Kolonialpolitik nach französischem Stil treiben zu wollen 29 . In einer Konferenz von Ende April forderte er Woermann und Lü:u; Krüger an Petersen (Absehr.), Berlin, 1. Mai 1884 (StA HH, Senat, Cl. VI. Nr. 15 Vol. 6, Fasz.4). 27 Promemoria Kusserows betr. Angra Pequeiia, Berlin, 8. Aug. 1884 (BA Abt. P, RKA 1998). Vgl. Wehler: Imperialismus, S. 31Of, u. Kohl: Regesten, S. 314. 28 Vgl. oben Kap. B., S. 76-79, u. oben Kap. C. 1., S. 106. 29 Vgl. Tgb. Pindters v. 3. Mai 1884: "Colonialpolitik will Bismarck angeblich auch jetzt nicht treiben - nach einer Andeutung Woermann's wäre das Gegentheil der Fall - aber er sieht gerne, wenn Deutsche im Auslande Wurzel schlagen". (PA BN, NI. Pindter.) In Gegenwart Gemard Rohlfs' bekräftigte der Kanzler. "Wir werden nie eine Flotte haben wie Frankreich. Und unsere

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deritz deshalb auf, ihre Gegenvorschläge zu fonnulieren, damit man sie im Auswärtigen Amt in die Segelordre Nachtigals einarbeite30. Am 30. April und 1. Mai 1884 legten die Kaufleute ihre Änderungswünsche vor. Der Reichskanzler billigte den Antrag des Hamburgers, einen Regierungsbeamten an Bord der »Möwe« an die westafrikanische Küste zu entsenden, wo er Abschnitte zwischen Bimbia und Kap St. John, also von der Niger-Mündung bis nach Gabun, annektieren sollte. Bedingung sei, daß die Häuptlinge mit den Finnen »Carl Woennann« und »Jantzen & Thonnählen« handelseinig geworden seien, ihre Territorien den Kaufleuten per Vertrag zu überlassen und ihre Souveränitätsrechte dem deutschen Kaiser zu überschreiben. Der kaiserliche Kommissar bzw. der Kommandant des Kriegsschiffes seien bevollmächtigt, das Land im Namen des Kaisers für Deutschland zu erwerben. Durch das Heißen der Flagge und einer öffentlich zu verlesenden Proklamation werde angezeigt, daß sich die Gebiete nunmehr in deutschem Besitz befänden. Alte Rechte europäischer Residenten seien unantastbar, die Handelsverträge fremder Nationen zu respektieren und allgemeine Handelsfreiheit zu gewähren. Auch war Bismarck mit der dauerhaften Stationierung eines Kriegsschiffes und der Einsetzung eines Zivilbeamten für die Verwaltung der Handelsniederlassungen einverstanden 31 . Lüderitz ging gleichfalls von der vom Kanzler bejahten Voraussetzung aus, daß sein Besitz in Angra Pequeiia "keine Reichskolonie unter Kaiserlich Deutscher Verwaltung werden soll, sondern daß ich [... ] die nöthigen Verwaltungsbeamten selbst anstellen und besolden werde"32. Auch in diesem Falle billigte der Kanzler die Entsendung eines kaiserlichen Kommissars, der Abkommen mit den Häuptlingen vereinbaren solle, um das Gebiet als Eigentum des Kaufmanns auszuweisen und den Kaiser als oberste Gerichtsinstanz anzuerkennen. Eine Charter sei auf ihn zu übertragen, hoffte Lüderitz, ein Berufskonsul für Angra Pequeiia zu ernennen, und möglichst oft sollten Kriegsschiffe in den Häfen ankern. Schließlich müßte ein Schiff wegen des "jetzt herrschenden Annectionsfieber[s] der Engländer und Franzosen"33 von der portugiesischen Grenze bis zum Oranje "an allen zugänglichen Punkten der Küste die deutsche Flagge heißen und somit provisorisch Besitz davon ergrei-

Handwerker, Referendare, ausgediente Soldaten usw. taugen auch nicht, wn zu kolonisieren". (Rohlfs an seine Frau, Berlin, 11. Mai 1884, Guenther, S. 327.) Man beachte auch Wehler: Imperialismus, S. 312. 30 Vgl. Jaeck, S. 62; Turner, S. 7lf, u. Schüssler: Lüderitz. S. 112-114. 31 Vgl. Woennann an Bismarck. Berlin. 30. April 1884 (Wb. Togogebiet und Biafra-Bai. S. 130f). - Unter deutschem Eigentwn verstand Bismarck noch immer nicht Reichsterritorium. wohl aber ein Gebiet. das sich unter dem Protektorat des Kaisers befand (vgl. Wehler: Imperialismus, S. 311f). Man beachte auch Jaeck, S. 62f. 32 Lüderitz an AA. [0. 0 ..1 1. Mai 1884 (Lütkritz, S. 70). Vgl. Schiissler: Lüderitz, S. 114-116. 33 Lüderitz an AA. [0. 0 .•1 1. Mai 1884 (Lütkritz. S. 72).

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fen"34. Die Prüfung dieses Anliegens durch die Admiralität sagte der Reichskanzler zu. Exakt zur selben Zeit (April und Mai 1884), als er die Signale für den Kolonialerwerb stellte, fürchtete Bismarck, daß die englische Königsfamilie, ihre neue Battenbergische Verwandtschaft und die anglophile Kronprinzessin das Deutsche Reich für egoistische dynastische Interessen mißbrauchten. In dieser Situation drehte der Kanzler den Spieß um. Noch vor dem Wirksamwerden der gefährlichen englischen Einflüsse unter den drohenden Auspizien des Thronwechseis bot er, der beim plötzlichen Herrschaftsantritt Friedrich Wilhelms möglicherweise als Verlierer dieses Kräftemessens das Feld verließ, alle Mittel auf, um dem Kabinett Gladstone den Wert der deutschen Freundschaft zu demonstrieren. Die antirussischen, die Beziehungen zwischen St. Petersburg und Berlin gefährdenden Bestrebungen Queen Victorias und ihrer ältesten Tochter suchte der Reichskanzler nicht nur zu neutralisieren, sondern er war fest entschlossen, England vor den Augen der europäischen Öffentlichkeit in das Fahrwasser der deutschen Außenpolitik zu zwingen. Als Antwort auf Münsters Nachricht aus London vom 29. April 1884, daß Granville hocherfreut reagiert habe, weil Deutschland als erste Nation die englische Initiative zur Einberufung einer Ägypten-Konferenz gutgeheißen habe 35, schickte der Kanzler den berüchtigten Erlaß vom 5. Mai 1884 über den Ärmelkanal. Er sollte nicht nur im Januar 1885 weithin Verwirrung stiften, sondern ein knappes Vierteljahrhundert später im Foreign Office als »bogey document«36 Berühmtheit erlangen. Enthielten die vorherigen Schreiben aus der Wilhelmstraße an die Botschaft in London bereits sehr starke Unmutsbekundungen über Englands beharrliche Mißachtung deutscher Handelsinteressen in der Südsee und im Kongo-Becken, so konfrontierte Bismarck die Downing Street nun zum ersten Male unmißverständlich mir der Drohung, den "Wagen umzuwerfen"'37. Zu Paul von Hatzfeldt hatte er am 3. Mai 1884 verärgert beEbd. Vgl. Weh/er: Imperialismus, s. 275f. Vgl. Miinster an Bismarck, London, 29. April 1884 (GP, Bd. 4, S. 50). J6 Marginalie Crowes an den "Observations [Sandersons] on Printed Mem[orandu]m on Relations with France and Germany, January 1907. Foreign Office, February 21, 1907" (Bril. Doc. Orig., S. 422). "From 1884 onward, when Bismarck first lalDlched bis COlDltry into colonial and maritime enterprise, nurnerous quarrels arose between the two COlDltries. They all have in common this feature - that they were opened by acts of direct and unmistakable hostility to England on the part of the German Govemment, and that this hostility was displayed with a disregard of the elementary rules of straightforward and honourable dealing". (Ebd., S. 408.) Vgl. unten Kap. M., S.648f. 37 Rothfels: Biindnispolitik, S. 78. Vgl. Taylor, S. 34. - Angeblich um den mehr als marginalen deutschen Handel im Kongo-Becken vor Benachteiligungen zu bewahren, konfrontierte Bismarck das Kabinett Gladstone gleichzeitig mit dem Vorschlag einer "Verständigung mit den anderen interessi[e]rten Mächten über eine neue Vertragsbasis" des englisch-portugiesischen Abkommens ]4

3S

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merkt: '''Die Engländer möchten uns überall gebrauchen. Wir wollen uns auch gern von ihnen gebrauchen lassen, aber nicht umsonst"'38. "Bismarck ist auf England schlecht zu sprechen"39, bilanzierte Gerson von Bleichröder den Inhalt einer Unterredung mit dem Kanzler. Deutschland sei bereit, England auch in Zukunft politisch beizustehen, eröffnete Bismarck dem Botschafter in dem Schreiben vom 5. Mai, wenn die "Beschwerden über Vergewaltigung deutscher Reichsangehöriger in der Südsee und in größerer Schonung unserer Handelsinteressen in Afrika"4Q berücksichtigt würden. Der Begriff »Vergewaltigung« war zweifellos maßlos übertrieben, und der Kanzler erwähnte nicht, daß er sich mit den Hamburger und Bremer Kaufleuten längst über die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen für die deutschen Faktoreien in Westafrika und Angra Pequefia verständigt hatte, was - bei ausdrücklicher Schonung französischer Gebietsansprüche - einem gezielten Einbruch in englische Interessenssphären gleichkam. Er entwickelte Münster seine Vorstellung von der Schaffung einer allen Nationen ungehindert zugänglichen Freihandelszone im Kongo-Becken. "Nur unter vertragsmäßiger Zusicherung dieser Konzession würden wir neue, nicht schon von uns anerkannte Besitzergreifungen anderer Mächte anerkennen"41, schränkte er ein. Den Preis des deutschen Wohlwollens gegenüber England trieb Bismarck weiter in die Höhe. Anläßlich älterer Pläne, Schleswig-Holstein von Westen nach Osten mit einem Kanal zu durchstechen, hatte der Chef der Admiralität Anfang Mai 1884 im preußischen Staatsministerium angeregt, die seit 1814 britische Insel Helgoland zu erwerben, um die Mündung des künstlichen Wasserwegs in die Nordsee strategisch abzuschirmen 42. Ohne in der Lage zu sein, den Engländern vom 26. Februar 1884 (vgl. Hatzfeldt an Münster, Ausz., Berlin, 5. Mai 1884, Wb. Kongo-Frage, S. 1656). Schon unter dem Datum vom 1. Mai 1884 hane Münster aus London nach Berlin berichtet: "Lord Granville glaubt, daß es gelingen wird, von der portugiesischen Regierung die Einsetzung einer internationalen Kommission anstan der projekti[elrten englisch-portugiesischen zu erlangen". (Ebd.) Noch bevor die Antwort aus Whitehall vorlag, eröffnete der Kanzler den beschwerdeführenden Handelskammern, er hoffe, man werde "zu einer auch den deutschen Handelsinteressen RechnWlg tragenden internationalen RegelWlg der Verlc:ehrsverhältnisse im Kongogebiete" finden (Schu1t~ß, 12. Mai 1884, S. 57, Hervorh. im Orig.). Am 26. Mai stimmte England zu (vgl. Granville an Ampthill, London, 26. Mai 1884, Wb. Kongo-Frage, S. 1656). Man beachte auch Wehler: Imperialismus, S. 380. 38 Rotstein: Papiere (fgb. v. 4. Mai 1884), Bd. 2, S. 146. - Interpretiert bzw. allein referiert ist der Erlaß vom 5. Mai 1884 beispielsweise bei Oncken: Reich, S. 259f; Crewe, S. 51-55; Turner, S. 74; Taylor, S. 33-36; Eyclc: Reich, S. 262-264; Aydelotte, S. 62f u. 70-72; Schüssler: Lüderitz, S. 101, u.l.anger, S. 293-295. Eine Erwähnung bzw. Diskussion fehlt bei Wehler: Imperialismus. 39 Tgb. Pindters v. 3. Mai 1884 (PA BN, NI. Pindter). 40 Bismarck an Münster, Berlin, 5. Mai 1884 (GP, Bd. 4, S. 50). 41 Ebd., S. 51. 42 Vgl. Oncken: Reich, S. 259; Rotstein: Papiere (fgb. v. 4. Mai 1884), Bd. 2, S. 146, u. Lucius von BaUhause1l (fgb. v. 16. Mai 1884), S. 293f. Man beachte auch Bismarck an Caprivi, Friedrichsruh, 16. Nov. 1883, über den militärischen Nutzen des Nord-Ostsee-Kanals mit dem Vorhe-

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ein handfestes materielles Äquivalent zu offerieren, wie dies bei den deutschbritischen Verhandlungen über den Helgoland-Sansibar-Vertrag der Fall sein sollte, als Reichskanzler Capri vi im Jahre 1890 auf den deutschen Protektoratsanspruch über das ostafrikanische Sultanat verzichtete und tatsächlich existierende deutsche Besitzungen auf Witu, im Gebiet des Nyassa- und Tanganjika-Sees und in Uganda opferte, verlangte Bismarck von den Briten die Abtretung Helgolands. Die Felseninsel stilisierte er im Mai 1884 zum "Prüfstein"43 der beiderseitigen Beziehungen und zum "dokumentarische[n] Beweis für den Ernst der englischen Verständigungsabsicht"44. In Friedenszeiten besitze das Eiland für England keinen Nutzen, behauptete er, während es in einem Krieg den Militärs Schwierigkeiten bereite. "Ein vertragsmäßiges Abkommen, durch welches die Insel an Deutschland überlassen würde"45, so versuchte er den Engländern den Marinestützpunkt zu entlocken, "würde aber auf die öffentliche Meinung Deutschlands, welche gegenwärtig, und zwar seit dem französischen Kriege, für England nicht mehr so günstig ist wie früher, einen sehr förderlichen Eindruck machen und uns die freundschaftliche Begünstigung der englischen Politik [... ] sehr erleichtern"46. Der tiefere Sinn des Satzes offenbart sich, wenn man bedenkt, daß sich Bismarck just in diesem Moment mit allen Kräften der battenbergisch-englischen Heiratsintrige zu erwehren hatte. Sie stülpte eventuell eines nicht allzu femen Tages sein Bündnissystem komplett um. Es erscheint einleuchtend zu sein, daß sich der Kanzler angesichts der potentiell gefährdeten Drei-Kaiser-Allianz behalt, daß man davon nur solange profitieren werde, wie "beide Ufer in den Händen unserer Annee sind, und daß derselbe von dem Augenblicke an aufhört, wo irgendein Teil des Kanals vom Feinde okkupiert ist" (Bismarck: GW, Bd. 6c, S. 284). Man beachte auch Hammann, S. 28, u. Langer, S.293. 43 Rathfels: Bündnispolitik, S. 79 . .. Ebd. Ähnlich Schüssler: Lüderitz, S. 101, u. Santag, S. 194f. Vgl. Turner, S. 74: "It is also possible that he [i. e. Bismarckl regarded Heligoland as a test of Britain's attitude towards Gennany, the sort of test he could not risk with regard to Africa without endangering Nachtigal's mission". Man beachte auch Taylar, S. 34: "If Bismarck emphasised Heligoland to the exclusion of all else, he must have had good reason to do so, and the reason is obvious. Had Bismarck at this time stated precisely to the British governrnent that he desired colonies and specified the areas he wanted, he would have received his colonies and his grievance would have been at an end. But this was the last thing Bismarck wanted". - Daß die Forderung, das Felseneiland abzutreten, überzogen war, gestand Bismarck drei Wochen später ein: "Die Helgoländer Wünsche sind ohne Rechtsboden, u[ndl würden uns [eI re berechtigten Forderungen in überseeischen Verhältnissen auf das gleiche Niveau herabdrücken, wenn das Ganze zur öffentlichen Contestation käme" (Marginalie Bismarcks arn Bericht Hatzfeldts an ihn, Berlin, 24. Mai 1884, GP, Bd. 4, S. 58, dort Anrn. 1, Hervorh. im Orig.). Man beachte auch Steltzer: Kolonialreich, S. 92·99, zum im Juli 1890 vereinbarten Helgoland-SansibarVertrag. Siehe ferner "Agreement between Gennany and Great Britain respecting Zanzibar, Heligoland and the Spheres of Influence of the two Countries in Africa, signed at Berlin, 1 July 1890" (crs, Bd. 173, S. 271-284, bes. Art. II, S. 275, u. Art. XI u. XII, S. 282-284). 45 Bismarck an Münster, Berlin, 5. Mai 1884 (GP, Bd. 4, S. 50). 46 Ebd.

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mühte, die Oberhand über das radikal-liberale Kabinett Gladstone und die englischen Einflüsse in Deutschland zu gewinnen, die er innenpolitisch - chronologisch parallel - auf verfassungsrechtlicher Ebene bekämpfte. "Unsere Freundschaft kann der englischen Politik von hohem Nutzen sein"47, lautete der Kernsatz in der Botschaft des Fürsten an Münster. Darin war die unausgesprochene Warnung verborgen, daß deutsche Feindseligkeit entsprechende negative Konsequenzen für England zeitigte. Das glaubte der Kanzler zu dokumentieren, indem er die Beziehungen des Inselreichs zu Frankreich und Rußland als zu einem gewichtigen Teil von der Jovialität Deutschlands gegenüber dessen westlichen und östlichen Flügelrnächten abhängig definierte. Heuchlerisch, wenn man sich die englandfeindlichen, eigentlich antiliberal zu bezeichnenden Äußerungen und Aktionen Bismarcks seit der Ermunterung an Rußland, sich in Afghanistan gegen das Empire zu engagieren, in Erinnerung ruft 48, reduzierte er das künftige deutsch-englische Verhältnis auf eine rein bündnispolitische Angelegenheit. Ökonomische - und in deren Folge in das Handeln des Kanzlers nachträglich hineininterpretierte »sozialimperialistische« - Motive spielten in diesem Kalkül keine Rolle: "Wir glauben also, daß unser Verbalten - ich will nicht sagen 7ll England selbst, da wir einen Streit mit demselben niemals beabsichtigen - [... ) zu Gegnern oder Rivalen Englands für die englische Politik von höherer Wichtigkeit ist als der Besitz von Helgoland und als alle Handelsrivalitäten deutscher und englischer Firmen in entleg[eJnen Meeren. England kann durch geringe, ihm selbst fast wertlose Opfer sich der Fortdauer unserer wirksamen Unterstützung in seinen politischen Interessen sichern,49.

Deutlicher vermochte Bismarck die Instrumentalisierung der Kolonialpolitik zu wesensfremden Zwecken kaum zu formulieren. Er verstieg sich sogar, sein offenkundiges Streben, England vom deutschen »good will« abhängig zu machen, was sich für das deutsche Publikum in der Abtretung Helgolands augenfällig manifestieren sollte, als "Anerbieten"50 auszugeben. "Die Unterstützung, die wir England leisten können und eventuell leisten werden, ist in der Tat mehr wert, als Helgoland samt Fidji und Little Popo"51. Bismarck ging es also weder um die kleine Nordseeinsei »per se«, noch focht er für die deutschen InEbd., S. 51, Hervorb. im Orig. VgL oben Kap. D. III., S. 228-243. 49 Bisrnarck an Münster, Berlin, 5. Mai 1884 (GP, Bd. 4, S. 52, eig. Hervorb.). "Wir werden, wie seit 22 Jahren, so auch ferner gewiß die Politik beobachten, die FreWlde unserer Freunde zu sein. Wir würden, wenn wir das nicht wären, immer noch nicht die Feinde Englands sein, aber es würde nicht schwer für uns sein, den gebor[e]nen und wegen Unverträglichkeit praktischen Interessen, permanenten Gegnern Englands Dienste zu erweisen, durch welche wir dann unsere guten Beziehungen zu ihnen zweifellos fördern würden". (Ebd., Hervorb. im Orig.) so Ebd., Hervorb. im Orig. Ungeprüft folgt Windelband: Großmächte, S. 562-564, dieser MotivierWlg Bisrnarcks und erblickt darin ein ernsthaftes VerständigWlgsangeboL SI Münster an Bisrnarck, London, 8. Mai 1884 (GP, Bd. 4, S. 52). 47 48

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teressen in Übersee. Rechtzeitig vor dem Thronwechsel versuchte er, das vom Kronprinzenpaar umschwärmte England außenpolitisch unter seine Fittiche zu nehmen, also ihm seine Konditionen eines friedlichen Auskommens zu diktieren, bevor sich Kaiser Friedrich III. freiwillig in die Obhut seiner englischen Vettern begab. Wegen des hohen Preises deutscher Sympathie kalkulierte der Reichskanzler eine Verärgerung des englischen Kabinetts ein. Er überließ es Münster, die Verhandlungen in eigener Regie zu führen oder sie seinem Sohn Herbert zu überantworten. "Da er in London nicht bleibt, so ist es, wenn die Sache eine Verstimmung nach sich zieht, besser, daß diese an meinem Sohne als an Ew[er] [Exzellenz], dem dauernden Vertreter des Kaisers, haften bleibt"52. Mit diesen Worten verriet Bismarck, daß er von vorneherein mit einem Scheitern der Sondierung rechnete. Hege Münster keine schwerwiegenden Bedenken, solle er - nach vorheriger Rücksprache mit Berlin - gemäß der übennittelten Direktive die Initiative ergreifen. Der Botschafter antwortete zwei Tage später, er erachte den Moment für das »Angebot« als günstig und werde, ohne die Ankunft Herberts abzuwarten, mit Außenminister Granville sprechen, falls dies in der Wilhelmstraße gewünscht werde. Die Kernpassage des Erlasses, daß die Engländer die »Gunst« der Stunde der Übereignung Helgolands an Deutschland nutzen, um sich das allgemeine politische Wohlwollen des Reichs zu erkaufen, und gleichzeitig die deutschen Kolonialwünsche befriedigen sollten, mißachtete Münster. Der Botschafter, der - wie sein kronprinzlicher Gönner - äußerst anglophil gesonnen war53 , lobte lediglich, daß der leitende Staatsmann "in allen Weltteilen unserem Handel und unseren Landsleuten"54 einen "wirksamen Schutz"55 gewähre. Die weitaus wichtigere Inbesitznahme Helgolands werde das Bild der öffentlichen Meinung über die Notwendigkeit des Kolonialerwerbs korrigieren und sie zu einsichtigeren Auffassungen bewegen als sie gegenwärtig in Deutschland bestünden. Damit zielte Münster auf die nach seiner Ansicht "sehr wohlgemeinten, aber [...] ganz unpraktischen und unreifen Kolonisationsbestrebungen, welche zur Bildung von Vereinen geführt haben"56. Ausschweifend berauschte Ebd., S. 52. Vgl. Aydelotte, S. 81f, u. oben Kap. B., S. 92. 54 Münster an Bismarck, London, 8. Mai 1884 (GP, Bd. 4, S. 53). 55 Ebd. 56 Ebd. Vgl. Rothfels: Bündnispolitik, S. 79f: Münster "sprach umgehend seine GenugtuWlg über Bismarcks Vorgehen aus, und zwar in einem gewissen belehrenden Tone, der von dem Schema amtlicher BerichterstattWlg einigermaßen abweicht". - Akzentuiert und nüchtern die deutsche KolonialbewegWlg analysierend schrieb Münster an Bennigsen: "Ich wollte, Sie kämen einmal her Wld könnten hier einige Zeit bleiben und mit den hiesigen Staatsmännern Wld namentlich den Deutschen in der City, die den Handel im großen und die Welt kennen, verkehren. Es würden die Kolonialillusionen, in denen Sie auch befangen sind, und manche Vorurteile, die sie haben, schwinden. Sie wissen, daß ich die Kolonisationsidee für WlS ganz unpraktisch, nicht auszuführen 52 5]

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er sich an seiner "Lieblingsidee"57, nämlich der Erwerbung der kargen Felseninsel in der Nordsee. In Berlin willigte Bismarck am 11. Mai 1884 in die Sondierung ein. Da sich der Botschafter allzu überschwenglich für Helgoland begeistert und die Instruktion vom 5. Mai höchst unvollständig rekapituliert hatte, schärfte er ihm den Auftrag aufs neue ein. Münsters überschäumenden Enthusiasmus dämpfte der Kanzler aber ebensowenig, wie er ihn wegen des gönnerhaft wirkenden Urteils über die deutsche Kolonialbewegung maßregelte. Auch weihte er ihn noch immer nicht in die jüngst getroffenen kolonial politischen Entscheidungen über West- und Südwestafrika ein. Auch wenn diese Informationen nur zur persönlichen Kenntnis Münsters und nicht zur Weitergabe an Granville bestimmt gewesen wären, hätten sie es dem Botschafter sicherlich erleichtert zu verstehen, wie wichtig dem Kanzler plötzlich die Überseepolitik war. Über die Beschlüsse der Wilhelmstraße im Dunkeln belassen, mußte Münster folglich glauben, daß sich die deutsche Handelspolitik nach wie vor auf die Gewährung des üblichen konsularischen Schutzes beschränkte58. In bezug auf die Abtretung Helgolands handele es sich keineswegs um eine Forderung, sondern um eine freundliche Offerte Deutschlands, erläuterte der Fürst dem Botschafter nochmals dessen Auftrag. Ihn interessierten weder Helgoland noch der Nutzen, der England aus dem - mit deutschen Mitteln zu finanzierenden - Bau eines geschützten Hafens dort erwüchse. Vielmehr drehe es sich um das

und nicht wünschenswert erachte. Die Grundidee, von der man dabei ausgeht, daß nämlich der deutsche Auswanderer in einer deutschen Kolonie dem Vaterlande mehr zugute kommt, als der jetzt im Auslande oder in Kolonien lebende, ist an und für sich in der Praxis nicht so. Es hat sich immer gezeigt, daß, solange es den Kolonien schlecht geht, solange sie Schutz gebrauchen, so lange hängen sie mit dem Mutterlande zusammen, nachher trennen sie sich. Haben die Kolonien Holland, Spanien, Portugal vorn Rückgang und halben Untergang gerettet? [...1Für richtig halte ich die Idee, Dampferlinien zu subventionieren und somit den Deutschen eine regelmäßige Verbindung mit der Heimat zu sichern und, wie ich Thnen schon immer sagte, erst vor der eig[elnen Tür kehren, Ostsee und Nordsee verbinden, sich unabhängig von Dänemark und der Skandinavischen Republik machen, und Helgoland erwerben". (Münster an Bennigsen, London, 15. Mai 1884, Oncken: Bennigsen, S. 519f.) Man beachte auch Nostiz, S. 133f. 57 Bismarck an Münster, Berlin, 11. Mai 1884 (GP, Bd. 4, S. 53). 58 Das Moment der gezielten Desinformation Münsters und des Foreign Office, das die deutsch-englischen Spannungen wesentlich erhöhte, wird in der Forschung ausdrücklich gewürdigt (vgl. Crewe, S. 52f; Eyck: Reich, S. 261-263; Aydelotte, S. 67f; Langer, S. 299, u. Twner, S. 74). Man beachte auch Medlicott: Germany, S. 153: Bismarck was "sending Münster long OOt rather cryptic messages at intervals from Friedrichsruh" . Der österreichisch-ungarische Botschafter berichtete am 10. Mai 1884, Nachtigal reise nach Westafrika, um zu erkunden, "in welcher Weise der deutsche Handel in jenen Gegenden zu heben und:ru unterstützen wäre, Vorschläge, welche an Ort und Stelle erhoben sind. Bisher hat sich nämlich derselbe weniger im eigentlichen Starnrngebiet des Congo als nördlich und südlich von demselben bewegt". (Sz6chenyi an K8lnoky, Berlin, 10. Mai 1884,HHStA W,PAill,Nr.l77lla.)

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"weit wichtigere Anerbieten unseres Beistandes in den politischen Geschäften Englands, den wir unter der Bedingung leisten würden, daß wir in der Südsee und in Afrika einschließlich des englisch-portugiesischen Vertrages klaglos gestellt werden, und daß England uns durch die Abtretung von Helgoland in dem Bestreben unterstützt, die öffentliche Meinung in Deutschland für eine entsprechende Haltung der deutschen Politik zu gewinnen. Dieses Anerbieten ist in meinen Augen um so höher anzuschla~en, als es für uns erhebliche Nachteile in unseren Beziehungen zu Frankreich involviert" 9.

Nach Auffassung des Kanzlers nahm sich dieses Angebot sehr großzügig aus. Denn würden die Franzosen zu der Ansicht verleitet, "daß nur Deutschland der Geltendmachung ihrer Interessen England gegenüber im Wege stehe, so würde ihre Verstimmung gegen uns und damit die Gefahrdung des Friedens wesentlich verschärft werden"60. Aller Wahrscheinlichkeit nach fungierten die »englandfreundlichen« Erlasse vom 5. und 11. Mai 1884 - neben dem Ringen um die Suprematie -lediglich als Alibi einer Außenpolitik, die deutscherseits alle Instrumente der Verständigung bemüht hatte_ Sie sollten Bismarck von dem Verdacht reinwaschen, er habe die Mißklänge in den deutsch-englischen Beziehungen verschuldet. Bei einer Konfrontation mit dem neuen anglophilen Herrscher attestierten diese Schriftstücke dem Reichskanzler nach dem Thronwechsel, inständig um Großbritannien geworben zu haben. Tatsächlich unterschob der Kanzler im Januar 1885, als sich die deutsch-englischen Beziehungen ihrer Talsohle näherten, den Mai-Direktiven nachträglich die Absicht, ein einvernehmliches Verhältnis zu England gesucht zu haben. Eine verräterische Äußerung, die er in einem Gespräch mit Gerhard Rohlfs hinwarf, belegt jedoch, daß er sich über das von ihm angeblich ersehnte Entgegenkommen des englischen Kabinetts keinen Illusionen hingab. Am 11. Mai 1884, dem Tag, an dem der Vortragende Rat Lothar BlIcher den zweiten Erlaß für London konzipierte, erklärte Bismarck dem Afrika-Reisenden unverblümt "'Mit Gladstone ist gar nichts' anzufangen"'61, wobei er '''verschiedene starke Schimpfworte"'62 gebrauchte. Im Zusammenhang mit dem Battenbergischen Heiratsprojekt fragte er seinen Sohn Herbert wenig spä-

59 Bismarck an Münster, Berlin, 11. Mai 1884 (GP, Bd. 4, S. 55). Schon am 4. Mai 1884 hatte sich der Reichskanzler bei Hermann zu Hohen1ohe-Langenburg, dem Präsidenten des »DKV«, der die Auswanderung nach Übersee und die territoriale Expansion in Afrika propagierte, für dessen anerkennende Zuschrift aus Anlaß der beabsichtigten Postdampfersubventionsvorlage bedankt. Die Grußadresse publizierte die »NAZ« am 10. Mai 1884, so daß in der Öffentlichkeit leicht der Eindruck entstehen konnte, als habe sich Bismarck mit den Ideen des Vereins angefreundeL (V gl. Kohl: Regesten, S. 314.) 60 Bismarck an Münster, Berlin, 11. Mai 1884 (GP, Bd. 4, S. 55f). 61 Rohlfs an seine Frau, Berlin, 11. Mai 1884 (GuenJher, S. 328). 62 Ebd. Vgl. oben Kap. D. III., S. 238. - Aus Paris echote der ehemalige französische Finanzkontrolleur für Ägypten, Blignieres: "'Le Ministere Gladstone est atteint d'alientation mentale'" (8. v. Bülow an Bismarck, Abschr., Paris, 18. Mai 1884, PA BN, England 69, Bcl22).

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ter rhetorisch, ob das Kabinett Gladstone überhaupt eine Außenpolitik treibe 63. Aufgrund dieser abwertenden Urteile und der vom Kanzler im September 1884 in Skierniewice preisgegebenen antikronprinzlichen Funktion der England-Politik64 wäre es sehr verwunderlich, wenn sich Bismarck ernsthaft britische Konzessionen bezüglich Helgolands und der Erfüllung der deutschen Kolonialreklamationen erhofft hätte, die er in den Schreiben an Münster äußerst schemenhaft wnrissen hatte. Zudem strengte er sich an, noch bevor eine Reaktion aus London eingegangen war, Frankreich in antienglischem Sinne zur Wahrnehmung seiner finanziellen Interessen in Ägypten aufzustacheln und dem westlichen Nachbarland eine gemeinsam zu bildende Front gegen den englisch-portugiesischen Kongo-Vertrag schmackhaft zu machen, wobei er deutsche Indifferenz bezüglich des französischen Vorgehens in Marokko signalisierte. Als eine der Haupttriebfedern dieser auffälligen englandfeindlichen Aktivitäten vennutete der französische Botschafter Alphonse de Courcel das Walten der englischen Einflüsse am kronprinzlichen Hof, die sich beim überraschenden Auftauchen des Prince of Wales in Potsdam im Mai 1884 manifestiert hatten 65 . Grundsätzlich mußte sich Bismarck, der sich wie kein anderer zeitgenössischer Staatsmann auf die kunstvolle Verschachtelung von Innen- und Außenpolitik verstand, darüber im klaren sein, daß seine »großzügige« Helgoland-Offerte mit größter Sicherheit eine englische Ablehnung provozieren würde. Mit der undurchsichtigen Lage General Gordons in Nordostafrika, 63 Vgl. Bismarck an H. v. Bismarck, Berlin, 14. Mai 1884 (H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz, S. 238).

.. Vgl. Holstein: Papiere (Tgb. v. 19. Sept. 1884), Bd. 2, S. 174. Vgl. Courcel an Ferry, Berlin, 13. Mai 1884: Die ersten beiden Motive, die Courcel zu entdecken glaubte, resultierten angeblich aus dem Neid Bismarcks auf eine englisch-französische Intimität und eine beiderseitige Verständigung über den Kopf Deutschlands hinweg. "Enfin une troisieme explication, c'est que la demarche du Prince de Bismarck est la consequence de la visite que lui a faite il y a deux jours le Prince de GaUes, et qui a ete suivie aussitöt d'une autre visite du Prince imperial. TI y a bien des raisons de penser que le Gouvernement anglais aura voulu profiter de la presence du Prince de Galles en Allernagne, du devouement de la Princesse imperiale a la politique anglaise, et de son influence sur le Prince SOll mari, pour tenter un grand coups aupres du Chancelier allemand" . (DDF, Bd. 5, S. 288.) Man beachte auch unten S. 474f dieses Kapitels. - Der Bremer Bürgerschaft versicherte der Kanzler, er habe sowohl in London als auch in Lissabon keinen Zweifel darüber gelassen, daß er die Bestimmungen des Kongo-Vertrages als für Deutschland unverbindlich ablehne (vgl. Bismarck an den Bremer Senat, Berlin, 12. Mai 1884, StA HB, Bstd. 3 A.3.A.2., Nr. 45). Man beachte auch Courcel an Ferry, Berlin, 12. u. 14. Mai 1884 (DDF, Bd. 5, S. 286f u. 289-291); Ampthill an Granville, Bertin, 17. Mai 1884 (Lett. Berl. Emb., S. 327), u. Windelband: Großmächte, S. 563f. Siehe ferner die Bemerkung des Kanzlers zu Rohlfs: "'Für uns ist es daher auch am besten, wenn wir für Aegypten wieder die Mithemchaft der Franzosen anstreben. Ich arbeite in diesem Sinne. Es ist besser, dass wir ausser den elsässischen Franzosenfeinden, nicht auch noch ägyptische Franzosenfeinde bekommen". (Rohlfs an seine Frau, Berlin, 11. Mai 1884, Guenther, S. 328.) Vgl. Tgb. Pindters v. 3. Mai 1884 (PA BN, NI. Pindter). M

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der anstehenden internationalen Regelung der verzwickten ägyptischen Schuldenfrage und den Diskussionen um die »Refonn Bill« im Unter- und Oberhaus waren für das Kabinett Gladstone genügend Fußangeln ausgestreut, um darüber zu stürzen. Die konservative, wenn auch untereinander zerstrittene Opposition hoffte inständig auf das Ende der liberalen Ära in Downing Street, und der Kanzler war in Berlin über die verfahrene Situation in London bestens unterrichtet66 . Daß es dem Premienninister gelungen wäre, inmitten einer hochkarätigen innenpolitischen Krise die Abtretung Helgolands an Deutschland vor der englischen ))public opinion« zu rechtfertigen, während sein Intimfeind hoffte, einen Prestigesieg über England zu erringen, ist äußerst zweifelhaft67. Als Münster Außenminister Granville infonnell - also vorsondierend und noch nicht in offizieller Ausführung der Bismarckschen Instruktion 68 - auf die mögliche Abtretung Helgolands ansprach, antwortete dieser ihm, die Schwierigkeiten, die der Regierung aus der ))Refonn Bill« und den ägyptischen Wirren erwüchsen, dürfe er nicht um einen weiteren Angriffspunkt vennehren, der von der Öffentlichkeit ausgebeutet werden würde. Ironisch bemerkte Granville, die Rückgabe Gibraltars an Spanien würde auch die Beziehungen zu Madrid verbessern. "But when those questions were settled"69, versprach der Minister, "we should be prepared to give a friendly consideration to this question"70. Ist 66 Vgl. Münster an Bismarck, London, 4. u. 10. April 1884 (PA BN, England 69, Bd. 22). "Was die politische Situation betrifft, so hat sie sich noch nicht geändert. Im Cabinette dieselben Diskussionen und, wie es scheint, in Folge dessen dieselbe Unschlüssigkeit". (Münster an Bismarck, London, 4. April 1884, ebd.) Man beachte auch Münster an Bismarck, London, 14. Mai 1884, daß die RegierWIg mit knapper Not einem Mißtrauensvotum der Konservativen wegen der prekären Lage Gordons in Ägypten entronnen sei. "Der jetzige Sieg der RegierWIg ist allein der Partei-Disciplin und der Furcht vor einer Auflösung zu [verldanken. Viele Liberale wissen recht gut, daß bei der jetzigen Stimmung im Lande sie ihre Sitze verlieren würden". (Ebd.) tiI Diesen politischen Mechanismus, der nicht zuließ, der englischen Kabinettskrise ein weiteres, womöglich verschärfendes Element hinzuzufügen, beschrieb Herbert von Bismarck schon im Jabre 1883: "Auswärtige Dinge stehen momentan hier ziemlich im HintergrWId. Das Ministerium ist preoccupi[e]rt durch Bradlaugh u[nd) Irland, u[nd) diese Fragen sind für seinen Bestand auch wichtiger, als alle foreign questions. Danach richtet sich die Politik jeder englischen RegierWIg aber ausschließlich. Zu schreiben ist unter den Umständen nicht viel". (H. v. Bismarck an Rantzau, London, 28. April 1883, BA KO, NI. Bismarck, Fe 3014N, Hervorh. im Orig.) Man beachte auch H. v. Bismarck an Bismarck, London, 24. Mai 1883 (H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz, S. 170173). Siehe ferner Knaplund, S. 127. 68 Vgl. unten Kap. I. II., S. 51Of,:ru der AusführWIg des Erlasses vom 5. Mai 1884. 69 FiJzmaurice, S. 425. 70 Ebd. Gleichfalls abgedruckt als Beilage im Brief Granvilles an Gladstone, Walmer, 28. Dez. 1884 (GladslonelGranville, S. 307). Man beachte auch Taylor, S. 36: "Granville was afraid of the Tory outcry which would follow any further surrender of territory by the Gladstone govemment". Siehe ferner Oncken: Reich, S. 260. - Außerdem führte England :ru diesem Zeitpunkt bilaterale Verhandlungen mit Frankreich über die Regelung der ägyptischen Finanzfrage, so daß man in London glaubte, von deutscher Unterstütmng nicht abhängig :ru sein (vgl. Windelband: Großmächte, S.565).

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der England-Erlaß vom 5. Mai 1884 in Anbetracht der allgemeinen Erwartung des Thronwechsels und einer neuerlichen Erkrankung des Kaisers seit Anfang des Monats ohnehin mit Ungereimtheiten behaftet, besticht obendrein, mit welcher Vehemenz Bismarck nach seiner Entlassung den unter der Ägide Caprivis geschlossenen Helgoland-Sansibar-Vertrag bekämpfte. Sein negatives Diktum über das Abkommen war sicherlich nicht allein ein Ergebnis seiner Fundamentalopposition gegen den »Neuen Kurs«, sondern beruhte auch auf nachvollziehbaren militärstrategischen Erwägungen. Die Nordseeinsei sei "mehr in der Phantasie als vor dem überlegenden Verstand ein Äquivalent"71, wetterte er im März 1891 in Anwesenheit des Schriftstellers Moritz Busch. Helgoland in deutschem Besitz werde sich als Gefahrenherd entpuppen, weil es allzuleicht Beute der französischen Marine werden könnte, die es zum Kohle bunkern benutzen werde. In den Händen des neutralen England habe die Insel dagegen für die militärische Operationsunfähigkeit der Franzosen in der Nordsee im Kriege von 1870/71 gebürgt, während Deutschland jetzt selbst Vorkehrungen für ihre Verteidigung treffen müsse 72. Die genannten Argumente lassen den Schluß zu, daß - wenn Bismarck sich auf der Basis der Noten vom 5. und 11. Mai 1884 überhaupt mit England verständigen wollte - dies zu seinen hochgesteckten Bedingungen geschehen sollte. Vor dem Hintergrund des jederzeit möglichen Thronwechsels, der mittlerweile versandeten verfassungsrechtlichen Offensivmaßnahmen und der englisch-battenbergischen Heiratsintrige mußte dem Kanzler die britische Anlehnung an Deutschland umso wichtiger erscheinen, als er das Kronprinzenpaar stets verdächtigte, sowohl innen- als auch außenpolitisch »englandhörig« zu agieren, nämlich die englischen Interessen höher als die der eigenen Nation einzustufen73. Die Gefahren des janusgesichtigen Engländertums, die sich verstärkt in Gestalt der }}Battenbergerei« und in schemenhaften Umrissen eines }}deutschen Busch: Tagebuchb1äner (Tgb. v. 18. März 1891), Bd. 3, S. 311. Vgl. Blum (fgb. v. 31. Okt. 1892), S. 241. Man beachte auch Whilman: Bismarck, S. 99: "Helgoland [... ] betrachtete er nicht nur als einen für Deutschland wertlosen Besitz, sondern als einen Alp. Das Eiland sei zu geringfügig, um selbst für das Gemüt irgend etwas zu bedeuten, wogegen sein Besitz vom praktischen Standpunkte aus die Notwendigkeit der Verteidigung auferlege. [...] Solange es im Besitze der Engländer war, konnte es niemals für andere Mächte eine Kohlestation werden". 73 Vgl. Granville an Northbrook, [0.0.,]16. Aug. 1884: "The cession [ofHeligo1and] would be unpopu1ar in itself, anti still more so on account 0/ the obllious submission to the Chancellor". (Fitzmaurice, S. 361, eig. Hervorll.) Man beachte auch H. v. Bismarck an Bismarck, [London,] 24. Juni 1884: '''Meiner Meinung nach können wir aber nur wünschen, daß England - einerlei ob unter einer liberalen oder konservativen Regierung zur Annexion [Ägyptens] getrieben wird, weil es dann ganz schief zu Frankreich u[nd] Rußland zu stehen käme u[nd] noch mehr auf uns angewiesen wäre als jetzt"'. (Zit. nach Stamm, S. 72.) 71

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Ministeriums Gladstone«, formiert aus den Reihen der Linksliberalen, regten, standen dem Reichskanzler an der Monatswende April/Mai 1884 erneut vor Augen. Während er das gladstonianische England von der Huld Deutschlands abhängig zu machen trachtete, sperrte er sich energisch gegen parlamentarische Emanzipationsbestrebungen in Preußen. In einem Schreiben an den preußischen Innenminister verwahrte sich der Ministerpräsident am 26. April 1884 gegen die Einmischungen der linksliberalen Politiker Heinrich Rickert und Walter Büchtemann - in ihrem Gefolge sogar konservative Abgeordnete - in die Exekutivrechte des Königs. Er forderte Robert von Puttkamer auf, das Abgeordnetenhaus bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit auf die Verfassungswidrigkeit seines Tuns hinzuweisen. Unmittelbar nach dem Abgang des Angra Pequena-Telegramms (24. April 1884) war dies ein neues Indiz dafür, wie sehr sich Bismarck vor der liberalen verfassungspolitischen Gravitationskraft, insgesamt vor den negativen Konsequenzen des Thronwechsels, d. h. dem allmählichen, schier unmerklichen Abgleiten in die "Parlamentsherrschaft"74, ängstigte. In einem Erlaß an das Staatsministerium vom 8. Mai 1884, den alle Minister kontrasignierten, unterstrich Wilhelm 1., daß ihm - gemäß Artikel 45 der Verfassung - in Belangen der Ämterbesetzung allein die vollziehende Gewalt in Preußen gebühre. Der Beschluß des Landtags, die Staatsregierung aufzufordern, diejenigen Beamten, welche sich bei Wahlen eine Überschreitung ihrer Amtsrnacht durch verbotene Beeinflussung hätten zuschulden kommen lassen, disziplinarisch zur Rechenschaft zu ziehen, verletze in flagranter Weise die königlichen Prärogativrechte75. Seine Befugnisse, verkündete der Monarch kämpferisch, werde er vor parlamentarischen Übergriffen verteidigen. Der »Deutsche Reichs-Anzeiger und Königlich Preußische StaatsAnzeiger« publizierte den Erlaß am 14. Mai 1884. Sowohl die konservative als auch die liberale Presse horchte auf. Noch zwei Wochen später rechtfertigte die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« den Erlaß. Bemühungen der »Vossischen Zeitung«, die preußische Regierung der Inkonsequenz zu überführen, weil sie es früher mit Wahlprüfungen nicht besonders genau genommen habe, lieferten "in Wahrheit nur einen neuen Beweis, wie Höflichkeiten und GefaIligkeiten der Regierung den herrschsüchtigen Parteien gegenüber in unseren Tagen sofort in rechtliche Ansprüche verwandelt"76 würden. Die von der »Vossischen Zei74 Bismarck am 9. Mai 1884 (SB RT, V. Leg. IV. Sess., Bd. I, S. 483). Vgl. oben Kap. F. II., S. 333-336, zu der Erklärung Boenichers im Bundesrat am 2./5. April 1884, womit er im Auftrage Bismarcks auf Reichsebene ein Wehr gegen das liberale Verlangen nach verantwortlichen Ministerien, das die »Parlamentshemchaft« implizierte, errichtete. 75 Im Artikel 45 der oktroyierten Verfassung hieß es: "Er [d. h. der König] besetzt alle Stellen in demselben [d. h. dem Heer], sowie in den übrigen Zweigen des Staatsdienstes, in sofern nicht das Gesetz ein anderes verordnet" (Huber: Dokumente, Bd. 1, S. 487). 76 »NAZ« v. 23. Mai 1884 (BA KO, Reichskanzlei R 43F/1562). Vgl. Bismarck an Puttkamer, Berlin, 26. April 1884 (Bismarck: GW, Bd. 6c, S. 296); Wilhelm I. an das preuß. Staatsministerium (Absehr.), Berlin, 8. Mai 1884 (BA KO, NI. Boenicher, Nr. 42), u. »Deutscher Reichs-Anzeiger und

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tung« angeprangerten Fälle könnten den Tenor der Verfassung nicht ändern und die Rechte des Königs nicht schmälern, behauptete das Reptilienblatt. Wie ein fehlender Mosaikstein fügte sich der Erlaß vom 8. Mai 1884 in das kunstvolle Gebilde der verfassungsrechtlichen Strategien Bismarcks, mit denen er dem künftigen Kaiserpaar und deren liberaler Klientel noch vor dem Thronwechsel die Atemluft abzuschnüren suchte. Auch die offiziöse Presse wurde nicht müde, die »Kronprinzenpartei« und ihre angeblich englischen Leitbilder zu bekriegen. Am 8. und 19. April 1884 räsonierte die ))Norddeutsche Allgemeine Zeitung« - vergleichbar mit dem Gladstone-ErlaB Bismarcks vom 26. Februar 1884 - über die verderblichen Einflüsse, die eine englische Republik, dominiert durch den radikal-liberalen Politiker Joseph Chamberlain, auf das Reich ausstrahlen würde. Zugleich warnte sie - als Nachklang der Lasker-Affäre - vor der Sogkraft der demokratischen Verhältnisse in den Vereinigten Staaten von Amerika. In letzterem Zusammenhang erinnerte die Zeitung an die Bundesratserklärung vom 5. April 1884, worin Preußen hervorgehoben habe, daß es jeden "Schritt, welcher zur Unterwerfung der Regierungsgewalt unter die Mehrheitsbeschlüsse des Reichstages führen würde, bekämpfen werde"77. Eigenhändig verfaBte der Kanzler überdies einen Artikel für sein Sprachrohr, der am 25. April 1884 gedruckt wurde. Darin schnitt er ein Thema an, das die ))Norddeutsche Allgemeine Zeitung« in Zukunft noch häufiger - und er selbst in der Reichstagssitzung vom 9. Mai 1884 variieren sollten. "Unter den Wahlkniffen, mit welchen die Freisinnigen das Geschäft des Wählerfangs betreiben"78, empörte er sich, "figuri[e]rt wiederum die schon neulich an dieser Stelle charakterisi[e]rte Behauptung, nicht Fürst Bismarck, sondern die Liberalen hätten eigentlich Deutschland geeinigt" 79. Dem freisinnigen Abgeordneten Albert Träger, der in Leipzig diese - nach Königlich Preußischer Staats-Anzeiger« v. 14. Mai 1884 (ebd., Reichskanzlei R 43F/I962). Hollyday: Legend, S. 100, kommentiert diese Episode: "The increasing age of Wi1Iiam I strengthened bis [i. e. Bismarck'sl fears that a »Giadstone Ministry« would be formed, when Crown Prince Frederick Wi1Iiam should become Emperor". Man beachte auch Szecbenyi an Kalnoky, Berlin, 16. Mai 1884: "Der Erlaß gewinnt eine über den kleinen Anlaß hinausreichende Bedeutung dadurch, daß er sich als ein neues Glied in der Kette der in den letzten Jahren wiederkehrenden Manifestationen des Reichskanzlers darstellt, in denen er durch die Krone die Unabhängigkeit der Regierung vom Parlament außer VOll verfassungsmäßigen Beschränkungen [... 1 [mit einernI kräftigen Nachdruck betonen läßt". (HHStA W, PA m, Nr. 125.) Siehe ferner Baur-Breitenfeld an Mittnacht, Berlin, 15. Mai 1884, über die "nicht uninteressante Kundgebung" des Kaisers (HStA S, E 73 Yen. 61 Fasz. 126, provisor. Nr. D 124). n »NAZ« v. 19. April 1884 (BA KO, Reichskanzlei R 43F/1562). Vgi. »NAZ« v. 8. April 1884 (PA BN, England (:f), Bd. 22). 78 »NAZ« v. 25. April 1884 (BA KO, Reichskanz1ei R 43F/1562). Als abschriftliche Aufzeichnung Bismarcks ebenso im BA KO, Ni. Goldschrnidt, Nr. 31, vorhanden. Vgi. Fischer-Frauen· dienst, S. 169. 79 »NAZ« v. 25. April 1884 (BA KO, Reichskanzlei, R 43F/1562).

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Meinung des Kanzlers - üble Geschichtsklitterung propagiert hatte, attestierte er ein "starkes Quantum Phantasie [... ], aber auch ein erstaunliches Maß von Urtheilslosigkeit"so. Er warf ihm vor, Ursprung und Verlauf der preußischösterreichischen Bundesexekution gegen Dänemark grob verfälscht zu haben. "Seitdem hat die [linksliberale] Partei stets an der Politik festgehalten, ihren Fraktionsinteressen gegenüber jede Rücksicht auf die Stärkung und Kräftigung Deutschlands außer Acht zu lassen. Sie hat die Bundesverfassung bekämpft"81, listete Bismarck das »Sündenregister« der ehemaligen Fortschrittler auf, "sie hat sich der Reichsverfassung widersetzt, und sie sucht noch heute jede Maßregel zum Fall zu bringen, die das Werk zu sichern geeignet ist, an dessen Aufbau sie keinen Antheil gehabt hat"82. Noch in der Ausgabe vom 6. Mai 1884 bemächtigte sich das Blatt dieses Gegenstandes. Bismarcks Zurückblättern im Geschichtsbuch bis in die Jahre der Konfliktszeit legt die Vermutung nahe, daß es der offiziösen Presse im Frühjahr 1884 noch an geeigneter explosiver Wahlkampfmunition fehlte 83 . Ein paar Tage danach lastete der Reichskanzler dem liberalen Bürgertum während der zweiten Beratung des Sozialistengesetzes im Reichstag die Verantwortung für das beharrliche Wachsen der Sozialdemokratie an. Vor dem Hintergrund der schwebenden battenbergisch-englischen Heiratsintrige, die geeignet war, die Beziehungen zwischen Berlin und S1. Petersburg in eine ernstliche Vertrauenskrise zu stürzen und sie nach dem Thronwechsel vollends zu zerstören, stellte sich Bismarck demonstrativ schützend und verständnisvoll vor das Regime des Zaren. In Rußland sollte man die öffentliche Fürsprache des westlichen Nachbarlandes sehr dankbar zur Kenntnis nehmen. Der Fürst behauptete, der "russische Nihilismus ist mehr eine klimatische Abart des Fortschritts als des Sozialismus"84. Diese revolutionäre Gruppierung sei eine Ausgeburt des enttäuschten bürgerlich-liberalen "Abiturientenproletariats" 85. Gemäß dieser politischen Einordnung des Liberalismus interpretierte der Kanzler Ebd. Ebd. 82 Ebd. 83 Vgl. »NAZ« v. 6. Mai 1884: "Die sämmtlichen »Prinzipien« der freisinnigen Partei lassen sich vermittels einer einfachen Analyse auf die Formel reduzi[e)ren: Opposition gegen die Regierung um jeden Preis. Das ist der kategorische Imperativ in ihrem Glaubensbekenntniß [... ). Auch in den sechziger Jahren, während der Konfliktszeit, haben wir unter der Opposition der damaligen Fortschrittspartei schwer zu leiden gehabt; vergleicht man aber das Verhalten jener Partei mit dem der Freisinnigen heute, so ergiebt sich, daß die Letzteren unser politisches Leben mit ungleich grö· ßeren Gefahren bedrohen". (Ebd.) 84 Bismarck am 9. Mai 1884: "Um die sozialistische Frage, um die Arbeiterfrage handelt es sich in Rußland gar nicht; der Arbeiter in Rußland ist gut kaiserlich und schlägt die Nihilisten todt". (SB RT, V. Leg. IV. Sess., Bd. 1, S. 480.) Vgl. H. v. Bismarck an W. v. Bismarck, St. Petersburg, 13. Mai 1884 (H. 11. BisTNJTck: Privatkorrespondenz, S. 236f). 8S Bismarck am 9. Mai 1884 (SB RT, V. Leg. IV. Sess., Bd. 1, S. 480). 80

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den Mordanschlag des Studenten Ferdinand Cohen-Blind auf ihn (7. Mai 1866), der sich kurz zuvor zum 18. Mal gejährt hatte. Die »Deutsche Freisinnige Partei« klagte Bismarck umstürzlerischer Tendenzen an. Bezeichnenderweise habe der Attentäter nicht dem Arbeitennilieu, aus dem sich die Sozialdemokratie rekrutiere, angehört, sondern sei jenem Sammelbecken liberaler Ideen entsprungen, in dem sich die "Theorie der Konflikts-Fortschrittspartei und die Kritik der Fortschrittspartei über einen so elenden Minister, wie er heut[e] vor Ihnen steht, und der damals Deutschland in den Krieg stürzen wolle, zu dem ihm kein Heller bewilligt werden sollte[,] [... ] abgelagert und krysta1lisi[e]rt"86 habe. Obwohl seit dem Verbrechen fast 20 Jahre verflossen waren, steigerte sich der Reichskanzler in einen Zornesrausch hinein, als ob sich die Tat erst vor wenigen Stunden ereignet hätte. Die Zeitzeugen, grollte er, erinnerten sich sicherlich, "wie die sämmtlichen fortschrittlichen Blätter damals nach dem Attentate für [Cohen-] Blind Partei nahmen und vor sittlicher Entrüstung darüber, daß ich mich nicht hätte von dem Mann erschießen lassen, sich nicht fassen konnten. Sie warfen mir vor, ich trage ein Stahlhemd, [... ] und die höhnischen Karrikaturen [sie] über den Mordanfall wurden überall an den Schaufenstern von der Polizei geduldet,,87.

