Der Erfolg der Strafvereitelung: (§ 258 Abs. 1 StGB) [1 ed.] 9783428493067, 9783428093069

Ziel der Arbeit ist es zu zeigen, daß mit der Umgestaltung des früheren Tatbestands der persönlichen Begünstigung zum Er

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Der Erfolg der Strafvereitelung: (§ 258 Abs. 1 StGB) [1 ed.]
 9783428493067, 9783428093069

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Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft

Band 115

Der Erfolg der Strafvereitelung (§ 258 Abs. 1 StGB) Von

Petra Wappler

Duncker & Humblot · Berlin

PETRA WAPPLER

Der Erfolg der Strafvereitelung (§ 258 Abs. 1 StGB)

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Hans-Uwe Erichsen Dr. Helmut Kollhosser Dr. Jürgen Welp

Band 115

Der Erfolg der Strafvereitelung (§ 258 Abs. 1 StGB)

Von Petra Wappler

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Wappler, Petra: Der Erfolg der Strafvereitelung : (§ 258 Abs. 1 StGB) / von Petra Wappler. - Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft ; Bd. 115) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09306-2

D 6 Alle Rechte vorbehalten © 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-09306-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Meiner Mutter

Vorwort Diese Untersuchung wurde im Sommersemester 1997 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis April 1997 berücksichtigt. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Eberhard Struensee, der die Arbeit angeregt, betreut und stets mit Interesse begleitet hat, danke ich herzlich für seine hilfreiche und geduldige Förderung. Mein besonderer Dank gilt Frau Prof. Dr. Ursula Nelles, ohne deren vielfältige Unterstützung diese Abhandlung nicht fertiggestellt worden wäre. Für kritische und weiterfuhrende Diskussionen möchte ich den Herren Bernhard Janssen, Prof. Dr. Ulrich Stein und Prof. Dr. Friedrich Dencker ebenfalls danken. Gedankt sei schließlich der Graduiertenförderung des Landes NordrheinWestfalen fur ein Stipendium, der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster für den gewährten Druckkostenzuschuß und den Herren Prof. Dres. Welp, Erichsen und Kollhosser für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe der Fakultät. Münster, im September 1997

Petra Wappler

Inhaltsverzeichnis

Α. Einleitung

13

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

16

I. Die Entwicklung der StrafVereitelung bis zum Erlaß des Reichsstrafgesetzbuchs

17

1. Das römische Recht

17

a) Recht zur Zeit der Republik

17

b) Recht in der Kaiserzeit

18

c) Zwischenergebnis

20

2. Das deutsche Recht bis zum späten Mittelalter

21

a) Zeit der Volksrechte

21

b) Recht im (späteren) Mittelalter

23

c) Zwischenergebnis

25

3. Das Recht zur Zeit der italienischen Praktiker

26

4. Die peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (Constitutio Criminalis Carolina)

27

5. Weitere Entwicklung bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts

29

6. Zwischenergebnis

32

7. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

33

8. Fazit

38

II. Gesetzentwürfe und Reformdiskussion im 20. Jahrhundert

38

1. VE 1909

40

2. Kritik am VE

44

3. Gegenentwurf 1911

46

10

Inhaltsverzeichnis 4. Entwurf 1913

47

5. Entwurf 1919

49

6. Entwurf 1922

50

7. Entwurf 1925

51

8. Entwurf 1927

51

9. Entwurf 1930

52

10. Gesetze und Entwürfe in der NS-Zeit

53

a) Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher

53

b) Entwurf 1938

55

11. Die Weiterentwicklung nach 1945

57

a) Reformarbeiten der Großen Strafrechtskommission

57

b) Entwurf 1959

60

c) Entwurf 1960

61

d) Entwurf 1962

63

e) EGStGB 1974

63

12. Fazit

C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

63

66

I. Die Erfolgsbestimmung durch die Rechtsprechung nach der Neufassung des § 258

66

II. Die Auslegung des Begriffs „Entziehen" (§§ 257, 346 a. F.) durch die höchstrichterliche Rechtsprechung III. Fazit

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

85 100

103

I. Samsons Erfolgsbestimmung (Verzicht auf Verzögerungen)

104

1. Sinnvolle Erweiterung der Rücktrittsmöglichkeiten

106

2. Mangelnde Praktikabilität

107

3. Mangelnde Plausibilität

108

a) Ordnungsgemäßes Prozeßhandeln und fehlende Garantenstellung . 110

Inhaltsverzeichnis b) Einschränkung des subjektiven Tatbestandes (Erwünschtsein des Verzögerungserfolges) II. Vormbaums Erfolgsinterpretation

112 ^

III. Die Erfolgsbestimmung durch die herrschende Meinung (Verzögerungen um geraume Zeit)

121

1. Konkretisierung der „geraumen Zeit" (Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot) und Begründung für dieses Korrektiv

122

a) Konkretisierung

122

b) Begründung

123

2. Begründung der herrschenden Meinung für die generelle Einbeziehung von Verzögerungen

126

a) Qualitätssicherung des Strafverfahrens

127

b) Kriminalpolitisch unerwünschte Reduktion des Tatbestandes (Strafbarkeitslücken) IV. Die Erfolgsbestimmung durch Lenckner und Rudolphi 1. Rechtsgut Strafzwecke

130 136 139

2. Sinn und Zweck der Bestrafung und ihre Beeinträchtigung durch Verzögerungen a) Absolute Straftheorien

141 142

aa) Sühnetheorie

142

bb) Vergeltungstheorie

143

(1) Kants Ansatz

144

(2) Hegels Ansatz

144

b) Relative Straftheorien

147

aa) Theorie der negativen Generalprävention

147

bb) Theorie der positiven Generalprävention

151

cc) Spezialpräventive Straftheorie

156

3. Zwischenergebnis

160

4. Zulässige Auslegung des Merkmals „gesetzmäßige Bestrafung"

160

V. Die Erfolgsbestimmung durch Beulke VI- Fazit

161 1 6 6

12

Inhaltsverzeichnis

Ε. Notwendigkeit und Konsequenzen einer restriktiven Erfolgsbestimmung

. 169

I. Das Verhältnis zwischen Gesetzeswortlaut und Willen des Gesetzgebers . . 169 II. Eigene Erfolgsbestimmung

172

1. Die (im Hinblick auf mögliche Wiederaufnahmegründe) unangreifbare Entscheidung als Bezugspunkt der Vereitelung

173

2. Die instanzabschließende oder die rechtskräftige Entscheidung als Bezugspunkt der Vereitelung

174

III. Konsequenzen dieser Erfolgsbestimmung

184

1. Fluchthilfe und Obdachgewährung

184

2. Verzögerung der Hauptverhandlung durch Verteidiger

186

3. Säumige Amtsträger

187

F. Zusammenfassung

189

Literaturverzeichnis

192

Quellenverzeichnis

205

Sachverzeichnis

208

Α. Einleitung Ziel der Untersuchung ist es, den tatbestandsmäßigen Erfolg des Strafvereitelungstatbestandes zu bestimmen. Diesen Erfolg umschreibt § 258 Abs. 1 StGB 1 durch die Formulierung „wer ... ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme ... unterworfen wird ...". Diese Vorschrift, die am 1.1.1975 in Kraft getreten ist2, löste die allseits als verunglückt 3 empfundenen Regelungen über die persönliche Begünstigung (§§ 257, 257 a, 258, 346 a.F.) ab. Ob mit der grundlegenden Umgestaltung der genannten Regelungen die „Leidensgeschichte" der StrafVereitelung tatsächlich ihren Abschluß gefunden hat4, erscheint insbesondere im Hinblick auf die Umgestaltung zum Erfolgsdelikt und die daraus resultierenden Schwierigkeiten zweifelhaft. 5 Intention der gesetzgeberischen Reform und vor allem der Ausgestaltung des neukonzipierten StrafVereitelungstatbestandes zum Erfolgsdelikt bei gleichzeitiger (Wieder-)Einfuhrung der Versuchsstrafbarkeit war es, dem Täter die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts zu eröffnen. 6 Damit ist der Gesetzgeber einer Forderung nachgekommen, die von der Strafrechtswissenschaft seit der Normierung der Begünstigung im Reichsstrafgesetzbuch immer wieder erhoben wurde und zum ständigen Gegenstand der Reformdiskussion und der entsprechenden Gesetzesentwürfe gemacht wurde. Denn in der seit 1871 nahezu unverändert 1

Paragraphen ohne Angabe eines Gesetzes sind im folgenden solche des StGB.

2

Bundesgesetzblatt! 1975, S. 64.

3

Bereits 1879 vermerkte Gretener, S. 57, daß die Revisionsbedürftigkeit der §§ 257 ff. (a. F.) allseitig anerkannt sei; Beling, V D BT VII, S. 207, bezeichnete die genannten Vorschriften als die „am meisten verunglückten Bestimmungen des Strafgesetzbuches"; Mezger, in: Gürtner, S. 340, qualifizierte die Vorschriften als ein „Musterbeispiel schlechter Gesetzestechnik", und Binding , Lehrbuch I I 2, S. 636, beurteilte die Behandlung der Begünstigung im RStGB als „voll der schwersten inneren Widersprüche". 4

So jedenfalls die optimistische Einschätzung der Neufassung des StrafVereitelungstatbestandes bei Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, S. 249. 5

Vgl. insoweit Schroeder, Anm. zu LG Hannover, NJW 1976, 980, der das Erfordernis des Erfolges und die daraus folgende Notwendigkeit des Nachweises der Ursächlichkeit für den Erfolgseintritt als die „Grundkalamität" der Neufassung bezeichnet. 6

BT-DS 7/750, S. 249.

14

Α. Einleitung

beibehaltenen Fassung des § 257 a. F. war die Strafvereitelung - nach nahezu einhelliger Auffassung - als unechtes Unternehmensdelikt ausgestaltet, zu deren Vollendung die Vereitelung bzw. ein Entziehen in Bezug auf die Bestrafung nicht erforderlich war, sondern die Vornahme einer darauf gerichteten - nach h. M. zudem objektiv geeigneten - Handlung ausreichte7. Die mit dieser Vorverlagerung der Vollendung eröffnete Weite der Strafbarkeit wurde wegen des Fehlens der Rücktrittsmöglichkeit als unbillig empfunden. Problematisch und bisher auch nicht abschließend geklärt ist jedoch die Frage, wie weit der Vollendungszeitpunkt durch die Neufassung hinausgeschoben wurde. 8 Seit der Reformierung wird insbesondere diskutiert, ob überhaupt und gegebenfalls unter welchen Voraussetzungen die bloße Verzögerung der „Bestrafung" als hinreichender Erfolg i.S. des § 258 Abs. 1 angesehen werden kann und was unter „Bestrafung" in diesem Zusammenhang zu verstehen ist. Diese Fragen sind - soweit ersichtlich - bislang monographisch noch nicht untersucht worden. Insbesondere finden sich auch in den zahlreichen Monographien zu der spezielleren Thematik der Strafvereitelung durch oder im Zusammenhang mit Strafverteidigung nur ganz vereinzelt Stellungnahmen zur Bestimmung des Erfolges, obwohl diese dafür entscheidend ist, welche Verhaltensweisen des Verteidigers als Strafvereitelung und damit zumindest als Erfolgsverursachung zu qualifizieren sind. Entsprechendes gilt auch für die recht ausführliche literarische Aufarbeitung der nach wie vor nicht abschließend geklärten Problematik der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme bei Strafvereitelung; auch hier ist die Bestimmung des Erfolges vorgreiflich für die Frage, ob der erfolgsverursachende Beitrag eine Bestrafung als Täter oder nur als Teilnehmer rechtfertigt. Dennoch wird dem Erfolg nicht die ihm notwendige Aufmerksamkeit geschenkt. Ziel der Untersuchung ist es nicht, Spezialprobleme einer befriedigenden Lösung zuzuführen. Vielmehr soll das grundlegende Problem der Erfolgsbestimmung aufgearbeitet und so gelöst werden, daß sich die an den „Erfolg" anknüpfenden Auslegungen des § 258 und die Grenzen seines Anwendungsbereichs daraus ableiten lassen. Der Umstand, daß Rspr. und h. M. die sog. „Strafvereitelung auf Zeit", also die Einbeziehung der lediglich verzögerten Bestrafung, als Vollendung anerkennen, obwohl jedenfalls der Wortlaut der Norm - insbesondere der Wortsinn des Merkmals „vereiteln" - dies auf den ersten Blick nicht zuläßt, führt zu einer Art Beweislastumkehr: Wer eine Auslegung abseits des Wortlauts vertritt, hat gute

7 8

Vgl. die Nachweise bei Binding , Lehrbuch II 2, S. 655.

Vgl. Stree, JuS 1976, 137, 140, für den die Verschiebung des Vollendungszeitpunktes die einschneidenste Änderung der Neufassung darstellt.

Α. Einleitung

und vor allem stichhaltige Gründe dafür aufzuweisen. Das erste Teilziel der Arbeit besteht daher in einer Bestandsaufnahme und kritischen Analyse der für diese extensive Auslegung angeführten Argumente. Im Anschluß daran wird die eigene Interpretation des tatbestandsmäßigen „Erfolges" in § 258 Abs. 1 entwickelt und an Hand einiger besonders prekärer Fallkonstellationen exemplifiziert. Die beabsichtigte Untersuchung läßt sich in vier Hauptteile gliedern. Im ersten Teil der Arbeit wird die historische Entwicklung des Strafvereitelungstatbestandes dargestellt und daraufhin durchmustert, ob und gegebenenfalls welche Versatzstücke früherer Tatbestände bzw. früherer Tatbestandsinterpretationen zur Auslegung der heute geltenden Fassung herangezogen werden können. In dem daran anschließenden zweiten Teil wird die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgenommene Interpretation des Erfolges einschließlich der zur Begründung dieser Auslegung angeführten Argumente auf ihre Stichhaltigkeit hin untersucht. Den Kern der Arbeit bildet der dritte Teil, in dem die vom Schrifttum angebotenen Erfolgsbestimmungen und die zum Teil sehr unterschiedlichen Begründungsansätze auf ihre Tragfähigkeit hin überprüft werden. Im vierten Teil der Arbeit wird das Fazit gezogen, die eigene Auslegung begründet und auf einige neuralgische Fallgruppen angewendet.

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung Im folgenden soll in einem kurzen Überblick die historische Entwicklung der StrafVereitelung bzw. der Begünstigung dargestellt werden. Bis zur Trennung von Begünstigung und Strafvereitelung durch die Neufassung vom 1.1.1975 wurde letztere als persönliche Begünstigung bezeichnet und der sachlichen weitgehend gleich behandelt, so daß die geschichtliche Entwicklung der Begünstigung im wesentlichen auch die der Strafvereitelung ist. Ein solcher Rückblick erscheint sinnvoll, da der Gesetzgeber bei der Neukonzipierung der Strafvereitelung 1974 im Grundsatz das geltende Recht, also die bislang in § 257 a. F. enthaltende Regelung über die persönliche Begünstigung, übernehmen wollte 9 . Diese Regelung ist seit dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund am 1.1.1871 nahezu unverändert beibehalten worden. Mit diesem Gesetz wurde die Vorschrift der (persönlichen) Begünstigung erstmals in den Besonderen Teil eines deutschen Strafgesetzbuches aufgenommen. Ob mit der Lozierung der Strafvereitelung im Besonderen Teil endgültig die Auffassung vom „auxilium post delictum" zugunsten der Erfassung als eigenständiges „delictum sui generis" aufgegeben wurde, erscheint zweifelhaft und wird auch bestritten 10. Denn nicht nur unmittelbar nach Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches wurde die Zurückverweisung der Strafvereitelung in den Allgemeinen Teil für sinnvoll erachtet, sondern auch noch in der Gegenwart 11. Daneben werden bei der Schutzgutbestimmung und der daraus abgeleiteten Erfolgsinterpretation bis heute Überlegungen angestellt, die sich stark an die Lehre von der „nachfolgenden Teilnahme" anlehnen. Daher soll zunächst die legislatorische Entwicklung der Strafvereitelung bis zu diesem „Wendepunkt" nachgezeichnet werden. Dabei ist in erster Linie zu

9

BT-DS 7/550, S. 248 ff.; gemeint ist damit wohl die Interpretation des § 257 a.F. durch die Rechtsprechung und Literatur. 10

Vgl. v. Bar, S. 749, der die Verselbständigung als theoretischen Versuch mit untauglichen Mitteln qualifizierte, der deshalb unbeachtet bleiben könne. 11

Vgl. Schroeder, Straftaten gegen das Strafrecht, S. 21 ff.; sowie Arzt, in: Arzt/Weber, L H 4, Rn. 354, 358, der die Strafvereitelung als „Pseudo-Teilnahme nach der Tat" bezeichnet und fur den die Rechtsfigur der Teilnahme nach der Tat mehr an „innerer Sachgerechtigkeit" aufweist als die Verselbstständigung der Begünstigungsvorschriften.

I. Die Entwicklung bis zum Erlaß des Reichsstrafgesetzbuchs

17

überprüfen, ob man den historischen Strafbestimmungen mit der heutigen Fassung des § 258 vergleichbare, d.h. auf die Bestrafung 12 bezogene, Erfolgsbeschreibungen entnehmen kann, die zur Interpretation des geänderten Tatbestandes herangezogen werden können. Diese Frage bildet den leitenden Gesichtspunkt für die folgende kursorische Untersuchung der Gesetzgebungsgeschichte. I . Die Entwicklung der Strafvereitelung bis zum Erlaß des Reichsstrafgesetzbuchs 1. Das römische Recht Eine allgemeine, dem heutigen Verständnis entsprechende Vorschrift über Strafvereitelung bzw. Begünstigung war dem älteren römischen Recht fremd 13 . a) Recht zur Zeit der Republik Während der republikanischen Zeit fand sich anfangs lediglich im Zwölftafelrecht (ca. 450 v. Chr.) eine auf die sachliche Begünstigung bezogene Vorschrift, wonach die Verhehlung der gestohlenen Sache im Einverständnis mit dem Diebe unter der Bezeichnung „furtum conceptum" dem Furtum als ein besonderes Eigentumsdelikt zur Seite gestellt war 14 . Derjenige, bei dem das Diebesgut mittels feierlicher Haussuchung gefunden wurde, mußte als Strafe den dreifachen Wert der Sache zahlen15. Eine auf Strafvereitelung bzw. persönliche Begünstigung bezogene Strafbestimmung findet sich erstmals im Jahre 568 im „Senatus consultum (Scum) de Bacchanalibus"16. Strafbar war hiernach, wer Teilnehmer an den (verbotenen) Bacchanalien (Bacchusfeiern) verborgen hielt oder ihnen zur

12

Der terminologischen Klarheit wegen sei darauf hingewiesen, daß mit Bestrafung i. S. des § 258 nur die Verhängung und die Vollstreckung der Strafe gemeint ist. 13

Gretener, S. 5; Mommsen, Römisches Strafrecht, S. 747 Nr. 7.

14

Vgl. v. Bar, S. 737; Gretener, S. 5; Mommsen, S. 747 Nr. 7; Köhler, GS 1902 (61), 45, 49; a. A. Mezger, ZStW 1940 (59), 549, 552, der in dieser Bestimmung nur eine verfahrensrechtliche Beweisregel sieht. 15

v. Bar, S. 737; Hälschner, System III, S. 554; Gretener, S. 5; Groothold, S. 10 ; Ebert, ZRG (GA) 1993 (110), 1,5. 16

Edixerunt deinde, ne quis quid fugae causa vendidisse neve emisse vellet; ne quis reciperet, celaret, ope ulla juvaret fugientes. Zitiert nach Gretener, S. 6; vgl. auch v. Bar, S. 737; Geyer, Handbuch II, S. 419. 2 Wappler

18

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

Flucht behilflich war. Andere Strafvorschriften gegen die Begünstigung zur Zeit der Republik sind nicht bekannt17. b) Recht in der Kaiserzeit Erst in der Kaiserzeit, nach der gänzlichen Umgestaltung des Gerichtswesens und nach weiterer Ausdehnung des inquisitorischen Verfahrens 18, bildete sich das Vergehen der „receptatores" bzw. „receptores" 19 als ein „crimen extraordinarium" aus 20 , dem sowohl in den Digesten als auch im Codex ein besonderer Titel gewidmet war 21 . Es umfaßte die persönliche und sachliche22 Begünstigung in ihren Hauptfällen, nämlich die Unterstützung des flüchtigen Verbrechers 23 durch Aufnehmen und Verhehlen desselben24 sowie die Sicherung der durch Diebstahl und verwandte Verbrechen (Raub, Tempelraub, Plagium 25 ) erlangten Sachen26. Ferner waren Begünstigungshandlungen der an der Strafrechtspflege beteiligten Personen mit der für den Begünstigten (Vortäter) vorgesehenen Strafe bedroht. Im einzelnen waren der Richter, der den Straftäter zu milde oder gar nicht bestrafte, sowie der einen Gefangenen entweichen lassende Gefängniswärter strafbar 27. Die Aufstellung dieser allgemeinen Strafvorschriften gegen die receptatores diente der Absicherung des polizeilich-inquisitorischen Verfahrens, dessen 17

V. Bar, S. 737; Rein, S. 348; Gretener, S. 6; Ebert, ZRG (GA) 1993 (110), S. 1, 6.

18

Rein, S. 349.

19

Für eine Gleichstellung der Begriffe vgl. Gretener, S. 9 ff.; Rein, S. 352; Ghan, S. 2; v. Bar, S. 737; Geib, S. 328; nach Birnbaum, AC (NF) 1842, 1, 45 ff., ist receptator, im Gegensatz zum receptor, der gewerbsmäßige, Geld erhaltende Hehler. 20

Köhler, GS 1902 (61), 45, 49; Rein, S. 349; Hälschner, System III, S. 554.

21

Dig. 47 Tit. 16; Cod. 9 Tit. 39; vgl. die Nachw. bei Gretener, S. 6, u. Dersch, S. 1 Iff. Nach D 47, 16 waren diejenigen strafbar: - die Verbrecher bei sich aufnahmen oder verbargen - die Räuber, die sie hätten ergreifen können, nach Erhalt von Geld oder Beuteteilen entweichen ließen. Nach C 9, 39 waren diejenigen strafbar: - die mit Übeltätern Verbindung hielten, um sie zu verbergen - die Räuber, die bei ihnen Zuflucht suchten, nicht an die Justizbehörden auslieferten. 22

Köhler (GS 1902 [61], 49) nennt die sachliche Begünstigung „Erfolgsbegünstigung".

23

Köhler, GS 1902 (61), 45, 49; v. Bar, S. 737.

24

Gretener, S. 6; Mommsen, S. 775; Geyer, Handbuch II, S. 420.

25

Rein, S. 349.

26

Geyer, Handbuch II, S. 420; Gretener, S. 6; Köhler, GS 1902 (61), 45, 49. . Ebert, ZRG (GA) 1993 (110), 1, .

I. Die Entwicklung bis zum Erlaß des Reichsstrafgesetzbuchs

19

Ausdehnung wiederum auf die inneren Wirren des Römischen Reichs und der damit einhergehenden Verbrechenszunahme zurückzufuhren war 28 . Ebenso wie für die Bestrafung überhaupt waren auch für die strenge Behandlung der „receptatores" neben rechtlichen Gründen kriminalpolitische Erwägungen - wie insbesondere Rechtssicherung und Abschreckung - ausschlaggebend29. Die Strafe für den persönlichen und sachlichen Begünstiger entsprach vielfach der Strafe der Begünstigten30. Im einzelnen war der „receptator" beim Diebstahl, beim Raub, beim Peculat (Angriff auf das Staatsvermögen) und beim Mord mit der Strafe des Haupttäters bedroht 31. Demgegenüber war für den receptator beim Abigeat 32 (Viehdiebstahl) und beim raptus 33 (Frauenraub) eine mildere Strafe vorgesehen als für den Haupttäter. Darüber hinaus kam Frauen und nahen Angehörigen des receptatus regelmäßig eine Strafmilderung zugute34. Die rückblickende Beurteilung der dogmatischen Einordnung der Begünstigung in der Kaiserzeit ist nicht einheitlich. Während ein Teil der Literatur 35 die Ansicht vertrat, daß die Begünstigung bereits zu jener Zeit als selbständiges Delikt aufgefaßt wurde, handelte es sich nach anderer Auffassung bei der receptatio um eine Art Teilnahme am Vordelikt 36 . 28

Gretener, S. 7; Mezger, ZStW 1940 (59), 549, 553.

29

Gretener, S. 8, zitiert als Beleg I. Paullus Sent V. 3.4: „Receptores aggressorum itemque latronum eadem poena afficiuntur, qua ipsi latrones: sublatis enim suspectoribus grassantium cupido conquiescit." 30

Receptores non minus delinquient quam aggressores (L. 3 § 3 D. 479, zitiert nach v. Bar, S. 737). 31

Vgl. Gretener, S. 8-11; Rein, S. 350; beide jeweils mit genauen Angaben.

32

Während der abigeus mit der Schwertstrafe bedroht war, drohte dem receptor abigei eine zehnjährige Verbannung, vgl. Gretener, S. 12 m.w.N. 33 Während den raptor Todesstrafe und Vermögenskonfiskation traf, drohte dessen Begünstiger „bloß" die poena capitalis, vgl. Nachweise bei Gretener, S. 12. 34

Gretener, S. 13; Rein, S. 353 m.w.N.

35

Binding, Lehrbuch II 2, S. 632 Fn. 3 und ihm folgend Ghan, S. 3, zeigen sich verwundert darüber, daß die bereits in den Digesten zum Ausdruck gebrachte Anschauung vom „crimen receptatorum" als einem durchaus selbständigen Delikt Jahrtausende brauchte, um sich Geltung zu verschaffen. Köhler, GS 1902 (61), 45, 49, geht ebenfalls davon aus, daß die Begünstigung von den Römern nicht als Teilnahme aufgefaßt wurde, da es andernfalls der Schaffung eines „crimen receptatorum" nicht bedurft hätte. Ferner verweist er auf die Zitate bei Mommsen (S. 99), die neben der Täterschaft auch Fälle der Teilnahme inkriminieren, wobei der Begünstiger jedoch nicht als Teilnehmer erwähnt wird. 36 Gretener, S. 12, hält die selbständige Behandlung der Begünstigung nicht für eine aus der Natur dieses Delikts abgeleitete Entscheidung, sondern für eine bloße „historische Zufälligkeit". Ihm zustimmend Stempel, S. 3, und Mundry, S. 3.

2=

20

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

Festzuhalten bleibt, daß sich das römische Recht - wenn auch nicht um die gänzliche Erfassung des Wesens der receptatio und eine technische Begriffsformulierung - so doch um die Erkenntnis einiger wesentlicher Aspekte der (künftigen) Begünstigungslehre verdient gemacht hat, nämlich: das Erfordernis eines dolus malus 37 , den Charakter der Begünstigung als Kommissivdelikt 38 und die Einsicht, daß sich ein Verwandtschaftsverhältnis zum Vortäter für den receptator schuld- und damit strafmildernd auswirkt 39 . Im canonischen Recht hat eine Fortbildung der im römischen Recht enthaltenen Ansätze nicht stattgefunden 40. c) Zwischenergebnis Eine abstrakte, dem jetzigen Verständnis entsprechende Erfolgsbestimmung der StrafVereitelung gibt es im römischen Recht nicht. Nur die pflichtwidrige Nichtbestrafung oder zu milde Bestrafung durch den Richter enthält eine auf die Verurteilung bezogene und damit dem heutigen Recht vergleichbare Erfolgsbeschreibung. Demgegenüber treffen die Vorschriften über die speziellen Strafvereitelungshandlungen wie Fluchthilfe oder Obdachgewährung keine Aussage darüber, ob ein über die Vornahme dieser Handlungen hinausgehender Erfolg - i. S. einer Verurteilungsverhinderung oder -Verzögerung - erforderlich ist. Gleiches gilt auch hinsichtlich der Vorschrift über das Entweichenlassen eines Gefangenen, denn hier wird ebenfalls kein über die Fluchtermöglichung hinausgehender Erfolg verlangt. Darüber hinaus erfolgte keine Differenzierung zwischen „StrafVerfolgungs-" und „Strafvollstreckungsvereitelung", da sowohl die Obdachgewährung als auch die Fluchthilfe gegenüber bereits Verurteilten vorgenommen werden konnte. Eine Besonderheit gegenüber späteren Regelungen liegt schließlich darin, daß als „Vortaten" des Begünstigten nahezu ausschließlich Vermögensdelikte in Betracht kamen.

37

Dig. 47, 9, 3 § 3; Dig. 29, 5, 3 § 12 zitiert nach Mundry, S. 3; vgl. auch Gretener, S. 12 mit Quellenangaben. 38

Dig. 47, 2, 48 § 1, zit. nach Mundry, S. 3. Bezeichnend hierfür die Unterscheidung zwischen celare und non indicare in Dig.; vgl. auch Gretener, S. 12. 39

Dig. 47, 16, 2, zit. nach Mundry, S. 3; vgl. Gretener, S. 13.

40

Mundry, S. 3; Gretener, S. 22; Stempel, S. 3; Geib, S. 330.

I. Die Entwicklung bis zum Erlaß des Reichsstrafgesetzbuchs

21

2. Das deutsche Recht bis zum späten Mittelalter Dem germanischen Recht fehlte wie dem römischen Recht ein allgemeiner Begriff und eine technische Bezeichnung der Begünstigung41, obwohl sich auch einige Bestimmungen auf dieses Delikt, und zwar überwiegend auf die Verhaltensweisen der persönlichen Begünstigung, bezogen42. Als typische Erscheinungsform derselben galt das Aufnehmen und Verbergen der Verbrecher, das sog. „Hausen und Hofen". a) Zeit der Volksrechte Im altgermanischen Recht bestand unter bestimmten Voraussetzungen eine allgemeine Verpflichtung, zur Unterstützung der Strafrechtspflege tätig zu werden 43 , da dem damaligen Staat nur in geringem Umfang Mittel zur Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens zur Verfugung standen. Aufgrund dieser gegenüber der Rechtsgemeinschaft bestehenden - Verpflichtung wurde das der Verbrechensverfolgung entgegenstehende Schützen und Hegen der Täter als schwere „Missethat", als Auflehnung gegen das Gemeinwesen behandelt44. Die Verbrechensverfolgung ihrerseits fand in erster Linie im Interesse des verletzten Privaten statt, so daß durch die Begünstigung des Täters auch die Rechte des Verletzten beeinträchtigt wurden 45. Diese Beeinträchtigung der Rechte des Vortatverletzten sowie die mit der Begünstigung regelmäßig einhergehende Heimlichkeit machten zu einem nicht unerheblichen Teil in der altgermanischen Zeit die Strafwürdigkeit der Begünstigung aus. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß neben der eigenmächtigen Freilassung eines „fremden" 46 Diebes auch die Befreiung des „eigenen" Diebes strafbar war 47 . Dieser Umstand sowie die soeben geschilderte Bewertung der Begünstigung als Auflehnung gegen die Gemeinschaft lassen den Schluß zu, daß nicht nur die Interessen des durch die Vortat Geschädigten, sondern auch die Sicherheit des Gemeinwesens durch die Strafdrohung gegen den 41

Gretener, S. 13 f.; Rose, S. 3.

42

Vgl. Gretener, S. 14, und Wilda, S. 635-637.

43

Jeder Freie mußte u. U. den Täter verfolgen und ergreifen und gegebenenfalls bei der Vollziehung eines Urteils oder erlaubter Selbsthilfe mitwirken; vgl. dazu Wilda, S. 139, 635. 44

v. Bar, S. 737; Mezger, ZStW 1940 (59), 549, 550; Ebert, ZRG (GA) 1993 (110), 8.

45

Gretener, S. 15; Geib, S. 331.

46

„Fremd" war der Dieb, wenn der Begünstiger nicht der durch die Vortat Geschädigte

war. 47

Nachweise bei Gretener, S. 16.

22

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

Begünstiger geschützt werden sollten48. Für eine solche - über die Wahrung von Individualinteressen hinausgehende - Schutzrichtung der Begünstigung spricht auch die Strafbarkeit der Begünstigung eines bereits verurteilten Vortäters. Denn neben der Unterstützung eines Friedlosen war auch die vorzeitige Abnahme eines Gehenkten, selbst wenn dieser bereits tot war, mit Strafe bedroht 49. Hierin wurde ebenfalls ein Vergehen gegen die Rechtsordnung gesehen, da durch die vorzeitige Abnahme des Gehenkten die öffentliche Zurschaustellung des Verbrechers und damit der letzte Akt des Strafvollzuges zunichte gemacht wurde 50 . Zwar kam es bereits zu dieser Zeit (Zeit der Volksrechte) vor, daß die Begünstigung mit der gleichen Strafe wie die Haupttat bedroht wurde 51 , vorherrschend waren jedoch besondere Strafen (z.B. Buße, Königsbann). Diese für den Begünstiger vorgesehenen Sonderstrafen könnten als Indiz dafür zu werten sein, daß zu jener Zeit die Begünstigung als eigenständiges Vergehen angesehen und erst später - mit zunehmender Angleichung der Strafen - als eine Art Teilnahme aufgefaßt wurde 52. Jedoch deuten die kasuistische Behandlung und die zumindest teilweise vorgesehene Gleichstellung des Begünstigers mit dem Vortäter darauf hin, daß die Begünstigung als eine Art Teilnahme an der Vortat verstanden wurde 53 . Für den Beteiligungscharakter der Begünstigung spricht auch die den germanischen Quellen zugrundeliegende Idee, daß der für den Vortäter eintretende Begünstiger sich dessen Tat dadurch zu eigen macht und damit die Tat und deren Folgen gegenüber der Gemeinschaft auf sich nimmt 54 . Letztgenannter Umstand sowie die Bewertung als Auflehnung gegen das Gemeinwesen sprechen dafür, daß eine Art von Solidarisierung das Wesen der Begünstigung prägte, wobei es damals jedoch eine Solidarisierung mit dem Unrecht der Vortat und nicht eine Solidarisierung mit dem Vortäter selbst war, die die Strafwürdigkeit der Begünstigung ausmachte. Festzuhalten ist weiterhin, daß

48

Im Ergebnis auch Wilda, S. 635, der die Begünstigung als Rechtskränkung des Vortatopfers und als Bruch der öffentlichen Ordnung bezeichnet. 49

Nachweise bei Wilda, S. 501, 637, und His, S. 160.

50

Eine Beeinträchtigung des Vortatverletzten wurde hierin nicht gesehen, da diesem bereits durch die Hinrichtung „Genugthuung" wiederfahren war; so Wilda, S. 501 f. 51

Nach ribuarischem Recht wurde dem Diebe gleichgeachtet, wer diesen bei sich aufnahm oder ihm Nahrung bot. Vgl. Nachweise bei Gretener, S. 15, und v. Bar, S. 738. 52

Vgl. Stempel, S. 3.

53

Vgl. Rose, S. 3; Mundry, S. 4; i. E. auch Stempel, S. 3, der im Anschluß an Gretener die dem germanischen Recht eigentümliche konkrete Anschauungsweise für ein solches Teilnahmeverständnis verantwortlich macht. .d

Ebert, ZRG (GA) 1993 (110), 1,

f.

I. Die Entwicklung bis zum Erlaß des Reichsstrafgesetzbuchs

23

die Strafwürdigkeit der zu dieser Zeit aufkommenden Obdachgewährung darauf zurückgeführt werden kann, daß damals - im Gegensatz zum heutigen Recht eine allgemeine Verpflichtung bestand, an der Strafverfolgung mitzuwirken. b) Recht im (späteren) Mittelalter Im (späteren) Mittelalter verschwanden die Sonderstrafen (Königsbann und besondere Bußen) des altgermanischen Rechts, und es erfolgte überwiegend eine Gleichstellung des Begünstigers mit dem Begünstigten55, was wiederum als Ausdruck für die hohe Strafwürdigkeit der Begünstigung zu dieser Zeit gewertet werden kann 56 . Auf dieser Grundlage erklären sich auch die damals gängigen Rechtssprichwörter: „Der Hehler ist so gut wie der Stehler, denn wenn nicht wäre der Hehler, so wäre auch nicht der Stehler." Im Gegensatz zu den Quellen des germanischen Rechts, die nur bestimmte Begünstigungshandlungen wie das Speisen und Tränken, Hausen und Hofen bei Strafe verboten hatten, lassen sich im mittelalterlichen Recht Abstraktionstendenzen feststellen. Mit Ausgang des 12. Jahrhunderts sind, zumindest für die persönliche Begünstigung, erstmals allgemein gefaßte Bestimmungen zu verzeichnen. Sie finden sich vor allem in den Landfrieden und sind regelmäßig mit näher bezeichneten Begünstigungshandlungen verbunden 57. So heißt es z. B. in dem mittelrheinischen Landfrieden Ludwigs des Baiern von 1344: „... husen, hofen, noch dhein hilf tun." 58 Gleichbedeutend mit „hilf tun" erschienen dann im 15. Jahrhundert die Formulierungen „fürschieben", „fürschub tun" 59 . Im Freiburger Reichsabschied von 1498 findet man die an „begünstigen" anklingende Wendung „Vergünstigung" 60 . Der Begriff „Begünstigung" taucht erstmals in der Mitte des 16. Jahrhunderts auf, wenn auch noch nicht in strafrechtlichem Zusammenhang61.

55

Hälscher, System III, S. 555; Geib, S. 336-338. Vgl. zu den Abweichungen von dieser Gleichstellung Mundry, S. 4; v. Hippel, Dt. Strafrecht I, S. 150 Fn 11; His, S. 157; jeweils m.w.N. 56

Vgl. Gretener, S. 17.

57

Vgl. v. Hippel, Dt. Strafrecht I, S. 150; His, S. 153.

58

Zitiert nach His, S. 153.

59

Nach dem Frankfurter Reichslandfrieden von 1468 war es verboten, den Friedlosen zu „hausen, hofen, etzen, trenken, enthalten oder ihm furschube zu thun". Zitiert nach His, S. 153. 60 „Dass ... keiner der anderen beschedigern ... kein under- oder durchschleif, fürschub noch anderer Vergünstigung geben soll." Zitiert nach His, S. 154. 61

Vgl. Angaben bei His, S. 154.

24

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

Nach den Quellen des Mittelalters war übereinstimmend nur die wissentliche Unterstützung des Missetäters strafbar, wobei sich das Wissen sowohl auf die Verbrechensbegehung als auch auf den deliktischen Erwerb (meist Raub und Diebstahl) der gesicherten Sachen beziehen mußte62. Eine gewisse Fortentwicklung gegenüber dem älteren Recht bestand darin, daß zwischen der Begünstigung eines bereits verurteilten, also verfesten oder geächteten Verbrechers, und der eines noch nicht verurteilten Täters unterschieden wurde. Letztere wurde nur von wenigen Landfrieden für grundsätzlich strafbar erachtet und mit der Strafe des Begünstigten bedroht 63. Im übrigen war die Unterstützung eines noch nicht verurteilten Verbrechers nur bei bestimmten Vortaten strafbar 64. Dagegen war die Unterstützung eines bereits Verurteilten grundsätzlich bei Strafe verboten 65 ; Unterschiede wurden zum Teil jedoch im Bereich der zu verhängenden Strafen gemacht. Das Twenter Landrecht von 1365 unterschied zwei Stufen der Begünstigung: Wer den Friedlosen hauste und hofte, mußte Geldbrüche zahlen, wer ihn jedoch verteidigte, „de wer gelik freedelos den anderen" 66. Der Schwabenspiegel bewertete sogar das Hausen und Hofen unterschiedlich, indem er die Gewährung von Unterkunft für eine Nacht erlaubte, eine darüber hinausgehende „Gastfreundschaft" jedoch verbot 67. Demgegenüber differenzierte das Brünner Schöffenbuch nicht nach der Art der Unterstützung, sondern nach der Bewertung des Verbrechens des Begünstigten als „ehrliche" oder „unehrliche Sache"68, wobei den Begünstiger bei „ehrlichen Sachen" eine Geldstrafe, bei „unehrlichen" hingegen die Todesstrafe traf. Darüber hinaus existierten auch zu dieser Zeit bereits einzelne Begünstigungsformen mit dem Charakter von Amtsdelikten: Die Rechtsverweigerung des Richters und das unbefugte Entweichenlassen eines Gefangenen durch den amtlich bestellten Hüter waren strafbar 69. Hervorzuheben ist ferner, daß im Schwabenspiegel eine Strafmilderung für den Fall vorgesehen war, daß derjenige, der einen Gefangenen befreit hatte, diesen 62

Vgl. v. Hippel, S. 150; Gretener, S. 21.

63

Vgl. His, S. 160; Osenbrügge, S. 175 f.; Loening, ZStW 1885 (5), 534, 549.

64

His, S. 161, nennt als entsprechende Vortaten: Totschlag, Raub, Diebstahl, Brandstiftung, Falschmünzerei und Ketzerei (jeweils mit genauen Angaben). 65

Der Begünstiger verstieß damit gegen ein bei der Verfestung oder Ächtung ausgesprochenes Verbot; vgl. dazu His, S. 155 66

Zitiert nach His, S. 158.

67

Vgl. Gretener, S. 19; His, S. 159; Osenbrügge, S. 177; jeweils mit weiteren Quellenangaben. 68

Vgl. His, S. 158. Hierbei handelte es sich um eine Unterscheidung zwischen leichteren und schwereren Straftaten; vgl. His, S. 58 ff. 69

Nachweise bei His, S. 164 und Ebert, ZRG (GA) 1993 (110), 1, 10 ff.

I. Die Entwicklung bis zum Erlaß des Reichsstrafgesetzbuchs

25

binnen dreier Wochen dem Gericht auslieferte. Statt der durch die Befreiung verwirkten Strafe, die der des Begünstigten entsprach, kam der „tätige Reue" Übende mit Geldbrüchen davon. Der Umstand, daß die damaligen Quellen das Speisen und Tränken des Verbrechers besonders hervorhoben, ist m.E. darauf zurückzufuhren, daß die Verbrecher zu dieser Zeit in erheblichem Umfang Asylschutz genossen. Kirchen, Klöster, Wirtshäuser, teilweise sogar ganze Dörfer und Städte galten als Freistätten, wobei der Schutz vor Strafvollstreckung und Strafverfolgung allerdings zeitlich begrenzt war (drei Tage bis zu einem Jahr). Dieser Asylschutz wurde jedoch dahingehend eingeschränkt, daß der Täter sich selbst beköstigen mußte, wodurch der zeitliche Rahmen des Asylrechts de facto eng begrenzt war 70 . Über die dogmatische Einordnung der Begünstigung zu dieser Zeit besteht weitgehend Einigkeit. Die fast ausnahmslose Gleichstellung des Begünstigers mit dem Begünstigten im Hinblick auf die zu verhängenden Strafen spricht dafür, daß auch die Unterstützung nach der Tat als eine Beteiligung am vorherigen Verbrechen aufgefaßt wurde 71 . c) Zwischenergebnis Auch im germanischen Recht findet sich keine dem heutigen Verständnis entsprechende Erfolgsbestimmung. Die zunächst sehr speziell gefaßten Begünstigungsvorschriften normieren als Erfolg lediglich den unmittelbar mit der konkreten Handlung verbundenen Zustand, wie z.B. die dem Verbrecher gewährte Unterkunft oder die erfolgte Verpflegung. Eine wie auch immer geartete Auswirkung auf dessen Verurteilung oder auf die Strafvollstreckung wurde nicht gefordert. Jedoch kann aus dem Umstand, daß für den Fall der „Tätigen Reue" eine auf drei Wochen begrenzte Frist vorgesehen war, geschlossen werden, daß dem Zeitmoment bereits damals eine gewisse Bedeutung zukam. In den späteren, allgemeiner gehaltenen Bestimmungen wurde ebenfalls keine mit dem heutigen Recht vergleichbare Erfolgsbeschreibung vorgenommen, da die

70 71

\gl

His, S. 405 ff.

Mundry, S. 5; Gretener, S. 22; Stempel, S. 3; Rose, S. 3; Groothold, S. 11; Heimberger, S. 251 ff., Köhler, GS 1902 (61), 44, 50; i. E. auch His, S. 156 f., der lediglich für die Quellengruppe, die für die Begünstigung besondere Strafen festsetzte, davon ausgeht, daß in diesen Fällen die Begünstigung als besonderes gegen das Gemeinwesen gerichtetes Verbrechen aufgefaßt wurde.

26

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

mit „ h i l f oder „fürschub tun" beschriebenen Tathandlungen keine Aussage hinsichtlich einer Verurteilungsbeeinträchtigung i. S. einer Verzögerung oder Verhinderung treffen. Vielmehr sind diese Bestimmungen mit § 257 n. F. vergleichbar, der nach einhelliger Auffassung kein Erfolgsdelikt ist. Eine mit der geänderten Fassung des § 258 vergleichbare Erfolgsbeschreibung findet sich auch hier nur im Bereich des entsprechenden Amtsdeliktes, und zwar in der mit Strafe bedrohten NichtVerurteilung eines Schuldigen durch den Richter 72 . 3. Das Recht zur Zeit der italienischen Praktiker Erst in den Schriften der italienischen Praktiker fand eine umfassende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Wesen der Begünstigung statt, und die dort vorgenommene Qualifizierung als subséquente Teilnahme prägte über Jahrhunderte die Rechtswissenschaft. Als gemeinsames Merkmal der persönlichen und sachlichen Begünstigungshandlungen wurde die Unterstützung des Verbrechers nach Tatbegehung herausgearbeitet. Da auch die Beihilfehandlungen einen solchen Unterstützungscharakter aufwiesen und weil bereits im römischen Recht der Receptator dem Vortäter gleichgestellt wurde, folgerten die italienischen Praktiker, daß es sich bei der Begünstigung um eine Form der Teilnahme handeln müsse73. Nachdem ursprünglich Begünstigung und Beihilfe als „echte" Teilnahme an der Haupttat (opem ferre) aufgefaßt wurden, berücksichtigte man später, daß es sich bei der der Haupttat nachfolgenden - Begünstigung nicht um ein „delicto causam dans" handelt74. Man unterschied daher im Anschluß an Julius Clarus 75 die nachfolgende Unterstützung des Begünstigers von der eigentlichen Teilnahme, dem „auxilium ante delictum" und dem „auxilium in delicto", subordinierte aber sämtliche Begünstigungs- und auch Hehlereihandlungen dem Begriff der nachfolgenden Teilnahme, dem „auxilium post delictum (subsequens)"76.

72

Die betreffende Stelle im Sachsenspiegel lautet: „Welch richter ungerichte nicht en richtet, der iz des seibin gerichtes wirdig, daz obir ienen solde gen, der ez getan hat." Zitiert nach Ebert, ZRG (GA) 1993 (110), 1, 12 m. w. N. 73

Vgl. Gretener, S. 27 f.; Heimberger,

S. 6 ff.

74

Vgl. Mundry, S. 5, und die Quellenangaben bei Geib, S. 338 f., und Mezger, ZStW 1940 (59), 459, 554. 75

Praesuppono quod tripliciter potest praestari auxilium delinquenti: Primo ante delictum, secundo in delicto, tertio post delictum consumantum. In: sententiarum receptarum liber quintus sive practica criminalis, Frankfurt a. M. 1636, S. 870, zit. nach Mundry, S. 5. 76

Mundry, S. 5; Stempel, S. 3; Binding, Lehrbuch I I 2, S. 631.

I. Die Entwicklung bis zum Erlaß des Reichsstrafgesetzbuchs

27

Man differenzierte zwischen zwei Formen nachfolgender Beihilfe: der Sicherung des Verbrechers selbst (auxilium ad evadendum) und der Sicherung der Vorteile 77 . Als typische Verhaltensweisen der persönlichen Begünstigung galt das Weisen des Weges (viam monstrare), das Leihen eines Pferdes (accomodare equum), das Aufhalten und Behindern der Verfolger (obviam se facere et impedire) sowie das Beseitigen von Tatspuren (insbesondere: sepelire cadaverem occisi) 78 . Eine Auswirkung auf die Verurteilung oder die Vollstreckung der Strafe i. S. einer Verzögerung oder Verhinderung derselben wurde also nicht verlangt. Dem Begünstiger, als subsequenten Teilnehmer, drohte eine mildere Strafe als dem Täter, sofern die Unterstützung nicht vor Tatbegehung zugesagt worden war 79 . Zwar läßt sich die von den Praktikern aufgebrachte Trennung zwischen vorhergehender und nachfolgender Teilnahme als Fortschritt werten. Es ist jedoch nicht zu leugnen, daß diese Trennung, die Jahrhunderte lang die deutsche Doktrin und Gesetzgebung prägte, der Qualifizierung der Begünstigung als selbständiges Delikt im Wege gestanden hat 80 . 4. Die peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (Constitutio criminalis Carolina) In der peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532 wurde die Begünstigung, abgesehen von der in Art. 216 geregelten Begünstigung nach Beleidigungen, nicht unter den einzelnen Verbrechen aufgeführt, so daß sich vermuten läßt, daß sie (die Begünstigung) zumindest nicht als selbständiges Delikt aufgefaßt wurde 81 . Inwieweit sie von der Carolina als subséquente Teilnahme angesehen wurde, hängt davon ab, ob die einschlägigen Vorschriften (Art. 40, Art. 177) 82

77

Ghan, S. 5 f.

78

Ebert, ZRG (GA) 1993 (110), 1, 16

79

Geib, S. 339; Köhler, GS 1902 (61), 50; Mezger, ZStW 1940 (59), 549, 554.

80

Vgl. Binding, Lehrbuch II 2, S. 631; Rose, S. 4.

81

Vgl. Stempel, S. 4.

82

Art. 40: Von genügsamen verdacht der jhenen so raubern oder dieben helffen. Item so eyner wissentlich vnd geuerlicher weiß von geraubtem oder gestolnem gut, beut oder theyl nimbt, oder so eyner die thetter wissentlich und geuerlicher weiß etzt oder drenckt, auch die thetter oder obgemelt vnrecht gut gar oder zum theyl wissentlich annimpt, heymlich verbirgt, beherbergt, verkaufft oder vertreibt, oder so jemant den thettern, sunst in andere dergleichen weg, geuerlich furderung, radt oder beistand thut, oder inn jren thatten vnzimlich gemeynschafft mit j n hette, ist auch ein anzeygung peinlich zufragen ...

28

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

überhaupt eine Strafbarkeit der Begünstigung vorsahen. Die Interpretation dieser Bestimmungen war umstritten. So wurde die Ansicht vertreten, es lasse sich weder aus der prozessualen Norm des Art. 40, wonach derjenige peinlich zu fragen war, der den Tätern „... etzt oder drenckt... fürderung, radt oder beistand thut...", noch aus der materiellen Vorschrift des Art. 177, die denjenigen mit peinlicher Strafe drohte, der einem „... mißthätter zu Übung eyner mißthatt,... hilf, beistand oder fürderung ... thut...", auf die Strafbarkeit der Begünstigung schließen83. Als Begründung für die Straflosigkeit der Begünstigung wurde angeführt, daß die der Tat nachfolgende Unterstützung nicht mehr zur Übung einer Missetat Beistand leisten könne und folglich nicht von Art. 177, der nur die „wirkliche Teilnahme" an dem noch in Übung begriffenen Verbrechen meine, erfaßt sei84. Auch aus Art. 40 lasse sich nicht auf die Strafbarkeit der Begünstigung schließen, da diese prozessuale Norm bestimmte begünstigende Handlungen lediglich für hinreichend erkläre, um die peinliche Frage zu stellen, jedoch keine Aussagen über die Strafbarkeit solcher Handlungen treffe, sondern diese vielmehr als nicht ausreichend für eine Strafdrohung bewerte 85. Demgegenüber vertrat die wohl h. M . 8 6 die Auffassung, daß sich der Carolina durchaus die Strafbarkeit der Begünstigung als nachfolgende Teilnahme entnehmen ließ. Begründet wurde diese Ansicht u.a. damit, daß Schwarzenberg - als Verfasser der CCC - nicht von dem durch die italienischen Praktiker geprägten Verständnis der Begünstigung, als nachfolgende Teilnahme, habe abweichen wollen, da deren Schriften und Lehren zu dieser Zeit erhebliches Ansehen genossen87. Als Indiz für den Einfluß der italienischen Lehre läßt sich die Anordnung in Art. 177 für den Fall der Beihilfe werten, es sei „inn eynem fall änderst dann inn dem andern" zu strafen, da hierdurch deutlich an die überkommene abgestufte Teilnahmelehre vom auxilium ante cedens, concomitans und subsequens, mit ihrer

Art. 177: Von straff oder fürderung, hilff vnd beistand der mißthätter. Item so jemand eynem mißthätter zu Übung eyner mißthatt, wissentlicher vnd geuerlicher weiß einicherley hilff, beistandt oder fürderung, wie das alles namen hat, thut, ist peinlich zu straffen, als aber vorsteht, inn eynem fall anders dann inn dem andern, darumb sollen inn disen feilen, die vrtheyler mit berichtigung der Verhandlung, auch wie solchs an leib oder leben soll gestrafft werden, als obsteht radts pflegen. 83

Sander, AC (NF) 1838, 431, 435 ff.; Geib, S. 340.

84

Sander, AC (NF) 1838, 431, 436.

85

Sander, AC (NF) 1838, 431, 437.

86

Binding, Lehrbuch II 2, S. 632; Mezger, ZStW 1940 (59), 549, 556; Gretener, S. 37; Rose, S. 4; Köhler, GS 1902 (61), 44, 50; Ghan, S. 7; Stempel, S. 4; v.Bar, S. 739; Heimberger, S. 251 ff. 87

Gretener, S. 30; Mundry, S. 6; Ghan, S. 7.

I. Die Entwicklung bis zum Erlaß des Reichsstrafgesetzbuchs

29

milderen Strafdrohung nur für letztere, angeknüpft wird 88 . Darüber hinaus wurde bereits in der Wormser Reformation von 1498 die Hilfe nach der Tat erwähnt 89, und auch in der auf diese Schrift zurückzuführenden Bambergensis von 1507, die ihrerseits als direkter Vorläufer der Carolina gilt, fand sich mit Art. 203 eine Vorschrift, die sich auf die Begünstigung bezog90. Weiterhin wird angeführt, daß in der Carolina häufig der Begriff „volnbringung eyner mißthatt", der seinerseits nur die Hervorbringung und Vollendung eines Verbrechens umfaßte, verwendet wurde und man in Art. 177 nicht den Begriff „Übung eyner mißthatt" benutzt hätte, wenn diesem Begriff die gleiche Bedeutung zukäme91. Zudem verstanden auch die Kommentatoren der C.C.C. unter der „ h i l f f des Art. 177 übereinstimmend die Hilfe vor, bei und nach der Tat. 92 Zwar ist Sander zuzugeben, daß Art. 40 die dort beschriebenen Begünstigungshandlungen nicht mit Strafe bedroht, was angesichts der Stellung der Norm im prozessualen Teil der Carolina auch nicht weiter verwundert, es ist jedoch unschlüssig, daraus zu folgern, daß Art. 40 für die dort bezeichneten Handlungen eine Strafe ausschließt; denn ebensowenig wie eine Strafbarkeit angeordnet wird, wird sie ausgeschlossen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, daß die Handlungsweisen der Begünstigung in Art. 40 ebenso wie die mit Strafe bedrohten Verhaltensweisen in Art. 177 mit den umfassenden Begriffen „fürderung oder beistandt thut" umschrieben sind, so daß davon auszugehen ist, daß auch die nach Tatbegehung geleistete Unterstützung von Art. 177 als stafbares Verhalten erfaßt und die von den italienischen Praktikern entwickelte Lehre von der subsequenten Teilnahme beibehalten wurde 93 . Eine Erfolgsbestimmung i. S. der heutigen Strafvereitelungsinterpretation läßt sich der Carolina nicht entnehmen. 5. Weitere Entwicklung bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts Die der Carolina bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts nachfolgenden Partikulargesetze94 schließen sich bis auf wenige Ausnahmen95 ebenso wie die meisten 88

Vgl. Dersch, S. 52.

89

Ausfuhrlich dazu mit genaueren Angaben Gretener, S. 30 f.

90

Vgl. Stempel, S. 4, Gretener, S. 31, und Heimberger,

91

Vgl. Süßheim, S. 15.

92

Nähere Angaben bei Heimberger,

93

Vgl. Gretener, S. 34.

94

S. 44 f., 251 f.

S. 113 ff.

Zum Beispiel die Frankfurter Reformation von 1578 (X, 1, 19), das Hamburger Stadtrecht von 1603 (Art. 34), das bayerische Landrecht von 1616 (VI, 5, 11), die Halsgerichtsordnung Josephs I. für Böhmen, Mären und Schlesien von 1703 (Art. 19 § 37), der

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

30

Juristen 96 dieser Zeit der von den Italienern entwickelten Lehre von den auxilatores an und begreifen die Begünstigung als subséquente und, im Verhältnis zur Haupttat und zur vorgeleisteten Beihilfe, als entsprechend oder milder zu bestrafende Teilnahme. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde sowohl von Seiten der Wissenschaft als auch von Seiten der Gesetzgebung der Versuch unternommen, sich bei der dogmatischen Einordnung der Begünstigung von der überkommenen Lehre zu lösen. Hervorzuheben ist die Constitutio Criminalis Theresiana von 1768. Sie behält zwar noch die gewohnte Differenzierung zwischen Hilfe vor, während und nach der Tat bei, stellt jedoch in Art. 3 § 12 97 ausdrücklich klar, daß die nachfolgende Unterstützung nicht mehr als Mitwirkung zur vorherigen Tat angesehen werden könne, sondern eine „besondere missethat" darstelle. Darüber hinaus enthielt die Theresiana mit Art. 102 § l 9 8 noch eine besondere Strafvorschrift gegen die „gefährliche Verheelere und Aufenthaltgeber lasterhafter und verdächtiger Leute" und in Art. 71 § 4 eine Vorschrift über die Gefangenenbefreiung durch Gefängniswärter 99 . Bemerkenswert ist auch die in Art. 102 § 3 enthaltende kriminalpolitische Begründung für die Strafwürdigkeit der Begünstigung: „... Und zumalen ausser Zweifel ist, daß das Diebs-, Rauber- und anderes lasterhaftes Gesindel, und Codex Juris Bavarici Criminalis von 1751 (XII § 8). Vgl. dazu Stempel, S. 4, und Geib, S. 340 ff. 95

Zum Beispiel die Landgerichtsordnung des Erzherzogtums Österreich ob der Enns von 1559 (Bl. 12), die für den Begünstiger eine selbstständige Geldstrafe festlegt. Vgl. Heimberger, S. 255, Mundry, S. 7, und Plümer, S. 20. 96

Vgl. dazu Stempel, S. 4; Rose, S. 4; Gretener, S. 38 ff.