Die Heiterkeit, die ihm daraufhin von der linken Seite des Hauses entgegenbrandete, quittierte er mit der boshaften Bemerkung, es handele sich um Ebd., S. 48Of. Ebd., S. 481. Vgl. W. v. Bismarck an Rottenburg, Fr[ie]dr[ichsru]h, 23. Mai 1884 (BA KO, Ni. Rottenburg, Nr. 4). Man beachte auch J. Schoeps, S. 112-125, mit einer Sammlung zeitgenössischer Stimmen - vorwiegend aus dem süddeutschen Sprachraum -, die das Mißlingen des Attentats bedauerten. Siehe besonders den englischen »Standard« v. 22. Mai 1866, der sich auf die »Voss. Ztg.« berief: "Die Photographie von Ferdinand Blind [... ] ist in allen Ladenstraßen von Stuttgart ausgestellt, mit hnmorteUen umgeben und das Volk bezeichnet ihn laut als einen zweiten Wilhelm TeU". (Ebd., S. 112.) Vgl. auch Bismarck am 9. Mai 1884 zu diesem Vergleich: "Das Bild war so dargestellt: ein heldenmüthiger Mann - er hatte die Physiognomie von Wilhelm Tell, dem Schweizer Helden - fällt mich von vom an - während Blind von hinten auf mich schoß - und feuert mir ins Gesicht. Ich stehe bestürzt da, mein Hut fällt mir vom Kopfe, der Satan schiebt eine Kralle zwisehen uns und spricht, indem er die Kugel auffangt: Der gehört mir," (SB fIT, V. Leg. IV. Sess., Bd. 1, S. 501.) - Kronprinzessin Victoria empfand Mitleid für den "poor, wellmeaning but mistaken and shortsighted wretch". Sie glaubte: "Better that he [i. e. Bismarck] should live to see what the consequences of his reckless madness is than he should die a martyr pitied by all ". (Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria, Neues Palais [Potsdam], 9. Mai 1866, Vicloria: Your Dear Letter, S. 73.) Verständnislos entgegnete die Königin: "I can't quite agree that it is better that B[ismarck] was not shot" (Queen Victoria an Kronprinzessin Victoria, Windsor Castle, 12. Mai 1866, ebd., S. 73). Auch die Kronprinzessin hörte, daß der Ministerpräsident angeblich ein Schutzhemd getragen hatte (Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria, Neues Palais [Potsdam], 16. Mai 1866, ebd., S. 74). Wegen der kritischen Äußerungen des Kanzlers über den damaligen Berliner Polizeipräsidenten Bernuth im Reichstag, dem späteren Düsseldorfer Regierungspräsidenten, bat dieser im Frühjahr 1884 um seine Entlassung bzw. seine öffentliche Rehabilitierung. Letztere war Wilhelm I. geneigt zu gewähren, doch bestand Bismarck auf der Annahme des Demissionsgesuches. (Vgl. Bismarck am 9. Mai 1884, SB fIT, V. Leg. IV. Sess., Bd. 1, S. 501, u. J. Schoeps, S. 137-144.) 86

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"banausisches Gelächter"88. Bismarck forderte die Abgeordneten auf, sich eindeutig für oder wider die Ablehnung des Sozialistengesetzes zu bekennen. Er drohte ihnen an, das Parlament unverzüglich aufzulösen, falls die Vorlage scheitern sollte. Freimütig konfrontierte er die Anwesenden mit seiner seit Januar 1884 insgeheim gehegten Absicht, die "liberale Bourgeosie von ihren fortschrittlichen Neigungen durch die Furcht vor der Sozialdemokratie"89 zu heilen. Lehne auch der neueröffnete Reichstag das Gesetz ab, seien die verbündeten Regierungen von Versäumnissen freizusprechen. Sowohl die Parlamentarier als auch die Regierenden würden einen abennaligen Mißerfolg verschmerzen. Fragend mahnte der Kanzler, ob draußen im Lande der "ruhige Bürger es aushalten kann, daß man der Sozialdemokratie freie Bahn läßt in ihrer Entwikkelung, wo sie 1878 aufhörte [... ]. Ich habe gar nichts gegen den Versuch"90, der sozialistischen Agitation die Zügel schießen zu lassen, gestand er ein: "Erwarten Sie nicht, daß die Regierung immer wieder den Pferden in die Zügel fallen werde"91. Mit größter Besorgnis erfülle ihn, daß das Volk bei den Reichstagswahlen für die Linksliberalen optieren könnte, weil es von dem Irrglauben befangen sei, die Sozialdemokraten auf diese Weise zu bändigen. "Meines Erachtens bahnt jeder Wähler, der fortschrinlich wählt, mit noch mehr Sicherheit die Wege für die künftige Hemchaft der Sozialdemokratie, für die Untergrabung zunächst und dann den Umsturz unserer geordneten gesellschaftlichen Verhältnisse, weil die Argumentationen der Fortschrittspartei und die Minheilungen, welche sie uns über ihre Zukunftspläne geben kann, im Ganzen bisher unverdächtiger und für denjenigen, der nicht weiter sieht, annehmbarer, glaubhafter, wahrscheinlicher sind. Die meisten Wähler glauben heutle) noch, daß mit der Hemchaft der Fortschrinspartei monarchische Einrichtungen verträglich sind, daß sie nicht nothwendig in die reine Wahlhemchaft, in das souveräne Wahlreich hinübergleiten müsse,,92. Ähnlich hatte Bismarck in der Reichstagssitzung vom 29. November 1881 argumentiert, nachdem Fortschrittler und Sezessionisten einen überwältigenden Sieg errungen hatten, und seit Ende 1883 warnte er unter der Verwendung der Vokabel »Wahlreich« beharrlich vor der demokratischen Gravität der Republikanisierung Englands auf das vorwiegend monarchische Kontinentaleuropa93.

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Bismarck am 9. Mai 1884 (SB RT, V. Leg. IV. Sess., Bd. I, S. 480). Lucius von Ballhausen (Tgb. v. 10. Jan. 1884), S. 32. Vgl. oben Kap. Bismarck am 9. Mai 1884 (SB RT, V. Leg. IV. Sess., Bd. I, S. 482).

D. TI., S. 204-213.

91 Ebd. Nach Mineilung der »NAZ« vom 21. Mai 1884 bewertete der liberale Althistoriker Theodor Mommsen die Annahme des Sozialistengesetzes als erfolgverheißendes Fanal für die Reichstagswahlen: "'Die Hoffnung, daß man die liberale Partei mit dem sehr ernsthaften, aber leicht zu mißbrauchenden sozialistischen Schreckbild sprengen kann, ist damit vereitelt"'. (BA K 0, Reichskanzlei R 43F/1562.) 92 Bismarck am 9. Mai 1884 (SB RT, V. Leg. IV. Sess., Bd. I, S. 482f). 91 Vgl. oben Kap. C. IV., S. ISS, u. oben Kap. D. m., S. 228-230.

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Die im Mai 1884 im Parlament öffentlich kundgetane Furcht vor dem Hineintaumeln in »englische Zustände« - unausgesprochen unter der liberalen Herrschaft Kaiser Friedrichs 1lI. - gewinnt Brisanz, wenn man sie mit einer im kleinen Friedrichsruher Kreis hingeworfenen Bemerkung des Kanzlers verknüpft. Solange Friedrich Wilhelm sein Dasein als Kronprinz friste, hatte er Anfang März 1884 seinen Zuhörern anvertraut, glaube er nicht an dessen Verzicht auf die Thronanwärterschaft, obwohl der Prinz seiner Zukunft als Monarch voller Pessimismus entgegenblicke. Allein seine Gattin Victoria werde das zu verhindern wissen. Möglicherweise unterzeichne er die Abdankungsurkunde erst dann, "wenn er die Krone auf der liberalen Bahn ins Rollen gebracht habe und sie nicht mehr anhalten könne"94. Addiert man die Äußerungen im Reichstag und in Friedrichsruh zu dem schwerwiegenden Verdacht, daß der Kronprinz willentlich oder unwillentlich das Wehr für eine Parlamentarisierungskampagne öffnen würde, nimmt Bismarck die Kontur eines zutiefst verunsicherten Staatsmannes an, der wegen der innenpolitischen Entwicklung nach dem Thronwechsel auf das schlimmste gefaßt war. Ebenso wie es die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« vor einigen Wochen vorexerziert hatte, zog er in der Volksvertretung am 9. Mai 1884 eine Parallele zum abschreckenden Beispiel Norwegens, wo der König gezwungen gewesen war, sich in einem Konflikt mit der zweiten Parlamentskammer dem Urteil des Reichsgerichts zu unterwerfen. "Das ist die natürliche Entwickelungsbahn" 95, prophezeite der leitende Minister düster, "zu welcher jede fortschrittliche Politik, daß die Parlamentsmajorität im Lande regiert und nicht der König, zuletzt nothwendig in allen Ländern kommen muß"96. Eindringlich appellierte er an die Wähler: "Wollen Sie die sozialistische Gefahr los sein, wählen Sie keinen fortschrittlichen Abgeordneten! (Bravo! rechts. Heiterkeit links.)"97 Auch Kaiser Wilhelm I. war noch immer über die Dynamitattentate im gladstonianischen England erschrocken und zeigte sich bestürzt über die Wende in Norwegen und Schweden zum parlamentarischen System. "Wo kommt die Monarchie hin?!"98 fragte er, wenn ein dreimaliges parlamentarisches Passieren eines Gesetzesentwurfs das Veto des Königs außer Kraft setze.

Halslein: Papiere (fgb. v. 9. März 1884), Bd. 2, S. 107. Vgl. oben Kap. C.I., S. 106. Bisrnarck arn 9. Mai 1884 (SB RT, V. Leg. IV. Sess., Bd. 1, S. 483). 96 Ebd. Vgl. »NAZ« v. 18. März 1884 (GSIAPK Abi. MER, 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinen, Nr. 607, u. Schullheß, März 1884, S. 351-359). Man beachte auch oben Kap. F. TI., S. 323, dort Anrn. 6. 97 Bisrnarck arn 9. Mai 1884 (SB RT, V. Leg. IV. Sess., Bd. 1, S. 482). 98 Wilhelrn I. an Augusta (Abschr.), Berlin, 23. Mai 1884 (GSIAPK Abi. MER, HA, NI. WilheIm 1., Rep. 51 1509b). Vgl. Wilhelrn 1. an Augusta (Abschr.), Berlin, 21. Mai 1884: "Die 4 Explosionen in London sind wieder ein angenehmes Ereignis!!" (Ebd.) Man beachte auch Augusta an WilheIm 1., Baden-Baden, 25. Mai 1884 (ebd., Rep. 51 T Lit. P Nr. 11, Fasz. 36). 94

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Die bissigen Attacken des Reichskanzlers gegen den Liberalismus konterte Eugen Richter, indem er dessen Rede ausführlich Punkt für Punkt beantwortete. Richter spannte einen weiten Bogen von Bismarcks Kritik an unstatthaften Zwischenrufen, der Zahlung von Diäten, des Mißbrauchs des geheimen Welfenfonds, Details der Sozialgesetzgebung bis hin zu dessen Vorwurf an die Adresse der "'unproduktiven politischen Parteien"'99, die der Kanzler in einem öffentlichen Schreiben vom 11. März 1884 verdächtigt hatte, die "wirtschaftliche Wohlfahrt der Nation" 100 zu sabotieren. Der Oppositionsführer korrigierte die Schilderung des Kanzlers über die Position der Liberalen während des deutsch-österreichischen Krieges und bestritt energisch, daß seine Parteifreunde mit dem Attentäter Cohen-Blind sympathisiert hätten. Im Gegenteil, er beschuldigte Bismarck, das Aufblühen des ))Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins« seit Beginn seiner Ministerpräsidententätigkeit müßig beobachtet zu haben. "Ferdinand Lassalle [war] für den Herrn Reichskanzler ein Mann, mit dem man sich unterhalten kann wie mit einem ))interessanten Gutsnachbar«"101, rückte er die Dinge zurecht "Der Herr Reichskanzler will ein Armeekorps im Rücken der Liberalen formi[e]rt haben, [nämlich] die Sozialisten"102, demaskierte Richter dessen antiliberale Innenpolitik. Auch bespöttelte der Abgeordnete die Annäherungsversuche der Regierung an die Nationalliberalen, die dazu dienen sollten, eine Alternative zu der zeitweiligen konservativ-katholischen Zusammenarbeit zu etablieren. "Darum erwacht bei dem Herrn Reichskanzler jetzt so plötzlich die Liebe zu den Nationalliberalen, er schnitt es gern in alle Rinden ein, (große Heiterkeit) und jeder Landrath hallt es wieder [sic], wie sehr er sich danach sehnt, auch eine aus Nationalliberalen und Konservativen gebildete Mehrheit zur Verfügung zu haben" 103, belustigte sich Eugen Richter über die seit April von der Berliner Reichskanzlei in die Provinz lancierten Wahlparolen. Sofort reagierte der Kanzler auf die Rede. "Ich muß es ganz entschieden aussprechen" 104, bekannte er "daß dieser Liberalismus meiner Ueberzeugung nach keine Zukunft hat, und daß ich es als die Aufgabe meines Lebens halte, als meine Pflicht dem Kaiser und dem Lande gegenüber, diesen Liberalismus zu bekämpfen bis zum letzten Athemzug. (Bravol rechts. Hönl, hönl links.) [...1 Ich glaube, niemand ist auch nach meiner 22jährigen Vergangenheit an dieser Stelle berechtigt, irgend wie darüber zweifelhaft zu sein, daß ich diese Phantasmagorien

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Richter am 9. Mai 1884 (SB RT, V. Leg. IV. Sess., Bd. I, S. 496). Bismarck an Herlefs, [Friedrichsruh,l 11. März 1884 (Kohl: Regesten, 306).

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Richter am 9. Mai 1884 (SB RT, V. Leg. IV. Sess" Bd. I, S. 498). Ebd., 498f.

103

Ebd.,

lOt

11M

S. 499. Bismarck am 9. Mai 1884 (ebd., S. 5(0).

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H. Englandfeindliche und antiliberale Attitüden Wld die Battenbergkrise von einer möglichen Parlamentsherrschaft bis auf meinen letzten Athemzug bekämpfen werde" 105.

Vergleichbar dem »ceterum censeo« Catos des Älteren beendete der Fürst seine scharfe Replik wiederum mit dem beschwörenden Aufruf, keinem linksliberalen Abgeordneten die Stimme zu schenken 106. "Bismarck hat heute bei der Beratung des Sozial[isten-]Gesetzes wundersame Sachen vorgebracht" 107, schüttelte Kronprinz Friedrich Wilhelm den Kopf über die polemisch geführte Debatte, "die nicht hingehörten, dann aber ist er gegen Liberalismus u[nd] Fortschritt ganz feindselig hergezogen"108. Noch am 20. Mai 1884 entrüstete sich das »Berliner Tageblatt«, daß der Kanzler "neulich im Reichstage dem Liberalismus schlechtweg den Krieg erklärt" 109 habe. Die vehementen Angriffe Bismarcks gegen die »Deutsche Freisinnige Partei« und die Drohung, im deutsch-englischen Verhältnis eine grundlegende Wende anzubahnen, überlappten sich - wie gesehen - chronologisch mit der krisenhaften Zuspitzung des bulgarischen Heiratsprojekts. Kaum aus Darmstadt nach Berlin zurückgekehrt, überraschte die Kronprinzessin ihre Schwiegereltern Anfang Mai 1884 mit der Ankündigung, ihr Bruder Edward werde - "als Elephant lOS Ebd. Auf die Sozialdemokratie wandte der Kanzler Thomas Moores Gedicht >,The Veiled Prophet« an. Offenbare sie ihr wahres Gesicht, wendeten sich ihre Anhänger bestürzt von ihr ab. "Deshalb halte ich die Partei auf die Dauer für die Ruhe des Bürgers nicht für gefährlich. Daß sie im Staat zur Herrschaft gelangen, uns in Mark und Blut vergiften wird, das glaube ich nicht. Wohl aber traue ich das der Fortschrittspartei zu; ihr Gift ist mächtiger als das der Sozialisten". (Ebd., S. 501, Hervorh. im OOg.) 106 Ebd., S. 505. - Man beachte auch die >,NAZ« v. 14. Mai 1884 über das listige, aber angeblich unehrliche Taktieren Eugen Richters hinsichtlich der VerlängerWlg des Sozialistengesetzes (BA KO, Reichskanzlei R 43F/1562). Auch Theodor Mommsen schleuderte das Blatt eine erbarmungslose Kritik entgegen: "Die Art und Weise, in der er um Stimmen bettelt, ist charakteristisch für das ganze parlamentarische Streberthum. Wenn ein Minister so an seinem Portefeuille klebte, wie der parlamentarische Streber an seinem Mandat, wenn er denselben Servilismus, den dieser seinen Wählern gegenüber zeigt, nach oben hin dokumenti[e]rte und mit gleicher Schnelligkeit seine Ueberzeugungen wechselte, - mit welcher sittlichen EntrüstWlg würde dann die öffentliche Meinung über ein solches »den Mantel nach dem Winde tragen« herfallen. Aber für den fortschrittlichen Parlamentarier gilt eben ein anderer Sittenkodex. Von Gesinnungs- und GrWldsatziosigkeit kann bei ihm erst dann die Rede sein, wenn er aufhört, der Regierung Opposition zu machen. Bis an diese Grenze ist ihm Alles erlaubt". "Wir wünschten", höhnte die ZeitWlg, "daß Herr Mommsen das Studium der römischen Geschichte [der Republik] mit etwas mehr Nutzen betrieben hätte". (>,NAZ« v. 21. Mai 1884, ebd.) 1m Tgb. Friedrich Wilhelms v. 9. Mai 1884 (GStAPK Abt. MER, HA, NI. Friedrich m., Rep. 52 F I Nr. 7x).

1(11 Ebd. "Die freisinnigen Blätter behaupten[,] er wolle gar zu gem den Reichstag auflösen u[nd] hoffe deshalb auf die Ablehnung der FOrtführWlg des Soz[ialisten-]Gesetzes!" (Ebd.) 109 »Berl. TagebI.« v. 20. Mai 1884 (ebd., 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinett, Nr. 609). Man beachte auch den verbotenen ,,sozialdemokrat« vom 5. Juni 1884, daß Bismarck seinem "Zom gegen die Fortschrittspartei und seinen sonstigen Gefühlen nach Herzenslust, aber vielleicht lebhafter und offenherziger, als ihm nachher lieb sein mochte, Luft machte" (I. Schoeps, S. 140).

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des Fürsten von Bulgarien"llO, wie Friedrich von Holstein ironisch das heraufziehende Unwetter kommentierte - in Begleitung Alexander von Battenbergs an die Spree-Metropole kommen. Ebenso wie die englische Königin ihren verwitweten Schwiegersohn, Großherzog Ludwig IV. von Hessen-Darmstadt, bedrängt hatte, sich erneut zu vennählen, suchte sie fieberhaft, tatkräftig unterstützt von ihrer Tochter, die bulgarische Heirat endlich einzufädeln 111. Aufgebracht infonnierte Kaiserin Augusta ihren Gatten, trotz ihres gemeinsamen Verbots und des Vetos des Reichskanzlers sei die "bestehende Gefahr" 112 durch das Wiedersehen in Darmstadt vergrößert worden und würde wesentlich verschärft, falls sich Alexander und ihre jüngste Enkelin in Potsdam begegneten. Sie bat Wilhelm 1., dem Kronprinzen zu bedeuten, daß ein Treffen unbedingt zu venneiden sei. Darautbin ordnete der Kaiser an, die Gäste zu einem Bankett in Berlin und im Potsdamer Neuen Palais zu einem Lunch ohne Anwesenheit der Damen zu laden 113. Der Kronprinz selbst war wild entschlossen, die Heirat zu verhindern. Falls der Bulgare das Thema berühren sollte, malte sich Friedrich Wilhelm am 8. Mai 1884 in seinem Tagebuch ein fiktives Gespräch mit dem Battenberger, seiner Gattin Victoria und Vicky aus, "so werde ich ihm ebenso bestimmt mein Nein! aussprechen, wie ich es Euch Beiden hiennit wiederholt thue [... ]. Wenn Ihr diesem meinem Befehle nicht nachkommt, so werde ich genöthigt sein, als Cheff [sic] des Hauses anders aufzutreten"114. Kurz bevor die kränkliche Kaiserin am 10. Mai nach Baden-Baden abreiste, warnte sie ihren Sohn, die "Täuschung jugendlicher Gemüther zu nähren und einer Neigung zu dienen, der rechtzeitig hätte vorgebeugt werden müsHolstein: Papiere (Tgb. v. 4. Mai 1884), Bd. 2, S. 145. Vgl. Wilhelrn I. an Carl Alexander v. Sachsen-Weimar-Eisenach (Abschr.), Berlin, 14. Mai 1884: "Kurzum die ganze [Dannstädter] Catastrophe wird sehr viel Unannehmlichkeiten nach sich ziehen. Aber wesentlich soll die Queen ihn, nachdem 2 Töchter heiratheten, Louis aufgefordert haben, sich wieder zu verneirath[enH,] wenn es auch nur morganatisch wäre, um in seiner Isoliertheit nicht zu vernarren; diese habe seinen Schritt ihm erleichtert; aber die Queen hat oder soll zur Bedingung gestellt haben im letzteren Fall, daß seine Wahl auf eine Dame mit intactem Ruf und höheren Stande nur fallen dürfe". (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhelrn 1., Rep. 51 1588 u l Lit. S Nr. I, Bd. 10.) - Man beachte auch H. v. Bismarck an W. v. Bismarck, St. Petersburg, 8. Mai 1884, über den unerwarteten Besuch des Prince of Wales in Berlin: "Wahrscheinlich bringt er allernand Wünsche seiner Mutter, die der Kaiser wohl absichtlich vermieden hat: ich denke wenigstens, daß die Anwesenheit der Queen in Dannstadt mit ein Aufschubsgrund für die Kaiserreise nach Wiesbaden war". (BA KO, NI. Bismarck, FC 3ÜllN.) 112 Augusta an Wilhelrn I., [0. 0.], [Anfang Mai 1884]: "Ich finde es als eine Art Unrecht gegen junge Leute, deren Verbindung man nicht will, und nicht wollen kann, wenn sie in die Lage versetzt werden, ihren jugendlichen Täuschungen und Wünschen Vorschub zu leisten. Man schafft dadurch die Argumente der Neigung, währenddem [sic] man der Sache entgegentritt, und es ist meine Pflicht, rechtzeitig dagegen zu warnen". (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhelrn I., Rep. 52 W 3 Nr.4.) 113 Aufz. Augustas, Baden-Baden, [0. T.] Mai 1884 (ebd.). 114 Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 8. Mai 1884 (ebd., NI. Friedrich III., Rep. 52 F I Nr. 7x). 110

111

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sen" 115. Voller Leidenschaft erwiderte Kronprinzessin Victoria, die Kenntnis von dem Brief besaß, ihrem Gatten, ohne im geringsten die außenpolitischen Implikationen der bulgarischen Verbindung zu würdigen, daß Eltern grundsätzlich außerstande seien, die Gefühle junger Menschen zu beherrschen 116. Geschickt verstand sie es binnen kürzester Zeit, Friedrich Wilhelms Antipathie zu beseitigen. Während der Potsdamer Begegnung, die am gleichen Tage (10. Mai 1884) stattfand, überhäufte der Kronprinz den jungen Fürsten mit Liebenswürdigkeiten. .11 Als dem Pionier der deutschen Kultur im Ostenlll 117 brachte er sogar einen Toast auf ihn aus. Der Staatssekretär des Äußeren, Paul von Hatzfeldt, der dem Diner beiwohnte, kommentierte entsetzt: "'Nur gut, daß es niemand sonst gehört hat1ll118. Seiner Gattin versprach Friedrich Wilhelm, Vicky dem Bulgaren zur Frau zu geben, nachdem er Kaiser geworden sei. Gegenwärtig müsse er jedoch dem Verbot seines Vaters Folge leisten, schränkte er seine Zusage ein 1l9. "Bemerkenswert in dem allem"I20, konstatierte Friedrich von Rolstein fassungslos, "ist die absolute Hilflosigkeit des Kronprinzen seiner Frau gegenüber. Diese ist ihrerseits nur durch Furcht vor der Presse im Zaum zu halten. Sie ist in dem Punkte umso besorgter, da sie ihre Unpopularität kennt"121. Gerade diesen verwundbaren Punkt nahm der Kanzler seit dem Angra Pequefia-Telegramm und den Mai-Direktiven genau ins Visier, indem er die Kolonialpolitik forcierte, von der er sich - ohne großes eigenes Zutun - einen antienglischen Protestschrei in Deutschland erwarten durfte. Die erschrockenen Reaktionen des Kronprinzenpaars auf die Auswirkungen des überschwenglichen Nationalismus, ihre Isolation inmitten des kolonialen Freudentaumels, beweisen, wie tief Bismarck Victoria und Friedrich Wilhelm damit verletzte und ihre innen- wie außenpolitische anglophile Position in den Augen der Öffentlichkeit unterminierte 122.

Augusta an Friedrich Wilhelrn, [Berlin,]10. Mai 1884 (ebd., Rep. 52 F I ad Nr. 7x Rotulus). Vgl. Victoria an Friedrich Wilhe1m, [0. 0.,]10. Mai 1884: "Deine Mama ist klassisch - miteiner 'Neigung'[,] der man vorbeugen muß!! Wie soll man das wohl machen[?] [... ] Wie könnten Eltern im Voraus die Herzen ihrer Kinder so lenken, daß sie sich nur in diejenigen Männer verlieben, die vorher für sie gewählt sind! Die meisten EI/ern wissen nicht[,] wie es in den Herzen ihrer Töchter aussieht". (Ebd., Hervorh. im Orig.) 117 Cor/i: Alexander, S. 168. IIS

116

118

Ebd.

119

Vgl. Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria, Neues Palais [Potsdam], 16. Mai 1884

121

Ebd.

(Vic/oria: Beloved Mama, S. 166). 120 Hals/ein: Papiere (fgb. v. 12. Mai

1884), Bd. 2, S. 156.

122 Vgl. unten Kap LI., S. 552, dort Anm. 32; unten Kap. L IV., S. 606-613; unten Kap. M., S. 635, u. unten Kap. N., S. 684 u. 717f.

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Seinem Großvater, der gezwungen war, die traditionelle Frühjahrsreise nach Wiesbaden wegen einer Erkrankung auf dringlichen Rat der Ärzte abzusagen l23 , schrieb der älteste Sohn des Kronprinzenpaars am 11. Mai 1884 beunruhigt, er sei froh, daß er in Berlin bleibe. Der Battenbergische Heiratsplan eile mit "Riesenschritten vorwärts, statt einzuschlafen. Nach Feststellungen meiner früheren Quelle, die ja in Darmstadt schon recht hatte"124, mutmaßte Prinz Wilhelm, "scheint es sogar möglich (?)[,) daß die Sache halbwegs fest ist! Jedenfalls ist der Prinz v[on) Wales hier hauptsächlich von der Königin hergeschickt, um die Sache zu betreiben! Ihre Majestät hat in Darmstadt an Lady Ampthill gesagt: 'Sie begriffe gar nicht[,) was man dagegen haben könnte, der Fürst sei eine vorzügliche Parthie für die Prinzessin und es müsse geh[e)n!'" 125

Die Situation gerate außer Kontrolle, wenn der Kaiser "nicht ein baldiges energisches Halt! "126 gebiete. Auch Bismarck reagierte alarmiert und erregte sich angeblich so sehr darüber, "daß er faktisch mit den Füßen trampelte"127. Falls die Heirat zustandekomme, schimpfte er am 12. Mai in Gegenwart Paul von Hatzfeldts, sei er "genötigt, »Skandal« zu machen. Er werde dann seine Entlassung einreichen und dieselbe solange aufrechterhalten, bis er Garantien erhalte, welche den Mächten den Beweis liefern würden, daß er an der Intrige unbeteiligt sei"128. "'Die politischen Interessen des Reichs [würden] an den Unterröcken einer Prinzeß fortgeschleift'" 129, trug er dem Staatssekretär erbost auf, dem Kronprinzenpaar die aus einer solchen Verbindung resultierenden politischen Verwicklungen auseinanderzusetzen. Der Argwohn des Kanzlers war berechtigt. Als er einen Tag nach dem zweiten England-Erlaß (11. Mai 1884) mit dem Gedanken spielte, sich von allen Ämtern zu trennen, nutzte der Prince of Wales die Gelegenheit, um Alexander von Battenberg in ein Zimmer des Neuen Palais zu lotsen. Dort ließ er ihn mit Vicky allein. "Prinzeß Victoria wurde nachher von ihrem Bruder, dem späteren Kaiser W[ilhelm] 11. mit einem neuen Ring am Finger geseh[e]n"130, erinnerte sich Herbert von Bismarck in 12l Vgl. S. 482 dieses Kapitels. Man beachte auch die - im Vorfeld der Erkrankung· völlig an· ders gelagerte Situationsbeschreibung bei Hols/ein: Papiere (Tgb. v. 7. Mai 1884), Bd. 2, S. 151. 12A Prinz Wilhelm an Wilhelm I., Potsdarn, 11. Mai 1884 (GStAPK Ab/. MER, HA, NI. Wilhelm II., Rep. 53 I LiL P Nr. 13, Hervom. im Orig.). 12S Ebd. 126 Ebd.

127 128

129

Stosch an Freytag, Oestrich, 8. Juli 1884 (S/osch: Briefe, Teil 3, S. Holstein: Papiere (Tgb. v. 12. Mai 1884), Bd. 2, S. 154. Ebd.

5).

Notizen und AufzeichnWlgen (Teil 1) H. v. Bismarcks (BA KO, NI. Bismarck, Fe 3018N). Vgl. Wilhelm I. an Augusta (Absehr.), Berlin, 17. Mai 1884, über ein Gespräch mit seinem ältesten Enkel: "Ich bin geradezu entsetzt über das, was er glaubt W1d selbst gesehen W1d beobachtet hat lJe

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seinen ungedruckten Memoiren an die Szene. Anscheinend hatten die Liebenden ihre heimliche Verlobung vom Vorjahr durch den Austausch von Ringen erneuert Kaiserin Augusta ärgerte sich maßlos über den Vertrauensbruch und den Mißbrauch der kaiserlichen Gastfreundschaft durch den englischen Prinzen. Sei ihm das Verbot des Monarchen bekannt gewesen, zürnte sie, "dann ist das Benehmen als Gast unter seinem Dach unerträglich" 131. Habe er nicht davon gehört, hätten Friedrich Wilhelm und ihre Schwiegertochter die Autorität des Kaisers als Familienoberhaupt des Hohenzollern-Hauses sträflich mißachtet. Im Berliner Schloß empfing Kaiser Wilhelm I. Alexander von Battenberg am 11. Mai 1884 zu einer Audienz. Der Monarch klagte über seinen schlechten Gesundheitszustand und sprach sich äußerst mißbilligend über die Dannstädter Mesalliance aus. Schließlich wandte sich das Gespräch noch unerfreulicheren Themen zu. Der Kaiser rief dem Fürsten seine prekäre Situation in Bulgarien ins Gedächtnis zurück und tadelte, er habe sich nicht nur gegen seinen russischen Namensvetter sehr ungeschickt benommen, sondern es auch versäumt, die politische Autorität des Zaren in dieser Region des Balkans zu respektieren. Alexander warf ein, er orientiere sich allein am Leitfaden der Entschließungen des Berliner Kongresses und verfahre nach der Devise "'Bulgarien den Bulgaren"'132. Wilhelm I., der darauf nichts zu erwidern wußte, lenkte die Unterredung auf den angeblichen Schuldenberg, den Alexander angehäuft habe, und bemängelte seinen dubiosen Lebenswandel in Sofia. Obwohl er dem Fürsten eindeutig zu verstehen gab, er sei unter keinen Umständen gewillt, das Deutsche Reich wegen seiner Person ins Unglück zu stürzen, endete das Gespräch einigennaßen versöhnlich. "'So lange ich Kaiser bin, werden Sie gewiß Fürst von Bulgarien bleiben'''133, versicherte ihm der Monarch. Über die beabsichtigte Heirat fiel kein Wort 134. In die anschließende Unterredung zwischen dem Kanzler und dem Battenberger - in den Stunden, als der zweite England-Erlaß ausgefertigt wurde (11. Mai 1884) - mischten sich schrillere Töne. Bei aller persönlichen Sympathie, die er für ihn hege, erklärte Bismarck dem jungen Fürsten, sehe er sich außerstande, ihn gegenüber Rußland zu stützen. Das Frie(den Ring)". (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhelm 1., Rep. 51 I 509b.) Man beachte auch Waldersee (Tgb. v. 10. Juni 1884), S. 240. Siehe ferner Aufz. Augustas, Baden-Baden, 31. Okt. 1884: Aus verläßlicher Quelle und auf sicheren Wegen sei ihr verraten worden, daß in Potsdam während der Anwesenheit des Prince of Wales "wirldich die Verlobung mit Austausch der Ringe stangefunden" habe. (GStAPK Abt. MER, HA, NI. Friedrich III., Rep. 52 W 3 Nr. 4.) \3l Aufz. Augustas, Baden-Baden, [0. T.) Mai 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Friedrich ill., Rep. 52 W 3 Nr. 4). 132 Corti: Leben, S. 173. m Ebd., S. 174. 134 Vgl. Wilhelm I. an Augusta (Absehr.), Berlin, 11. Mai 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhelm 1., Rep. 51 1509b).

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densbedürfnis des deutschen Volkes, womit er die guten Beziehungen zu St. Petersburg meinte, sowie das Unheil und Leid, das ein Krieg mit dem mächtigen östlichen Nachbarn über das Reich schwemmen würde, bestimmten die Politik, zu der er dem Kaiser rate. Auch wenn er die Ohren vor den kursierenden russischen Verleumdungen über ihn verschließe, könnte er ihm nicht helfen. Höchste Tugend auf seiner und abgrundtiefe Unmoral auf der Seite des Zaren vorausgesetzt, wäre er unfähig, die Politik des Kaisers bulgarischen Interessen in antirussischem Sinne unterzuordnen. Alexanders Belange in Bulgarien als einzelnem Deutschen wögen weniger als die von 45 Millionen Bewohnern im Reich 135. Bismarck bezweifelte, ob der Balkanstaat überhaupt ein unabhängiges Gebilde sei. Angesichts der geographischen Lage des Landes sei es nur existenzfähig, wenn es sich an eine größere Macht, womit der Kanzler auf Rußland zielte, anlehne oder einer selbständigen Donau-Konföderation beitrete. Dem Fürsten zeichnete er zwei Auswege, nämlich einen "heroischen und einen utilitarischen"136, aus seiner Situation vor. Ersterer könnte schrecklich enden, während der andere bei einer möglichen Abdankung eine respektable Geldabfmdung verheiße. Wahrscheinlich streute Bismarck den letzten Punkt in das Gespräch ein, weil er fürchtete, die Kronprinzessin könnte ihre Tochter durch den Battenberger "kompromittieren" 137 lassen. Schließlich schnitt Alexander von Battenberg das vom Kanzler bislang sorgsam vermiedene heikle Thema einer für die Festigung seiner Position notwendigen, allgemein dynastisch geachteten Heirat an. Lakonisch empfahl ihm der Kanzler: "Reich und griechisch müßte er heirathen" 138. Dem Bulgaren sagte er auf den Kopf zu, von Gerüchten gehört zu haben, wonach er auf die Liaison mit einer preußischen Prinzessin spekuliere. Entschieden verwahrte er sich gegen solche Absichten: "Ich hielte das politisch für ganz unmöglich und würde in solchem Falle, wenn ich überhaupt dann im Dienst bleiben könnte - genöthigt sein, unsere Politik noch schärfer antibulgarisch einzurichten"139. Seine zukünftige Gattin werde Alexander ins Unglück stürzen, prophezeite der Kanzler, da weder sie noch er Vermögen besäßen. Eilends beteuerte Sandro, man habe ihn in Darmstadt zum er-

135 vgl. Diktat Bismarcks, [Berlin,lI2. Mai 1884 (PA BN, Bulgarien 1 secreta, Bd. 1). Man beachte auch Corti: Leben, S. 178, der die Äußerung des Reichskanzlers - auf einer Aufzeichnung des Gesprächsverlaufs durch Alexander von Banenberg beruhend - wie folgt wiedergibt: "Ich selbst

achte Sie hoch, ich bin aber der Kanzler von 45 Millionen Deutschen, deren Interessen ich nicht jenen eines einzigen Deutschen opfern kiJnn" (HeIVorh. im Orig.). Ähnlich Holstein: Papiere (Tgb. v. 12. Mai 1884), Bd. 2, S. 155. - Die Datierung der Unterredung bei Corti auf den 12. Mai 1884 ist unrichtig (vgl. Holstein: Papiere, Tgb. v. 12. Mai 1884, Bd. 2, S. 155). 136 Diktat Bismarcks, [Berlin,l 12. Mai 1884 (PA BN, Bulgarien 1 secreta, Bd. 1). 1J7 Holstein: Papiere (Tgb. v. 13. Mai 1884), Bd. 2, S. 156. 138 Diktat Bismarcks, [Berlin,lI2. Mai 1884 (PA BN, Bulgarien 1 secreta, Bd. 1). Vgl. Holstein: Papiere (Tgb. v. 12. Mai 1884), Bd. 2, S. 155. 139 Diktat Bismarcks, [Berlin,l 12. Mai 1884 (PA BN, Bulgarien 1 secreta, Bd. 1).

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sten Mal mit Heiratsplänen behelligt. Niemals habe er ein Wort darüber verloren und auf diese Verbindung hingearbeitet I 40. Angesichts dieser Vorkommnisse mußte sich Bismarck in seinem Unbehagen vor den englischen Einflüssen, die unter der Herrschaft Kaiser Friedrichs III. obwalten würden, mehr als bestätigt fühlen. Sein Eindruck von der Unterredung, die er tags zuvor (10. Mai 1884) mit dem Prince of Wales geführt hatte, gipfelte in dem Eindruck, "daß die englische Politik sich zur Aufgabe gestellt hat, uns im Bulgarischen Interesse gegen Rußland zu engagi[e]ren. Wahrscheinlich werden auch die polnischen Beziehungen des Hauses Battenberg (Bozak) in gleicher Richtung wirksam sein"141. Seine unzweideutige Aussage, daß er unter keinen Umständen gewillt sei, die für Deutschland lebenswichtigen Beziehungen zu Rußland wegen einer "Liebschaft der Prinzeß"142 Victoria leichtfertig zu verspielen, habe der englische Thronfolger '''rather hard'" 143 gefunden. Zu allem Überfluß kam hinzu, daß sich Prinz Edward in einem Gespräch mit Paul von Hatzfeldt bemüht hatte, Georg zu Münster vom Londoner Botschafterstuhl zu kippen, indem er anregte, ihn durch den deutschen Gesandten in Belgien, Gustav von Brandenburg, abzulösen. Verwundert meinte der Kanzler zu seinem Staatssekretär, der ihn über diesen neuerlichen englischen Beeinflussungsversuch sogleich in Kenntnis gesetzt hatte: "Ich wäre auch froh, wenn ich hier in Berlin lauter fremde Botschafter hätte, so dumm wie Brandenburg. Mir sagte der Prinz von Wales, mein Sohn sei der geeignete Mann. Ich bemerkte, der sei zu jung, aber S[eine] K[önigliche] H[oheit] wollte das nicht gelten lassen" 144. In einer Unterhaltung mit dem Kronprinzen, die am 12. Mai 1884 stattfand, startete der Kanzler - mit ausdrücklicher Billigung Wilhelms I. - eine Gegenoffensive. Er griff auf eine Anregung des Direktors der russischen kaiserlichen Apanagen, Petr Durnov, und Konstantin Pobedonoscevs, des Generalprokurators des Heiligen Synods, zurück, die beide - anscheinend unabhängig voneinander - eine Verbindung zwischen Thronfolger Nikolaus und einer der Töchter des deutschen Kronprinzenpaars als segensreich für das Verhältnis

140 "Daß [... ) der Bulgare dem Reichskanzler sagte, er denke gar nicht an die Heirat", kommentierte HoJstein diese Behauptung, "bestärln die Richtigkeit der Auffassung, daß der junge Herr wie viele Polen und andere lügt wie gedruckt" (Hals/ein: Papiere, Tgb. v. 12. Mai 1884, Bd. 2, S. 155t). 141 Diktat Bismarcks, [Berlin,) 12. Mai 1884 (PA BN, Bulgarien 1 secreta, Bd. 1). Teilweise gedruckt bei Hals/ein: Papiere, Bd. 2, S. 156, dort Anm. 208. Man beachte auch K. Müller, S. 262, u. Kohl: Regesten, S. 318. - Siehe dagegen Gor/i: Leben, S. 180, u. oben Kap. C. m., S. 14lf, dort Anrn. 2, daß Alexander von Battenberg nicht polnischer Herkunft war. 142 Lucius \Ion Ballhausen (fgb. v. 16. Mai 1884), S. 293. 14]

Ebd.

Hals/ein: Papiere (fgb. v. 13. Mai 1884) Bd. 2, S. 157. Vgl. unten Kap. J. II., S. 528-537, zur Karriereförderung Herbert VOll Bismarcks durch seinen Vater. 144

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zwischen St. Petersburg und Berlin gepriesen hatten l45. Doch wie es Bismarck vorausgeahnt hatte, scheute sich Friedrich Wilhelrn, als eigentliches Familienoberhaupt im Neuen Palais seine Zustimmung zu signalisieren, ohne sich vorher mit seiner Gattin Victoria verständigt zu haben. "Dort werden voraussichtlich eig[e]ne und mütterliche Anglikanismen die deutsche und politische Seite der Frage in ihrer Bedeutung herabdrücken"146, ärgerte sich der Reichskanzler über die Englandhörigkeit des künftigen deutschen Kaiserpaars. "Auch die Diskretion ist dort nicht sicher, die Instanz aber nicht zu umgehen, wenn ich mir eine Meinung über die Möglichkeit bilden will" 147, benachrichtigte er seinen Sohn in St. Petersburg. Wie so oft in Zeiten innen- und außenpolitischer Unsicherheit komplizierte sich die Situation durch den unberechenbaren Gesundheitszustand des Kaisers. Die Erkältungskrankheit vom April hatte Wilhelm I. mittlerweile auskuriert, doch traf ihn Anfang Mai 1884 ein neues Leiden, das seine medizinische Umgebung zunächst ratlos beobachtete l48 . Nachdem der Monarch im Garten des Schlosses Bellevue einen Proberitt für eine Parade absolviert hatte, traten plötzlich starke Unterleibsblutungen auf. Am 10. Mai verboten ihm die Ärzte strikt das Reiten. Der französische Militärattache in Berlin erschrak über den

14S vgl. H. v. Bismarck an Bismarck, St. Petersburg, 23. April 1884 (H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz, S. 233f). Man beachte auch Stamm, S. 52f, der diesen Brief fälschlicherweise auf den 13. April 1884 datiert. - Siehe ferner Wilhelm I. an Augusta (Absehr.), Berlin, 17. Mai 1884 (CSIAPK AbI. MER, H.A., NI. Wilhelm I., Rep. 51 I 509b), u. Notizen und Aufzeichnungen (Teil 1) H. v. Bismarcks (BA KO, NI. Bismarck, FC 3018N). Später berichtete Herbert, die Zarin beabsichtige, eine der jüngeren Töchter des Großherzogs von Hessen-Darmstadt für ihren Sohn als Braut auszuwählen (vgI. H. v. Bismarck an Bismarck, St. Petersburg, 14. Mai 1884, BA KO, NI. Bismarck, FC 3004N). Man beachte auch Stamm, S. 53, dort Anm. 103, u. Corli: Leben, S. 169, der unterstellt, der russische Heiratsplan sei von den Bismarcks initiiert worden. 146 Bismarck an H. v. Bismarck, Berlin, 14. Mai 1884 (H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz, S.237). 147 Ebd. Vgl. Wilhelm I. an Augusta (Abschr.), Berlin, 17. Mai 1884, daß dieser Vorstoß des Kanzlers "neuen trouble im Neuen Palais verursacht" habe (CSIAPK AbI. MER, H.A., NI. Wilhelm I., Rep. 51 1509b). 148 Vgl. Wilhelm I. an Friedrich I. von Baden, 27. April 1884, daß aufgrund seines geschwächten Zustandes der Wiesbadener Friihlingsaufenthalt noch immer gefährdet sei (CLA KA, F.A. Korrespondenz 13, Bd. 44, Nachtragsband 7). Waldersee traf den Monarchen am 2. Mai 1884 "ganz wohl" an (Tgb. Waldersees v. 2. Mai 1884, CSIAPK AbI. MER, NI. Waldersee, Rep. 92 A I Nr. 12), während das »Dt. TagebI.« gleichzeitig meldete, der Kaiser dürfe auf Anraten der Ärzte der Besichtigung des 1. Garderegiments nicht beiwohnen, da sein "Gesundheitszustand noch sehr der Schonung bedarf' (ebd., 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinett, Nr. 609). Obwohl die Ärzte zum Leidwesen Wilhelms 1. zunächst darauf beharrten, er solle nach Wiesbaden reisen, damit er nicht mehr der Verlockung unterliege, an den Militaria teilzunehmen, fuhr der Monarch am 5. Mai 1884 zur Regimentsbesichtigung nach Potsdam (vgl. Baur-Breitenfeld an Mittnacht, Berlin, 5. Mai 1884, HStA S, E 73 Verz. 61 Fasz. 126, provisor. Nr. D 124, u. Wilhelm 1. an Bismarck, Berlin, 7. Mai 1884, Wilhelm l./Bismarclc, S. 327).

31 Riehl

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körperlichen Verfall Wilhelrns I.149, der die ärztliche Anordnung deprimiert aufnahm und sie dennoch leichtsinnig in den Wind schlug. Bei "complette[r] Julihitze"150, wie er es als störend empfand, frönte er nach wie vor seinem üblichen Tagesablauf. Bald wurden die Blutungen so heftig, daß die bereits mehrfach verschobene Frühjahrsreise nach Wiesbaden endgültig abgesagt wurde. Ausschlaggebend war die Angst der Änte, die den Blutverlust kaum zu stillen wußten, daß sich das Leiden während der langen und poltrigen Eisenbahnfahrt verschlimmern wÜTde l51 . Seinem Vorgesetzten in Wien schilderte der österreichisch-ungarische Botschafter Imre Szechenyi eingehend den Krankheitsverlauf Wilhelrns I., der "gottlob keineswegs besorgniserregend" 152 sei, "gleichwohl derselbe als ein Symptom eintretender Altersschwäche betrachtet wird und es demnach fraglich wird, ob der Kaiser in Zukunft die Paraden, Besichtigungen und Manöver zu Pferde, in der Weise wie bisher, werde abhalten können"153. Während sich die Konstitution des Herrschers von Tag zu Tag verschlechterte, berichtete das »Berliner Tageblatt« am 15. Mai 1884 beruhigend, 149 Vgl. Tgb. Friedrich Wilhehns v. 10. Mai 1884 über seinen Vater, "der durch das Nichtreitenkönnen sehr deprimi[e]rt war - es ist also voraussichtlich ein Wendepunkt in seinem militär[ischen] Gewohnheitsleben eingetreten?" (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Friedrich m., Rep. 52 F I Nr. 7x.) Man beachte auch Sancyan Campenon, Berlin, 11. Mai 1884: "L'Empereur m'a paru assez de luimeme, different surtout de ce qu'il etait l'an demier a pareille epoque, pour que je crois devoir vous signaler cette modification notable dans sa personne. Elle frappait surtout ceux qui ne l'avaient pas vu depuis quelques mois. Ses mouvernents etaient plus lents, sa parole moins nette, ses confusions plus frequentes. TI decline evidemment, mais la volonte soutient le corps, et peut-etre cette energie lui fera-t-elle dans quelques semaines regagner le terrain perdu. On sent, dans tous les cas, si les forces tombent, l'homme veut mourir debout". (DDF, Bd. 5, S. 283f.) Siehe ferner Wilhehn I. an Augusta (Absehr.), Berlin, 11. Mai 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhehn I., Rep. 51 I 509b); Baur-Breitenfeld an Mittnacht, Berlin, 15. Mai 1884 (HStA S, E 73 Verz. 61 Fasz. 126, provisor. Nr. D 124), u. Szechenyi an KaInoky, Berlin, 16. Mai 1884 (HHStA W, PA m, Nr. 125). 150 Wilhehn I. an Augusta (Abschr.), Berlin, 11. Mai 1884: "Die Aerzte finden aber, daß ich zuviel gethan hätte!!" (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhehn 1., Rep. 51 I 509b.) Vgl. Holstein: Papiere (Tgb. v. 12. Mai 1884), Bd. 2, S. 153. Man beachte auch Wilhehn I. an Car! Alexander v. Sachsen-Weimar-Eisenach (Teleg./Abschr.), Berlin, 13. Mai 1884, daß er noch immer nicht nach Wiesbaden abgereist sei. "Die Aerzte fangen sogar an, mich ganz hierbehalten zu wollen, da meine Leiden eine große Ruhe gebieten, alle Militärbesichtigungen untersagen, kurzum die Invalidite anfängt". (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhehn 1., Rep. 51 1588 u 1 Lit. S Nr. I, Bd. 10.) In ähnlichem Wortlaut - in einem Telegramm Wilhehns I. an seine Schwester Alexandrine, Berlin, 13. Mai 1884 - überliefert bei WilhelmI.: Briefe, S. 215. 151 Vgl. Tgb. Friedrich Wilhehns v. 13. Mai 1884: "Zu S[einer] M[ajestätl. wo etliche Bestürzung im Vorzimmer herrscht, da sogar beim Essen Blutungen bei S[einer] M[ajestäl] eintreten". (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Friedrich m., Rep. 52 F I Nr. 7x.) Man beachte auch Szechenyi an KaInoky, Berlin, 14. Mai 1884 (HHStA W, PA III, Nr. 125); Tgb. Friedrich Wilhehns v. 14. Mai 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Friedrich m., Rep. 52 F I Nr. 7x); Lerchenfeld-Koefering an Ludwig 11., Berlin, 15. Mai 1884 (HStA M, Abt. 11 MA III, Nr. 2662), u. Baur-Breitenfeld an Mittnacht, Berlin, 15. Mai 1884 (HStA S, E 73 Verz. 61 Fasz. 126, provisor. Nr. D 124). 152 Szechenyi an KaInoky, Berlin, 16. Mai 1884 (HHStA W, PA m, Nr. 125). 1SJ

Ebd.

H. Englandfeindliche Wld antiliberale Attitüden Wld die Banenbergkrise

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nach den wiederholten Verschiebungen der Wiesbadener Reise wegen der Verlängerung des Sozialistengesetzes und der Reaktivierung des Staatsrates werde der Kaiser endgültig auf den Aufenthalt verzichten und sich statt dessen früher zur Kur in Bad Ems und Bad Gastein einfinden. Zu allem Übel gesellte sich zu den Unterleibsbeschwerden noch eine Erkältung hinzu, so daß der hochbetagte Monarch zwei Truppeninspektionen absagte, die der Kronprinz übernahm 154. Der Reitversuch "hat Folgen gehabt[,] die zu großer Vorsicht mahnen"155, berichtete Friedrich Wilhelm seiner Mutter ernst, die daraufhin ihrem Gatten am 19. Mai bekümmert aus Baden-Baden schrieb, sie sei voller Angst über seinen Zustand. "Die Nachrichten[,] welche ich über das Befinden Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm aus zuverlässiger Quelle erhalte"156, meldete der bayerische Gesandte Lerchenfeld-Koefering König Ludwig 11., "lauten nicht befriedigend. Der greise Monarch ist zwar fortgesetzt rüstig und heiter, es findet aber immer von Zeit zu Zeit eine Ausscheidung von Blut im Urin stan, namentlich sobald der Kaiser gerinen oder gefahren ist. Die Ärzte haben die Ursache der Erscheinung nicht ergründet; sie stimmen aber darin überein, daß bei dem hohen Alter seiner Majestät das Symptom ein bedenkliches ist, welches nicht oft sich wiederholen kann, ohne die Kräfte in bedrohlicher Weise zu affici[elren"157. Unglückseligerweise ereilte den Monarchen noch eine sehr lästige Blasenschwäche. Während die Ärzte glaubten, dieses Übel heilen zu können, waren sie sich über die Ursache der Harnblutungen nach wie vor unschlüssig. Sie behalfen sich, indem sie den Bau einer Kutsche für den Kaiser in Auftrag gaben, die mit einer speziellen weichen Federung ausgestattet war, so daß Erschütterungen bei Ausfahrten fortan vermieden wurden. Tatsächlich verschwanden die Blutungen allmählich aufgrund dieser Maßnahme. Ende des Monats fühlte sich Wilhelm I. soweit gekräftigt. daß er zum blanken Entsetzen seiner Umgebung der großen Frühjahrsrevue auf dem Berliner Kreuzberg zu Pferde beiwohnen 154 Vgl. Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 15. u. 17. Mai 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., Ni. Friedrich m., Rep. 52 F I Nr. 7x); Wilhelm I. an Augusta (Absehr.), Berlin, 16. Mai 1884 (ebd., Ni. Wilhelm 1., Rep. 51 I 509b); »Berl. Tagebl.« v. 15. Mai 1884 (ebd., 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinett, Nr. 609); Tgb. des diensnuenden Flügeladjutanten v. 17. Mai 1884 (ebd., H.A., Ni. Wilhelm 1., Rep. 51 Fm 1); Wilhelm 1. an Augusta (Absehr.), Berlin, 18. u. 21. Mai 1884 (ebd., Rep. 51 I 509b), u. Pies sen an Friedrich Wilhelm (Teleg.), Berlin, 22. Mai 1884 (ebd., Ni. Friedrich m., Rep. 52 F lad Nr. 7 x, Rotulus). ISS Friedrich Wilhelm an Augusta, Neues Palais [PotsdamI, 16. Mai 1884 (ebd., H.A., Ni. Friedrich m., Rep. 52 W 3 Nr. 4). Daß die gewöhnlichen Ausfahrten von "unangenehmen Folgen" begleitet seien, sei eine neue ErscheinWlg, die einer genauen Beobachtung seitens der ÄrZ1e bedürfe, ehe sie über deren Ursache schlüssig würden (ebd.). 156 Lerchenfeld-Koefering an Ludwig II., Berlin, 23. Mai 1884 (HStA M, Abt. II MA m, Nr. 2662). Vgl. Augusta an Wilhelm 1., Baden-Baden, 19. Mai 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhelm I., Rep. 51 T Lit. P Nr. 11, Fasz. 36). 15'7 Lerchenfeld-Koefering an Ludwig II., Berlin, 23. Mai 1884 (HStA M, Abt. II MA m, Nr.2662).

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H. Englandfeindliche und antiliberale Attitüden Wld die Battenbergkrise

wollte. Die Bitten der Ärzte, von dem lebensgefährlichen Vorhaben abzulassen, mißachtete er. Als ihn sein langjähriger Leibarzt, Dr. Lauer, bat, das Beispiel Friedrichs des Großen nachzuahmen und die Parade vom offenen Wagen aus zu verfolgen, entgegnete Wilhelm I. unwirsch: "'Ja wohl, [ ... ] aber es war seine letzte Parade, denn wenige Wochen darauf war er tOOt" 158. Zu aller Überraschung meisterte der Kaiser - zu Pferde sitzend - die zweieinhalb Stunden dauernden Strapazen, wie Herbert von Bismarck erleichtert und bewundernd bemerkte, "famos"159. Trotz seiner 87 Jahre und des Krankseins wagte er einen Galopp und wirkte bis zuletzt "frisch und verjüngt"I60. Am nächsten Tag inspizierte er sogar die Potsdamer Truppen. Im Juni gelang es den Ärzten, sowohl die Blasenschwäche als auch die Blutungen ursächlich zu kurieren, wobei ihnen zustatten kam, daß sich der Kaiser ihren Anordnungen endlich fügte l61 . Den ganzen Sommer hindurch erfreute sich Wilhelm I. - abgesehen von den schmerzhaften Blessuren eines Reitunfalls - des besten Wohlergehens, wenn er auch dann und wann über schwindende Kräfte jammerte und trauerte, wie knapp die ihm verbliebene Lebenszeit bemessen sei 162.

158 Szechenyi an Kalnoky, Berlin, 1. Juni 1884 (HHStA W, PA m, Nr. 125). Vgl. Szechenyi an Kalnoky, Berlin, 24. Mai 1884 (ebd.); Tgb. Pindters v. 27. Mai 1884 (PA BN, Nl. Pindter), u. Schultheß (Ende Mai 1884), S. 62. Man beachte auch Baur-Breitenfeld an Mittnacht, Berlin, 28. Mai 1884: "Die Aerzte halten eine solche Anstrengung für lebensgefährlich, scheuen sich aber andererseits dem Kaiser offen zu sagen, daß er überhaupt nicht mehr zu Pferde steigen könne, weil sie befürchten, eine solche Minheilung könnte eine sehr schlimme psychische Wirkung auf den hohen Herrn ausüben". (HStA S, E 73 Verz. 61 Fasz. 126, provisor. Nr. D 124.) Siehe ferner Ga.x:otte, S. 458-464, :rur letzten Truppenparade, die Friedrich der Große abnahm, woraufhin er bald verstarb. 159 H. v. Bismarck an Bismarck, Berlin, 29. Mai 1884 (BA KO, Nl. Bismarck, FC 3011N). Ähnlich W. v. Bismarck an Holstein, Fr[iedrichsruh), 29. Mai [1884) (PA BN, Nl. Holstein, Bd. 25). 160 H. v. Bismarck an Bismarck, Berlin, 29. Mai 1884 (BA KO, Nl. Bismarck, FC 3011N). "Den Kaiser hat die Parade Gonlob garnicht [sic) angegriffen" (ebd.). VgL Ampthill an Granville, Berlin, 31. Mai 1884 (LeII. Berl. Emh., S. 330). 161 Vgl. Marschall von Bieberstein an Turban, Berlin, 30. Mai 1884 (GLA KA, Staatsministerium, Nr. 233-3475), u. Sz6chenyi an KaInoky, Berlin, 1. Juni 1884 (HHStA W, PA m, Nr. 125). 162 Vgl. Szechenyi an Kalnoky, Berlin, 10. u. 14. Juni 1884, über die Agilität des Kaisers während der Grundsteinlegung für das neue Reichstagsgebäude (HHStA W, PA m, Nr. 125). Man beachte auch Schul/heß (13. Juni 1884), S. 66, daß der Kaiser, dem es wesentlich besser gehe,:rur Kur nach Bad Ems abgereist sei. Siehe ferner Wilhelm 1. an Cad Alexander v. Sachsen-Weimar-Eisenach (Teleg./Abschr.), Bad Ems, 24. Juni 1884: "Bei dem immer schlechten Wetter schlägt die Kur Mir hier nicht besonders an". (GStAPK Abt. MER, H.A., Nl. Wilhelm 1., Rep. 51 1588 u 1 lit. S Nr. I, Bd. 10.) VgL Erzherzog Albrecht an Kaiser Franz Joseph, Gmünden, 31. Juli 1884: "Er [d. h. Wilhelrn 1.) scheint, ein baldiges Ende :ru befürchten". (HStA W, Geheimakten des Kabinettsarchivs, Nr. 2.) Dagegen liebe an Jansen, Berlin, 20. Aug. 1884, über den guten Gesundheitszustand des Kaisers (StA OL, Bstd. 132-225). Man beachte auch unten Kap. L 1., S. 545-547.

"Frieden zwischen Wien Wld [St] Petersburg zu erltalten, ist seit Jahren das hauptsächliche Ziel uns[e]rer auswärtigen Politik gewesen, und wird es bleiben müssen; nicht nur die Erltaltung des äußeren Friedens, auch die WahrWlg monarchischer EinrichtWigen gegenüber der in romanischen Staaten und in England wachsenden Macht der republikanischen Tendenzen, sehe ich als die Aufgabe des Bundes an, in welchem das deutsche Reich gegenwärtig mit den heiden östlichen Kaiserstaaten steht"l.

I. Die Entsendung Prinz Wilhelms nach St. Petersburg und der offene Ausbruch der deutsch-englischen Kolonialzwistigkeiten im Mai und Juni 1884 I. Die Entsendung Prinz Wilhelms nach St. Petersburg Verlauf und Ende der englisch-kronprinzlichen Kabalen um den Banenbergischen Heiratsplan schätzte der Reichskanzler für so unüberschaubar ein, daß er zum Zeitpunkt seiner Unterredungen mit dem Fürsten von Bulgarien und dem Prince of Wales eine folgenschwere Erschütterung des russisch-deutschen Verhältnisses befürchtete. Überstürzt telegraphierte Bismarck am 11. Mai 1884 an die Botschaft nach St Petersburg, Prinz Wilhelm werde - entgegen der ursprünglich protokollarisch vereinbarten diplomatischen Vertretung auf Botschafterebene - nach Rußland reisen, um Thronfolger Nikolaus zu dessen Großjährigkeitsfeier persönlich mit dem Schwarzen Adlerorden auszuzeichnen. Tags darauf fragte der Kanzler besorgt bei Kaiser Wilhelm L an, ob dieser es nicht aus "Gründen der Courtoisie, sondern aus solchen der politischen Zweckmäßigkeit"2 für richtig erachte, seine Frühjahrskur in Wiesbaden aufzuschieben. Der Monarch beruhigte ihn, Fürst Alexander habe Berlin bereits verlassen. Eine sensationelle Enthüllung der »Hamburger Nachrichten« brachte die Bombe des Battenbergischen Heiratsprojekts am 13. Mai in der Öffentlichkeit zum Platzen. Sofort wurde die Meldung von den Berliner Blättern fleißig nachgedruckt. Aufgeschreckt bat Wilhelm L den Kanzler, die Gerüchte in einer ofBismarck an Ludwig II., Bad Kissingen, 6. JWli 1885 (Bismarck: GW, Bd. 14,2, S. 959). Bismarck an Wilhelm I. (Absehr.), Berlin, 12. Mai 1884 (BA KO, NI. Bismarck, Fe 2977N). Auf dem Schriftstück befindet sich die Marginalie des Monarchen: "[Alexander von Battenberg] ist abgereist'" (Ebd.) I

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I. Prinz Wilhelm in St. Petersburg und deutsch -englische Kolonialzwistigkeiten

fiziösen Zeitung zu dementieren 3. Vor dem Hintergrund des stagnierenden Staatsratsprojektes, was ihn zusätzlich verunsichern mußte, tobte Bismarck über die "grobe Indiskretion"4. "Die Erfinderin der Intrige seifen] eine Darmstädtische Prinzeß und die Königin von England"5, wetterte er am 16. Mai im preußischen Staatsministerium, "welche einen Keil in die deutsch-russische Freundschaft treiben"6 wollten. Diese Äußerung sowie eine nachträgliche, fast gleichlautende Fonnulierung in den ungedruckten Memoiren seines ältesten Sohnes sind höchst aufschlußreich. Sie ähneln - mit bündnispolitisch umgekehrtem Effekt - der Bemerkung des Kanzlers zu Zar Alexander III. in Skierniewice, wonach die Kolonialpolitik lediglich den Zweck verfolge, einen "Keil zwischen den Kronprinzen und England zu schieben"7. Gemäß dieser Begrün] Vgl. »Hamb. Nachr.« v. 13. Mai 1884 (BA KO, Reichskanzlei R 43F/I442); »Neue Preuß. Ztg.« v. 15. Mai 1884 (ebd.), u. »Post« v. 16. Mai 1884 (GStAPK Abt. MER, 2.2.1. Preußisches Geheimes Zi"ilkabinett, Nr. 609). Man beachte auch Lucius von Bailhausen (fgb. v. 16. Mai 1884), S. 293. über entsprechende Meldungen in der »Kreuz-Ztg.«. u. allgemein Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria. Neues Palais [Potsdaml. 16. Mai 1884 (Victoria: Beloved Mama. S. 166). - Siehe ferner Albedyll an Bismarck. Berlin. 15. Mai 1884 (BA KO. Reichskanzlei R 43F/I442). - Die Kaiserin hoffte inständig: "Möge das Dementi in den Zeitungen nachträglich wirken" (Augusta an Wilhelm 1., Baden-Baden. 19. Mai 1884. GStAPK Abt. MER. H.A.. NI. Wilhelm I .• Rep. 51 TUt. P Nr. 11. Fasz. 36). Noch im Juli 1884 notiene Herben von Bismarck im Auftrage seines Vaters, der Kaiser habe es Alexander von Battenberg sehr verübelt. "daß derselbe durch seine Heirathspläne für eine preußische Prinzessin uns in seine Händel hätte mithineinzieh[eln wollen" (H. v. Bismarck [an AAl. Val7in, 5. Juli [18841. PA BN. Bulgarien 1 secreta. Bd. 1). - Man beachte auch den »Hannov. Cour.« v. 20. Mai 1884. daß die häufige Anwesenheit des Fürsten von Thum und Taxis mit einer 11I Prinzessin Victoria 11I knüpfenden Vemindung in Zusammenhang stehe (GStAPK Abt. MER. Nr. 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinett. Nr. 609). Vielleicht versuchte der Kanzler diesen Plan neben dem russischen Heiratsprojekt - als Gegengewicht rum bulgarischen Heiratsplan in die Waagschale 11I werfen. "Als einer dem jungen Fürsten Taxis nahestehenden Person wurde mir dieser Tage bemerkt. daß es nicht als unwahrscheinlich erscheine. daß von anderer Seite daran gedacht werde. die Prinzessin Victoria mit ihm zu verheirathen. daß aber die Verwandten des Fürsten ihm auf das Entschiedenste abrathen. die Stelle einer An von prince Conson einzunehmen" (Baur-Breitenfeld an Minnacht. Berlin. 28. Mai 1884. HStA S. E 73 Verz. 61. Fasz. 126. provisor. Nr. D 124). 4 Lucius von Ballhausen (Tgb. v. 16. Mai 1884). S. 293. Vgl. Tgb. Pindters v. 16. Mai 1884: "Mit [deml Staatsrath geht nichts vorwäns. Kaiser will den Kronprinzen nicht an dessen Spitze sehen". Wilhelrn I. habe zum Kanzler gesagt: "Sie werden nicht viel Freude daran haben". (PA BN. NI. Pindter.) s Lucius von Ballhausen (fgb. v. 16. Mai 1884). S. 293. 6 Ebd. 7 Holstein: Papiere (fgb. v. 19. Sept. 1884). Bd. 2. S. 174. Vgl. Notizen und Aufzeichnungen (feil 1) H. v. Bismarcks: "Die Ueblingstochter der Queen. Beatrice. hatte ein Auge auf den eleganten Garde du corps Heinrich Banenberg geworfen. u[ndl es war in der englischen Familie bekannt. daß die Kronprinzeß besonderes Gefallen an dem Bulgarenfürsten gefunden hatte u[ndl ihn gern näher herangezogen hätte. Damit nun die englische Königsfamilie sich nicht allein mit den unechten Battenbergern concilli[elren sollte. war die Absicht entstanden, die preußische Königsfamilie auf dieser Bahn voranl1lschieben. Gleichzeitig WlITde damit der für englische Zwecke nützliche Plan verfolgt. in die russisch-deutsche Entente einen Keil zu treiben". (BA KO, NI. Bismarck, FC 3018N, eig. Hervorh.)

I. Die Entsendung Prinz Wilhelrns nach St. Petersburg im Mai 1884

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dung fungierte die publikumswirksame Überseepolitik nicht nur als Instrument, um die innere Liberalisierung des Reiches unter Kaiser Friedrich In. zu vereiteln, sondern sie gab St. Petersburg gleichzeitig zu verstehen, daß genügend Spannungen zwischen Berlin und London existierten, die nach dem Thronwechsel ein antirussisches Abdriften Deutschlands in das außenpolitische Fahrwasser Englands verhinderten. Im Dezember 1884 schrieb der ehemalige russische Botschafter in Berlin, Petr Saburov, dem Privatbankier Bismarcks in diesem Sinne: "Wir begrüßen den Erfolg Ihrer neuen Kolonialpolitik' - wegen ihres antibritischen Charakters"8. Obgleich sich Vicky und Sandro im Neuen Palais verbotenermaßen wiederbegegnet waren und Verlobungsringe ausgetauscht hanen, glaubte Bismarck im Beisein seiner Ministerkollegen optimistisch, das Veto des Monarchen habe alle Hoffnungen der Liebenden vernichtet. Einen Tag nach der Staatsministerialsitzung publizierte die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« das vom Kaiser gewünschte Dementi. Die Meldungen über die geplante Verbindung verwies das Blatt entrüstet in den Bereich der Legende. Hielt es den »Hamburger Nachrichten« wegen ihrer Entfernung von der Hauptstadt zugute, einem Gerücht aufgesessen zu sein, bedachte es die Berliner Journale mit beißender Kritik. Eigentlich sollten sie "mit der Art, in welcher sich Ereignisse wie die fraglichen im königlichen Hause zu vollziehen pflegen, genauer bekannt sein"9, schalt die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung«, "um so unwahrscheinliche Einzelheiten in die Welt zu schicken, wie es bei dieser Gelegenheit geschehen ist"lO. Von der Resonanz der Gegendarstellung im Neuen Palais und am englischen Hofe war Kaiserin Augusta im Gegensatz zu Bismarck, der sich anscheinend bewußt allzu zweckoptimistisch im Staatsministerium geäußert hatte, nicht überzeugt

8 Saburovan Bleichröder, [0. 0.,] 9. Dez. 1884 (zit. nach Stern, S. 571 u. S. 827, dort Amn. 55). - Vergebens bemühte sich der Kronprinz im August 1886, die Reise seines Sohnes nach Polen zu sabotieren, wo er mit dem Zaren zusammentreffen sollte. Beim Kanzler beklagte er sich, man hetze Wilhelrn gegen ihn auf, "um beim Thronwechsel ihn als »altpreußische Fahne« gegen mich zu verwenden; ich nähme ihn[,] den Kanzler[,] aus, auch hielte ich W[ilhelrn] für :ru ehrlich u[nd] zu gut, um sich dazu herzugeben, aber das fortwährende Weihrauch streuen müsse ihn in obigem Sinn verderben" (Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 30. Aug. 1886, GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Friedrich m., Rep. 52 F I Nr. 7z). 9 »NAZ« v. 17. Mai 1884 (GStAPK Abt. MER, 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinett, Nr.609). 10 Ebd. Vgl. Ampthill an Granville, Berlin, 17. Mai 1884 (Lett. Berl. Emb., S. 327). Man beachte auch Baur-Breitenfeld an Mittnacht, Berlin, 26. Mai 1884: "Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung hat vor einigen Tagen ein entschiedenes Dementi der durch mehrere öffentliche Blätter verbreiteten Nachricht gebracht, als ob der Fürst von Bulgarien bei seinem kürzlichen Aufenthalt in Berlin sich um die Hand der Prinzessin Victoria, Tochter des Kronprinzen, beworben habe". (HStA S, E 73 Verz. 61 Fasz. 126, provisor. Nr. D 124.) Ähnlich Szechenyi an KaInoky, Berlin, 24. Mai 1884 (HHStA W, PA m, Nr. 126), u. Ampthill an Granville, Berlin, 17. Mai 1884 (LeII. Berl. Emb., S.327).

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I. Prinz Wilhelm in St. Petersburg und deutsch -englische Kolonialzwistigkeiten

Resignierend billigte sie ihr allenfalls einen den Gang der Affäre verzögernden Effekt zu 11. Oberflächlich betrachtet hatten Kaiser und Kanzler mit ihrem energischen Einschreiten einem Fait accompli vorgebeugt Tatsächlich gärte der Battenbergische Heiratsplan im Verborgenen weiter. Während Wilhelm I. wegen der familiären Turbulenzen jammerte, "es ist zum Verzweifeln!"12, wechselten aufgeregte Briefe zwischen Baden-Baden und Windsor. Kaiserin Augusta warf Queen Victoria vor, ihr Sohn Edward habe trotz der kaiserlichen Warnungen in Darmstadt und Potsdam die Verbindung zwischen Alexander und Vicky begünstigt. Da das Kronprinzenpaar über die ablehnende Haltung des Monarchen infonniert gewesen sei, gab sie zu bedenken, wäre es klüger gewesen, ihre Einwände zu berücksichtigen. Die englische Königin war außer sich über die ungebetene Einmischung in Familieninterna. Schroff entgegnete sie Augusta, sie dürfe von ihr keine Antworten auf Dinge erwarten, die "ich nicht zu discutieren wünsche, da sie nur zu schmerzlichen Begegnungen führen würden"13. Auch pflichte sie keineswegs ihrem negativen Urteil über "Sandro von Bulgarien [bei], da ich durchaus Deine Ansicht nicht teilen kann, indem ich eine hohe Meinung von ihm habe"14. Wegen des unbefugten Eingreifens in preußischdeutsche Angelegenheiten hätte die Kaiserin den Prince of Wales nur zu gern zur Rechenschaft gezogen, doch erschien es ihr aus Gründen der Diskretion fraglich, wie man dabei verfahren sollte. Ihren Gemahl flehte Augusta an, vor der Schwiegertochter auf der Hut zu sein und Standhaftigkeit zu demonstrieren, damit sie begreife, daß man sich von ihr nicht umgarnen lasse, sondern felsenfest auf der eigenen Überzeugung beharre l5 . Angesichts dieser Zwistigkeiten, die im Falle des Thronwechsels leicht in ernste außen- und innenpolitische Komplikationen münden konnten und zu al11 Aufz. Augustas, Baden-Baden, [0. T.I Mai 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Friedrich III., Rep. 52 W 3 Nr. 4). 12 Wilhelm I. an Augusta (Abschr.), Berlin, 17. Mai 1884 (ebd., NI. Wilhelm 1., Rep. 51 I 509b). 13 Queen Victoria an Augusta (Abschr./Ausz.), [0. 0.,1 26. Mai 1884 (ebd., NI. Friedrich III., Rep. 52 W 3 Nr. 4). Vgl. Augusta an Queen Victoria (Abschr./Ausz.), B[aden-IB[adenl, 17. Mai 1884 (ebd.). Man beachte auch Queen Victoria an Kronprinzessin Victoria, Windsor Castle, 21. Mai 1884: "Whereas the Empress who launched out in a letter, quite uncalled for, to me that on account of the parents she and the Emperor would never consent to such a marriage". (Victoria: Beloved Mama, S. 166f.) 14 Queen Victoria an Augusta (Abschr./Ausz.), [0.0.,126. Mai 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Friedrich ill., Rep. 52 W 3 Nr. 4, Hervorh. im Orig.). Vgl. Augusta an Queen Victoria (Abschr./Ausz.), [0.0.,131. Mai 1884: Es berühre sie "schmerzlich", daß sie in diesem Punkt uneins seien. Sie habe sich aber nicht abträglich über Alexander geäußert, da sie ihn "wenig" kenne. (Ebd.) Man beachte auch Corti: Sendung, 5.371. 15 Vgl. Augusta an Wilhelm I., Baden-Baden, 21. u. 24. Mai 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhelm I., Rep. 51 T Lit. P Nr. 11, Fasz. 36).

1. Die Entsendung Prinz Wilhelms nach S1. Petersburg im Mai 1884

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lern Übel publik geworden waren, stufte der Kanzler die Reise Prinz Wilhelms nach St. Petersburg als eminent wichtig ein. Zum ersten Mal bot er die dritte Generation des kaiserlichen Hauses als Schachfigur in der Schlacht gegen die englischen Einflüsse aufl6. Damals verehrte der 25jährige den Reichsgründer noch abgöttisch, und dieser wußte die Bewunderung durch den »Hohen Erlaß« vom Januar 1882, mittels gelegentlicher beiderseitiger Besuche und anderer Freundlichkeiten zu steigern, so daß das Thronfolgerpaar darüber vor Wut schäumte. Zum Ergötzen "Tausende[r] von Sonntagsspaziergängern"17 hatte Wilhelm den Kanzler am 27. April 1884 eingeladen, ihn zum Kaiser zu kutschieren. Ironisch kommentierte Friedrich von Holstein das Ereignis: "Der Kronprinz, falls er's in der Zeitung liest, wird weniger erbaut sein" 18. Die latente Englandfeindlichkeit des Prinzen, die vermutlich wegen der »Battenbergerei« just in diesem Moment ungestüm bei ihm hervorbrach, leitete der Reichskanzler auf seine eigenen politischen Mühlen, indem er ihn mit Billigung des Kaisers in die russische Hauptstadt entsandte. Der Reise des auf diplomatischem Parkett unerfahrenen Prinzen haftete etwas Ungewöhnliches an 19 . Noch im Jahr zuvor hatte der Reichskanzler den Kronprinzen, den man 16 Vgl. Bismarck an Prinz WilheIm, Berlin, 24. Dezember 1881: "Ich bin sicher[,] meinen Kindern die Treue zu erwerben[,] mit der ich meinem Königlichen Herrn IDld Seinem Hause ergeben bin, und in Eurer Königlichen Hoheit huldreichem Geschenk [d. h. einern Bild des Prinzen samt Widmung] erblicke ich eine Verheißung, daß auch meine Kinder dereinst auf dem Throo die gnädige Gesinnung wiederfinden werden, deren ich mich heut[e] erfreue". (GStAPK B, BPH, NI. Wilhelm TI., Rep. 53, Nr. 132). Man beachte auch Szecbenyi an KaInoky, Berlin, 11. März 1882 (HHStA W, PA m, Nr. 123). Siehe ferner Eulenburg-Hertefeld: Aus 50 Jahren (Tgb. v. 20./21. Aug. 1883), S. 116: "Der Kronprinz ärgert sich über jeden Besuch, den dieser bei ihm macht! Das ist ein trauriges Zeichen für den Vater". VgI. oben Kap. B., S. 7Of, dort Anrn. 53. In seinen Erinnerungen vermerkte Friedrich von Holstein - jedoch für das Jahr 1886: Bismarck und sein ältester Sohn benutzten den Prinzen "als Stützpunkt gegen liberalisierende und soost bedenkliche Tendenzen der Kronprinzeß, die nach den Gesetzen der Natur doch in nicht allzu langer Zeit zur Macht kommen mußte" (Holstein: Papiere, Bd. I, S. 136). Man beachte auch Normann an Freytag, 01denburg, 1. Jan. 1886 (HeyderhoJf1Wentzclce, Bd. 2, S. 424). 17 Holstein: Papiere (Tgb. v. 27. April 1884), Bd. 2, S. 138. 18 Ebd. Vgl. Kohl: Regesten, S. 314. 19 Vgl. Wilhelm ll.: Ereignisse, S. 11. - Ein Adjutant des Prinzen, Adolf voo Bülow, vertraute Herbert voo Bismarck in St Petersburg an: '''Sie sehen jetzt den Prinzen at his vel)' best in diesen Tagen, er fühlt sich noch unsicher, er hält sich in diesem Geschäft an guten Rath, da er zu reüssi[e]ren wünscht. Die hiesige Behandlung gefällt ihmvoTZÜglich. Bei seinen Eltern wird er stets gedrückt u[nd] als grüner Junge behandelt, während ihm hier in überreichem Maße alle Ehren eines directen Thronfolgers III Theil werden .... (Notizen und Aufzeichnungen, Teil I, H. v. Bisrnarcks, BA KO, NI. Bismarck, Fe 3018N.) - Zur Englandfeindlichkeit Wilhelms in jener Zeit vgl. Lucius von Ballhausen (Tgb. v. 28. April 1884), S. 292f. Sie dokmnentiert sich in einem Buch, das ihm der Prinz geliehen hatte: "Alle straff royalistischen preußischen Äußerungen und solche, welche abfällig über englische Politik lauteten, waren angestrichen und mit zustimmenden BemerklDlgen versehen. [...] Der Satz [aus dem Munde Bismarcks]: 'Alles war gegen mich, die Damen unseres Hofes, die Liberalen, die Engländer' war dick unterstrichen". - Höchst auffällig war, daß sich die übrigen Staaten mit der Repräsentatioo durch ihre akkreditierten Vertreter begnügten, wogegen aus

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1. Prinz Wilhelm in SL Petersburg und deutsch-englische Kolonialzwistigkeiten

dieses Mal im Berliner Schloß und in der Wilhelmstraße stillschweigend überging, mit der Mission nach Spanien und Italien betraut, während nun seinem Sohn die Ehre zuteil wurde, zu einem bedeutenden Unternehmen auserkoren zu sein. Die Eltern, die von der Rußlandfahrt in letzter Minute hörten, reagierten gereizt Äußerlich ruhig fügte sich Friedrich Wilhelm in die Entscheidung, während Victoria bei der Kaiserin familiäre Bedenken vorschützte. Eifersucht, einer »übersprungenen Generation« zugerechnet zu werden 20, und die Gewißheit, daß sich Wilhelm, mit dem die Eltern politisch niemals harmonierten, in S1. Petersburg als Gegner Alexander von Battenbergs einführen werde, prägten ihre Opposition 21 . Die hastige Ankündigung der Reise am 11. Mai 1884 - die Großjährigkeitsfeier Nikolaus' fand eine Woche später statt - läßt vermuten, daß sie ausschließlich dazu diente, den "Stein des Anstoßes zwischen Berlin u[nd] [St.] Petersburg"22, nämlich das russische Unbehagen bezüglich der bedrohlichen Deutschland plötzlich eigens ein kaiserlicher Prinz anreiste. Am österreichfeindlichen Hof an der Neva spöttelte man, "daß man aus Wien nun wohl nachklappen würde" (H. v. Bismarck an W. v. Bismarck, St. Petersburg, 13. Mai 1884, H. v. Bismarclc Privatkorrespondenz, S. 236 u. S. 237, dort Arun.2). 20 Vgl. oben Kap. C. ll., S. 134, dort Arun. 31. 21 Vgl. Holstein: Papiere (Tgb. v. 6. Juni 1884), Bd. 2, S. 166. Es erscheint methodisch legitim zu sein, die nachträglichen Reaktionen des Kronprinzenpaars auf die Rußland-Reise auch auf den Zeitpunkt »ante quem« anzuwenden. - Verärgert monierte der Kronprinz in einem Brief an seine Mutter, von der Entsendung seines ältesten Sohnes nach SL Petersburg erst per Zufall erfahren zu haben. Er, d. h. Friedrich Wilhelm, sei "nicht wenig überrascht" gewesen. Zwar freue er sich über ein Zeichen der Freundschaft an die Adresse Rußlands und daß Wilhelm dazu auserwählt worden sei, doch kritisierte er, sein Sohn fahre völlig unvorbereitet und nur für die Dauer weniger Tage in ein Land, das "ziemlich studiert sein will, ehe man es begreift". (Friedrich Wilhelm an Augusta, Neues Palais !Potsdam). 16. Mai 1884, GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Friedrich ill., Rep. 52 W 3 Nr. 4.) Vgl. Victoria an Augusta, Neues Palais Potsdam, 19. Mai 1884: "Die Reise von Wilhelm nach Rußland kam uns sehr überraschend und war mir gar nicht recht". (Ebd., Rep. 52 T Nr. 12f 1881-1884.) Man beachte auch Corti: Sendung, S. 37Of, der die Äußerung des Kronprinzen überliefert: "1ch staune, starr und stumm, da ich von nichts geahnt habe"'. Resigniert hatte Victoria bereits im VOIjahr an ihren Gatten geschrieben: "Es thut mir leid um die schönen vielen Worte[,1 die Du an Wilhelm verschwendet hast. Sein rücksichtsloses Benehmen gegen uns, entspringt aus seinem Bodenlosen [sicl Egoismus u[ndl seiner Herzlosiglceit und aus seiner BequemJichlceit [... 1. Es sind Jahre vergangen[,1 ohne daß ich Politik mit ihm besprochen hätte, ich vermeide es grundsätzlich! Polilik wäre auch das Letzte[.) was ich in einem Brief von ihm verlangte, oder ihm gar schreiben würde. Ein Bischen [sicllnteresse[,1 Wärme u[ndl Theilnahme sind das einzige!,1 was ich von ihm erhoffe!" (Victoria an Friedrich Wilhelm, Wiesbaden, 14. Nov. 1883, Schi. Fasan., NI. Friedrich ill., Hervorh. im Orig.) - Vgl. Schweinitz: Denkwürdigkeiten (Tgb. v. 12. Mai 1884), Bd. 2, S. 273: "Noch am Abend zuvor hatte ich einen Erlaß bekommen, in welchem ich beauftragt wurde, jene Insignien an dem demselben Tage wie mein österreichischer Kollege zu überbringen. [...1 Die überraschende Sinnesänderung dort !d. h. in BerlinI muß am 10. abends oder am 11. früh erfolgt sein". Tadelnd bemerkte der Botschafter: "Man stört meine Kreise, indem man Rußland durch übertriebene Aufmerksamkeiten zu der gefährlichen Täuschung verleitet, daß wir Österreich fallen lassen" . (Ebd.) 22 Notizen und Aufzeichnungen (Teil 1) H. v. Bismarcks (BA KO, NI. Bismarck, FC 3018N).

I. Die Entsendung Prinz Wilhelrns nach St. Petersburg im Mai 1884

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Battenbergischem Heirat, zu beseitigen und das wache Mißtrauen des Zaren gegenüber den anglophilen Aspirationen eines liberalen Regiments unter Kaiser Friedrich III. einzuschläfern. Vor der Abfahrt erläuterte der Kanzler dem Prinzen, daß das "Heiratsprojekt eine englisch-polnisch-ultramontane Intrige sei mit der Tendenz"23, Deutschland und Rußland zu entzweien. Politische Themen solle er aus eigenem Antrieb nicht anschneiden, sondern geduldig warten, bis Alexander III. das Gespräch darauf lenken werde 24. Kurz vor der Ankunft Wilhelms an der Neva erreichte Herbert von Bismarck Mitte Mai 1884 ein langes Schreiben aus Berlin. Es war der erste Brief, wie Herbert Botschafter Lothar von Schweinitz freudig verriet, den ihm sein Vater eigenhändig seit seiner schweren Verwundung im deutsch-französischen Krieg geschrieben hatte25 . Der Seltenheitswert dieses persönlichen Dokuments erhöht die politische Bedeutung der darin enthaltenen Mitteilungen. Der Fürst bat den Sohn, den Beratern des Zaren, Petr Dumov und Konstantin Pobedonoscev, zu sagen, ihr Vorschlag, den russischen Thronfolger mit einer Prinzessin aus dem Hohenzollern-Haus zu vermählen, habe bei Kaiser Wilhelm I. Anklang gefunden. Der Übertritt der Braut zur griechisch-orthodoxen Kirche sei kein unüberwindliches Hindernis, und die deutsche Nation werde eine solche Heirat willkommen heißen, "weil der Friede mit Rußland populär ist. Widerstand wäre nur vom englischen Einfluß am Hofe zu erwanen. Die englische Politik habe die Fortdauer der Verstimmung Rußlands gegen Deutschland nötig, unter deren Regime Gladstone ans Ruder kam. Die deutsch-russische Freundschaft paßt ihr nicht, und sie wieder zu stören, ist die Hauptaufgabe englischer Politik, soweit eine solche unter Gladstone überhaupt getrieben wird, im Auswärtigen nämlich. Der neuste truc, der zu diesem Behufe in Anwendung kommt, ist der stürmische Versuch, eine Heirat zwischen dem Fürsten von Bulgarien und unserer Prinzeß Victoria zustande zu bringen. Gelänge es, so meint man damit die dynastische Politik unseres Hauses in Sofia in antirussischer Richtung festzulegen ·und dort den archimedischen Punkt gefunden zu haben, um uns[e)re russische Freundschaft aus den Angeln zu heben,,26.

Ho/stein: Papiere (Tgb. v. 6. Juni 1884), Bd. 2, S. 166. Aufz. H. v. Bismarcks, Herbst 1891 (BA KO, NI. Bismarck, Fe 3018N). Man beachte auch eine BemeIkung Waldersees zu Lucius von Ballhausen, es sei Prinz Wilhelrns Aufgabe gewesen, bezüglich Alexander von Battenbergs die völlige deutsche Indifferenz zu versichern (vgl. Lucius von Bai/hausen, Tgb. v. 28. Nov. 1886, S. 358). 25 Vgl. H. v. Bismarclc Privatkorrespondenz, S. 239, dort Anm. 1, u. SchweiniJz: Denkwürdigkeiten (Tgb. v. 12. Mai), Bd. 2, S. 273f. 26 Bismarck an H. v. Bismarck, Berlin, 14. Mai 1884 (H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz, S. 238, Hervorh. im Orig.). Vgl. Baur-Breitenfeld an Mittnacht, Berlin, 26. Mai 1884: "Der Reichskanzler war gleichfalls aufs Entschiedenste gegen diesen Gedanken eingenommen. - Er betrachtete das englische Projekt als eine Intrigue, um Deutschland zu nöthigen, wenn eine preußische Prinzessin den Fürstenstuhl von Bulgarien bestiegen hätte, den Fürsten, selbst gegen Russland, in Sophia [sic) zu halten und um auf diese Weise einen Keim von Feindschaft zwischen Deutschland und Russland zu säen". (HStA S, E 73 Verz. 61 Fasz. 126, provisor. Nr. D 124.) 23

~

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I. Prinz Wilhelrn in St. Petersburg IDld deutsch-englische Kolonialzwistigkeiten

Bildet die außenpolitische Seite der »Kronprinzen-These« in Anbetracht der bangen Erwartung des Thronwechsels seit Dezember 1883 - samt ihrer chronologischen und kausalen Verknüpfung mit den verfassungsrechtlichen Offensivstrategien gegen den künftigen Kaiser Friedrich III. - ein akzeptables Erklärungsmodell für den Eintritt in die Kolonialpolitik, mußte sie dem Kanzler aufgrund der battenbergisch-englischen Kabalen im Mai 1884 mehr denn je als probates Kampfmittel erscheinen, um die innen- und außenpolitische Anglophilie des Thronfolgerpaars in der deutschen Öffentlichkeit zu diskreditieren. Die Heiratsintrige sei mit einer gewissen Raffmesse gesponnen, räumte Bismarck in dem Brief an seinen Sohn ein. In ihr vermute er das eigentliche Motiv des Besuchs Queen Victorias in Darmstadt und der Weiterreise des Prince of Wales nach Berlin. "Der Fürst Alexander ist dazu nach Darmstadt zitiert und durch englische Instruktion, gegen den Willen des Kaisers, hierher dirigiert worden. Prinz Wales patronisierte hier ihn und die Heirat"27. Wilhelm I. habe die Verbindung untersagt, während der Kronprinz, der die Battenbergische Familie wegen ihrer niedrigen Herkunft verachte, wankelmütig geworden sei. "Von anderer Seite wird mit Leidenschaft daran gearbeitet; ich habe erklärt, daß ich mein Amt niederlegen würde, wenn mir dieser politische Querstrich gemacht werden sollte"28. Um russische Mißverständnisse über die eindeutig ablehnende Position der Reichsleitung in diesem Komplott von Anfang an zu ersticken, bat Bismarck den Sohn, er solle Außenminister Giers oder eine andere Person seines Vertrauens in die Berliner Ereignisse einweihen 29. Mit Lothar von Schweinitz erörterte Herbert den - was die Gefahr der englischen Einflüsse anbelangte - bemerkenswert freimütigen Brief des Kanzlers. Jetzt begriff der Botschafter, warum man in einer überhasteten Aktion eigens Prinz Wilhelm - unter Umgehung des künftigen deutschen Kaisers - für die St Petersburger Mission ausgewählt hatte. Ihm dämmerte, "daß der Gedanke, der Kronprinz könne auf den Thron verzichten und sich mit einer behaglichen Existenz als reicher Privatmann begnügen, in manchen Köpfen Raum gefunden

TI

Bismarck an H. v. Bismarck, Berlin,

238, Hervorh. im Orig.).

14. Mai 1884 (H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz, S.

2lI Ebd. Vgl. Wilhelrn I. an Augusta (Absehr.), Berlin, 17. Mai 1884, über seine Unterredung mit seinem ältesten Enkel: "Er schildert seines Vaters StimmlDlg äußerst geknickt[,] aber alles glaubend[,] was Vicky [d. h. die Kronprinzessin] ihn glauben macht". (GStAPK AbI. MER, HA, NI. Wilhe1rn 1., Rep. 51 I 509b.) Man beachte auch Szechenyi an KaInoky, Berlin, 24. Mai 1884: Die Kronprinzessin, die bei der Verheiratung ihrer Töchter "ihre eigenen IDld eigenthümlichen Wege zu gehen liebt, sei dafür gewesen; der Kronprinz zwar nicht dafürI,l aber auch nicht ganz dawider". (HHStA W, PA m, Nr. 126.) 29 Vgl. Corli: Leben, S. 18Of, u. WituUlband: Großmächte, S. 571-573. - Ein ungenannter russischer Freund des Kanzlersobns spöttelte, man solle Prinzessin Victoria mit dem Prinzen Waldemar von Dänemark verheiraten (vgl. Aufz. H. v. Bismarcks, Ausz., St. Petersburg, 24. Mai 1884, PA BN, Bulgarien 1 secreta, Bd. I).

I. Die Entsendung Prinz Wilhelrns nach St. Petersburg im Mai 1884

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hat"30. Als !reuer Anhänger Friedrich Wilhelms warnte er Herbert von Bismarck, "daß das Königtum von Gottes Gnaden keine willkürlichen Eingriffe dulde, und man nur im äußersten Notfalle das Mittel anwenden dürfe, welches im Jahre 1848 in Österreich vielleicht nicht zu umgehen war"31. In der russischen Hauptstadt erwartete man den jungen Prinzen mit Spannung. Nachdem er angekommen war, fragte er Herbert von Bismarck - aufgrund widersprüchlicher Auskünfte des Militärattaches Werder und Schweinitz' verunsichert -, wie er sich Zar Alexander III. gegenüber verhalten solle. Der Kanzlersohn, der Wilhelm bei dieser Gelegenheit kennenlernte, legte ihm ans Herz, sich dem Monarchen vorsichtig zu nähern, aufrichtig zu sein und Interesse am St Petersburger Leben zu bekunden. "Ew[er] [Hoheit] werden von ihm sehr gut empfangen werden"32, versprach er, "denn er sieht in Ihnen einmal den alten Kaiser redivi[e]ren, u[nd] dann ist ihm die Stellung bekannt, die Ew[er] [Hoheit] persönlich in der Battenberg-Sache einnehmen"33. Erleichtert registrierte der Prinz, daß das entschiedene Dementi in der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung« die erhitzten Gemüter am Zarenhof beschwichtigt hatte 34. Zum großen Groll des deutschen Botschafters unterhielt er sich allein mit Alexander III. und besprach sich auch mit Außenminister Nikolaj Giers unter vier Augen, so daß Schweinitz gezwungen war, seine Informationen für die Berichterstattung nach Berlin umständlich aus den Wahrnehmungen der Gesprächspartner des Prinzen zu schöpfen. Aussagen über das eigentliche antienglische Anliegen der Reise befinden sich daher nicht in den Akten. Wilhelm verpfändete dem Zaren sein Wort, daß das Battenbergische Heiratsprojekt auf Schweinitz: Denkwürdigkeiten (Tgb. v. 12. Mai 1884), Bd. 2, S. 274. Ebd. V g1. Hantsch, S. 321-352, bes. S. 331-333, zu den Ereignissen in Österreich im Revolutionsjahr 1848. 32 Notizen und Aufzeichnungen (Teil 1) H. v. Bismarcks (BA KO, NI. Bismarck, FC 30 18N). 33 Ebd. Vgl. H. v. Bismarck an W. v. Bismarck, St. Petersburg, 13. Mai 1884 (H. v. Bismarclc Privatkorrespondenz, S. 236). Man beachte auch H. v. Bismarck an Johanna v. Bismarck, St. Petersburg, 14. Mai 1884: "Der junge Herr hat bereits ein gewaltiges prestige [siel, möge es so weitergeh[eln". (BA KO, NI. Bismarck, FC 3006.) Siehe ferner den Brief Herberts an den Prinzen, worin er sich für ein signiertes Bild bedankte. Das Geschenk habe ihn "beschämt" und mit "größtem Stolz" erfüllt. "Die Worte unter dem Bilde machen dasselbe für mich zu dem werthvol1sten [!I Besitze, den ich habe, und ich vermag es nicht auszudrücken, wie glücklich mich Euere Königliche Hoheit gemacht haben". Die St. Petersburger Mission sei ein "dauerndes historisches Merkmal", und "wenn Gon mir das Leben läßt, wird es stets mein einziger [!I Ehrgeiz bleiben, Höchstdenselben für alle Zukunft zu Befehle zu stehen und mit allen meinen schwachen Kräften zu dienen". (H. v. Bismarck an Prinz Wilhelrn, London, 27. Juni 1884, GStAPK B, BPH, NI. Wilhelm 11., Rep. 53, Nr. 142.) Vgl. Stamm, S. 51 u. 206, u. H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz (Einl. BussmaM), 30

31

S.57.

34 Vgl. Prinz Wilhelm an Wilhelm I., Winterpalais ISt. PetersburgI, 18. Mai 1884 (WiJhelm ll.: Aus meinem Leben, S. 378). Man beachte auch Schweinitz an seine Frau, ISt. Petersburg,l 18. Mai 1884: "Diese verwünschte bulgarische Heiratsgeschichte steht heute in der norddeutschen [Allgemeinenl Zeitung". (Schweinitz: Briefwechsel, S. 204.)

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1. Prinz Wilhelrn in St. Pete~burg Wld deutsch-englische Kolonialzwistigkeiten

brüske Ablehnung am deutschen Kaiserhof gestoßen sei. Das Reich interessiere sich nicht im geringsten für Bulgarien und das Schicksal seines Landesherrn. Diese Beteuerungen befriedigten Alexander III. Konform mit den abfaIligen Bemerkungen des Kanzlers äußerte sich Wilhelm über den Battenberger und verstand es sogar, den Zaren für die in Rußland ungeliebte Doppelmonarchie zu erwärmen35 . Erstmals seit seinem Regierungsantritt habe Alexander III. ausdrücklich von den drei Kaisermächten gesprochen, berichtete der Prinz seinem Großvater stolz, die als "Bastion gegen die heranstürmenden Wellen der Anarchie und liberalisi[e]renden Demokratie"36 dienen sollten. Dieser Satz beweist von neuern, wie sehr der Bismarck-Cercle fürchtete, Deutschland werde sich unter Kaiser Friedrich III. innen- und außenpolitisch am gladstonianischen England orientieren. Während seines Aufenthaltes in St. Petersburg schimpfte Wilhelm, wie Friedrich von Holstein nachträglich erfuhr, außerdem ungeniert, daß seine Mutter "niemals Preußin geworden, sondern ganz Engländerin geblieben sei. Es sei deshalb kaum zu vermeiden, daß es unter der nächsten Regierung zwischen ihr und dem Kanzler [... ] zur Krisis komme. Der Kaiser, d. h. der heutige Kronprinz, könne sich vielleicht 'zur Trennung von seiner Gemahlin' genötigt sehen"37. Kurz vor seiner Rückkehr nach Berlin, von wo aus er bald nach London aufbrechen sollte, um den deutschen Kolonialansprüchen energisch Nachdruck zu verleihen, konferierte Herbert von Bismarck mit Nikolaj Giers über die "polnisch-hessisch-battenberg[i)sch-englischen Intriguen" 38. Beide stimmten 35 Vgl. Schweinitz an Bismarck, St. Pete~burg, 20. u. 21. Mai 1884 (GP, Bd. 3, S. 339f). Man beachte auch Schweinitz an seine Frau, [St. Petersburg,] 19. u. 28. Mai 1884 (Schweinitz: Briefwechsel, S. 205f); Prinz Wilhelrn an Wilhe1rn 1., Winterpalais [St. Petersburg], 19. Mai 1884 (WilheimlI.: Aus meinem Leben, S. 378f), u. Waldersee (Tgb. v. 10. Juni 1884), S. 24Of. 36 Prinz Wilhelrn an Wilhelrn 1., St. Pete~burg, 22. Mai 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhelm II., Rep. 53 I li1. P Nr. 13). Vgl. Wilhelm //.: Aus meinem Leben, S. 384. Auf diesem Brief beruhend schrieb der Kaiser aus der Retrope~pektive in seinen Memoiren: "Auftragsgemäß habe ich besonde~ mit der auf die Mentalität des Zaren berechneten BegriindWlg gearbeitet, daß die drei Kaiserrnächte gemeinsam gegen die Anarchie kämpfen müßten oder, wie ich es mit einem vom Fü~ten Bismarck gebrauchten Symbol ausdruckte: die drei Kaiserreiche müßten als dreiseitige Bastion gegen die heran stürmenden Wellen der Anarchie und liberalisierenden Demokratie zusammenstehen". (Ebd., S. 298f.) Man beachte auch Schweinitz an seine Frau, [S1. Pete~burg,] 19. Mai 1884: "Die törichte Verlobungsgeschichte ist sehr offen besprochen worden. Außerdem aber hat unser jWlger Herr klar Wld entschieden dargelegt, daß man zu 'Dreien' gegen die Revolution kämpfen müsse". (Schweinitz: Briefwechsel, S. 205.) Siehe ferner Notizen und AufzeichnWlgen (Teil I) H. v. Bisrnarcks über sein Eingangsgespräch mit Prinz Wilhelrn: Er "streifte dabei die Banenberger Heiratsintrigue, über die mir der Prinz in seiner drastischen Art manche interessanten Einzelheiten erzählte". (BA KO, NI. Bisrnarck, FC 3018N.) 31 Holstein: Papiere (Tgb. v. 6. Juni 1884), Bd. 2, S. 167. 38 Notizen und Aufzeichnungen (Teil I) H. v. Bismarcks (BA KO, NI. Bismarck, FC 3018N). Vgl. Tgb. H. v. Bisrnarcks v. 18. Mai 1884: "Mit Gie~ kurz wegen Blödsinn des bulg[arischen] Heiratsprojekts gesprochen". (BiAR FRH, Bstd. 048.)

I. Die Entsendung Prinz Wilhelms nach St. Petersburg im Mai 1884

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grundsätzlich hinsichtlich Ursprungs, Ziels und künftiger Behandlung des bulgarischen Heiratsprojektes überein. Trotzdem blieb das Mißtrauen des Russen wach. Noch gegen Ende des Jahres unterrichtete Bernhard von Bülow den Kanzlersohn, sein Vorgesetzter Lothar von Schweinitz sei erstaunt, welch fundamentale Bedeutung Giers der »Battenbergerei« zumesse. Keineswegs sei es übertrieben zu behaupten, daß Zar Alexander erst volles Vertrauen zu der deutschen Politik gefaßt habe, nachdem Bismarck die englischen Machenschaften durchkreuzt habe. Die starke antienglische Komponente der Reise Prinz Wilhelms faßte der österreichisch-ungarische Botschafter in St. Petersburg, Anton von Wolkenstein-Trostburg, am 24. Mai 1884 in einem Privatbrief an Gustav Kalnoky zusammen: "Es wurde mir [...] mitgetheilt, daß Prinz Wilhelm dem russischen Kaiser gegenüber auch auf England und seine Politik zu sprechen kam, und sich in einem England feindlichen Sinne ausgesprochen habe. Der Prinz soll den Kaiser Alexander mit großer Offenheit vor England gewarnt haben, darauf hinweisend, daß es stets ein Bestreben der englischen Politik wäre, Zerwürfnisse zwischen Rußland und Deutschland herauf zu beschwören,,39.

Auch wenn sich das Kronprinzenpaar ostentativ "sehr liebenswürdig u[nd] entgegenkommend"40, wie Herbert von Bismarck - gerade in Berlin eingetroffen - erstaunt registrierte, ihm gegenüber benahm, steckte der Zornesstachel tief in Victoria. Über den Kanzler war sie nicht nur erbittert, da er ihre Heiratsfäden verwirrt hatte, sondern weil er versuchte, sie und ihren Gatten wegen ihrer liberalen und englandfreundlichen Gesinnung in Verruf zu bringen. Aus verläßlicher Quelle erfuhr der württembergische Gesandte Baur-Breitenfeld Ende Mai 1884, Friedrich Wilhelm lehne es neuerdings sogar ab, dem Staatsrat zu präsidieren 41 . Mehr denn je mußte der Reichskanzler also alle Bestrebungen,

39 Wolkenstein-Trostburg an KaInoky, St. Petersburg, 24. Mai 1884 (HHStA W, PA X, Nr. 80). Vgl. Cor/i: Alexander, S. 169. Man beachte auch B. v. Bülowan H. v. Bismarck, St. Petersburg, 29. Dez. 1884: Giers sei bestrebt, Alexander von Battenberg so schnell wie möglich mit einer Prinzessin aus griechisch-orthodoxem Hause zu vennählen. (BA KO, NI. Bismarck, Fe 2958N.) Siehe ferner unten Kap. K., S. 541. 40 H. v. Bismarck an W. v. Bismarck, Berlin, 29. Mai 1884 (BA KO, NI. Bismarck, Fe 3011N). 41 Vgl. Baur-Breitenfeld an Mittnacht, Berlin, 28. Mai 1884 (HS/A S, E 73 Verz. 61 Fasz. 126, provisor. Nr. D 124). Man beachte auch Notizen und Aufzeichnungen (Teil 1) H. v. Bismarcks: "Die Abneigung, welche speciell die Queen u[nd] die Kronprinzeß m[einem] Vater u[nd] mir gewidmet hatten, wurde durch die Vereitlung des fein ausgesponnenen Heirathsplanes wesentlich erhöht". (BA KO, NI. Bismarck, Fe 3018N.) - Siehe ferner das Gespräch, das die Gattin des linksliberalen Reichstagsabgeordneten Schrader mit Kronprinzessin Victoria führte: "Ich weiß, daß man sehr geschäftig ist, uns Cd. h. die Linksliberalen] zu verdächtigen, und die politische Stellung, welche mein Mann einnimmt, mahnt doch wohl zur Vorsicht von oben. Ich glaube, der Kronprinz ist in der schwierigsten Lage der Welt. Unser Verhältnis zu Kronprinzens kann nur von Dauer sein, wenn es ein vollständig innerlich freies von unserer Seite isL Wir sagen nicht: Wir wollen so und so handeln, weil wir den Einfluß bei Kronprinzens für wichtig schätzen, und wir ihn nicht gewinnen

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1. Prinz Wilhelm in St. Petersburg und deutsch-englische Kolonialzwistigkeiten

den Thronerben und dessen Gattin in die Schranken zu weisen, auf die Kolonialpolitik konzentrieren. Der Gesandte beobachtete überdies, es habe sich als Folge der Familienstreitigkeiten eine "Art von Continuität der Gesinnungen und Auffassungen"42 zwischen dem Kaiser und seinem Enkel entwickelt, die zwischen dem Monarchen und dem Thronfolger fehle. Die Sympathie der militärischen Kreise scheine sich auf den jungen Prinzen zu übertragen. Der österreichisch-ungarische Botschafter Szechenyi überlieferte die Äußerung des Kaisers: "'Der Prinz Wilhelm [ ... ] wird einmal seinem Vater unschätzbare Dienste leisten, er wird ihm seine Armee zusammenhalten! "'43 Nach der Rückkehr aus St. Petersburg dankte der Reichskanzler dem Prinzen am 23. Mai 1884 brieflich für dessen von überwältigendem Erfolg gekrönten Bemühungen. Er würdigte, wie geschickt er es verstanden habe, sich den Weg der "rückhaltlosen Offenheit"44 zum Herzen des Zaren zu bahnen. "Wir haben bei Feindschaft mit Rußland nie etwas zu gewinnen"45, schälte Bismarck die unverzichtbare Konstante seines außenpolitischen Kalküls heraus, "so daß jede Pflege und BefestigUng der Freundschaft, bei der wir nichts als persönliche Liebenswürdigkeit einsetzen, dem Vaterlande ohne Abzug zu Gut[ e] kommt"46. Daß der Prinz zur selben Zeit die Beziehungen zu Österreich-Unkönnten, wenn wir nicht so oder so handelten, nicht so oder so Taktik üben". (Schrader-Breyrnann an Sohr, Berlin, 22. Mai 1884, Schradu-Breymann, S. 265.) >Germania« v. 24. Juli 1884 (PA BN, LA.A.a.60, Bd. 4). 109 Stosch an Freytag, Oestrieh, 8. Juli 1884 (Stosch: Briefe, Teil 3, S. 5). Im Jahre 1878 überlieferte Stosch die Bemerkung: "Der große Kanzler sagte mal, er schliefe nicht eher, als bis er mich unter den Füßen hätte" (Stosch an Freytag, Berlin, 18. Okt. 1878, ebd., Teil 2, S. 12). Man beachte auch H. v. Bismarck an Krauel (Abschr.), Friedrichsruh, 22. Jan. 1903: "Stosch hatte sicher auf den »Reichskanzler« gerechnet u[ndl wäre es wohl auch geworden, wenn Wilhelm L nicht so lange gelebt hätte u[ndl sein Sohn auf den lbron gekommen wäre". (BA KO, NI. Bismarck, FC 2968.) 110 Stosch an Freytag, Oestrich, 8. Juli 1884 (Stosch: Briefe, Teil 3, S. 5). Gustav Freytag las den Skandal beispielsweise im >>Gothaer TagebI.« (vgl. Freytag an Stosch, Siebleben, 9. Juli 1884, Freytag: Briefe, S. 151). Man beachte auch Hollyday: Rival, S. 220-222. 111 Stosch an Friedrich Wilhelrn, Oestrich, 7. Juli 1884 (Oestr., NI. Stosch). VgI. Kennedy: Rise, S. 172. Man beachte auch oben Kap. J. L, S. 520-527.

I. Die Dampfersubvention und Bismarcks Angriffe gegen Stosch im Sommer

1884

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malige Admiral habe nur als "Maske" 112 fungiert. Zwar freute sich Stosch über diese Nachricht, andererseits betrübte sie ihn, weil Friedrich Wilhelm die Anfeindungen ohne ersichtliche Gegenwehr erduldete. Respektlos bemerkte Stosch am 17. Juli 1884 zu Kaiserin Augusta, das Ansehen ihres Sohnes erleide Schaden, "wenn man ihn so nackt ausziehe" 113. "Ich zweifle nur, ich habe keine Gewißheit oder Überzeugung"114, hatte er im Vorjahr schwermütig an Gustav Freytag geschrieben, "denn ich muß einräumen, daß der Herr [d. h. Friedrich Wilhelm] alle Tage schwächer wird, und daß ein Fürst ja schließlich seine ganze Größe mehr in seiner Geburt als in irgend einer doch nur gemeinen menschlichen Eigenschaft sieht. Ich war neulich in Koblenz, und die Kaiserin klagte über ihren Sohn; ich konnte ihr nur sagen, es schnürt mir das Herz zusammen, wenn ich an ihn denke" 115. Doch die MUrre versandete. Mit der fadenscheinigen Begründung, die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« sei kein offizielles Regierungsblatt, weigerte sich Kriegsminister Bronsart von Schellendorff, aktiv zu werden. Der Chef des Militärkabinetts, Emil von Albedyll, schrieb Stosch lapidar, der Kaiser wisse von nichts und es sei besser, ihn mit derartigen Dingen nicht zu behelligen. Ein Protestbrief des Oestricher Pensionärs an die Adresse der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung« landete im Papierkorb der Redaktion, was er auf die allgegenwärtige Macht Bismarcks zurück[ührte I16. Die denkwürdigen Sitzungen in der Budgetkommission und im Reichstag begradigten die Fronten zwischen den Parteien. Die Konservativen - ohnehin ~~Bismarck-Partei sans phrase« - begrüßten die "energische Weise[,] in welcher der Fortschritt bekämpft wurde"1l7, während nationalliberale Redner - stell112 Stosch an Freytag, Oestrieh, 17. Juli 1884 (Stosch: Bri~fe, Teil 3, S. 6). Vgl. Freytag an Stosch, Siebleben, 7. u. 9. Juli 1884 (Freytag: Briefe, S. 151f). - Um zu verhindern, daß die Bismarckschen Verleumdungen beim Kronprinzen Wirkung zeitigten, versicherte Stosch ihm: "Ich bin zwar, wie der Reichskanzler von der bestgehörten Stelle aus neulich behauptete, ein gefährlicher Mensch, der Candidat des Fortschrins für seine Stelle, aber ich denke, Euer Kaiserliche Hoheit haben mich nur als treuen Mann kennengelernt und wissen, daß ich frei bin von egoistischen Zielen und vom Parteigetriebe" (Stosch an Friedrich Wilhelm, Abschr., Oestrieh, 7. Juli 1884, Oestr., NI. Stosch, Denkwürdigkeiten Bd. 3). Man beachte aueh Stosch an Friedrich Wilhe1m, Abschr., Oestrieh, 16. Juli 1884 (ebd.), u. Hollyday: RivaI, S. 223. m Stosch an Freytag, Oestrieh, 17. Juli 1884 (Stosch: Briefe, Teil 3, S. 6). 114 Stosch an Freytag, Oestrieh, 26. Juli 1883 (ebd., Teil 2, S. 22). 115 Ebd. 116 Vgl. Stosch an Freytag, Oestrieh, 30. Aug. 1884 (Freytag: Briefe, S. 6f), u. Hollyday: legend, S. 104-106. Man beachte auch Friedrich Wilhelm an Stosch (Absehr.), Potsdarn, 20. Juli 1884: "Unwürdig finde ich die gegen Sie eröffnete Zeitungspolemik, über welche ieh mich sehr geärgert habe". (Oestr., NI. Stosch, Denkwürdigkeiten, Bd. 3.) 117 Baur-Breitenfeld an Uxkull, Berlin, 28. Juni 1884: "Ich hörte mehrfach behaupten, es sei die schönste Sitzung während der ganzen dreijährigen Session gewesen". (HStA S, E 73 Verz. 61, Fasz. 126, provisor. Nr. D 124.)

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L. Antiliberales und Kolonialpolitisches im Wahlkampf

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vertretend für die Gesamtpartei - auf einer Versammlung in Dresden bekräftigten: "Auch in Sachsen sei das Tischtuch zwischen den Nationalliberalen und den Deutsch[-]Freisinnigen zerschnitten"1l8. Der preußische Gesandte in Darmstadt glaubte, die "frische, gehobene Stimmung, welche weite Kreise Süddeutschlands augenblicklich beherrscht, wird unzweifelhaft auch in Hessen segensreiche Früchte tragen" 119, und der konservative Reichstagsabgeordnete Karl Hartmann erhoffte sich ein Fanal für die Wahlen: "Zur Klärung der öffentlichen Meinung in Deutschland wird diese Verhandlung ganz wesentlich beitragen"120. Als Fazit der Debatten berichtete der badische Gesandte Marschall von Bieberstein nach Karlsruhe, die Linksliberalen hätten wegen ihrer in der Dampfersubventions- und Kolonialfrage alles negierenden Fundamentalopposition einen niederschmetternden Rückschlag erlitten. Die "Hoffnung auf den Ausfall der Neuwahlen in wahrhaft nationalem Sinne" 121 sei wesentlich gestärkt worden. Über Wochen hinweg suchte die Reichsleitung diesen für sie positiven Eindruck zu konservieren, indem sie an den Kanzler gerichtete Dankschreiben wegen dessen Haltung in der Dampfersubventionsfrage in die Reptilienpresse lancierte. Die Zustimmungsadressen begeisterten sich nicht so sehr Waldenburg an Bismarck, Dresden, 7. Juli 1884 (PA BN, I.A.A.b. Deutschland 102, Bd. 7). A. v. Bülow an Bismarck, Darmstadt, 4. Juli 1884 (ebd.). "In der That hat die reichstreue Stimmung seit einigen Wochen bedeutende Fortschritte in Hessen gemacht Die Freisinnigen können nur mit Mühe unter allerhand theoretischen Erörterungen oder erfundenen Verdächtigungen ihren Kleinmuth verbergen. Besonders günstig hat auf die allgemeine Stimmung die antinationale Haltung gewirkt, welche der Reichstagsabgeordnete Dr. Bamberger, wie früher in der Samoa-, so jetzt gegenüber der Dampfer-Vorlage eingenommen hat Nicht allein die unbedingt patriotischen Kreise Hessens drücken ihre Unterstützung unverhohlen aus, auch solche, welche Herrn Bamberger im uebrigen als ihren Gesinnungsgenossen ansehen, sogar diejenigen Elemente des Großherwgthums, welche der Frankfurter Demokratie nahe verwandt sind, tadeln seine engherzige Haltung in Fragen, die mit der materiellen Wohlfahrt Deutschlands so eng zusammenhängen". (Ebd.) Ähnlich Szechenyi an KaInoky, Berlin, 19. Juli 1884: Bereits viele Wochen vor den Wahlen sei zu konstatieren, daß das kolonialpolitische Programm des Reichskanzlers "in ganz Deutschland und in den verschiedenen Schichten der Bevölkerung einen lebhaften Wiederhall [sicl findet[,l und Fürst Bismarck hat unstreitig eine sehr glückliche Hand gehabt, indem er die Regierung mit der einer so entschiedener Popularität sich erfreuenden Parole in den Wahlkampf treten läßt". (HHSIA W, PA III, Nr. 125.) 12D Brief Hartrnanns nach Hause, Berlin, 27. Juni 1884 (H. v. Poschinger: Parlamentarier, Bd. 3, S. 134). Vgl. Szechenyi an KaInoky, Berlin, 5. Juli 1884: Mit Blick auf die Reichstagswahlen im Herbst habe der Kanzler mit "gewohnter Virtuosität" seine Anhänger, bestehend aus den Konservativen, Nationalliberalen und dem ),Zentrum«, um sich geschart. (HHSIA W, PA m, Nr. 125.) Angesichts des strikten kolonialpolitischen »Neins« der Deutsch-Freisinnigen und der enger werdenden konservativ-nationalliberalen Allianz befürwortete Wilhelm von Bismarck in einem Schreiben an den konservativen Reichstagsabgeordneten Gustav Dietze ein Treffen zwischen seinem Vater und Johannes Miquel zu verabreden, damit sich beide über eine Kooperation verständigten (vgl. W. v. Bismarck an Dietze, Varzin, 31. Juli 1884, BA KO, NI. Dietze, Nr. 16). Man beachte auch M. Schwarz, S. 296. 121 Marschall von Bieberstein an Turban, Berlin, 3. Juli 1884 (GLA KA, Staatsministerium, Bstd. 233-3475). 118 119

I. Die Dampfersubvention und Bismarcks Angriffe gegen Stosch im Sommer

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für die ökonomischen Gewinnaussichten in Übersee, sondern betonten, daß die Kolonialpolitik in "erster Linie auch vom patriotischen und nationalen Standpunkte auf das Kräftigste unterstützt werden müßte" 122. "'Die Colonial[ -]Frage ist dem Reichskanzler zum Triumph geworden und hat ihn, womöglich auf ein noch höheres Piedestal gehoben"'123, charakterisierte der englische Botschafter Ampthill am 3. Juli 1884 den Zuspruch, den dieser erntete. In der Tat hatte Bismarck vor den Augen der deutschen Öffentlichkeit in der Rolle des um das Reichswohl besorgten »pater patriae« ein schier unangreifbares Ruhmespodest erklommen, umtost von beifälligen, chauvinistischen Parolen, die ihn von der scheinbar destruktiven »Nörgelei« der linksliberalen »Reichsfeinde« abgrenzten. Noch im März 1885 hatte Eugen Richter die Konsequenzen dieses politischen Handstreichs nicht verkraftet. "Die Dampfervorlage, die Kolonialpolitik" 124, jammerte er im Reichstag, "haben bei den Wahlen im Lande mehr noch im Vordergrund gestanden, als dies ihrer Bedeutung nach gerechtfertigt ist; sie haben dadurch die Aufmerksamkeit mehr, als wünschenswerth ist, abgelenkt von den Plänen in Bezug auf Zollerhöhungen, von der Brotfrage, die weit wichtiger in ihrer Bedeutung ist als das, um was es sich handelt" 125.