97

„... im dritten fall, wenn yemand nach vollbrachter Missethat wissentlich und gefährlicher Weise dem thetter Hülff und Beystand beförderlich wäre und wie immer erst nachfolglich daran Theil nähme, kann derselbe zwar als ein Mitwirker zu der schon vorher geschehenen That nicht angesehen werden, er macht sich jedoch besonderen Missethat schuldig ..."; eine vergleichbare Regelung enthielt § 8 des Josephinischen Strafgesetzbuches von 1787, vgl. dazu Heimberger, S. 279. 98 „... die Helffere der Missethettern sind jene, welche zur Missethat beywirken; durch die Heelere und Unterschleifgebere werden hier eigentlich diejenigen verstanden, die zur Bewerkstelligung der Übelthat selbst keine Beyhülff leisten, sondern lasterhafte und verdächtige Leute mit oder ohne habende Wissenschaft ihre entweder schon verübt oder verüben wollende Übelthat bey sich aufhalten, beherbergen und Understand geben oder den selben, damit sie nicht zu gefänglichen Haft gebracht werden mögen, fürsetzlich durchhelffen; oder auch wissentlich und gefährlicher Weise ermordete Körper heimlich verthun, verbergen, vergraben ..."; zitiert nach Heimberger, S. 278. 9

Ebert, ZRG (GA) 1993 (110), 1, 1 .

I. Die Entwicklung bis zum Erlaß des Reichsstrafgesetzbuchs

31

Bösewichte ihre Unthaten desto freyer, und kecker unternehmen, und vollbringen, wenn sie heimliche Schlupfwinkel finden, wo ihnen Herberg und Unterstand verstattet wird, und wo sie sodann von der gerechten Verfolgung versteckt, und sicher bleiben, ihre geraubte Sachen ruhig vertheilen, oder verbergen, sofort von dortaus zu neuen Unthaten desto füglicher wider auslauffen mögen, so erheischet die allgemeine Sicherheit, daß gegen die gefährliche Verheelere, und Aufhaltgebere lasterhafter und verdächtiger Leute ebenfalls Landgerichtlich mit aller Schärffe verfahren werde ..." 10 °. Dieser Gedanke findet sich nicht nur in den römischen Quellen und deren Rezeption, sondern auch in der neueren Schutzzweckbestimmung der StrafVereitelung, und läuft auf eine Art Teilnahmecharakter - und zwar Teilnahme an künftigen und nicht bereits begangenen Taten - hinaus. Einhergehend mit der legislatorischen Verselbständigung der nachfolgenden Unterstützung faßte auch in der Strafrechtsdoktrin die Auffassung von der Selbständigkeit der Begünstigung Fuß. 101 Insbesondere in den Schriften von Boehmer, Kreß, Engau und Eisenhart 102 wurde unter dem Einfluß der Naturrechtslehre 103 herausgearbeitet, daß es bei der Begünstigung an dem der Teilnahmelehre zugrundeliegenden Kausalitätsverhältnis fehle und die der Tat nachfolgende Unterstützung daher nicht mehr als „eigentliche" Teilnahme zu werten sei. Weitgehend unbeeinflußt von diesen Verselbständigungstendenzen hinsichtlich der nachträglichen Unterstützung trat 1794 das Allgemeine Landrecht fur die Preußischen Staaten in Kraft, das die Begünstigung zumindest teilweise bei den allgemeinen Vorschriften (Titel 20 Theil II §§ 83-84) 104 unter der Überschrift

100

Zitiert nach Ebert, ZRG (GA) 1993 (110), 1, 34.

101

Ebert (ZRG [GA] 1993 [110], 1, 25) hält die zu dieser Zeit aufkommende Auffassung von der Selbständigkeit der Begünstigung nicht für zukunftweisendes, sondern für traditionsgebundenes Denken, da lediglich dem römischrechtlichen Vorbild vom crimen extraordinarium gefolgt werde. 102

Vgl. die Quellenangaben bei Mundry, S. 7; vgl. bei Gretener, sprechenden Textstellen; ausführlich dazu auch Dersch, S. 98 ff.

S. 38 f f , die ent-

103

Bereits Pufendorf (Buch 1 Kap. 5 § 14) unterschied die an einem Verbrechen Beteiligten nach dem Grade ihrer kausalen Bedeutung für den Verbrechenserfolg, er äußerte sich jedoch nicht zu der Behandlung der als nicht kausal erkannten Teilnahme nach der Tat. Vgl. dazu Heimberger, S. 114 f. 104 § 83 ALR: Hat jemand an den Vortheilen eines Verbrechens, nach dessen Ausführung, wissentlich und freiwillig, jedoch ohne vorgängige Abrede, Theil genommen: so trifft ihn eine solche Ahndung, die der ordentlichen Strafe desjenigen Verbrechens, von welchem er Nutzen gezogen hat, am nächsten kommt.

§ 84 ALR: Wer Verbrecher oder deren unrechtmäßigen Gewinn, zu verheimlichen sich zum Gewerbe macht, wird nach der Regel ebenso wie der Verbrecher selbst bestraft.

32

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

„Teilnehmung an den Verbrechen anderer" regelte. Daneben fanden sich jedoch in dem Abschnitt „Von den Verbrechen der Diener des Staates" Regelungen über die persönliche Begünstigung durch Richter, wobei die §§ 393, 394 die Vollstreckungsvereitelung betrafen, während die §§ 395-398 die Verfolgungsvereitelung zum Gegenstand hatten 105 . 6. Zwischenergebnis Erstaunlich ist, daß bei der legislatorischen Behandlung der Strafvereitelung im Amt die Lehre von der subsequenten Teilnahme keinerlei Niederschlag gefunden zu haben scheint. Dies wird wohl darauf zurückzufuhren sein, daß bei den entsprechenden Amtsvergehen nicht die - der Beihilfe so ähnliche - nachträgliche Unterstützung im Vordergrund steht, sondern die Amtsträgereigenschaft des Begünstigers sowie die daraus resultierenden, dem „Normalbürger" gerade nicht gegebenen, Strafentziehungsmöglichkeiten das Wesen der Tatbegehung prägen. Darüber hinaus wäre eine nur von Amtsträgern begehbare subséquente Teilnahme - wegen des Sonderdeliktscharakters - schwerlich bei den allgemeinen Vorschriften aufzufuhren. Diejenigen Gesetze, die die Begünstigung als nachfolgende Teilnahme verstanden haben, treffen keine mit dem heutigen Tatbestand der Strafvereitelung vergleichbare Erfolgsbestimmung. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, daß die durch Obdachgewährung und Fluchthilfe näher gekennzeichneten Tathandlungen keine Aussage bezüglich einer Verurteilungs- oder Strafvollstreckungsbeeinträchtigung treffen, und zum anderen auf die dogmatische Einordnung als Teilnahme am Vordelikt. Denn bei einer solchen Teilnahmeinterpretation wäre es verwunderlich, für die persönliche Begünstigung einen von der Vortat losgelösten Erfolg zu normieren. Eine hervorzuhebende Ausnahme stellt jedoch die im Lübecker Stadtrecht (4. Buch Titel X I Ziffer III) enthaltene BegünstigungsVorschrift dar. Hiernach unterlag der Strafe des Vortäters, wer diesem „...heimlichen oder öffentlichen

105

§ 393 ALR: Hat der Richter eigenmächtig eine gelindere Strafe statt der erkannten härtern vollzogen: so soll nach Verhältnis des geschehenen Nachlasses und des dazu gehabten Bewegungsgrundes eine willkürliche Geld- oder Gefängnißstrafe eintreten. § 395 ALR: Ein Richter, welcher ein ihm angezeigtes Verbrechen verschweigt, oder unterdrückt, oder dem Verbrecher vorsätzlich Zeit und Raum läßt, sich der Untersuchung und Strafe zu entziehen, hat, nach Bewandniß der dabei zum Grunde liegenden bösen Absicht und des unterdrückten oder unbestraft gelassenen Verbrechens selbst, die §§ 366-377 verordneten Strafen verwirkt.

I. Die Entwicklung bis zum Erlaß des Reichsstrafgesetzbuchs

33

wegk hilfft, also, daß er zu peinlicher Straffe nicht gebracht werden kann ..." 106 . Mit dieser Vorschrift findet sich erstmals eine - amtsdeliktsunabhängige Erfolgsbestimmung, die mit der gültigen Fassung der Strafvereitelung vergleichbar ist, indem sie als Erfolg die Verhinderung der Bestrafung normiert. Zudem treffen auch die entsprechenden Amtsdelikte eine auf die Verurteilung bezogene Erfolgsbeschreibung, indem sie die Nicht- oder zu milde Verurteilung durch den Richter unter Strafe stellten. 7. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert Im 19. Jahrhundert erwies sich das von Feuerbach geschaffene Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern von 1813 als richtungweisend für die in der Folgezeit in nahezu allen deutschen Staaten aufkommenden Partikulargesetze. Auch Feuerbach faßte im Anschluß an die gemeinrechtliche Lehre die Begünstigung als Form der Teilnahme auf 107 und normierte sie im allgemeinen Teil in Art. 84 108 und Art. 85 109 des 3. Kapitels unter der Überschrift „Von dem Versuch, von der Fahrlässigkeit und von der Theilnahme". Hervorzuheben ist, daß in Art. 84 erstmals im technischen Sinne der Begriff „Begünstigung" legislatorische Verwendung fand. Der Begünstigung machte sich hiernach schuldig, wer dem Übeltäter, ohne dies vor Tatvollendung versprochen zu haben, nach vollbrachter Übertretung beförderlich war. In Art. 85 folgte dann eine Auflistung der Handlungsweisen des Begünstigers, die der Strafdrohung des Gehilfen 2. Grades unterlagen, wenn sie gewerbsmäßig betrieben wurden. In Art. 86 wurde für den einfachen Begünstiger die Strafe des Gehilfen 3. Grades festgelegt. Dieses von Feuerbach geprägte Verfahren, zunächst eine allgemeine Begriffsbestimmung voranzuschicken und diese dann anhand konkreter Handlungsweisen zu erläutern, ist in vielen nachfolgenden Gesetzesbüchern ebenso wiederzufinden wie die Behandlung der

106

Zitiert nach Heimberger,

107

Vgl. sein Lehrbuch, § 48 S. 48, § 53 S. 50 f.

S. 258.

108 Art. 84: Wer nach vollbrachter Uebertretung einem Uebelthäter durch pflichtwidriges Thun oder Unterlassen in Bezug auf die begangene Uebertretung, beförderlicher ist, ohne ihm jedoch vor Vollendung der That solche Unterstützung versprochen zu haben, macht sich der Begünstigung schuldig. 109

Art. 85: Wer Uebelthäter bei sich aufnimmt oder verbirgt, wer ihnen zur Flucht, zur Unterdrückung der Spuren oder Beweismittel ihres Verbrechens behülflich ist; wer die durch das Verbrechen gewonnenen Sachen wissentlich bei sich aufnimmt, verbirgt, an sich kauft, bei Andern durch Verkauf oder sonst unterbringt, der soll, wenn er solche Begünstigungen wie ein Gewerbe betreibt, gleich den Gehülfen des zweiten Grades (Art. 77) bestraft werden... 3 Wappler

34

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

Begünstigung im allgemeinen Teil, und zwar entweder unter der Teilnahmebestimmung oder im direkten Anschluß an diese 110 . Bezeichnend hierfür ist das Criminalgesetzbuch für das Königreich Sachsen von 1838, das unter der Überschrift „Von der Teilnahme an einem Verbrechen, der Beihilfe und Begünstigung" in Art. 38 bestimmte, daß „als Begünstiger zu bestrafen" sei, „wer einem Verbrecher nach vollbrachter Tat" durch näher bezeichnete Begünstigungshandlungen „Beihilfe leistet", während das Hamburgische Strafgesetzbuch von 1869 diese Tätigkeit in Art. 52 als „Vorschub leistet" kennzeichnete 111 . Begünstiger war nach den damaligen Gesetzen derjenige, der dem Verbrecher nach Tatbegehung „beförderlich" war bzw. „Beihilfe, Vorschub oder Beistand" leistete. Abweichungen von dem Bayerischen Strafgesetzbuch sind jedoch im Hinblick auf die angedrohten Strafen zu verzeichnen, da die Begünstigung von den meisten Gesetzesbüchern mit einem selbständigen Strafrahmen ausgestattet wurde 112 . Daneben wurde von den neueren Gesetzbüchern zumindest für die persönliche Begünstigung ein besonderes persönliches oder verwandtschaftliches Verhältnis zu dem Begünstigten als Strafausschließungsgrund anerkannt und für die gewerbsmäßige Begünstigung ein erhöhter Strafrahmen aufgestellt 113. Weitere legislatorische Fortschritte sind in dem im April 1851 in Kraft getretenem Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten zu verzeichnen. Zum einen wurde die Begünstigung in § 37 114 einem selbstständigen Strafrahmen unterstellt, und zum anderen wurde die persönliche von der sachlichen Begünstigung getrennt, indem das Gesetz danach differenzierte 115, ob dem Täter Beistand geleistet wurde, „um denselben der Bestrafung zu entziehen oder um ihm die

110 Mit genauen Angaben dazu Gretener, S. 46 f f , und Ebert, ZRG (GA) 1993 (110), 1, 37; vgl. auch Sander, AC (NF) 1838, 431, 450 f f , der dieses Verfahren als Beweis dafür ansieht, daß die Gesetzgeber der Richtigkeit und Vollständigkeit des vorangestellten allgemeinen Begriffs der Begünstigung selbst mißtrauten. 111

Zit. nach Groothold, S. 15.

112

Vgl. Ghan, S. 8 f.; Gretener, S. 46, 50 ff.

113

Vgl. die Nachweise bei Gretener, S. 51.

114

§ 37: Wer nach VerÜbung eines Verbrechens oder Vergehens dem Thäter wissentlich Beistand leistet, um denselben der Bestrafung zu entziehen, oder ihm die Vortheile des Verbrechens oder Vergehens zu sichern, ist als Begünstiger mit Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre zu bestrafen. Diese Strafe tritt nicht ein, wenn die Begünstigung dem Thäter, um ihn der Bestrafung zu entziehen, von leiblichen Verwandten in auf- oder absteigender Linie, von Geschwistern oder von dem Ehegatten gewährt worden ist. 115

Diese Unterscheidung geht auf den revidierten Entwurf von 1845 zurück, der bereits zwischen Vorteilssicherungs- und Strafentziehungsabsicht differenzierte.

I. Die Entwicklung bis zum Erlaß des Reichsstrafgesetzbuchs

35

Vorteile des Verbrechens oder Vergehens zu sichern". Allerdings wurde die Strafbarkeit der Begünstigung entgegen der Forderung des vereinigten ständischen Ausschusses116 in § 37 im Allgemeinen Teil unter dem Titel „Von der Teilnahme an einem Verbrechen oder Vergehen" normiert, während die Hehlerei bereits im Besonderen Teil in § 237 geregelt wurde. Der 1869 veröffentlichte (1.) Entwurf eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund schloß sich bei der Behandlung von Begünstigung und Hehlerei im wesentlichen an das Preußische Strafgesetzbuch an, insbesondere wurde die Lozierung der Begünstigung im Allgemeinen Teil (§§43,44) bei den Teilnahmevorschriften sowie der Gesetzeswortlaut nahezu unverändert beibehalten. Demgegenüber mehrten sich in der Literatur die Stimmen 117 , die die selbständige Natur der Begünstigung auch legislatorisch hervorheben wollten. Insbesondere die von Hälschner 118 und Binding 119 vorgebrachte Kritik an dem 1. Entwurf veranlaßte den Gesetzgeber des revidierten Entwurfs vom Dezember 1869, die Vorschriften der Begünstigung zusammen mit denen der Hehlerei (§§ 252-257) in den 21. Abschnitt des Besonderen Teils aufzunehmen 120. In den Motiven zum 2. (revidierten) Entwurf 121 heißt es: „Im Anschluß an die in der Wissenschaft vertretene Ansicht, daß es sich bei der Begünstigung nicht um eine Teilnahme, sondern um ein selbständiges Vergehen (delictum sui generis), wenn auch von akzessorischer Natur 122 handele", sei es angemessen, „die Begünstigung aus der

116 Dieser Ausschuß forderte, „daß die Lehre von der Begünstigung ganz von der Theilnahme am Verbrechen getrennt, und, weil sie nur die Mittel zur Verfolgung der Strafzwecke verletzte, unter die Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit in den speziellen Theil verwiesen werde". Gegen diese Forderung wurde seitens der Regierung jedoch eingewandt, daß immer noch eine innere Verbindung zur Teilnahmelehre vorhanden sei, so daß der Allgemeine Teil der „passende Ort" für die Normierung der Begünstigung sei, in: Goltdammer, Materialien zum PrStGB, Theil I, S. 338 f. 117

Hälschner, System III, S. 556; Geib, S. 324; John, Entwurf, S. 259, 372 f.

118

Hälschner, Beiträge zum Entwurf, S. 67 f.

119

Binding, Entwurf, S. 106: „Wann wird endlich die Zeit kommen, wo die Wahrheit, daß die Begünstigung eine Teilnahme an einem Verbrechen nicht enthalte und eine sog. subséquente Teilnahme ein Unding sei, in den Gesetzen volle Anerkennung findet? Wann wird der § über Begünstigung die Stelle finden, die ihm gebührt: unter den Verbrechen wider der Justizgewalt des Staates, etwa neben der Befreiung Gefangener?" 120

Meves, StrRZ 1873, 479, 484

121

Motive, S. 127, abgedruckt bei Rüdorf, § 257, S. 385 f.

122

Kritisch zu dieser Charakterisierung äußert sich John, Entwurf, S. 260, der der genannten Qualifizierung der Begünstigung entgegenhält, daß lediglich ein criminalisti3'

36

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

ihr herkömmlich zugewiesenen Verbindung loszulösen und im Besonderen Teil im Zusammenhang mit der Hehlerei zu behandeln". Die Fassung des revidierten Entwurfs wurde vom Reichstag mit einigen unwesentlichen Änderungen angenommen123. In dieser Fassung traten am 1.1.1871 die §§ 257 ff. für das Gebiet des Norddeutschen Bundes in Kraft 1 2 4 und wurden unverändert vom Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich 125 vom 15.5.1871 übernommen. Der bis zur Strafrechtsreform von 1975 nahezu unverändert gebliebene § 257 lautete: Wer nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens dem Thäter oder Theilnehmer wissentlich Beistand leistet, um denselben der Bestrafung zu entziehen oder um ihm die Vortheile des Verbrechens oder Vergehens zu sichern, ist wegen Begünstigung mit Geldstrafe bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefangniß bis zu Einem Jahre und, wenn er diesen Beistand seines Vortheils wegen leistet, mit Gefängniß zu bestrafen. Die Strafe darf jedoch, der Art oder dem Maße nach, keine schwerere sein, als die auf die Handlung selbst angedrohte. Die Begünstigung ist straflos, wenn dieselbe dem Thäter oder Theilnehmer von einem Angehörigen gewährt worden ist, um ihn der Bestrafung zu entziehen. Die Begünstigung ist als Beihülfe zu bestrafen, wenn sie vor Begehung der That zugesagt worden ist. Diese Bestimmung leidet auch auf Angehörige Anwendung.

Daneben wurde mit § 258 RStGB der Tatbestand der Personenhehlerei geschaffen. Hiernach war der des eigenen Vorteils wegen handelnde Begünstiger - ohne Privilegierung für Angehörige - als Hehler zu bestrafen, wenn die Vortat Diebstahl, Unterschlagung, Raub oder ein dem Raub gleich zu bestrafendes Verbrechen war. Im Abschnitt über die Amtsdelikte wurde in § 346 RStGB die persönliche Begünstigung im Amt normiert. Nach dieser Vorschrift war derjenige Beamte mit Strafe bedroht, „welcher vermöge seines Amtes bei Ausübung der Strafgewalt oder bei Vollstreckung der Strafe mitzuwirken hat..., wenn er in der Absicht, Jemand der gesetzlichen Strafe zu entziehen, die Verfolgung einer strafbaren Handlung unterläßt, oder eine Handlung begeht, welche geeignet ist,

scher Begriff durch einen anderen - der Erläuterung aber noch bedürftigeren - Begriff erklärt werde. 123 In § 257 I wurde die eigennützige Begünstigung eingefügt und die in § 252 des 2. Entwurfs enthaltene Wendung „ohne vorherige Abrede" gestrichen und statt dessen § 257 III eingefügt, wonach die vor Tatbegehung zugesagte Begünstigung als Beihilfe zu strafen war; vgl. zu den Änderungen Meves, StrRZ 1873, 479, 484 ff. 124

Bundesgesetzblatt 1870, S. 195-273.

125

Reichsgesetzblatt 1871, S. 127-205.

I. Die Entwicklung bis zum Erlaß des Reichsstrafgesetzbuchs

37

eine Freisprechung oder eine dem Gesetz nicht entsprechende Bestrafung zu bewirken oder die Vollstreckung der ausgesprochenen Strafe nicht betreibt, oder eine gelindere als die erkannte Strafe zur Vollstreckung bringt". Den Motiven zum StGB des Norddeutschen Bundes läßt sich nicht entnehmen, ob die Verfasser dieser Vorschriften durch das Merkmal „Entziehen" auch die bloße Verzögerung der Bestrafung erfassen bzw. eine nur darauf gerichtete Absicht ausreichen lassen wollten. Demgegenüber finden sich bereits in den frühen Kommentierungen der Vorschriften des Reichstrafgesetzbuches über die persönliche Begünstigung divergierende Auslegungsangebote bezüglich des genannten Merkmals. Der wohl überwiegende Teil des Schrifttums lehnte eine Interpretaion des Merkmals „entziehen" i. S. einer Verzögerungsverursachung ab und forderte für die in § 257 genannte Absicht, jemanden der Bestrafung zu entziehen, daß diese auf eine dauerhafte bzw. endgültige Verhinderung der Bestrafung gerichtet sei 126 . Eine entsprechende Auslegung wurde auch im Bereich des Amtsdeliktes (§ 346) befürwortet; hier sollte ebenfalls durch die bloße Verzögerung der Strafverhängung und -Vollstreckung bzw. durch eine nur darauf gerichtete Absicht das Merkmal „entziehen" nicht verwirklicht werden können. 127 Dagegen wurde von anderer Seite - unter Berufung auf die Entscheidungen des Reichsgerichts 128 - auch die nur zeitweilige Verzögerung der Bestrafung als „entziehen" i. S. der §§ 257, 346 angesehen129. Da weder die eine noch die andere Auslegung begründet wird 1 3 0 , erübrigt sich an dieser Stelle eine Auseinandersetzung mit den genannten Interpretationen des Merkmals „entziehen".

126

Binding, Lehrbuch II 2, S. 655; ders., Normen II 2, S. 1083 f.; Gretener, S. 104; L K Lobe, § 257 Anm. 4 ( l . ^ k Aufl.); Olshausen, I I § 257 Anm. 15; Schwartz, § 257 Anm. 5; Waldthausen, GA 1881 (29), 375, 387. 127

Binding, Lehrbuch I I 2, S. 655; ders., Normen I I 2, S. 1083 f.; Köhler, V D BT IX, S. 450; Meves, Handbuch III, S. 984; Olshausen, II § 346 Anm. 2 c; LK-Rosenberg, § 346 Anm. 6 (1.-4 Aufl.); Schwartz, § 346 Anm. 3 c. 128

RGSt 16, 204; 70, 254. Ausführlich dazu sub C. II.

129

LK-Nagler, § 257 Anm. 3 A (6.-7. Aufl.); LK-Rohde-Ziegler, § 346 Anm. 3 (6.-7. Aufl.); Olshausen II, § 257 Anm. 15 a (3. Aufl.); Oppenhoff, § 257 Anm. 14 (14. Ausg.) 130

Lediglich Rosenberg (in: L K [1.-4. Aufl.], § 346 Anm. 6), verweist darauf, daß für die „kriminelle Bestrafung" der bloßen Verzögerung kein praktisches Bedürfnis bestehe.

38

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

8. Fazit Als Ergebnis der vorhergehenden Untersuchung läßt sich zunächst festhalten, daß die früheren Strafbestimmungen, denen die Auffassung von der (persönlichen) Begünstigung als subséquente Teilnahme am vorherigen Verbrechen zugrunde lag, keine mit der heutigen Fassung des § 258 vergleichbare Erfolgsbeschreibungen trafen. Dies liegt zum einen daran, daß die historischen Straftatbestände sehr konkrete Verhaltensweisen inkriminierten; zu nennen sind hier insbesondere das sog. Hausen und Hofen, d. h. die Obdachgewährung und Verpflegung des Vortäters (als typische Formen der Fluchthilfe), die keinen über den mit der konkreten Handlung verbundenen Erfolg hinausgehenden Strafvereitelungseffekt verlangten und daher auch keine wie auch immer geartete Auswirkung auf die Bestrafung des Vortäters erforderten. Zum anderen ist das Fehlen des Erfolgserfordernisses darauf zurückzuführen, daß die Vorläuferfassungen die persönliche Begünstigung dogmatisch als nachfolgende Teilnahme einordneten. Aus Gründen der Akzessorietät ließ sich daher ein von der Vortat völlig losgelöster Erfolg nicht normieren. Lediglich im Bereich der Amtsdelikte existierten vereinzelte Vorschriften, die auf die Bestrafung bezogene Erfolgsbeschreibungen trafen, indem sie die zu milde oder die Nicht-Verurteilung eines Schuldigen durch den Richter unter Strafe stellten. Diese Erfolgsbeschreibungen stehen der Einbeziehung von Verzögerungen jedoch eher entgegen, als daß sie sie nahelegen. Entsprechendes gilt auch für die vom Gesetzgeber gewählte Fassung des § 346 RStGB 131 . Denn wenn zur Verwirklichung des objektiven Tatbestandes die Vornahme einer Handlung erforderlich sein sollte, die „geeignet ist, eine Freisprechung oder eine dem Gesetz nicht entsprechende Bestrafung zu bewirken", spricht dies ebenfalls nicht für die Einbeziehung bloßer Verzögerungen. I I . Gesetzentwürfe und Reformdiskussion im 20. Jahrhundert Die Behandlung der Begünstigung und der Hehlerei im RStGB wurde von der Strafrechtswissenschaft aus unterschiedlichen Gründen kritisiert. Auf der einen Seite wurde die Verweisung der Begünstigung in den Besonderen Teil bei gleichzeitiger Aufstellung eines eigenständigen Strafrahmens wegen ihrer Teilnahmenatur als „Anomalie" empfunden 132, weil das Wesen sowohl der sachlichen als 131 132

Zur damals geltenden Fassung des § 346 s. o. sub I. 7 (S. 36 f.).

Vgl. Meyer (3. Aufl.), S. 271 f , u. v. Bar, S. 749, der die Verselbständigung als theoretischen Versuch mit untauglichen Mitteln bezeichnete, der nicht beachtet werden müsse.

II. Entwürfe und Reformdiskussion im 20. Jahrhundert

39

auch der persönlichen Begünstigung in der Aufrechterhaltung der Schuld des Vortäters 133 bzw. in der Fortsetzung der durch die Vortat verursachten Rechtsverletzung 134 bestehe, die ihrerseits erst durch den zivilrechtlichen Ersatz oder aber die Bestrafung getilgt bzw. abgeschlossen werde 135 . Auf der anderen Seite wurde die Reform - insbesondere die Zusammenfassung von persönlicher und sachlicher Begünstigung in einem Tatbestand - für nicht ausreichend befunden. Beispielhaft war insoweit Bindings Kritik, der die These von der Einheitlichkeit beider Begünstigungsmodalitäten angesichts ihrer „fundamental verschiedenen Angriffsrichtungen" für den „wohl verhängnisvollsten Irrtum" im Rahmen der Begünstigungsdogmatik und -gesetzgebung hielt 136 . Des weiteren beanstandete er die Umschreibung der Tathandlung mit dem irreführenden Begriff „Beistand leisten", da sie den unzutreffenden Schluß auf die Beihilfenatur der Begünstigung nahelege, indem sie suggeriere, daß nur die Unterstützung des sich primär selbst der Bestrafung entziehenden Vortäters und damit eine Beihilfe zur straflosen Haupttat das Wesen der Begünstigung präge 137 . Daneben wurde auch das „Zwittergebilde" der Personenhehlerei in § 258 RStGB mit seiner sachfremden Verschachtelung von Beistandleisten, Vorteilsabsicht und bestimmten Vortaten als verunglückt empfunden 138. Als überflüssig 133

Villnow,

S. 6 I f f .

134

Waldthausen, GA 1881 (29), 376ff.; v. Buri, GS 1878 (29), 14, 25 ff. Gedenfalls ausdrücklich für die sachliche Begünstigung). 135

Vgl. die ausführliche Kritik dieser Ansätze bei Ghan, S. 12 ff., u. Gretener, S. 74 ff.