122 Szechenyi an Kalnoky, Berlin, 19. Juli 1884 (HHStA W, PA m, Nr. 125). Vgl. W. v. Bismarck an Rortenburg (Absehr.), Varzin, 2. Juli [18841 (BA KO, NI. Bismarck, FC 2977N). Man beachte auch Ke11nedy: Rise, S. 173; »NAZ« v. 16., 17. u. Juli 1884 (Kohl: Regesten, S. 324f). Siehe ferner Hohenlohe-Langenburg (Vorsitzender des »DKV«) an Bismarck, Frankfurt a. M., 21. Juni 1884: Er hoffe, daß des Reichskanzlers "Bemühungen zur Herbeiführung einer der Würde Deutschlands und seiner Macht entsprechenden Stellung unter den seefahrenden Nationen trotz Dr. Barnberger, Richter und Compagnie der bis jetzt noch vielfach entgegenlaufenden TagesstTÖmungen schließlich von dauerndem Erfolg gekrönt sein mögen". Diese Zuschrift lancierte Bismarck in die offiziöse Presse. (BA Abt. P, RKA 1997.) Siehe ferner Bismarck an Hohenlohe-Langenburg, Berlin, 4. Mai 1884 (Bismarck: GW, Bd. 14,2, S. 950); »NAZ« v. 29. Juni 1884,5. u. 10. Juli 1884, u. »Neue Preuß. Ztg.« v. 6. u. 10. Juli 1884 (Kohl: Regesten, S. 324). 123 Ampthill an Bleichröder, [0. 0.,1 3. Juli 1884 (zit. nach Stern, S. 570 u. S. 827, dort

Anm.52). 124 Richter arn 14. März 1885 (SB RT, VI. Leg. I. Sess., Bd. 3, S. 1816). Gleichzeitig lieferten sich die »NAZ« und die »Kreuz-Ztg.« auf der einen sowie die »Karlsruher Ztg.«, die »Bad. Corr.« und der «Bad. Beob.« auf der anderen Seite im Sommer 1884 heftige Gefechte, weil das in der badischen Landeshauptstadt beheimatete Blatt behauptet hatte, es existierten rechtliche Unterschiede zwischen bürgerlichem und adligem Grundbesitz. Als Besitzer größerer Ländereien fühlte sich Bismarck persönlich angegriffen und vermutete, die deutsch-freisinnige Presse suche das in seinen Augen staatstragende Prinzip des Zusammenhalts von großem und kleinem Grundbesitz in Preußen auszuhöhlen. (Vgl. Marschall von Bieberstein an Turban, Berlin, 15. Juli 1884, Großherzog Friedrich: Reichspolitik, Bd. 2, S. 256-259.) Man beachte auch den Briefwechsel zwischen Marschall von Bieberstein und Turban bzw. zwischen Turban und Friedrich I. von Baden im Juli 1884 über die von der »NAZ« und badischen Blättern geführte Pressefehde (ebd., S. 256-270). Siehe ferner Eisendecher an Bismarck (Absehr.), Karlsruhe, 16.,22. u. 24. Juli 1884 (PA BN, LA.A.b. Deutschland 102, Bd. 7), u. liebe an Jansen, Berlin, 20. Juli 1884 (StA OL, Bstd. 132-225). 125 Richter arn 14. März 1885 (SB RT, VI. Leg. I. Sess., Bd. 3, S. 1811).

D. Eskalationen

Unaufhaltsam kletterte im Sommer 1884 die Fieberkurve des Kolonialtaumels und der Englandfeindlichkeit in Deutschland. Zeitungen und Leser begeisterten sich an antibritischen patriotischen Parolen und berauschten sich gleichzeitig an den vermeintlichen wirtschaftlichen und sozialökonomischen Erfolgsaussichten der überseeischen Besitzungen, die zur immensen materiellen Bereicherung des Mutterlandes beitragen sollten 1. Die von der Reichskanzlei und dem Auswärtigen Amt gesteuerten Blätter besaßen - vor allem was die über1 Vgl. Wehler: Imperialismus, S. 475-479. Man beachte auch Doerr, S. 44, u. Bade: Reichsgründung, S. 214, über den "kurzen »Kolonialrausch« 1884/85". Siehe ferner den Bericht Waldenburgs an Bismarck, Dresden, 30. Aug. 1884, der Motive der Kolonialpublizistik verarbeitete und Elemente des Wehlerschen »Sozialimperialismus« antizipierte, wobei diese von der ökonomischen auf eine emotional wirkende Ebene hinübergleiten: "Wenn nun auch in letzter Zeit viele Zweige unserer vaterländischen Industrie, wie beispielsweise die Textil- und Eisenbranche, das Kunstgewerbe und so manches in dieses umfangreiche Gebiet sonst noch Fallende, großen und anscheinend dauernden Aufschwung genommen hatten, so war doch andererseits ein gewisses dumpfes, unbehagliches Gefühl hinzugetreten, mächtig genug, um die auf der einen Seite gewonnenen Erfolge wieder in Frage zu stellen. Alle Welt sagte sich, wie auf die auf seitens des Reiches derzeit getroffenen gesunden Schutmlaßregeln nothgedrungen vorn Auslande a\lmä[h)lig Repressalien getroffen werden würden, wodurch die augenblicklich erzielten günstigen Erfolge wieder in Frage gestellt und die bisher theilweise noch so reichlich fließenden Absatzgebiete und Kanäle abgesperrt und vollen[d]s ganz versiegen müßten. Die Frage nach frischen Absatzquellen trat somit nothwendigerweise aufs Neue hervor, ja sie wurde immer brennender, ohne daß, trotz heftiger Polemik und fortgesetzten Suchens von betheiligter Seite auch nur im Entferntesten Abhilfe zu schaffen gewesen wäre. Niemand sah dafür ein wirksames Heilmittel, ja die einzig wirksame Abhilfe, welche zu wiederholten Malen seitens der Reichsregierung den Vertretern unserer nationalen Interessen im Parlament vorgeschlagen worden war, scheiterte bekanntlich an dem bösen Willen und den theilweisen Parteiinteressen. Schon bemächtigte sich der öffentlichen Meinung [... ) ein Gefühl der Ohnmacht, das sich mit jedem Tage zu steigern schien und der Opposition als ein wirksames Agitations- und Angriffsmittel erschien. Man las von Krisen, die hereinbrechen müßten, der feindlich gesinnte Theil der Presse schlug tapfer Kapital aus jener Nothlage und suchte hierzu sogar die nichtigsten Vorwände hervor. [... ) Nur der Unkenntniß in volkswirthschaftlichen Fragen und dem leider noch sehr geringen Interesse an öffentlichen Fragen ist dieser scheinbare Mißerfolg, der endlich bei der Frage der Dampferlinien-Subvention seinen Höhepunkt erreichte, zuzuschreiben. Es hatte dieses an sich höchst peinliche Ereigniß, man möchte es zwar als einen Pyrrhussieg bezeichnen, bekanntlich gerade den gegentheiligen Einfluß zur Folge. So kam es, daß das Bekanntwerden einer Expedition an die Westküste Afrika's behufs Entfaltung des deutschen National-Banners daselbst wie ein elektrischer Funke Alles neu belebte. Nun fühlte man mit einem Male, daß Deutschland das gleiche Recht besäße, auf dem Weltmeere sich zu bewegen, und mit dem nämlichen Rechte, wie ehedem so manche handeltreibende Nation von thatsächlich weit geringerer Bedeutung, zum Nutzen der heimatlichen Industrie selbständige Niederlassungen gründen helfen, bereits von Reichsangehörigen erworbenen Ländereien und Faktoreien seinen Schutz angedeihen lassen und unter seiner mächtigen Aegide sogar dereinst Ansiedelungen begünstigen müsse". (PA BN, Königreich Sachsen Nr. 48, Bd. 12.)

n. Eskalationen

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schwappende Anglophobie anbelangte - einen gehörigen Anteil an der Kampagne. Noch vor den sensationellen Reden Bismarcks in der Budgetkommission des Reichstags und im Plenum selbst reproduzierten die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« und andere Blätter Anfang Juni 1884 einen im In- und Ausland aufsehenerregenden Beitrag der Londoner »Fortnightly Review«. Darin hatte der mysteriöse Verfasser, der mit einem »G« signiert hatte, das Prinzip der »Splendid Isolation« propagiert, Distanz zum Deutschen Reich und Österreich-Ungarn empfohlen sowie die Pflege herzlicher Beziehungen zu Frankreich und Rußland als "End- und Zielpunkt"2 englischer Außenpolitik deklariert. Höchstwahrscheinlich stamme der Artikel, so vermutete man in der Wilhelmstraße, aus der Feder Gladstones, zumindest rührte er, wie der englische Oppositionspolitiker Robert Salisbury höhnte, "'von einem Schüler des großen Meisters, der sehr nahe an dessen Füßen gesessen hat"·3. Aus London berichtete Georg zu Münster, deutsche Zeitungen hätten gegen den Artikel polemisiert, was die englischen Journale nicht weiter gekümmert habe. Im Gegenteil, sie hätten den negativen Eindruck, der in Europa entstanden war, bedauert. Als sich der Kaiser über die angebliche Anglophobie in den deutschen Gazetten wunderte, antwortete der Kanzler ihm am 12. Juni 1884 in einem Immediatschreiben, in der Themse-Metropole überblicke der Botschafter den heimatlichen Blätterwald nur ausschnittweise. Deutscherseits seien keine unflätigen Bemerkungen über England gefallen. Die Zeitungen im Reich hätten lediglich massive Kritiken der Fleetstreet zitiert. Taktisch operierte Bismarck, der auf diese Weise den Pressefeldzug beeinflußte, sehr geschickt, da die beißenden englischen Anfeindungen gegen die eigene Regierung Kommentare deutscher Leitartikler erübrigten. Freilich verriet er damit, die ausländischen Polemiken benutzt zu haben, um in der Öffentlichkeit böses Blut gegen das Kabinett Gladstone zu machen 4. Die unfreiwillige Beichte beschönigte Bismarck sogleich. Obwohl er die aufflackernde Englandfeindlichkeit seit Februar 1884 diplomatisch und publizistisch vorbereitet hatte, leugnete er, diese Strömung begünstigt zu haben. Er schützte sogar vor, mäßigend zu wirken, indem Münster an Bisrnarck, London, 1. Juni 1884 (PA BN, England 69, Bd. 22). Münster an Bisrnarck, London, 7. Juni 1884 (ebd.). Die Autorenschaft des Premierministers läßt sich nicht nachweisen (vgl. Gladslone/Granville, S. 103, Anrn. 3, u. S. 195, Anrn. 5). 4 Vgl. Bisrnarck an Wilhelm 1., Berlin. 12. Juni 1884: "Allerdings sind sehr ungünstige Beurtheilungen jenes Programmes in deutschen Zeitungen ru lesen gewesen; dieselben waren aber Uebersetzungen englischer Bläuer, namentlich der »Times« und der »Pall Mall Gazette« und nicht als Ansicht deutscher Redactionen gegeben, sondern nur rnitgetheilt, um die Leser über das ru inforrni[e)ren, was in englischen Zeitungen steht". (PA BN, England 69, Bd. 22.) Man beachte auch als Beispiel die »Nat.-Ztg.« v. 4. Juni 1884 (ebd.). Siehe dagegen den Pressebericht Lindaus, Berlin, 4. Juni 1884, daß die »Nat.-Ztg.« v. 3. Juni 1884 den Artikel der »Fortniglltly Review« als eine "beißende und gelungene Satire auf Gladstone's Politik" bezeichnet habe (ebd.). 2

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er das große Publikum nicht näher über die Feindseligkeit Englands gegenüber den deutschen Kolonialbestrebungen aufkläre. Vor dem Kaiser suchte er sich ähnlich der Fidschi-Pressekampagne - jeder Verantwortung für den antibritischen Chauvinismus zu entledigen und sich - so wie es der Botschafter Queen Victorias interpretierte - als von Sachzwängen getriebener Politiker zu entschuldigen, dem nichts anderes übrig blieb, als auf den Wogen der nationalen Begeisterung mitzuschwimmen oder in ihnen zu ertrinken 5. Aus dem Beitrag der »Fortnightly Review« pickte die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« jene Passagen heraus, die beim Leser den Ärger über englische Arroganz provozieren mußten. "Unsere Kolonieen [sie] und indischen Besitzungen entsprechen einem echten und wachsenden nationalen Bedürfniß. Bei ander[e]n europäischen Ländern ist dies Erforderniß entweder unbekannt oder künstlich übertrieben"6, hallte es sicherlich überheblich in deutschen Ohren. "Für England ist die Existenz geeigneter Kolonisten stets die vorausgehende Bedingung für die Gründung einer Kolonie gewesen. Kann dasselbe von Frankreich oder irgend einem ander[e]n europäischen Staate behauptet werden?"7 Als symptomatisch für die gehässige Stimmung im Reichskanzierpalais schätzte es der österreichisch-ungarische Botschafter Szechenyi ein, daß das Bismarcksche Sprachrohr statt nach dem halboffiziellen Londoner Dementi die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen, bei jeder Gelegenheit darauf zurückkomme und das in einer Art bewerkstellige, als ob ein "Zweifel daran[,] daß die Ideen des englischen premier minister's in dem Artikel wieder gegeben oder er5 "Ich darf nicht unerwähnt lassen, daß einzelne deutsche Zeitungen, Westdeutsche und Berliner, seit Jahren, insbesondere seit 1870, gewohnheitsmäßig eine feindliche Haltung gegen England anzunehmen belieben. Diese Tendenz würde sehr viel schärfer und verbreiteter werden, wenn in weiter[eln Kreisen bekannt würde, wie unfreundlich die Englische Regierung sich zu unser[eln überseeischen Interessen verhält". (Bismarck an Wilhelm 1., Berlin, 12. Juni 1884, ebd.) - Vgl. Ampthill an Granville, Berlin, 7. Juni 1884: "As I have said on previous occasions we must expect a phase of ill humour on the part of Prince Bismarck if we are unab!e to meet his wishes in Colonial questions and give him the means at the Eve of a general Election of effectually calming down the growing storm of indignation against himself and us, for standing between the German Colonial Party and the distant objects of their passionate desire! The agitation is becoming a very serious one, and will have great influence on the coming Elections next Autumn, so that Bismarck must adopt a popular national attitude to seeure a majority in the new Parliament. If he cannot show that he has protected German interests everywhere, - the most popular thing he can do, will be to throw the blame on England, and leave the Press to do the rest". (Leu. Berl. Emb., S. 331.) 6 »NAZ« v. 4. Juni 1884 (PA BN, England 69, Bd. 22). 1 Ebd. In ähnlicher Weise verfuhr das Blatt, als es eine in der »Times« vom 16. Oktober 1884 veröffentlichte Rede Charles Dilkes nachdruckte. Vor einer liberalen Versarnmlung in Manchester hatte der Präsident des »Local Govemment Board« gesagt: "Das britische Reich habe Eigenthümlichkeiten, die nicht nachgeahmt werden könnten. Englisches Blut und englische Sprache würden die herrschende Stellung in der Welt behalten. Englands Lage und der Charakter des englischen Volkes bewirkten, daß es die stärkste Macht der Welt sei. England könne vielleicht einmal an Macht überholt werden, aber in diesem Falle würde es nur durch seine eigenen Kinder, die seine Sprache sprächen, geschehen". (Ebd., Bd. 24.)

II. Eskalationen

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rathen sind, ausgeschlossen wäre"8. Herbert von Bismarck und wohl auch sein Vater waren felsenfest davon überzeugt, daß sich Gladstone hinter dem anonymen Autor verbarg. Daher gifteten die offiziösen »Grenzboten«, sich der vom Kanzler beschriebenen Publikationstechnik bedienend, indem sie aus einem Artikel Edward Sullivans aus der »Morning Post« zitierten: "Der Gladstoni[ani]smus ist eine Politik edler Gefühle, überfeiner Absichten, erhabener Beweggründe, die natürlich Spiegelfechterei sind. [... ] Der Gladstoni[ani]smus ist Kirchspielstreiben, angewandt auf Staatsgeschäfte. [Man könnte auch sagen, Philistertum auf hohe Politik gepfropft oder umgekehrt.] Er verwirft den Patriotismus, macht sich lustig über den Nationalstolz, nimmt Niederlagen [alle Erfolge der neuesten französischen Kolonialpolitik waren solche] gleichmütig hin ... er ist völlig unverträglich mit dem Fortbestande des politischen Weltreichs ... Er hat kein Rückgrat. Er kennt keine feste Grenze zwischen Ordnung und Unordnung, zwischen dem, was innerhalb der Verfassung und außerhalb derselben liegt, zwischen nationaler Würde und nationaler Erniedrigung, zwischen gesundem Menschenverstande und empfindsamem Unsinn .... Das stolze Wort [Bismarcks - d. Verf.] civis romanus sum trifft sein Ohr wie Kirchglockenton dasjenige des Mephistopheles. Er ist unnational, feig, unentschlossen und vor allem immer voll Entschuldigungen, er binet allenthalben bei jedermann um Verzeihung"9.

Nicht nur versorgte der Vortragende Rat Lothar Bucher den Schriftsteller Moritz Busch, der für die »Grenzboten« schrieb, mit Materialien aus dem Auswärtigen Amt, sondern die Mitarbeiter des Kanzlers produzierten fleißig Artikel - beispielsweise für die »Kölnische Zeitung« -, in denen sie die englischen Versäumnisse und Widerstände gegen die deutsche Überseepolitik in Sachen Fidschi-Landreklamationen und der Erwerbung Angra Pequefias anprangerten. Die »Kölnische Zeitung« erboste sich - anscheinend noch unter dem Eindruck des den Zweibund-Mächten abholden »Fortnightly Review«-Artikels stehend - über "Gladstones politisches System, mit den großen Nebenbuhlern und Gegnern Englands, mit Frankreich und Rußland freundlich zu thun" 10, während es gegen Deutschland erbitterten Widerstand geleistet habe, als das Reich die "unerhörte Frevelthat beging, ein ärmliches Sandloch in Südafrica [... ] unter seinen Schutz zu nehmen"ll. Das Blatt sprach, sozialdarwinistische Gedankensplitter einstreuend, von der "auffallenden Nervosität und hinterhaltigen [siel Scheelsucht" 12 Englands, die aus dem Gefühl resultiere, "daß die herrenlose weite WeIt sich schließlich zwischen die deutsche und englische Rasse Sz&henyi an Kälnoky, Berlin, 7. Juni 1884 (HHSIA W, PA IIl, Nr. 125). »Die GrenzboIen«: "Die Grundgedanken der auswärtigen Politik Gladstones" 43,2 (1884), S. 612f. Die in eckige Klammem gesetzten Bemerkungen gehören - außer wo anders gekennzeichnetins Originalzitat und markieren Kommentare des anonymen Autors. - Vgl. H. v. Bismarck an Bismarck (Ausz./Abschr.), London, 16. Juni 1884 (PA BN, England 69, Bd. 22). 10 »Köln. Ztg.« v. 21. Juni 1884 (GSIAPK AbI. MER, 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinett, Nr. 610). 11 Ebd. 12 Ebd. 8

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verteilen könne"13. Nach Meinung Herbert von Bismarcks fielen die Beiträge in der aus dem Welfenfonds bezahlten Presse sogar allzu tendenziös aus, da sie möglicherweise englisches Mißtrauen hinsichtlich der bevorstehenden Aaggenhissungen Nachtigals entlang der südwestafrikanischen Küste weckten 14. Als die Kapkolonie auf Insistieren Kolonialminister Derbys Mitte Juli 1884 beschloß, den gesamten Küstenabschnitt vom Kunene bis zum Oranje zu annektieren, reagierte der Kanzler verärgert. War er ohnehin über den Versuch Londons empört, nach der Anerkennung des deutschen Schutzrechts über Angra Pequena daran Bedingungen zu knüpfen, drohte er in einem Erlaß an Münster vom 24. Juli 1884 eine antienglische Attitüde auf der Londoner Ägypten-Konferenz an. Aus einer Unterredung mit Bismarck in Varzin Ende des Monats gewann Lothar von Schweinitz den Eindruck, sein Vorgesetzter wolle Frankreich unbedingt gegen das Inselreich aufstacheln, um es während der Verhandlungen zu isolieren 15. War die ägyptische Frage ein Geschenk des Himmels für die Berliner Politik, weil Bismarck in einer für das Reich günstigen Konstellation als »tertius gaudens« entscheiden konnte, ob er Frankreich oder England seine Unterstützung lieh, warf er seine Autorität zugunsten des Kriegsgegners von 1870/71 in die Waagschale. Das war eine indirekte Antwort 13 Ebd. In den Beitrag der »Köln. Ztg.« mischten sich noch weitere sozialdarwinistische Anschauungen, wenn sie schrieb: "Die Franzosen mögen große Länder erobern und ihre ruhmsüchtige Einbildungskraft mit den stolzen Titeln halber Erdteile erhitzen, sie vermögen die mit dem Schwert erkämpften Gebiete nicht mit der allmählichen Einfuhr ihres Blutes der französischen Eigenart und Cu1tur zu erobern. Denn der schmächtige Körper des französischen Volkes verstaUet keine Blutabfuhr; das vollsaftige Germanenturn dagegen sucht nur nach jungfräulicher Erde, die es mit deutscher Kraft und Gesittung befruchten mag. Als Deutschland zögernd den ersten Schritt über das befreiende Weltmeer wagte, da sahen die britischen Staatsmänner sofort das Problem aufgerollt, ob die Welt auf die Dauer der englischen oder der deutschen Cultur gehöre und sie erschraken ob der unbeholfenen Bewegungen des erwachenden Riesen". (Ebd.) Man beachte auch W. Baumgart: Imperialismustheorie, S. 205f, über die in der Forschung unterbewertete Rolle des Sozialdarwinismus im Rahmen des Kolonialfiebers 1884/85 im Bismarckreich hzw. des Imperialismus in der wilhelminischen Epoche. 14

110).

Vgl. H. v. Bismarck an Holstein, Königstein, 10. Aug. [1884] (Holstein: Papiere, Bd. 3, S.

15 Vgl. Schweinitz: Denkwürdigkeiten (fgb. v. 28. Juli 1884), Bd. 2, S. 283f: "Die Angra-Pequena-Angelegenheit wurde nur flüchtig, aber scharf berührt". Der Reichskanzler "trug mir auf, den Russen klarzumachen, daß der englische Hochmut in bezug auf Kolonialpolitik eine Zurückweisung verdiene, welche nur von Frankreich kommen könne". Man beachte auch H. v. Bismarck an Hatzfeldt (Abschr./Ausz.), Varzin, 24. Juli 1884: "Die plötzliche Besitznahme des Stücks nördlich der Walfischbai, welches kürzlich von den Zeitungen gemeldet wurde, ist[,] wenn sie sich bestätigen sollte, sehr das Gegentheil von dem fair play, von der offenen und höflichen, ich kann wohl sagen gendemenliken Art, in welcher wir diese Sache England gegenüber behandelt haben. Das ganze Verhalten Englands in dieser Frage paßt sehr wenig zu den Anerkennungen und Versicherungen der Dankbarkeit, die uns für die uninteressierte Unterstützung zu Theil geworden sind, welche wir England seit Jahren geleistet haben". (PA BN, England Nr. 78, Bd. 1.). Man beachte auch Taylor, S.47f.

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auf die englische "Dickfelligkeit"16 bei der Regelung der kolonialen Differenzen und verschärfte den Konflikt mit London. In der Presse fand sich bald ein entsprechend antibritisches Echo, während sich über die Klärung der südafrikanischen Absichten des Kabinetts Gladstone bzw. der Kapregierung erst ein Schriftwechsel zwischen den Kontrahenten anbahnte. Ohne solide Informationen als Grundlage einer unanfechtbaren Argumentation war der Kanzler nicht bereit, gegen die englischen "Wühlereien"17 vorzugehen. Obwohl Lippert aus Kapstadt nach Berlin gekabelt hatte, die englische Regierung respektiere die deutsche Schutzherrschaft über Angra Pequefia, sei aber willens, den übrigen Küstensaum zu erwerben, falls die südafrikanischen Kolonisten die Kosten trügen, vermochte sich der Kanzler noch immer nicht zu einer Intervention in London zu entschließen. Wie im Falle Ägyptens drohte er mit einer konfliktverschärfenden Vergeltung. Zu seinem ältesten Sohn sagte er Ende Juli 1884: "'Momentan läßt sich nichts tun, ich werde mir die Sache noch überlegen, das Richtigste wäre vielleicht, daß wir einfach, ohne vorher ein Wort zu sagen, Kriegsschiffe nach Neuguinea schicken und an allen bisher herrenlosen Küsten 16 Notizen und Aufzeichnungen (Teil 1) H. v. Bismarcks (BA KO, NI. Bismarck, FC 3018N). Vgl. H. v. Bismarck an W. v. Bismarck, London, 28. Juni 1884: "Diese ganze egyptische Frage ist für uns so günstig wie möglich: was auch die nächste provisorische (denn eine andere ist jetzt unmöglich) Lösung sein mag, so enagi[e]ren sich immer nur andere dadurch and we may look on". (BA KO, NI. Bismarck, FC 3011N, Hervorh. im Orig.) Zu Lothar Bucher und Hermann von Eckardstein sagte der Kanzler im Jahre 1888 händeringend: "Wenn man doch nur unseren Diplomatenschädeln eintrichtern könnte, daß Ägypten für uns keinen politischen Selbstzweck darstellt, sondern lediglich ein Minel, um unsere Beziehungen zu anderen Mächten in unserem Sinne zu regeln'" (Eckardslein, S. 281). Man beachte auch Langer, S. 298f. - Siehe ferner Hohenlohe-Schillingsfürsl (Tgb. v. 24. Aug. 1884), Bd. 2, S. 351, zu der Kolonialentente zwischen Paris und Berlin. Vgl. HolsIein: Papiere (Tgb. v. 30. Aug. 1884), Bd. 2, S. 173: "In wenigen Monaten werden sie [d. h. die Franwsen] merken, daß sie an uns keine Stütze haben, und daß England ungeniert weiter vorgeht". Man beachte auch Bisrnarck an Hohenlohe-Schillingsfürst, Varzin, 29. Aug. 1884 (Wb. Togogebiel und Biafra-Bai, S. 132), u. H. v. Bisrnarck an Bismarck (Absehr.), Paris, 6. Okt. 1884 (PA BN, England Nr. 69, Bd. 24). 17 Lüderitz an AA, Bremen, 19. Juli 1884 (BA Abt. P, RKA 1997). - Als Anerkenntnis des deutschen Rechts, seine Untertanen außerhalb von unter englischer Jurisdiktion stehenden Territorien schützen zu dürfen, bedingte sich das Foreign Office aus, das Reich dürfe keine Strafkolonien in Südwestafrika gründen, müsse die Rechte englischer Untertanen wahren und die englische Oberhoheit über Walfisch-Bai und die Angra Pequefia vorgelagerten Inseln respektieren (vgl. Münster an Bismarck, London, 1. Juli 1884, PA BN, England Nr. 78, Bd. 1; Ampthill an Hatzfeldt, Berlin, 19. Juli 1884, Wb. Angra Pequdia, S. 177; Hatzfeldt an Münster, Teleg., Berlin, 21. Juli 1884, ebd., S. 177f, u. rippert an Bisrnarck, Kapstadt, 23. Juli 1884, ebd., S. 179f). Man beachte auch Turner, S. 78; Aydelolle, S. 117, u. Eslerhuyse, S. 55f, zu den Motiven für Derbys Annexionsaufforderungen. Zur Londoner Ägyptenkonferenz, die vom 28. Juni bis zum 2. August 1884 tagte, und auf der es Münster zum Ärger des Kanzlers versäumte, profranwsisch und antienglisch zu agieren, vgl. Schullheß (1884), S. 219 u. 222; Aydelolle, S. 113-115; Taylor, S. 45-47, u. Bisrnarck an Münster, Varzin, 12. Aug. 1884 (GP, Bd. 4, S. nf). Vgl. W. Baumgarl: German Imperialisrn, S. 156, der den Aspekt der Instrumentalisierungsmöglichkeit der deutschen Ägypten-Politik für wesensfremde Zwecke besonders würdigt, und hierzu auch die demnächst erscheinende Studie des Mainzer Historikers SIe/an Grus.

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dieser Inseln die deutsche Herrschaft proklamieren'" 18. Tatsächlich übersandte das Auswärtige Amt bereits am 2. August einen Erlaß an Münster samt einem Memorandum, worin sich Paul von Hatzfeldt über die mangelnde Verständigungsbereitschaft Englands hinsichtlich des Schutzes der deutschen Kolonialbestrebungen im Pazifik vor australischen Annexionsgelüsten beschwerte. Knapp drei Wochen später befahl Bismarck, die deutsche Flagge auf Neubritannien und im Nordosten Neuguineas zu hissen. Ohne etwas von diesen prophylaktischen Okkupationsplänen zu wissen, kündigten die Engländer den Deutschen im September die Einverleibung des südlichen Teils der Insel in das Empire an. Beispielhaft enthüllt diese Aktion, daß man in der Wilhelmstraße - von Revanchegedanken durchdrungen - mutwillig Streit mit London vom Zaun brach. Zuvor hatte man sich in Berlin monatelang Zeit mit der Lösung der pazifischen Probleme gelassen l9 . Der Unmut des Kanzlers wuchs, als er aufgrund eines Telegramms Münsters vom 7. August 1884 glauben mußte, London beharre auf der Forderung, Deutschland dürfe in Südwestafrika keine Gefangenen unterbringen. Obwohl Granville einen Tag später für die Einsetzung einer gemischten Kommission zur Regelung von Grenzfragen und anderen eventuell auftauchenden Schwierigkeiten plädierte, die Strafkolonien-Bedingung zurückzog und beteuerte, England beabsichtige weder den deutschen Kolonialpionieren Steine in den Weg zu rollen, noch sei es eifersüchtig auf deren Aspirationen, gab sich Bismarck unversöhnlich. Den Botschafter in London beschuldigte er, Granville zu

18 H. v. Bismarck an Holstein, V[arzin), 28. Juli [1884) (Holstein: Papiere, Bd. 3, S. 108). Vgl. lippert an AA (Teleg.), Kapstadt, 28. Juli 1884 (Wb. Angra Pequeiia, S. 178). 19 Vgl. Hatzfeldt an Münster (Ausz.), Berlin, 2. Aug. 1884 [samt einem Memorandum) (Wb. Südsee, Teil 2, S. 709-711); [AA an Krauel, Berlin,) 19. Aug. 1884 (ebd., S. 713); Bismarck an Hansemann u. Bleichröder, Varzin, 20. Aug. 1884 (ebd.); Seon an Münster (Übers.), Berlin, 19. Sept. 1884 (ebd., S. 714), u. Bismarck an Münster, Berlin, 29. Dez. 1884, über die begehrlichen Blicke, die die Australier auf das nunmehr von Deutschland annektierte Gebiet, das spätere Kaiser Wilhelm-Land, geworfen hätten (ebd., S. 717-719). Siehe ferner Wehler: Imperialismus, S. 394f. Auch revanchierte sich der Kanzler in schroffer Form für die englische Forderung, keine deutschen Strafgefangenen nach Südwestafrika abzuschieben. Falls sich das Gespräch dieser Frage zuwende, solle der deutsche Botschafter in London, Georg zu Münster, erklären, "daß die Idee, auf den Südsee-Inseln Verbrecher zu intemi[e)ren, uns fern liege; wir hänen uns schon ebenso bei den pourparlers über Angra Pequena ausgesprochen; Verpflichtungen gingen wir aber nicht ein, ebensowenig wie England dies uns gegenüber thäte". (Hatzfeldt an Münster, Ausz., Berlin, 2. Aug. 1884, Wb. Südsee, Teil 2, S. 711, Hervom. im Orig.) Vgl. Hatzfeldt an Münster (Teleg.), Berlin, 21. Juli 1884 (Wb. Angra Pequeiia, S. 177f); Münster [an AAl, (Teleg.), London, 22. Juli 1884 (ebd.); Hatzfeldt an lippert (Teleg.), Berlin, 26. Juli 1884 (ebd.), u. H. v. Bismarck an Holstein, V[arzin), 28. Juli [1884) (Holstein: Papiere, Bd. 3, S. 108f). Man beachte auch Jacobs, S. 14-26, u. Knight, S. 72-78, zum zwischen London und Berlin höchst umstrittenen deutschen Verfahren bei der Aufteilung Neuguineas. Der Verdruß hielt auf englischer Seite bis in das Jahr 1885 an (vgl. unten Kap. L. V., S. 631, u. unten Kap. M., S. 632f).

II. Eskalationen

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sanft anzufassen, und eröffnete ihm, wegen der "anmaßliche[n] Überhebung"20 Englands liege ein deutsch-englischer Bruch im Bereich des Möglichen: "Schüchternheit ist bei der Rücksichtslosigkeit der englischen Kolonialpolitik nicht angebracht und kein Mittel, in guten Verhältnissen mit England zu bleiben "21. In dieser angespannten Situation verschärfte sich die Zeitungsfehde. Die »Times« schrieb am 7. August, die Lage auf dem Kontinent sei friedlich, wenn man von der Übellaunigkeit absehe, die Bismarcks Journalisten wegen Angra Pequefia gegen England verbreiteten. Obwohl diese Spitze der einzige Seitenhieb auf die Außen- und Pressepolitik der Wilhelmstraße war, beschuldigte die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« das Londoner Blatt, es hetze unverdrossen gegen das Reich. Die deutsche Politik sei keineswegs als bösartig zu bezeichnen, sondern habe allein die "Vertretung berechtigter Interessen ihrer Reichsangehörigen und die Wahrung der Rechte deutscher Souverainetät auf dem Fuße der Gleichheit mit allen anderen Staaten"22 im Sinn. Wie es der Kanzler in den Mai-Erlassen auf diplomatischer Ebene getan hatte, unterstrich das Blatt, Deutschland habe der englischen Politik seit Jahren selbstlos geholfen, während Großbritannien dies mit der Mißachtung deutscher Kolonialinteressen danke. "Solange aber derartige Freundschaften nur einseitige sind, so müssen sie aus Mangel an Nahrung zu Grunde gehen"23, warnte die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung«. Sollte sich das Gebaren des Kabinetts in Whitehall nicht grundlegend wandeln, dürfte, "was die »Times« einen 'vorübergehenden Anfall schlechter Laune' nennt, sich zu einer dauernden Verstimmung herausbilden"24. Zusätzlich zu dieser Replik instruierte Wilhelm von 2D Bisrnarck an Münster, Varzin, 12. Aug. 1884 (GP, Bd. 4, S. 77). Vgl. Münster an AA (Teleg.), London, 7. Aug. 1884 (BA AbI. P, RKA 1998); Münster an Bisrnarck (Ausz.), London, 8. Aug. 1884 (Wb. Angra Pequeiia, S. 179). - Man beachte auch die mit einem Stern gekennzeichnete Anmerkung in GP, Bd. 4, S. 77; H. v. Bisrnarck an Scheel-Plessen (Absehr.), Königstein, 11. Aug. 1884 (BA KO, NI. Bisrnarck, Fe 3015), u. Aydelolle, S. 115-117. 21 Bisrnarck an Münster, Varzin, 12. Aug. 1884 (GP, Bd. 4, S. 77). 22 »NAZ" v. 14. Aug. 1884 (PA BN, England Nr. 78, Bd. 1). Vgl. die »Times" v. 7. Aug. 1884: "Germany is quiet and undistumed from without, unless we are to count as a disturbance the fit of ill-ternper through which Prince Bismarck's journalists are passing with regard to England and Angra Pequena. That is a fit which will pass, and which we can regard with equanirnity, consoling ourselves with the reflection that it is difficult to please people who despise you if you yield to thern and call you arrogant ifyou do not". (Ebd., Hervorh. im Orig.) Zl »NAZ" v. 14. Aug. 1884 (ebd.). 24 Ebd. "Die deutsche Politik, davon sind wir überzeugt, wird auch in Zukunft den Grundsatz verfolgen, Freund ihrer Freunde und Gegner derer zu sein, welche deutsche Interessen unberechtigt schädigen" (ebd.). Vgl. Bisrnarck an Münster, Berlin, 5. Mai 1884: "Wir werden, wie seit 22 Jahren, so auch ferner gewiß die Politik beobachten, die Freunde unserer Freunde zu sein. Wir würden, wenn wir das nicht wären, immer noch nicht die Feinde Englands sein, aber es würde nicht schwer für uns sein, den gebor[elnen und wegen Unverträglichkeit praktischer Interessen, permanenten Gegnern Englands Dienste :ru erweisen, durch welche wir dann unsere guten Beziehungen :ru ihnen

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Bismarck das Auswärtige Amt auf Geheiß seines Vaters am 15. August 1884, Artikel der »Kapzeitung« und der »National-Zeitung« in dem Reptilienblatt abzudrucken. Es solle sich außerdem gegen die Proklamation der Kapregierung, die Walfischbai und deren Umland zu annektieren, verwahren. Mittels dieser Expansionspolitik suchten die Südafrikaner den Lüderitzschen Besitz einzuschnüren und ihn seines Wertes zu berauben. Dieses Vorgehen liefe den "freundlichen Beziehungen, welche wir bisher zu England gepflegt hätten, zuwider"25, umriß der jüngste Kanzlersohn den Tenor des zu verfassenden Beitrags. Sechs Monate lang habe man auf die Beantwortung der Note vom 31. Dezember 1883 gewartet und nicht mit "konkurri[e]rende[n] englische[n] Besitzergreifungen"26 gerechnet. Auch die »Hamburger Nachrichten« griffen dieses Thema auf, und die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« variierte es - in Entgegnung auf einen Beitrag des »Standard« -, indem sie England der Doppelzüngigkeit bezichtigte, weil das Foreign Office die Aktivitäten des Kolonialamtes nicht eindämme 27 . Privatim erklärte Bismarck das Annexionsbegehren der Kapkolonie für "sehr unverschämt u[nd] für eine neue Nöthigung zur Annäherung an Frankreich"28. Die Wellen der Erregung schlugen noch höher. Die »Deutsche Zeitung« rühmte am 13. August 1884 den Wagemut des Reichs, "als es die unerhörte Frevelthat beging, ein ärmliches Sandloch in Südafrika [... ] unter seinen Schutz zu nehmen"29, und die »Hamburger Nachrichten« rügten die englische Trägheit und erinnerten an die Bemühungen Londons, Kapstadt in letzter Minute zu einer Protektoratserklärung über Südwestafrika zu ermuntern. Die deutsche Besitzergreifung Angra Pequefias sei eine unumstößliche Tatsache, verkündete das Blatt stolz: '''Im Ausland wird man sich daran gewöhnen müssen, die deutzweifellos fördern würden". (GP, Bd. 4, S. 52, Hervorh. im Orig.) Man beachte auch oben Kap. H., S.458-461. 25 W. v. Bisrnarck [an AA], Varzin, 15. Aug. 1884 (BA AbI. P, RKA 1998). 26 Ebd. "Wir könnten dieser Art der Besitzergreifung wie sie auf unbestimmte und unerforschte Küsten und Landstriche lediglich auf dem Wege des Dekrets aus der Entfernung ausgedehnt würde, eine rechtliche Consequenz nicht zuschreiben, da sie weder im Völkerrecht noch in den Traditionen Begründung fände. England würde die Verantwortlichkeit für das Vorgehen der Kapregierung nicht ablehnen können". (Ebd.) 27 Vgl. Slrohschneitkr, S. 62f; Scheel-Plessen an Bisrnarck, London, 15. Aug. 1884 [»Standard« v. 15. Aug. 1884«] (PA BN, England Nr. 78, Bd. 2), u. »NAZ« v. 20. Aug. 1884 (ebd.).

28 W. v. Bisrnarck an Holstein, [0. 0.,]16. Aug. 1884 (PA BN, NI. Holstein, Bd. 25). Ähnlich Bisrnarck an Münster, Varzin, 12. Aug. 1884 (GP, Bd. 4, S. 78). 29 »Dt. Ztg.« v. 13. Aug. 1884 (BA AbI. P, RKA 1998). Vgl. Goering an H. v. Bisrnarck, Berlin, 10. Juni 1884 (BA KO, NI. Bisrnarck, FC 2963); »Köln. Ztg.« v. 5. Aug. 1884 (BA AbI. P, RKA 1997); H. v. Bismarck an Holstein, Königstein, 10. Aug. [1884] (H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz, S. 110); Lüderitz an Bisrnarck, Berlin, 12. Aug. 1884 (Lüderitz, S. 82), u. Busch: Tagebuchbläner (Tgb. v. 28. Sept. 1884), Bd. 3, S. 172.

n. Eskalationen

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sche Flagge auch an Küsten zu wehen sehen, wo sie nach landläufiger Art nichts zu suchen hat. Namentlich England wird mit der Tatsache rechnen müssen, daß auch Deutschland Licht und Luft in der Welt zur Entfaltung seiner überschüssigen Kräfte braucht"'30. In diesem mit Animositäten erfüllten Monat besprach sich Friedrich von Holstein mit Franz Fischer, dem Berliner Korrespondenten der regierungstreuen »Kölnischen Zeitung«, die mittlerweile als Galionsfigur des antienglischen Pressefeldzuges fungierte. Der Journalist eröffnete ihm begeistert: "Die beste Karte im Spiel der Regierung sei augenblicklich das Presse[-]Vorgehen der Regierung gegen England. Man könne gar nicht glauben, wie populär das in der Geschäftswelt sei"31. Auch aus dem Großherzogtum Baden erreichten den Geheimen Rat ähnlich lautende Erfolgsmeldungen, und in England bewirkten diese Artikel, daß sich sogar die }}Times« , der }}S tandard« und die radikale }} PaU Mall Gazette« freundlicher gegenüber Berlin gebärdeten und das Kabinett Gladstone wegen zahlreicher Versäumnisse ihrer Deutschland-Politik mit Kritik überhäuften 32. 30 »Harnb. Nachr.« v. 23. Aug. 1884 (zit. nach Strohschneider, S. 63). Ähnlich der »Korr. von und für Dtschl.« v. 22. Aug. 1884: '''Die deutsche Hagge weht zum Schutze deutscher Ansiedelungen an der afrikanischen Goldküste und »Hands off!« tönt es aus dem Munde unserer Reichsregierung den britischen Annexionsgelüsten entgegen"·. (Zit. nach Rost, S. 34.) Man beachte auch Appel, S. 62-67, zu der Fehde zwischen deutschen und englischen Blänern im August 1884. 31 Holstein an H. v. Bismarck, [0. T.,I Aug. 1884 (BA KO, NI. Bismarck, FC 2966N, Hervorh. im Orig.). Vgl. Kennedy: Rise, S. 172, u. Bade: Fabri, S. l06f. Man beachte auch Bismarck an Münster, Berlin, 3. Feb. 1885, über die "gebildete öffentliche Meinung in Deutschland, als deren gegenwärtige Vertreterin man die »Kölnische Zeitung« bezeichnen darf" (GP, Bd. 4, S. 99). Siehe ferner Tgb. Pindters v. 24. Sept. 1884: "Alles toll gegen England". (PA BN, NI. Pindter.) Man beachte Lindau an W. v. Bismarck (Absehr.), Berlin, 10. Juli 1884, daß die »Köln. Ztg.« in sämtlichen auswärtigen und fast allen inneren Angelegenheiten auf seiten der Regierung stehe. Bleichröder versuche sogar, die liberale »Nat.-Ztg.« für die Wirtschaftspolitik des Kanzlers zu interessieren. (BA KO, NI. Goldschrnidt, Nr. 31.) - Siehe ferner Strohschneider, S. 68f u. 71, sowie Ha. Müller: Lüderitz, S. 128f, zusammenfassend zu anti englischen Tiraden in Hamburger und Bremer Blättern. Vgl. auch das englische Botschaftsmitglied RenneIl Rodd aus der Erinnerung zur pressepolitischen Taktik des Reichskanzlers, die seinem Vorgehen während der Lasker-Affäre ähnelte (vgl. oben Kap. D. n., S. 220, dort Anm. 90): "The Gerrnan press was quoting the Cape newspapers as having expressed satisfaction. Lord Ampthill [...1observed to me that linie value could be anached to such quotations from the South African press. The Bismarckian method was to have articles wrinen and get thern inserted by such means as were open to him in the press of all nations. These articles were then quoted in Gerrnan official papers as expressing the feeling of the country in which they had been published". (Rodd: Memories, S. 52.) Aus der Retroperspektive schrieb Münster an Holstein: "Als ich noch Botschafter in London war, sah ich wohl voraus, wohin die heftige rücksichtslose Art, mit der Fürst B[ismarckl plötzlich die Kolonialpolitik in Szene setzte und die heftige Press[elkarnpagne gegen England losließ, führen mußte, und habe ohne Erfolg oft gewarnt, leider aber ohne Gehör zu finden" (Münster an Holstein, Paris, 11. Juni 1890, Holstein: Papiere, Bd. 3, S.305). 32 Vgl. Scheel-Plessen an Bisrnarck, London, 14. u. 20. Aug. 1884 (PA BN, England Nr. 78, Bd. 2). Ähnlich Hengelmüller an Kälnoky, London, 24. Aug. 1884, daß die englischen Bläner die Anacken der deutschen Zeitungen nicht erwiderten. Dies sei mit dem "Ausdruck der Sympathien Englands für Deutschland und ihrem Wunsche nach Aufrechterhaltung des besten Einvernehmens"

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In der Antwort auf einen englandkritischen Brief Prinz Wilhelrns, über den eine Flut englandfeindlicher Zuschriften aus der Bevölkerung hereingebrochen war, nährte Bismarck am 22. August 1884 die in der Öffentlichkeit kursierende Legende, er habe schon im Dezember 1883 an die Form des Schutzes der Lüderitzschen Besitzungen gedacht, die er ihnen im April 1884 bewilligt hatte. "Eng land hat uns in den Colonial-Sachen, zum Dank für unsere bisher dienstbereite Freundschaft auf dem Gebiete der europäischen Politik, unfair, man kann sagen unehrlich behandelt"33, zürnte er. "Nach meiner Erfahrung empfiehlt es sich für befreundete Regi[e]rungen im geschäftlichen Verkehr dieselben Grundsätze zu beobachten. nach denen sich zwischen gentlemen der Privat-Verkehr regelt. Wenn ich zum Beispiel für meinen Sohn eine Heirath in Absicht häne. und einen »guten Freund« ehrlich fragte. ob er vielleicht für seinen Sohn schon um dieselbe Parthie werbe. und er mich dann ein halbes Jahr auf seine Antwort warten ließe[.] um inzwischen die von ihm bis dahin nicht beabsichtigte Heirath selbst zu machen und mich auszudrängen. so würde ein solcher Vertrauensbruch ungentlemanlike sein. u[nd] ich würde diesen »guten Freund« ferner nicht als solchen anseh[e]n u[nd] behandeln können. Genauso aber hat EngJand in der Angra pequeiia-Frage uns[e]re Offenheit u[nd] unser Vertrauen mißbraucht,,34.

Dem Botschafter in London lastete er eine Mitschuld an, weil er es versäumt habe, die deutschen Kolonialwünsche mit Nachdruck vorzubringen. Außerdem verdächtigte er Münster, rege und enge Beziehungen zu Granville und Derby zu pflegen. "Diese beiden greisenhaften Parlamentarier aber sind nächst Gladstone die einzigen Gegner Deutschlands im Ministerium"35, attackierte und verteidigte der Kanzler die britische Außenpolitik in einem Atemzug. Zum Entsetzen des englischen Botschafters, der wußte, daß der Reichskanzler die Kolonialschwärmerei zu Wahlzwecken manipulierte, näherte sich das

vrn.

zu erklären. (HHStA W. PA Nr. 100.) Man beachte auch Appe/. S. 27-51. u. Kennedy: Rise. S. 182f. zur relativen Beherrschtheit der englischen Medien und Handelskreise gegenüber den deutschen Anfeindungen. 33 Bismarck an Prinz Wilhelm. Varzin. 22. Aug. 1884 (GStAPK B, BPH. Nt. Wilhelm TI .• Rep. 53. Nr. 134). 34 Ebd .• Hervorh. im Orig. An den Kanzler hane der Prinz geschrieben. er wäre sehr dankbar. "wenn Sie mir bei Gelegenheit zu meiner Information einige Erläuterungen zukommen lassen könnten in Bezug auf unseren unfair[en] Vener »Albion« und welcher Art unsere Sache ihm gegenüber gestaltet worden ist! Wie lebhaft man sich deutscherseits auch im Auslande mit der Kolonienfrage und Angra Pequena beschäftigt. bezeugen die Briefe. die haufenweis[e] aus Amerika etc. an meinen Bruder kommen; auch bei mir fangen die Einsendungen von Briefen und Zeitungen. mit Randbemerkungen wie »Deutschland schläft. England handelt!« etc. an[.] einzutreffen. [... ] Im Uebrigen kommt es mir vor. als ob die Söhne des »meerbeherrschenden Albion« heuer ein bischen [sic] an Selbstüberhebung linen!" (Prinz Wilhelm an Bismarck. Marmor Palais [Potsdarn]. 17. Aug. 1884.BA KO. Nt. Bismarck. FC 2986.) 35 Ebd. Vgl. H. v. Bismarck an Scheel-Plessen (Abschr.). Königstein. 8. Sept. 1884: "Derhy ist [... ] auch so ein Rindvieh mit Bauemkniffen - Münsters intimster Freund aus dem ganzen Cabinen". (BA KO. Nt. Bismarck. FC 3015.)

Ir. Eskalationen

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anglophobe Klima im Spätsommer 1884 dem Siedepunkt. Nachdem in Berlin bekannt geworden war, daß das Kanonenboot »Elisabeth« die deutsche Flagge entlang dem Küstenstrich vom Oranje bis Angra Pequefia gehißt hatte, plädierte Herbert von Bismarck für die Festlegung des Wahltermins auf Ende September: "Jetzt moussiert alles wegen Kolonialpolitik, Skierniewice wird noch dazu kommen, aber dann heißt es m[eines] E[rachtens] carpe diem"36. Der Gedanke, die Linksliberalen überflügelten das Regierungslager, bedrückte ihn. "'Begeisterung ist keine Heringsware' , und bei langer Zeit zum Agitieren gewinnt nur der Fortschritt"37, warnte er, "für die Regierung wäre es am besten, wenn der Wahltag 3-4 Tage vorher angesetzt werden könnte"38. In diesem Stimmungs36 H. v. Bismarck an Holstein, Königstein, 24. Aug. 1884 (Holstein: Papiere, Bd. 3, S. 114). Tröstend schrieb Münster an Granville, [0. 0.,] 25. Aug. 1884: '''At Berlin particularly in high quarters the tone of our press towards England is very much regretted and condemned [... ]. All will change afterthe elections". (Fitzmaurice, S. 359.) Vgl. unten Kap. L. m., S. 602f, zum Drei-KaiserTreffen in Skiemiewice. Man beachte auch Kommando der »Elisabeth« (Teleg.) an Admiralität, Kapstadt, 14. Aug. 1884 (Wb. Angra PeqU2na, S. 180). Siehe ferner Esterhuyse, S. 56f u. 72f; Kennedy: Rise, S. 182; Keyserling an Uexküll, Reval, 26. Juli 1884 (Keyserling, S. 392), u. Ampthill an Granville, Berlin, 16. Aug. 1884 (LeU. Berl. Emb., S. 339). - Vgl. Freytag an Stosch, Siebleben, 17. Aug. 1884: "Der Sand von Angra Pequena wird nun doch Veranlassung rum Anbellen und Haarsträuben der deutschen und englischen Dogge. Und man wird geneigt, die Schwäche dieser Erwerbung zu vergessen im Unwillen über die englische Prätension". (Freytag: Briefe, S. 153.) Ähnlich liebe an Jansen, Berlin, 20. Aug. 1884: "Die Situation gestaltet sich [... ] sehr feindlich. Zwischen Deutschland und Frankreich ist das Verhältniß für jetZl fast freundschaftlich, wenigstens in den Formen. Mit England ist das Verhältniß weniger gut; die kaum verhe[h]lte Feindseligkeit Englands gegen deutsche Colonialbestrebungen ist augenblicklich ein Grund der Entfremdung, und ohnehin wird der Reichskanzler wohl wissen, daß auf eine aufrichtige Sympathie für die Macht und Größe Deutschlands bei England sicher nicht zu zählen ist". (StA OL, Bstd. 132-225.) Vgl. Keyserling an Uexküll, Raiküll, 19. Aug. 1884, über den glücklichen Moment, den der leitende Staatsmann für die deutsche Kolonialexpansion gewählt habe: "Das stimmt viele Menschen wieder enthusiastisch für Bismarck". (Keyserling, S. 395.) Vgl. Baur-Breitenfeld an Mitmacht, Berlin, 31. Aug. 1884: "Es soll zwischen England und der deutschen Reichsregierung ein Zustand gegenseitigen [S]chicani[e]rens eingetreten sein, von dem man auf dem Auswärtigen Amte sich selbst keine klare Vorstellung machen könne, wohin er eigentlich führen solle. - Es werde ja Deutschland nicht an England und noch weniger England an Deutschland den Krieg erklären, allein der Kanzler sei feste entschlossen, sich von England nichts mehr gefallen zu lassen und insbesondere das in London beliebte Vorschieben der englischen Kolonialregierungen und das Sichverstecken des englischen Kabinetts hinter angebliche Beschlüsse der ersteren als absurd von der Hand zu weisen. - Man werde sich darauf gefaßt machen können, daß der Kanzler, dessen Stärke in dem Auffinden von Rachemitteln bestehe, England eine Reihe von Schwierigkeiten auf den Hals hetzen werde, um demselben zu beweisen, daß es nicht zum Vortheil Englands gereiche, die deutschen Kolonisationsbestrebungen zu hindern zu suchen und die deutschen Ansiedler in den englischen Kolonien schlecht zu br.handeln". (HStA S, E 73 Verz. 61 Fasz. 126, provisor. Nr. D 124.) Man beachte auch liebe an Jansen, Berlin, 22. Sept. 1884 (StA OL, Bstd. 132-225). 37 H. v. Bismarck an W. v. Bismarck, Königstein, 24. Aug. 1884 (H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz, S. 252, HelVorh. im Orig.). 38 Ebd., HelVorh. im Orig. Ähnlich H. v. Bismarck an Holstein, Königstein, 24. Aug. 1884: "Im Agitieren kann die Regierung sich nie mit der Fortschrittspartei messen, jeder Tag, der dazu länger erlaubt wird, ist nur ein Gewinn für die Radikalen". (Holstein: Papiere, Bd. 3, S. 114.)

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L. Antiliberales und Kolonialpolitisches im Wahlkampf 1884

hoch beschloß der Kanzler, dem im November sich neu konstituierenden Reichstag ein Weißbuch über Entstehung und Verlauf des deutsch-englischen Konflikts über Angra Pequefia vorzulegen. Als er sich plötzlich weigerte, gegenüber "König Lüderitz"39, wie man den Hanseaten in der Admiralität und im Auswärtigen Amt neckte, schriftlich fixierte Verpflichtungen über die Ausweitung des territorialen Schutzes für dessen Besitzungen einzulösen, grämte sich Friedrich von Rolstein: "Man darf das gar nicht durchsickern lassen, sonst würde der Rückschlag in der öff[en]tl[ichen] Meinung, gerade vor den Wahlen, sehr nachteilig sein "40. Obwohl Bismarck durch sein Zögern preisgegeben 39 Caprivi an Holstein, an Bord der »Aviso Blitz«, 17. Sept. 1884 (Holstein: Papiere, Bd. 3, S. 121). Vgl. Kusserow an Rohlfs, Berlin, 14. Aug. 1884 (Lüde ritz, S. 73), u. Holstein: Papiere (fgb. v. 19. Sept. 1884), Bd. 2, S. 176. Man beachte auch W. v. Bismarck [an AAl. Varzin, 25. Aug. 1884 (BA Abt. P, RKA 1947). Siehe ferner B. v. Bülow an H. v. Bismarck, Potsdam, 23. Aug. 1884: "Wenn die Angra Pequena-Akten veröffentlicht werden sollten, so würde Münster kaum bleiben können, während die öffentliche Meinung in Deutschland, am Vorabend der Wahlen, sähe, wie entschieden u[nd] genial der Fürst, Thr Vater, uns[e]re Interessen auf diesem Gebiete vertritt". (BA KO, NI. Bismarck, FC 2958N.) 40 Holstein an H. v. Bismarck, Berlin, 17. Aug. 1884 (H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz, S. 250). Vgl. Holstein an H. v. Bismarck, [Berlin,] [0. T.] Aug. 1884 (BA KO, NI. Bismarck, FC 2966N). Man beachte auch H. v. Bismarck an Holstein, Königstein, 19. Aug. 1884: "Was ist es damit, das Sie der Wahlen wegen besorgt macht? Soll Lüderitz gedämpft oder gar fallen gelaßen werden? Das kann ich mir doch nicht denken!" (H. v. Bismarck an Holstein, Königstein, 19. Aug. 1884, PA BN, NI. Holstein, Bd. 23.) - Der Kanzler befürchtete sichtlich, er werde von der Eigendynamik des Flaggenhissens überrollt und verstricke sich zu tief in die Kolonialpolitik, die ihn im Grunde nicht interessierte. Er verfügte, man dürfe von »herrenlosen« Ländern nur nach vOlherigem Vertragsabschluß mit der indigenen Bevölkerung Besitz ergreifen. Gelder, die Lüderitz für den Erwerb weiterer Gebiete nördlich Angra Pequefias bis zur portugiesischen Grenze ausgegeben hatte, war er nicht gewillt auf den Reichsetat zu übernehmen. Auf der Basis der Instruktionen an Nachtigal vom 19. Mai hatte der Staatssekretär des Äußeren jedoch die präventive Annexion minels des Kriegsschiffes »Wolf« angeordnet. (Vgl. Hatzfeldt an Caprivi, Konz./Abschr., Berlin, 2. Aug. 1884, BA Abt. P, RKA 1997; Bismarck an Hatzfeldt, Berlin, 7. Aug. 1884, ebd., RKA 1998, u. oben Kap. I. II., S. 50H.) Der Kanzler rügte seine Mitarbeiter im Auswärtigen Amt, die hohen Aufwendungen des Bremer Kaufmanns seien "voreilig" gewesen und "können unsere Politik nicht bestimmen. Die Konsequenzen könnten zu 1O.Oeiführen kann, dem seit Monaten feindliche Eifersucht bei uns in der Presse vorgeworfen wird, ohne daß ich zu erkennen vermag[,] worin das Wesen einer solchen zu finden ist. Es geht bei uns ein förmliches »Kolonial-Fieber« durch die Kreise aller Schichten der Bevölkerung seit wenigen Monaten, nachdem bis zum Beginn dieser neuesten Mode jeder ausgelacht wurdet,) der das Wort »Kolonie« in den Mund nahm,,24.

thunderclouds come and go'''. (Münster an Granville, [0.0.,) 25. Aug. 1884, zit. nach FitzmaUTice, S.359.) 23 Tgb. Friedrich Wilbelms v. 10. Okt. 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., Ni. Friedrich III., Rep. 52 F I Nr. 7x). Vgl. Friedrich Wilbelm an Augusta, Gries-Bozen, 16. Okt. 1884 (ebd., Rep. 52 I lit. p 327r). 24 Tgb. Friedrich Wilbelms v. 1O.0kt. 1884 (ebd., Rep. 52 F I Nr. 7x). Auch Königin Victoria bedauerte die Gereiztheiten: "Gon gebe[,) daß die Politischen Schwierigkeiten aller Art sich beseitigen lassen" (Queen Victoria an Friedrich Wilbelm, Balmoral, 13. Okt. 1884, Schi. Fasan., Ni. Friedrich III.). Vgl. Friedrich Wilbelm an Stosch, Berlin, 30. Nov. 1884: "Die plötzliche leidenschaft für Colonial[ -)Politik ist ein rechtes CuriosumL) nachdem bis vor kurzem jede Anregung auf diesem uns völlig neuen Gebiet, mit Entrüstung zurückgewiesen war. Es geht diese Unternehmung nunmehr ihren Gang". (Oestr., Ni. Stosch.) - Wie aus einem in seinem Tagebuch eingeklebten Ausschnitt aus einer ungenannten Zeitung hervorgeht, teilte der Kronprinz die antikolonialen Argumente der linksliberalen Opposition. Überseebesitz schwäche Deutschlands Steilung in Europa und fiele unweigerlich dem Dekolonisationsprozeß anheim. "Die Handelsstationen des Fürsten Bismarck [00') werden ohne Zweifel gewissen Firmen Geld bringen, allein nicht diejenige Art des Handels entwickeln, welche eine Nation bereichert oder Märkte erschließt, welche der deutschen Industrie einen wirksamen Anreiz geben würden". (Tgb. Friedrich Wilhelms v. 26. Dez. 1884, GStAPK Abt. MER, H.A., Ni. Friedrich III., Rep. 52 F I Nr. 7x.) Man beachte auch Tgb. Friedrich Wilhelms v. 30. Sept. 1885, worin er in einem nicht näher bezeichneten Zeitungsartikel die Bemerkung des Kaufmanns Robertson, dem die »DHPG« gehörte, zu Bismarck (22. Sept. 1885) unterstrichen hatte: "Ich fuhr fort, daß man heut zu Tage ohne Geld, Schiffe und Militär keine Kolonien mehr gründen könne, und daß sich nach meiner Meinung in Deutschland schwerlich Kapital finden lassen werde, um Kolonien zu beaibeiten, welche im Falle eines Krieges die Beute des ersten besten Feindes sein würden". (Ebd., Rep. 52 F I Nr. 7y.)