136

Binding, Lehrbuch II 2, S. 642 f f , bezeichnet den „ganzen Parallelismus" zwischen den beiden Begünstigungsarten als „Ausgeburt größter Verwirrung" (S. 645) und auch die Begründungsversuche hinsichtlich eines einheitlichen Schutzgutes „Tilgung des Verbrechens" als „durch und durch verwirrt" (S. 643). Er qualifiziert die sachliche Begünstigung als reines Vermögensdelikt, während die zutreffender als Strafvereitelung zu bezeichnende persönliche Begünstigung als Verbrechen gegen das konkrete Strafrecht zu bewerten sei; so auch ders., Normen II 2, S. 1081 ff. Beling, V D BT VII, S. 204 f , hält ebenfalls eine Zusammenfassung der beiden Begünstigungsformen im Hinblick auf ihre unterschiedlichen Rechtsgüter für verfehlt. Positiv äußert sich demgegenüber Herzog, GA 1881 (29), 112, 115 ff. 137

Vgl. Binding, Lehrbuch I I 2, S. 641 f , der eine Begünstigung für besonders schwerwiegend erachtet, wenn sich der Vortäter selbst in keiner Weise der Strafe entzieht oder entziehen will und damit gerade keine „Haupttat" vorliegt. Beling, V D BT VII, S. 202, sieht in der gewählten Formulierung ebenfalls ein unverkennbares Erbstück der überkommenen Lehre vom concursus subsequens. 138

Beling, V D BT VII, S. 202 f f , der zudem bereits die Vorschrift über die sachliche Begünstigung für verfehlt hält, da die „Beistandleistung" oder „Gunsterweisung" an sich etwas vollständig Gleichgültiges seien; das entscheidende Kriterium müsse vielmehr in der

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

40

bzw. „grundverkehrt" wurde die Regelung in § 257 III bewertet, wonach die vor Tatbegehung zugesagte Begünstigung als Beihilfe zu strafen ist. 139 Schließlich wurde neben der Abhängigkeit der Strafdrohung von der jeweiligen Vortat 140 kritisiert, daß nach der geltenden Regelung der Schwerpunkt des Deliktes in der psychischen Tatseite statt im (objektiven) Tatbestand liege, obwohl die äußere Tatseite für die Tatbestandsbildung maßgeblich sein müsse141. 1. VE 1909 Der 1909 veröffentlichte „Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch" berücksichtigte im wesentlichen die seitens der Literatur geäußerte Kritik und vollzog die geforderte Trennung von sachlicher und persönlicher Begünstigung. Während er die (sachliche) Begünstigung und die Hehlerei erneut in einem gemeinsamen Abschnitt, und zwar innerhalb des Buches über die Vermögensdelikte, regelte 142 , stellte er für die nunmehr als Strafvereitelung bezeichnete persönliche Begünstigung mit §172 VE einen eigenen Tatbestand innerhalb des Abschnitts „Verbrechen und Vergehen in Bezug auf die Rechtspflege" auf. 143

durch die Gunsterweisung an den Täter erzeugten Beeinträchtigung anderer gesehen werden. Da eine solche Beeinträchtigung aber bereits durch die Hehlerei erfaßt werde, verliere die sachliche Begünstigung ihre Berechtigung. Die Hehlerei solle ihrerseits im Allgemeinen Teil neben den Teilnahmevorschriften geregelt werden, da sie ebenso wie die Teilnahme „ihr charakterisches Gepräge von der Vortat empfange" und nur eine „Erscheinungsform" derselben sei (a. a. O. S. 225 f f ) ; vgl. auch die entsprechende Kritik in: Lehre vom Verbrechen, S. 472 ff. 139

Beling, V D BT VII, S. 220; Binding, Lehrbuch II 2, S. 659 f.

140

Vgl. Beling, VD BT VII, S. 207, der in der Aufstellung eines „delictum sui generis mit akzessorischem Charakter eine contradictio in adjecto" sieht. 141 Beling, V D BT VII, S. 210, der die Tatbestandsbildung im Gegensatz zur hypotrophisch ausgestalteten Begünstigungsabsicht als atrophisch bezeichnete. 142

§§ 280,281 VE.

143

Demgegenüber verzichteten die Verfasser des schweizerischen Vorentwurfs von 1895 auf eine die sachliche Begünstigung betreffende Vorschrift und normierten den Straftatbestand der (persönlichen) Begünstigung in Art. 193 bei den „Verbrechen gegen die Rechtspflege". Art. 193: Wer jemanden, von dem er weiss oder annehmen muss, dass er ein Verbrechen begangen hat, der Strafverfolgung oder dem Strafvollzug zu entziehen sucht, wird mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bis zu 10000 Franken bestraft. Steht der Thäter in so nahen Beziehungen zu dem Verfolgten, dass sein Verhalten entschuldbar ist, so kann ihm der Richter die Strafe erlassen.

II. Entwürfe und Reformdiskussion im 20. Jahrhundert

41

§ 172 VE lautete: Wer vorsätzlich die Verfolgung oder Bestrafung eines anderen wegen einer von diesem begangenen strafbaren Handlung vereitelt, wird mit Gefängnis oder Haft bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft. Der Versuch ist strafbar. Wer die Handlung zugunsten eines Angehörigen begeht, bleibt straflos.

Die bislang in § 346 RStGB geregelte persönliche Begünstigung im Amt wurde von den §§201 Ziff. 2, 202 V E 1 4 4 erfaßt. Im Gegensatz zum RStGB wurde die Strafvereitelung sowie das entsprechende Amtsdelikt als Erfolgsdelikt formuliert 145 . Die gleichzeitig aufgestellte Versuchsstrafbarkeit erschien der Sachverständigenkommission notwendig, da die geänderte Bestimmung „sonst in den allermeisten Fällen versagen würde" 146 , darüber hinaus sollte dem Täter gleichzeitig die Möglichkeit des strafbefreienden Rücktritts eröffnet werden 147 . In weiterer Abweichung vom RStGB kamen neben Verbrechen und Vergehen auch Übertretungen als „Vortaten" in Betracht. Zur Begründung wurde insoweit ausgeführt, daß die Vortat für die StrafVereitelung lediglich als das den staatlichen Strafanspruch erzeugende Ereignis von Bedeutung sei und die bisherige Beschränkung auf Verbrechen und Vergehen der Selbständigkeit und dem eigenständigen Rechtsgut dieser Norm entgegenstünde148. Der Betonung der Selbstständigkeit und des eigenständigen Rechtsgutes „staatlicher Strafanspruch" diente ebenfalls die Aufstellung eines von der Vortat unabhängigen Strafrahmens. Darüber hinaus hat der Entwurf sowohl auf die Vorschrift der Personenhehlerei (§ 258) 149 als auch auf die Bestimmung des § 257 Abs. 3, wonach die vor 144

Nach § 201 Ziff. 2 war als Strafverfolgungsbeamter strafbar, wer „wider besseres Wissen einen Unschuldigen zur Verfolgung bringt oder einen Schuldigen der Verfolgung oder Bestrafung entzieht". - Nach § 202 Abs. 1 war ein Beamter strafbar, „wenn er widerrechtlich und wider besseres Wissen eine Strafvollstreckung entweder bewirkt oder unterläßt". 145

Hiermit kam der Entwurf Belings Forderung, wonach sich das Wesen eines Deliktes aus der äußeren Tatbestandsbildung entnehmen lassen müsse, nach und vermied gleichzeitig die an die Lehre von der subsequenten Teilnahme erinnernde Formulierung des „Beistandleistens"; vgl. Begründung zum VE, S. 569, 565 146

Begründung zum VE, S. 568.

147

Begründung zum VE, S. 569.

148

Begründung zum VE, S. 567.

149

Die Sachverständigenkommission sah keinen Grund für die Beibehaltung dieser Qualifizierung, da nicht der Charakter der Vortat, sondern die Höhe des vereitelten Strafanspruchs den jeweiligen Umfang der Strafbarkeit des Täters der Strafvereitelung beeinflussen (Begründung zum VE, S. 570).

42

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

Tatbegehung zugesagte Begünstigung als Beihilfe zu strafen sei, verzichtet 150 . Schließlich ließ der Entwurf in Abweichung zum RStGB Vorsatz und damit dolus eventualis hinsichtlich des Strafvereitelungserfolges ausreichen 151. Sämtliche der aufgezeigten Änderungen im Bereich der persönlichen Begünstigung lassen den Einfluß Bindings und Belings erkennen. Lediglich die von Beling vorgeschlagene Aufteilung in einen Tatbestand der Straijustizvereitelung und einen der StrafVereitelung 152 wurde von der Kommission zwar in Betracht gezogen, letztendlich aber abgelehnt, da der mit der Einfuhrung eines Strafjustizvereitelungsdeliktes erzeugte Strafrechtsschutz weit über den bislang durch § 257 RStGB geschützten Rahmen hinausginge153. Für eine solche Ausdehnung des strafbaren Verhaltens, die dadurch zustandekomme, daß bereits die Hemmung des Strafverfahrens sowie die Beeinträchtigung einzelner Strafverfolgungsakte und zudem unabhängig vom Bestehen eines „Strafanspruches" inkriminiert würden, bestehe kein Bedürfnis, zumal auch das Strafprozeßrecht ausreichende Mittel (Ordnungsstrafen, Vorführung oder Beschlagnahme) biete, um den entsprechenden Verhaltensweisen entgegenzutreten 154. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist von besonderem Interesse, wie die Gesetzgebungskommission den Begriff und insbesondere den Erfolg der „Vereitelung" verstanden wissen wollte. Nach Ansicht der Kommission konnte die Vereitelung des staatlichen Strafanspruchs nur dadurch erfolgen, „daß die Einleitung des Strafverfahrens, seine Durchführung, die der begangenen Straftat entsprechende Verurteilung oder die Vollstreckung der erkannten Strafe verhindert wird" 1 5 5 . Als taugliche Tathand150 Auch diese als Überbleibsel der überholten Auffassung vom auxilium post delictum qualifizierte Bestimmung erschien der Kommission überflüssig und dem Wesen sowohl der StrafVereitelung als auch der Teilnahme widersprechend (Begründung zum VE, S. 571 f.) 151 Nach Ansicht der Kommission bestand kein Anlaß, Absicht zu verlangen (Begründung zum VE, S. 570). 152 Beling, V D BT VII, S. 213, schlug für den Tatbestand der Strafvereitelung, der das materiellstrafrechtliche Staatsinteresse vor Beeinträchtigungen des Strafanspruchs schützen solle, folgende Formulierung vor: „Wer durch Mißbrauch von Rechtseinrichtungen bewirkt, daß ein anderer, der strafbar ist, kraft Rechtens straflos wird..." Der Tatbestand der Straijustizvereitelung, als Delikt gegen das staatliche Interesse an einer geordneten Strafprozessführung, das auch gegenüber Unschuldigen besteht, sollte folgendermaßen gefasst werden: „Wer bewirkt, daß die Vornahme eines rechtlich zulässigen staatlichen Strafprozeßaktes gegen einen anderen gehemmt oder vereitelt wird..." 153

Begründung zum VE, S. 566 f.

154

Begründung zum VE, S. 567.

155

Begründung zum VE, S. 565 f.

II. Entwürfe und Reformdiskussion im 20. Jahrhundert

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lungen der StrafVereitelung nannte die Kommission: das Ermöglichen der Flucht, soweit dadurch eine Ergreifung des Täters unmöglich gemacht wird, das die Entdeckung der Tat verhindernde Beseitigen der Tatspuren, die Verhinderung der Einleitung eines Strafverfahrens durch unrichtige Angaben gegenüber den Strafverfolgungsbehörden und die durch falsche Aussagen oder Fälschung von Beweismitteln bewirkte Freisprechung oder zu milde Verurteilung eines Schuldigen 156 . Nach rechtskräftiger Verurteilung wäre eine Vereitelung der Bestrafung z. B. durch Hinderung der Strafvollstreckung oder Verbüßung der Freiheitsstrafe an Stelle des Verurteilten möglich. Demgegenüber sollte eine Hemmung und damit eine Verzögerung der Verurteilung, wie sie etwa von einem Zeugen verursacht werde, der trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erscheine, dem Tatbestand der „StrafVereitelung" nicht unterfallen 157 . Gleiches sollte für die Beinträchtigung einzelner Strafverfolgunsakte gelten, sofern sich diese nicht als tatsächliche oder beabsichtigte Vereitelung des Strafanspruchs und damit zumindest als versuchte StrafVereitelung werten lassen. Daher sollten insbesondere das Verbergen des Verbrechers oder das Vorenthalten von Beweismitteln, soweit sie den ordnungsgemäßen Gang des Strafverfahrens lediglich hemmen, dem neugefaßten Tatbestand nicht subordiniert werden 158. Auch in den auf StrafVereitelung bezogenen Amtsdelikten (§§ 201,202 VE) sollte mit der Formulierung in § 201 Nr.2 : „... einen Schuldigen der Verfolgung oder Bestrafung entzieht..." nur das Verhalten (Tun oder Unterlassen) eines Strafverfolgungsbeamten erfaßt werden, das eine dem Gesetz nicht entsprechende Freisprechung oder zu milde Verurteilung bewirkt; von § 202 Abs. 1 sollte neben der Nichtbetreibung der StrafVollziehung auch die Vollstreckung einer gelinderen als der erkannten Strafe umfaßt werden 159 . Die genannten Beispiele zeigen, daß die Gesetzgebungskommission den Begriff der Vereitelung nicht als bloße Verzögerung der Verfolgung 160 bzw. Bestrafung verstanden wissen wollte, vielmehr sollte eine „endgültige" Verhinderung der Bestrafung zur Vollendung der Strafvereitelung erforderlich sein 161 .

156

Begründung zum VE, S. 569.

157

Begründung zum VE, S. 567; Hervorhebung von Verf.

158

Begründung zum VE, S. 567.

159

Begründung zum VE, S. 627 ff.

160

„Verfolgung" ist hier i. S. von „Strafverhängung" gemeint; denn unter „Bestrafung" wurde in erster Linie die „Strafvollstreckung" verstanden. 161

Dies entsprach auch der Vorstellung der Schweizerischen Expertenkommission (S. 272), die ebenso wie die deutsche davon ausging, daß die Vereitelung nur ausnahmsweise vollendet und in den meisten Fällen nur ein Versuch vorliegen würde.

44

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

2. Kritik am VE Die Änderungen des Vorentwurfs im Bereich der persönlichen Begünstigung wurden nicht uneingeschränkt begrüßt. Zunächst soll die Kritik 1 6 2 , die die neukonzipierte Vorschrift der Strafvereitelung im Rahmen der Beratungen der Kommission zur Reform des Strafgesetzbuches (1911-1913) erfahren hat, aufgezeigt werden. Beanstandet wurde vor allem die Verwendung des Begriffs „vereitelt", da von einer „Vereitelung" der Verfolgung oder Bestrafung nur dann gesprochen werden könne, „wenn die Bestrafung überhaupt nicht mehr möglich sei" 163 . Vom Tode des Täters abgesehen sei dies aber erst dann der Fall, wenn die Vortat verjährt sei 164 . Daher wurde von Frank - in Anlehnung an § 257 RStGB - vorgeschlagen, den Tatbestand der Strafvereitelung dahingehend abzuändern, daß sich strafbar mache, wer „den Täter oder Teilnehmer einer strafbaren Handlung durch Irreführung von Beamten, durch Vernichtung von Spuren der Tat oder auf andere Weise unterstützt, um seine Bestrafung zu vereiteln". Diesem Vorschlag wurde jedoch entgegengehalten, daß die Strafvereitelung nach § 172 VE vollendet sei, wenn infolge der Handlung des Täters, „die Durchführung des staatlichen Strafanspruchs - wenn auch nur vorübergehend unmöglich gemacht sei". 165 Zudem würden mit der vorgeschlagenen Formulierung die überholte Auffassung von der subsequenten Teilnahme wiederbelebt und die Versuchsfälle ohne Möglichkeit eines Rücktritts der Vollendungsstrafe unterworfen werden. Von Pfersdorf wurde vorgeschlagen, den Begriff der „Vereitelung" durch den der „Verhinderung" zu ersetzen, „weil man bei dem Wort „vereiteln" in der Tat an etwas Endgültiges denke" 166 . Beiden Anregungen wurde jedoch nicht nachgekommen.

162

Eine ausdrückliche Billigung des § 172 VE unter Berücksichtigung der österreichischen und schweizerischen Vorentwürfe findet sich bei Olbricht, Reform des RStGB II, S. 182 ff. Auch Binding, GS 1911 (71), 1, 13, begrüßte, daß durch § 172 VE die materielle und formelle Vollendung des Delikts zusammengefaßt wurden. 163

Kommission 1911-1913, S. 410; die Bedenken beruhten vor allem darauf, daß bei der Fassung des VE die Verjährung der StrafVereitelung erst dann beginnt, wenn die Vortat ihrerseits verjährt ist. 164

Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Möglichkeit des „teilweisen" Vereiteins erst in § 233 des Ε 1913 eingeführt wurde. 165

So Kommission 1911-1913, S. 411, gegen die zuvor dargestellten Interpretation der Gesetzgebungskommission des Vorentwurfs. 166

Kommission 1911-1913, S. 411.

II. Entwürfe und Reformdiskussion im 20. Jahrhundert

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Des weiteren wurde die Formulierung „vereiteln der Verfolgung oder Bestrafung" kritisiert, da eine Bestrafung ohne Verfolgung nicht denkbar sei und damit die Worte „Verfolgung oder" überflüssig seien. Darüber hinaus wurde beantragt, „vorsätzlich" durch „absichtlich" zu ersetzen, um damit Fälle des dolus eventualis auszuscheiden und die Beschränkung auf Verbrechen und Vergehen als Vortaten wieder aufzunehmen. Diesen beiden Anträgen wurde stattgegeben, und nach Abschluß der Beratung wurde folgende Fassung für die Strafvereitelung beschlossen167: Wer absichtlich die Verfolgung oder Bestrafung eines anderen wegen eines von diesem begangenen Verbrechens oder Vergehens vereitelt, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu fünftausend Mark bestraft. Der Versuch ist strafbar. Ist das Hauptdelikt mit Einschließung bedroht, so kann auch auf Einschließung bis zu drei Jahren erkannt werden. Ist es nur auf Antrag verfolgbar, so kann wegen StrafVereitelung nur gestraft werden, wenn wegen des Hauptdelikts der Strafantrag gestellt wird. Wer die StrafVereitelung zugunsten eines Angehörigen begeht, bleibt straflos.

Die beschriebene Kritik an der Neukonzipierung der vormaligen persönlichen Begünstigung zeigt, daß zumindest einige Mitglieder der Kommission den Begriff der „Vereitelung" i. S. einer endgültigen Verhinderung der Verurteilung verstanden haben. Da jedoch insoweit auf eine Änderung der Tatbestandsfassung mit der Begründung verzichtet wurde, daß auch die nur vorübergehende Unmöglichmachung der Durchführung des Strafanspruchs eine vollendete Strafvereitelung darstelle, kann unterstellt werden, daß die übrigen Mitglieder der Kommission die Verzögerung der Bestrafung - entgegen der Gesetzgebungskommission von 1909 - vom Tatbestand der Strafvereitelung umfaßt sahen. Auch seitens der Strafrechtswissenschaft blieb die Umgestaltung zum Erfolgsdelikt bei gleichzeitiger Verwendung des Ausdrucks „vereitelt" nicht unbeanstandet. Repräsentativ ist insoweit die Kritik Ghans 168 , der bereits die Ausgestaltung als Erfolgsdelikt angesichts der Zwiespältigkeit, die sich aus der Belassung der sachlichen Begünstigung als „Angriffsdelikt" ergebe, als „Mißgriff 4 bezeichnete. Darüber hinaus hielt auch er die Aufstellung des Begriffs „vereitelt" für bedenklich, weil die Vorschrift - wie auch von der Kommission des Vorentwurfs eingeräumt - ohne Strafandrohung für den Versuch in den allermeisten Fällen versagen würde, da nur in seltenen Ausnahmefallen eine vollendete Strafvereitelung bejaht werden könne. Seiner Ansicht nach waren dies die Hinderung des Richters, den Verjährung unterbrechenden Akt vorzunehmen, die

167

Kommission 1911-1913, S. 418.

168

Ghan, S. 84 ff.

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Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

zu Unrecht herbeigeführte Begnadigung, Freisprechung oder zu milde Verurteilung sowie die Tötung des Vortäters bzw. die Mitwirkung beim Selbstmord desselben. Obwohl er es für legitim hielt, den Ausdruck „Vereitelung" nicht nur auf die Fälle, in denen der staatliche Strafanspruch tatsächlich erloschen sei, zu beschränken, sondern diesen auch auf diejenigen Verhaltensweisen auszudehnen, durch die den Staatsbehörden unüberwindliche Hindernisse bereitet würden, so daß „eine Verfolgung so gut wie illusorisch gemacht sei" 169 , beurteilte er den Anwendungsspielraum der vollendeten Strafvereitelung als zu begrenzt. Aus den genannten Gründen erschien es ihm sinnvoll, den Tatbestand des § 172 VE um die Worte „oder hemmt" zu erweitern. 3. Gegenentwurf 1911 Der von Kahl, v. Lilienthal, v. Liszt und Goldschmidt ausgearbeitete Gegenentwurf aus dem Jahr 1911 berücksichtigte zumindest teilweise die dem Vorentwurf entgegengebrachte Kritik, normierte im Abschnitt „Gefahrdung der Rechtspflege" in § 193 GE 1 7 0 den Tatbestand der StrafVereitelung und schränkte diesen gegenüber § 172 VE in fünf Punkten ein: Er stellte in Anlehnung an § 257 RStGB die Vortatbeschränkung auf Verbrechen und Vergehen wieder her 171 , machte die Verfolgbarkeit der StrafVereitelung bei Antragsvortaten von der Stellung eines Antrags abhängig 172 , ließ die Vereitelung der Bestrafung unter Verzicht auf die der Verfolgung ausreichen 173, erweiterte den Straflosigkeits169

Als Beispiel nennt Ghan (S. 86) das Ermöglichen der Flucht ins Ausland, soweit mit dem betreffenden Land kein Auslieferungsvertrag besteht. 170

§ 193 GE: Wer die Bestrafung eines anderen wegen eines von ihm begangenen Verbrechens oder Vergehens vereitelt, wird mit Gefängnis bestraft. Ist die von einem anderen begangene strafbare Handlung nur auf Antrag verfolgbar, so tritt die Verfolgung nur auf Antrag ein. Wer die Handlung zugunsten eines Angehörigen oder einer ihm sonst nahestehenden Person begeht, bleibt straflos. 171 Diese Einschränkung erschien der Kommission angesichts der qualitativen Verschiedenheit und des geringen kriminellen Unrechts der Übertretungen gerechter als die Vortaterweiterung des Vorentwurfs; vgl. Begründung, S. 204. 172 Mit dieser Festlegung sollte die bislang umstrittene Frage, ob vor Stellung eines Antrags eine Strafvereitelung möglich sei, entschieden werden; vgl. Begründung, S. 204. 173 Die ausdrückliche Erwähnung der Verfolgungsvereitelung erschien der Kommission überflüssig, da jeder Versuch, den Schuldigen der Verfolgung zu entziehen, zugleich den Versuch beinhalte, ihn der Bestrafung zu enziehen; vgl. Begründung, S. 204, 189.

II. Entwürfe und Reformdiskussion im 20. Jahrhundert

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bereich der durch die Strafvereitelung begünstigten Angehörigen um nahestehende Personen 174 und verzichtete schließlich auf die Aufstellung einer Versuchsstrafbarkeit 175 . Darüber hinaus wurden im Abschnitt „Verbrechen und Vergehen im Amte" die die Strafvereitelung durch Beamte erfassenden Tatbestände des Vorentwurfs (§§201,202 VE) nahezu unverändert beibehalten und wie dort mit der Aussageerpressung sowie mit der Verfolgung Unschuldiger und der Vollstreckung gegen Unschuldige in jeweils einem Tatbestand zusammengefaßt. Im einzelnen wurde in § 162 GE, der § 202 VE entsprach, ebenfalls auf den Begriff „Verfolgung" verzichtet und der zuständige Beamte mit Strafe bedroht, der „...wider besseres Wissen...einen Schuldigen der Bestrafung entzieht". Im Gegensatz zum Tatbestand der StrafVereitelung kamen hier also auch Übertretungen in Betracht. Nach § 163 GE, der den § 202 VE ersetzte, war ein StrafVollstreckungsbeamter strafbar, „... wenn er die Vollstreckung einer zu vollstreckenden Strafe unterläßt". 176 Der Begründung des Gegenentwurfs läßt sich nicht entnehmen, wie die Verfasser des Entwurfs den vom Vorentwurf übernommenen Begriff „vereitelt" interpretiert haben; da jedoch insoweit auf eine Abänderung des Vorentwurfs verzichtet wurde, liegt es nahe, daß sie eine entsprechende Auslegung des Begriffs befürwortet haben. 4. Entwurf 1913 Der Entwurf 1913 berücksichtigte sowohl die Anregungen des Vorentwurfs als auch die des Gegenentwurfs und sah für den im Abschnitt „Gefahrdung der Rechtspflege" in § 233 1 7 7 normierten Tatbestand der StrafVereitelung eine 174

Diese Ausdehnung des Straflosigkeitsbereichs auf Handlungen zugunsten nahestehender Personen wurde damit begründet, daß diese in einer engeren Beziehung zum Betroffenen stehen können als Angehörige; Begründung, S. 204, 232. 175

Da im Rahmen der Begründung diese wohl wesentlichste Änderung im Gegensatz zu den zuvor genannten weder begründet noch überhaupt erwähnt wird, halte ich es für denkbar, daß diesbezüglich ein Versehen vorliegt. 176

Auf die Formulierung „wider besseres Wissen" wurde verzichtet, da der Kommission dolus eventualis ausreichend erschien; vgl. Begründung, S. 189. 177

§ 233: Wer wissentlich die Bestrafung eines anderen wegen eines von diesem begangenen Verbrechens oder Vergehens ganz oder teilweise vereitelt, wird mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bestraft. Soweit jedoch die für das Verbrechen oder Vergehen angedrohte Strafe nach Art oder Maß milder ist, ist sie auch für die Strafvereitelung maßgebend.

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Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

geänderte Fassung vor. Die vom RStGB und vom GE vorgenommene Vortatbeschränkung auf Verbrechen und Vergehen wurde beibehalten. In Abänderung des Gegenentwurfs wurde die Strafbefreiung der dem Vortäter nahestehenden Personen zurückgenommen und die Strafdrohung für den Versuch entsprechend der Regelung des Vorentwurfs wieder aufgenommen. Darüber hinaus wurde in Anlehnung an § 257 RStGB der Strafrahmen der Strafvereitelung durch den der Vortat nach oben begrenzt und für die Tatbestandsverwirklichung wissentliches Verhalten gefordert. Schließlich wurde in § 233 erstmals die Möglichkeit einer „teilweisen" Vereitelung normiert. Die teilweise Vereitelung der Bestrafung sollte insbesondere dann möglich sein, „wenn nur noch ein Rest der Strafe zu vollstrecken ist" 178 . Eine weitere Neuerung im Bereich der Strafvereitelung war die Regelung des § 234 1 7 9 , wonach die Vereitelung einer Anstaltsverwahrung mit Strafe bedroht war. Darüber hinaus regelten die §§ 170, 171 180 die Strafvereitelung und unterlassene Strafvollstreckung seitens der zuständigen Beamten, wobei die Ausgestaltung dieser Vorschriften im wesentlichen der des VE entsprach.

Der Versuch ist strafbar. Ist das Verbrechen oder Vergehen nur auf Antrag verfolgbar, so kann wegen der Strafvereitelung nur gestraft werden, wenn der Antrag vorliegt. Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straflos. 178

So die Begründung in der Denkschrift zum Ε 1919, S. 182, der ebenfalls die Möglichkeit einer teilweisen Vereitelung normierte. 179

§ 234: Wer außer den Fällen der StrafVereitelung (§ 233) wissentlich die nach §§ 98, 100 Abs.l, 102, 106 behördlich angeordnete Verwahrung eines anderen in einer Anstalt ganz oder teilweise vereitelt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar. 180

§ 170: Ein Beamter, der, zur Mitwirkung bei der Strafverfolgung berufen, wissentlich einen Schuldigen der Verfolgung oder Bestrafung entzieht oder einen Unschuldigen zur Verfolgung oder Bestrafung bringt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft. Hat der Beamte die Verfolgung einer Übertretung unterlassen, so kann in besonders leichten Fällen von Strafe abgesehen werden. § 171: Ein Beamter, der, zur Mitwirkung bei der Strafvollstreckung berufen, es unterläßt, eine Strafe zu vollstrecken, die vollstreckt werden muß, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft. Ebenso wird bestraft ein Beamter, der eine Strafe vollstreckt, die nicht zu vollstrecken ist. Begeht er die Tat fahrlässig, so wird er mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

II. Entwürfe und Reformdiskussion im 20. Jahrhundert

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5. E n t w u r f 1919 Der E n t w u r f von 1919 übernahm in §§ 2 3 5 1 8 1 , 2 3 6 1 8 2 die Tatbestände der Strafvereitelung und der Anstaltsverwahrungsvereitelung nahezu unverändert. Für die zugunsten eines Angehörigen vorgenommene Straf- und Anstaltsverwahrungsvereitelung war lediglich ein Absehen von Strafe, und das auch nur noch fakultativ, vorgesehen 1 8 3 . Hervorzuheben ist jedoch, daß die Vorschrift der Strafvereitelung nicht mehr wie in den zuvor besprochenen Entwürfen in dem Abschnitt über die Gefährdung der Rechtspflege, sondern i m Abschnitt „ V o r bereitung von Straftaten. Begünstigung. Strafvereitelung" normiert wurde. Diese Abschnittsbildung wurde m i t der Gemeinsamkeit der subordinierten Tatbestände begründet, die man darin sah, „daß sie (die Tatbestände) Handlungen unter Strafe stellen, welche die Förderung anderer Straftaten zum Gegenstand haben" 1 8 4 .

181

§ 235: Wer wissentlich die Bestrafung eines anderen wegen eines von diesem begangenen Verbrechens oder Vergehens ganz oder teilweise vereitelt, wird mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bestraft. Die Strafe darf jedoch nach Art oder Maß nicht schwerer sein als die für das Verbrechen oder Vergehen angedrohte Strafe. Der Versuch ist strafbar. Ist das Verbrechen oder Vergehen nur auf Antrag verfolgbar, so kann wegen der Strafvereitelung nur bestraft werden, wenn der Antrag vorliegt. Wird die Tat zugunsten eines Angehörigen begangen, so kann von Strafe abgesehen werden. 182

§ 236: Wer wissentlich die nach §§ 88, 92, 95, 100 angeordnete Verwahrung eines anderen in einer Anstalt ganz oder teilweise vereitelt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Gelstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar. Wird die Tat zugunsten eines Angehörigen begangen, so kann von Strafe abgesehen werden. Im Unterschied zur StrafVereitelung, bei der zur Zeit der Tatbegehung nicht notwendig die Strafe wegen der Vortat bereits ausgesprochen sein muß, tritt die Strafbarkeit nach § 236 nur ein, wenn die Verwahrung zum Zeitpunkt der Vereitelungstätigkeit bereits angeordnet war; vgl. Denkschrift zu Ε 1919, S. 183. 183

Diese Abweichung von den vorherigen Entwürfen erschien den Verfassern des Entwurfs 1919 jedenfalls für die Fälle empfehlenswert, „... wo mehrere Angehörige einer Familie dem Verbrechen ergeben sind und sich gegenseitig bei und nach ihren Straftaten mit allen Mitteln unterstützen; hier für die Strafvereitelung schlechthin Straffreiheit zu gewähren, bedeutet geradezu einen Anreiz, der Gesetze zu spotten"; vgl. Denkschrift zum Ε 1919, S. 182. 184

Bei der StrafVereitelung sollte diese Förderung in der Abwendung der Rechtsfolgen der Tat liegen; vgl. Denkschrift Ε 1919, S. 178. 4 Wappler

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Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

Mit der genannten Abschnittsfassung sowie mit der Limitierung des Strafrahmens der Strafvereitelung durch den der Vortat wurde die durch den VE geschaffene Eigenständigkeit des Delikts wieder eingeschränkt und die StrafVereitelung in Anlehnung an die überkommene Auffassung von der subsequenten Teilnahme erneut an die Vortat angebunden. Auch die jeweiligen Amtsdelikte des Abschnitts „Verletzung der Amtspflicht" §§ 177, 178 entsprachen im wesentlichen den Tatbeständen der vorherigen Entwürfe. Nach § 177 war ein zur Mitwirkung bei der Strafverfolgung berufener Beamter strafbar, wenn er „... wissentlich einen Schuldigen der Verfolgung oder Bestrafung entzieht." Nach § 178 war der Strafvollstreckungsbeamte mit Strafe bedroht, der „... es unterläßt, eine Strafe zu vollstrecken, die vollstreckt werden muß...". 6. Entwurf 1922 Der von Radbruch ausgearbeitete Entwurf aus dem Jahr 1922 wies bei der Regelung der Strafvereitelung in § 185 185 , die ebenfalls dem Abschnitt „Vorbereitung strafbarer Handlungen. Begünstigung. StrafVereitelung." unterfiel, keine wesentliche sachliche Änderung im Verhältnis zum Entwurf 1919 auf, sondern faßte lediglich die Vorschriften über Strafvereitelung und Vereitelung der Anstaltsverwahrung in einem Tatbestand zusammen. Zudem wurde auf die Erwähnung der Antragsdeliktsregelung verzichtet 186 und dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, bei einer zugunsten von Angehörigen begangenen Strafvereitelung den Täter lediglich zu verwarnen. Die die Strafvereitelung betreffenden Amtsdelikte wurden ohne sachliche Änderung der Regelungen des Entwurfs 1919 in §§ 131, 132 normiert. 185

§ 185: Wer wissentlich die Bestrafung eines anderen wegen eines von diesem begangenen Verbrechens oder Vergehens ganz oder zum Teil vereitelt, wird mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bestraft. Die Strafe darf jedoch nach Art und Maß nicht schwerer sein als die für das Verbrechen oder Vergehen angeordnete Strafe. Ebenso wird bestraft, wer wissentlich die Unterbringung eines anderen in einer öffentlichen Heil- oder Pflegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt, in der Sicherungsverwahrung oder in einem Arbeitshaus ganz oder zum Teil vereitelt. Der Versuch ist strafbar. Wird die Tat zugunsten eines Angehörigen begangen, so kann das Gericht den Täter verwarnen, statt ihn zu strafen. 186

Eine solche Regelung fand sich jedoch noch bei der in § 184 geregelten sachlichen Begünstigung.

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7. E n t w u r f 1925 A u c h der Entwurf von 1925 brachte gegenüber dem Entwurf 1919 in der Sache keine Änderung, vielmehr wiederholte er wörtlich die Vorschriften des RadbruchEntwurfs sowie die dort vorgenommene Abschnittsbildung 1 8 7 und regelte die Strafvereitelung in § 186 1 8 8 und die einschlägigen Amtsdelikte i n §§ 131,132.

8. E n t w u r f 1927 V o m E n t w u r f 1927 wurde die Strafvereitelung, wie seit dem E n t w u r f 1919 üblich, in dem Abschnitt „Vorbereitung strafbarer Handlungen. Begünstigung. StrafVereitelung." in § 2 0 1 1 8 9 normiert. M i t dieser Vorschrift wurden erstmals die bislang der Vereitelung der Bestrafung unterfallende StrafVerfolgungs-

und

StrafVollstreckungsvereitelung begrifflich gegenübergestellt 190 und gemeinsam m i t der Vereitelung der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem Tatbestand zusammengefaßt. Eine weitere Neuerung stellt die in einem eigenen Tatbestand (§ 202) fixierte Bestimmung über A r t und Maß der Strafe

187

Kritisch dazu Kadelka, Reform, S. 284, der die Lozierung der Strafvereitelung im vorhergehenden Abschnitt „Schädigung der Rechtspflege" befürwortete. 188

Der wie im Entwurf 1919 vorgenommene Verzicht auf die Regelung bei Antragsdelikten wurde damit begründet, daß selbstverständlich „... von einer Vereitelung der Bestrafung oder Unterbringung nicht die Rede sein kann, wenn mangels des Verlangens oder der Zustimmung des Verletzten ohnedies kein Strafverfahren stattfinden kann." Begründung zu Ε 1925, S. 96. Bezüglich der Vereitelung der Anstaltsunterbringung sollte - in Abweichung zur Begründung Ε 1919 - nicht mehr erforderlich sein, daß die Unterbringung zur Zeit der Vereitelungshandiung angeordnet war; ausreichend sollte in Entsprechung zur StrafVereitelung sein, daß die Vortat, an die die Rechtsfolge der Unterbringung geknüpft ist, begangen war. Begründung zu Ε 1925, S. 96. 189 § 201 : Wer wissentlich die Strafverfolgung eines anderen wegen eines von diesem begangenen Verbrechens oder Vergehens oder die Vollstreckung einer gegen einen anderen wegen eines Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig erkannten Strafe oder den Vollzug einer gegen einen anderen rechtskräftig zugelassenen oder angeordneten, mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung oder Sicherung ganz oder zum Teil vereitelt, wird mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bestraft.

Der Versuch ist strafbar. Wird die Tat zugunsten eines Angehörigen begangen, so kann das Gericht von Strafe absehen. 190

Eine sachliche Änderung sollte diese Gegenüberstellung nicht bewirken; vgl. Begründung zum Ε 1927, S. 103 f. 4*

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Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

dar 191 . Die entsprechenden Amtsdelikte wurden ohne wesentliche sachliche Änderung in den §§ 137, 138 geregelt. Um ein Novum handelt es sich lediglich bei der in § 138 Abs. 3 enthaltenen Regelung, wonach der Vollzug oder das Unterlassen des Vollzuges einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung oder Sicherung ausdrücklich der Vollstreckung oder dem Unterlassen der Vollstreckung einer Strafe gleichgestellt wird. 9. Entwurf 1930 Der Entwurf 1930 berücksichtigte bei der Regelung der StrafVereitelung in § 201 1 9 2 weitestgehend die Ausgestaltung, die dieses Delikt im vorhergehenden Entwurf erfahren hatte. Wörtlich übernommen wurde zudem die Regelung über Art und Maß der Strafe in § 202. Im Unterschied zu den vorherigen Entwürfen wurde der zugunsten eines Angehörigen handelnde Täter erneut straffrei gestellt. Die jeweiligen Amtsdelikte wurden unverändert von denen des Entwurfs 1927 in den §§ 137, 138 übernommen. Den Begründungen der dem VE 1909 nachfolgenden Entwürfe läßt sich nicht entnehmen, ob der Begriff „vereitelt" sowie der damit verbundene Erfolg neben der „endgültigen" Verhinderung der Bestrafung zudem eine - wie auch immer quantifizierte - Verzögerung der Bestrafung erfassen sollte. Vielmehr findet sich regelmäßig die stereotype Wendung, daß in Abweichung zum geltenden Recht (§ 257 RStGB), wonach das Delikt der persönlichen Begünstigung bereits mit einem auf Strafentziehung gerichteten Beistandleisten vollendet sei, eine vollendete Strafvereitelung i.S. des jeweiligen Entwurfs erst dann gegeben sei, wenn „die Bestrafung wirklich ganz oder teilweise vereitelt worden ist". 193

191

§ 202: In den Fällen der §§ 196 bis 201 darf die Strafe nach Art und Maß nicht schwerer sein als die für das Verbrechen oder Vergehen, auf das sich die strafbare Handlung bezieht, angedrohte Strafe. 192

§ 201: Wer wissentlich die Strafverfolgung eines anderen wegen eines von diesem begangenen Verbrechens oder Vergehens oder die Vollstreckung einer gegen einen anderen wegen eines Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig erkannten Strafe oder den Vollzug einer gegen einen anderen rechtskräftig angeordneten, mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung oder Sicherung ganz oder zum Teil vereitelt, wird mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar. Wird die Tat zugunsten eines Angehörigen begangen, so ist der Täter straffrei. 193

Denkschrift zum Ε 1919, S. 182; Begründung zum Ε 1925, S. 95; Begründung zum Ε 1927, S. 103 f.

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10. Gesetze und Entwürfe in der NS-Zeit a) Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher Im November 1933 wurde das bis dahin geltende Recht durch das „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung" 194 neben den Vorschriften über die genannten Maßregeln, die seit dem VE 1909 regelmäßig zum Gegenstand der Entwürfe gemacht wurden, unter anderem um einen Straftatbestand der „Maßregelvollstreckungsvereitelung" erweitert. Der dem unverändert gelassenen § 257 RStGB angefugte § 257 a, der wie die entsprechenden Regelungen der vorherigen Entwürfe nur die Vereitelung der Maßregelvollstreckung und nicht die der Maßregelverhängung erfasste, lautete: Wer, abgesehen von den Fällen der §§ 120, 121, 122 a, 122b 1 9 5 , vorsätzlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen rechtskräftig angeordneten oder zugelassenen Maßregel der Sicherung und Besserung 196 ganz oder zum Teil vereitelt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar. Wird die Tat zugunsten eines Angehörigen begangen, so tritt Straffreiheit ein.

Mit dieser als Erfolgsdelikt ausgestalteten Vorschrift wurde für den Bereich der persönlichen Begünstigung erstmals der Begriff „vereitelt" in geltendes Recht eingeführt. In den 1934 veröffentlichten und von Schäfer, Wagner und Schafheutle erstellten Erläuterungen zum „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Besserung und Sicherung" wurde als „Vereitelung" i. S. des § 257 a jede Tätigkeit angesehen, „die dazu führt, daß die Vollstreckung der Maßregel ganz oder teilweise verhindert, hintertrieben, beeinträchtigt oder verzögert wird". 1 9 7 Die Straftat sollte nur dann vollendet sein, wenn die Vereitelungshandlung zur Folge hatte, „daß die Maßregel überhaupt nicht oder nicht in vollem Umfang oder nicht rechtzeitig oder nur stückweise vollstreckt wird

194

Reichsgesetzblatt 1 1933, S. 995 ff.

195

Befreiung bzw. Entweichenlassen von Gefangenen (§§ 120,121), Sicherungsverwahrten (§ 122 a), im Arbeitshaus Untergebrachten (§ 122 a), sonstigen auf behördliche Anordnung in einer Anstalt Untergebrachten (§ 122 b). 196 In den Erläuterungen von Schäfer/Wagner/Schafheutle, S. 205, wurde ausdrücklich betont, daß die Vorschrift des § 257 a auch im Hinblick auf die Entmannung gelte. 197

Schäfer/Wagner/Schafheutle,

S. 207; Hervorhebung von Verf.

54

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

oder daß die Vollstreckung erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Durchführung kommt, als es ohne das Eingreifen des Täters der Fall gewesen wäre." 198 Hieraus ergibt sich, daß der Begriff „vereitelt" - entgegen den Vorstellungen der Verfasser des VE 1909, die diesen Begriff erstmals zur Beschreibung der gesetzlichen Tathandlung verwendet hatten - auch als Verursachung einer Verzögerung interpretiert wurde. Darüber hinaus wurde § 346 Abs. 1 dahingehend geändert, daß als Beamter mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft wird, wer „vermöge seines Amtes zur Mitwirkung bei einem Strafverfahren oder bei der Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel der Sicherung und Besserung berufen ist und wissentlich jemand der im Gesetz vorgesehenen Strafe oder Maßregel entzieht". (Abs. 2: „Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter einem Monat ein.") Eine „Entziehung" i. S. des geänderten § 346 Abs. 1 sollte dann begangen sein, „wenn der Täter die Durchführung eines derartigen staatlichen Anspruchs rechtswidrig ganz oder teilweise vereitelt, verhindert oder hintertrieben hat." Im einzelnen sollte dies möglich sein „durch Unterlassen der Strafverfolgung, durch Herbeiführung eines Freispruchs oder einer Einstellung des Verfahrens oder der Ablehnung eines auf Verhängung einer Maßregel gerichteten Antrags, durch Bewirken einer milderen als der vom Gesetz verlangten Bestrafung, durch Unterlassen oder Verhindern der Vollstreckung einer rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel, oder wie sonst immer." 199 Den Erläuterungen läßt sich zwar nicht ausdrücklich entnehmen, ob bereits bei der Verursachung einer Verzögerung der Sanktionsverhängung ein tatbestandsmäßiges „entziehen" gegeben ist, da jedoch „entziehen" mit „vereiteln" gleichgesetzt wurde, kann dies unterstellt werden. Infolge der beschriebenen Neuerungen existierten nunmehr drei 200 die persönliche Begünstigung normierende Strafbestimmungen, die in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen erheblich voneinander abwichen. Während § 257 bereits verwirklicht und damit vollendet war, wenn dem Vortäter mit Strafentziehungsabsicht Beistand geleistet worden war, wobei genügen sollte, daß dieser Beistand

198

Schäfer/Wagner/Schafheutle,

S. 207.

199

Schäfer/Wagner/Schafheutle,

S.216f.

200

§ 258 sah bei bestimmten Vortaten für den seines Vorteils wegen handelnden Begünstiger die Bestrafung als Hehler vor; er bleibt hierbei mangels gesonderter Tathandlungsbeschreibung unberücksichtigt.

II. Entwürfe und Reformdiskussion im 20. Jahrhundert

55

geeignet war, die Vereitelung der Bestrafung zu bewirken 201 , mußte das nach § 257 a tatbestandsmäßige Verhalten zu einer teilweisen oder gänzlichen Vereitelung der Maßregelvollstreckung fuhren. Demgegenüber forderte § 346, der wie § 257 a als Erfolgsdelikt konzipiert war, daß der Beamte jemanden der gesetzlichen Strafe oder Maßregel entzieht, wobei dies sowohl im Hinblick auf die Sanktionsverhängung als auch auf die Sanktionsvollstreckung möglich war. Neben den genannten den objektiven Tatbestand betreffenden Abweichungen wiesen die drei Strafvereitelungsvorschriften auch Unterschiede im Bereich des subjektiven Tatbestandes auf. Nach § 257 a genügte Vorsatz in jeder Form und damit auch dolus eventualis, während dieser für § 346, wonach „wissentliches" 202 Entziehen erforderlich war, ebensowenig wie für § 257, wonach die Beistandsleistung wissentlich erfolgen und die Strafentziehung beabsichtigt sein mußte, ausreichte. b) Entwurf 1938 Der Entwurf 1938 bemühte sich, die durch die Einführung des § 257 a und Änderung des § 346 Abs. 1 bewirkten Ungereimtheiten im Bereich der persönlichen Begünstigung wieder zu beseitigen. Wie in allen vorherigen Entwürfen wurde die StrafVereitelung als Erfolgsdelikt ausgestaltet und von der Begünstigung tatbestandlich getrennt, wenn auch noch gemeinsam mit dieser im Abschnitt „Angriffe auf Rechtspflege und Verwaltung" des Teils „Angriffe auf die Rechtsordnung" in § 353 203 normiert. Verzichtet wurde 201

So die h. M., demgegenüber reichte nach a. A. jedes - auch ungeeignetes - Verhalten aus, sofern die erforderliche Begünstigungsabsicht gegeben war. Nach einer weiteren Ansicht mußte dagegen die Situation des Vortäters im Hinblick auf eine Bestrafung tatsächlich verbessert worden sein; vgl. zum Streitstand die Nachweise bei Binding, Lehrbuch I I 2, S. 655. 202

Von der Formulierung „wissentlich" in § 346 sollten beide Formen des dolus directus umfasst sein; vgl. Schröder, NJW 1962, 1037, 1039. 203 § 353: Wer wissentlich vereitelt, daß ein anderer wegen einer mit Strafe bedrohten Tat verfolgt, bestraft oder mit einer Maßregel der Sicherung, Besserung oder Heilung unterworfen wird, wird mit Gefängnis bestraft.

Ebenso wird bestraft, wer wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen rechtskrätig erkannten Strafe oder Maßregel der Sicherung, Besserung oder Heilung vereitelt. Wird die Tat zugunsten eines anderen an der Tat Beteiligten oder eines Angehörigen begangen, so kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern oder von Strafe absehen.

56

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

erneut auf eine Beschränkung der Vortaten auf Verbrechen und Vergehen, auf die Formulierung des „teilweisen" Vereiteins sowie auf eine Begrenzung des Strafrahmens durch den der jeweiligen Vortat. 204 Erstmals von einem Entwurf unter Strafe gestellt war die Vereitelung der Maßregelverhängung. Eine weitere Neuerung bestand darin, daß § 354 ein Absehen von Strafe oder eine Strafmilderung ermöglichte, wenn dies auch für die Vortat vorgesehen war. Darüber hinaus sah der Strafvereitelungstatbestand selbst die Möglichkeit des Absehens von Strafe bzw. der Strafmilderung vor, soweit die Tat zugunsten eines anderen Tatbeteiligten begangen wurde. Wie auch in den vorhergehenden Entwurfsbegründungen unterbleibt eine Erläuterung des Begriffs „vereitelt"; es wird lediglich erklärt, daß zur Vollendung der Tat - in Abweichung zum geltenden Recht - „die Vereitelung der Strafverfolgung bewirkt sein muß" 205 . Die jeweiligen Amtsdelikte wurden im Abschnitt „Verletzung der Dienstpflicht" des Teils „Angriffe auf die öffentliche Ordnung" eingeordnet. Sowohl in dem die Sanktionsverhängung betreffenden § 323 206 als auch in dem die Sanktionsvollstreckungsvereitelung regelnden § 324 207 waren die berufenen Amtsträger um Soldaten erweitert worden. Wesentliche Änderungen gegenüber den vorherigen Entwürfen sind jedoch nicht erfolgt.

Die Nichterwähnung der Versuchsstrafbarkeit folgt daraus, daß nach der Konzeption des Entwurfs nicht zwischen Versuch und Vollendung unterschieden wurde; nach § 7 wurde als Täter schon bestraft, wer die Tat beginnt, d. h. eine Handlung vornimmt, die sich nach seiner Vorstellung unmittelbar auf die Tatbestandsverwirklichung richtet. 204

Der zuletzt genannte Verzicht sollte allerdings nicht - wie in den frühen Entwürfen - die Eigenständigkeit der StrafVereitelung betonen, sondern die eigenständige Bewertung der Persönlichkeit des abzuurteilenden Täters gewährleisten; vgl. Begründung zum Ε 1938, S. 224. 205

Begründung zum Ε 1938, S. 223.

206

§ 323: Ein dienstlich zur Mitwirkung bei einem Strafverfahren berufener Amtsträger des Staates oder Soldat, der der absichtlich einen Schuldigen der Verfolgung, der Bestrafung oder der Anordnung einer im Gesetz vorgesehenen Maßregel der Sicherung, Besserung oder Heilung entzieht,... 207 g 324: Ein zur Mitwirkung bei der Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel der Sicherung, Besserung oder Heilung berufener Amtsträger des Staates oder Soldat, der es absichtlich unterläßt, eine Strafe oder Maßregel zu vollstrecken, die vollstreckt werden muß,...

II. Entwürfe und Reformdiskussion im 20. Jahrhundert

57

11. Die Weiterentwicklung nach 1945 a) Reformarbeiten

der Großen Strafrechtskommission

Die infolge der Gesetzesänderung 1933 aufgetretenen Widersprüche bei der Behandlung der Begünstigung blieben zunächst bestehen. Erst mit Beginn der Reformarbeiten der Großen Strafrechtskommission (1954) wurden erneut die (allseits) als verunglückt empfundenen Regelungen der §§ 257 ff. überarbeitet. Eine wichtige Grundlage für die Entwurfsausarbeitung der Großen Strafrechtskommission bildeten die „Gutachten der Strafrechtslehrer". Maurach, der die schon vom geltenden Recht vorgenommene Gruppierung nach geschützten Rechtsgütern im wesentlichen beibehalten wollte, schlug vor, die Strafvereitelung gemeinsam mit der sachlichen Begünstigung (und der Verkehrsunfallflucht) als typische, eine Vortat voraussetzende, Anschlußdelikte am Ende des Unterabschnitts „Straftaten gegen die Rechtspflege" 208 zu regeln 209 . Die Begünstigung im Amt sollte dem Unterabschnitt „Straftaten gegen die Reinheit der Amtsführung" des Abschnitts „Straftaten gegen den Staat" unterfallen. 210 Demgegenüber empfahl Schneidewin, der ebenfalls eine Abgrenzung der Abschnitte nach Rechtsgütern befürwortete, in seinem Gutachten über die Systematik des Besonderen Teils, die persönliche von der sachlichen Begünstigung zu trennen und nur die - besser als Strafvereitelung zu bezeichnende persönliche Begünstigung im Abschnitt „Angriffe auf die Rechtspflege" einzuordnen 211 . Für die sachliche Begünstigung schlug er vor, diese gemeinsam mit der Hehlerei im Abschnitt „Sachbegünstigung und Hehlerei" zu normieren 212. Die von Amtsträgern begangene Strafvereitelung sollte dem Abschnitt „Strafbare Handlungen gegen die Amts- und Berufspflichten" subordiniert werden 213 . In den späteren Sitzungen der Großen Strafrechtskommission (1958) wurde über verschiedene Fassungen des Strafvereitelungstatbestandes 214, der nach 208 Diesem Abschnitt übergeordnet sollte der Abschnitt „Straftaten gegen den Staat" des Teils „Straftaten gegen die Gesamtheit" sein; vgl. Maurach, Gutachten, S. 231, 240. 209

Maurach, Gutachten, S. 246.

210

Maurach, Gutachten, S. 246.

211

Schneidewin, Gutachten, S. 173, 197.

212

Schneidewin, Gutachten, S. 212 f.

213

Schneidewin, Gutachten, S. 190.

214 Die Tatbestände, die nach den Beschlüssen der Unterkommission vorgesehen waren, lauteten (Prot. GrStrK. Bd. 5, S. 242 f.):

58

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

einhelliger Ansicht den Rechtspflegedelikten unterzuordnen w a r 2 1 5 , beraten und abgestimmt. Die zur Diskussion stehenden Tatbestände unterschieden sich insofern von allen vorhergehenden Entwürfen, als sie erstmals den Tatbestand auf die Vereitelung von „Maßnahmen" ausdehnten und damit neben den Maßregeln auch Einziehung, Verfall und Unbrauchbarmachung erfaßten. Eine weitere Gemeinsamkeit

der

von

den beiden Unterkommissionen

ausgearbeiteten

Fassungen bestand darin, daß für die zugunsten eines Angehörigen begangene Tat zwingend Straffreiheit vorgesehen war.

§242 Strafvereitelung (1) Wer wissentlich vereitelt, daß ein anderer wegen einer von ihm begangenen rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme vereitelt. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) Hat der Täter als Amtsträger gehandelt, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten. § 243 Straflosigkeit der Strafvereitelung Die Strafvereitelung bleibt straflos, wenn sie zugunsten eines Angehörigen begangen wird. Im Falle des Absatzes 1 des § 242 bleibt sie auch dann straflos, wenn sie von einem an der Vortat Beteiligten begangen wird und das Strafverfahren gegen ihn wegen dieser Beteiligung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Demgegenüber sah der Vorschlag des Bundesjustizministeriums folgende Fassung vor: § 242 Strafvereitelung (1) Wer wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist und durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß die gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird. Das gilt nicht für den, der einen an der Vortat Unbeteiligten zur Strafvereitelung anstiftet. (5) Wird die Tat zugunsten eines Angehörigen begangen, so ist der Täter straffrei. 215

Prot. GrStrK. Bd. 6, S. 105. Streitig war dagegen die Einordnung der sachlichen Begünstigung, die zwar von der überwiegenden Ansicht ebenfalls als Rechtspflegedelikt aufgefaßt wurde, jedoch von anderen Kommissionsmitgliedern als Vermögensdelikt charakterisiert wurde; vgl. Prot. GrStrK. Bd. 6, S. 106 ff.

II. Entwürfe und Reformdiskussion im 20. Jahrhundert

59

In Abweichung zum Entwurf der Unterkommission schränkte die Sachverständigenkommission des Justizministeriums den Straflosigkeitsbereich bei Vortatbeteiligten ein 2 1 6 und erweiterte den Tatbestand um die Wendung „ganz oder zum Teil". Hierdurch sollte sichergestellt werden, daß auch die teilweise Vereitelung und damit auch die Verzögerung der Bestrafung oder Vollstreckung dem Straftatbestand unterfallen 217 . In den Beratungen blieb diese Erweiterung nicht unkritisiert. Insbesondere wurde die mit der Einfügung der teilweisen Vereitelung (zumindest aus der Sicht Sturms) verbundene Ausdehnung des strafbaren Verhaltens auf die Verursachung bloßer Verzögerungen als bedenklich empfunden 218. Diesem Einwand wurde jedoch entgegengehalten: „Ob eine Verzögerung der Bestrafung, Strafvollstreckung oder Vollziehung der Maßregel schon den Tatbestand erfüllt, ist eine problematische Frage. Sie deckt sich aber nicht mit derjenigen, ob auch die teilweise Vereitelung erfaßt werden soll." 219 Den beschriebenen Ausführungen läßt sich jedenfalls entnehmen, daß zumindest einige Mitglieder der Kommission auch die Verzögerung einer Sanktionsverhängung oder -Vollstreckung als Strafvereitelung qualifizierten. Ob diese Form der Strafvereitelung durch den Begriff der teilweisen Vereitelung gedeckt werden sollte, läßt sich mangels weiterer Ausführungen dazu zwar nicht eindeutig feststellen; da jedoch sowohl in den früheren als auch in den späteren Entwürfen das Merkmal der „teilweisen Vereitelung" anders ausgelegt wurde, ist dies nicht anzunehmen. Beschlossen wurde am Ende dieser Beratung folgende Fassung:220 §242 Strafvereitelung (1) Wer wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. 216 Die entsprechende Regelung des Unterkommissionsentwurfs wurde von den Sachverständigen abgelehnt, da sie insgesamt zu starr sei und die Selbstbegünstigung als den sachlichen Grund der Straffreiheit nicht hinreichend deutlich betone. Prot. GrStrK., S. 332. 217

So die Erläuterung der Vorschläge des Justizministeriums durch Sturm; Prot. GrStrK., S. 111. 218

So die Bundesrichterin Dr. Kojfka (Prot. GrStrK., S. 112), die ihre Bedenken anhand eines Beispiels, in dem ein Zeuge durch Nichterscheinen eine Terminverschiebung verursachte, verdeutlichte. 219

So Schafheutie (Prot. GrStrK., S. 112), der ebenfalls das Justizministerium vertrat.

220

Prot. GrStrK. Bd. 6, S. 340.

60

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung (2) Ebenso wird bestraft, wer wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) 1. Alternative: Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst wegen Beteiligung an der Vortat bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß die gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird. Das gilt nicht für den, der einen an der Vortat Unbeteiligten zur Strafvereitelung anstiftet. 2. Alternative: Satz 2 entfällt. (5) 1. Alternative: Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei. Das gilt nicht für den, welcher einen anderen zur Strafvereitelung anstiftet, der weder sein Angehöriger noch an der Vortat beteiligt ist. 2. Alternative: Satz 2 entfällt.