IV. Reaktionen des Kronprinzen- und Kaiserpaars auf die Kolonialpolitik

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Kronprinzessin Victoria fühlte sich über alle Maßen gekränkt, so daß sie vollständig Partei für ihr Mutterland ergriff und in ihrem Zorn in jene Rolle der »Ausländerin« schlüpfte, die ihr der Kanzler so oft ankreidete. "Sollte England nicht die Vorschläge machen und den größten Einfluß auf das endgültige Resultat verlangen?"25 fragte sie mit Blick auf den bevorstehenden Zusammentritt der Kongo-Konferenz. "England ist den anderen Mächten gegenüber viel zu bescheiden und wird daher nur mißverstanden. Wir ernten keinen Dank für unsere Bescheidenheit und Mäßigung"26.

2S Kronprinzessin Victoria an Ponsonby, [0. 0.,1 17. Okt. 1884 (Kaiserin Friedrich: Briefe, S.228). 26 Ebd., eig. Hervom.

v. Wahlausgang und Nachhutgefechte Im Oktober 1884 kehrte Optimismus in den preußischen Regierungsstuben ein. In Ostpreußen an die Linksliberalen verlorene Stimmbezirke hofften die Konservativen zurückzuerobern und spekulierten gleichzeitig auf die nutzbringende Kooperation mit den Nationalliberalen. Das vorläufige Wahlergebnis - 97 Stichwahlen standen noch aus - befriedigte den Reichskanzler. "Daß das Zentrum in gleicher Stärke zurückkehrt, sei allerdings nicht angenehm, aber die Niederlage des Fortschritts freue ihn"l, hörte Hermann von GÖTtz-Wrisberg Anfang November aus seinem Munde. "Die Gefahr, die Bismarck von hier her von einem Thronwechsel drohte, schien vorerst gebannt zu sein: Eine neue Regierung von vornherein als eine parlamentarische Minderheitsregierung zu installieren, konnte gerade für einen Monarchen, der, wie der Kronprinz, mit einem prinzipientreuen Liberalismus und seinen Zielen sympathisierte, kaum in Frage kommen"2. Was die Mandate anbelangte, erlitten die Linksliberalen eine "schwere Niederlage"3. Die »Deutsche Freisinnige Partei« büßte, mißt man sie an der Gesamtzahl der fortschrittlichen und sezessionistischen Abgeordneten von 1881, 39 Sitze ein, das »Zentrum« verlor ein Mandat, während beide konservativen Parteien und die Nationalliberalen jeweils 28 bzw. vier neue Abgeordnete in den Reichstag entsenden durften. Die Sozialdemokraten verdoppelten ihre Sitze sogar von zwölf auf 24. Das Regierungslager war auf 157 Parlamentarier angewachsen, die Linksliberalen, rechnet man die »Süd-Deutsche Volkspartei« hinzu, auf 74 geschrumpft, während das ))Zentrum« fast unverändert mit 99 Abgeordneten in den Reichstag Einzug hielt. Allein die Mandatszahlen gaukeln einen Scheinsieg der Regierungsparteien vor. Das Mehrheitswahlrecht, das im Gegensatz zum Verhältniswahlrecht die Stimmen nicht in den adäquaten proI Marschall von Bieberstein an Turban, Berlin, 1. Nov. 1884 (Großherzog Friedrich: Reichspolitik, Bd. 2, S. 280). Vgl. Schultheß (28. Okt. 1884), S. llOf. 2 GaU: Bismarck, S. 654. 3 Wehler: Imperialismus, S. 479. Man beachte auch W. Baumgart: Imperialismustheorie, S. 199, dort Anm. 8, zur verfälschenden Wahlinterpretation Wehlers, d. h. der ungenügenden Unterscheidung zwischen dem Verlust von Mandaten und Stimmen. Undifferenziert auch Rachfahl, S. 335: "Allgemein fielen die Wähler ab, nach rechts und nach links". Siehe ferner Doerr, S. 44, über "considerable electorallosses for the left liberals". Ungenau beschreibt auch Bade: Antisklavereibewegung, S. 33, die Ziele des Bismarckschen Wahlkampfes und dessen Ergebnis: "Die seit dem wirtschaftspolitischen Kurswechsel 1878n9 anhaltende konservative Sammlungspolitik hatte nach dem ersten Wahlkampf, in dem neben der Sozialpolitik die gerade aufgenommene überseeische Politik als Minel nationaler Integration erprobt wurde, 1884 in Gestalt der schweren Verluste des Freisinns einen gewissen Erfolg verbuchen können". (Ebd., eig. Hervorh.)

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portionalen Sitzanteil im Parlament umrechnete 4, hatte den Linksliberalen geschadet. Obwohl sie nur 81.500 Anhänger verloren, drückte sich dies im Verlust von fast einem Drittel ihrer Mandate aus. Andererseits eroberten die Nationalliberalen, die 250.400 Neuwähler gewannen, lediglich vier Sitze hinzu. Am krassesten zeigte sich diese Zurücksetzung durch das Mehrheitswahlrecht und die Wahlkreiseinteilung am Beispiel der »Deutschkonservativen Partei«. Nur 30.300 neue Wähler verhießen der »Bismarck-Partei sans phrase« eine Steigerung wn 28 Mandate. Hinzu kam, daß die Taktik der Konservativen und Nationalliberalen, in einem Wahlkreis nicht zu rivalisieren und sich auf einen Komprornißkandidaten zu einigen, bewährt hatte. Damit verhinderten sie, daß die Deutsch-Freisinnigen durch Stimmensplitting auf zwei Kandidaten der Regierungsallianz als lachende Dritte aus dem Rennen hervorgingen. In den preußischen Regierungsbezirken Königsberg, Gumbinnen, Danzig, Potsdarn, Frankfurt/Oder, Stettin, Köslin, Stralsund, Posen, Bromberg, Breslau und in der Stadt Berlin traten fast ausschließlich Konservative an, während die Nationalliberalen auf eine Kandidatur verzichteten. In diesen vorwiegend altpreußischen Gebieten eroberten die Konservativen 17 ehemals linksliberale Stimmbezirke zurück. In Liegnitz stellten sich die Konservativen - mit einer Ausnahme - nicht zur Wahl, so daß die Nationalliberalen in die Bresche sprangen, die freilich alle den Deutsch-Freisinnigen unterlagen. Gegenseitigen Verzicht praktizierten die Partner des regierungs nahen Bündnisses beispielhaft in Württemberg, Hessen, Hamburg, Merseburg, Schleswig, Hannover, Sachsen-Altenburg, Oldenburg und Sachsen-Weimar-Eisenach. Von Ausnahmen abgesehen, wetteiferten Konservative und Nationalliberale nur miteinander (z. B. in Kassel, Koblenz, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und Waldeck), wenn von den übrigen Parteien kaum Gegenwehr zu erwarten war. In den Hochburgen des Katholizismus (Düsseldorf, Köln, Trier, Aachen, Ober- und Niederbayem, Oberpfalz, Ober-, Mittel- und Unterfranken und Schwaben) verzichteten die Konservativen zugunsten der Nationalliberalen, die jedoch fast überall gegenüber dem »Zentrum« den Kürzeren zogen. Reibungslos funktionierte ihr Zusammenspiel im Königreich Sachsen. Dort wo sich Nationalliberale präsentierten, hielten sich die Konservativen zurück und umgekehrt. Von 23 zu vergebenden Mandaten entfielen elf auf die beiden konservativen Parteien, drei auf die gemäßigten Liberalen, vier auf die »Deutsche Freisinnige Partei« und fünf auf die Sozialdemokraten 5. 4 Vgl. ausführlich Vogel/NohJeniSchultze, S. 27-40, über das Mehrheits- und Verhältniswahlrecht im deutschen Kaiserreich. S Vgl. "Statistik der allgemeinen Wahlen für die VI. Legislatur-Periode des Deutschen Reichstags im Jahre 1884" (SB RT, VI. Leg. 1. Sess., Anlagenbd. 5, S. 604-665). Man beachte auch Sheehan, S. 252f. Siehe ferner Stumm an Bismarck, Darmstadt, 14. OkL 1884, mit einem Ausschnitt aus einer ungenannten Zeitung über den Beschluß des "Vorstand[s] der konservativen Vereinigung zu Darmstadt": "So wünschenswert auch die Aufstellung eines konservativen Kandidaten

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Natürlich ist aufgrund des Fehlens einer zeitgenössischen Wahlanalyse in Form von Umfragen und differenzierten statistischen Erhebungen empirisch nicht eruierbar, welche Argumente die Wähler sachlich beeinflußten und in welcher Intensität patriotische antienglische Parolen ihre Seelensaiten emotional zum Klingen brachten. Allein die gegenüber 1881 von 56,1 leicht auf 60,3 Prozent gestiegene Wahlbeteiligung, Zeitungskommentare, Äußerungen von Mitgliedern der Reichsleitung, Bemerkungen des Kronprinzenpaars und anderer Linksliberaler, wie beispielsweise Ludwig Bambergers, der verächtlich von einer "Schützenfeststimmung"6 sprach, weisen in die Richtung einer - wenn auch schwer zu quantifizierenden - öffentlichen Effizienz der Kolonialpolitik und der allgemeinen Regierungstaktik, nur zugkräftige Themen - wie die der Dampfersubvention und der Getreidezölle - als Wah1kampfmunition zu verwenden7 . "Die Frage: hat Aussicht auf Kolonialerwerb das Wählerverhalten beeinflußt"8 , mag insofern bejahend beantwortet werden, als die von Bismarck umworbenen, kolonial überaus interessierten und engagierten Nationalliberalen mittels der antienglischen "Mobilisierung des Nationalismus"9 mit 250.400 Stimmen knapp vor den Sozialdemokraten den größten Zuwachs erfuhren, während die kolonialfeindlichen Deutsch-Freisinnigen und die »Süd-Deutsche Volkspartei«, wenn auch minimal, als einzige Parteien Anhänger verloren. Beide konkurrierenden liberalen Blöcke lagen nun mit jeweils 997.000 Stimmen - keineswegs aber hinsichtlich der Mandatsvergabe im Reichstag - Kopf an Kopf. Die Polarisierung mittels der Überseepolitik, nämlich das von Bismarck in bewährter Weise praktizierte "Freund-Feind-Schema" 10, hatte sich erschien, so wurde, um nicht durch die TeilWlg der konservativen und nationalliberalen Stimmen einem Sieg der deutschfreisinnigen Partei Vorschub zu leisten, hiervon abgesehen und der Vorstand beauftragt, mit dem Kandidaten der nationalliberalen Partei [...] in VerhandlWlg zu treten W1d aus der Darlegung seines Programms zu entnehmen, ob die konservativ gerichteten Elemente W1seres Wahlkreises wohl in der Lage sein dürften, bereits im ersten Wahlgang für ihn zu stimmen". Diese Notiz wurde auf Anordnung des Kanzlers veröffentlicht. (PA BN, Hessen Nr. 51, Bd. 4, Hervorh. im Orig.) 6 Bamberger am 26. Juni 1884 (SB RT, V. Leg. IV. Sess., Bd. 2, S. 1063). Vgl. kritisch W. Baumgar/: Imperialismustheorie, S. 205f, über den emotionalen Wirkungsbereich des Wehlerschen »Sozialimperialismus«-Modells. Man beachte auch W. Mommsen: Imperialismustheorien, S. 78-80, zum Hinübergleiten dieses Ansatzes von einer wirtschaftlichen Argumentation - aufgTWId der Unhaltbarkeit der These, daß der deutsche Kolonialbesitz für die heimatliche Industrie ökonomisch innovativ wirkte - auf eine sozialpsychologische und soziologische Ebene, die bei den Betroffenen allenfalls Hoffnung auf VerbesseTWIg ihrer »Misere« wecken mochte. 7 Vgl. Marschall von Bieberstein an Turban, Berlin, 5. Okt. 1884 (GLA KA, Staatsministerium, Bstd.233-3475).

8

W. Baumgar/: Imperialismustheorie, S. 199, dort Anm. 8.

9

GaU: Bismarck, S. 657.

10 Stürmer: Bismarck-Mythos, S. 28. Vgl. EuJenbUTg-Her/ejeld: Aus 50 Jahren, S. 83: "Wer nicht für ihn [d. h. Bismarck] war, der war gegen ihn. Das erfahren alle". Man beachte auch Waldenburg an Bismarck, Dresden, 30. Aug. 1884: "Je mehr der Sinn für das nationale Bewußtsein sich

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anscheinend zugunsten der Nationalliberalen bezahlt gemacht und alte, in der Bevölkerung seit dem deutsch-französischen Krieg latent vorhandene, antiengtische Ressentiments geweckt. "Negation in der sozialen Frage, Manchestertum [d. h. Kolonial- und Schutzzollfeindtichkeitl und Niederstimmen der Unfallversicherung sind schuld am Niedergang"'ll des Linksliberalismus, bilanzierte das »Berliner Tageblatt«, und die katholische »Germania« resümierte: "'Das Manchestertwn ist tot in unserem Volke'" 12.

zu regen anfängt und die Erkenntniß der Zusammengehörigkeit im deutschen Volke allmä[h]lig zum Ausdruck gelangt, desto mächtiger, desto ungestümer beginnt sich diese Regung auch nach Außen hin zu zeigen. Während bis vor Kurzem noch beinahe ein jeder Deutscher womöglich als ein kleiner König sich benahm, hat nachgerade das Bewußtsein, einer mächtigen und allerwärts geachteten, ja selbst gefürchteten Nation anZllgehören, welche je nach Lage der Dinge sogar im Stande wäre, ihrer Angehörigen Interessen wirksam ZlI schützen, ja selbst vorkommenden Falles ihren Willen mit Nachdruck durchzusetzen, wie überall in deutschen Landen, so auch hier in Sachsen größeres Verständniß gefunden. Bei Alt und Jung, mit einem Won fast in allen Kreisen, seien sie direkt oder auch nur indirekt dabei betheiligt, als auch in der Presse, natürlich mit Ausnahme der Deutschfreisinnigen, werden die jüngst erst an die Öffentlichkeit getretenen Maßnahmen der deutschen Kolonialpolitik freudig begrußt und deren Tragweite auf den Außenhandel sowie deren Rückwirkung auf das Mutterland aufs Eifrigste bemessen und besprochen". (PA BN, Königreich Sachsen Nr. 48, Bd. 12, eig. Hervorh.) Siehe ferner Stumm an Bismarck, Darmstadt, 29. Sept. 1884, daß ein Stimmenzuwachs für die Nationalliberalen zu erwanen sei. Das sei ein Beweis, "welche Fonschritte die Würdigung der Winhschafts- und Reichspolitik überhaupt in der letzten Zeit in Südost-Deutschland gemacht hat". (PA BN, Hessen Nr. 51, Bd. 3.) Abwegig dagegen H. Henning, S. 79, don Arun. 123: "Nicht [... ] den Nationalliberalen galt das Bemühen Bismarcks, deren Wählerschaft ihm langfristig sicher war. Wirklich neue Wählerstimmen vermochte ihm nur das Zentrum zu erschließen". 11 Zit. nach Rachfahl, S. 335. Vgl. Holstein an Hohenlohe-Schillingsfürst, [0. 0.,] 15. Jan. [1883] (BA KO, NI. Hohenlohe-Schillingsfürst, Nr. 240). 12 Zit. nach Rachfahl, S. 335. Man beachte auch Richter am 10. Jan. 1885: "Auf dieser Grundlage [d. h. des Bismarckschen Kolonialprogramms vom 26. Juni 1884] sind wir in die Wahlen eingetreten, haben den Wahlkampf gefühn, haben aller Onen entsprechende Erklärungen abgegeben und haben uns auf der anderen Seite energisch gewandt gegen jene unglückliche, ziellose Begeisterung für Kolonien, wie sie namentlich von den Nationalliberalen im Lande zum Schaden der ganzen kolonialen Sache betrieben worden ist. (Sehr richtig! links. Unruhe bei den Nationalliberalen.)" (SB RT, VI. Leg. 1. Sess., Bd. 1, S. 543, Hervorh. im Orig.) Als sich die »Deutsche Freisinnige Partei« Anfang 1885 erneut gegen das staatliche Engagement in Übersee aussprach, warnte die »Magdeb. Ztg.« am 6. Februar 1885: "Sie hatte schon bei den Wahlen vom vorigen Herbst wahrnehmen können, wie mächtig die coloniale Bewegung in unserem Volke ist und wie stark der Rückhalt, den die Politik des Reichskanzlers auf diesem Gebiete in den breitesten Schichten der Nation hat". (GStAPK Abt. MER, 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinett, Nr. 618.) Siehe ferner Sheehan, S. 252f, ZlI den Wählerbewegungen. Vgl. Marschall von Bieberstein an Turhan, Berlin, 5. Okt. u. 1. Nov. 1884 (Großherzog Friedrich: Reichspolitik, Bd. 2, S. 272fu. 280). Dagegen Augusta an Wilhelm 1., Baden-Baden, 31. Okt. 1884, daß die Wahlen wegen der Zunahme der Sozialdemokratie schlecht ausgefallen seien. Zu begrüßen sei allein die Schwächung der Deutsch-Freisinnigen und die Bildung einer An Minelpanei aus Konservativen und Nationalliberalen. (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Wilhelm 1., Rep. 51 T Lit. P Nr. 11, Fasz. 36.) Man beachte auch Kennedy: Rise, S. 172f, u. Hampe, S. 293.

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Das unbändige Gefühl der Macht, die er sich mit der Instrumentalisierung der Kolonialpolitik über seine Gegner erkämpft hatte - Friedrich von Holstein machte sich über das wachsende "autokratische Unfehlbarkeitsbedürfnis" 13 lustig -, kostete der Kanzler in der Reichstagseröffnung vom 20. November 1884 aus. Las der Kaiser im Weißen Saal des Berliner Schlosses - noch von den Folgen eines gefährlichen Sturzes in seinem Arbeitszimmer behindert 14 - die traditionelle Eingangsrede langsam und stockend vor, und wäre er beim Hinabsteigen von den Thronstufen fast gestolpert, so daß alle Anwesenden vor Schreck zusammenzuckten, spiegelte sich in den Zügen Bismarcks das "stolze Gefühl der Befriedigung über die großen Erfolge, die seine Staatskunst neuerdings wieder erbitterten Gegnern abgerungen [hat] und die nun auch die Fäden außereuropäischer Politik in seiner Hand vereinigen" 15. Der Kronprinz da13 Holstein: Papiere (fgb. v. 24. Okt. 1884), Bd. 2, S. 177. Ähnlich Richter am 26. Nov. 1884: "Die praktische Konsequenz der heutigen Rede des Herrn Reichskanzlers [d. h. über die Bewilligung von Diäten für Abgeordnete und über die angeblich verwerflichen republikanischen Ziele der »Deutschen Freisinnigen Partei«1 wäre ein Antrag an Kaiser und Bundesrath, den Reichstag, diese Volksvertretung[,1 aufzuheben und ihrn[,1 dem Reichskanzler[,1 wenigstens für seine Lebenszeit die Diktatur zu übertragen". (SB RT, VI. Leg. I. Sess., Bd. I, S. 40.) 14 Während eines Vortrags Albedylls stieß der Kaiser an einen Tisch, "schlug der Länge nach hin" und erlin so schmerzhafte Prellungen an der rechten Schulter, daß er seine Reise nach Wemigerode absagte (vgl. Friedrich Wilhelm an Victoria, Berlin, 4. Nov. 1884, Schi. Fasan., NI. Friedrich m.). Man beachte auch Lehndorff an Bismarck, [Berlin,1 4. Nov. 1884 (BA KO, Reichskanzlei R 43F/1442); Liebe an Jansen, Berlin, 4. Nov. 1884 (SIA OL, Bstd. 132-225); Schmit v. Tavera [an KaInokyl (feleg.), [Berlin,1 4. Nov. 1884 (HHStA W, PA III, Nr. 125); Tgb. Waldersees v. 4. Nov. 1884 (GStAPK Abt. MER, NI. Waldersee, Rep. 92 A I Nr. 12), u. Tgb. Friedrich Wilhelms v. 4. Nov. 1884 (ebd., HA, NI. Friedrich III., Rep. 52 F I Nr. 7x). Siehe ferner Augusta an Wilhelm 1., Baden-Baden, 5. Nov. 1884: "Wir müssen allerdings wieder Go/l danken, daß so geringe Folgen von diesem Unfall vorhanden sind". (Ebd., NI. Wilhelm 1., Rep. 51 T Lit. P Nr. 11, Fasz. 36, Hervorh. im Orig.) Ähnlich Lehndorff an Bismarck, [Berlin,1 5. Nov. 1884 (BA KO, Reichskanzlei R 43F/1442). Ernster dagegen - mit Blick auf die Zukunft - beurteilte der bayerische Gesandte das Ereignis: "Bei den Jahren des Hohen Herrn können aber die Folgen jedesmal sehr ernste sein" (Lerchenfeld-Koefering an Ludwig Il., Berlin, 6. Nov. 1884, HSIA M, Abt. Il MA m, Nr. 2662). Auf einem Brief Bismarcks, in dem er dem Monarchen "volle Genesung von diesem bedauerlichen Unfall" wünschte, vermerkte der Kaiser: "Sehr dankbar, es geht langsam besser". (Marginalie Wilhelms I. auf einem Schreiben Bismarcks an ihn, Berlin, 6. Nov. 1884, Bisf1lßrclc: GW, Bd. 6c, S. 309.) Ähnlich Plessen an Bismarck, Palais [BerlinI, 7. Nov. 1884 (BA KO, Reichskanzlei R 43F/1442), u. Wilhelm I. an Augusta (Absehr.), Berlin, 11. Nov. 1884 (GStAPK Abt. MER, HA, NI. Wilhelm 1., Rep. 51 1509b). 15 Krüger an Gildemeister, Berlin, 20. Nov. 1884 (StA HB, Bstd. 2 - M.6.c.2.b.l.b., Bd. 6). "Wenn gleich mit einer Bescheidenheit, die nur zu loben ist, documenti[elrt die Thronrede doch die Thatsache, daß Deutschland aus den Grenzen einer continentalen Macht herausgetreten ist und in die Bahnen einer Weltmacht einzulenken im Begriffe steht. Wenn den Engländern unheimlich dabei zu Muthe wird, so mögen sie Herrn Gladstone zur Rechenschaft ziehen, dessen unbesonnene auswärtige Politik dazu beigetragen hat, jene Wandlung herbeizuführen". (Ebd.) Ähnlich Waldenburg an Bismarck, Dresden, 30. Aug. 1884: "Was [... 1 ganz besonders die allgemeine Bewunderung und wärmste Zustimmung hervorrief, ist die wieder aufs Neue bewiesene Klugheit und der weitsichtige Blick im richtigen Erkennen des Ziels seitens der obersten Leitung". (PA BN, Königreich

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gegen war über die Härte des Wahlkampfes, die er aufgrund der inmitten der regierungstreuen Zeitungen und Parteien grassierenden Englandfeindlichkeit buchstäblich körperlich empfunden hatte, schockiert. "Schärfe und gemeine Verdächtigungen waren an der Tagesordnung, gepaart mit Unwahrheit"16, bedauerte er und beschuldigte die Konservativen und Nationalliberalen, die Wähler durch Verheißungen von "Privat[-] Interessen" 17, womit er anscheinend die Kolonialpolitik meinte, verführt zu haben. "Was die guten National[-]Liberalen betrifft"18, bilanzierte Victoria enttäuscht, "haben sie in ihrer Blindheit die Zustände mit herbei geführte,] unter denen wir leiden! Statt ein Gegengewicht gegen Abelino Cd. h. Bismarck] zu bilden[,] sind sie ja sein Spielball u[nd] lassen sich herumtreten wie er will" 19. Sie riet ihrem Gatten, öffentlich passiv zu bleiben und keinen Widerstand zu wagen. Erst bei geeigneter Gele-

Sachsen Nr. 48, Bd. 12.) Noch gegen Ende des Jahres urteilte der oldenburgische Gesandte Liebe: "Aus den englischen Zeitungen läßt sich entnehmen, daß sich in England ein ziemlich hoher Grad von Eifersucht entwickelt. Zur Zeit ist es, wenn man den Dingen nicht näher steht, kaum möglich zu sagen, welche Stellung der Großmächte sich schließlich ergeben wird. Man hat dem Geschicke und Glücke des Reichskanzlers zu vertrauen". (Liebe an Jansen, Berlin, 31. Dez. 1884, StA OL, Bstd. 132-226, eig. Hervorh.) - Über die ReichstagseTÖffnung und den Gesundheitszustand des Kaisers vgl. Neidhardt an das hess. Staatsrninisterium, Berlin, 20. Nov. 1884 (StA DA, Abt. G 1 Konv. 81, Fasz. 2); Liebe an Jansen, Berlin, 20. Nov. 1884 (StA OL, Bstd. 132-225); Bericht Hartrnanns, Berlin, 21. Nov. 1884 (H. v. Poschinger: Parlamentarier, Bd. 3, S. 156); Tgb. Waldersees v. 20. Nov. 1884 (GStAPK Abt. MER, NI. Waldersee, Rep. 92 AI Nr. 12); Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 20. Nov. 1884 (ebd., H.A., NI. Friedrich m., Rep. 52 F I Nr. 7x), u. Oldenburg (fgb. v. 21. Nov. 1884), S. 93. Man beachte auch Krüger an Gildemeister, Berlin, 20. Nov. 1884: "Alles fühlte sich erleichtert, als die Ceremonie glücklich beendet war". (StA HB, Bstd. 2 - M.6.c.2.b.1.b., Bd. 6.) 16 Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 30. Okt. 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Friedrich m., Rep. 52 F I Nr. 7x). Vgl. Friedrich Wilhelrn an Augusta, Berlin, 18. Nov. 1884: "Der vorangegangene Wahlkampf hat an Gehässigkeit der Partei[-]Verhetzung alle früheren Vorgänge übertroffen". (Ebd., Rep. 52 I Lit. P 327r.) Man beachte auch die identische Einschätzung des mecklenburgischschwerinschen Gesandten Kar! Oldenburg: "Die Wahlen vorn 28. Oktober haben einen der schlimmsten Wahlkämpfe hervorgerufen, die bisher bei einer Reichstagswahl geherrscht haben" (Oldenburg, Tgb. v. 15. Nov. 1884, S. 92). Ähnlich Eisendecher an Bismarck, Kar!sruhe, 24. Sept. 1884, über eine "gewisse Unversöhnlichkeit" der Parteien (PA BN, Baden Nr. 31, Bd. 5). 17 Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 30. Okt. 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Friedrich m., Rep. 52 F I Nr. 7x). "Bei der Wahl von Bismarck's Sohn, Herbert, sind die Wähler durch Verheißung von Privat[ -]Vortheilen u[nd] mit Androhung von Nachtheilen für ihn gewonnen worden; gleiches geschah in vielen anderen Orten" (ebd.). Ähnlich Friedrich Wilhelrn an Victoria, Berlin, 6. Nov. 1884: "Es ist kein schlechtes Minel, vor allem das der Verläumdung, gescheut worden[,] wn den Gegnern zu schaden, und die Partei Bismarcks hat dadurch an Jünger gewonnen - ob auch das Staatswohl - das bezweifeln wohl die Wenigen[,] die wie S[chrader] und ich noch an der alten freisinnigen Auffassung festhalten". (Schi. Fasan., NI. Friedrich m.) 18 Victoria an Friedrich Wilhelrn, Gries-Bozen, 13. Nov. 1884 (Schi. Fasan., NI. Friedrich m.). 19 Ebd. Besonders verdrossen die Kronprinzessin die Auffassungen ihres ältesten Sohnes. "Ich kann mir denken!,] welch schönen Unsinn Wilhelrn zusammen schwätzt über den Staatsrath - die Wahlen - die Colonial[-]Politik [... ]. u[nd] bin froh[,] daß ich es nicht zu hören brauche[,] um mich nicht zu sehr zu ärgern" (ViCloria an Friedrich Wilhelrn, Gries-Bozen, 4. Nov. 1884, ebd.). Ähnlich Victoria an Friedrich Wilhelrn, Gries·Bozen, 13. Nov. 1884 (ebd.).

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genheit solle er sich vertraulich mit Schenk von Stauffenberg, Forckenbeck, Bunsen und Bamberger besprechen 20 . Auch eine andere, seit Anfang des Jahres wohlberechnet inszenierte, antiliberale Kalkulation Bismarcks ging vollkommen auf2 l . Die Taktik der Regierung und der konservativen Parteien, den "Socialisten schön zu thun, hat die Köpfe der Leute verwirrt"22, registrierte Hohenlohe-Schillingsfürst "In dem Heranwachsen der Sozial [-]Demokratie liegt eine ungeheuere Gefahr"23, notierte der Kronprinz Ende Oktober 1884 entsetzt als Resultat der für die Linksliberalen verlorenen Reichstagswahlen in sein Tagebuch. "Sie ergreift jetzt die untere[n] Beamte[n][,] die weitere[n] Kreise der Landwirthe und die ländlichen Arbeiter"24. Von einem Gespräch mit dem freisinnigen Abgeordneten Karl Schrader beeinflußt, sah er wegen des "bedeutenden Fortschritt[s] der Sozial[-]Democratie große Gefahren"25 für die Stabilität des deutschen Gesellschaftsgefüges herannahen. Offenbar am Vorbild der englischen »Friendly Societies« orientiert, kritisierte er die Sozial- und Wirtschaftspolitik Bismarcks. Seit den sechziger Jahren sei diese gegenüber den Arbeitern verfehlt, "weil nicht rechtzeitig durch Weckung und Unterstützung ihrer Selbstthätigkeit, für sie [d. h. die Arbeiter] gesorgt ward, während heute durch staats sozialistische Versuche u[nd] Verheißungen sie aufgeregt u[nd] doch nicht befriedigt"26 würden. 20 Vgl. Victoria an Friedrich Wilhelrn, Gries-Bozen, 8. Nov. 1884: "3 schlimme Gaben hat Abelino [d. h. Bismarck] der Nation geschenkt[,] die sie schwer schwer [sie] verdauen kann! Den Culturkampf - das allgemeine Stimmrecht u[nd] den »Protectionismus«. 3 große »Blunders«". (Ebd., Hervorh. im Orig.) 21 Vgl. oben Kap. D. II., S. 204-210. 22 Tgb. Hohenlohe-Schillingsfürsts v. 3. Nov. 1884 (BA KO, NI. Hohenlohe-Schillingsfürst, Nr. 1376). - GaU: Bismarck und England, S. 56, subsumien den Wahlkampf des Jahres 1884 lediglich unter der Devise '''Freiheit oder Staatssozialismus.... Dagegen allgemein Kennedy: Rise, S. 170, in kritischer Auseinandersetzung mit Apologeten der »Sozia1irnperialismus«-Theorie, daß das Anwachsen der Sozialdemokratie dem Kanzler keine Furcht einjagte. Falsch uneilt auch Craig, S. ISS, über die "Geschichte der Reichstagswahl von 1884, die einmal mehr den Fehlschlag der antisozialistischen Unterdrückungspolitik bezeugte". 23 Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 30. Okt. 1884 (GSIAPK AbI. MER, H.A., NI. Friedrich III., Rep. 52 F I Nr. 7x). 24

Ebd.

Friedrich Wilhelm an Victoria, Berlin, 5. Nov. 1884 (Schi. Fasan., NI. Friedrich III.). Ähnlich Friedrich Wilhelrn an Augusta, Berlin, 18. Nov. 1884 (GStAPK AbI. MER, H.A., NI. Friedrich III., Rep. 52 I lit. P 327r). 26 Friedrich Wilhelm an Victoria, Berlin, 5. Nov. 1884 (Schi. Fasan., NI. Friedrich III.). Fast wongetreu hatte dies der Kronprinz einen Tag zuvor in seinem Tagebuch notien: "Im Hinblick auf die Wahl[-]Ergebnisse ist die Monarchie durch dieselben in eine bedenkliche Stellung gedrängt, da Bismarck das »soziale Königthum« für seine staats sozialistische Richtung verkündete, u[nd] somit die Krone dem Ansturm aller Interessen aussetzt. Dies wird auf die Dauer unhaltbar, u[nd] jeder Schritt zu dieser Behemchungsforrn ist, je mehr [er] auf den König Rechte häuft, desto verdetblieher". (Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 4. Nov. 1884, GSIAPK AbI. MER, H.A., NI. Friedrich III., Rep. 52 F I Nr. 7x, Hervorh. im Orig.) - Die »Friendly Societies« waren freiwillige "Selbsthilfeorgani2S

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Schrader habe ihm prophezeit, schrieb er an seine Gattin, das "»sociale Königthum«"27, das die Regierung in Deutschland anstrebe, werde den Anstünnen aller Interessengruppen schutzlos ausgeliefert und auf lange Sicht nicht zu verteidigen sein. Jeder Schritt auf diesem Weg sei zerstörerisch, weil er alle Rechte auf den König konzentriere. "Nicht minder gefährlich sind die Folgen jener Verhätschelung der Sozialdemokraten als willkommene Bundesgenossen gegen den Liberalismus" 28, durchschaute der Thronerbe die Strategie Bismarcks. Die Kronprinzessin pflichtete seinen Ansichten uneingeschränkt bei. Was habe der Kanzler denn geleistet, fragte sie rhetorisch: "Die wilde Socialistische Parthei groß gezogen! Das Gift des Socialismus verbreitet, die entsetzlichen Principien von Lassalle halb angenommen, gespielt mit diesem moralischen Dynamit"29. "Abelino"30, damit meinte Victoria den Reichskanzler unter vorsorglicher Verwendung eines Decknamens, falls ihre Korrespondenz in falsche Hände fiel, "ist u[nd] bleibt ein Mann für Ausnahme[ -]Zustände, Kraft[,] Energie u[nd] Scharfblick[,] geniale Furchtlosigkeit sind seine Tugenden, die in Zeiten äußerer Verwickelungen oft Großes geleistet haben: Hauptsächlich im Verwirren u[nd] Überrumpeln Schwächerer[,] im Vortheil ziehen aus den Schwächen des Feindes. Aber zum Aufbauen[,] zum Ausbauen gehören andere Eigenschaften. Da muß man eine wahre tiefe überzeugte Freiheitsliebe haben; die Einsicht und den Drang[,] stets zu veredeln u[nd] [zu] verbessern, den festen Glauben an die besten Seiten der menschlichen Natur, mit diesem muß man arbeiten wollen,,,31

Die Bemühungen des Fürsten, sich angesichts einer vermeintlichen sozialdemokratischen Umsturzgefahr zum Retter des Vaterlandes zu stilisieren und sich als "Löwenbändiger"32 für künftige Aufgaben nach dem Thronwechsel zu empfehlen, hatte - bei aller prinzipiellen Kritik - eine gewisse Wirkung auf die sationen auf der Basis der Gegenseitigkeit als Unterstützungskassen zur Linderung der Not im Krankheitsfall, bei Arbeitsunfähigkeit [... ] [und] zur Vorsorge für den Todesfall" (Birke: Selbsthilfe, S.80). 27 Friedrich Wilhelm an Victoria, Berlin, 6. Nov. 1884 (Schi. Fasan., NI. Friedrich III.). 28 Ebd. In der »Voss. Ztg.", vom Kronprinzen in sein Tagebuch unter dem Datum des 5. November 1884 eingeklebt, hieß es: Es sei sehr bedenklich, "wenn diejenigen Recht hätten, welche meinen, dem Kanzler sei es im Grunde weder um das Eine, noch um das Andere [d. h. die Bekämpfung des »Zentrums« bzw. der Sozialdemokratie] zu thun gewesen, sondern um [die] Herabdrükkung des ihm im Innersten verhaßten freisinnigen Bürgerthums. Dann hätte er allerdings auch in seiner inner[e]n Politik einen nicht unerheblichen, wenn auch vorübergehenden Erfolg zu verzeichnen, der jedoch mit den traurigen Folgen für den confessionellen und socialen Frieden denn doch zu theuer erkauft wäre". (Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 5. Nov. 1884, GStAPK Ab/. MER, H.A., NI. Friedrich III., Rep. 52 F I Nr. 7x.) 29 Victoria an Friedrich Wilhelrn, Gries-Bozen, 7. Nov. 1884 (Schi. Fasan., NI. Friedrich III.). 30 Ebd. 31 32

Ebd., Hervorh. im Orig. Her/fing, S. 38.

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Kronprinzessin ausgeübt. Ebenso wie ihr Gatte - außerdem wegen der antienglischen Kolonialpolitik des Kanzlers und deren chauvinistischen Echos in der deutschen Öffentlichkeit bis ins Mark verwundet - erklärte sie resigniert: "Mögen die Massen der Unverständigen u[nd] Böswilligen sich nach rechts u[nd] links zusammen schaaren, was man für wahr und richtig erkennt, dabei bleibt man fest u[nd] ruhig stehen"33. Dennaßen eingeschüchtert, verbesserte sich Ende November 1884 kurzfristig das Verhältnis zwischen dem Kronprinzenpaar und dem Kanzler. Dieser wohnte sogar zur Verblüffung der Geladenen einer Festveranstaltung zu Ehren von Victorias Geburtstag bei; er durfte hoffen, mit Hilfe des indirekten Plebiszits der Reichstagswahlen seine Unersetzlichkeit auch in einem liberalen Regiment eindrucksvoll demonstriert zu haben 34. Es genügte Bismarck keineswegs, sich an der Wahlniederlage der DeutschFreisinnigen, die unmittelbar nach ihrer Gründung vom Volksmund als "Kronprinzenpartei"35 tituliert worden waren, zu weiden. Obwohl die Sozialdemokraten ihre Mandate auf 24 verdoppelt hatten und ihnen der Sprung in den Seniorenkonvent des Reichstags geglückt war, bemerkte er wegwerfend zu Görtz-Wrisberg: "'Die genieren mich nicht''' 36. Während sich der Kronprinz über den Stimmenzuwachs der Sozialdemokraten entsetzte und sich über ihre Wahlbündnisse mit anderen Parteien wunderte, ließ der Kanzler - ähnlich wie bei den Reichstagswahlen von 1881 - an die Nationalliberalen in Hessen wie auch an zahlreiche andere im Reichskanzlerpalais ratsuchende Politiker telegraphieren, im Falle von Stichwahlen sei der sozialdemokratische Kandidat dem der Linksliberalen vorzuziehen. "'Fürst wünscht Sabor"'37, hieß die Parole, 33 Victoria an Friedrich Wilhehn, Gries-Bozen, 8. Nov. 1884 (Schi. Fasan., NI. Friedrich ID., Hervorh. im Orig.). 34 Vgl. Kohl: Regesten, S. 331; Tgb. H. v. Bismarcks v. 21. Nov. 1884 (BA KO, NI. Bismarck, Fe 3034), u. E. Malet an Sanderson, Berlin, 23. Nov. 1884 (LeII. Berl. Emb., S. 356). 's Mehring, S. 590. '6 Marschall von Bieberstein an Turban, Berlin, 1. Nov. 1884 (Großherzog Friedrich: Reichspolitik, Bd. 2, S. 280). Vgl. Boetticher im Staatsministerium am 8. Dez. 1884 (GStAPK Abt. MER, Rep. 90a B ID 2. b. Nr. 6, Bd. 96). - Im Vorfeld des 28. Oktober 1884 haue Friedrich Engels seine Parteifreunde angespornt: "'Die Siege, die Thr erringt, wiIken von Sibirien bis KaJifomien und von Sizilien bis Schweden'" (zit. nach Seebacher-Brandt, S. 211). 37 Bebel, Bd. 3, S. 12. Vgl. Friedrich Wilhehn an Augusta, Berlin, 18. Nov. 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Friedrich ID., Rep. 52 I 111. P 327r). - Mit 12.166 zu 10.777 Stimmen (53% zu 47%) besiegte Sabor den Kandidaten der linksliberalen »Süd-Deutschen Volkspart~i« ("Statistik der allgemeinen Wahlen für die VI. Legislatur-Periode des Deutschen Reichstags im Jahre 1884", SB RT, VI. Leg. I. Sess., AnIagenbd. 5, S. 630). Man beachte auch H. v. Bismarck an Rantzau, Varzin, 29. Okt. 1881: "Bei den Stichwahlen zwischen Fortschritt und Sozialisten wäre es richtig, wenn alle Konservativen sich nicht etwa enthielten, sondern für den Sozialdemokraten stimmten. Papa sagt: 'mit den Sozialisten können wir entweder paktieren oder sie niederschlagen, der jetzigen Regierung können sie niemals gefährlich werden. Der Sieg der Fortschrinler ist aber = Republik, in der die Regierung so geschwächt wird, daß der Staat zugrunde gehen muß .... (H. v. Bismarck: Privatkorrespondenz, S. 108.)

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als im Wahlkreis Frankfurt am Main der Wähler vor die Entscheidung zwischen Leopold Sonnemann, dem Besitzer und federführenden Redakteur der liberalen »Frankfurter Zeitung«, und dem Sozialdemokraten Adolf Sabor gestellt war. Tatsächlich siegte Sabor. August Bebel, Führer der sozialdemokratischen Fraktion in Berlin, bedankte sich sogar bei Franz von Rottenburg, dem Chef der Reichskanzlei, für dessen Gratulation, daß er in Hamburg einen zweiten Wahlgang erreicht habe 38 . Entsprechende Stichwahllosungen zugunsten der Sozialdemokraten wurden zur hellen Empörung des Kronprinzen in der ultrakonservativen »Kreuz-Zeitung« und in der freikonservativen regierungstreuen »Post« publiziert, ja Bismarck erörterte kurzzeitig - in Reminiszenz seiner möglichen Antwort auf den »Antrag Stern« vom Dezember des Vorjahresmit einigen verbündeten Regierungen, ob man durch die Einführung der öffentlichen Stimmabgabe die Stichwahlen abschaffen und somit die kleinen Parteien kräftigen könne 39 . Seiner strikt anti liberalen Gesinnung vom Winter 1883/84 und Frühjahr 1884 bezüglich des eventuellen Scheiterns des Sozialistengesetzes blieb der Reichskanzler also über den Wahltermin hinaus treu und suchte dem Linksliberalismus noch schmerzhaftere Wunden beizubringen, als ihm dies mit den Reichstagswahlen ohnehin geglückt war. Im Parlament erinnerte Otto von Bismarck am 26. November 1884 an die angeblichen Versuche der Opposition, ein »Ministerium Stosch« zu etablieren, und verkündete mit Blick auf den Thronwechsel an seine Erzfeinde aus der Konfliktszeit gewandt: "Sie wollen natürlich eine parlamentarische Regierung für Thre Partei oder ab und zu für Thre Partei; Sie wollen gelegentlich herankommen; es ist unangenehm, wenn durch kaiserlichen Willen ein und dieselbe Regierung über 20 Jahre am Ruder bleibt. [... ] Ich halte die 38 Bebel an Rottenburg, Plauen-Dresden, 5. Nov. 1884: "Fur Thre Glückwünsche verbindlichsten Dank. Ging es meinen persönlichen Gefühlen und Wünschen nach, so würde ich im Falle einer glücklichen Stichwahl das Hamburger Mandat behalten. Aber höher als persönliche Wünsche steht das Parteünteresse und dem muß ich mich fügen". (BA KO, NI. Rottenburg, Nr. 267-349.) 39 Vgl. Mehring, S. 599. Man beachte auch Philipp (Tgb. v. 1O.0kt. 1884), S. 63: "Der Fürst teilte die Ansicht, daß im Augenblick ein Sozialdemokrat weniger gefährlich sei, als ein Fortschrinsmann". Siehe ferner H. v. Bismarck an Holstein, Den Haag, 1. Nov. 1884 (Holstein: Papiere, Bd. 3, S. 126); Tgb. Friedrich Wilhelrns v. 6. Nov. 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Friedrich III., Rep. 52 F I Nr. 7x), u. Szechenyi an Kalnoky, Berlin, 1. Dez. 1884 (HHStA W, PA m, Nr. 125). Vgl. Baur-Breitenfeld an Mittnacht, Berlin, 7. Nov. 1884: "Es wird mir erzählt, daß der Kanzlei des Kanzlers täglich telegraphische Anfragen zugehen, ob man bei Stichwahlen für die Socialdemocraten oder die Ultramontanen r[e]sp[ektive] Freisinnigen stimmen solle. - Die Antwort soll, wenn auch verhüllt gehalten, nicht im Sinne der zweiten Alternation lauten. - In den hochoffiziellen Kreisen werden die Socialdemokraten als offene Gegner der Gesellschaft immer mehr als weniger gefährliche Gegner bezeichnet, denn die Freisinnigen, welche staatserhaltende Grundsätze heuchelnd durch ihre Negation die Gesellschaft unterwühlen". (HStA S, E 73 Verz. 61, Fasz. 126, provisor. Nr. D 124, Hervorh. im Orig.) - Man beachte auch die »NAZ« v. 23. Nov. 1884 [Dönhoff an Bismarck, Dresden, 20. Nov. 1884] über die Schädlichkeit von Stichwahlen für das herkönunliehe Wahl system (vgl. PA BN, Königreich Sachsen Nr. 48, Bd. 13).

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Partei weder für deutsch, noch für freisinnig; ich halte sie für eine Gefahr für das deutsche Reich und für unduldsam, für den Gegensatz von freisinnig ,,40.

In Anbetracht der anstehenden Stichwahlen fuhr die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« fort, die Linksliberalen zu attackieren, indem sie unstatthafte Wahlbeeinflussungen anprangerte. Auch dem »Zentrum« warf sie vor, den "Gegnern der Regierung und des Reiches: Freisinnigen, Sozialisten, Polen und Welfen als Bundesgenossen zur Seite gestanden [zu] haben 41. Nach dem Bekanntwerden der Wahlergebnisse schrieb Herbert von Bismarck an Friedrich von Holstein: liEs ist eine Schmach, daß noch so viele Freisinnige gewählt sind, mir wären 100 Sozialdemokr[aten] lieber als irgendeiner dieser erbärmlichen Sorte" 42. Er selbst freute sich, in seinem Wahlkreis Lauenburg einen Sieg über das "Fortschrittspack"43 davongetragen zu haben. Mit dieser Wertung übereinstimmend, eröffnete der Fürst in seiner Funktion als preußischer Ministerpräsident im Dezember 1884 seinen Kollegen, an und für sich halte er das Anwachsen der Sozialdemokraten für unbedenklich: 11

"Die in die Augen fallende Unausführbadeeit ihrer Ziele lassen sie minder gefährlich erscheinen als die Fortschrittspartei, die Furcht vor ihr könne sogar einen Thei1 der jetzigen Oppositionsmänner Mäßigung lehren. Offener Gewaltthat zu begegnen, werde die Staatsregierung stade genug sein, und falls es dazu käme, hieraus erhöhte Städee gewinnen"44.

"" Bismarck am 26. Nov. 1884 (SB RT, VI. Leg. I. Sess., Bd. I, S. 38). 41 »NAZ« v. 27. Nov. 1884 (PA BN, Königreich Sachsen Nr. 48, Bd. 13). VgJ. »NAZ« v. 22. Nov. 1884 [Stumm an Bismarck, Darmstadt, 19. Nov. 1884] (ebd., Hessen Nr. 51, Bd. 4). 42 H. v. Bismarck an Holstein, Friedrichsruh, I. Nov. 1884 (Holstein: Papiere, Bd. 3, S. 127). VgJ. Schrnit v. Tavera an Kälnoky, Berlin, 8. Nov. 1884: "In Regierungskreisen scheint man durch das Ergebnis der Wahlen nicht unbefriedigt zu sein. Da nach der Auffassung des Fürsten Bismarck die Fortschrittspartei als staatsgefährlicher anzusehen ist, als die sozialdemokratische Partei, hat die Regierung allerdings insoweit einen Sieg errungen, als erstere Partei im Reichstage nunmehr eine ganz untergeordnete Rolle zu spielen berufen und ohne die Unterstützung des Centrum's überhaupt kaum in Betracht zu ziehen ist". (HHStA W, PA m, Nr. 125.) Ähnlich Szechenyi an KaInoky, Ber!in, 27. Nov. 1884 (ebd.). 43 H. v. Bismarck an Johanna v. Bismarck, Den Haag, 31. Okt. 1884 (BA KO, NI. Bismarck, FC 3006). Als Kandidat der Freikonservativen hatte der Kanzlersohn die Wahl knapp (4.586 zu 4.304 Stimmen, d. h. 51,3% zu 48,2%) gewonnen (vgJ. "Statistik der allgemeinen Wahlen für die VI. legislatur-Periode des Deutschen Reichstags im Jahre 1884", SB RT, VI. Leg. I. Sess., AnIagenbd. 5, S.622). 44 Bismarck im preuß. Staatsministerium am 8. Dez. 1884 (GStAPK Abt. MER, Rep. 90a B m 2. b. Nr. 6, Bd. 96, Hervorh. im Orig.). Als Briefwechsel zwischen Bismarck und Puttkamer - ohne Ort und Datum, aber durch die Vertretung der Sozialdemokratie im Seniorenkonvent zeitlich identifizierbar - wiedergegeben bei PuJlkamer, S. 96f. Weiterhin bemedete der Ministerpräsident: Er plädiere dafür, die Ausnahmeverordnungen des SoziaJistengesetzes aufrecht zu erhalten, "jedoch ohne besondere Schärfe und ohne sich das Ansehen zu geben, als habe man den etwaigen Wegfall des Gesetzes zu scheuen". (Die Hervorhebungen oben im Text kennzeichnen eigenhändige Korrekturen

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Hatte sich der Kolonialpropagandist Ernst von Weber vor dem Hintergrund der vermeintlichen »roten Gefahr« im Jahre 1879 entsetzt, '''diese Verhältnisse werden sich, wie ich fürchte, von Jahr zu Jahr verschlimmern [... ] und es könnte leicht kommen, daß schon der hundertste Jahrestag der Französischen Revolution unser schönes Vaterland von einem Meer von Blut überschwemmt finden würde"'45, gedachte der Reichskanzler diese »Bedrohung« notfalls sogar ausufern zu lassen, um das liberale, emanzipatorische linke Bürgertum und das auf den Thronwechsel wartende Kronprinzenpaar, also die eigentliche Gefahr für die Existenz seiner »Kanzlerdiktatur«, auf seine Seite zu zwingen, wo sich Konservative und Nationalliberale bereits um ihn geschart hatten. Während sich Bismarck maßlos über die englischen EinschnÜfUngsversuche auf Samoa sowie im Hinterland der Küste Kameruns und des südwestafrikanischen Litorals erregte und zum Erstaunen Londons wieder einmal mit dem Bruch der deutsch-englischen Beziehungen drohte, feierte er im Dezember 1884 zwei Triumphe sondergleichen 46. Die Veröffentlichung der Weißbücher über das "Togogebiet und [die] Biafra-Bai" (4. Dezember 1884), "Angra Pequena" (11. Dezember 1884) und die "Deutsche[n] Interessen in der Südsee" (12. Dezember 1884) bescherten ihm das uneingeschränkte Lob des In- und Auslandes über sein umsichtiges und taktisch geschicktes Vorgehen beim Erwerb der ersten deutschen Kolonien. Allgemein rühmte man, wie er der englischen Obstruktionspolitik getrotzt habe. Anerkennende Worte fand sogar die »Times« und gestand ein, mit der Erwerbung Angra Pequefias habe der leitende und Einschübe Bismarcks in das von ihm redigierte Sitzungsprotokoll. ) Ähnlich Bismarck am 26. November 1884: "Ich möchte zur Beruhigung auch aller derer - zu denen ich nicht gehöre -, die die Sozialdemokratie als das größte Schreckbild der Zukunft betrachten - [... ) sagen: wenn die Herren erst mit positiven Plänen herauskommen, werden sie viel zahmer werden, als sie sind, auch in ihrer Kritik, und die Zahl ihrer Anhänger wird sich außerordentlich lichten. [... ) Wenn es keine Sozialdemokratie gäbe, auch wenn nicht eine Menge Leute sich vor ihr fürchteten, würden die mächtigen Fortschritte, die wir überhaupt in der Sozialreform bis jetl1 gemacht haben, auch noch nicht existi[e)ren, (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) und insofern ist die Furcht vor der Sozialdemokratie in Bezug auf denjenigen, der sonst kein Herz für seine armen Mitbürger hat, ein ganz nützli ches Element. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.)" (SB RT, VI. Leg. 1. Sess., Bd. 5, S. 25.) Falsch dagegen W. Schieder, S. 181: "Wenn freilich irgendjemand, dann war es wohl Bismarck selbst, der die Sozialdemokratie gefürchtet hat". 45 Zit. nach Hampe, S. 285. 46 Vgl. Bismarck an Münster, Berlin, 5. Dez. 1884 (GP, Bd. 4, S. 91-93); E. Malet an Granville, Berlin, 5. Dez. 1884 (Leu. Berl. Emb., S. 364f); E. Malet an Granville (Teleg.), Berlin, 6. Dez. 1884 (ebd., S. 365f); Granville an Gladstone, Foreign Office [London), 10. Dez. 1884 (Gladslone/Granville, S. 293f), u. Gladstone an Granville, Downing Street (London), 7. Dez. 1884 (ebd., S. 291). Auf eine detaillierte Diskussion der Reklamationen Berlins ließ sich Granville nicht ein. Er beteuerte lediglich, England sei von dem Wunsch beseelt, zu beweisen, daß man weit davon entfernt sei, die deutschen Kolonialbestrebungen zu behindern. (Vgl. Münster an Bismarck, Teleg., London, 10. Dez. 1884, u. Münster an Bismarck, London, 10. Dez. 1884, PA BN, England Nr. 78, Bd. 2.) Man beachte auch Weh/er, S. 28Ofu. 316, zu den englischen Aktivitäten.

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deutsche Staatsmann England ein "diplomatisches Sedan"47 zugefügt. In diesem Augenblick nationalen Überschwangs strich der Reichstag die Besoldung eines zweiten, neu in das Auswärtige Amt einzustellenden Direktors aus dem Etatentwurf für das nächste Haushaltsjatrr4 8. Eindringlich begründeten Unterstaatssekretär Busch und der Reichskanzler ihre Forderung, die auf geringfügige 20.000 Mark berechnet worden war, mit dem Personalmangel in der Wilhelmstraße, KrankheitsfaIlen und gestiegener Arbeitslast Auch wenn die Regierung es leugnete, hatte der umfangreiche kolonialpolitische Schriftwechsel sein Scherflein zu dem personalpolitischen Engpaß beigetragen. Eugen Richter bemängelte, der Kanzler reduziere die Abstimmung im Parlament auf eine persönliche Vertrauensfrage, "als ob bei jedem einzelnen Posten die afrikanische Politik oder die Politik im allgemeinen zur Entscheidung käme"49. Trotz beredter Appelle der Regierungsparteien lehnte die Opposition, wobei sich beson47 Münster an Bismarck, London, 15. Dez. 1884 (PA BN, England Nr. 78, Bd. 2). Vgi. Bismarck an den Reichstag, Berlin, 4., 11. u. 12. Dez. 1884 (SB RT, VI. Leg. I. Sess., Anlagenbd. 5, S. 113-142,158-187 u. 196-231). Man beachte auch Vitzthum von Eckstädt an H. v. Bismarck, London, 15. Dez. 1884 (BA KO, NI. Bismarck FC 2983); »Hamb. Nachr.« v. 17. Dez. 1884 u. »Nat.Ztg.« v. 18. Dez. 1884 (PA BN, I.A.A.a.6O Generalia, Bd. 4). Siehe ferner Rodd: Memories, S. 67; Aydelotte, S. 126; Marschall von Bieberstein an Turban, Berlin, 14. Dez. 1884 (GLA KA, Staatsministerium, Nr. 233-3475), u. Wesdehlen an Bismarck, Stungart, 15. Dez. 1884 (PA BN, Württemberg Nr. 32, Bd. 6). Siehe ferner Reuß an Bismarck, Wien, 14. Dez. 1884, u. a. über einen Artikel des »Fremdenblatts«: "Wenn je ein diplomatischer Feldzug mit Geschick und Erfolg, mit Energie und Eleganz geführt wurde, so ist es der, welchen Fürst Bismarck in Sachen Angra Pequenas mit der in außereuropäischen Dingen bisher als omnipotent geltenden britischen Weltmacht geführt hat. Die diplomatische Aktensammlung [... ] liest sich wie die Sammlung der Kriegsdepeschen aus dem Jahre 1870: wohlberechnete Initiative und Vormarsch aus gesicherter Operationsbasis, kombini[e]rte Aktion zur rechten Zeit und am rechten Ort, Schlag auf Schlag, daß dem Gegner kaum etwas anderes übrig bleibt, als Stellung um Stellung zu räumen". (BA Abt. P, RKA 1947.) Eine kritische Analyse des von Reuß angesprochenen Angra Pequeiia-Weißbuches mit Hinweisen auf die vom Auswärtigen Amt ausgelassenen Passagen, welche die ursprünglich unklaren und »harmlosen« - also keineswegs kolonialpolitischen - deutschen Absichten verwischen, befindet sich bei Aydelotte, S. 142-153. Man beachte auch die kritischen englischen Kommentare in bezug auf die Veröffentlichungstechnik des Angra Pequeiia-Weißbuches bei Granville an Gladstone, Walmer Castle, 15. Dez. 1884 (Gladstone/Granville, S. 296), u. im Pressebericht Lindaus, Berlin, 20. Dez. 1884 (PA BN, I.A.A.a. 60 Generalia, Bd. 4). 48 "Als nun inzwischen der Inhalt der amtlichen Akten über die Kolonialbestrehungen der Regierung [... ] hier bekannt geworden und mit hober Freude und Bewunderung aufgenommen worden war, und man aus dem Reichstagsbeschluß vom 15. d[es) M(onats] ersah, in welcher Weise die Mehrheit hierauf antwortete, da wandte sich die öffentliche Meinung auf das Entschiedenste und Nachdrücklichste gegen ein solches Gebahren der Opposition". Ebenso habe die »Leipz. Ztg.« in Anlehnung an die »Nat.-Ztg.« gerügt: "Es klinge fast unglaublich und sei doch nur die strikteste Wahrkeit, daß trotz des in überzeugendster Weise geführten Nachweises der Nothwendigkeit, Hilfe zu schaffen zur Bewältigung der wachsenden Aufgaben, die bezügliche Position abgelehnt worden sei und dies in einem Augenblicke, wo durch das Blaubuch die unvergleichlichen Erfolge des leitenden Staatsmannes in das glänzendste Licht gestellt seien und allenthalben berechtigte Bewunderung und Stolz hervorgerufen hänen". (Dönhoff an Bismarck, Dresden, 18. Dez. 1884, PA BN, Deutschland Nr. 119.) 49 Richter am 15. Dez. 1884 (SB RT, VI. Leg. I. Sess., Bd. 1, S. 371).