Die Formulierung „wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft" (Abs. 1) wurde kritisiert, da sie nicht hinreichend verdeutliche, daß die Vortat tatsächlich begangen sein müsse, sondern sogar den Fall - zumindest vom Wortlaut - umfasse, daß die Bestrafung eines Unschuldigen vereitelt werde, darüberhinaus erfasse die Formulierung auch die Vereitelung der Einziehung zulasten eines Tatunbeteiligten. Vorgeschlagen wurde daher die Wendung „von ihm begangenen" (rechtswidrigen Tat) einzufügen. 221 b) Entwurf 1959 Die genannte Fassung des § 242 wurde in ihrer zweiten Alternative wörtlich vom Entwurf 1959, der auf den Beschlüssen der Großen Strafrechtskommission in erster Lesung beruhte, für den Tatbestand der Strafvereitelung in § 453 übernommen 222. Ebenfalls unter dem Titel „Gefährdung der Rechtspflege" des Abschnitts „Straftaten gegen den Staat und seine Ordnung" 223 wurde direkt im

221

Vgl. Prot. GrStrK. Bd. 6, S. 111 ff.; Bd. 13, S. 692.

222

Lediglich in Abs.l wurde dem Begriff Maßnahme der Klammerzusatz „(§ 12 Nr. 5)" angefügt. 223

Dagegen wurde die sachliche Begünstigung dem Titel „Hehlerei und Begünstigung" des Abschnitts „Straftaten gegen das Vermögen" subordiniert.

II. Entwürfe und Reformdiskussion im 20. Jahrhundert

61

Anschluß an das Allgemeindelikt in § 4 5 4 2 2 4 die Strafvereitelung i m A m t normiert m i t der Besonderheit, daß auf Straffreiheit ausdrücklich verzichtet w u r d e

225

bei

Angehörigenbegünstigung

.

c) Entwurf

1960

A u c h v o m E n t w u r f 1960 wurde die Strafvereitelung (§ 4 4 7 ) 2 2 6 sowie das entsprechende Amtsdelikt (§ 4 4 8 ) 2 2 7 unter dem Titel „Gefährdung der Rechtspflege" i n den Abschnitt „Straftaten

gegen den Staat und seine

Einrichtungen"

eingeordnet 2 2 8 . Die tatbestandliche Ausgestaltung der beiden

Vorschriften

entspricht bereits weitgehend der heute geltenden Fassung der StrafVereitelung

224

§ 454 (1) Ist im Falle des § 453 Abs. 1 der Täter als Amtsträger zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren oder dem Verfahren zur Anordnung der Maßnahme (§ 12 Nr. 5) oder ist er im Falle des § 453 Abs. 2 als Amtsträger zur Mitwirkung bei der Vollstreckung der Strafe oder der Maßnahme berufen, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten, in minder schweren Fällen Gefängnis bis zu drei Jahren. (2) § 453 Abs. 5 ist nicht anzuwenden. 225

Dieser Verzicht beruhte auf den Vorschlägen der Sachbearbeiter des Justizministeriums; vgl. Prot. GrStrK. Bd. 10, S. 499. 226

§ 447 (1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 5) unterworfen wird, wird mit Gefängnis bis zu fünf Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt. (3) Die Strafe darf nach Art und Maß nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe. (4) Der Versuch ist strafbar. (5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst wegen Beteiligung an der Vortat bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird, oder daß die gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird. (6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei. 227

§ 448 (1) Ist im Falle des § 447 Abs. 1 der Täter als Amtsträger zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren oder dem Verfahren zur Anordnung der Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 5) oder ist er im Falle des § 447 Abs. 2 als Amtsträger zur Mitwirkung bei der Vollstreckung der Strafe oder der Maßnahme berufen, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten, in minder schweren Fällen Gefängnis bis zu drei Jahren. (2) § 447 Abs. 3, 6 ist nicht anzuwenden. 228

Die Einordnung der sachlichen Begünstigung entsprach der des Ε 1959.

62

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

und der Strafvereitelung im Amt. In Abänderung des vorhergehenden Entwurfs wurde der subjektive Tatbestand dahingehend erweitert, daß neben der „absichtlichen" auch die „wissentliche" Vereitelung in Betracht kam. 229 Eine weitere Abweichung bestand darin, daß in Anlehnung an § 257 und an die Entwürfe 1919 bis 1930 erneut der Strafrahmen der Strafvereitelung durch den der Vortat begrenzt wurde 230 . Darüber hinaus wurde der Wortlaut um die Wendung „dem Strafgesetz gemäß" - die sich auf die zu vereitelnde Bestrafung wegen einer rechtswidrigen Tat bezog - erweitert, um so sicherzustellen, daß StrafVereitelung nur bei einer wirklich begangenen und vor allem einen Strafanspruch begründenden Vortat in Betracht kommt. 231 Zwar war die versuchte StrafVereitelung im Amt weder ausdrücklich mit Strafe bedroht noch als Vergehen nach den allgemeinen Bestimmungen (§§27, 12 Ε 1960) strafbar, da jedoch bezüglich dieser erheblichen Abweichung von dem damals geltenden Recht sowie der vorhergehenden Entwürfe der Begründung nichts zu entnehmen ist, kann unterstellt werden, daß insoweit ein Versehen vorliegt und an einer Versuchsstrafbarkeit festgehalten werden sollte oder aber davon ausgegangen wurde, daß die Anordnung der Versuchsstrafbarkeit in § 447 Abs. 4 auch fur das unechte Amtsdelikt des § 448 gelte. Zur Erläuterung des Begriffs „Vereitelung" wird in der Begründung ausgeführt, daß dieses Merkmal nicht erst dann erfüllt sei, „wenn der staatliche Strafanspruch, ζ. B. wegen Verjährung, nicht mehr verwirklicht werden kann, sondern schon dann, wenn er infolge des Verhaltens des Täters für geraume Zeit nicht verwirklicht worden ist." 232 Teilweise Vereitelung, die ebenfalls zur Vollendung der Straftat ausreichte, sollte u.a. dann in Betracht kommen, wenn der Vortäter nur wegen eines Vergehens statt wegen eines Verbrechens verurteilt oder der Verfall nur hinsichtlich eines Teils des strafbar erlangten Gewinns angeordnet wurde. 233

229

Dolus eventualis sollte damit entgegen der geltenden Regelung in § 257 a ausgeschlossen sein; vgl. Begründung zum Ε 1960, S. 588. 230

Allerdings wurde bei der Strafvereitelung im Amt ausdrücklich auf eine solche Strafrahmenbegrenzung verzichtet, da der Unrechtsgehalt dieses Amtsdeliktes nicht allein von der Vortat, sondern auch von der Schwere der Dienstpflichtverletzung abhängt; vgl. Begründung zum Ε 1960, S. 589. 231

Damit sind die Einwände berücksichtigt worden, die bereits während der Beratungen der Großen Strafrechtskommission geäußert wurden, wenn auch nach wie vor die Vereitelung von Maßnahmen (Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung) gegen Vortatunbeteiligte erfaßt war; vgl. Begründung zum Ε 1960, S. 587. 232

Begründung zum Ε 1960, S. 587.

233

Begründung zum Ε 1960, S. 587.

II. Entwürfe und Reformdiskussion im 20. Jahrhundert

63

d) Entwurf 1962 Die zuvor beschriebenen Tatbestände wurden vom Entwurf 1962 unverändert in den §§ 447,448 übernommen. 234 e) EGStGB 1974 Mit dem EGStGB vom 2.3.1974 sind die StrafVereitelungstatbestände endgültig umgestaltet und - zumindest im Hinblick auf ihre abweichenden tatbestandlichen Anforderungen - harmonisiert worden. Die Strafvereitelung wurde zwar - wie auch in allen früheren Entwürfen tatbestandlich von der (sachlichen) Begünstigung getrennt, aber entgegen der Systematisierung der vorhergehenden Entwürfe nicht bei den Rechtspflegedelikten eingeordnet, sondern nach wie vor gemeinsam mit der Begünstigung und der Hehlerei in dem Abschnitt „Begünstigung und Hehlerei" in § 258 geregelt. 235 Die Bestimmung des § 258 unterschied sich lediglich im Bereich des Strafrahmens, der mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Gelstrafe angegeben war, von der des § 447 Ε 1962. Dieser Vorschrift wurde das unechte Amtsdelikt der StrafVereitelung im Amt § 258 a direkt angefügt. In Abweichung vom Ε 1962 war die Strafbarkeit der versuchten Strafvereitelung im Amt in § 258 a Abs. 2 ausdrücklich angeordnet und die angedrohte Strafe auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu bis zu fünf Jahren und in minder schweren Fällen auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Gelstrafe herabgesetzt worden. Nicht nur die Tatbestandsfassung selber, sondern auch die Begründung entsprach im wesentlichen der der Entwürfe 1960 und 1962, insbesondere sollte auch bei § 258 das Merkmal der Vereitelung bereits dann erfüllt sein, wenn infolge des Verhaltens des Täters der staatliche Strafanspruch für geraume Zeit nicht verwirklicht worden ist. 236 12. Fazit Die vorstehende Untersuchung der Reformbestrebungen des 20. Jahrhunderts hat zunächst gezeigt, daß die Verfasser des Vorentwurfs von 1909, auf den die

234

Auch die Begründung (S. 630 ff.) des Ε 1962 deckt sich mit der des Ε 1960.

235

Dies ist in erster Linie darauf zurückzufuhren, daß das EGStGB den Besonderen Teil nicht neu systematisierte; vgl. Blei, BT § 109 II, S. 429, und Vormbaum, S. 385. 236

BT-DS 7/550, S. 249.

64

Β. Geschichtliche Entwicklung der Strafvereitelung

heutige Fassung des § 258 zurückzuführen ist und der erstmals die persönliche von der sachlichen Begünstigung trennte und auch erstere bereits unter der Bezeichnung „Strafvereitelung" als Erfolgsdelikt ausgestaltete, die Verursachung bloßer Verzögerungen gerade nicht als vollendete Strafvereitelung erfassen wollten. Vielmehr wurde bewußt und mit überzeugender und ausführlicher Begründung auf die Einführung eines sog. „Strafjustizvereitelungstatbestandes", der neben der Verzögerung der Bestrafung auch bereits die Verzögerung einzelner Strafverfolgungsmaßnahmen unter Strafe stellte, verzichtet, weil für die strafrechtliche Sanktionierung der bloßen Hemmung der Strafverfolgung kein Bedürfnis gesehen wurde. Verhaltensweisen, die die Bestrafung des Vortäters lediglich verzögerten, sollten allenfalls als versuchte Strafvereitelung verfolgbar seien, sofern der Vorsatz des Begünstigers auf eine endgültige Verhinderung der Bestrafung gerichtet war. Demgegenüber finden sich in den Begründungen der dem VE 1909 nachfolgenden Entwürfe keine Erläuterungen des Begriffs „Vereiteln" oder Stellungnahmen zu der hier interessierenden Frage der Tatbestandsmäßigkeit bloßer Verzögerungen, sondern nur die stereotype Wendung, daß in Abweichung zum geltenden Recht (§ 257 a. F.), wonach das Delikt der persönlichen Begünstigung bereits mit einem auf Strafentziehung gerichteten Beistandleisten vollendet sei, eine vollendete Strafvereitelung erst dann in Betracht komme, wenn „die Bestrafung wirklich ganz oder teilweise vereitelt" worden sei. Auch die im Entwurf 1913 erstmals normierte Möglichkeit einer „teilweisen" Vereitelung sollte den Anwendungsbereich des Tatbestandes nicht auf zeitlicher Ebene erweitern, sondern nur klarstellen, daß auch die zu milde Bestrafung als vollendete Strafvereitelung anzusehen ist. Erst in der Begründung zum Entwurf 1960 findet sich eine Definition des Merkmals „Vereiteln", wonach diese Voraussetzung bereits dann erfüllt ist, wenn der staatliche Strafanspruch infolge des Verhaltens des Täters für „geraume Zeit" nicht verwirklicht worden ist. Diese Begründung geht damit wie selbstverständlich davon aus, daß zum einen bereits eine Verzögerung tatbestandsmäßig und zum anderen an die Dauer der Verzögerung der Maßstab der „geraumen Zeit" anzulegen ist. Warum sich dies aus der Tatbestandsfassung ergeben soll, die ebenso wie die des VE 1909 nur die Vereitelung der Bestrafung nennt, wird an dieser Stelle ebenso wenig erklärt oder begründet wie in der amtlichen Begründung des EGStGB von 1974, in der die genannte Auslegung des Merkmals „Vereiteln" wörtlich übernommen wird. Als Ergebnis ist damit festzuhalten, daß die Verfasser des VE von 1909 und auch ihre Kritiker ebenso selbstverständlich von der Nichteinbeziehung bloßer

II. Entwürfe und Reformdiskussion im 20. Jahrhundert

65

Verzögerungen in den Strafbereich des Strafvereitelungstatbestandes ausgingen wie die Verfasser des Entwurfs von 1960 und des EGStGB von 1974 von der gegenteiligen Auffassung. Wenn man ferner berücksichtigt, daß die Verfasser des VE 1909 nach ausfuhrlicher Begründung bewußt den Begriff „Vereiteln" gewählt haben, um die Tatbestandsmäßigkeit bloßer Verzögerungen auszuschließen, dann wäre die gegenteilige Auslegung dieses Begriffs durch spätere Kommissionen zumindest begründungsbedürftig gewesen. Ohne jegliche Begründung ist diese Interpretation vor dem historischen Hintergrund nicht überzeugend.

C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung In diesem Kapitel soll die obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung, soweit sie zur sog. „Strafvereitelung auf Zeit" Stellung nimmt, daraufhin untersucht werden, ob sie eine tragfähige Begründung für die Einbeziehung bloßer Verzögerungen in den Anwendungsbereich des § 258 anbietet. Im Rahmen dieser Untersuchung ist auch von Interesse, bei welchen Fallkonstellationen sich die Frage nach der Tatbestandsmäßigkeit der lediglich verzögerten „Bestrafung" stellt. Daher sollen die den Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte - soweit diese mitgeteilt werden - kurz skizziert werden, bevor im Anschluß daran eine Überprüfung der Erfolgsbestimmung sowie der dafür gelieferten Begründung erfolgt. I . Die Erfolgsbestimmung durch die Rechtsprechung nach der Neufassung des § 258 A u f der Grundlage des geänderten Strafvereitelungstatbestandes sind bislang nur wenige höchstrichterliche oder obergerichtliche Entscheidungen ergangen, die sich um eine Definition des Erfolges und damit um eine genaue Bestimmung des Vollendungszeitpunktes bemühen. Diese Judikate werden im folgenden in chronologischer Reihung durchgemustert. 1. Am 17.5.1976 erging mit dem Urteil des OLG Stuttgart 237 die erste obergerichtliche Entscheidung, die anhand der geänderten Fassung des § 258 überprüfte, unter welchen Voraussetzungen eine Bestrafung wegen vollendeter Strafvereitelung in Betracht kam. In dem zur Entscheidung stehenden Fall hatte ein Strafverteidiger seinem zuvor aus der Untersuchungshaft geflohenen und zu diesem Zeitpunkt bereits in Frankreich befindlichen Mandanten sein Auto zur Verfügung gestellt, um diesem „für eine gewisse Zeit" die ihm drohende Untersuchungshaft zu ersparen. Mit dem Wagen des Verteidigers fuhr der entflohende Mandant zunächst von Frankreich nach Spanien. Als er von dort ca. zehn Tage später mit dem Wagen in die Bundesrepublik zurückkehrte, wurde er erneut festgenommen. 237

OLG Stuttgart, Die Justiz 1976, 439 f.

I. Die Rechtsprechung zu § 258 η. F.

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Entgegen der Auffassung des Instanzgerichtes, wonach weder der Tatbestand des § 257 (a. F.) noch der des § 258 verwirklicht wurde, sah das OLG Stuttgart in dem Verhalten des Verteidigers sowohl ein vollendetes „Entziehen" i. S. des § 257 (a. F.) als auch ein vollendetes „Vereiteln" i. S. des neugefaßten Tatbestandes. Zur Begründung wird in der Entscheidung die bisherige Rechtsprechung angeführt. Danach wird der Vortäter der gesetzlichen Strafe schon dann entzogen, wenn der Begünstiger bewirkt, daß der staatliche Strafanspruch „mindestens für eine geraume Zeit" unverwirklicht bleibt. Insbesondere stehe der Vollendung des Entziehens auch nicht entgegen, daß der Vortäter nach Ablauf einer geraumen Zeit durch Umstände, die außerhalb des Willens des Begünstigers liegen, doch noch der gesetzlichen Strafe zugeführt werde. 238 Zur Erläuterung des Terminus „geraume Zeit" wird lediglich festgestellt, daß der Zeitraum von zehn Tagen, in denen der staatliche Strafanspruch aufgrund der „Beistandleistung" des Verteidigers nicht verwirklicht werden konnte, nicht so kurz sei, daß er nicht mehr als „geraume Zeit" i. S. der bisherigen Rechtsprechung angesehen werden könne. Das Merkmal „Vereiteln" wird jedoch nicht anhand der geläufigen Auslegungsmethoden interpretiert; vielmehr setzt das OLG diesen Begriff lediglich dem des „Entziehens" der ehemaligen Fassung gleich und stellt ohne weitere Ausführungen fest, daß das Verhalten des Verteidigers auch den neugeschaffenen Strafvereitelungstatbestand erfüllt. 239 Diese Entscheidung des OLG Stuttgart ist in mehrfacher Hinsicht zu beanstanden: Zwar mag es zulässig sein, einen Zeitraum von 10 Tagen unter das „Kriterium" der „geraumen Zeit" zu subsumieren, nicht haltbar ist jedoch die These des OLG, die Beistandsleistung des Verteidigers habe die „Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs" und damit die in § 257 a.F. und § 258 genannte „Bestrafung" um 10 Tage verzögert. Davon hätte das OLG nämlich nur dann ausgehen können, wenn die Überlassung des Wagens tatsächlich zu einer Verzögerung der Strafverhängung oder -Vollstreckung geführt hätte. Dazu fehlen in der Entscheidung jedoch jegliche Feststellungen. Denn es ist nicht ersichtlich, daß ohne das Verhalten des Verteidigers eine Verurteilung des Täters oder auch nur dessen Festnahme früher erfolgt wäre. Bereits aus diesem Grund tragen die getroffenen Feststellungen - selbst bei Zugrundelegung der Rechtsansicht des Senats - eine Verurteilung des Verteidigers wegen vollendeter Strafvereitelung nicht.

51

238

OLG Stuttgart, Die Justiz 1976, 439.

239

OLG Stuttgart, Die Justiz 1976, 439, 440.

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C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

Aber auch eine Strafbarkeit wegen versuchter Strafvereitelung (§§258 Abs. 4, 22) oder vollendeter persönlicher Begünstigung (§ 257 a.F.) wäre nach den Ausfuhrungen zum subjektiven Tatbestand nicht in Betracht gekommen. Nach den in der Entscheidung mitgeteilten - widersprüchlichen - Feststellungen des Tatrichters, hat der Verteidiger einerseits gewußt, daß sein Mandant alsbald in die Bundesrepublik zurückkehren werde, andererseits aber auch billigend in Kauf genommen, daß er dies nicht tun werde. Selbst wenn man dem Verteidiger daher dolus eventualis bezüglich eines dauerhaften Verbleibs seines Mandanten im Ausland und damit auch hinsichtlich einer entsprechenden dauerhaften Verzögerung der Verurteilung zur Last legen könnte, hätte dies nicht ausgereicht, um die Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes des § 257 a. F. oder die des § 258 zu bejahen. Nach dem Wortlaut beider Vorschriften muß im Hinblick auf die Verzögerung der Bestrafung - sofern man eine solche ausreichen lassen will - entweder Absicht oder aber sicheres Wissen gegeben sein; der lediglich bedingte Vorsatz reicht insoweit nicht aus. Eine entsprechende Absicht ließ sich hier auch nicht damit begründen, daß der Verteidiger seinem Mandanten für eine gewisse Zeit die diesem drohende Untersuchungshaft ersparen wollte, weil die damit zwar gegebene Absicht sich eben nicht auf eine Verzögerung der Bestrafung, sondern allenfalls auf die Verzögerung dieser bloßen Strafverfolgungsmaßnahme bezog. 240 Aus den genannten Gründen hätte der Verteidiger - wie auch von der Vorinstanz zutreffend erkannt - freigesprochen werden müssen. 2. Wenig später, am 9.11.1976, erging das erste Urteil des BGH zum neugefaßten Strafvereitelungstatbestand. 241 Der BGH hob die Verurteilung eines Staatsanwaltes, der auf Grund säumiger Aktenbearbeitung vom LG Kiel wegen vollendeter und versuchter StrafVereitelung im Amt (§§ 258, 258 a, 13) verurteilt worden war, auf und sprach den Angeklagten frei. Der Angeklagte hatte nach den Feststellungen des Landgerichts 242 in einem Zeitraum von 10 bis 23 Monaten ihm vorliegende Akten unbearbeitet gelassen 240 Eine derartige Absicht reichte auch nach der früheren Rechtsprechung nur dann aus, wenn durch die Verzögerung oder Verhinderung der einzelnen StrafVerfolgungsmaßnahme zugleich die Strafverhängung oder -Vollstreckung verzögert werden sollte; vgl. dazu insbesondere BGH 1 StR 431/55 und BGH 1 StR 486/61. In beiden Entscheidungen wird ausdrücklich daraufhingewiesen, daß eine allein auf die Verzögerung oder Verhinderung der Untersuchungshaft gerichtete Absicht zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes des § 257 a. F. nicht ausreicht. 241

BGH, DRiZ 1977, 87 f.

242

LG Kiel, DRiZ 1976, 217 f.

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und hatte es zudem unterlassen, seine Vorgesetzten über die Rückstände zu informieren; infolge dieser Untätigkeit soll er die Vortäter für „geraume Zeit" der Bestrafung entzogen haben. Zwar wurde ihm die Nichtbearbeitung der Akten nicht als pflichtwidriges Unterlassen vorgeworfen, weil ihm trotz des erheblichen Arbeitsaufwandes 243 eine ordnungsgemäße Bearbeitung gar nicht möglich gewesen war; wohl aber wurde ihm angelastet, daß er es unterlassen hatte, seine Vorgesetzten zu benachrichtigen. Diese hätten ihrerseits Maßnahmen zur Verhinderung der drohenden Verzögerung der Bestrafung treffen können. Diese Information sei ihm als rechtlich gebotenes Handeln nicht nur möglich, sondern trotz etwaiger nachteiliger Folgen für eine Beförderung auch zumutbar gewesen. Weiterhin wisse ein Staatsanwalt, daß monatelange Untätigkeit bei der Strafverfolgung zur „zeitweisen" Strafvereitelung führe; wenn er gleichwohl die gebotene Handlung unterlasse, obwohl er den Erfolg sicher voraussehe, habe er auch dann den Willen zur Tatbestandsverwirklichung, wenn er davon ausgehe, die Vortäter doch noch eines Tages der Bestrafung zuzuführen. 244 Obwohl das Landgericht in Übereinstimmung mit den Sachverständigen davon ausging, daß bei dem Angeklagten in dem Tatzeitraum „ernsthafte psychische Störungen" vorgelegen hatten, erschien es der Kammer zweifelhaft, ob diese so massiv gewesen waren, daß sie als schwere seelische Abartigkeit i. S. des § 20 dem Angeklagten die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit genommen hatten, weil dieser sein umfangreiches Dezernat überwiegend sachgerecht bearbeitet und Sitzungsdienste „unauffällig" wahrgenommen hatte. Gleichwohl sah sich die Kammer wegen „letzter nicht überwindbarer Zweifel" nicht in der Lage, zumindest die verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 auszuschließen. Der BGH räumte zwar ein, daß der Angeklagte durch sein Unterlassen „erhebliche Verzögerungen" verursacht und dadurch die Vortäter in einigen Fällen der Bestrafung für „geraume Zeit" entzogen habe.245 Allerdings könne ihm insoweit weder Absicht noch sicheres Wissen unterstellt werden, denn er habe die Akten immer bearbeiten wollen und auch immer geglaubt, dies noch schaffen zu können. 246 243

Diesbezüglich wird angeführt, daß der Angeklagte nicht nur das umfangreichste, sondern auch ein sehr schwieriges Dezernat hatte, daß er dabei „einer der ersten (war), der auf die Behörde kam, und meist der letzte, der ging", und daß er zudem seine Urlaubszeit zum größten Teil darauf verwendete, Reste aufzuarbeiten; LG Kiel, DRiZ 1976, 217. 244

LG Kiel, DRiZ 1976, 217.

245

Da in den Entscheidungsgründen des LG Kiel daraufhingewiesen wird, daß nur in fünf Fällen die Verfahren eingestellt wurden, kann davon ausgegangen werden, daß in den übrigen Fällen eine Verurteilung der Vortäter erfolgte. 246

BGH, DRiZ 1977, 87, 88.

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C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

Auch der BGH erläutert den Begriff „Vereiteln" nicht. Er stellt nur fest, daß eine Strafvereitelung schon dann vollendet ist, wenn der Vortäter für „geraume Zeit" der Bestrafung entzogen wird. Eine Konkretisierung des Terminus „geraume Zeit" unterbleibt ebenfalls; den Entscheidungsgründen läßt sich nur entnehmen, daß dieses „Merkmal" jedenfalls bei „erheblichen Verzögerungen" verwirklicht sein soll. 3. Die nächste Entscheidung war ein Beschluß des OLG Bremen vom 4.12.1980. Darin wurde die Frage des Vollendungszeitpunktes der StrafVereitelung nur am Rande berührt, da in erster Linie zu klären war, unter welchen Voraussetzungen der Täter des § 258 unmittelbar zur Tatbestands Verwirklichung ansetzt. 247 Der Beschluß betraf folgenden Sachverhalt: Ein Verteidiger hatte vergeblich versucht, eine (mögliche Belastungs-) Zeugin in dem Verfahren gegen seinen Mandanten zu einer falschen Aussage zugunsten des Beschuldigten zu beeinflussen, damit dieser entweder gar nicht erst angeklagt oder aber freigesprochen werden würde. Das OLG zog aus der Gegenüberstellung des neuen, als Erfolgsdelikt ausgestalteten Vereitelungstatbestandes mit dem früheren, als Unternehmensdelikt konzipierten Begünstigungstatbestand, der der Sache nach auch Versuchshandlungen umfaßte, den Schluß, daß für die StrafVereitelung die Aburteilung des Vortäters „endgültig verhindert oder um geraume Zeit verzögert" worden sein müsse. Eine Strafbarkeit des Verteidigers wegen (gemeinschaftlich mit der Zeugin) versuchter Strafvereitelung oder wegen Anstiftung bzw. Beihilfe zur versuchten Strafvereitelung (der Zeugin) wurde wegen fehlenden unmittelbaren Ansetzens verneint. Frühestens mit Beginn der Aussage der Zeugin (im Verlauf des weiteren Ermittlungsverfahrens oder in der Hauptverhandlung) hätte der staatliche Strafanspruch - als das durch § 258 geschützte Rechtsgut - als unmittelbar gefährdet gelten können. Beachtenswert ist diese Entscheidung zum einen deshalb, weil sie ausdrücklich darauf abstellt, daß es die „Aburteilung" des Vortäters ist, die engültig verhindert oder verzögert werden muß. Zum anderen zeigt der Umstand, daß (ohne Not) auch die bloße Verzögerung der Verurteilung als ausreichender Erfolg genannt wird, obwohl bei der vorliegenden Fallkonstellation eine solche auch bei einer entlastenden Aussage der Zeugin weder eingetreten wäre 248 noch von dem

247 248

OLG Bremen, NJW 1981, 2711.

Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß eine entlastenden Falschaussage der Zeugin z. B. eine umfangreichere Beweisaufnahme und damit eine mögliche Verzögerung der Verurteilung zur Folge gehabt hätte.

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Verteidiger überhaupt beabsichtigt war, wie selbstverständlich das OLG von der Tatbestandsmäßigkeit der Verzögerung um geraume Zeit ausgeht. 4. Mit dem gleichen Argument judizierte der BGH in seinem nur als Leitsatz mitgeteiltem Beschluß vom 25.2.1981 249 , die vollendete Strafvereitelung setze nicht nur voraus, daß der Taterfolg beabsichtigt, sondern auch, daß er tatsächlich eingetreten sei. Hierfür reiche es allerdings aus, daß der Vortäter zwar nicht endgültig, aber doch „geraume Zeit" der Bestrafung entzogen worden sei. 5. Gleichfalls ohne weitere Ausführungen zum Strafvereitelungserfolg stellte das OLG Köln in seinem Urteil vom 18.3.1981 fest, daß die Voraussetzungen des § 258 a auch dann erfüllt seien, wenn der Strafanspruch für geraume Zeit unverwirklicht bleibe. 250 Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Polizeihauptmeister auf Probe hatte mehrfach beobachtet, daß an Jugendliche durch den X Haschisch veräußert wurde, und es unterlassen, diese privat gemachten Wahrnehmungen „unverzüglich" zu melden. Das OLG hob die Verurteilung des Polizeibeamten wegen Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen auf und verwies die Sache zurück, da insbesondere Feststellungen darüber fehlten, ob sich die Verwirklichung des Strafanspruchs durch das Verhalten des Polizeibeamten tatsächlich um geraume Zeit verzögert habe. 251 6. Ohne nähere Ausführungen zur Tabestandsmäßigkeit einer bloßen Verzögerung nahm das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 6.3.1981 2 5 2 eine vollendete Strafvereitelung durch „Verstecken" des Vortäters an. In dem zu beurteilenden Fall hatte der Angeklagte seinen aufgrund eines Haftbefehls zur Festnahme ausgeschriebenen Bekannten über einen Zeitraum von ca. drei Monaten in seiner Wohnung aufgenommen und ihm dort bis zu dessen Ergreifung Unterkunft gewährt. Der Senat näherte sich der Auslegung des Vereitelungsbegriffs zunächst negativ, indem er feststellte, daß nicht jedes „schlichte Beherbergen" einer durch Haftbefehl gesuchten Person den Tatbestand der Strafvereitelung erfülle, da ansonsten eine Abweisungspflicht gegenüber Straftätern und damit im Ergebnis ein Gebot zur aktiven Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden begründet

249

BGH bei Holtz, MDR 1981, 631.