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ders der linksliberale Abgeordnete Ludwig Löwe mit der Forderung hervortat, ''jede tausend Mark ernstlich anzusehen, ehe wir sie ausgeben" 50, den Posten mit den Stimmen der Deutsch-Freisinnigen, Sozialdemokraten und des »Zentrums« ab51 . Hochgradig erregt verließ Bismarck den Plenarsaal und bemerkte angeblich beim Verlassen des Gebäudes: "'Man muß sich vor dem Ausland schämen!"'52 In der anschließenden Sitzung des preußischen Staatsministeriums spielte er mit Staatsstreichplänen. Den Reichstag dürfe man in dieser Situation nicht mit "Auflösungsdrohungen ängstigen, sondern weitere Torheiten begehen lassen, bis er schußrecht"53 sei. Furcht vor der Herrschaftszeit Kaiser Friedrichs III. offenbarte er, als er daran erinnerte, daß er in der Konfliktsperiode unter Wilhelm I. vier Jahre lang budgetlos regiert habe. "Der Kronprinz glaube aber an Majoritäten" 54. Des öfteren wiederholte er - ganz im Gegensatz zum Erklärungsmodus der »Sozialimperialismus«-Theorie Hans-Ulrich Wehlers, welche auf die gesellschaftsstabilisierenden Effekte der Kolonialpolitik abhebt -, "daß er einen Putsch der Sozialdemokraten wünsche, man möge den Stoff zu weiteren Konflikten sich weiter entwickeln lassen" 55. In Anwesenheit des nationalliberalen Politikers Marquardsen freute er sich sogar über den Eklat in der VOlksvertretung, weil das »Zentrum« und die »Deutsche Freisinnige Partei« "kaum einen dümmeren Streich hätten machen und sich in den Augen so Löwe arn 15. Dez. 1884 (ebd., S. 359, HelVorh. im Orig.). Vgl. die Begriindungen C. Buschs u. Bismarcks am 15. Dez. 1884 (ebd., S. 357f bzw. 359· 361). Man beachte auch Hammerstein am 15. Dez. 1884: "Vergleichen Sie die Leistungen des Auswärtigen Amtes in England und des hiesigen Auswärtigen Amtes· und dazu geben uns die diplomatischen Aktenstücke, die wir neuerdings über Angra Pequena gelesen haben, ein sehr geeignetes Material -. und Sie werden sich ein Bild davon machen, wie das übrige Ausland über einen deutschen Reichstag denken muß, der die Mittel nicht gewährt für ein Auswärtiges Amt, das bisher durch seine Leistungen alle europäischen Aemter bei weitem übertroffen hat. [...1Die Aeußerungen des Herrn Abgeordneten Löwe bieten einen interessanten Ausblick in die Zukunft, die uns bevorstehen würde, wenn der Herr Abgeordnete Löwe und seine Freunde [...1, die neuerdings die parlamentarische Herrschaft rund und neu auf ihre Fahne geschrieben haben, einmal ans Ruder kommen". (Ebd., S. 362.) Ähnlich Helldorff u. Lenz am 15. Dez. 1884 (ebd., S. 361 bzw. 369). Vgl. Zucker, S. 192f. 52 Bericht Hartmanns, Berlin, 12. Dez. 1884 (H. v. Poschinger: Parlamentarier, Bd. 3, S. 157). Vgl. Lucius von Bal/hausen ([gb. v. 15. Dez. 1884), S. 307: "Ich habe den Fürsten wohl nie so erregt gesehen und fürchte, er wird ernste Konsequenzen daraus ziehen". 53 Lucius von BaUhausen (Tgb. v. 15. Dez. 1884), S. 307. 54 Ebd. Vgl. Baur-Breitenfeld an Minnacht, Berlin, 22. Dez. 1884: "Der Kanzler soll die Ansicht ausgesprochen haben, daß Herr v[onl Bennigsen sich von ihm femhalte, um sich für etwas besseres [d. h. die Regierung Kaiser Friedrichs m.1 aufzubewahren". (HStA S, E 73 Verz. 61 Fasz. 126, provisor. Nr. D 124.) ss Lucius von BaUhausen (Tgb. v. 15. Dez. 1884), S. 307. Ähnlich schroff meinte Bismarck über den Ausgang der Wahlen: "Wenn sie über Gebühr oppositionell ausfielen, so würde das parlamentarische System umso schneller ruiniert und die Säbelherrschaft vorbereitet werden". (Ebd., Tgb. v. 27. Okt. 1884, S. 304.) SI

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weiter Kreise in der Bevölkerung mehr schaden können, als durch diese Beschlüsse"56. Selten waren sich politische Kreise sowie in- und ausländische Zeitungen in ihrer Entrüstung über das »unpatriotische« Verhalten der Opposition so einig wie im Dezember 1884. Man erzählte sich sogar, der Kaiser habe sich erboten, die verweigerte Summe aus seiner Privatschatulle zu finanzieren. Linksliberale Blätter wie die »Dresdner Zeitung« schwiegen betroffen, die »National-Zeitung« rügte das Abstimmungsergebnis, und die »Magedeburger Zeitung« rief die ehemaligen Sezessionisten Schenk von Stauffenberg, Forckenbeck, Braun und Rickert auf, unter Protest aus der »Deutschen Freisinnigen Partei« auszutreten 57 . Regierungstreue Journale staunten fassungslos, warum die Opposition gerade das Ressort des Auswärtigen Amtes, die Domäne des Reichskanzlers, zur Zielscheibe auserkoren habe, und vermuteten darin einen persönlichen Affront. Entsprechende Gesandtschafts- und Botschaftsberichte - samt beigelegten Zeitungsausschnitten -, die ihn unter anderen aus Karlsruhe, Dresden, Stuttgart, Budapest, St. Petersburg, Paris, Washington, Stockholm und Athen erreichten, ließ Bismarck redigieren und lancierte sie in die Reptilienpresse. Am 23. Dezember hieß es in der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung«, die aus einem Artikel des ungarischen Blattes »Egyetertes« zitierte: "Die Bedeutung des Fürsten Bismarck auf dem Felde der auswärtigen Angelegenheiten ist von solch kolossaler Dimension; er steht auf einem so hohen Piedestal historischer Größe, daß es unsagbar kindisch erscheint, die Entwickelung seiner Kraft und seiner Fähigkeiten auf diesem Felde erschweren zu wollen"58. Bis in den Februar 1885 hinein schlachtete die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« die Debatte über den Direktorenposten vom Dezember des Vorjahres aus, um das »Zentrum« und die Deutsch-Freisinnigen der Reichsfeindlichkeit zu beschuldigen, während sie die Person des Kanzlers mit aufrichtigem Patriotismus identifizierte. "'Man braucht nicht den Vorwurf des Mamelukenthums auf sich laden"'59, druckte sie eine Passage aus dem »Pester Lloyd« ab, '''wenn man den S6 Baur-Breitenfeld an Mittnacht, Berlin, 22. Dez. 1884 (HStA S, E 73 Verz. 61 Fasz. 126, provisor. Nr. D 124). Vgl. H. v. Bismarck an B. v. Bülow, Berlin, 19. Dez. 1884 (BA KO, NI. Bülow, Nr. 65). 57 Vgl. Pressebericht Lindaus, Berlin, 22. Dez. 1884 (PA BN, l.A.A.a.60 Generalia, Bd. 4). Man beachte auch »Nat.-Ztg.« v. 16. Dez. 1884 (ebd.); »Berl. TagebI.« v. 16. Dez. 1884 (ebd.); »Berl. Börsen-Courier« v. 16. Dez. 1884 (ebd.), u. »Fremden-Blan« v. 17. Dez. 1884 (ebd., Deutschland Nr.119). 58 »NAZ« v. 8. Feb. 1884 (ebd., Deutschland Nr. 119). S9 Ebd. Vgl. Szechenyi an Kalnoky, Berlin, 16. Dez. 1884 (HHStA W, PA m, Nr. 125); Pressebericht Lindaus, Berlin, 16. Dez. 1884 (PA BN, Deutschland Nr. 119), u. Marschall von Bieberstein an Turban, Berlin, 17. u. 21. Dez. 1884 (Großlu!rzog Friedrich: Reichspolitik, Bd. 2, S. 295f). Man beachte auch Hohenlohe-Schillingsfürst an B. v. Bülow, Paris, 17. Dez. 1884: "Ich wundere mich über nichts mehr!.] was das Centrum und die Fortschrinspartei ausbrüten. Die Dummheit der Centrumsmitglieder u[nd] ihrer Wähler u[nd] der kleinliche Neid der fortschrittlichen Bürger machen

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Satz ausspricht, daß, wer voll und ganz zum Reiche hält, bis zu einem gewissen Grade wenigstens auch zu seinem größten Repräsentanten, dem Kanzler, wird halten müssen"'60. Bescheinigt kein diplomatiegeschichtliches, ökonomisches oder »sozialimperialistisches« Theoriengebäude der Bismarckschen Überseepolitik einen mittel- oder langfristigen Erfolg, verdient der außenpolitische Aspekt der }}Kronprinzen-These« das Prädikat des Gelingens. Der neu erwachte Patriotismus, besonders die in ihrer negativ defmierten Form die Gemüter spaltende antienglische Kolonialpolitik, vermochte das Ansehen des anglophilen Kronprinzenpaars in der deutschen Öffentlichkeit komplett zu zerstören, wogegen sich der Kanzler in allem - nur nicht dem Namen nach - als Herrscher Deutschlands fühlen durfte. "Meine Zeit liegt hinter mir"61, resignierte der Thronerbe auch mit Blick auf die - von Bismarck geförderte - gewaltige Verdoppelung der Sozialdemokratie. "Die Zukunft gehört der nach uns kommenden Gesellschaft, die jubelnd und vergötternd Alles recht fmdet[,] was geschieht, oder mit Selbstgefälligkeit sich schon die Kartätschen zurecht legt[,] mit denen den Sozialisten begegnet werden muß"62. Wie sehr sich Friedrich Wilhelm und Victoria in die Ecke gedrängt fühlten, verdeutlicht eine kleine Episode. Kurz vor Weihnachten 1884 begeisterte sich der Kaiser über die Ovationen in der Presse, die dem Kanzler entzückt huldigte. Während eines Diners sprach Wilhelm I. die Kronprinzessin auf den Eklat im Reichstag an. Es sei der "größte Triumpf[,] den Bismarck erleben könnte, über eine Rotte oppositionärer Mitglieder"63 des Parlaments. Victoria erwiderte ihAlles möglich". (BA KO, NI. Bülow, Nr. 89.) Siehe ferner Bleichröder an Bismarck, Berlin, 17. Dez. 1884, über die Empörung der Berliner Kaufmannschaft. Die Niederlage im Parlament empfinde sie als "Schmach". (Ebd., NI. Bi smarck , FC 2956N.) Vgl. Alvensleben an Bismarck, WashingtOfl, 17. Dez. 1884 (PA BN, Deutschland Nr. 119); Dönhoff an Bismarck, Dresden, 18. Dez. 1884, u. Berchem an Bismarck, Budapest, 20. u. 1. Feb. 1885 (ebd.); Spitzemberg (fgb. v. 20. Dez. 1884), S. 211; Eisendeeher an Bismarck, Karlsruhe, 21. Dez. 1884 (PA BN, Deutschland Nr. 119); Schweinitz an Bismarck, St. Petersburg, 21. Dez. 1884, u. Brincken an Bismarck, Athen, 4. Jan. 1885 (ebd.). 60 »NAZ« v. 8. Feb. 1884 (PA BN, Deutschland Nr. 119). Vgl. »NAZ« v. 23. Dez. 1884,3. u. 11. Jan. sowie 10. Feb. 1885 (ebd.). Man beachte die »NAZ« v. 2., 4., 6., 10., 12., 14. u. 19. Jan. 1885 mit einer langen Aufzählung der Zustimmungsadressen an Bismarck (GStAPK Abt. MER, 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinen, Nr. 617). - Den umstrittenen Etatsposten bewilligte der Reichstag am 4. März 1885 (vgl. Schultheß, 1885, S. 51). 61 Friedrich Wilhelm an Stosch, Berlin, 30. Nov. 1884 (Oestr., NI. Stosch). 62 Ebd. Vgl. Hamilton (fgb. v. 10. Dez. 1884), S. 752: "According to a very authentie source, the Crown Prince and Princess are not gening to appreciate Bismarck any the beuer, in spite of their admining him to be never [moreI popular and greater than ever he was. They can't get reconciled to him; and no wOflder - he is virtual Emperor of Gennany, and the Crown Prince has accordingly to look forward to the sucession to a throne shom of half its power" . .. Wilhelm 1. an Friedrich Wilhelm, B[erlin,l 22. Dez. 1884 (GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Friedrich ill., Rep. 52 F I Nr. 7x, adhib.). Den Gesprächshergang resümierte der Monarch wie folgt:

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rem Schwiegervater kein Wort und wandte sich von ihm ab. Der Kaiser war entsetzt. Erbost schrieb er seinem Sohn einen Brief. Aus dem Benehmen Victorias schließe er, daß sie die allgemeine öffentliche Empörung nicht teile. Schonungslos wies er Friedrich Wilhelm auf die Konsequenzen hin, die seiner Gattin möglicherweise aus ihrem Verhalten erwüchsen 64: "Wenn dies der Fall sein sollte, so muß ich Dich sehr ernstlich bitten, Deiner Frau eine Aufklärung über das scandalöse Benehmen der Opposition zu geben, denn daß ein so hochstehendes Mitglied meines Hauses, in einer solchen Angelegenheit für diese Opposition sich erldärt, wo der Patriotismus seine ganze Frische zeigt, kann u[nd] darf ich nicht zugeben u[nd] hoffe ich[,] daß ein Mißverständnis nur obwaltet [... ]. Denn, wenn wirklich bei Deiner Frau ein Mißverständnis vorliegt u[nd] dasselbe in die Öffentlichkeit dringen sollte, so kann dies von der allemachtheiligsten Folge für die politische Stellung Victorias sein!,,65

Eilends entschuldigte sich die Kronprinzessin, sie habe während der angeregten Unterhaltung den rasch wechselnden Themen kaum folgen können und habe geschwiegen, als sie bemerkt habe, daß sich die Augen aller Anwesenden auf sie beide richteten. Doch räumte sie ein, den politischen Ereignissen der letzten Zeit tatsächlich wenig Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Die fadenscheinige Ausflucht der Schwiegertochter akzeptierte Wilhelm 1. 66 In "'Nun Du wirst Dich freuen über die Genugthuung[,] welche F[ür]st Bismarck wegen des scandalösen Votums im Reichstag wegen des Streichens von 20.000 Mark empfängt?' V[ictoriaJ: 'Wieso, was ist denn vorgefallen, ich weiß nichts: W[ilhelm I.J: 'Liest Du denn garkeine [sic] Zeitungen[,] die nicht nur aus Preußen, sondern aus ganz Deutschland, Öst[er]reich, Rußland, ja selbst aus England wie der Times u[nd] sogar, die aller entschiedenste Mißbilligung über das Votum des Reichstags aussprachen, weil es kein politisches sei[,] sondern eine Haltung gegen die Person des Reichs· kanzlers[?]''' (Ebd., Hervorh. im Orig.) Vgl. Wilhelm I. an Pauline v. Scherf! (Abschr.), [Berlin, 28. Dez. 1884]: "Die Abstimmung im Reichstag war ein schändlicher Angriff auf die Person des F[ür]st[en] B[i]s[marc]k; denn wo Millionen aus Parthei-Haß gestrichen werden, konnten diese 20.000 Mark keinen anderen Grund als den bezeichneten haben! Aber wie triumphi[e]rend steht nun der Fürst durch die Manifestationen Deutschlands, ja man kann sagen Europas[,] da, ich glaube[,] imposanter ist nie ein Staatsmann für einen freventlichen coup, gerechtfertigter geworden. Aber leider muß man vorhersehen, daß dieser momentane Aufschwung in den Gemüthern nicht von Dauer sein wird, da der Opposition alle Mittel, auch die unlautersten, recht sind, um ihre Umsturzabsichten durchzuführen". (GStAPK B, BPH, NI. Wilhelm I., Nr. 870, Hervorh. im Orig.) Ähnlich Wilhelm 1. an Pauline v. Scherf! (Absehr.), Berlin, 18. Dez. 1884 (ebd.). Vgl. Lucius von BaI/hausen (fgb. v. 22. Dez. 1884), S. 307, u. Waldersee (fgb. v. 26. Dez. 1884), S. 247. 64 "Leider sehe ich mich veranlaßt[,] Dir eine Mittheilung über Deine Gemahlin zu machen, die ich nicht verschweigen darf' (Wilhelm 1. an Friedrich Wilhelm, B[erlin], 22. Dez. 1884, GStAPK Abt. MFR, H.A., NI. Friedrich IIl., Rep. 52 F I Nr. 7x, adhib.). 6S Ebd. 66 Vgl. Victoria an Wilhelm I. (Konz.), [0.0.,]22. Dez. 1884: "Wärst Du nicht so erregt gewesen, so hätte ich Dir gesagt, daß ich die letzten Tage so sehr in Anspruch genommen gewesen bin, daß ich allerdings meine Zeitungen liegen lassen uInd] anderes im Kopf hatte als die neuesten politischen Nachrichten uInd] Ereignisse - die ich sonst mit Interesse verfolge, - mußte aber fürchten, daß bei Deiner [angesichts Deiner StimnuutgJ Erregung mir diese Antwort [leichtJ auch falsch aus-

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Wirklichkeit schäumte Victoria vor Wut über den deutschen Nationalismus und die Aaggenhissungen - jüngst in Neuguinea - und bedauerte, daß ihre Heimat dem Reich nicht in der Südsee zuvorgekommen sei. Die Deutschen charakterisierte sie als allzu selbstgefällig, und dem Reichskanzler unterstellte sie, er trachte nach Prestige und wolle die Früchte seiner Saat genießen. In ihrem Eifer identifizierte sie sich gänzlich mit ihrem Mutterland und verfiel in die verräterische Vokabel »wir«: '''Wenn Bismarck beginnt Weltreich zu spielen, denke ich, ist es Zeit für uns, ihn wissen zu lassen, wer wir [ d. h. England] sind, wenn auch in aller Freundschaft"'67.

gelegt werden könnte, - u[ndl Dich noch mehr irriti[elren würde" (ebd .• die Hervorhebungen in ekkigen Klammem kennzeichnen Korrekturvorschläge Friedrich Wilhelms). Man beachte auch Wilhelm 1. an Victoria. Berlin, 23. Dez. 1884 (ebd.). 67 Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria. [0. 0 .• ] 30. Dez. 1884 (Corti: Sendung. S. 372f). Vgl. Kronprinzessin Victoria an Queen Victoria. Berlin. 23. Dez. 1884 (Victoria: Beloved Mama. S. 174). Man beachte auch Granville an E. Malet. Walmer Castle. 23. Dez. 1884: "1 presume we shall accept his [i. e. Bismarck's] annexions of the islands as accomplished facts - with a complaint to the manner". (j..ett. Berl. Emb., S. 371.) Siehe ferner Gladstone an Granville. Hawarden Castle. 28. Dez. 1884 (Gladstone/Granville, S. 305). u. Hamilton (fgb. v. 24. u. 28. Dez. 1884). S. 756f. In einem Glückwunschschreiben rum Jahreswechsel an den Kronprinzen rätselte der deutsche Botschafter in London über die Ursachen des antienglischen Chauvinismus. Den Kolonialunternehmungen wünschte er Glück und kleidete seine Kritik an der Politik Bismarcks in die vorsichtige Formulierung. er hoffe, seine Bedenken seien unbegründet. die Opfer nicht zu groß und die unvermeidbaren Verluste nicht zu empfindlich. Er bestärkte Friedrich Wilhelm in dessen Ansicht. daß die Londoner Regierung und das englische Volk keineswegs - außer mit Ausnahme der Australier wegen Neuguineas - eifersüchtig auf die deutschen Erwerbungen seien: "Ich hoffe. daß trotz aller Hetzereien in der Presse. trotz der leider so englandfeindlichen Stimmung in Deutschland. die ich mir nicht recht erklären kann, und für die uns wirklich innerer Grund fehlt. die Beziehungen zwischen den beiden allein civilisi[e]rten Staaten zwischen zwei Nationen [...] auf die Länge nicht leiden werden. [... ] Die Engländer kennen den Werth der deutschen Colonisten im Ausland und haben sie viel lieber als Nachbarn als jede andere Nation". (Münster an Friedrich Wilhelm. Kensley Hall [London]. 31. Dez. 1884. GStAPK Abt. MER. H.A .• NI. Friedrich m.. Rep. 521260.) Ähnlich argumentierte der Botschafter zum Jahreswechsel in einem Brief an Bismarcks Privatbankier Gerson von Bleichröder (vgl. Stern. S. 571).

"Die Erwerbung von weiten Flächen in fremden Erdteilen lag ihm [d. h. Bismarck] gar nicht im Sinn, es war ihm vielmehr zunächst nur um den Schutz bereits bestehender deutscher überseeischer Interessen zu tun" 1.

M. Der Battenbergische Heiratsplan und Bismarcks ostafrikanisches Abenteuer im Januar und Februar 1885 Ungeachtet der zeitweiligen deutsch-englischen Zusammenarbeit während der Kongo-Konferenz, die vom November 1884 bis Februar 1885 tagte, bestanden die kolonialen Differenzen zwischen Berlin und London fort 2. Vor dem Hintergrund der auch nach dem Reichstagswahlkarnpf vorhandenen Spannung zwischen dem Kanzler und den Linksliberalen und der allgegenwärtigen Erwartung des Thronwechsels, über dessen Auswirkungen man sogar in England spekulierte, verschärften sie sich im Januar 1885. Schuld war das in London am 23. Dezember 1884 bekanntgewordene überraschende Aufpflanzen der Reichsflagge im Nordosten Neuguineas. Die liberalen Blätter der Fleet Street kommentierten die Meldung mit Zurückhaltung, wogegen konservative Zeitungen - wie etwa der »Observer« und der »Standard« - Bismarck der Hinterhältigkeit bezichtigten3 . Fiel die öffentliche Reaktion auf der Insel insgesamt Raschdau: Bismarck, S. 97. Vgl. Louis: Great Britain, S. 9f; Königk, S. 185; Sanderson, S. 189-214; SIeltzer: Kolonialreich, S. 83-85, u. Louis: Conference, S. 193-196, zu den Verhandlungsdetails. Man beachte auch Fröhlich, S. 46-49, mit einer kurzen Zusammenfassung. Siehe ferner insgesamt die Studie von Crewe und den von Försler, W. Mommsen und Robinson herausgegebenen Sammelband über die Kongo-Konferenz. Die Annäherung Deutschlands an England beruhte nicht auf einem Umschwung der »großen Politik« in Berlin, sondern orientierte sich pragmatisch an lokalen HandeIsgegebenheiten in Afrika. J Vgl. Wehler: Imperialismus, S. 395f, u. Sleilzer: Kolonialreich, S. 67f. Man beachte auch E. Malet an Granville, [0. 0.,1 3. Ian. 1885: "Those who have seen Prince Bismarck lately say that he is still in a nervous and irritable mood". (LeII. Ber/. Emb., S. 376.) Auf der Gegenseite bemeIkte Granville: "Kimberley warlike against Germany" (Granville an Gladstone, Foreign Office [Londonl, 7. Ian. 1885, Gladslone/Granvi/le, S. 315). Besonders Chamberlain war über die plötzliche Annexion des Nordosten Neuguineas wütend, nachdem man englischerseits die Erwerbung des südlichen Teils in Berlin im Oktober 1884 angekündigt hane: "Without waiting for discussion, he [i. e. Bismarck] has taken the North. This is very sharp practice, and if I am right I should tell Bismarck so in the plainest terms diplomatic usage perrnits. I don't care the least about New Guinea and I am not afraid of German colonisation, but I don't like to be cheeked by Bismarck or anyone else, and I should let Bismarck know that if he is finally resolved to be unfriendly we accept the position and will pay him out whenever opportunity arises". (Garvin, S. 497f.) Man beachte auch Ja1

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milde aus, attackierte die inspirierte »Kölnische Zeitung« am 2. Januar 1885 Englands antideutsche Intrigen in Kamerun und an der Ostküste Südafrikas in cobs, S. 23-26; Koch, S. 74-76, u. Appel, S. 78-107, mit einem Überblick über das englische Presseecho. - Am 6. Januar 1885 empfahl der Kanzler Henning von Bassewitz die "thunlichst schnelle Anberaumung" eines Nachwahltermins für den verstorbenen konservativen Reichstagsabgeordneten Rudolf von Maltzahn-Marxhagen. "Ich glaube, Sie werden meinen Eindruck theilen, daß die Länge zur Frist der Agitation inuner der Fortschrinspartei zu Gute kommt, weil dieselbe eine straffere Organisation, die größerer Rührigkeit und mehr Rücksichtslosigkeit in Anwendung der Agitationsminel besitzt". (Bismarck an Bassewitz, Berlin, 6. Jan. 1885, BisfNJrcJc GW, Bd. 14,2, S. 957.) Der Kanzler betonte am 9. Januar 1885 im Reichstag: "Ich habe schon einmal bei einer anderen Gelegenheit gesagt, eine Kolonialpolitik lasse sich von Deutschland nur betreiben, wenn die Regierung eine sichere und mit einem gewissen Schwung und Enthusiasmus national gesinnte Reichstagsmajorität hinter sich hat (sehr richtig! rechts)". (SB RT, VI. Leg.!. Sess., Bd. I, S. 5CJ7.) Richter entgegnete: "Die letzte Erklärung des Herrn Reichskanzlers bin ich sehr geneigt im allgemeinen zu akzeptieren, daß eine Regierung eine Majorität in bestimmter Richtung hinter sich haben muß, wenn sie mit Erfolg Politik treiben will. Das ist, was gewöhnlich als das parlamentarische Regierungssystem bezeichnet wird (Bravo! links) [... ). Vielleicht wird er künftig diejenigen, die ein derartiges parlamentarisches System des Zusammenwirkens von Regierung und Volksvertretung für richtig halten, weniger ungünstig ansehen, als es bisher bei ihm der Fall gewesen ist". (Ebd.) - Siehe ferner Lerchenfeld-Koefering an Crailsheim (Konz./Abschr.), Berlin, 12. Jan. 1885, über den schweren Stand der Nationalliberalen - eingekeilt zwischen der »Deutschen Freisinnigen Partei«, »Zentrum« und der Sozialdemokratie - im Reichstag. Robert von Benda sei der einzige nationalliberale Abgeordnete von Format, "während Herr von Bennigsen und Miquel sich mit schlecht verstelltem Seitenblick auf das Alter des Kaisers und des Reichskanzlers vorsichtig [für die Regierung Friedrichs m.) aufheben". (BA KO, NI. Goldschmidt, Nr. 31.) Dies hatte Bismarck schon im Dezember 1884 Marquardsen vorgeworfen (vgL Kap. oben L. V., S. 627, dort Anm. 54). Man beachte auch Stosch an Freytag, Oestrich, 24. Jan. 1885: "Ich habe eine ganze Menge in Berlin erlebt; für mich das überraschendste war, daß die Menschen noch mit mir rechneten. Das hat mich außerordentlich geniert und hat mich rascher von dort fortgetrieben, wie ich eigentlich gewollt habe". (Stosch: Briefe, Teil 3, S. 8f.) Wie der außergewöhnlich gut informierte englische Minister Hamilton "from the best of sources" wußte, erörterten der Kronprinz und Stosch in jener Zeit, was mit Bismarck nach dem Thronwechsel geschehen solle. Stosch plädierte für dessen Verbleiben im Amt und schlug vor, ihn später wegen einer Meinungsverschiedenheit zu entlassen. Ein Teil des Gesprächs wurde von einem Spion des Kanzlers belauscht. (Vgl. Hamilton, Tgb. v. 11. März 1885, S. 811.) Vgl. »DaiIy Telegraph« (Übers.) v. 12. Jan. 1885 [Bismalck an Wilhelrn 1., Berlin, 20. März 1885): "Es giebt so viele andere ausgezeichnete Gründe, aus denen Deutsche und Engländer inuner gute Freunde sein sollten, daß niemand ein besonderes Gewicht legt auf die Krone und das Ornament der natürlichen Allianz - die Farnilienbande zwischen den beiden Höfen. In wenigen Jahren wird die Tochter der Königin, eine Prinzeß, welche dank ihrer Intelligenz einen ungewöhnlichen Einfluß ausübt, Kaiserin von Deutschland sein; der Herzog von Connaught ist mit einer Preußischen Prinzessin vermählt, außerdem ist unser Hof mit Deutschland durch zwei der Töchter der Königin verbunden. Wären andere Gründe für die Freundschaft nicht vorhanden, so sollte niemand das Gewicht solcher Erwägungen übertreiben. Z. B. kann niemand einen Krieg mit Rußland nur dessentwillen für eine Unmöglichkeit erklären, weil die Kaiserin eine Schwester der Prinzeß von Wales und der Herzog von Edinburgh Schwager des Zaren ist. Diese Beziehungen mögen einen Zusammenstoß aufhalten oder abschwächen, aber sie können ihn nicht abwenden, wenn ein wirklicher Konflikt bedeutender politischer Interessen entsteht. Wo dagegen, wie zwischen Deutschland und England, kein wesentlicher Grund für Feindschaft vorhanden ist, werden Familienbeziehungen immer im Stande sein, kleine Gereiztheiten und Verstimmungen auf ihre wahre Geringfügigkeit zurückzuführen". (BA KO, Reichskanzlei R 43Ftl.) Man beachte auch den kurzen Schlagabtausch zwischen Richter, Windthorst und Bismarck über die Realisierbarkeit eines parlamentarischen Systems in Deutschland am 9. Januar 1885 (vgl. SB RT, VI. Leg. I. Sess., Bd. I, S. 507 u. 509f).

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scharfer Weise. "'Wenn John Bull glaubt, durch derartige Schnurrpfeifereien uns Deutschen die Kolonialpolitik zu verleiden, so mag er sich gesagt sein lassen, daß er die Liebesmühe umsonst verschwendet"'4, drohte das Blatt. "'Deutschland ist gewillt, festzuhalten, was es besitzt, und es kennt die vielen verwundbaren Stellen des englischen Kolonialreichs gut genug, um den Briten mit gleicher Münze dienen zu können"'5. Acht Tage später wies die Wilhelmstraße das Foreign Office auf das deutschfeindliche Treiben englischer Untertanen in Kamerun hin, informierte nachträglich über den Kriegseinsatz der Reichsmarine an der Küste zur Unterdrückung der Unruhen und verband damit die Hoffnung, Granville werde alles tun, um die Beschwerdepunkte aus der Welt zu schaffen und zu verhindern, daß englische Beamte die deutsche Ausdehnung in das Hinterland sabotierten. Die der »Kölnischen Zeitung« von ihrem Korrespondenten aus Westafrika zugesandte telegraphische Nachricht, daß deutsche Marinesoldaten den Aufstand der indigenen Bevölkerung niedergeworfen hatten, las der Kaiser "mit Genugthuung"6. Prinz Wilhelm schickte Bismarck euphorisch einen "»Kamerun[-]Orden« [... ], den wir alle schon an der Uhr tragen, besonders die Offiziere" 7. Angesichts der kriegerischen Stimmung und des weithin grassierenden Kolonialfiebers beschlich Alfred von Waldersee, der mit dem eingeschworenen Kolonialgegner Leo von Caprivi diniert hatte, ein ungutes Gefühl. "Ist das der erste ernste Act in unserer neuen Kolonialpolitik[?)"8 fragte er

»KÖln. Ztg.« v. 2. Jan. 1885 (zit. nach SluhJmacher, S. 6Of). Ebd. Vgl. SanIag, S. 198: "The Kölnische Zeilung was then [1885] the generally accepted mouthpiece of the press bureau of the Berlin foreign office. Almost daily this journal was anacking England as the opponent of German expansion". (Hervorh. im Orig.) • Marginalie Wilhelms I. am Teleg. der »Köln. Ztg.« an Bismarck (Absehr.), Köln, 9. Jan. 1885 (BA KO, Reichskolonialamt R 101 I/l). Vgl. Busch an Münster (Konz.), Berlin, 9. Jan. 1885 (BA AbI. P, RKA 4204), u. Schullheß (9. Jan. 1885), S. 6. 7 Prinz Wilhelm an Bismarck, Berlin, 19. Jan. 1885 (BA KO, NI. Bismarck, Fe 2986). 8 Tgb. Waldersees v. 10. Jan. 1885 (GSIAPK AbI. MER, H.A., NI. Waldersee, Rep. 92 A I Nr. 12). Der wümembergische Gesandte überliefert die Äußerung Caprivis: "Größere koloniale Kriegsexpeditionen [... ] würden allerdings für unsere Verhältnisse nicht passen u[nd] nicht erwünscht sein" (Baur-Breitenfeld an Mittnacht, Berlin, 16. Jan. 1885, HSIA S, E 73 Verz. 61 Fasz. 126, provisor. Nr. D 126). Ludwig Windhorst warnte am 10. Januar 1885: "Sehen Sie doch, wo die Eifersucht am lebendigsten erwacht ist! Das ist in England, und die Stimmen, die von dort uns entgegentönen, [... ] beweist doch in der That, daß die Erregung dort keine kleine ist, so daß ich allerdings der Meinung bin, es könne Fälle geben, wo wir auch England gegenüber uns in Waffen zu zeigen Anlaß haben möchten und zeigen müssen. (... ]leh bin der Ueberzeugung, wir thun jetzt den erslen Schrill zu einer marilinu!n WellSlellung". (SB RT, VI. Leg. I. Sess., Bd. 1, S. 539, Hervorh. im Orig.) Vgl. Jaeck, S. 71-77; Rudin, S. 53-56, u. Buchner, S. 156-204, zum Aufstand in Kamerun, der nach Berichten deutscher Kaufleute vor Ort von Engländern angezenelt worden war, und zu den Kampfhandlungen zwischen der Bevölkerung und deutschen Marinesoldaten. - Man beachte auch Baur-Breitenfeld an Mittnacht, Berlin, 30. Jan. 1885: "Als Beweis dafür, daß die hier durch die 4

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nachdenklich. Besonders das Kronprinzenpaar erschrak über die laut tönenden Tiraden der regierungshörigen Journale. "Hier ist die wüthendste antienglische Strömung, u[nd] mein Herz hat darunter bitter zu leiden. Der Kaiser ist sehr erregt - meine Söhne toll - u[nd] die Presse um aus der Haut zu fahren! "9 jammerte Victoria und hielt in der Öffentlichkeit nicht mit ihren Unmutsbekundungen zurück. Der }}Deutsche Reichs-Anzeiger und Königliche Preußische Staats-Anzeiger« sowie die }}Kölnische Zeitung« publizierten Berichte Admiral Knorrs über die Kämpfe in Westafrika. Die Pressekommentare jenseits des Kanals böten Anlaß genug, "von Neuem darauf hinzuweisen"lO, bekräftigte die }}Norddeutsche Allgemeine Zeitung«, "daß heute in vielen englischen Publikationen das Bedürfniß zu Tage tritt, Unfrieden mit Deutschland zu säen"ll. Obwohl Bismarck der St. Lucia-Bai an der südafrikanischen Ostküste in Wirklichkeit nicht den geringsten Wert beimaß, führte das Blatt die Rivalität um die jüngste Lüderitzsche Erwerbung als Beweis gegenseitiger Differenzen neue Colonial[-]Politik wachgerufene Lust nach Abentheuem selbst Klassen ergriffen hat, welche sonst nüchtern zu unheilen pflegen, wurde mir mitgetheilt, daß für die Stelle des Gouverneurs in Kamerun und seiner Untergebenen eine Menge von Bewerbern aus Beamten u[nd] Offizierskreisen aufgetreten seien; es wird sogar erzählt - ich erzähle es ohne alle Garantie der Wahrheit wieder daß unser Landsmann, der Kaiserliche Consul in St. Petersburg B[aro]n Soden!,] Lust häne, diesen Posten zu übernehmen!,] und doch soll das Clima so mörderisch sein, daß jeder Europäer mit einer gewissen Sicherheit voraussehen könne, daselbst in spätestens 4-5 Jahren zu Grunde zu gehen". (HSIA S, E 73 Verz. 61, Fasz. 126, provisor. Nr. D 124.) 9 Victoria an Ludwig IV. von Hessen-Darmstadt, Berlin, 1. Jan. 1885 (SIA DA, Großherzogl. H.A., D 24 Nr. 14/5, Teil 1, Hervorh. im Orig.). Vgl. Szechenyi an KäInoky, Berlin, 17. Jan. 1885: "Die künftige Königin von Preußen und deutsche Kaiserin ist in ihrem ganzen Empfinden, Denken und Streben so ganz vollkommen Engländerin geblieben, daß sie alle Schritte, die von hier aus, zum Schutze deutscher [kolonialer] Interessen gegen englische Anmaßungen unternommen werden, als eine ihr persönlich zugefügte Kränkung fühlt. Sehr zu bedauern ist es, daß die Kronprinzessin dieß nur zu oft ganz unverhohlen zur Schau trägt". (HHSIA W, PA ill;Nr. 126.) 10 »NAZ« v. 6. Jan. 1885 (GSIAPK Abi. MER, 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinen, Nr. 617). Vgl. C. Busch an Münster (Absehr.), Berlin, 9. Jan. 1885 (BA Abi. P, RKA 4204), u. BaurBreitenfeld an Minnacht, Berlin, 30. Jan. 1885 (HSIA S, E 73 Verz. 61, Fasz. 126, provisor. Nr. D 124). Man beachte auch Queen Victoria an Kronprinzessin Victoria, [0. 0.,] 7. Jan. 1885: "This colonisation mania is really too bad and foolish. I am sure I have not the slightest objection but quite the contrary to the Germans having colonies - but I think the way in which it has been done is foolish and absurd". (Vicloria: Beloved Mama, S. 178.) 11 »NAZ« v. 6. Jan. 1885 (GSIAPK Abi. MER, 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinen, Nr. 617). Ähnlich die »NAZ« v. 5. Feb. 1885: "In Neu-Guinea, in Mrika und wo immer sonst sich eine Gelegenheit bietet, suchen die englischen Beamten, die Kreise unserer Kolonialpolitik zu stören[,] und dieser Zweck billigt in ihren Augen jedes Mittel". (BA KO, Reichskanzlei R 43F/1.) Vgl. »Berl. TagebI.« v. 5. Jan. 1885 (GSIAPK Abi. MER, 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinen, Nr. 617), u. C. Busch an Münster (Abschr.), Berlin, 9. Jan. 1885 (BA KO, Reichskolonialamt R 101 1/1). Man beachte auch Liebe an Jansen, Berlin, 11. Jan. 1885: "Nach dem, was sich sonst beobachten läßt, ist freilich die Gefahr kleinerer Reibungen [zwischen London und Berlin] nicht ausgeschlossen". (SM OL, Bstd. 132-226.) Siehe ferner Coupland, S. 404. Vgl. Gladstone an Granville, Liverpool, 29. Jan. 1885, über "the domineering tone to which their public [i. e. the Germans] organs are too much inclined" (GladslofU!/Granville, S. 329).

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und englischen Neides an. Daß der Reichskanzler die Kolonialpolitik initiiert habe, wn sich an Gladstone zu rächen und ihn zu stürzen, wie die »Daily News« Ende Dezember 1884 behauptet hatte, bestritt die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« energisch l2 . Die Engländer begriffen nicht, gab sich das Journal den Anschein eines überparteilichen, allein aufs Sachliche fixierten Standpunkts, "daß die Politik eines Staates aus Rücksicht auf die Interessen des betreffenden Landes geleitet werde [... ], wenigstens überall da, wo die Politik des fremden Landes sich nicht in den Dienst der englischen stellt oder mit dieser deckt" 13. Dieser Seitenhieb enthielt eine deutliche Anspielung auf die zu erwartende Regsamkeit englischer Einflüsse in Deutschland nach dem Thronwechsel. Die »Kölnische Zeitung« kolportierte überdies eine Äußerung Herbert 12 Im September 1884 hatte Gladstone geklagt: "I feit sure that in what 1 said at Edinburgh of Gennan colonisation 1 was not going beyond the lines of our feeling. 1 think it probable that the strong feeling against me in Gennany may neutralise any good effect the words were ca1culated to produce". (GladstoneIGranville, S. 246, Hervorh. im Orig.) - Zur Episode der deutschen Erwerbungen in der St. Lucia-Bai und im Zululand vgl. ReusslHartwig, S. 81-83, u. Weh/er: Imperialismus,

S.292-298.

13 »NAZ« v. 9. lan. 1885 (GStAPK Abt. MFR, 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinett, Nr. 617). Ähnlich »NAZ« v. 5. Feb. 1885: "Daß es die Interessen unseres Landes sind, welche unser Verhalten bestimmen, daß diese Interessen von denen Englands divergi[e)ren können, und daß diese Möglichkeit durch die Schuld Englands gut Wirklichkeit geworden ist - das Alles scheint außerhalb des englischen Fassungsvennögens zu liegen". (BA KO, Reichskanzlei R 43FtI.) Vgl. »NAZ« v. 29. Dez. 1884: Der »Daily News« Artikel sei "so wunderlich und [... ) so albern, daß ein Publizist, welcher jemals einen Blick in die Motive realer Politik gethan hat, auf solche Kombinationen gar nicht kommen kann". (PA BN, England Nr. 69, Bd. 24.) Ähnlich »NAZ« v. 5. Feb. 1885 (GStAPK Abi. MER, 2.2.1. Preußisches Geheimes Zivilkabinett, Nr. 618). Vgl. den Ausschnitt aus einer ungenannten Gazette im Tagebuch des Kronprinzen, höchstwahrscheinlich der linksliberalen »Volks-Ztg.« entnommen, worin sich eine Übersetzung des »Daily News«-Artikels befindet: "Fürst Bismarck verabscheut die gegenwärtige englische Regierung und ist entschlossen, dieselbe, wenn er es kann, zu stÜTzen. [... ) Fürst Bismarck wolle zwar nicht offen die englische Nation beleidigen, sondern nur Gladstone wünsche er zu schädigen. In Berlin herrsche ohne Zweifel gegenwärtig eine starke Strömung gegen England und Fürst Bismarck tue Alles, um die Gereiztheit zu erhöhen und zu entflammen, allein er wünsche keinen offenen Bruch. Der populärste Premierminister, welchen England vielleicht jemals gehabt, dessen bloßer Name ein Zauber für die Liberalen sei, stehe also in Gefahr, durch die Intriguen eines fremden Staatsmannes gestürzt zu werden". (Tgb. Friedrich Wilhelms v. 28. Dez. 1884, GStAPK Abt. MER, H.A., NI. Friedrich m., Rep. 52 F 1 Nr. 7x, Hervorh. im Orig.) Vgl. »St. lame's Gazette« v. 26. Dez. 1884, hierin der Artikel der »Daily News« vom gleichen Tage, als von jemandem "'behind the Scenes'" herrührend bezeichnet (PA BN, England Nr. 69, Bd. 24). Der »Hamb. Corr.« überlieferte folgende Ansicht des »Economistloniailexikon, Bd. 1. Hrsg. v. Heinrich Schnee. Leipzig 1920. (Zit. als Koloniallexikon.)

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Rein, Gustav A.: Die Revolution in der Politik Bismarcks. Göttingen / Berlin / Frankfurt 1957. (Zit. G. Rein.) Reinhard, W.: »Sozialimperialismus« oder »Entkolonialisierung der Historie«? Kolonialkrise und »Hottentottenwahlen>Gaulois« 697 Geffcken, Heinrich Friedrich (1830-1896), Professor der Staatswissenschaften u. Ratgeber des Kronprinzen Friedrich Wilhelm 87 (Anm. lll), 123 (Arun. 120),277 (Arun. 92), 520,595 Geiss, Immanuel 27 Gelzer, Heinrich (1813-1889), Professor für Geschichte u. Vertrauter Friedrichs 1. von Baden 68 (Arun. 42), 102, 123,270,271 (Arun. 52),706, 786

Personen - und Sachverzeichnis Georg I. (1845-1913), König von Griechenland (1863-1913) 98 (Anrn. 3) Georg II. (1826-1914), Herzog von SachsenMeiningen (1866-1914) 261 Georg (1865-1936), König von England (19101936) 698 (Anm. 68), 699 (Anrn. 74) Georg von Sachsen, Prinzessin von s. Maria Anna, Prinzessin von Portugal Gerlach, Leopold Ludwig Friedrich von (17901861), Generalflügeladjutant Friedrich Wilhelms IV. (1850-1861) 54,62,63, »Germania« 84 (Anm. 104), 202, 301 (Anm. 59),356 (Anm. 14),568, 6()7 (Anrn. 6), 617 »Gesellschaft für deutsche Kolonisation« 31, 409, 410 (Anm. 21), 659, 665 (Anm. 99), 666, 667, 669, 672, 673, 674 (Anrn. 127), 675, 676 (Anm. 129), 677 (Anm. 132), 691, 708,711 (Anrn. 109),730,784,786 Gibraltar 127 (Anm. 7) Giers, Nikolaj Karlovic (1820-1895), russischer Außenminister (1882-1885) 141,150 (Anm. 34), 159, 160, 161, 234, 235 (Anm. 26), 241 (Anrn.53),422,423,424,425,440,492,493, 494, 495, 540 (Anm. 12), 642, 643 (Anm. 29), 675 (Anm. 129), 7fJ2, 705 (Anm. 90), 707, 745, 768 Gildemeister, Otto (1823-1902), Bremer Bürgermeister (1871-1875, 1882, 1884 u. 1886) 390,452 Gladstone, William Ewart (1809-1898), engl. Premierminister (1868-1874, 1880-1885, 1886 u. 1892-1894) 48 (Anm. 85), 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87 (Anm. 111), 105, 108, 115, 147, 149 (Anm. 31), 153, 154 (Anrn. 3), 155, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 220 (Anm. 89),228,229,230,231,232,233, 234,235,236,237,238,239,240,241,242, 250,251,288 (Anm. 6), 301 (Anm. 60), 314, 419,420,421 (Anrn. 7), 425, 431, 444, 449, 457,460,463, 464,465,467,491,505,512, 517,541,567,568,573,574,575,577,581, 582, 586, 587, 588, 590 (Anm. 55), 598, 600, 601,602,603,605 (Anm. 32), 610, 611, 618 (Anm. 15), 636, 637, 639 (Anm. 20), 656 (Anm. 74), 680, 685 (Anrn. 19), 686, 688, 695 (Anm. 60), 700 (Anm. 74), 704 (Anm. 89),706 (Anm. 90 u. 93),719,722 (Anm. 2), 723, 724, 735 (Anm. 41), 739, 741, 744 (Anm. 16),766,768,773,774,780,787 Gladstone-Erlaß s. Bismarck, Otto von

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Gladstonianismus (s. a. England) 153, 154, 231,236,242,243,250,301 (Anrn. 60),611, 768, 775 »Globe« 169 Gneist, Rudolf von (1816-1895), Staatsrechtslehrer, MdR (1867 u. 1871-1884, NL) 105, 165, 351 (Anm. 116), 361 (Anm. 33), 382 (Anrn. 136),640 (Anm. 22) Goering, Heinrich (1839-1913), Kaiserlicher Kommissar für Deutsch-Südwestafrika (1885-1889) 39,249,746 (Anrn. 21),747 Goethe, Johann Wolfgang von (1749-1832), dt. Dichter 62, 788 GÖTtz-Wrisberg, Hermann von (1819-1889), Vorsitzender des braunschweigischen Regentschaftsrats 614,622 Goldküste 43 (Anrn. 65), 389,687 (Anm. 25) Goldschmidt, Friedrich Johannes (1837-19fJ2), Brauereidirektor, MdprAH (1882, LV), MdR (1881-1884, LV, 1887-1893, DFP) 258 (Anm.I40) Goldschmidt, Hans 55 Golf von Mexiko 21 Golf von Guinea 454 Goltz, Robert von der (1817-1869), preuß. Gesandter u. Botschafter des Norddeutschen Bundes in Paris (1863-1868) 68 G6mez, Servando Ruiz (1821-1888), spanischer Außenminister (1883/84) 139 (Anrn. 48) Gontaud-Biron VI., Anne-Armand-Eiie de (1817 -1890), franz. Botschafter in Berlin (1871-1877) 199 (Anrn. 7), 295 (Anrn. 38) GorCakov, Aleksandr Michajlovic (1798-1883), russischer Außenminister (1856-1887), »Reichs-Vizekanzler« (1862-1887) 80, 81 (Anm.9O) Gordon Pascha, eigentl. CharIes George Gordon (1833-1885), Generalgouverneur in Ägypten (1874-1879) u. Kommandierender der engl. Armee in Khartum (1884/85) 70 (Anm. 53),464,465 (Anm. 66) Goschen, George Joachim (1831-1907), Mitglied des eng!. Unterhauses (1863-1900, liberal) 109 Goßler, Gustav von (1838-19fJ2), preuß. Kultusminister (1881-1891) 202 (Anm. 19), 118, 299,300,301,359,368,654 »Gothaer Tageblatt« 568 (Anrn. 110) Grand Popo 453 (Anm. 21),742

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Personen- und Sachverzeiclulls

Granville, George Leveson-Gower (18151891), engl. Außenminister (1851/52, 18701874 u. 1880-1885) 85, 133, 147, 148, 153, 154 (Anm. 3), 156,219,247 (Anm. 86),252 (Anm. 107), 332 (Anm. 36), 400, 401, 406, 411,416 (Anm. 50), 419, 420, 422, 441, 443, 444,457,458 (Anm. 37),461,462,465,499, 502, 503, 504, 505 (Anm. 24), 508f (Anm. 41), 510, 511, 512, 513, 514, 516, 517, 518, 519,529,560,578,582,586,587,588,590 (Anm. 54), 597, 598, 607, 608 (Anm. 10), 609 (Anm. 17),611 (Anm. 22), 625 (Anm. 46), 632 (Anm. 3), 634, 639, 647, 649, 650 (Anm. 58), 658, 668 (Anm. 106), 677 (Anm. 137), 678 (Anm. 138), 680 (Anm. 3), 681, 682 (Anm. 8), 684, 685, 686, 687, 688, 689, 704,710,712,722,723,724,781 »Die Grenzboten« 23, 28 (Anm. 26), 76 (Anm. 71), 104 (Anm. 31), 175 (Anm. 9), 183, 189 (Anm. 73), 241, 289 (Anm. 10), 306, 314, 340,341,436,575,637,657 (Anm. 74),684 Grevy, Fran~ois-Paul-Jules (1807-1891), Präsident derfranz. Republik (1879-1887) 126 Großbritannien s. England »Große Depression« 33, 34 (Anm. 44), 44, 280, 552 (Anm. 32) »Große Loge Royal Y ork zur Freundschaft« 118 Gründer, Horst 48 Gruner, Justus von (1807-1885), Legationsrat bei der preuß. Bundestagsgesandtschaft in Frankfurt, Vortragender Rat in Berlin (1847), Unterstaatssekretär im preuß. Außenministerium 187 (Anm. 64) Gütschow, Sekretär der Hamburger Handelskammer 386 »Hamburger Korrespondent« 229, 564 (Anm. 90) Hammacher, Friedrich (1824-1904), Bergwerksdirektor, MdprAH (1864, NL), MdR (1869-1874, 1877-1879, 1881-1898, NL) 555,564,565,693 Hänel, Albert (1833-1918), Jurist, MdR (18671893, F/DFP) 88 (Anm. 117), 165, 184, 193, 254,255,256,303,309,337 (Anm. 56),347 Haffner, Sebastian 48 Hahn, Hugo Theophilus (1818-1895), Missionar u. Prediger der dt. Gemeinde in Kapstadt 395,396

Hallgarten, George 48 »Hamburger Courier« 726 (Anm. 11) »Hamburger Nachrichten« 249,350,485,487, 504 (Anm. 24), 567,580,643,645,653,656, 722 (Anm. 2), 723,726 (Anm. 11),731,761 ),Hamburgischer Correspondent« 636 (Anm. 13),729 (Anm. 21) Hansemann, Adolf von (1826-1903), Bankier u. Gründer von Deutsch-Neuguinea 24 (Anm. 14),688 (Anm. 25) Hamilton, Edward Walter (1847-1908), Angestellter im engl. Schatzamt, Privatsekretär Gladstones (1873n4 u. 1880-1885) 633 (Anm.3) »Hannoverscher Courier« 338 Hansing & Co. 660, 669 (Anm. 107) Harcourt, William George Granville Venables Vemon (1827-1904), eng!. hmenminister (1880-1885 u. 1886) 518, 519 (Anm. 78), 686 Hartington, Spencer Compton (1833-1908), engl. Kriegsminister (1866 u. 1882-1885) 588,686 Hartmann, Kar! Alwin (1840-?), Staatsanwalt, MdR (1881-1893, K) 570,691 Hatzfeldt, Paul von (1831-1901), dt. Botschafter in Konstantinopel (1878-1881), Staatssekretär des AA (1882-1885) u. Botschafter in LondOll (1885-1901) 91,92,96,111,126, 127,128,130 (Anm. 16), 131, 132, 133, 136, 149 (Anm. 32), 170 (Anm. 71 u. 73), 177, 178,215,226,232 (Anm. 17),240,241,243, 244, 245,-246, 247, 248, 252, 253, 268, 296, 302,318,319,333,359,368,385,392,395, 400, 403, 406 (Anm. 5), 409, 424, 427, 430 (Anm. 19 u. 20), 431, 450, 453, 457, 476, 477,480,503,504,505,506,507,511,513, 518 (Anm. 77), 525, 529, 530, 531, 533, 534, 535, 536, 560, 578, 584 (Anm. 40), 585 (Anm. 42), 645, 654, 660, 662, 679, 697 (Anm. 67),700,731 (Anm. 29),774,781 Hatzfeldt-Trachenberg, Elisabeth (1839-1914) 91 (Anm. 120) Haucke, Julie (1825-1895), Prinzessin von Battenberg, Mutter Alexander von Battenbergs 142 (Anm. 2), 421, 486, 497 (Anm. 48),644,645,651,652 (Anm. 63) Haucke, Moritz Hans (1775-1830), russischer General u. Kriegsminister, Vater Julie Haukkes 142 (Anm. 2), 497

Personen- und Sachverzeichnis Haymerle, Heinrich von (1828-1881), österreichisch -ungarischer Außenminister (18791881) 80 Hecker, Friedrich (1811-1881), Rechtsanwalt, Führer der sozialdemokratischen Republikaner(1848) 78 (Anm. 80) Hegel, Georg Wilhe1m Friedrich (1770-1831), dt. Philosoph 260 (Anm. 4) Heidelberger Erklärung 258, 347, 344 (Anm. 82),348,350,351 (Anm. 116),352,550,776 Heinrich III. (1017-1056), dt. Kaiser (10391056) 265 Heinrich VII. (1457-1509), eng!. König (14851509) 81 (Anm. 95) Heinrich (1862-1929), Prinz von Preußen, Bruder Kaiser Wilhelms II. 312 Heinrich Moritz, (1858-1896), Prinz von Battenberg, Bruder Alexander von Battenbergs, Leutnant im 1. Kg!. Sächs. Husarenregiment (seit 1885 in eng!. Diensten) 146, 449, 486 (Anm. 7), 640, 641, 642, 644, 652, 656, 705 (Anm.90) Helgoland 458, 459, 460, 461, 462, 463, 464, 465, 466, 499, 502, 503, 505, 506, 510, 511 (Anm. 45 u. 47), 648, 649, 779,780 Helgoland-Sansibar-Vertrag 459, 466, 738 (Anm. 50), 760 Hellwig, Otto (1838-1915), Wirklicher Geheimer Rat in der Rechtsabteilung des AA 410,411 (Anm. 29),412 (Anm. 34) Henning, Hansjoachim 27,34,45 Herbst, Eduard (1820-1892), Führer der Deutschliberalen in Böhmen 204 (Anm. 27), 323 (Anm. 6) Hermes, Hugo (1837-1915), Kaufmann, MdR (1877-1887 u. 1890-1893, F/DFP) 176,349 (Anm.101) Herre, Franz 48 Hertling, Georg von (1843-1919), Professor, MdR (1875-1890 u. 1896-1912, Z) 116 Herz/eid, Hans 27 Hewett, Edward, eng!. Konsul in Westafrika 384,640,678 (Anm. 138) Hildebrand, Klaus 82 Hillgruber, Andreas 48 Hinzpeter, Georg (1827-1907), Geheimrat, Erzieher Prinz Wilhelms 61 (Anm. 21), 94, 117 (Anm. 95), 125 (Anm. 133)