250

OLG Köln, NJW 1981, 1794.

251

Weiterhin fehlten Feststellungen zur Begründung der Garantenstellung, die für die Fälle privat erlangter Kenntnis von Straftaten auch nur unter besonderen (im einzelnen näher genannten) Voraussetzungen angenommen werden könnte. 252

OLG Stuttgart, NJW 1981, 1569 f.

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C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

würde 253 . Eine Strafvereitelung komme aber dann in Betracht, wenn dem Flüchtigen eine Wohnung als „Versteck" gewährt werde, wobei als Versteck derjenige Ort anzusehen sei, wo niemand den Gesuchten vermute oder wo sich dieser im Hinblick auf Fahndungsmaßnahmen verborgen halten könne. 254 Zudem müsse der Täter solche zur Förderung der Flucht geeigneten Momente „im Auge haben", um nach § 258 strafbar zu sein. Unabhängig davon, daß diese Auslegung eine fallbezogene ist und die vorgenommene Abgrenzung zwischen straflosem „Beherbergen" und strafbarem „Verstecken" i. E. allein von der suggestiven Kraft des Wortes „Versteck" lebt, trägt sie auch das Ergebnis der Entscheidung nicht. Der Senat bejahte entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung eine tatbestandsmäßige vollendete Strafvereitelung, obwohl - jedenfalls nach den in der Entscheidung mitgeteilten Feststellungen - unklar geblieben ist, ob der Gesuchte ohne Obdachgewährung früher festgenommen oder gar verurteilt worden wäre. Darüber hinaus ist auch die Qualität der Wohnung als „Versteck" fraglich: eben dort wurde der Gesuchte offensichtlich dann doch vermutet und letztlich auch festgenommen. Schließlich werden in den Entscheidungsgründen auch objektive und subjektive Tatbestandsvoraussetzungen in unklarer Weise vermengt. Dies gilt in erster Linie für die vom OLG gewählte Formulierung, der Täter müsse die zur Flucht geeigneten Momente im Auge haben. Diese Formulierung ist bereits im Hinblick auf den objektiven Tatbestand des § 258 verfehlt, da das Verhalten des StrafVereitelers - im Unterschied zum früheren Begünstigungstatbestand § 257 a. F. nicht lediglich geeignet sein muß, die Flucht und damit zumindest auch die Verzögerung der Bestrafung zu fördern, sondern es muß die Verzögerung der Bestrafung - sofern man dies für den Erfolg bereits ausreichen lassen will tatsächlich bewirken. Entsprechendes gilt aber auch hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes. Denn selbst wenn man davon ausgeht, daß der Obdachgewährende die zur Förderung der Flucht geeigneten Momente im Auge hatte und damit um die entsprechende Eignung seines Verhaltens wußte, reicht dies nicht aus, um einen ausreichenden dolus directus hinsichtlich der Vereitelung der Bestrafung zu begründen. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 258 muß der Strafvereiteier entweder sicher wissen oder aber beabsichtigen, daß durch sein Verhalten die Bestrafung 253

Bereits diese Schlußfolgerung ist verfehlt, da das Verbot, den Vortäter (durch positives Tun) zu beherbergen, zwar möglicherweise auf eine Abweisung des Straftäters hinausläuft, aber eben nicht gleichzeitig die Verpflichtung zur aktiven Mitwirkung an der Strafverfolgung begründet. 254

Vgl. hierzu die kritische Anmerkung von Frisch, JuS 1983, 915 ff.

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zumindest verzögert wird; es reicht dagegen fur die Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes nicht aus, daß er sein Verhalten lediglich für geeignet hält, einen solchen Erfolg herbeizuführen. 7. Die nächste Entscheidung - OLG Koblenz vom 24.6.1982 255 - betraf ebenfalls den Fall einer Obdachgewährung, der als Vollstreckungsvereitelung nach § 258 Abs.2 beurteilt wurde. In dem zur Entscheidung stehenden Fall hatte der Angeklagte einen bei ihm beschäftgten „Drücker", von dem er wußte, daß dieser aus der JVA abgängig war, für zwei Tage - bis zur Festnahme - in seinem Haus wohnen lassen. Der Senat bestätigte die Verurteilung wegen vollendeter Strafvollstreckungsvereitelung mit der Begründung, der Angeklagte habe dem Flüchtigen nicht nur Obdach gewährt, sondern diesen sogar „versteckt" 256 , weil niemand den Flüchtigen an diesem Ort vermuten konnte, und habe dadurch erreicht, daß die Strafe gegen diesen später vollstreckt wurde. Zum Erfolg der Straf- und Strafvollstreckungsvereitelung wird ausgeführt, er liege grundsätzlich immer dann vor, wenn die Strafe später, als dies sonst möglich gewesen wäre, verhängt oder vollstreckt werde. Insbesondere sei es entgegen der bisherigen Rechtsprechung nicht erforderlich, daß die Verzögerung eine „geraume Zeit" ausmache, denn diese Rechtsprechung sei zu § 346 a. F. ergangen und könne nicht unbedingt für das Erfolgsdelikt des § 258 übernommen werden. 257 Mit dieser Interpretation des Erfolges, die jegliche Verzögerung erfaßt, und mit dem Verzicht auf das Kriterium der „geraumen Zeit" fällt die Entscheidung des OLG Koblenz nicht nur aus dem Rahmen der früheren Rechtsprechung, sondern auch aller nachfolgenden Entscheidungen. Bemerkenswert ist vor allem der Hinweis darauf, daß die bisherige Rechtsprechung, soweit sie an die Dauer der Verzögerung den Maßstab der „geraumen Zeit" anlegt, nicht ohne weiters für den neukonzipierten Tatbestand des § 258 übernommen werden könne. Allerdings hätte das OLG dann auch erklären müssen, warum es in Übereinstimmung mit der ebenfalls zu den alten Fassungen der Begünstigungsvorschriften ergangenen Rechtsprechung überhaupt an der Tatbestandsmäßigkeit bloßer Verzögerungen festhält. Wenn man weiterhin

255

OLG Koblenz, NJW 1982, 2785 f.

256

Zur Erläuterung des Begriffs „Versteck" wird auf die zuvor dargestellte Entscheidung des OLG Stuttgart verwiesen. 257 Wie zuvor gezeigt existierten bereits zu diesem Zeitpunkt Entscheidungen, die auch für den Anwendungsbereich des § 258 n. F. an dem Kriterium der „geraumen Zeit" festhielten.

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C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

berücksichtigt, daß die vom OLG vorgenommene Erfolgsbestimmung den Kreis der nach § 258 strafbaren Verhaltensweisen gegenüber der bisherigen Rechtsprechungspraxis auch noch erweitert, ist die gewählte Erfolgsinterpretation ohne jegliche Begründung nicht haltbar. Darüber hinaus kann nach den in der Entscheidung mitgeteilten Feststellungen nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß das Verhalten des Arbeitgebers überhaupt zu einer (allenfalls zweitägigen) Verzögerung der Strafvollstreckung gefuhrt hat, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Flüchtige ohne die Obdachgewährung früher festgenommen worden wäre. 258 Ebenso zweifelhaft bleibt nach den Entscheidungsgründen, ob es sich bei der fraglichen Unterkunft tatsächlich um ein „Versteck", d.h. um einen Ort handelte, wo niemand den Flüchtigen vermutete, da er bereits nach zwei Tagen dort festgenommen und damit offensichtlich auch dort vermutet wurde. 8. In der Entscheidung des Kammergerichts vom 26.5.1983 259 wird dagegen erneut unter Berufung auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung - sowie auf die amtliche Begründung - 2 6 0 das Merkmal der „Vereitelung" wie gewohnt dahingehend ausgelegt, daß es bereits dann verwirklicht sei, wenn infolge des Verhaltens des Strafvereitelers der staatliche Strafanspruch für „geraume Zeit" nicht verwirklicht worden sei. Im Gegensatz zu den vorhergehenden (und zu späteren) Entscheidungen bemüht sich das Kammergericht jedoch um eine Präzisierung des Bezugsgegenstandes der Verzögerung und der Kausalität zwischen Tathandlung und Taterfolg. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der gegen den Vortäter wegen Raubes ermittelnde Polizist hatte herausgefunden, daß der mittlerweile zu einer unbekannten Anschrift verzogene Beschuldigte Arbeitslosenunterstützung bezog, und aus diesem Grund beim zuständigen Arbeitsamt angerufen. Im Verlauf dieses Telefonats erfuhr er von der Sachbearbeiterin, daß sich der Beschuldigte zu dieser Zeit im Arbeitsamt aufhielt. Er bat sie, den Beschuldigten für eine halbe Stunde aufzuhalten, damit dieser festgenommen werden konnte. Da der Sachbearbeiterin Zweifel an der Unbedenklichkeit ihrer Auskunft kamen, unterrichtete sie den Leiter des Arbeitsamtes (den Angeklagten). Dieser glaubte seinerseits, daß die Angaben über den Aufenthalt des Beschuldigten nach den sozialrechtlichen Datenschutzbestimmungen unzulässig waren und wies deshalb die Sach258

So i. E. auch Frisch, NJW 1983, 2471, 2474.

259

KG Berlin, JR 1985, 24 ff.

260

Die Amtliche Begründung (vgl. dazu sub Β. II. 11. e), die ebenfalls die Verzögerung der Bestrafung um geraume Zeit als vollendete Strafvereitelung ansah, wurde erstmals durch das KG zur Begründung der Auslegung des geänderten Tatbestandes herangezogen.

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bearbeiterin an, den Beschuldigten wegzuschicken, was diese auch tat. Der Beschuldigte wurde acht Tage später anläßlich anderer Ermittlungen festgenommen. In Übereinstimmung mit dem LG verneinte das KG trotz der Verzögerung der Festnahme um acht Tage eine „tatbestandserhebliche Verzögerung des Verfahrens" und damit eine Strafbarkeit wegen vollendeter Strafvereitelung. Zur Begründung wird in der Entscheidung ausgeführt, daß sich die Verzögerung auf den Erfolg der Strafvereitelung beziehen müsse und dies nach dem Wortlaut des § 258 die „Bestrafung"sei, auf die sich ihrerseits auch die „bloßen Ermittlungsverzögerungen" richten müßten. Darüber hinaus erfordere eine Verurteilung auf Grund des als Erfolgsdelikt ausgestalteten Tabestandes den Nachweis der Kausalität zwischen Handlung und Erfolg. Ursächlichkeit der Vereitelungshandlung könne aber nur dann angenommen werden, wenn mit „hinreichender Wahrscheinlichkeit" feststehe, daß die Bestrafung des Vortäters ohne die Vereitelungshandlung „nachweisbar" jedenfalls geraume Zeit früher erfolgt wäre. Da in dem zu entscheidenden Fall der Beschuldigte auch ohne Verzögerung der Festnahme jedenfalls nicht geraume Zeit früher verurteilt worden sein würde, scheide eine vollendete Strafvereitelung aus. Überraschenderweise bejaht das Kammergericht dann im folgenden die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer versuchten Strafvereitelung, obwohl der Leiter des Arbeitsamtes - auch aus Sicht des Senats - weder wissentlich noch absichtlich im Hinblick auf eine „tatbestanderhebliche" Verzögerung der Bestrafung gehandelt hatte. 261 Zur Begründung dieses - angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 258 doch erstaunlichen - Ergebnisses beruft sich das Kammergericht auf den Willen des Gesetzgebers. Dieser habe trotz der Umgestaltung zum Erfolgsdelikt „im Grundsatz das geltende Recht" übernehmen und - aus Sicht des Senats - auch den „Anwendungsbereich strafbarer Strafvereitelung" nicht einschränken wollen. Diesem gesetzgeberischen Willen könne aber nur dadurch Rechnung getragen werden, daß für den subjektiven Tabestand - und zwar sowohl des versuchten als auch des vollendeten Delikts 262 - dolus eventualis in bezug auf eine Bestrafungsverzögerung als ausreichend angesehen werde, soweit der 261 Die Vorinstanz hatte im vorliegenden Fall ebenfalls die Voraussetzungen einer versuchten Strafvereitelung bejaht, da zumindest für den Versuch des § 258 dolus eventualis ausreichen müsse, „weil naturgemäß kein Täter sicher voraussehen (könne), für wie lange Zeit er die Bestrafung des Vortäters (verzögere)", und daher eine Bestrafung wegen Versuchs so gut wie nie in Betracht käme; vgl. KG Berlin, JR 1985, 24, 25 f. 262

Anders als das KG hatte die Vorinstanz lediglich für den subjektiven Tatbestand des versuchten Delikts dolus eventualis ausreichen lassen und für den des vollendeten Delikts in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 258 dolus directus gefordert.

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C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

Strafvereiteier zumindest sicher wisse, daß er durch sein Verhalten eine „Ermittlungsverzögerung" verursache. 263 Im Ergebnis wurde der Freispruch des Angeklagten (Volljurist!) dann doch vom KG bestätigt, da dieser irrtümlich von dem Nicht-Bestehen einer Offenbarungsbefugnis der Sachbearbeiterin gegenüber dem Polizeibeamten ausgegangen und dieser Verbotsirrtum für ihn unvermeidbar gewesen sei. 264 Soweit das Kammergericht für seine Interpretation des subjektiven Tatbestandes den Willen der Gesetzgebers, im Grundsatz das bislang geltende Recht zu übernehmen, in Anspruch nimmt, vermögen diese Ausführungen zum einen deshalb nicht zu überzeugen, weil auch nach früherem Recht der Erfolg - die Strafentziehung - wenn auch nicht tatsächlich verwirklicht, so doch auf jeden Fall beabsichtigt sein mußte; die Vornahme einer Handlung, die aus Tätersicht nur möglicherweise eine Verzögerung der Bestrafung bewirkte, ohne daß ein entsprechender zielgerichteter Wille vorlag, hätte auch nach der alten Fassung des Begünstigungstatbestandes für die Tatbestandsverwirklichung nicht ausgereicht. 265 Zum anderen hätte nach dem bis zur Neufassung geltenden Recht (§§ 257, 346 a. F.) das Beabsichtigen einer bloßen Ermittlungsverzögerung ebenfalls nicht genügt, weil die Strafentziehung - als erstrebter Erfolg - nicht schon bei Beeinträchtigungen der Ermittlungstätigkeit, sondern erst bei einer Auswirkung auf die Strafverhängung oder Strafvollstreckung angenommen wurde. Im übrigen läßt sich auch der amtlichen Begründung zur Neufassung des § 258 entnehmen, daß der Gesetzgeber die innere Tatseite bewußt nicht auf Fälle des dolus eventualis ausgedehnt hatte, da ihm die lediglich mit bedingtem Vorsatz herbeigeführte Vereitelung der Bestrafung nicht strafwürdig erschien. 266 Soweit sich das Kammergericht für die herkömmliche Auslegung des Merkmals „vereiteln" auf den in der amtlichen Begründung manifestierten Willen des Reformgesetzgebers beruft, sei an dieser Stelle267 nur daraufhingewiesen, daß die

263

KG Berlin, JR 1985 24, 26; kritisch dazu auch Stree (in: Schönke/Schröder, § 258 Rn. 22), für den eine solche Auslegung zwar kriminalpolitisch sinnvoll, aber nur schwerlich mit der Gesetzesfassung in Einklang zu bringen ist. 264

Die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums überrascht hier deshalb nicht, weil auch das KG die - umstrittene - Offenbarungsbefugnis erst noch sehr umfänglich begründen mußte. 265 Vgl. insoweit die Nachweise bei Härtung, JZ 1954, 694 f., und Lenckner, JuS 1962, 302, 304. 266 B T D S 7 / 5 5 0 j s 250. 267

Zur Vereinbarkeit der vom Gesetzgeber vorgenommenen Auslegung mit den Grenzen des Art. 103 Abs. 2 GG siehe unten sub Ε. I.

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dort vorgenommene Auslegung i. S. „einer Verzögerung um geraume Zeit" nicht nur nicht überzeugend, sondern überhaupt nicht begründet wurde und angesichts der gegenteiligen Auslegung desselben Begriffs durch frühere Entwürfe ohnehin von zweifelhafter Verbindlichkeit ist. 268 Beachtenswert ist die Entscheidung des Kammergerichts aber deshalb, weil sie erstmals ausdrücklich klarstellt, daß der Erfolg der Strafvereitelung erst dann eintritt, wenn die Bestrafung und nicht bereits eine einzelne Ermittlungsmaßnahme verzögert wurde. Allerdings wird dieser Ansatz auf der subjektiven Tatbestandsseite nicht konsequent durchgeführt. Die Ausführungen zu den subjektiven Voraussetzungen sind daher und wegen des eindeutigen Wortlautes nicht haltbar. 9. In dem vom BGH 2 6 9 durch Urteil vom 4.8.1983 entschiedenen Fall hatte die Angeklagte mit ihrem zuvor aus der Untersuchungshaft entflohenen Freund, von dem sie wußte, daß er vor seiner Inhaftierung Straftaten begangen hatte, ein gemeinsames Zimmer bewohnt und sich als seine Ehefrau ausgegeben, wobei sie ebenfalls den von ihm benutzten falschen Namen führte. Das Landgericht hatte die Angeklagte wegen Strafvereitelung verurteilt, da es ihr über Monate hinweg gelungen sei, den Entflohenen der Strafverfolgung zu entziehen. Dieses Urteil wurde jedoch vom BGH aufgehoben und die Sache mit der Begründung zurückverwiesen, daß sich aus den Feststellungen des Landgerichts nicht ergebe, daß die Handlungen der Angeklagten zu einem Strafvereitelungserfolg geführt hätten. 270 Den Strafvereitelungserfolg beschreibt der BGH in der Weise, daß die Strafverfolgung zwar nicht dauernd und endgültig unmöglich gemacht werden müsse, erforderlich sei aber, daß der Vortäter zumindest geraume Zeit der Bestrafung entzogen „oder in sonstiger Hinsicht in bezug auf die Strafverfolgung bessergestellt" werde. Den Ausführungen des Landgerichts lasse sich jedoch nicht entnehmen, ob durch das Verhalten der Angeklagten die Ergreifung des Vortäters verzögert oder ob dieser in anderer Hinsicht bessergestelt wurde. Die Besonderheit dieser Entscheidung besteht darin, daß sie zusätzlich zur Verzögerung um „geraume Zeit" auch die Besserstellung des Vortäters im

268

V g l . d a z u s u b B . i l . 1. 12. e.

269

BGH, NJW 1984,135 = JZ 1984, 337

270

Vgl. zu dieser Entscheidung die Anmerkung von Rudolphi (JR 1984, 338 ff.), der eine Strafbarkeit der Angeklagten i. E. deshalb ablehnt, weil es sich bei der dem Vortäter gewährten Unterstützung nur um Beihilfe zur Selbstbegünstigung und damit um eine straflose Teilnahme an einer tatbestandslosen Haupttat handele.

78

C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

Hinblick auf die Strafverfolgung als möglichen Erfolg der Strafvereitelung beschreibt. Allerdings wird weder der Terminus der „geraumen Zeit" präzisiert noch erläutert, was unter einer „Besserstellung in bezug auf die Strafverfolgung" zu verstehen sein soll. Diese Präzisierung wäre auch schwierig geworden, denn die Interpretation ist nicht mit dem Wortlaut des § 258 vereinbar. Man kann unter „bestraft wird" eben nicht pauschal die gesamte Strafverfolgungstätigkeit oder einzelne Akte der Strafverfolgung, sondern nur die Verhängung oder Vollstreckung der Strafe verstehen. Noch weniger läßt der Begriff „vereitelt" eine Interpretation als „besserstellen" zu. Eine solche Auslegung des die Tathandlung beschreibenden Merkmals wäre allenfalls mit § 257 a. F. vereinbar gewesen, der das Verhalten des Begünstigers mit dem Merkmal „Beistand leisten" umschrieb. 271 Mit der 1975 erfolgten Wortlautänderung ist einer solchen Auslegung der Boden entzogen worden. 10. Mit dem Beschluß des OLG Düsseldorf vom 4.2.1986 272 erging erstmals eine Entscheidung, die den auf die Unterbrechung einer Hauptverhandlung gegründeten Ausschluß eines Verteidigers (nach § 138 Abs.l Nr. 3 StPO) anhand des neugefaßten StrafVereitelungstatbestandes überprüfte. Die Unterbrechung der Hauptverhandlung wurde in dem zu beurteilenden Fall dadurch verursacht, daß die Verteidigerin einen Beweisantrag auf Einholung eines Gutachtens derart spät gestellt hatte, daß selbst eine fernmündliche Ladung des Sachverständigen nicht mehr möglich und dadurch der Hauptverhandlungstermin an dem fraglichen Tag „geplatzt" war. Eine Strafbarkeit wegen vollendeter und auch wegen versuchter Strafvereitelung bzw. ein entsprechender dringender Tatverdacht wurde - entgegen der Auffassung des LG 2 7 3 - nach Ansicht des Senats durch dieses Verhalten nicht begründet, da die Verteidigerin von einem zulässigen und damit von einem ihr zustehenden prozessualen Recht Gebrauch gemacht habe und zudem keine Anhaltspunkte für eine Strafvereitelungsabsicht ersichtlich seien. Zwar finden sich in der Entscheidung keine Ausführungen zu der hier interessierenden Frage der Erfolgsbestimmung und der Tabestandsmäßigkeit bloßer Verzögerungen, allerdings zeigt der Umstand, daß die Strafbarkeit lediglich mit dem Hinweis auf das prozessual zulässige Verhalten der Verteidigerin abgelehnt und nicht etwa die Tatbestandsmäßigkeit der - aus der Unterbrechung der Hauptverhandlung resultierenden - Verzögerung der Verurteilung in Frage gestellt

271

Vgl. dazu Rudolph, JR 1981, 160, 161.

272

OLG Düsseldorf, StV 1986, 288 f.

273

Kritisch zu der Ansicht der Berufungskammer auch Mehle, in: FG-Koch, S. 179 f.

I. Die Rechtsprechung zu § 25

. F.

79

wurde, daß das OLG ebenso wie das Instanzgericht offenbar die Erfolgstauglichkeit einer derartigen Verzögerung nicht bezweifelt. 11. Mit dem Beschluß vom 12.11.1987 bezog das Kammergericht 274 erneut zur „Tatbestandserheblichkeit" einer ebenfalls durch einen Verteidiger verursachten Verzögerung Stellung. In dem zu beurteilenden Fall hatte ein Verteidiger (wegen des drohenden Todes seiner Mutter) einen Antrag auf Verlegung der Hauptverhandlung gestellt und war zu dem gleichwohl stattfindenden Hauptverhandlungstermin nicht erschienen, weil er sich infolge des inzwischen eingetretenen familiären Sterbefalls nicht in der Lage fühlte, den Termin wahrzunehmen. Das Kammergericht verneinte eine vollendete Strafvereitelung mit der Begründung, diese komme zwar auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung bereits dann in Betracht, wenn der staatliche Strafanspruch für geraume Zeit nicht verwirklicht werden könne, das Nichterscheinen des Verteidigers in der Hauptverhandlung habe hier aber das Verfahren lediglich um eine Woche 275 und damit nicht „tatbestandserheblich" verzögert. Darüber hinaus wurde auch eine Strafbarkeit wegen versuchter Strafvereitelung verneint, da allein solche Handlungen des Verteidigers tatbestandsmäßig sein könnten, „die dazu dienen, den Beschuldigten der Bestrafung zu entziehen und auch mit dieser Zielrichtung vorgenommen werden"; insoweit enthalte bereits der objektive Tatbestand des § 258 ein subjektives Element. Für eine solche Zielrichtung des Angeklagten bestünden jedoch keine Anhaltspunkte; sein Verhalten sei allein durch seine familiären Verhältnisse geprägt gewesen. Nachdem die vorhergehende Entscheidung des Kammergerichts einen dolus eventualis für ausreichend erachtet hatte, geriet das Kammergericht in dem hier diskutierten Fall in Begründungsnöte; es hätte die Versuchsstrafbarkeit an sich bejahen müssen. Der Ausweg, in den objektiven Tatbestand ein subjektives Element in Form der Absicht hineinzuinterpretieren, ist dogmatisch ebenso verfehlt wie die Begründung für diese Auslegung. Darüber hinaus wurde von dem Senat die sich hier aufdrängende Frage nach der Garantenstellung und -pflicht des Verteidigers offengelassen. Bei der vorliegenden Fallkonstellation ist nicht ohne weiteres ersichtlich, woraus sich für den Verteidiger eine Rechtspflicht zur Anwesenheit in der Haupverhandlung ergeben soll. Dies gilt jedenfalls, wenn man berücksichtigt, daß es sich hier nur um einen

274 275

KG Berlin, StV 1988, 141 f. = NStZ 1988, 178 f.

Die durch die Ingangsetzung des Ausschließungsverfahrens letztendlich verursachte erhebliche Verzögerung des Verfahrens war dem Verteidiger nach Ansicht des Senats nicht zuzurechnen.

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C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

Fall fakultativer Verteidigung handelte. Unabhängig von der Frage, ob in den Fällen notwendiger Verteidigung im Hinblick auf die Regelung des § 145 StPO und der daraus ableitbaren strafprozessualen Anwesenheitspflicht eine Rechtspflicht i.S. der §§ 258, 13 zu bejahen ist, 276 fehlt in den Fällen fakultativer Verteidigung ein entsprechnder rechtlicher Anknüpfungspunkt. 277 12. Später hatte sich das OLG Karlsruhe mit dem Erfolg der Strafvereitelung zu befassen. Durch Urteil vom 9.8.1988 278 bestätigte es die Verurteilung eines Kriminalbeamten wegen Strafvereitelung im Amt gem. § 258 a. Der Kriminalbeamte hatte Ende 1980 von zwei seiner Bekannten zuverlässig erfahren, daß sie die Täter der 1979 verübten Einbrüche in Sprengstoff- und Munitionslager waren. Obwohl er teilweise selbst die Ermittlungen wegen dieser Taten durchgeführt und sich für verpflichtet gehalten hatte, sein nunmehr erlangtes Wissen über die Tatbeteiligung an seine Dienststelle weiterzuleiten und die erforderlichen Ermittlungen sofort aufzunehmen, hatte er nichts unternommen, „weil er sich in gewisser Weise als Eingeweihter der Gruppe zugehörig betrachtete und die Täter vor einer Bestrafung bewahren wollte". Die Munitions- und Sprengstoffdiebstähle konnten erst im Sommer 1984 aufgeklärt werden. In ihrem Geständnis offenbarten die Täter auch das Verhalten des Kriminalbeamten. Der Senat betont bei seiner Bestätigung der Verurteilung wegen vollendeter StrafVereitelung im Amt ausdrücklich, daß der Vereitelungserfolg eingetreten sei, obwohl das tatrichterliche Urteil nicht festgestellt habe, daß die Vortäter infolge der Unterlassung des Kriminalbeamten nicht bestraft worden seien. Zur Begründung heißt es in der Entscheidung, daß es für die Vollendung der Strafvereitelung nicht auf eine dauernde und endgültige Vereitelung des staatlichen Strafanspruchs ankommen könne; andernfalls könnte die Vollendung der Tat nur in seltenen Ausnahmefällen (z. B. bei Verfolgungsverjährung) eintreten, und damit würde ein Ergebnis erzielt, „das der Gesetzgeber unmöglich gewollt haben (könne)". Vielmehr müsse eine „gewisse" Verfahrensverzögerung zur Vollendung des Tabestandes ausreichen; wie groß eine solche Verzögerung im einzelnen sein müsse, brauche jedoch nicht entschieden werden, da jedenfalls bei einem wie vorliegend verwirklichten Zeitraum von ca. dreieinhalb Jahren die Vereitelung nach jeder dazu vertretenen Meinung eingetreten sei. Auch die vom OLG Karlsruhe angeführte Begründung überzeugt i. E. nicht. Unabhängig davon, daß das OLG hier nicht auf den hypothetischen Willen des 276

So Krekeler, NStZ 1989, 151; a. A. Schneider, Jura 1989, 343, 347 ff.; Schänke/ Schröder/Stree, § 258 Rn. 20. 277

Anderer Ansicht Krekeler,

278

OLG Karlsruhe, NStZ 1988, 503 f.

NStZ 1989, 151, allerdings ohne Begründung.

I. Die Rechtsprechung zu § 25

. F.