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Hitler, Adolf (1889-1945), »Führer« der NSDAP (1919-1945), »Führer u. Reichskanzler« (1933/34-1945) 29 Hobrecht, Arthur (1824-1912), preuß. Finanzminister (1878n9) 90 (Anm. 119), 109,258 Hödel, Max (1857-1878), Attentäter auf Wilhelm I. 206 Hoffmann, Adolf (1835-1899), Amtsgerichtsrat, MdR (1884-1880, F, u. 1881-1890, F/DFP) 322 Hohenlohe-Langenburg, Hermann zu (18321913), General der Kavallerie, Präsident des »Deutschen Kolonialvereins, Statthalter für Elsaß-Lothringen (1874), MdR (1871-1881, DRP) 446,447,463 (Anm. 59), 666 Hohenlohe-Schillingsfürst, Chlodwig zu (18191901), dt. Botschafter in Paris (1874-1885), Statthalter von Elsaß-Lothringen (18851894), Reichskanzler u. preuß. Ministerpräsident (1894-1900) 23,26,40 (Anm. 59), 69 (Anm. 46), 80 (Anm. 90), 92, 96, 105, 111, 122, 150 (Anm. 38), 156, 170 (Anm. 73), 184 (Anm. 44), 236, 267, 268, 269 (Anm. 45), 276, 278, 317 (Anm. 122), 356 (Anm. 14), 427,536,596,605,620,749 (Anm.32) »Hohenstaufen« 121 (Anm. 115) Hohenthal und Bergen, Wilhelm von (18531909), sächs. Gesandter in Berlin (18851906) 274,737 (Anm. 48) »Hoher Erlaß« (vom 4. Jan. 1882) 107, 108, 109, 110 (Anm. 58), 489, 767 Hollmann, Fritz von (1842-1913), dt. Admiral, Staatssekretär im Reichsmarineamt (18901897) 96 (Anm. 139) Holstein, Friedrich von (1837-1909), Vortragender Rat im AA (1878-1906) 50 (Anm. 93),60 (Anm. 14),68,73 (Anm. 61), 79, 85 (Anm. 109), 86 (Anm. 110), 91 (Anm. 120), 119, 120 (Anm. 109), 123, 132 (Anm. 24), 135 (Anm. 35), 162 (Anm. 35), 170 (Anm. 72), 174 (Anm. 4), 176, 186, 187, 188, 195, 231,232 (Anm. 17),238,241,269,272,275, 297, 298 (Anm. 45), 300 (Anm. 59), 310, 312, 315 (Anm. 120),316 (Anm. 121),320 (Anm. 130), 343, 344, 349, 352, 354, 365, 367, 368, 370, 379, 380 (Anm. 127), 383, 408,425,426 (Anm. 30),431 (Anm. 21), 432 (Anm.27),437,438,439,441,442,443,450, 451, 475, 476, 480 (Anm. 140), 489, 494, 506,512,515,521,522,523,524,525,528, 530,531,532,533,534 (Anm. 27), 581, 584,

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Personen- und Sachverzeichnis

585f (Anm. 42), 587, 589, 598, 606, 609 (Anm.15),618,624,647,689,695,696,7oo, 707, 720, 735, 738 (Anm. 49), 754 (Anm. 60),756,757,761,787 Ho1tzendorff, Franz von (1829-1889), dt. Professor für Staats- u. Völkerrecht 187 (Anm. 64) Homeyer, Pau1 Gustav Alexius (1824-1894), Unterstaatssekretär im preuß. Staatsministerium 372,531 Hübbe-Sch1eiden, Wilhelm H. (1846-1916), dt. Kolonialschriftsteller u. Afrika-Reisender 31, 555, 765 Huene, Ernst von (1849-1924), dt. Militärattaehe in London 705 (Anm. 89) Humbert I. (1844-1900), König von Italien (1878-1900) 98 (Anm. 3), 178 Hutten-Czapski, Bogdan von (1851-?), 1ll Hohen1ohe-Schillingsfürst in Paris abkommandiert (1882/83), Oberleutnant im Gardehusarenregiment (1883-1887), Adjutant des Statthalters in Elsaß-Lothringen (1884/85) 91 (Anm. 120),268 Imperialismus 22 (Anm. 4), 25 (Anm. 15),29, 30 (Anm. 31,32 u. 33), 36, 44, 50, 56, 264, 384f (Anm. 2), 398, 402, 433 (Anm. 32), 576 (Anm.13) Indien 85 (Anm. 109), 231, 233 (Anm. 20), 234 (Anm. 23), 242, 243, 344, 598 (Anm. 10), 659,665 (Anm. 99), 667, 704, 705,773 »Insterburger Zeitung« 323 (Anm. 6) Iran 707 Irland 82,85 (Anm. 109),157,165,237 (Anm. 36), 239 (Anm. 48), 465 (Anm. 67), 695 (Anm. 60) Isokrates (436-338 v. Chr.), athenischer Redner 242 (Anm. 63) Italien 54,75 (Anm. 69), 137 (Anm. 43), 142 (Anm. 5), 151 (Anm. 42), 165, 177,252, 332, 373, 445,490, 497 (Anm. 46), 601, 665,752, 742 (Anm. 9),765 Jacobini, Lodovico (1832-1887), Kardinalstaatssekretär (1880-1887) 202 Jantzen, Wilhelm (1839-1917), Hamburger Überseekaufmann 453 (Anm. 21) »Jantzen & Thormählen« 413,452,456 Jasmund, Hauptmann, Adjutant Kronprinz Friedrich Wilhelrns 187 (Anm. 64)

Joest, Wilhelm (1852-1897), dt. Forschungsreisender u. Ethnologe 663 »John Holt & Company« 718 (Anm. 133) Jolly, Julius (1823-1891), badischer Ministerpräsident u. Innenminister (1866-1876) 281 Jonin, russischer Generalkonsul in Sofia (1883/84) 423 (Anm. 14) Joost, Dame der Kölner Finanzaristokratie 68 (Anm.46) Jühlke, Carl Ludwig (1856-1886) Referendar u. dt. Afrikareisender 667, 673, 674 (Anm. 126) Julie von Bauenberg s. Haucke, Julie Jürgens, Mitglied der Hamburger Handelskammer 386, 387 Kaiserin Friedrich s. Victoria, Kronprinzessin Kalle, Fritz (1837-1915), Bergreferendar, MdprAH (1873-1882, NL), MdR (18841890, NL) 692, 693 Kallenberg, Karl (1825-1900), dt. Kaufmann, Orient-Reisender u. Turner 22 (Anm. 4) Kalnoky, Gustav Sigmund (1832-1898), österreichisch-ungarischer Außenminister (18811895) 422, 482, 495, 539, 540, 545, 645 (Anm. 37), 653 (Anm. 66), 677 (Anm. 137), 678 (Anm. 137), 706 (Anm. 90), 736, 737 (Anm. 47),745 (Anm. 17) Kameke, Georg von (1817-1893), preuß. Kriegsminister (1873-1883) 90, 114, 120 (Anm.109) Kamerun (s: a. Biafra-Bai u. Westafrika) 28f (Anm. 26),37,38 (Anm. 55), 39 (Anm. 57), 42, 43 (Anm. 65), 44 (Anm. 68), 385, 445, 502,535 (Anm. 31),587,625,633,634,635 (Anm. 8), 636 (Anm. 13), 637, 638 (Anm. 16), 639, 640, 648, 650 (Anm. 58), 658, 668 (Anm. 106), 675 (Anm. 127), 678 (Anm. 138),679,682,683 (Anm. 12),686,687,691 (Anm. 41), 701, 704 (Anm. 88), 718, 719 (Anm. 134),742,747,784 Kamerun-Berg 649, 687 (Anm. 25) Kamerun-Auß 384,453 (Anm. 21),501 (Anm. 11) »Kanzlerdiktamr« s. Bismarck, Otto von Kap Frio 405,501 (Anm. 11) Kapnist, Petr, russischer Delegierter auf der Kongo-Konferenz 637 (Anm. 14) Kap St. John 456

Personen- und Sachverzeichnis Kap Verde 663,664 Kapp, Friedrich (1824-1884), Schriftsteller, MdR (1872-1878 u. 1881-1884, NL) 128 (AJun.10),221,222,223 »Kapzeitung« 580 Kardorff, Wilhelrn von (1828-1907), Regierungsassessor u. Rinergutsbesitzer, MdR (1868-1906, DRP) 310 (Anrn. 99), 353 (AJun.3) Karl der Große (742-814), König der Franken (768-814), römischer Kaiser (800-814) 268, 273 Kar! V. (1500-1558), dt. Kaiser (1519-1556), König von Spanien (1516-1556) 277 (Anrn. 92) Karl I. s. Carol I. Karl Friedrich Alexander I. (1823-1891), König von Würnemberg (1864-1891) 275,666 Karl (1801-1883), Prinz von Preußen, Bruder Kaiser Wilhelrns I. 112, 117 (Anm. 95) »KarlsruherZeitung« 571 (Anrn. 124) Karolinen-Inseln 51 (Anm. 95), 130 (Anrn. 16),535,743 Karolyi, Alois [Alajos) (1823-1889), österreichisch-ungarischer Botschafter in London (1878-1888) 602 (Anm. 18), 677, 685, 686 (Anrn.21) Kanellpaneien 751, 783 Katharina 11., die Große (1729-1796), Zarin von Rußland (1762-1796) 445 (Anrn. 90) Katkov, Michail (1818-1887), Herausgeber der »Moskovkie Vedomosti« 652 (Anrn. 64), 653 Kenia 665 (Anrn. 99),748 (Anrn. 28) Kennedy, Paul 27,28,48 Keudell, Robert von (1824-1903), dt. Gesandter bzw. Botschafter in Rom (Quirinal) (1873-1887) 91 (AJun. 120), 178 (Anrn. 17) Kilirnandscharo 663 (Anrn. 95), 665 (Anrn. 99),673,675 (AJun. 127),710 Kirnberley, John (1826-1885), eng!. Staatssekretär der Kolonien (1880-1882), Staatssekretär für Indien (1882-1885) 516, 632 (AJun.3) Kirk, John (1822-1922), eng!. Agent u. Generalkonsul in Sansibar (1866-1887) 663, 670, 708,710,712,722 (Anrn. 2),723,730 (Anm. 26),731,738 (AJun. 50) Kissinger Diktat 21 (Anm. 3) 55 Riehl

865

Kleist-Retzow, Hugo Hans von (1834-1909), Rittergutsbesitzer, MdprAH (1879-1892, K), MdprHH (1892, K) u. MdR (1893-1898, K) 94 Klügrnann, Karl Peter (1835-1915), Lübecker Senator, MdR (1874-1880, NL) 32 (AJun. 37) KluJce, Paul 27 Knacke, Unterstaatssekretär im Reichspostrninisteriurn 308 (AJun. 85), 356 KnighJ, Martin P. 251 Knollys, Francis (1837-1924), Privatsekretär Edwards, des Prince of Wales (1870-1910) 599 (AJun. 12) Knorr, Ernst (1840-1920), dt. Admiral, Chef des Marinestabs (1884), Chef des Geschwaders vor Sansibar (1885) 635,663,672 (Anrn. 117),730 (AJun. 26), 739 (AJun. 53) »Kölnische Zeitung« 82, 84 (Anrn. 104), 137 (Anm. 42), 169, 170 (AJun. 71), 180 (Anm. 27),203,218,243,249,350,357,367,393, 401 (Anm. 58), 575, 576 (Anrn. 13),581,611 (Anm. 19), 633, 634, 635, 636, 656 (AJun. 74),663,676,689,697,698,705,707 (AJun. 93),711,739,740,751,785 Kohl, Horst 102 (Anm. 29) Königk, Georg 48 Kolemine, morganatische Gattin Ludwigs IV. von Hessen-Darmstadt 449,497 (AJun. 48) Kolonialpolitik Bismarcks (s. a. Kolonien) -allg.21,22,23,24,25,26,27,28,29,30,31, 32,33,35,36,37,38,39,40,41,42,43,44, 45,46,47,48,949,50,54,55,56,86 (Anrn. 110), 141 (Anrn. 1), 174 (AJun. 4), 208 (AJun. 39), 232, 234, 251 (Anrn. 98), 288 (Anrn. 6), 310,318,319,331,344,346,347 (Anrn.97),348,353,360,372,384,385,386, 387,388,389,390,391,392,393,394,395, 396,397,398,399,400,401,402,403,404, 405, 406, 407, 408, 409, 410, 411, 412, 413, 414,415,416,417,418,419,425,427,428, 429,430,433,435,437,439,440 (Anrn. 66), 441, 442,443,444,445,446,447,448 (AJun. 101),452,453,455,460,461,462,464,476, 486,487,492,496,499,500,501,505,515, 544 (Anrn. 4), 551, 555, 556, 558, 559, 562, 563,564,565,566,571,601,606,607,608, 609,614,616,618,619,622,627,629,632, 634,636,637,638,639,640,649,650,658, 659,660,661,662,663,664,665,666,667, 668,669,670,671,672,673,674,675,676,

866

Personen- und Sachverzeichnis

677,678,679,680,681,682,683,684(AJrrn. 18),691,694,698 (Anm. 68),701,703,719, 720, 726, 727, 728, 729, 730, 738, 739, 740, 741, 742, 743, 744, 745, 746, 747, 748, 749, 750, 751, 752, 760, 761, 762, 763, 764, 769, 770,772,778,779,780,781,782,783,784, 785,786,787,788 - Kolonialfeindlichkeit 22, 23, 24, 25, 46, 47 (Anm. 80), 385, 386 (AJrrn. 2),391,392, 393, 395,397,398,399,402,403,404 (AJrrn. 65), 408, 409, 410, 413, 442, 453, 500, 501, 509 (Anm. 41), 584, 585, 610,611,741,742,743, 744,745,748,749,750,751,752,778,788 - Motive (in der Forschung) 21,25,26,27,28, 29,30,31,32,33,34,35,36,37,38,39,40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 141 (Anm. 1), 331 (Arun. 29), 344, 446, 543 - Motive (Selbstzeugnisse) 27f (AJrrn. 25), 28 (Anm. 26), 44 (Anm. 68), 464, 486, 587, 606, 612,640,650,681,691,704,745,760,761 - Programm 24, 40 (Anm. 58), 46, 411, 412, 413,414,415,416,417,418,455,456,457, 555, 557, 558, 565, 584 (Anm. 40), 617 (Anm. 12),669,671,682,683,745,777,778, 781,784 - im Reichstag 22,24,25,38,41,43,45,555, 556,557,558,559,560,561,562,563,564, 565,569,573,638,682,690,691,692,693, 694 - Schutzsystem 24,25,39,46,411,412,413, 414, 415, 416, 417,418,441,443, 452, 455, 499, 501, 511, 514,517,518,660,671,778, 779 - Kolonialfieber u. Wahlkarnpfeffekt (1884/85) 25,41 (Anm. 60), 53, 70, 248, 249, 258, 399, 408, 435, 476, 543, 544, 545, 548, 549, 550, 553,554,556,557 (Anm. 51), 560, 561, 562, 563,570,571,572,574,576 (Anm. 13),581, 582, 583, 584, 585, 586, 589, 590 (AJrrn. 55), 591,592,593,595,608,612,616,617 (AJrrn. 12),625,626,629,631 (AJrrn. 67), 634, 635, 647, 650 (Anm. 55), 656 (Anm. 74), 674f (AJrrn. 127), 681, 682, 684, 690, 691, 694, 705,740 (Anm. 58), 749, 774, 778,782,783, 784,788 Kolonien (s. a. Angra Pequefia, Karnerun, Neuguinea, Ostafrika, Südwestafrika, Togo) - Auswanderung 24, 26 (Anm. 18), 28 (AJrrn. 26),32,387,462 (Anm. 56), 463 (AJrrn. 59), 665 (Anm. 99), 666, 672, 673, 739, 740 (Anm. 56),746,748 (Anm. 30)

- Bahnbau 37,38 (AJrrn. 55) - Banken 39, 410, 552 (Arun. 32), 553 (Arun. 35), 674 (AJrrn. 127), 711f (AJrrn. 109), 740, 746,748 (Anm. 30) - Beginn 21 (AJrrn. 3), 141 (AJrrn. 1),232,288 (AJrrn. 6),346,411,417,418 - Hansestädte 25 (AJrrn. 15), 31f (AJrrn. 37), 37,39,40,385,386,387,388,389,390,391, 392, 393 (Anm. 26), 404 (Anm. 66), 410, 452, 453 (Anm. 21), 611, 660, 661, 669 (Anm. 107),671,672 (AJrrn. 117),674 (Anm. 127), 711f (AJrrn. 109), 727f (AJrrn. 17),730, 751 - Handelsprodukte 28f (AJrrn. 26), 37, 38 (Anm. 55), 41, 43,394,395,396,397 (AJrrn. 42), 398, 405, 406f (Anm. 6), 417, 428f (Anm. 7), 659, 661 (Anm. 90), 667, 672f (Anm. 119), 748 - Konkurrenz zum Reich 41,44 (Anm. 68), 45, 748 - Konsumfähigkeit, mangelhafte 28 (Anm. 26), 37,38,558 - »Rentabilität« 37,38,39,40,252,253,386, 387,388,389,394,395,396,397,415,417, 711 (Anm. 109), 406f (AJrrn. 6), 661, 727 (Anm. 17), 739, 740, 746, 747, 748, 750 (Anm. 36), 668f (AJrrn. 106), 672f (Anm. 119), 727f (AJrrn. 17),739,740,787,788 - Zölle 39,41,42,43,387,389,413,414,427, 428 (Anm. 7), 452 (AJrrn. 19),660,661,664, 669, 670, 671, 708 (AJrrn. 96), 709 (AJrrn. 99), 729 (Anm. 22), 739 (AJrrn. 53), 743 (Anm. 12),747,784 - Weißbücher s. d. Kongo 28 (Anm. 26),38 (Arun. 55), 384, 386, 388,389,404 (AJrrn. 66),415,427,429,457, 458,462 (AJrrn. 58), 505, 508 (Arun. 41),509 (AJrrn. 41), 513, 551, 552 (AJrrn. 32), 586, 588, 589, 669 (Anm. 107), 674f (AJrrn. 127), 708 (AJrrn. 98),727 (AJrrn. 15),739,779 Kongo-Konferenz 385 (AJrrn. 4), 427 (AJrrn. 3), 534, 588, 589, 590, 607, 612, 613, 632, 637 (AJrrn. 14), 665, 670 (Anm. 111), 674 (AJrrn. 127),677,678 (Anm. 138),743 (AJrrn. 10),783, 784 Kongo-Vertrag (zw. England u. Portugal) 427, 428,429,430, 433,444,445,464,508 (AJrrn. 41) Konservative (s. a. »Deutsch-Konservative Partei« u. »Deutsche Reichspartei«) 51, 54, 56 (AJrrn. 104), 64, 65 (AJrrn. 33), 72 (AJrrn. 59),

Personen - und Sachverzeichnis 76 (Anm. 72), 105 (Anm. 36), 116 (Anm. 88), 163, 164, 165, 166, 168, 175 (Anm. 9), 179,210,257,275,295 (Anm. 38), 306,310, 311 (Anm. 101), 324 (Anm. 10), 345, 347, 348, 349, 350, 351, 352 (Anm. 5), 356,436, 447 (Anm. 99), 465 (Anm. 66), 473, 545, 548, 549, 555, 564, 569, 570 (Anm. 120), 591,592,593,614,615,617 (Anm. 12),619, 620,622 (Anm. 37),625,690,692, 782 Kopp, Georg (1837-1914), Bischof von Fulda (1881-1893) 358,359 Korea 707 »Korrespondent von und für Deutschland« 562,563,782 Krauel, Richard Friedrich (1848-1918), Hilfsarbeiter im AA (1883-1885) u. Referent für Kolonialangelegenheiten (1885-1890) 392 (Anm. 26), 399, 535 (Anm. 31), 661, 680 (Anm. 3), 687 (Anm. 25), 704 (Anm. 88), 723 (Anm. 5), 728 (Anm. 18) Kreisreform, preuß. 57, 59 (Anm. 10), 111 (Anm.61) »Kreuz-Zeitung« 571 (Anm. 124),623,721 Krieg-in-Sicht-Krise 766 Krimkrieg 62, 63 (Anm. 24), 64, 87 (Anm. 112),225 (Anm. 106),764 Kronprinzenpartei (s. a. »Deutsche Freisinnige Partei« u. Linksliberalismus) 167, 233, 242, 306,346,435,447,468,599,622,763,775, 780 »Kronprinzen-These« 47,48, 49, 50, 52, 53, 54, 55, 56, 248, 249 (Anm. 96), 250, 251, 331, 332, 344, 408 (Anm. 11), 434, 442, 445, 492, 512, 545 (Anm. 7), 556, 560, 585f (Anm.42),589,595,602,608,611,612,629, 637, 640, 650, 656, 657, 674, 678 (Anm. 138), 685, 694, 695, 699, 704, 719, 738 (Anm. 49), 741, 745, 756 (Anm. 61), 759, 760,764,776,783,784,785,786,788 Krüger, Daniel Christian (1819-1896), Gesandter der Hansestädte in Berlin (18681888) 323, 392, 416 (Anm. 50), 436, 454, 553 (Anm. 35) Kuba 743 (Anm. 12) Kühlmann, Richard von (1873-1948), Staatssekretär des AA (1917/18) 33 Kullmann, Eduard (1853-1892), Anentäter auf Ono von Bismarck 269

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Kulturkampf 57,83, 164 (Anm. 49), 169, 197, 198,199,200,201 (Anm. 13),202,203,358, 359, 766, 772 Kund, Richard (1852-1904), dt. Afrikareisender 38 (Anm. 55) Kunene 400,576 Kusserow, Heinrich von (1836-1900), Vortragender Rat u. Geheimer Legationsrat im AA für Kolonialangelegenheiten (18741884), preuß. Gesandter bei den Hansestädten (1885-1890) 43, 353, 392, 385, 402, 403, 408,409,411,412,413,414,415,416,417, 425, 428, 445, 446, 447 (Anm. 98), 454 (Anm. 24), 455, 507, 532, 560 (Anm. 67), 584 (Anm. 40), 607 (Anm. 4), 609 (Anm. 15), 659, 667, 670, 677 (Anm. 132), 678 (Anm. 138), 727, 728 (Anm. 18), 742, 777, 778 Laband, Paul (1838-1918), dt. Staatsrechtlehrer 280 (Anm. 102) Lagos 389,391,686,687 (Anm. 25) Landgraf, Mitglied der badischen Handelskammer 592 Langewiesche, Dieter 58 Lascelles, Frank Cavendish (1841-1920), eng!. Generalkonsul in Sofia (1879-1887) 147 (Anm. 25), 420 Lasker, Eduard (1829-1884), Rechtsanwalt u. Notar, MdprAH (1862-1879, NL) u. MdR (1867 -1884, I'oI"l../LV), (s. a. Lasker-Resolution) 58, 79, 104, 109, 169, 180 (Anm. 30), 183, 184, 185, 186, 187, 188,189, 190, 191, 192, 193, 195, 200,214,218,219,221,226, 235 (Anm. 24), 242,250,253,254,260,301, 309,311,316,521,771 Lasker-Resolution 54, 189 (Anm. 73), 192, 194, 195,196, 197,214,215,216,217,218, 219,220,221,222,223,224,225,226,230, 231, 234, 235 (Anm. 24), 251, 255, 288 (Anm. 6), 301, 302, 304, 308, 309, 319, 343, 432, 431, 433, 441, 448 (Anm. 101), 468, 529,543,562,563,581 (Anm.31),597,681, 770,771,774,775 Lasker, Moritz, Bruder Eduard Laskers 189 (Anm. 73), 193, 222 (Anm. 95), 235 (Anm. 24) Lassalle, Ferdinand (1825-1864), Gründer der sozialdemokratischen Bewegung in Deutschland 211,473

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Personen- und Sachverzeichnis

Lauer, Gustav von (1807-1889), Leibarzt Wilhelms 1. (1844-1888) 98 (Anm. 6), 111, 124 (Anm. 127), 182 (Anm. 36), 484,732 Lebenserwartung u. Sterblichkeit im 19. Jahrhundert 97(Anm.3), 102, 103 Lehndorff, Heinrich von (1829-1905), preuß. General u. Generaladjutant Wilhelms I. 102 (Anm. 29), 114,712,713 »Leipziger Zeitung« 626 (Anm. 48) »Leipziger Tageblan« 338 Leo XIll. (1810-1903), Papst (1878-1903) 169,170 (Anm. 71),175,178,197,198,201, 202, 527 (Anm. 28) Leopold II. (1835-1909), König der Belgier (1865-1909) 98 (Anm. 3),712,715 Lerchenfeld-Koefering, Hugo von und zu (1843-1925), bay. Gesandter in Berlin u. Bevollmächtigter zum Bundesrat (1880-1919) 270,271 (Anm. 58), 392, 483,618 (Anm. 14) Lessing, Karl Roben (1827-1911), Geheimer Justizrat, Landgerichtsdirektor a. D., Besitzer der» Voss. Ztg.« 175 (Anm. 9) Levetzow, Alben Erdmann Karl Gonfried von (1828-1903), Landesdirektor von Brandenburg, MdR (1877-1884 u. 1887-1903, K), Reichstagspräsident (1881-1884 u. 18881895) 194 Liberale (s. a. »Deutsche Fortschrinspartei«, »Deutsche Freisinnige Partei«, Linksliberale u. »Nationalliberale Partei«) 30, 48, 49 (Anm. 85),50 (Anm. 93), 51 (Anm. 95), 57, 58,59,61 (Anm. 15),62,64,65 (Anm. 32 u. 33), 66, 67 (Anm. 38), 72 (Anm. 59), 73 (Anm. 61), 75, 76, 77 (Anm. 74),78,83, 84 (Anm. 106),85 (Anm. 109),86 (Anm. 110), 87 (Anm. 112), 90 (Anm. 119), 104, 105 (Anm. 36), 106, 107 (Anm. 46), 108, 109, 110, 111, 118, 121, 122 (Anm. 118), 138, 158, 164, 166, 167, 185, 186, 189, 191 (Anm. 83), 198, 199,200,201,202,204,207,209, 210,212,217 (Anm. 69),222,240,241,242, 254 (Anm. 116),255,256,258,259,260,261 (Anm. 5 u. 6), 269 (Anm. 43), 272, 277 (Anm. 96),280,282,288 (Anm. 6), 301, 302, 306, 308 (Anm. 87), 320, 328 (Anm. 22), 331, 336 (Anm. 53), 339, 340 (Anm. 71), 342, 344, 345, 370, 376 (Anm. 112), 448 (Anm. 101), 465 (Anm. 66), 468, 469, 473, 474,523,527,549 (Anm. 24), 565, 595, 597 (Anm. 7), 599, 600, 601, 602, 604, 614, 621,

724, 752, 757, 764, 765, 766, 768, 769, 770, 771,775 »Liberale Union« 222 »Liberale Vereinigung« 86 (Anm. 110), 90 (Anm. 119), 106, 113, 183, 185 (Anm. 52 u. 53),189 (Anm. 73),192,193,194 (Anm. 94), 198, 209 (Anm. 42), 214, 216f (Anm. 69), 218,221,222, 223,230,254,255,256,257, 301, 302, 306 (Anm. 80), 310, 311 (Anm. 101),323 (Anm. 5 u. 6),343,346 (Anm. 92), 347 (Anm. 97), 350, 351, 435 (Anm. 43), 436, 448 (Anm. 101), 471, 544, 566, 592, 765,771 >,Liberaler Korrespondent« 301 Liberalisierung s. Deutsches Reich u. Parlamentarisierung Liberalismus s. Liberale Liberia 386,389 Liebe, Friedrich August von (1809-1885), braunschweigisch-oldenburgischer Gesandter in Berlin u. Bevollmächtigter zum Bundesrat (1867-1885) 191, 252, 323, 324, 362, 619 (Anm. 15), 646, 647 (Anm. 43), 668 (Anm. 106) Liebknecht, Wilhelm (1826-1900), Journalist, MdR (1867-1871, 1874·1887 u. 1888-1900, »Sozialdemokratische Partei«) 31 Liman, Paul (1860-1916), Schriftleiter der »Dresdner Nachrichten« (seit 1890) u. Mitbegründer u. Chef der »Leipziger Neuesten Nachrichten« (seit 1892) 113 (Anm. 71) Lindau, Rudolf (1825-1910), dt. Anacbe in der Pariser Botschaft für Presse- u. Handelsangelegenheiten (1871-1878), Legationsrat im AA (1878-1885), Geheimer Legationsrat (seit 1885) 165,175 Linksliberale (s. a. »Deutsche Fortschrittspartei«, »Deutsche Freisinnige Partei« u. »Liberale Vereinigung«) 46 (Anm. 73), 51 (Anm. 95), 58 (Anm. 5), 84 (Anm. 104), 106, 109, 113, 158 (Anm. 21), 159, 161, 162, 163, 165, 166, 167 (Anm. 62), 168, 174, 176, 182, 185 (Anm. 52), 192, 193, 196, 197, 203, 207 (Anm. 36), 208 (Anm. 39), 209, 210 (Anm. 47),212 (Anm. 53), 216 (Anm. 69), 220, 221, 222,223,225,230,231,233,239,242,250, 254 (Anm. 118), 256, 257, 258, 260, 283, 290, 302, 304, 313, 314, 318, 337, 340, 343, 346,374,381,398,431,434,435,436 (Anm. 49), 448 (Anm. 101), 467, 469, 471, 495 (Anm. 41),544,545 (Anm. 7), 548, 550, 551,

Personen- und Sachverzeichnis 563,564, 566(AJun. 98),570,583,593,595, 607, 614, 615, 616, 617, 620, 622, 623, 624, 632,765,758 (AJun. 67),766,770,771,772, 773,775,781,782 lippe-Biesterfeld-Weißenfeld, Leopold zu (1815-1889), preuß. Justizminister (18621867) 187 (Anrn. 62) lippen, dt. Konsul in Kapstadt (?-1885) 394, 399,405,406,410,417,418,507,577,778 linIe Popo 391,452,453 (Anrn. 21),460,502, 742 livingstone, David (1813-1873), eng!. Afrikareisender 666 livonius, Otto (1829-1917), dt. Vizeadrniral, Marineschriftsteller u. Kolonialpolitiker 663 Loe, Walter von (1828-1908), preuß. General, Oberbefehlshaber in den Marken u. Gouverneurvon Berlin (1895-1897) 91 (Anrn. 120), 595, 753 Löwe, Ludwig (1837-1886), Fabrikbesitzer, MdprAH (1877), MdR (1878-1886, F/DFP) 256,627,733 Lohren, Amold (1836-1901), Direktor, MdprAH (1882, DRP), MdR (1881-1890, DRP) 43 LOnyay von Nagyl6nya und Vasarosnarnt!ny, Stephanie von (1864-1945) 715 Lucius von Ballhausen, Roben (1835-1914), preuß. Landwirtschaftsminister (1879-1890) 35, 89, 112, 114, 115, 116, 170 (Anrn. 73), 172,182,183,237,278,294,298 (AJun. 45), 315,316 (AJun. 121),318 (Anm. 124),332, 362, 363, 364, 365, 366, 373, 491 (AJun. 24), 560,654,753 Ludwig XIV. (1638-1715), franz. König (16431715) 302 Ludwig XVI. (1754-1792), franz. König (17741792) 694 Ludwig II. (1845-1886), bay. König (18641886) 69 (AJun. 46), 155 (AJun. 7), 265 (AJun. 21), 268, 269, 271 (AJun. 50), 335, 483,700

Ludwig m. (1806-1877), Großherzog von Hessen-Darm stadt (1848-1877) 142 (Anrn. 2) Ludwig IV. (1837-1892), Großherz.og von Hessen-Darm stadt (1877-1892) 449, 475, 481 (AJun. 145),644 (Anrn. 32), 690, 698 Ludwig (1854-1921), Prinz von Battenberg, Generalleutnant, Bruder Alexanders von

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Battenberg 146, 150 (AJun. 34), 420, 421, 424,449,450 (Anm. 5), 451, 767, 779 liideritz, Adolf (1834-1886), Bremer Kaufmann, Gründer Deutsch-Südwestafrikas 24, 250, 346, 390, 393, 394, 395, 396, 397 (Anrn. 42), 398, 399, 400, 401 (Anm. 58), 403 (Anrn. 62), 414,415,416,417,418,430,434, 441,443,444,446,455,456,501 (Anrn. 11), 507,510 (Anrn. 42), 514,516 (Anrn. 69),518 (AJun. 77), 546, 547, 557, 558 (Anrn. 53), 559, 564 (Anrn. 90), 580, 582, 584, 591 (Anrn. 59), 592, 635, 639, 667, 668 (AJun. 106),745,746,747,778 »F.A.E. liideritz« 396,397,745 Luise (1817-1898), Prinzessin von HessenKassel, Gattin Christians IX. von Dänemark (seit 1842) 153 (Anrn. 1) Luise (1838-1923), Großherz.ogin von Baden, Tochter Wilhelrns I. 422 (Anm. 11) Lurnley, John Savile (1818-1896), eng!. Botschafterin Rom (1883-1886) 597 Luther, Martin (1483-1546), dt. Reformator 135 Lutz, Johann von (1826-1890), bay. Justiz- u. Kultusminister (1867-1871), Ministerpräsident (1880-1890) 263 (Anm. 14),700 Madagaskar 23,26,392 »Magdeburger Zeitung« 169, 219, 567, 617 (Anrn. 12), 628 Mahin 687 (Anrn. 25) Mahmud Mirza, Geschäftsträger der persischen Botschaft in St. Petersburg 234 (Anm. 23) Malet, Alexander (1800-1886), eng!. Gesandter beim Bundestag in Frankfun (1852-1866) 598 Malet, Edward (1837-1908), eng!. Botschafter in Berlin (1884-1895) 590, 598, 639, 640, 648,649,657,658 (Anrn. 78), 663, 664,679, 681,704,705,723 (AJun. 6), 728, 729 (AJun. 21),730 (Anrn. 26), 780 Malimba 385 Maltzahn-Marxhagen, Rudolf von (18341885), Gutsbesitzer, MdR (1884-1885, K) 633 (Anrn. 3) Manga, Häuptling von Dubreka 501 (Anrn. 11) Manners, John (1818-1906), Mitglied des eng!. Unterhauses (1841-1847 u. 1850-1888, konservativ) 87 (AJun. 111)

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Personen- und Sachverzeichnis

Manteuffel, Edwin von (1809-1885), preuß. Generalfeldmarschall, Chef der Okkupationsarmee in Frankreich (1870nl), Statthalter in Elsaß-lothringen (1879-1885) 536, 648, 731 Maria Anna (1843-1884), Prinzessin von Portugal, Gemahlin Georgs von Sachsen (seit 1859) 190 Maria Theresia (1717-1780), Königin von Ungarn u. Böhmen, Erzherzogin von Österreich (1740-1780), dt. Kaiserin (1765-1790) 268 Marie-Antoinette (1755-1793), franz. Königin (1774-1793) 68,694,696 (Anm. 63), 785 Marija Aleksandrovna (1824-1880), Kaiserin von Rußland (1855-1880) 141 (Anm.2) Marija Feodorovna (1847-1928), Kaiserin von Rußland (1881-1894) 449,481 (Anm. 145) Marokko 26,549 (Anm. 24), 555 Marquardsen, Heinrich von (1826-1898), Jurist, MdR (1868-1897, NL) 346, 627, 633 (Anm.3) Marschall von Bieberstein, Adolf (1842-1912), badischer Gesandter in Berlin u. Bevollmächtigter zum Bundesrat (1883-1890) 110 (Anm. 59), 164, 196, 214, 215, 305 (Anm. 73),311 (Anm. 102),570,760 Man, Kar! Heinrich (1818-1883), dt. Philosoph u. Historiker 34 (Anm. 44), 56 (Anm. 107) Maybach, Albert von (1822-1904), preuß. Minister für öffentliche Arbeiten (1878-1891) 267,298,364,368 Mazzini, Giuseppe (1805-1872), geistiger Führer der radikalen Richtung des italienischen Risorgimento 67 Meade, Robert Henry (1835-1898), Assistent u. Unterstaatssekretär im eng!. Kolonialministerium 704 (Anm. 88) Medlicott, W. N. 48 Meier, Hermann (1809-1898), Bremer Kaufmann, Gründer des »Norddeutschen Lloyd«, MdR (1878-1887, NL) 42 (Anm. 63), 336 Meisner, Otto 187 (Anm. 65) Mendelssohn, Franz von (1829-1889), Präsident der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin (1881-1887) 554 Merv 231, 232, 233 (Anm. 21), 234, 235 (Anm. 26), 707 Meyer Magnus, Bernhard (1808-1885), Bankier, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Berlin 165

Mevissen, Gustav von (1815-1899), Bankier u. Industrieller, Mitglied des preuß. Staatsrates 294,374,382 Meyer, Georg (1841-1900), Professor für 349 Staatsrecht, MdR (1881-1890, NL) (Anm.103) Michail (1832- nach 1896), Großfürst von Rußland 232 (Anm. 19) Michahelles, Gustav (1855- nach 1909), dt. Generalkonsul in Sansibar (1887-1891) 752 Michels, franz. Botschafter in Madrid 139 (Anm.47) Milan I. (1854-1901), Fürst von Serbien (18681882) u. König von Serbien (1882-1889) 98 (Anm. 3), 126 Militäretat, Reichstagsverhandlungen über 113,114,121 (Anm. 117) Ministerpräsidentenaufgabe Bismarcks s. Verfassungsrechtliche Offensivstrategien Bismarcks gegen das Kronprinzenpaar Miquel, Johannes (1828-1901), Jurist, Oberbürgermeister von Frankfurt a. M. (18791890), MdprAH (1867, NL), MdprHH (1882, NL), MdR (1867-1877 u. 1887-1890, NL) 294,343,344,346,347,348,350,351,352, 369, 374, 375, 376 (Anm. 112), 382, 432, 436, 447, 548, 549, 570 (Anm. 120), 592, 606,633 (Anm.3),775, 776 Mischke, Albert von (1830-1906), persönlicher Adjutant Kronprinz Friedrich Wilhelrns (1870-1878), Stabschef der IV. Armeeinspektion (1878-1886), Inspektor der Kriegsschulen),. Kaiserlicher Generaladjutant (1888/89) 522,523 (Anm. 13),525,527 »Missions-Handels-Aktiengesellschaft« 393 - "Mitregenten und Fremde Hände in Deutschland" 87 (Anm. 111), 716 (Anm. 125), 757, 758,772 Mittnacht, Hermann von (1825-1909), württ. Außenminister (1873 -1900), Ministerpräsident (1876-1900) 106 (Anm. 39), 172, 173, 206 (Anm. 34) 271, 287, 288, 294, 326, 327, 329,355 M~edes 389 (Anm. 15),666 Moeller, Ernst Gustav Friedrich von (18341886), Bevollmächtigter zum Bundesrat u. preuß. Unterstaatssekretär im Ministerium für Handel u. Gewerbe (1881-1886) 360, 364, 376

Personen- und Sachverzeichnis Molitor von Mühlfeld, Ernst, Reisegefährte earl Peters' in Ostafrika 409 Moltke, Helrnuth Kar! Bernhard von (18001891), preuß. Generalfeldmarschall, Chef des preuß. Generalstabes (1858-1888) 439 Momba 665 (Anm. 99) Momrnsen, Theodor (1817-1903), dt. Althistoriker, MdprAH (1873-1882), LV, MdR (1881-1884, LV) 60, 471 (Anm. 91), 474 (Anm.l06) Mommsen, Wolfgang J. 27,34,49,407 ),Moniteur de Rome« 118 Moore, Thomas (1779-1852), eng!. Dichter 474 (Anm. 105) Morier, Robert Bumet David (1827-1893), eng!. Gesandter in Dannstadt (1866-1872), in München (1872-1876), in Lissabon (18761881), in Madrid (1881-1884) u. Botschafter in St. Petersburg (1884-1893) 87 (Anm. 112),139,140,427,567,595,596,597,598, 599,647,772,781 »Moming Post« 575 ,)Moskovskie Vedornosti« 652,653 Mosse, Rudolf (1843-1920), Gründer des »Berliner Tageblatts« 175 (Anm. 9) ),Mouvernent Geographique« 663 Mozambique 528 (Anm. 7) Müller, Harald 48 ,)Münchener Allgemeine Zeitung« 221,223 Münster, Georg Herbert zu (1820-1902), dt. Botschafter in London (1873-1885) u. in Paris (1885-1900) 92,93 (Anm. 123),105,148 (Anm. 31), 149, 153, 213, 219, 220 (Anm. 89),228,229,231,234,237,238,243 (Anm. 69),245,247,248,249,251,252,332,333, 400,401,406,411,412,414,416 (Anm. 50), 428,429,443,457,458,460,461,462,464, 465, 480, 499, 500 (Anm. 8), 502, 503, 504, 505,507,508,509,510,511,512, 513,514, 515 (Anm. 60), 519, 533, 573, 576, 577 (Anm. 17), 578, 579, 581 (Anm. 31), 582, 584 (Anm. 39), 596, 598 (Anm. 9), 599, 609, 610 (Anm. 17), 611, 631 (Anm. 67), 639, 648,649,650,658,678,679,680,704(Anm. 88), 709, 710 (Anm. 101), 722, 738 (Anrn. 50), 760, 779, 780 Mukhtar Pascha, türkischer General 154f (Anm.4)

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Munckel, August Carl (1837-1903), Justizrat, Rechtsanwalt u. Notar, MdprAH (1882, F), MdR (1881-1893, F/DFP) 551 (Anm. 31) Nachtigal, Gustav (1834-1885), dt. Generalkonsul in Tunis (1882-1885), Kaiserlicher Kommissar für Westafrika (1884/85) 37, 407, 414 (Anm. 42), 417 (Anrn. 57), 430, 433, 445, 446 (Anm. 94),453, 454, 456, 459 (Anm. 44), 500, 501, 502, 503,504 (Anm. 22),576,584 (Anm. 40),587 (Anm. 44), 640, 661,663,667,745 (Anm. 20),778,781 Nama 393,395,396,397 (Anm. 42),407,410, 412, 415, 417, 564 (Anm. 90), 668 (Anrn. 106),746 (Anm. 21), 745 (Anm. 20) Napoleon 1. (1769-1821), Kaiser der Franzosen (1804-1814/15) 554,700 (Anm. 76) Napoleon III. (1808-1873), Kaiser der Franzosen (1852-1870) 66 (Anm. 36),96 (Anm. 138),260 (Anm. 4), 277 (Anrn. 90) »N ation« 70, 320, 683 ),Nationalliberale Partei« 28 (Anm. 25), 54, 56 (Anm. 104), 57, 58, 90 (Anm. 119), 105 (Anm. 33), 111 (Anm. 61), 116 (Anm. 92), 122 (Anm. 118), 165, 167 (Anm. 62), 184 (Anm. 44), 185 (Anm. 53), 184 (Anm. 44), 185 (Anm. 53), 187 (Anm. 63), 195, 198,220 (Anm. 90), 254, 256, 258, 259, 272 (Anm. 61),282,297 (Anm. 43),302,303,310,311 (Anm. 101,102 u. 103),312,328 (Anm. 20), 343,344,345,346 (Anm. 92), 347, 348, 349, 350,351,352, 353 (Anm. 2), 375, 425, 432, 436,447,448,454,473, 521, 545, 548, 549, 550, 555, 562 (Anm. 57), 564, 570, 592, 593, 606,614,615,616,617,619,622,625,633 (Anm. 3),690,691 (Anm. 37),692,693,720, 740(Anm.57),749, 771, 775,776, 782, 787 "National-Zeirung« 84 (Anm. 104), 169, 170 (Anm. 71 u. 72), 175, 178, 180 (Anm. 27), 190, 193, 201 (Anm. 11), 202, 223 (Anm. 101), 254, 302, 306 (Anm. 80), 307, 336 (Anm. 53), 573 (Anm. 4), 580, 581 (Anm. 31),626 (Anm. 48), 628, 707 (Anm. 93), 727, 728, 730 (Anm. 26) Natzmer, Oldwig Leopold Anton von (17821861), preuß. General 98 (Anm. 3) Nembrode 356 (Anm. 13) Neubritannien 246,247,578 ,)Neues Wochenblatt für Stadt und Land« 176 (Anm.12)

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Personen- und Sachverzeichnis

Neuguinea 44 (Anm. 68), 246, 248, 577, 578, 584 (Anm. 40), 631, 632, 635 (Anm. 11),639 (Anm. 20), 648, 650, 657, 658 (Anm. 78), 664, 668 (Anm. 106), 675 (Anm. 127), 678 (Anm. 138), 680 (Anm. 3), 686, 687 (Anm. 25),691 (Anm. 41),719 (Anm. 134) Neuirland 246 Neurath, Konstantin Justus Franz von (18071876), württ. Außenminister (1852-1867), MdR (1868-1871, bkF) 67 (Anm. 38), Neuseeland 639 »New Orleans Deutsche Zeitung« 220 (Anm. 90) »New Yorker Handelszeitung« 217 (Anm. 79) Niederlande 43, 428, 462 (Anm. 56), 665 (Anm.99) Niederwalddenkmal 124, 125, 136 (Anm. 41), 159 Niger 29 (Anm. 26), 38 (Anm. 55), 386, 404 (Anm. 66), 429, 453 (Anm. 21), 456, 501 (Anm. 11), 585 (Anm. 42), 742, 743 (Anm. 10) Nigeria 37,384,687 (Anm. 25) Nikolaus [Nikolaj) II. (1868-1918), Zar von Rußland (1894-1917) 480,481 (Anm. 145), 485,490,491,643 (Anm. 28), 761, 780 Nippercky, Thomas 48 Nobiling, Karl (1848-1878), Attentäter auf Wilhelm I. 75, 100,206,772 »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« 35, 113, 121 (Anm. 117), 127, 155, 158, 167 (Anm. 62), 169, 170 (Anm. 71),174,175 (Anm. 5 u. 7),176,185, 192, 193 (Anm. 91),194 (Anm. 96), 197 (Anm. 1),203,216,217,218,219, 220, 221 (Anm. 92 u. 93), 222 (Anm. 97), 223, 224, 228, 230, 233 (Anm. 20), 237 (Anm.36),249,301,302,303,304,305,306 (Anm. 74), 307, 320, 323 (Anm. 6), 331 (Anm. 28),339,340, 347,348, 350, 351,356, 359, 36\, 362 (Anm. 33), 435, 439 (Anm. 65), 448 (Anm. 101), 454, 463 (Anm. 59), 467, 468, 469, 472, 474 (Anm. 106), 487, 493, 504, 532, 550, 554,561 (Anm. 70), 562, 563, 567, 568, 569, 571 (Anm. 124), 573, 574, 579, 580, 586, 587 (Anm. 44), 589 (Anm. 54), 592, 603, 604, 611 (Anm. 20), 624,628,635,636,646,653,655,664,684, 685,713,714 (Anm. 117),719,724,731,740 (Anm. 57), 775 »Norddeutscher Lloyd« 553 (Anm. 35)

Nord-Ostsee-Kanal 155 (Anm. 7), 458f (Anm. 42) Normann, Karl von (1827-1888), Privatsekretär Kronprinzessin Victorias (1864-1883), Vortragender Rat u. Adjutant Kronprinz Friedrich Wilhelrns (1866-1883), kronprinzlicher Hofmarschall (1883/84) u. preuß. Gesandter in Oldenburg, Braunschweig u. Lippe (18841888) 54, 109, 120, 130 (Anm. 16), 132 (Anm. 24), 135 (Anm. 35), 156 (Anm. 7), 169, 175, 177, 178 (Anm. 20), 187 (Anm. 65),201,264,265,268 (Anm. 35),272,290 (Anm.15),307,3\5,349,520,52\,522,523, 524,525,526,527,528,568,696,720(Anm. 141),733 (Anm. 35),781 »North Borneo Company« 413,501 (Anm. 11) Northcote, Stafford Henry (1846-1911), Führer der konservativen Opposition im eng!. Unterhaus (1880-1899) 219 »Northem Pacific-Railway« 185 Norwegen 323 (Anm. 6),472, 601 Nostitz-Wallwitz, Oswald von (1830-1885), sächs. Gesandter in Berlin u. Bevollmächtigter zum Bundesrat (1873-1885) 119 (Anm. 104),303,312,313,319,325,326,327,329, 330 (Anm. 28), 353 (Anm. 2), 354, 365, 371, 646 (Anm. 41),647 (Anm. 42), 775 »Novoe Vremja« 725,726 Nyassa-See 459,675 (Anm. 127) Ochiltree, Thomas Peck (1845-1902), Abgeordneter im amerikanischen Repräsentantenhaus (1883-1885) 194 (Anm. 96), 219, 220 (Anm. 90), 221, 235 (Anm. 24) >>übserver« 632 Österreich-Ungarn 5\ (Anm. 95), 67, 75 (Anm. 69), 127 (Anm. 7), 142, 147 (Anm. 25), 148, 151, 154, 203, 204, 232, 265, 277 (Anm. 92), 283 (Anm. 114), 323 (Anm. 6), 4\9,422,423,425,441,445,449,451,485, 490 (Anm. 21), 493, 494, 496, 497, 538, 539, 540, 567 (Anm. 103), 573, 603 (Anm. 24), 630 (Anm. 63), 643, 650 (Anm. 55), 665 (Anm. 99), 685 (Anm. 19), 695 (Anm. 60), 765, 768 Oldenburg, Kar! (\829-1895), Bevollmächtigter Mecklenburg-Schwerins zum Bundesrat (1870-1895) 326,374,619 (Anm. 16) Oncken, Hermann 49, 251 Ogowe 388 (Anm. 15)

Personen - und Sachverzeichnis Oranje-Fluß 245,400,405,409,411,412,417, 418,444,456,499 (Anm. 2),501 (Anm. 11), 513,576,583 Oskar II. (1829-1907), König von Schweden u. Norwegen (1872-1907) 98 (Anm. 3) Ostasien 385 (Anm. 2), 415, 417, 429, 551, 552 (Anm. 33), 556 (Anm. 48), O'Swald, William Henry (1832-1923), Hamburger Überseekaufmann 727 (Anm. 17), 730 (Anm. 26) »O'Swald & Co.« 391,660,711 (Anm. 109) Ostafrika (s. a. Sansibar) 24 (Anm. 12), 41 (Anm. 62), 238, 659, 660, 661 (Anm. 90), 665, 667, 669, 670, 671, 672 (Anm. 117), 673, 674, 675 (Anm. 127), 678 (Anm. 138), 679,684,687,691,707,710,711,718 (Anm. 133),723 (Anm. 3), 724 (Anm. 6),726,727, 729,730,731,747,748,749,751 (Anm. 44), 784, 787 Otto, August, Reisegefährte Carl Peters' in Ostafrika 667 Palgrave, William Gifford (1826-1888), engl. Kommissar in Südafrika 638 (Anm. 16),678 (Anm.138) Pa/mer, Alan 48 »PalI Mall Gazette« 573 (Anm. 4), 581, 639, 663 (Anm. 97), 699 (Anm. 74) Palmerston, Henry lohn Temple (1784-1865), eng!. Kriegssekretär (1809-1824 u. 18301834), Außenminister (1835-1841 u. 18461851), Staatssekretär des Innern (1852-1855), Premierminister (1855-1865) 231,236,237, 557,558 (Anm. 53) Parisius, Ludolf (1827-1900), Kreisrichter u. Schriftsteller, MdprAH (1861 u. 1867, F), MdR (1874-1877, F, u. 1881-1887, F/DFP) 176,348 (Anm. 101),349 (Anm. 103) Parlamentarisierungsbestrebungen s. Deutsches Reich »de Pass, Spence & Co.« 405,411 (Anm.28) Patagonien 23 Pauncefote, Julian (1828-1902), Unterstaatssekretär im Foreign Office (1882-1889) 395, 508f (Anm. 41), 511, 687f (Anm. 25) Payer, Friedrich von (1847-1931), Rechtsanwalt u. Notar, MdR (1877-1878, bkF, u. 1880-1887, »Süd-Deutsche Volkspartei«, 1890-1917, »Süd-Deutsche Volkspar-

56 Riehl

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tei«!»Deutsche Freisinnige Volkspartei«) 121 (Anm. 117),275 Paziftk s. Südsee Pechuel-Loesche, Eduard (1840-1913), dt. Professor, Schriftsteller u. Afrikareisender 28 (Anm.26) People Bill 237 (Anm. 36),599 »Pester Lloyd« 628 Peter [Pedrol I. von Spanien (1320-1367), König von Spanien (1357-1367) 192 Peter Nikolaus Friedrich (1827-1900), Großherzog von Oldenburg (1853-1900) 261,325 (Anm.ll) Peters, Carl (1856-1918), Gründer von Deutsch-Ostafrika 40, 410, 610, 659, 660 (Anm.87),665,666,667,669,670,671,672, 673,674 (Anm. 126 u. 127),675 (Anm. 127), 677 (Anm. 132 u. 137), 679, 709, 726, 728, 730, 748, 784 Petersen, Carl Friedrich (1809-1892), Hamburger Bürgermeister (1876n7, 1880, 1883, 1885, 1888 u. 1892) 333 (Anm. 41) 404 Pfeil und Klein-Ellguth, loachim von (18571924), dt. Afrikareisender, Kammerherr u. Gutsbesitzer 667,674 (Anm. 126) Pfianze,Ouo 28,41,46 Pindter, Emil (1836-1897), Chefredakteur der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung« (1871-1894) 169, 174, 175, 176,304 (Anm. 68), 307, 308, 356, 603, 611 (Anm. 20), 647 (Anm.43) Pippin, der Ältere (?-640), fränkischer Hausmeier 532 (Anm. 19) Pizarro, Francisco (1478-1541), spanischer Eroberer 673, 675 (Anm. 127) Plessen, Hans von (1841-1929), preuß. General der Infanterie, Generaladjutant Wilhelrns II. (1893), Kommandeur des Kaiserlichen Hauptquartiers (1893-1918) 646,647 (Anm. 43) PIes sen-Scheel, Ludwig von, dt. Botschaftssekretär in Konstantinopel (1883), in St. Petersburg (1884) u. in London (1884-1888) 150 (Anm. 38), 246, 400, 597, 598 (Anm. 9), 704 (Anm. 88),705 (Anm. 90) »PIon-PIon« s. Bonaparte Pobedonoscev, Konstantin Petrovic (18271907), Prokurator des Heiligen Synods von Rußland (1880-1905) 480,491

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Personen- und Sachverzeichnis

Podewils-Dümiz, Klemens von (1850-1922), bay. Bevollmächtigter rum Bundesrat u. Legationssekretär in Berlin (1883-1887) 330 (Anm. 28), 366, 367,718 (Anm. 133) Pogge von Strandmann, Hartmut 27 » Politische Correspondenz« 703 Polynesien 243 (Anm. 68) Pondicherry 22 Ponsonby, Henry Frederick (1825-1895), Privatsekretär u. Oberstallmeister Queen Victorias (1870-1895), Verwalter des königlichen Privatvermögens (1878-1895) 588 Port Alexander 396 (Anm. 42) Porto Novo 403 (Anm. 62) Portugal 137 (Anm. 42), 384, 385, 386, 389 (Anm. 15), 427 (Anm. 3), 428, 429 (Anm. 13),444,462 (Anm. 56),665 (Anm. 99) Portugiesischer Heiratsplan 133, 135, 149,676 (Anm.130) Posadowsky-Wehner, Arthur von (1845-1932), Staatssekretär des Reichsschatzamtes (18931897), Staatssekretär des Reichsamts des Innem, Stellvertreter des Reichskanzlers u. preuß. Staatsminister (1897 -1907) 40 (Anm. 59) »Post« 163 (Anm. 42), 170 (Anm. 71), 203, 356, 357, 398, 399, 561 (Anm 67), 623, 653, 698,726 (Anm. 11) Postdampfersubventionsvorlage 337 (Anm. 58), 344 (Anm. 82), 372 (Anm. 95), 463 (Anm.59),543,551,552,553,554,555,556, 557,558,561,562,563,570,571,572 (Anm. 1),586,607,612,616,781 Präsidialanträge 283, 288, 289 (Anm. 10), 290, 291,292,337 (Anm. 58) Pranckh, Sigmund von (1821-1888), bay. Kriegsminister (1866-1875) 263 (Anm. 14) »Preußische Jahrbücher« 274 Probst, Wilhe1m, Gesprächspartner Otto von Bismarcks 117 (Anm. 93) »Provinzial-Correspondenz« 35,205,373 Putbuser Diktate 278 Puttkamer, Robert Viktor von, (1828-1900), preuß. Innenminister (1881-1888) 114, 119 (Anm. 104), 124, 163, 164, 165, 167 (Anm. 62), 168, 172, 173 (Anm. 83),180,221,222, 294,316 (Anm. 121),358,363,364,368,377 (Anm. 118), 382, 439 (Anm. 66), 467, 568, 591,624 (Anm. 44), 654

»Quaterly Review« 157

Racke, Josef Adolf Nico1a (1847-1908), Kaufmann, MdR (1884-1890, Z) 31 (Anm. 36) Radolinski, Hugo Leszczyc von (1841-1917), preuß. Gesandter in Weimar (1882-1884), Hofmarschall des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (1884-1888) 73 (Anm. 61), 348, 349, 351,523,524,733,737,754 Radowitz, Joseph Maria von (1797-1853), Vertrauter König Friedrich Wilhelms IV. u. einer der Führer der Rechten in der Frankfurter Pau1skirche 242 Radowitz, Joseph Maria von (1839-1912), dt. Gesandter in Athen u. zeitweise im AA beschäftigt (1874-1882), »Mission Radowitz« (1875), Botschafter in Konstantinopel (18821892) 49 (Anm. 86), 156,521 (Anm. 7), 530 Radziwill, Anton von (1833-1904), Flügeladjutant Wilhelms 1. 330 (Anm. 28) Ranke, Leopo1d von (1795-1886), dt. Historiker 56 Rantzau, Kuno zu (1843-1917), Vortragender Rat im AA (1880-1888) u. preuß. Gesandter in München (1888-1891) 128 (Anm. 10), 137,161,192,193,195,202,220 (Anm. 90), 228,238,291,300,301,317 (Anm. 122),331 (Anm. 28), 343 (Anm. SO), 349 (Anm. 103), 359,434,524,529,561,741 Raschdau, Ludwig (1849- nach 1939), Vortragender Rat im AA (1888-1894), preuß. Gesandter in Weimar (1894-1897) 743 Rauchhaupt, Wilhelm von (1818-1894), Rittergutsbesitzer, MdprAH (1866-1867, 18701873, K), MdR (1887-1890, K) 179, 180, 188,297 Refardt, Friedrich Karl (1843-1917), Hamburger Großkaufmann, Mitglied der Hamburger Handelskammer u. des Deutschen Handelstages 386,387,669 (Anm. 107) »Reformbill« 76 (Anm. 72), 465 »Reichsfreund« 175, 176, 202, 307, 349 (Anm.101) Reichsministerien, verantwortliche (s. a. Deutsches Reich u. Parlamentarisierungsbestrebungen) 76, 118, 165, 186,256, 261, 262, 263,267,279,286,287,290 (Anm. 15),304, 305 (Anm. 72), 312, 325, 326, 327, 329, 333, 335, 338, 339, 340, 348,435 (Anm. 35), 467

Personen- und Sachverzeichnis (Anm. 74), 550, 551 (Anm. 30), 604 (Anm. 28),654 (Anm. 68), 655, 765, 775, 776 Reichsrat s. Verfassungsrechtliche Offensivstrategien Bismarcks gegen das Kronprinzenpaar Reichstag 22, 24, 25, 31 (Anm. 36), 38, 40 (Anm. 58), 41, 42 (Anm. 62 u. 63), 43, 44 (Anm. 69), 45, 52, 57, 75, 77, 101 (Anm. 24), 104, 106, 110, 113, 114 (Anm. SO), 116, 117, 120,121,122,161,164 (Anm. 43),184,185, 186, 189, 192, 193, 195, 198 (Anm. 1),205, 206,207,209,210,211,212,214,215 (Anm. 64),217 (Anm. 69), 263, 265,279,280,281 (Anm. 106),282,283,284 (Anm. 116),287, 292, 305, 322, 324,325, 326, 328, 333, 335, 341, 342, 355 (Anm. 10), 362, 365, 372 (Anm. 95), 376, 399, 416, 468, 469, 470 (Anm. 87), 471, 472, 474, 484 (Anm. 62), 534 (Anm. 27), 544, 545,550,551,553,554, 556, 559, 561, 567, 569, 570, 573,584, 589 (Anm.54),604,614,615,616,618,622,623, 624 (Anm. 42 u. 43), 626, 627, 629, 630 (Anm. 63),632 (Anm. 3),637,638 (Anm. 16 u. 18), 654, 671, 673, 674 (Anm. 126), 680, 681,682,685, 689,690,691,692, 694, 697, 698, 738, 743 (Anm. 10), 745, 746, 755 (Anm. 61),773,776,782 Reichstagsreden Bismarcks -19. Apri11871: 279 (Anm. 100),280 (Anm. 102),334 - 26. Feb. 1878: 296 - 5. März 1878: 287 (Anm. 4), 297 (Anm. 44) - 9. März 1878: 184 (Anm. 44) - 17. Sept. 1878: 211 - 9. Mai 1879: 185 (Anm. 53) - 29. Nov. 1881: 78 (Anm. 80), 106 - 24. Jan. 1882: 108,109,284 (Anm. 116) - 12. Juni 1882: 110 - 14. Juni 1882: 110 - 13. März 1884: 220 (Anm. 89), 306 (Anm. 75), 308,309, 310, 311 - 15. März 1884: 306 (Anm. 74), 313, 314 - 26. März 1884: 328,329 - 9. Mai 1884: 342 (Anm. 77), 467, 469 (Anm. 84),470,471,472,473,474 - 14. Juni 1884: 556 (Anm. 50) - 26. Juni 1884: 21,565,566,745 - 26. Nov. 1884: 623,624,625 (Anm. 44) - 9. Jan. 1885: 557 (Anm. 51),633 (Anm. 3)

875

-10. Jan. 1885: 637, 638f, 669 - 27. Jan. 1885: 654f (Anm. 68) - 2. März 1885: 681,682,785 - 13. März 1885: 28 (Anm. 26),41,44 (Anm. 68) - 16. März 1885: 673, 693, 694, 695, 785 - 26. Jan. 1889: 25,778 Reichstagswahlen - 1878: 184 (Anm. 44), 210 (Anm. 47) -1881: 25 (Anm. 15), 106, 166 (Anm. 55), 204, 210 (Anm. 47), 283,296, 471, 543, 563 (Anm. 87),567 (Anm. 105),616,622,766 - 1884: 15 (Anm. 15),54, 163, 164, 169, 173, 177, 197,202,213 (Anm. 58),222,248,254, 255, 301 (Anm. 60), 303, 325, 326, 333, 336, 347, 349, 350 (Anm. 111), 352, 437, 442 (Anm.77),471,504,512,517,543,544,545 (Anm. 7), 554, 556, 561, 562 (Anm. 72), 563, 564 (Anm. 91), 570,571,574 (Anm. 5),583, 584,585,587,589,590,591,592,599,601, 603, 604, 606, 611 (Anm. 22), 612, 614, 615, 616,617,619,620,622,623,627 (Anm. 55), 632,769,771,781,782 - 1887: 783 Rein, Adolf 49 Reischach, Hugo von (1854-1934), Hofmarschall Kaiserin Friedrichs (1888-1901) 67, 68,72 (Anm. 59) »Rq,ublique Fran~se« 127 (Anm. 6) Reuß, Heinrich Vll. von (1825-1906), dt. Botschafter in Wien (1878-1894) 423,539,540, 567(Anm.103),645 Reuß, Heinrich XVIII. von (1847-1911), Flügeladjutant Kronprinz Friedrich Wilhehns 232 (Anm. 17),421,424 »Rheinische Missionsgesellschaft« 23, 393 Richard von Comwall (1209-1272), dt. König (1257-1272) 264 (Anm. 19) Richard ill. von Engiand (1452-1485), engl. König (1483-1485) 81 (Anm.95) Richter, Eugen (1838-1906), Schriftsteller, MdprAH (1869, F), MdR (1867 u. 18711874, F), 1874-1906 CF/D FP/» Deutsche Freisinnige Volkspartei«) 58, 79 (Anm. 84), 87 (Anm. 111), 110 (Anm. 59), 113 (Anm. 74), 116, 121 (Anm. 117), 164, 165, 166, 167 (Anm. 62),175 (Anm. 9),176,193,209,211, 223,230,243,254,255,256,303,305(Anm. 71),306,307,308,337 (Anm. 56), 342, 344, 347, 349 (Anm. 101), 473, 474 (Anm. 106),

876

Personen- und Sachverzeichnis

544,550,555, 556 (Anrn. 48), 559, 560,561, 562, 563,564, 565, 566, 571, 604,626, 633 (Anrn. 3),654 (Anm. 68), 692, 693, 694, 695, 696 (Anm. 63), 700 (Anm. 76), 738, 746, 753 (Anrn. 51),772,781 Richter, Wemer 27 Richthofen, Oswald von (1847-1906), Direktor der Kolonialabteilung im AA (1896/97) 761 Rickert, Heinrich (1833-1902), Regierungsdirektor, MdprAH (1870), MdR (1874-1884, NULV, u. 1884-1890, DFP) 79 (Anrn. 84), 87 (Anm. 111), 88 (Anrn. 117), 105, 115, 116, 165, 166, 167, 168, 183, 184, 256,303, 304,305 (Anm. 71), 345, 347, 467, 565,566, 567,568,606 (Anm. 3), 628, 787 Rintelen, Victor (1826-1908), Oberjustizrat, MdprAH (1883-1907, Z) u. MdR (18841907, Z) 22, 32 (Anrn. 37), 44 (Anrn. 68), 556 (Anm. 48) Rio dei Rey 687 (Anm. 25) Ripon, George Frederick Samuel Robinson (1827-1909), Vizekönig (1880-1884) 233 (Anrn.20) RObertSOll, dt. Afrikakaufmann 612 (Anrn. 24) »Robertson und Hemsheim« 244, 246, 247 (Anrn. 86),248 (Anm. 89) Robinson, Hercules George Robert (18241897), Gouverneur der Kapkolonie (18811883,1884-1889 u. 1895-1897) 411,417 Rodd, James RenneIl (1858-1941), eng!. Botschaftsattache in Berlin (1884-1888) 94 (Anrn. 129),581 (Anm. 31) Roggenbach, Franz VOll (1825-1907), badischer Außenminister (1861-1865) 79 (Anm. 83), 177 (Anm. 16), 178, 180, 183 (Anrn. 42),199 (Anrn. 7),263 (Anrn. 14),271,272,273,299 (Anrn. 52),373,520,522,595,606 (Anrn. 1), 706, 786 Rogozinski, Stefan Stanislaus von, Leutnant in der russischen Marine, Afrikareisender 638, 687 (Anm. 24) Rohlfs, Gerhard (1831-1896), dt. Afrikareisender u. dt. Generalkonsul in Sansibar (1885) 238, 455 (Anm. 29), 463, 464 (Anm. 65), 546, 661, 662, 663, 664, 665, 668, 669, 670, 673 (Anrn. 119), 707, 708, 709, 711 (Anrn. 109),718,723,727,729,730 (Anrn. 26), 742 (Anrn. 9),784 ROOIl, Albrecht VOll (1803-1879), preuß. Kriegsminister (1859-1873), Marineminister

(1861-1871), Ministerpräsident (1873) 22, 117,319 Rosebery, Archibald (1847-1929), eng!. Unterstaatssekretär im Innenministerium (18811883), königlicher Geheimsiegelbewahrer (1885) 496 (Anm. 46), 685, 688, 718, 735 (Anrn.41) Rosenberg, Hans 34 (Anrn. 44) Roslov, Walt W. 34 (Anrn. 44) Rothschild, Alfred de (1842- nach 1899), Direktor der Bank VOll England 704 (Anrn. 88) Rottenburg, Franz Johannes VOll (1845-1907), Chef der Reichskanzlei (1881-1890) 81, 124, 169, 175, 186, 192, 193, 203,223,224,300, 303,524,561,623 Rubens, Peter Paul (1577-1640), flämischer Maler 67 Rudhart, Gideon von (1833-1898), bay. Gesandter in Berlin (1877-1880) 281, 282 (Anm.108) Rudolf VOll Habsburg (1218-1291), dt. König (1273-1291) 264 Rudolf (1858-1889), Kronprinz u. Erzherzog von Österreich 715 Rückversicherungsvertrag 751,761 Rumänien 151, 157 (Anrn. 14) Russ, Viktor Wilhelm (1840-1920), Verkehrsfachmann, Mitglied des österreichischen Reichsrates (1870-1900, »Vereinigte Deutsche Linke«) 323 (Anrn. 6) Russell, Arthur (1825-1892), Mitglied des eng!. Unterhauses (1857-1885, liberal) 598 Russell, Odo s. Ampthill Rußland 21 (Anrn. 3),33 (Anm. 40), 49 (Anrn. 86), 129 (Anrn. 12), 141, 142, 143, 144, 145, 147,148,150, 151, 152, 153, 154, 157 (Anrn. 14),159,160,233 (Anm. 20), 229, 231,232, 234, 235, 241 (Anm. 53), 283 (Anrn. 114), 288 (Anm. 6), 441,451,457,460,466 (Anm. 73),469,478, 479, 480, 485, 487, 490, 491, 494,496,497,498,529,530,539,540,541, 542, 567 (Anm. 103), 573, 575, 605, 630 (Anm. 63), 641, 642, 643, 650 (Anrn. 55), 651, 652, 653, 656, 665 (Anrn. 99), 677 (Anrn. 137), 685, 695 (Anrn. 60), 705, 706 (Anrn. 90), 707, 725, 726, 729 (Anrn. 21), 744 (Anrn. 16), 745, 749 (Anm. 30), 750, 751, 752 (Anrn. 47), 755 (Anrn. 60), 758, 764, 765, 767, 768,773, 777, 779, 780, 781, 784

Personen- und Sachverzeichnis Sabor, Adolf (1841-1907), Lehrer, MdR (18841890, »Sozialdemokratische Partei«) 622, 623 Saburov, Petr Aleksandrovic (1835-1918), russischer Botschafter in Berlin (1879-1884) 487 Sagasta, Präxedes Mateo (1827-1903), spanischer Ministerpräsident (1871n2, 1874 u. 1881-1883) 138 (Anm. 46) Sahl, Car! L., dt. Generalkonsul in Sydney 243 Said Bargash (1837-1888), Sultan von Sansibar (1870-1888) 661, 662, 663, 664, 665, 667, 668, 669, 670, 672, 674 (Anm. 127), 677 (Anm. 132), 679, 687, 707, 708, 709, 710, 711, 712, 718, 722, 723, 724 (Anm. 6), 727 (Anm. 17), 728, 729, 730, 731, 738 (Anm. 50),739,784,786 Saigon 22 Saldem, Konrad von, dt. Geschäftsträger in Sofia 653,702 Salisbury, Robert Arthur Talbot Gascoyne Cecil (1830-1903), Führer der eng!. Konservativen u. Premierminister (1886-1892) 157,158,229,238,573,685 (Anm. 19),724, 725,731,738,739, 750(Anm. 35),787,788 Sambesi 415,666 Samoa 246 (Anm. 81), 403 (Anm. 65), 556 (Anm. 48), 625, 675 (Anm. 127), 691 (Anm. 41),749,751 (Anm. 43), 743 Samoa-Vorlage 385 (Anm. 2), 399, 560 (Anm. 67), 570 (Anm. 119) Sam wer, Kar! Friedrich Lucian (1819-1882), Rechtsanwalt, Staatsrat u. Minister in Gotha, Berater des Erbprinzen Friedrich (VIll.) von Augustenburg (1863-1866) 187 (Anm. 64), 263 (Anm. 14 u. 15),278 (Anm. 96) Sancy, franz. Militärattaehe in Berlin 482 Sandwich Harbour 747 Sansibar 459, 659, 660, 661, 662, 663, 664, 665, 667, 668, 669 (Anm. 107), 671, 672 (Anm. 117),675 (Anm. 127),679, 686, 708, 709,710,711,712 (Anm. 109),718,719,720 (Anm. 141), 722 (Anm. 2), 723, 724, 727, 728,729,730,731,738 (Anm. 50),739,742, 745 (Anm. 16),748,750,751,752 Sargent, Aaron Augusms (1827-1887), amerikanischer Gesandter in Berlin (1882-1884) 182 (Anm. 36), 194,215, 216f (Anm. 68 u.

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69),218,221,222,223,224,225,441,597, 772 Saucken-Julienfelde, August Heinrich von (1798-1873), Berater des Kaiser- u. Kronprinzenpaars 187 (Anm. 64) Saussure, Ferdinand de (1857-1913), schweizerischer Sprachwissenschaftler 55 Savigny, Friedrich Car! von (1779-1861), preuß. Rechtswissenschaftler 364, 386 Savorgnan de Brazza, Pierre (1852-1905), franz. Afrikareisender 384, 386, 388 (Anm. 15) Sayn-Wiugenstein-Hohenstein, Wilhelm Ludwig zu (1770-1851), preuß. Staatspolizeiminister (1814-1819), Minister des König!. Hauses (1819-1851) 362 Scanlen, Thomas (1834-1912), Premienninister der Kapkolonie (1881-1884) 400 Scharrer, Heinrich, dt. Afrikareisender 660 (Anm.87) Schelling, Ludwig Hennann von (1824-1908), Staatssekretär des Reichsjustizamtes (18791889) 288,289 290, 305, 312, 328 (Anm. 22) Schenk von Stauffenberg, Franz (1834-1901), Gutsbesitzer, MdR (1868-1881, NL, 18811893, LV/DFP) 79, 90 (Anm. 119), 105, 109, 256, 257 (Anm. 129), 302, 303 (Anm. 66), 306, 307 (Anm. 85), 310, 345, 356 (Anm.13),62O,628,682 Scherff, Pauline von, Bekannte Kaiser W ilhelms 1. in Wiesbaden 103 (Anm. 29), 270 Schiller, Friedrich Johann Christoph von (1759-1805), dt. Dichter 264 (Anm. 19) Schleinitz, Alexander von (1807-1885), preuß. Außenminister (1848, 1849/50 u. 18581861), Minister des König!. Hauses (1861) 91 (Anm. 120),187 (Anm. 64) Schloezer, Kurd von (1822-1894), preuß. Ministerresident in Mexiko (1869-1871), dt. Gesandter in Washington (1871-1882) u. beim Vatikan (1882-1894) 91 (Anm. 120), 178 (Anm. 17), 198 (Anm. 1),202 Schnitzer, Eduard s. Emin Pasch, Mehmed Scholz, Adolf Heinrich Wilhe1m von (18331924), Unterstaatssekretär im Reichsschatzamt (1879-1882) u. preuß. Finanmllnister (1882-1890) 110 (Anm. 59), 188,298, 303, 315,316 (Anm. 121),361,363,368,654

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Personen- und Sachverzeichnis

Schor!emer-Alst, Burghard von (1825-1895), Rittergutsbesitzer, MdR (1870m, bkF, 18741887 u. 1890, Z) 109,110,168,769 Schrader, Kar! von (1834-1913), Eisenbahndirektor, MdR (1881-1884, LV, 1884-1893, DFP) 52,69, 190, 191,222,256,595 (Anm. 41),608,619 (Anm. 17),620,621 Schrader-Breyrnann, Henriette von (18271899), Gattin Kar! von Schraders 52,69,73, 190,495 (Anm. 41) Schröder, Hugo (1829-1899), Geheimer Justizrat, Vortragender Rat im preuß. Landwirtschaftsministerium 115, 182, 183 (Anm. 39) Schüssler, Wilhelm 407 Schuldotationsgesetz, preuß. 299, 300 Schulze, Emil, dt. Konsul in Gabun 388 (Anm. 15) Schulze-Delitzsch, Hermann (1808-1883), Kreisrichter a. D., Genossenschaftsgriinder, MdR (1867-1883, F) 58 (Anm. 6), 207 (Anm. 36),211,212,261 (Anm. 6) Schurz, ear! (1829-1906), dt. Revolutionär von 1848, Senator für Missouri, amerikanischer Innenminister (1877 -1881) 190 Schutzzollpolitik 41, 44, 87 (Anm. 111), 90 (Anm. 119), 184, 191,226,235 (Anm. 24) Suvalov, Pavel Andreevic (1830-1908), russischer Botschafter in Berlin (1885-1894) 713, 731 (Anm. 29) Schweden 472,601,622 (Anm. 36) Schweinitz, Hans Lothar von (1822-1901), persönl. Adjutant des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (1857-1861 u. 1863), preuß. Militärattache in Wien (1861-1865), Militärbevollmächtigter in St. Petersburg (1865-1869), Gesandter in St. Petersburg (1869-1871), dt. Botschafter in Wien (18711876) u. Botschafter in St. Petersburg (18761892) 47,49 (Anm. 85),92, 134, 144, 171, 213,231,232,234,237,239 (Anm. 46), 240, 265,267,268,434,435,438,440,491,492, 493, 495, 497 (Anm. 48), 529, 530, 576, 589, 642,644,675,699,702,714,725,759,760, 761,763,774 Schweninger, Ernst (1850-1924), Professor, Leibarzt Bismarcks (1881-1898) 116, 317, 355 (Anm. 12)

Scon, Charles Stewart (1838- nach 1899), eng!. Botschaftsrat in Berlin (1886-1888) 547 (Anm. 44),723 Seckendorff, Götz von (1842-1910), Kammerherr u. ObeIhofmeister Kronprinzessin Victorias 132 (Anm. 24) 190, 349, 520, 521 (Anm. 3),523, 525, 539 (Anm. 5) Sedan 27(Anm.23),546,626 Seely, John (1834-1895), eng!. Historiker 506 Seil, Friedrich 48 Senegambien 385 Seydewitz, Ono Theodor (1818-1898), MdR (1867-1890, K) 310 (Anm. 99), 356 (Anm. 13) Sezessionisten s. »Liberale Vereinigung« Shakespeare, William (1564-1616), eng!. Dichter 81 Sidmouth, Wil1iam Wells (1824-1913), Mitglied des eng!. ObeIhauses 499, 500 (Anm. 8), 503,509, 565 (Anm. 96) Siegle, Gustav (1840-1905), Fabrikbesitzer, MdR(1887-1898,NL) 446,447 Sierra Leone 244,385 Sierra Leone-Abkommen 385, 389,392 (Anm. 23) Skierniewice, Entrevu von 94, 95, 232 (Anm. 17), 432, 464, 486, 507, 538 (Anm. 5), 546, 583, 595, 602, 603 (Anm. 24), 606, 610 (Anm. 17),612,637,653,681,704,752 »Sloman« 730 (Anm. 26) Soden, Julius von (1846-1921), dt. Konsul in St. Peters}lUrg, Gouverneur von Kamerun (1885-1891) 635 (Anm. 8) Solms-Sonnenwalde, EbeIhard zu, dt. Gesandter in Madrid (1878-1887) 129, 139, 170 (Anm. 73), 409, 535 (Anm. 31) Somalia 662,742 (Anm. 9) Sommerfeld, Gustav von, persönlicher Adjutant des Kronprinzen Friedrich Wilhelm 60 (Anm. 14), 132 (Anm. 24), 180 (Anm. 27 u. 29),187 Sonnemann, Leopold (1831-1909), Besitzer der »Frankfurter Zeitung« u. MdR (1871 -1876 u. 1878-1884, >>Süd-Deutsche Volkspartei«) 623 Sozialdarwinismus 207 (Anm. 36), 575, 576 (Anm. 13),665 (Anm. 99) »Sozialdemokrat« 205 (Anm. 31)

Personen- und Sachverzeichnis Sozialdemokratie 30,32, 40, 46 (Anm. 73), 74 (Anm. 65), 75, 77, 204, 205, 206, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 255 (Anm. 120), 258, 321, 350 (Anm. 111), 435 (Anm. 43), 437, 469, 470, 471, 473, 474 (Anm. 105), 614, 615,616,617 (Anm. 12),620,621,622,623, 624,625 (Anm. 44), 627, 629, 633 (Anm. 3), 683,755 (Anm.61), 772, 773,782 Sozialgesetzgebung 74, 171, 189f (Anm. 76), 208,251,256,257,473,548 »Sozialimperialismus« - allg. 23 (Anm. 9), 29, 30, 31, 33, 37 (Anm. 55), 40, 46, 47, 48, 50, 53 (Anm. 99), 55 (Anm. 104),208 (Anm. 39), 460, 544 (Anm. 4), 564, 572 (Anm. I), 589 (Anm. 53), 620 (Anm. 22), 627, 674 (Anm. 127),765,772 - Kritik 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38 (Anm. 55),39,40,41,42,43,44,45,46,47, 48, 17lf (Anm. 78), 208 (Anm. 39), 346 (Anm. 94), 391, 399 (Anm. 49 u. 50), 402 (Anm. 61), 435 (Anm. 43), 454 (Anm 24), 544 (Anm. 4), 615f (Anm. 6) Sozialistengesetz 54, 75, 184, 204, 205, 206, 207,208 (Anm. 38), 209,210,211,212,213, 214, 250, 257, 280, 283 (Anm. 114), 288 (Anm. 6), 305, 320, 322, 323, 324 (Anm. 8 u. 9), 336, 342, 348, 431, 469, 471, 474, 483, 559, 766, 772 Spanien 22,54, 127 (Anm. 7), 128, 129 (Anm. 13), 130 (Anm. 16), 132, 134, 135, 137 (Anm. 42), 138, 139 (Anm. 48), 140, 142 (Anm. 5), 212, 252, 373, 453, 454 (Anm. 24), 462 (Anm. 56), 465, 535 (Anm. 31), 601, 665 (Anm. 99), 743 (Anm. 12),767 Spencer-Bai 394 »Der Spiegel« 48 Spitzem berg, Carl von (1826-1880), württ. Gesandter in Berlin (1866-1880) 173 Spitzemberg, Hildegard von (1843-1914), Gattin Carl von Spitzembergs 98,104,171,172, 173,214,298,314 Staatsrat s. Verfassungsrechtliche Offensivstrategien Bismarcks gegen das Kronprinzenpaar Stadtverordnetenwahlen, Berliner 158 (Anm. 21), 164,204,205 »Standard« 470 (Anm. 87), 499, 580, 581, 611,632 Stanley, Henry Morton (1841-1904), eng!. Afrikareisender 28 (Anm. 26), 384, 388 (Anm. 15),666,740 (Anm. 56), 749

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Starke, Kurt Moritz (1835-1896), Kommerzienrat u. Fabrikbesitzer, Mitglied des sächs. Landtages 324 (Anm. 9) Stein, Karl vom und zum (1757-1831), preuß. Staatsmann u. Reformer 277 (Anm. 90) SteingTÖver, Ioseph, Mitarbeiter Adolf Lüderitz' 746 Stellvertretung des Reichskan:rlers 184 (Anm. 44) Stephan, Heinrich (1831-1897), Staatssekretär des Reichspostamtes (1880-1897) 268, 551, 552 (Anm. 32), 553 Stephanie, Prinzessin von Belgien s. LOnyay von Nagy16nya und Vasarosnameny Stern (s. a. »Antrag Stern«), Redakteur u. Hospitant bei der »Deutschen Fortschrittspartei« im preuß. Abgeordnetenhaus 162 Stichling, Gottfried Theodor (1814-1891), Minister des Großherzog!. Hauses u. des Auswärtigen in Sachsen-Weimar, Bevollmächtigter zum Bundesrat (1870-1882), Staatsminister (1882-1890) 282 Stichwahlen 204,593,614,622,623,624 St. Lucia-Bucht 635, 636 (Anm. 12 u. 13), 639, 649, 658 (Anm. 78),686, 687 (Anm. 24 u.25) »St. Iame's Gazene« 233 (Anm. 21) Stockmar, Christian Friedrich (1787-1863), Ratgeber Queen Victorias u. des preuß. Königpaars Augusta u. Wilhelm 1. 140 (Anm. 52) Stockmar, Ernst von (1823-1886), Privatsekretär Kronprinzessin Victorias (1857-1864) 87 (Anm. 111), 187 (Anm. 64),140,595 Stoecker, Adolf (1835-1909), Hof- u. Domprediger in Berlin, MdR (1881-1893 u. 18981908, K) 165 (Anm. 55) Stolberg-Wernigerode, Udo von (1840-1910), Landrat a. D., Majoratsherr, MdR (18771881, 1884-1891 u. 1895-1910, K) 351 (Anm.116) Stosch, Albrecht von (1818-1896), Generalquartiermeister des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (1866), Chef des Militärökonomiedepartements im preuß. Kriegsministerium (1866-1870), Genera1intendant, Stabschef der Armeeabteilung von Franz von MecklenburgSchwerin (1870), Stabschef der dt. Okkupationsarmee in Frankreich (1871), Chef der Admiralität (1872-1883) 59,60, 88f (Anm.

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Personen- und Sachverzeichnis

117),79 (Anm. 83), 90, 92, 93, 95, 96, 100, 103, 104 (Anm. 31), 105, 123 (Anm. 121), 114, 120, 134, 135, 178, 179, 181,269 (Anm. 45), 271, 272, 273, 385 (Anm. 2), 344, 354, 375, 382,520, 521, 522, 524, 525, 526, 527 (Anm.28),566,567,568,569,595,606,633 (Anm. 3),696,707 (Anm. 94), 782 Struve, Gustav von (1805-1870), Publizist u. Revolutionär von 1848 78 (Anm. 80) Stuebel, Oscar (1846- nach 1919), dt. Generalkonsul in Samoa (1883-1887) 743 Stumm, Ferdinand (1843-1925) dt. Botschaftssekretär in London (1881-1883), preuß. Gesandter in Darmstadt (1883-1885) u. dt. Gesandter in Kopenitagen (1885-1887) 311 (Anm. 101), 347, 423, 550 (Anm. 28), 570, 644,645,651,652 (Anm. 63) Sturm, Eduard (1830-?), Führer der liberalen »Österreichischen Reformpartei«, Mitglied des österreichischen Reichsrates (1869-1871 u. 1873-?) 203 SuOan 70 (Anm. 53), 229, 234, 241, 243, 392, 743 (Anm. 10) Südafrika (s. a. Angra Pequefia u. Südwestafrika) 241,400 (Anm. 53), 402 (Anm. 61), 405, 500 (Anm. 8), 514, 515, 575, 580, 633,639,648,666,695(Anm.6O),634 »Süd-Deutsche Volkspartei« 121 (Anm. 117), 614,616,622 (Anm. 37) Südsee 232, 244, 247, 248, 249, 251 (Anm. 100), 400 (Anm. 54), 413, 454, 457, 458, 463,578,586,625,631,639,640 (Anm. 21), 656,658 (Anm. 78), 690, 703, 709, 718, 739, 740,741,743,747,774,778,784,788 Südwestafrika (s. a. Angra Pequefia) 23,39,42 (Anm.62),390,393,394,395,398,4OO,401, 417,442,444,462,499,500,502,504,505, 507 (Anm. 37), 512, 517 (Anm. 72), 518 (Anm. 77), 577 (Anm. 17), 578, 580, 587, 588 (Anm. 49), 607, 625, 638 (Anm. 16), 664, 668 (Anm. 106), 675 (Anm. 127), 678 (Anm. 138),682,686,709, 718 (Anm. 133), 745 (Anm. 20),746,747,778,781,784 Sullivan, Edward (1826-1899), Herausgeber der »Moming Post« 575 Sybel, Heinri"h von (1817-1895), dt. Historiker 264 »Syndikat für Westafrika« 678 (Anm. 138), 730,743 (Anm. 10) Szechenyi, Imre (1825-1898), österreichischungarischer Botschafter in Berlin (1878-

1892) 73, 108, 109 (Anm. 53), 113, 116 (Anm. 89), 177 (Anm. 14), 178 (Anm. 17), 179,252 (Anm. 104),307,317 (Anm. 122), 345,356,358, 359, 375, 377, 462 (Anm. 58), 482,496,505 (Anm. 25), 521 (Anm. 7), 522, 545,549,574,689,691,730,731,740 (Anm. 58) Tabaksteuer s. Deutsches Reich Tacitus, Publius Comelius T. (ca. 55-116), römischer Geschichtsschreiber 125 (Anm. 133) »Täglicher Telegraph« 219 (Anm. 82) Tamatave 392 Tanganjika-See 459 Taylor, A. J. P. 26,48 (Anm. 84) Thielen, Kar! von (1832-1906), preuß. Gesandter in Weimar (1885-1887) 525 (Anm. 22) Thielmann, Max Franz Guido (1846-1929), Sekretär der dt. Botschaft in Paris (18801882) u. in Konstantinopel (1882-1886) 650 (Anm.55) Thomton, Edward (1817-1906), engl. Botschafter in St. Petersburg (1881-1885) 239 (Anm. 46), 599 (Anm. 12) Thronwechsel, Erwartung des - allg. 78, 79, 91, 97, 98,99, 108, 110, 111, 112, 114, 115, 117, 118, 120 (Anm. 109), 124, 156, 159, 160, 161, 162, 166, 167, 168, 171, 172, 173, 177, 179, 180, 181, 182, 183, 186, 193, 194,200 (Anm. 7), 218,230,250, 254,255,269 (Anm. 42), 272, 273, 306,331, 343, 348, 350 (Anm. 111), 352, 357, 367 (Anm. 66),377 (Anm. 117), 381, 382, 436, 437, 440, 466, 487, 488, 492, 494, 512,520, 521,522,523,527,534,544,545,568,598, 602, 605, 609 (Anm. 15), 627 (Anm. 51), 632, 633 (Anm. 3), 636, 643, 646, 647, 648 (Anm. 45),650, 653,655,680,692,697,698, 699 (Anm. 72), 707, 714, 725, 726, 731, 732, 733, 738 (Anm. 50), 758, 760, 762, 763,768, 769,771,780,781,782,785,786 - Bismarck, Herbert von 125,568 (Anm. 109), 655,656,675,714,722,732,784 - Bismarck, Otto von 48 (Anm. 84 u. 85), 50, 51, 53, 54, 59, 76, 77, 778, 86 (Anm. 110), 88, 89, 103, 104, 105, 106, 107, 109, 110, 111,112,113,115,116,119,120,129,137, 138, 151, 153, 158, 159, 160, 161, 168, 171, 172, 173, 181, 182, 183, 186,200,230,233,

Personen- und Sachverzeichnis 254 (Atun. 118), 258, 260, 274, 286, 287 (Amn. 3), 288 (Amn. 6), 296, 306, 311, 312, 313,332,337,341 (Atun. 73), 343, 344, 345, 353,354,362,373,378,431,433 (Amn. 32), 436,437,442, 447,455,457,461,463,467, 468,471,472,520,524,528,532,543,544, 545,547,548,599,604,614,621,623,627, 640, 645, 653, 654, 655, 657, 674 (Amn. 127),675,676,679,680,683,694,706,715, 716, 717, 722, 724, 727 (Amn. 17), 729, 730 (Atun. 23), 741, 744, 749, 753,763,766,767, 770, 773, 775, 776, 777, 782, 783, 785, 786, 787 - Wilhelm I. 78, 158, 368 Thum und Taxis, Franz Maximilian Lamoral von (1852-1897), Sekretär in der dt. Botschaft in Rom (1884) 486 (Anm. 3) Tiedemann, Christoph VOll (1836-1907), Chef der Reichskanzlei (1878-1881), Regierungspräsident in Bromberg (1881-1890) 173, 267,295 (Amn. 38),298,299 »Times« 70, 117, 118, 121, 122 (Amn. II 8), 139 (Amn. 48), 155, 169, 185, 225, 233 (Atun. 20), 251 (Amn. 102), 573 (Amn. 4), 574 (Amn. 7), 579,581,611,625,630 (Amn. 63),647, 663, 664, 679, 681 (Amn. 6),683, 684,688,695,697,698 (Amn. 68),705,719, 729 (Anm. 21), 785 Tirpitz, Alfred VOll (1849-1930), Admiral, Staa,ssekretär des Reichsmarineamts (18971916) 29 Togo 37,38 (Anm. 55). 43f (Anm. 65 u. 68), 390,445,502,587,625,682,686,687 (Amn. 25),718,747,784 Tonga 404 (Anm. 65) Tonkin 21 (Anm. 3),26 Townsend, Amos (1821-1895), Geschäftsmann, Mitglied des amerikanischen Repräsentantenhauses (1877-1883, Republikaner) 216 Townsend-Bill 216,217 (Amn. 69) Townsend, Mary 25 Träger, Alben (1830-1912), Rechtsanwalt u. Notar, MdprAH (1879, F), MdR (1874-1878 u. 1880-1881, F), 1884-1912, DFP/»Deutsche Freisinnige VoIkspanei«) 469 Transvaal 23, 515,657 (Atun. 74),658 (Anm. 78)

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Treitschke, Heinrich VOll (1834-1896), dt. Historiker u. Publizist 166,277 (Amn. 90),766 (Anm.8) Treue, Wilhelm 48 »Die Tribüne« 118 (Anm. 98) Türckheim, Hans VOll (1814-1892), badischer Gesandter in Berlin (1864-1883) 106 (Amn. 41),296 Türkei 142, 143 (Anm. 9), 144, 151, 153 (Anm. I), 157 (Anm. 14), 451, 505, 665 (Anm. 99), 685 (Anm. 19) Turner, Henry A. 27,28 Tunis 453, 662 Twesten, Kar! (1820-1870), Stadtgerichtsrat, Mitglied des Norddeutschen Reichstags (1867-1870, NL) 187 (Anm. 62 u. 64) Uganda 459 Unfallversicherungsgesetz 116,205,257,313 Unitarismus s. Friedrich Wilhelm Usagara 675 (Anm. 127) Usambara-Bahn 37 Van der Heydt, Kar! (1851-1925), Vorsitzender des »Alldeutschen Verbandes« (1891-1893) 723 (Amn. 3) Van der Kiste, John 48 Vega de Armijo y de Mos, Ant6nio Aguilar y Correa (1824-1908), spanischer Außenrninister (1881-1883) 127 (Amn. 7) Verdun 762 Vereinigte Staaten VOll Amerika 32 (Amn. 39), 35 (Amn. 47), 37, 44 (Anm. 68), 185, 190, 191, 215, 216, 217 (Amn. 70), 219, 220 (Anm. 90), 221, 222 (Atun. 95 u. 97), 223, 225 (Atun. 108), 235 (Amn. 24), 308, 468, 558, 588, 657 (Anm. 74), 665, 672, 743 (Amn. 10), 771 Verfassungsrechtliche Offensivstrategien Bismarcks gegen das Kronprinzenpaar - allg. 55, 174,228,250,254,260, 287f (Anm. 6),301, 319,331, 360,376 (Amn. 112),377 (Anm. 117), 427, 431, 432, 433, 434, 436, 442,445,454,460,466,468,492,499,420, 526, 555 (Amn. 47), 557, 565, 589, 694, 703, 719, 752, 754, 755f (Amn. 61), 763, 764, 769,770,776,777,778,783,785,788 - Bundesratsinitiative 172,173 (Amn. 83), 174 (Anm. 2), 287, 288, 289, 290, 291, 292, 304,

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Personen- und Sachverzeichnis

305,306,309,312,313,319,320,322,324, 325,326,327,328,329,330 (Asun. 28),331, 333,334,335,336,337,338,339,340,341, 342,348,358,365,420,431,436,445,468, 543, 550, 555 (Asun. 47), 559, 653, 654, 655, 699,700,714,715,719, 734(Asun. 37),756 (Asun. 61), 7(x', 769, 775, 776, 784, 786,788 - Ministerpräsidentschaftsaufgabe,

geplante

72, 174 (Asun. 2), 287, 289 (Asun. 11),294, 295,296,297,298,299,300,301,314,315, 316,317,318,319,343,353,354,355,356, 357,358,359,363,364,368,371,375,377, 420,425,429,434,436,439,440,445,452, 735,736,737,756 (Arun. 61), 769, 770,775, 777, 779, 788 - Reichsratprojekt 174 (Asun. 2), 292, 293, 294,295,315,320(Asun. 130),365,770,788 - Staatsratreaktivierung 128, 174 (Asun. 2), 291,293,294 (Asun. 32),295,315,320,344 (Asun. 82), 353, 357, 358 (Asun. 22), 359, 360,361,362,363,364,365,366,367,368, 369,370,371,372,373,374,375,376,377, 378,379,380,381,382,383,420,425,432 (Arun. 27), 436, 440 (Arun. 66), 483, 486, 495,547,427,429,430, 431,434, 438,445, 454, 427, 430, 434, 432, 438, 440, 486, 589, 590, 619 (Asun. 19), 640, 756 (Asun. 61), 764,769,770,777,788 Versmann, Johannes Georg Andreas (18201899), Hamburger Oberbürgermeister (1887, 1889, 1891, 1894 u. 1897) 333 (Asun. 41), 751 Victoria (1819-1901), Königin von Großbritannien u. Irland (1837-1901) 50,62,63,65 (Asun. 35), 67, 71 (Asun. 53), 76 (Asun. 72), 80, 87 (Arun. 111), 97, 98 (Asun. 3), 104, 131, 135, 136, 139 (Asun. 47), 140, 146 (Asun. 22), 151, 154 (Arun. 3), 155, 230 (Asun. 11), 237, 406, 422, 437, 457, 470 (Arun. 87), 495, 548 (Asun. 18), 574, 588, 596,597,598 (Asun. 9), 599 (Arun. 12),600 (Asun. 15), 601, 602, 603 (Asun. 25), 612 (Asun. 24),616,633 (Arun. 3),642,643,644, 676 (Asun. 130), 678 (Arun. 137), 688, 699 (Asun. 74), 704, 715, 754, 758 (Asun. 67), 760,762,767,768,780 Victoria, Kronprinzessin von Preußen (18401901), "Kaiserin Friedrich" (1888-1901), - allg. 48 (Arun. 85),50,51,52,54,59,60,61, 62,63,65,66,67,68,69,70,71,72,73,74, 75,76,77, 78, 79 (Asun. 83), 84, 85, 86, 87

(Asun. 112), 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95 (Asun. 136), 96, 104, 105, 106 (Asun. 38), 107, 108, 109, 113, 111, 117, 118, 139, 145, 146, 147 (Arun. 25), 150, 151, 152, 153, 160, 165f (Asun. 55), 171, 172, 173, 178 (Arun. 21), 179, 187 (Asun. 64), 188, 190, 191, 199, 210, 211,212,213,230,256,257,258,259, 261,269,270,271,272,273,274 (Arun. 74), 278,307,318,320,332,360,382,432,435, 437 (Asun. 34), 448 (Asun. 101), 452, 461, 464 (Asun. 65), 466, 468, 470 (Asun. 87), 472,476,481,489,490,492,494,495,496, 506,515,520,521,523,524,525,526,527, 532,534,541,544,545 (Asun. 7), 548 (Arun. 18),554,586 (Asun. 42),590 (Asun. 54),595, 596,597,598,599,600,604,605 (Arun. 32), 607,608,611,612,613,619,620 (Arun. 20), 621,622,625,629,630,631,633 (Asun. 3), 635,640,642(Asun.27),647,648,650,656, 657, 674 (Asun. 127),675,677,683,690,691 (Asun. 37), 692 (Asun. 45), 693, 694, 695, 696, 697, 698 (Asun. 68), 701, 702 (Arun. 83),704,705 (Arun. 89),707,715,716,717, 718, 719, 720, 725, 733, 734f (Asun. 38), 735, 736 (Arun. 44),737, 738, 741, 752,753, 754,755 (Arun. 60),757,758,759,760,762, 764, 765, 766, 768, 771, 772, 773, 774, 775, 777,779,780,781,782,783,785,787,788 - Acton, John 598 - Alexander von Banenberg 145, 146, 147 (Asun. 25), 437 (Asun. 54) - Ampthill, Lord 70 (Arun. 51) - Antisemitismusstreit 165f (Asun. 55) - Amim, Hai"ry von 104 (Arun. 31) - Attentatsfurcht 212 - Bamberger, Ludwig 190,191,257 - Bismarck, Herbert von 532 - Bismarck, Ono von 75f (Asun. 70), 96, 108, 259,470(Asun.87),532(Asun.20),619,620 (Asun. 20), 621, 631, 690, 701, 702 (Arun. 83), 734f (Asun. 38),759 - Cohen-Blind, Ferdinand 470 (Asun. 87) - dt. Einigung (x', 67 - »Deutsche Fortschrittspartei« 76 (Asun. 70) - »Deutsche Freisinnige Partei« 269, 307 - Direktorposten im AA (15. Dez. 1884) 629, 630,631 - Engländertum 67,68,69,70, 71, 72, 73, 74 (Anm. 63), 76 (Asun. 72),78 (Arun. 81), 84, 85 (Anm. 108 u. 109), 86, 87 (Asun. 111 u.

Personen - und Sachverzeichnis 112),88 (Anrn. 111),88 108, 150, 151, 153, 172 (Anrn. 82), 230, 464 (Anrn. 65), 481, 506,600,613,631,635 (Anrn. 9), 642 (Anm. 27),656, 657, 696 (Anrn. 63), 704,725, 735 (Anrn.38), 765, 768 - Englandfeindlichkeit, Reaktionen auf (s. a. Kolonialpolitik) 69,635,657,690,759,782, 783 - Gladstone, William 85 (Anrn. 108 u. 109), 108 - »Hoher Erlaß,vicky«) (1866-1929), Prinzessin von Preußen 132, 133, 135, 141, 144, 145, 146, 149, 150,420,421,424,426,437,438, 440,449,450,451,475,476,477,478,479, 480, 486 (Anrn. 3), 487, 488, 491, 538, 643 (Anrn.28),644,645,651,652,656,676,702, 703, 754(Anrn.6O), 755 (Anrn. 60),767,779 Victoria Alberta (1863-1950), Prinzessin von Hessen 146, 150 (Anrn. 34), 420, 424, 449, 450 (Anm. 5), 451,767,779 Vietor, Johann Karl (1861-1934), Bremer Kaufmann 405 (Anm. 1) »Viktoria-National-Invalidenstiftung« 165 Vincke, Georg Friedrich von (1811-1875), Jurist, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung (1848/49), MdprAH (1849-1867, altliberal) 242 Virchow, Rudolf (1821-1902), Universitätsprofessor der Medizin, MdR (1880-1893, FIDFP) 109, 164, 171, 199f (Anrn. 7), 204, 205,223,257,313,521,526 (Anrn. 25),595, 693 (Anrn. 52),695, 763 (Anrn. 4) Vitzthum von Eckstädt, Friedrich von, dt. Botschaftssekretär in London u. in St. Petersburg (1885-1890) 508 (Anrn. 41), 560 (Anrn. 63) Vogelsang, Heinrich, Bevollmächtigter Lüderitz' in Südwestafrika 394, 395, 396, 398, 407,408,410,417 »Volksfreund« 193 Volkswirtschaftsrat 291, 292, 295, 362, 363, 370 »Volks-Zeitung« 84 (Anrn. 104), 116 (Anrn. 88), 118 (Anrn. 101), 175 (Anrn. 9), 303 (Anm. 66), 339, 637 (Anrn. 13), 706 (Anrn. 93) >,vossische Zeitung« 122 (Anm. 119) 175 (Anrn. 9),200 (Anm. 11),367,373,397,467, 468,470,621 (Anm. 28), 664 (Anm. 97), 671 Waddington, William Henry (1826-1894), franz. Botschafter in London (1883-1893) 428 Wagener, Hermann (1815-1889), Geheimer Vortragender Rat im preuß. Staatsministerium u. Mitarbeiter Bismarcks (1866-1873) 184 Wahlbeeinflussungen 162, 163, 164, 167,624 Wahlkampf (1884) s. Reichstagswahlen

884

Personen - und Sachverzeichnis

Wahlrechtsfrage s. Deutsches Reich Wahlrefonn, engl. 157, 162, 228, 237, 239, 242,599 Waldeck, Benedikt Franz Leo (1802-1870), Führer der demokratischen Linken in der preuß. Nationalversammlung (1848), Mitglied des Norddeutschen Reichstages (18671870, F), MdprAH (1869) 65 (Anrn. 32), 261 (Anrn.6) Waldersee, Alfred von (1832-1904), Generalquartienneister u. Stellvertreter des Chefs des Generalstabs (1882-1889) 46,71 (Anrn. 53), 91 (Anm. 120), 114 (Anrn. 80), 120 (Anrn. 109), 132 (Anrn. 22), 161, 183, 187 (Anrn. 65), 238, 331 (Anrn. 28), 354, 380, 481 (Anrn. 148),491 (Anrn. 24), 497 (Anrn. 48), 522,523, 538 (Anrn. 1), 542, 554, 634, 646, 655,657, 706(Anrn.93), 732,753 Wales, Prinz von s. Edward Vll. Walfisch-Bai 245, 394, 396 (Anrn. 42), 400, 401, (Anrn. 59), 444, 509, 513, 519 (Anrn. 79), 564 (Anrn. 90), 576 (Anrn. 15), 577 (Anrn. 17), 580, 584 (Anrn. 40), 686, 687 (Anrn. 25), 747 Wallenstein, Albrecht Eusebius Wenzel von (1583-1634), Feldherr im Dreißigjährigen Krieg 105 (Anrn. 36) Warburg, Moritz (1838-1910), dt. Bankier 166 Warren, Charles (1840- nach 1913), engl. General in Betschuana-Land (1884/85) 663 (Anrn.97) Weber, Ernst von (1830-1902), dt. Kolonialschriftsteller u. Afrikareisender 31,555,625, 667, 765 Webster, Prentiss (1851- nach 1914), arnerikanischer Generalkonsul in Frankfurt 220 (Anrn.90) Wedel, Carl von (1842-1919), Generaladjutant Wilhelrns II. (1894-1897) 754 (Anm. 60), 760 Wehler, Hans-ulrich (s. a. »Sozialimperialismus«) 29,30,31,32,33,36,37,40,44,46, 47,49,407,564,627,765,772 Wehrenpfennig, Wilhelrn (1829-1900), VortragenderRat,MdR (1869-1881, NL) 66 Weißbücher - allg. 639 (Anrn. 20), 656 (Anrn. 74), 677, 680 (Anm. 3), 684, 742 (Anrn. 7) - "Angra Pequena" 395 (Anm. 38), 406 (Anm. 6),584,625,626 (Anrn. 47), 627 (Anrn. 51)

- "Deutsche Interessen in der Südsee" 625, 656f (Anrn. 74) - "Deutsche Landreklarnationen auf Fidji" 253, 513,647,648 (Anrn. 46) - "Togogebiet und Biafra-Bai" 388, 390 (Anm. 18),403,501 (Anrn. 11),625 Wentzel Otto von (?-1899), Geheimer Rat, preuß. Gesandter bei den Hansestädten u. an den Höfen von Schwerin u. Neu-Strelitz (?1885) 385, 386, 391, 392 (Anrn. 23), 404, 452 Werder, Bernhard von (1823-1907), preuß. General, Militärbevollmächtigter in St. Petersburg (1869-1886) 493 Werthern, Georg von (1816-1895), preuß. Gesandter in München (1867-1887) 549 »Weser-Zeitung« 396 (Anrn. 42), 398, 567, 591,720,746 Westafrika (s. a. Karnerun u. Togo) 37, 38 (Anrn.55),384,389,390,391,392,403,404 (Anrn. 66), 428 (Anrn. 7), 429, 430, 433, 442, 445,446,452,453,454,458,462,505,513, 572 (Anrn. 1),588,606 (Anrn. 1),607 (Anrn. 4), 634, 635, 637, 640, 650, 656 (Anrn. 74), 660, 661, 663, 669 (Anrn. 106), 683 (Anrn. 12),687 (Anrn. 25),709,743 (Anrn. 10),781 »Westdeutscher Verein für Colonisation und Export« 31, 564 (Anrn. 90) Westindien 385 (Anrn. 2) White, Andrew (1832-1918), arnerikanischer Botschafter (1878-1881) 190 »Wiener Allgemeine Zeitung« 107 Wilhelrn (1227-1256), Graf von Holland, dt. König (1247-1256) 264 (Anrn. 19) Wilhelrn 1. (1797-1888), preuß. König (18611888) u. dt. Kaiser (1871-1888), - allg. 27,50,51 (Anrn. 95), 52, 53, 54, 58, 59, 61,64,65,66,70,71,75,78,79 (Anrn. 81), 86 (Anrn. 110),89,90,93,95 (Anrn. 136),96 (Anrn. 139), 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 105, 106 (Anrn. 41), 107, 108, 109, 110, 111, 112,113,114,115 (Anrn. 83), 116, 117, 119, 120, 121 (Anrn. 117), 123, 124, 125 (Anrn. 135), 126, 127, 128, 129 (Anrn. 12 u. 16), 130, 131, 133, 134, 135 (Anrn. 35), 136, 137, 143, 144, 146 (Anrn. 22), 151, 153, 155, 157, 158,159,160,161,162 (Anrn. 35 u. 36),168, 173 (Anrn. 85), 177, 178, 179, 181, 182, 183, 186, 191, 195, 197, 198 (Anrn. 1 u. 4), 201, 202 (Anm. 18),205,206,209,212,214,215,

Personen- und Sachverzeichnis 218, 226, 230, 232 (Anm. 17), 233 (Anm. 19), 237, 239, 240, 241, 251, 252 (Anm. 104),255,264,265,267,268,269,270,272, 275,286,288 (Anm. 6), 295, 297, 300,302, 304,312,320,322,323,324,329,330,331 (Anm. 29), 341 (Anm. 73), 343, 344 (Anm. 82), 352 (Anm. 1), 353, 355, 357, 362, 368, 373, 374, 375, 377 (Anm. 117), 378, 380, 4116,417,422 (Anm. 11),431,432,434,440 (Anm. 66), 442, 446, 448 (Anm. 101), 450, 451,453,466,467,470 (Anm. 87), 472,477, 478,479,481,482,483,484,489, 491,493, 494,496,498,504 (Anm. 22), 523, 526,527, 528,529,530,531,532,533,534,535,539, 544,545,546,547,548,552,554 (Anm. 43), 560, 566 (Anm. 1(0), 568, 569, 573, 574, 589f (Anm. 53 u. 54), 592, 596, 597, 599, 600,601,603,604,605,609,610,611,612, 618,619 (Anm. 15),627,633 (Anm. 3), 634, 635,638 (Anm. 16),645,646,647,648,650, 651, 653, 654 (Anm. 67), 655, 656, 662 (Anm. 94), 655 (Anm. 99), 667, 675, 679, 680,681 (Anm. 7), 691f (Anm. 37), 692, 694, 697, 698, 699, 700, 702, 704, 705, 707, 708, 710,712,713,714,715,716,717,719 (Anm. 134),720,722,724 (Anm. 8),725,731,732, 733 (Anm. 35 u. 37), 734 (Anm. 38), 736 (Anm. 46), 737 (Anm. 47), 738 (Anm. 49), 748 (Anm. 30), 753, 754f (Anm. 60), 756 (Anm. 61 u. 62), 760, 762, 764, 766, 767, 768, 769, 771, 772, 775, 776, 777, 779, 780, 781,783,784,785,786,787 - Alexander von Banenberg 450,451 - Attentat Nobilings 75, 100 - Bennigsen, Rudolf von 548 - Bismarcks 70. Geburtstag 700, 702 (Anm. 83) - »Deutsche Freisinnige Partei« 323 - »deutsches Ministerium Gladstone« 158 - Einflüsse u. Zustände, englische 78, 117, 168 (Anm. 65), 239, 240,472,700 (Anm. 74) - Friedrich Wilhelm 78, 89 (Anm. 117), 373, 605, 753 - Geburtstagsempfang (22. März 1884) 206 (Anm. 33), 226 (Anm. lll), 237, 322, 323, 324, 776 - Gesundheitszustand 54, 89, 93, 97, 98, 99, 100,101,102,103,107, 110 (Anm. 59), 111, 112, 114f (Anm. 83), 116, 117, 123,124,129 (Anm. 16), 159, 160, 161, 162 (Anm. 35 u. 36),173 (Anm. 85), 181, 182, 183 (Anm. 39),

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251, 252 (Anm. 104), 272, 288 (Anm. 6), 329, 330, 331 (Anm. 28), 341 (Anm. 73), 353, 355, 357, 362, 432, 442, 448 (Anm. 101),466,477,478,481,482,483,484,504 (Anm. 22), 534, 545, 546, 547, 618, 619 (Anm.15),645,646,647,650,651,653,654 (Anm.67),655,656,675,692,698,704,705, 712, 713, 714, 715, 717, 719 (Anm. 134), 722, 731, 732, 733 (Anm. 35), 737 (Anm. 47), 766, 768, 771, 777, 780, 783, 784, 785, 786,787 - Gladstone, William 237,724 (Anm. 8) - Gladstone-Erlaß 240,241 - »Hoher Erlaß« (vom 4. Ian. 1882) 109,117 - Italienreise des Kronprinzen Friedrich Wilhelm 177, 178, 179, 198 (Anm. 4), 202 (Anm.18) - Kolonialpolitik 440 (Anm. 66), 446, 453, 609,610,611,612,748 (Anm. 30) - (Kronprinzen-)Liberalismus (auch eng!. Liberalismus) 58, 64, 157, 158, 239, 240, 241, 527,599,600,601,603,604,605 - Morier, Robert 596,597,599 (Anm. 12) - Münster, Georg zu 610 (Anm. 17) - Spanien reise des Kronprinzen Friedrich Wilhelm 127, 128, 129 (Anm. 12), 130, 131, 133,134, 135 (Anm. 35), 136, 137,368 - Victoria, Kronprinzessin 78, 79 (Anm. 81), 451 (Anm. 12),605 (Anm. 32) - Wilhelm, Prinz 496, 69lf (Anm. 37), 733 (Anm.37) Wilhelm 1I. (1859-1941), König von Preußen u. dt. Kaiser (1888-1918), - allg. 47 (Anm. 80),60,61, 70f (Anm. 53 u. 54),79, 80 (Anm. 117),94,96, 104, 109, 132 (Anm. 24), 134, 140, 152 (Anm. 43), 153, 154 (Anm. 3),160 (Anm. 28), 173,274,276, 298, 344 (Anm. 82), 422 (Anm. 11), 477, 485,487 (Anm. 8), 489, 490, 491, 492, 493, 494,495,496,532,541,542,582,619(Anm. 17), 634, 641, 643, 677 (Anm. 137), 684, 690, 699 (Anm. 74), 703 (Anm. 86), 705, 706, 717, 733, 749 (Anm. 34), 751, 756 (Anm.61), 757, 760,761, 762, 770,780 - Einfluß der Bismarcks 104, 154 (Anm. 3), 489, 705 - Eltern 71 (Anm. 53), 109, 489 (Anm. 19), 490,494,541,705,780 - England 71 (Anm. 53),489 (Anm. 19),706 - »Hoher Erlaß« (vom 4. Ian. 1882) 109

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Personen- und Sachverzeichnis

- »Kronprinzen-These« 761J,761 - St. Petersburg-Mission 71 (Anm. 53), 485, 489,490,491,492,493,494,495,496,541, 780 - Victoria, Queen 71 (Anm. 53) Wilhelm (1806-1884), Herzog von Braunschweig (1830-1884) 548 (Anm. 18) Wilhelm ill. (1817-1890), König der Niederlande und Großherzog von Luxemburg (1849-1890) 98 (Anm. 3) Wilmowski, Karl von (1817-1893), Wirklicher Geheimer Rat, Chef des Kaiserlichen Zivilkabinens 71,78 (Anm. 81),265,269,330 (Anm. 28), 357, 358 (Anm. 21), 367, 368, 370,520,609 (Anm. 16),647 (Anm. 43) Wilson, Charles Wi1liam (1836-1905), Leiter des Nachrichtendienstes in WoJseleys Expedition zur Befreiung Gordon Paschas (1884/85) 70 (Anm. 53) Windelband, Wolfgang 130 (Anm. 16) Windthorst, Ludwig (1812-1891), Syndikus, MdprAH (1867, Z), MdR (1867-1891, Z) 168, 184, 200 (Anm. 11), 202, 230, 310 (Anm. 99), 320, 328, 362, 564, 568 (Anm. 107),633 (Anm. 3), 634 (Anm. 8), 638, 682, 690 Winterfe1d, Hugo Hans Karl von (1836-1898), Adjutant des Kronprinzen Friedrich Wilhelm 522 Wingenstein, Wilhelm Ludwig s. Sayn-Wittgenstein-Hohenstein »Will & Büsch« 386,391,403 (Anm. 62) Witu 459, 738 (Anm. 50) »Wölber & Brohm« 687 (Anm. 25) Woermann, Adolph (1847-1911), Hamburger Großreeder, MdR (1884-1890, NL) 44 (Anm.68),384,385,386,387,388,390,392, 428,430,446,455,456,501 (Anm. 11),552 (Anm. 13), 591 (Anm. 59), 592, 682 (Anm. 12),778 »earl Woermann« 42, 413, 456, 678 (Anm. 138),740 Wolf, Eugen (1850-1912), dt. Schriftsteller u. Weltreisender 751,752 (Anm. 45) »Wolff & Lippenburg« 661 »Wolffsches TelegraphenbüTO« 169 Wolkenstein-Trostburg, Anton von (18321913), österreichisch -ungarischer Botschafter in St. Petersburg (1882-1894) 495, 540 (Anm.12)

Wurmbrand-Stuppach, Ladislaus Gundakar (1838-?), Mitglied des österreichischen Reichsrates (1879-?) 203,204 (Anm. 27) Xylander, Roben von (1830-1900), bay. MilitiiIbevollmächtigter in Berlin u. Bevollmächtigter zum Bundesrat (1878-1884) 334,335, 336 »Zentrum« 23, 27, 46 (Anm. 73), 109, 116, 117 (Anm. 92), 125, 163 (Anm. 42), 168, 169, 177, 197, 198, 199 (Anm. 6),200,202, 261 (Anm. 6), 278, 280, 324 (Anm. 8),331, 345,350 (Anm. 111),362,368,437,564,570 (Anm. 120), 593 (Anm. 67), f:JJ7 (Anm. 6), 614,615,617 (Anm. 10),621 (Anm. 28), 623 (Anm. 39), 624, 627, 628, 633 (Anm. 3),683, 755 (Anm. 61),782 Zintgraff, Eugen (1858-1897), dt. Afrikareisender 38 (Anm. 55) Zöller, Hugo, (1852- nach 1919), dt. Forschungsreisender u. Schriftsteller 180 (Anm. 27),675 (Anm. 127) »Züricher Post« 220 (Anm. 90) Zulu-Land 636 (Anm. 12),648