81

Reformgesetzgebers hätte abstellen müssen, da in der amtlichen Begründung ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß bereits die Verzögerung der Bestrafung um geraume Zeit zur Vollendung des Tatbestandes ausreicht, sind die Fälle, in denen eine vollendete StrafVereitelung angenommen werden kann, nicht auf die der Verfolgungsverjährung begrenzt, sondern unbestritten auch dann gegeben, wenn der Vortäter zu Unrecht freigesprochen oder zu milde bestraft wird. Weiterhin ist die These, der Gesetzgeber könne unmöglich gewollt haben, daß die Vollendung nur in seltenen Aunahmefällen eintritt, zumindest mißverständlich, da dem Gesetzgeber damit - im Umkehrschluß - unterstellt würde, er schaffe Strafnormen, damit die dort beschriebenen Straftatbestände möglichst häufig vollendet würden. 13. Auch der nächsten Entscheidung, dem Beschluß des OLG Koblenz vom 28.10.1990 279 , lag die Frage nach der Tatbestandsmäßigkeit einer durch Verteidigerhandeln verursachten Verfahrensverzögerung zugrunde. Nach dem zu beurteilenden Sachverhalt hatte eine Verteidigerin, die erst zwei Tage vor dem anberaumten Hauptverhandlungstermin die Verteidigung des Vortäters übernommen hatte, um eine Terminverlegung gebeten. Nachdem ihr noch am gleichen Tag der Vorsitzende telefonisch mitgeteilt hatte, daß eine Verlegung des Hauptverhandlungstermins nicht möglich sei, hatte sie ihrem Mandanten geraten, „auf Grund des zu stellenden Antrags auf Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit in der mündlichen Verhandlung auszubleiben"; im Hauptverhandlungstermin waren dann weder der Vortäter noch seine Verteidigerin erschienen. Nach Ansicht des Senats hat die Verteidigerin durch ihre Empfehlung, dem Hauptverhandlungstermin fernzubleiben, den objektiven Tatbestand der Strafvereitelung erfüllt, da § 258 nicht voraussetze, daß der staatliche Strafanspruch „für dauernd" vereitelt werde; vielmehr reiche es aus, wenn dieser für eine „geraume Zeit" unverwirlicht bleibe. Bezüglich der Tabestandsmäßigkeit ihres Verhaltens wird ausgeführt, daß infolge des durch die Empfehlung verursachten Nichterscheinens des Angeklagten, für den auch unter Berücksichtigung der geplanten Stellung des Befangenheitsantrages eine Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung bestand, ein neuer Hauptverhandlungstermin anberaumt werden mußte. Da dieser unter Beachtung der Förmlichkeiten und der Geschäftslage nicht unter drei Wochen zu erwarten war, habe die Verteidigerin durch ihre Empfehlung die Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs für geraume Zeit vereitelt. 279

OLG Koblenz, NStZ 1992, 146 f.

6 Wappler

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C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

Zur subjektiven Seite des § 258 heißt es in der Entscheidung, daß diesbezüglich die Absicht, einen anderen dem staatlichen Strafanspruch zu entziehen, erforderlich sei. Hierbei genüge es, daß es dem Täter auf diesen Erfolg um seiner selbst willen oder zur Erreichung eines weiteren Zieles ankomme; die Vorstellung des Erfolges müsse demgegenüber nicht der eigentliche Beweggrund des Täters sein. Daher müsse bei der Verteidigerin auch die Absicht der StrafVereitelung angenommen werden, selbst wenn sie nur zur besseren Verteidigungsvorbereitung nach Akteneinsicht das Stattfinden des Hauptverhandlungstermins verhindern wollte. Andererseits sei ihr aber die Absicht, durch ihre Empfehlung eine Strafvereitelung zu begehen, letztendlich nicht nachzuweisen, da „die in der Verhandlung vor dem Senat zu Tage getretene Unkenntnis wesentlicher strafprozessualer Vorschriften" diesen zu der Annahme zwinge, „sie habe in gutem Glauben gehandelt". Aus welchem Grunde ihr „guter Glaube" einer Absicht bzw. einem hier ohnehin näherliegenden sicheren Wissen um die Verfahrensverzögerung entgegenstehen soll, läßt sich der Entscheidung allerdings nicht entnehmen. Festzuhalten bleibt, daß das OLG Koblenz eine Verzögerung der Hauptverhandlung um drei Wochen für ausreichend befindet, das Kriterium der „geraumen Zeit" zu verwirklichen, und daß es das zuvor geschilderte Verhalten eines Verteidigers jedenfalls dann für tatbestandsmäßig hält, wenn diesem zumindest wesentliche Vorschriften der StPO bekannt sind. 14. Mit dem Beschluß des OLG Düsseldorf vom 10.12.1990 280 erging die vorläufig letzte Entscheidung, die sich mit einer durch einen Verteidiger verursachten Unterbrechung der Hauptverhandlung befaßte. In dem zu beurteilenden Fall hatte ein Verteidiger der Ehefrau seines Mandanten, die in dem gegen diesen und einen weiteren Angeklagten gerichteten Verfahren ebenfalls mitangeklagt war, auf ihre Frage, ob sie zu dem Hauptverhandlungstermin erscheinen solle, erklärt, daß ihr Kommen oder Nichtkommen auf den Gang des Verfahrens - gegen die übrigen Angeklagten - keinen Einfluß habe. Da die Angeklagte daraufhin zu dem angesetzten Hauptervandlungstermin nicht erschien, wurde die Hauptverhandlung von der Strafkammer vertagt. 281 Die Strafkammer hatte das Verhalten des Verteidigers als versuchte Strafvereitelung zugunsten seines Mandanten gewertet, da ihm (dem Verteidiger) bekannt gewesen sei, daß die Kammer nicht in Abwesenheit der Mitangeklagten verhandeln würde, und die Sache wegen der Ausschließung des Verteidigers dem 280 281

OLG Düsseldorf, NStZ 1991, 299 f.

Der Entscheidung läßt sich nicht entnehmen, wie umfänglich die durch die Unterbrechung der Hauptverhandlung verursachte Verzögerung war.

I. Die Rechtsprechung zu § 258 η. F.

83

Senat zur Entscheidung vorgelegt. Das OLG hat die Vorlage als unbegründet verworfen, da das Verhalten des Verteidigers weder den dringenden noch den hinreichenden Verdacht einer versuchten Strafvereitelung rechtfertige. Zur Begründung dieser i.E. zweifellos zutreffenden Entscheidung wird zunächst ausgeführt, daß ein Verteidiger zur Belastung des von ihm vertretenen Beschuldigten nicht verpflichtet sei. Deshalb müsse er auch nicht daran mitwirken, daß Zeugen oder Mitangeklagte, die seinen Mandanten belasten können, zur Hauptverhandlung erscheinen. Allerdings dürfe ein Verteidiger sich bei der Ausübung seines Mandats auch keiner prozessual unzulässigen Mittel bedienen; der Verteidiger hätte daher der Mitangeklagten, sofern diese zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entschlossen gewesen wäre, keine bewußt wahrheitswidrige Auskunft erteilen dürfen, um sie von der Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins abzuhalten. Mit seiner Auskunft, für den Gang des Verfahrens sei das Erscheinen der Mitangeklagten ohne Einfluß, habe der Verteidiger sich aber weitgehend passiv verhalten und lediglich unterlassen, ihr zu empfehlen, der Ladung zum Termin nachzukommen. Ferner könne angesichts des Rechts der Angeklagten, die Einlassung zur Sache oder als Zeugin (in einem abgetrennten Verfahren) die Aussage zu verweigern, die Auskunft, ihre Anwesenheit sei für den Gang des Verfahrens ohne Einfluß, „noch nicht einmal von vornherein als falsch angesehen werden". Auch diese Begründung weist Schwächen auf und ist wenig geeignet, dem offenbar gegebenen Bedürfiiis der Instanzgerichte nach Sanktionierung der für die „geplatzten" Hauptverhandlungen „verantwortlichen" Verteidiger Grenzen zu setzen. Zwar mag es zulässig sein, das hier in Rede stehende Verhalten des Verteidigers als „überwiegend passives" zu bewerten, gewonnen ist mit dieser Qualifizierung jedoch nichts; denn von Bedeutung wäre vorliegend nur gewesen, ob der Verteidiger die infolge des Nichterscheinens notwendig gewordenen Terminsvertagung durch positives Tun oder aber durch pflichtwidriges Unterlassen verwirklicht hat. Wenn man aber wie die Strafkammer und offenbar auch das OLG davon ausgeht, daß die Auskunft des Verteidigers und damit zweifelsfrei positives Tun für das Fernbleiben der Angeklagten ursächlich wurde, macht es wenig Sinn, darauf abzustellen, ob die Auskunft des Verteidigers von vornherein falsch war 282 , zumal nicht ersichtlich ist, warum sich deshalb etwas an der rechtlichen Bewertung oder auch nur an der „überwiegenden Passivität" des Verhaltens ändern würde. Man denke sich beispielsweise, der Verteidiger würde seinem 282 Unabhängig davon war die Auskunft des Verteidigers unrichtig, da die Mitangeklagte zwar nicht zur Aussage, wohl aber zum Erscheinen verpflichtet war, und ihr Ausbleiben tatsächlich Einfluß auf den Gang des Verfahrens hatte, da dieses infolge der Unterbrechung verzögert wurde.

6*

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C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

beschuldigten Mandanten die Auskunft erteilen, daß er höchstwahrscheinlich freigesprochen werden würde, wenn er sämtliche Belastungszeugen vor ihrer Vernehmung töte. Eine solche Auskunft wäre zumindest nicht von vornherein falsch; gleichwohl muß bezweifelt werden, daß in einem solchen Fall das Verhalten als überwiegend passives bewertet und dem Verteidiger lediglich zur Last gelegt würde, es unterlassen zu haben, dem Beschuldigten einen schonenderen Umgang mit den Belastungszeugen zu empfehlen. 15. Schließlich erging mit dem Urteil des BGH vom 21.12.1994 283 die bislang jüngste höchstrichterliche Entscheidung, in der zum Vollendungszeitpunkt der Strafvereitelung Stellung genommen wurde. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Angeklagte brachte gemeinsam mit dem A, der zuvor einen Menschen getötet hatte, den Leichnam in ihrem Wagen zu einem Waldstück, wo die Leiche von A verscharrt wurde. Wiederum gemeinsam mit A beseitigte die Angeklagte anschließend die Blutspuren in ihrem Fahrzeug sowie die blutbeschmierte Kleidung des A und die Ausweispapiere des Getöteten. Dieses Verhalten der Angeklagten hat nach den Feststellungen des Landgerichts dazu geführt, daß die Ermittlungen gegen den A erst 13 Tage nach der Tat aufgenommen und zudem erschwert wurden. 284 Der BGH bestätigte i. E. die Verurteilung wegen versuchter Strafvereitelung. Entgegen der Auffassung der Revision beurteilte der BGH das Verhalten der Angeklagten nicht als vollendete StrafVereitelung, da der nach § 258 erforderliche Vereitelungserfolg nicht eingetreten sei. Dieser Erfolg wird wie gewohnt dahingehend beschrieben, daß der Vortäter der Bestrafung oder der Maßnahmeanordnung zwar nicht endgültig, aber zumindest für „geraume Zeit" entzogen worden sein müsse. Wenn - wie in dem zu beurteilenden Fall - lediglich die Ermittlungshandlungen verzögert würden, trete der Vereitelungserfolg aber nur dann ein, wenn dadurch die Verurteilung des Vortäters und damit seine Bestrafung für geraume Zeit verzögert worden sei. Für den BGH reichten die vom Tatrichter getroffenen Feststellungen nicht nur nicht aus, um die Annahme eines solchen Erfolges zu rechtfertigen, der Senat hielt es darüber hinaus auch für ausgeschlossen, daß ein neuer Tatrichter ergänzende Feststellungen treffen könne, die zu einer Verurteilung wegen vollendeter Strafvereitelung führen könnten. Zwar wird auch in dieser Entscheidung der Erfolg in der gewohnten Weise ausgelegt und wie üblich auf eine Begründung für diese Auslegung verzichtet, im Unterschied zu den vorhergehenden - die Verzögerung von Ermittlungsmaßnahmen betreffenden - Entscheidungen wird hier jedoch erstmals ausdrücklich die 283

BGH, wistra 1995, 143.

284

Die Verurteilung des A wegen dieser Tat erfolgte ca. ein Jahr später.

II. Die Rechtsprechung zu §§ 257, 346 a. F.

85

Möglichkeit ausgeschlossen, die für die Annahme einer verzögerten Verurteilung notwendigen Feststellungen überhaupt treffen zu können. 16. Die Durchmusterung der veröffentlichten und für den Zeitraum von 20 Jahren nicht sehr umfänglichen Rechtsprechung ergibt, daß der Erfolgseintritt und damit die Vollendung der Strafvereitelung bereits dann bejaht wird, wenn die Bestrafung 285, die Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs 286, die Strafverhängung 287 oder die Aburteilung 288 des Vortäters zumindest für „geraume Zeit" verzögert wird. 2 8 9 Zur Begründung dieser Erfolgsbestimmung wird regelmäßig auf die zu dem Merkmal „Entziehen" i. S. der §§ 257, 346 a.F. ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung verwiesen. Deshalb ist diese im folgenden näher zu betrachten, um zum einen die Stichhaltigkeit der dort angeführten Gründe und zum anderen deren Übertragbarkeit auf den geänderten Tatbestand zu analysieren. I I . Die Auslegung des Begriffs „Entziehen" (§§ 257,346 a.F.) durch die höchstrichterliche Rechtsprechung 1. Am 9.8.1887 erging die erste Entscheidung des Reichsgerichts 290, die sich mit der Bestimmung des Merkmals „Entziehen" in § 257 a. F. 2 9 1 - allerdings nur im Hinblick auf die Strafvollstreckung - auseinandersetzte. In dem zur Entscheidung stehenden Fall hatte die bereits rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe Verurteilte ihre kurz zuvor niedergekommene Freundin veranlaßt, sich unter ihrem Namen ein die Laktationsperiode bestätigendes Attest ausstellen zu lassen, welches sie dann selbst bei der Staatsanwaltschaft mit der Bitte um Strafaufschub eingereicht hatte, der ihr daraufhin auch gewährt wurde.

285

BGH, NJW 1984, 135; KG Berlin, JR 1985, 24 f.; BGH bei Holtz, MDR 1981, 631; BGH, DRiZ 1977, 87f.; BGH, wistra 1995, 143. 286

OLG Koblenz, NStZ 1992, 146, 147; OLG Karlsruhe, NStZ 1988, 503, 504; K G Berlin, NStZ 1988, 178 = StV 1988, 144; OLG Stuttgart, Die Justiz 1976, 439. 287

OLG Koblenz, NJW 1982, 2785, 2786.

288

OLG Bremen, NJW 1981, 2711; BGH, wistra 1995, 143 („Verurteilung").

289

Lediglich das OLG Koblenz, NJW 1982, 2785 f., verzichtete auf das Kriterium der „geraumen Zeit" und sah jede Verzögerungsverursachung als tatbestandsmäßig an. 290 291

RGSt 16, 204 ff.

Hiernach war strafbar, wer nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens dem Täter oder Teilnehmer wissentlich Beistand leistete, um denselben der Bestrafung zu entziehen.

86

C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

Entgegen der Auffassung des Instanzgerichtes, nach der die Begünstigungsabsicht auf eine dauernde Verhinderung und Vereitelung der Strafvollstreckung gerichtet sein mußte, sah es das Reichsgericht bereits für ausreichend an, daß der Begünstiger den Vortäter auch nur vorübergehend der Bestrafung entziehen wollte. Zur Begründung dieser Auffassung berief sich das Reichsgericht darauf, daß sich weder in der Entstehungsgeschichte noch in der der Strafdrohung zugrunde liegenden „legislatorischen Tendenz" eine Stütze für die Annahme finden lasse, der Gesetzgeber habe die Absicht einer dauernden Verhinderung der Bestrafung für erforderlich erklären wollen. Denn nach Aufassung des Strafgesetzbuches bestehe das Wesen der Begünstigung in einem rechtswidrigen Eingriff in die Rechtspflege, der bezwecke, die vom Gesetz an die Begehung einer Straftat geknüpften Rechtsfolgen zu verhindern oder zu erschweren. 292 Ein solcher Eingriff in die staatliche Rechtspflege liege aber nicht nur dann vor, wenn dieser nach dem Täterwillen dauernde Wirkung haben soll, sondern auch schon dann, wenn die Absicht dahin gehe, „der rechtzeitigen Verwirklichung der oben bezeichneten Rechtsfolgen hindernd oder erschwerend in den Weg zu treten". 293 Zwar ist dem Reichsgericht zuzugeben, daß zumindest der Tatbestand der persönlichen Begünstigung die staatliche Rechtspflege schützen soll und daß eine Verzögerung der vom Gesetz vorgesehenen Rechtsfolgen sich als Eingriff in die staatliche Rechtspflege werten läßt; dies besagt jedoch nicht zwingend, daß ein solcher Eingriff von der Vorschrift des § 257 a. F. erfaßt wird, zumal eine Vielzahl von Beeinträchtigungsmöglichkeiten der staatlichen Rechtspflege vorstellbar sind, die eindeutig nicht mehr vom Begünstigungstatbestand umfaßt sind. Zu denken wäre hier beispielsweise an die Fälle des Vortäuschens einer Straftat, an Fälle falscher eidlicher oder uneidlicher Aussagen, sofern diese zu Lasten der von ihnen Betroffenen gehen, an die Fallgruppen falscher Verdächtigungen oder an die Fälle der Rechtsbeugung zum Nachteil der Betroffenen sowie der Verfolgung Unschuldiger. Darüber hinaus kann von einer Beeinträchtigung der Rechtspflege ohnehin nur die Rede sein, wenn eine Verhinderung oder Verzögerung der Rechtsfolgen objektiv eintritt; worauf in diesen Fällen die Täterabsicht gerichtet ist, spielt für die Frage der Verletzung des geschützten Rechtsguts zunächst keine Rolle.

292

RGSt 16, 206; einen Nachweis für diese Auffassung des Gesetzbuches erbringt das RG nicht. 293

Kritisch zu dieser Auslegung des Merkmals „Entziehen" äußerte sich vor allem Binding, der eine solche Definition als „frei erfunden" und „ganz unrichtig" bezeichnete (Lehrbuch I I 2, S. 655) und die „Absicht des bloßen Aufschubs" als „Absicht der Nichtentziehung" qualifizierte (Normen II 2, S. 1083 f.).

II. Die Rechtsprechung zu §§ 257, 346 a. F.

87

Aber auch die Berufung auf die Entstehungsgeschichte und die der Strafdrohung zugrunde liegenden gesetzgeberischen Tendenz, die - aus Sicht der Reichsgerichts - eine Interpretation i. S. endgültiger Bestrafungsverhinderung nicht zu stützen vermögen, kann die hier vorgenommene Auslegung des Merkmals „Entziehen" nicht begründen. Dies gilt zunächts einmal im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des § 257 a.F. Wie in dem vorhergehenden Kapitel gezeigt, enthalten nur wenige historische Strafbestimmungen eine auf die Verurteilung des Täters bezogene, mit dem heutigen bzw. damaligen Verständnis vergleichbare Erfolgsbeschreibung; lediglich im Bereich der Amtsdelikte finden sich mit „NichtVerurteilung" oder „zu milder Verurteilung" Erfolgsbestimmungen, die allerdings die vom Reichsgericht abgelehnte Interpretation des genannten Merkmals - i. S. einer dauernden Verhinderung - eher stützen, als daß sie ihr entgegenstehen. Aber auch den Motiven zum Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes läßt sich nicht entnehmen, daß durch den Straftatbestand der persönlichen Begünstigung schon diejenigen Fälle erfaßt werden sollten, in denen der Begünstigende lediglich eine Verzögerung der Bestrafung beabsichtigte. Auf welcher legislatorischen Tendenz der Strafrahmen des § 257 nach Ansicht des Reichsgerichts basieren soll, läßt sich mangels näherer Ausführungen dazu nur vermuten: aus der relativ geringen Strafdrohung könnte das Gericht geschlossen haben, daß der Gesetzgeber nicht nur die Fälle endgültiger Verhinderung der Bestrafung, für die eine höhere Strafdrohung angemessen wäre, erfassen wollte, sondern auch die Fälle einer Bestrafungsverzögerung. Plausibler hätte sich die verhältnismäßig niedrige Strafdrohung der Begünstigung jedoch dadurch erklären lassen, daß sie nur für den Grundtatbestand der Begünstigung galt, der zum einen durch Eigennützigkeit der Begehung (Abs. 2) und zum anderen durch bestimmte Vortaten (§ 258 a.F.) qualifiziert war. Darüber hinaus rechtfertigte vor allem der Umstand, daß zur Vollendung des Delikts kein Erfolg i. S. einer Strafentziehung erforderlich war, sondern lediglich die Vornahme einer darauf gerichteten - nach h. M. zudem „objektiv" geeigneten - Handlung ausreichte, den fraglichen Strafrahmen. 2. Das Reichsgericht hat mit der Entscheidung vom 24.4.1891 294 erneut zur Tatbestandsmäßigkeit einer nur auf Verzögerung der Vollstreckung gerichteten Absicht Stellung genommen. Allerdings wurde dieses Mal überprüft, ob § 346 a.F. anwendbar war, wenn der zur Mitwirkung bei der Strafvollstreckung berufene Beamte nicht beabsichtigte, den Verurteilten „dauernd der gesetzlichen Strafe zu entziehen". Nach dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Gemeindevorsteher, der von zuständiger Stelle ersucht worden war, die Verur-

294

RGSt 21, 424 ff.

88

C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

teilten zu verhaften und zur Verbüßung der festgesetzten Freiheitsstrafe in das Gefängnis einzuliefern, dieses Ersuchen mit der unzutreffenden Angabe nicht befolgt, dies sei ihm auf Grund des unbekannten Aufenthaltsortes der Verurteilten unmöglich; tatsächlich wäre er aber dazu imstande gewesen. Sein Nichteingreifen hatte die Strafvollstreckung um einige Monate verzögert. Das Reichsgericht bestätigte die Verurteilung wegen Begünstigung im Amt, da § 346 295 in der damals geltenden Fassung nicht die Absicht erforderte, Jemand dauernd der gesetzlichen Strafe zu entziehen".296 Zur Begründung wird angeführt, daß der Wortlaut des § 346 a. F. keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung biete. Vielmehr spreche sogar der Zweck der Norm gegen das Erfordernis einer entsprechenden Absicht, weil gerade die rasche Vollstreckung der erkannten Strafen im Interesse einer wirksamen Strafrechtspflege liege. Denn wenn der Zeitpunkt und die Umstände des Strafantritts in das Belieben des Verurteilten gestellt würden, „so würde in vielen Fällen eine Freiheitsstrafe von kürzerer Dauer nicht als Übel empfunden und der Zweck der Strafe vollständig vereitelt werden". Des weiteren wird der Verzicht auf die „Dauerhaftigkeit" der Entziehung damit begründet, daß für den Fall der wirksam angeordneten Vollstreckung einer rechtskräftig erkannten Strafe die dieser Anordnung gemäß rechtzeitig zu vollstreckende Strafe die gesetzliche Strafe sei und daß daher der Verurteilte dieser gesetzlichen Strafe schon dann entzogen werden könne, wenn die Strafvollstreckung nicht gemäß der Anordnung betrieben würde. Auch diese Begründung weist Schwächen auf: Gerade der Wortlaut des damals geltenden § 346 legt eine Interpretation i. S. einer endgültigen Verhinderung der Bestrafung nahe. Denn wenn zur Verwirklichung des objektiven Tatbestandes die Vornahme einer Handlung erforderlich sein sollte, die „geeignet ist, eine Freisprechung oder eine dem Gesetz nicht entsprechende Bestrafung zu bewirken", läßt sich daraus folgern, daß auch die erforderliche Absicht auf eine Freisprechung oder dem Gesetz nicht entsprechende - weil nämlich zu milde - Bestrafung und damit gerade nicht auf eine bloße Verzögerung der Bestrafung gerichtet sein müsse. Entsprechendes gilt aber auch hinsichtlich der Strafvollstreckung, da insoweit als Beamter strafbar war, wer mit Strafentziehungsabsicht die Vollstreckung der ausgesprochenen Strafe nicht betreibt oder eine gelindere als die erkannte Strafe zur Vollstreckung bringt; die Verzögerung der Vollstreckung wird also gerade nicht erwähnt, so daß der Wortlaut des § 346 in der damaligen Fassung eine 295

Vgl. zum Wortlaut des § 346 sub Β. II. 7.

296

RGSt 21, 424, 427.

II. Die Rechtsprechung zu §§ 257, 346 a. F.

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Interpretation der Strafentziehungsabsicht i. S. einer auf endgültige Verhinderung der Vollstreckung gerichteten Absicht - entgegen der Auffassung des Reichsgerichts - nahelegt.297 Weiterhin ist es auch zweifelhaft, ob sich der Zweck der Strafe in der Zuftigung eines - vor allem auch als solchen empfundenen 298 - Übels erschöpft; dies gilt insbesondere im Hinblick auf die von einer generalpräventiven Strafkonzeption verfolgten Zwecke. 299 Darüber hinaus ist ebenfalls nicht einleuchtend, warum nur bei kurzfristigen Freiheitsstrafen der beschriebene Strafzweck vereitelt werden würde 300 . Die vom Reichsgericht vorgenommene Interpretation des Strafzweckes und vor allem seiner Beeinträchtigungen durch Verzögerung würde zudem voraussetzen, daß die („rechtzeitige") Verbüßung einer Freiheitsstrafe tatsächlich immer als Übel empfunden würde 301 und daß die die Verzögerung bewirkende Tätigkeit des Begünstigers immer im Interesse des Verurteilten läge bzw. nur eine mit Willen des Vortäters vorgenommene Handlung als Begünstigung zu werten sei. 302 Überzeugender sind demgegenüber die Ausfuhrungen zu dem Merkmal „gesetzliche Strafe" und die vorgenommene Gleichsetzung mit der „angeordneten Strafe", wenn und soweit diese zu einem in der Anordnung bestimmten Zeitpunkt 297

Eine derartige Interpretation des Merkmals Entziehen in § 346 entsprach auch der damals h. M: Binding, Lehrbuch II 2, S. 655; ders., Normen II 2, S. 1083; Gretener, S. 104; Köhler, V D BT IX, S. 450; Meves, Handbuch III, S. 984; Olshausen, I I § 346 Anm. 2 c; LK-Rosenberg, (im „Entziehen" liege eben kein „Verzögern") § 346 Anm. 6 (1.-4. Aufl.); Schwartz, § 346 Anm. 3 c; a. A. Oppenhoff, § 346 Anm. 14(14. Ausg.). 298 v. Lilienthal (DJZ I I [1897] 489, 490) hat bereits 1897 überzeugend dargestellt, daß das Wesen der persönlichen Begünstigung allein in der Verhinderung des äußeren Vorgangs des Strafvollzuges und nicht in der Verhinderung der subjektiven Empfindung des Strafübels durch den Verurteilten liege. 299

Vgl. dazu unten sub D. IV. 2. b.

300

Auch die einen entsprechenden Ansatz verfolgende Theorie des „short sharp shock" ist im wesentlichen abgelehnt worden, und die Erkenntnis der vornehmlich schädlichen Auswirkungen der Vollstreckung kurzer Freiheitsstrafen hat zu einer Zurückdrängung der kurzfristigen (unter sechs Monaten) Freiheitsstrafen gefuhrt; vgl. Roxin, AT, § 4 V I I 2, S. 83. 301 Vgl. insoweit die Ausführungen Schmidhäusers (S. 377 f.), der am Beispiel eines Landstreichers, der sich durch Majestätsbeleidigungen regelmäßig 5 Monate Gefängnis und damit das ersehnte Winterquartier verschaffte, verdeutlicht, daß die Strafvollstreckung nicht zwangsläufig als Übel empfunden werden muß. 302

Vgl. dazu Binding, Lehrbuch II 2, S. 641 f., der gerade den Fall der „aufgedrängten" Begünstigung als besonders schwerwiegende Beeinträchtigung der staatlichen Rechtspflege wertet.

90

C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

zu vollstrecken ist. Allerdings fragt sich dann, ob es sich bei der zu einem späteren Zeitpunkt vollstreckten Strafe überhaupt noch um die gesetzliche Strafe handelt; konsequenterweise müßte man dies wohl verneinen (mit der Folge, daß diese „ungesetzliche" oder „gesetzeswidrige" Strafe dann straflos vereitelt werden könnte). Unabhängig davon bleibt aber zweifelhaft, ob sich eine solche Gleichstellung von „gesetzlicher Strafe" und „angeordneter Strafe" auch für den Bereich der Strafverhängung vornehmen läßt, da es insoweit nicht nur an einem Anordnungsanalogon fehlt, das einen genauen Zeitpunkt für die Verurteilung festsetzt, sondern ein solches angesichts des ungewissen zeitlichen Verlaufs eines Strafverfahrens auch gar nicht feststellbar scheint. 3. Am 19.7.1936 erging die erste Reichsgerichtsentscheidung 303, die sich mit der Tatbestandsmäßigkeit einer Urteilsverzögerung bzw. einer nur darauf gerichteten Absicht auseinandersetzte, und zwar sowohl im Hinblick auf die alte Fassung des § 346, wonach als Beamter strafbar war, wer in der Absicht, jemanden der gesetzlichen Strafe zu entziehen, die Verfolgung einer strafbaren Handlung unterläßt, als auch im Hinblick auf die seit 1933 als Erfolgsdelikt konzipierte Vorschrift des § 346 304 , die erforderte, daß der Beamte jemanden wissentlich 305 der gesetzlichen Strafe entzieht. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten es drei Polizisten unterlassen, bei ihrer vorgesetzten Dienstbehörde Anzeige gegen die der Kuppelei schuldigen Betreiber einer Gastwirtschaft zu erstatten, obwohl ihnen seit mehreren Jahren 306 die die Strafbarkeit begründenden Umstände bekannt waren: sie hatten als Stammgäste selbst jahrelang mit den Kellnerinnen (in dem sog. „Weinzimmer") geschlechtlich verkehrt. Daher wurde im Rahmen der Entscheidung auch überprüft, ob einer rechtlichen Verpflichtung zur Anzeigeerstattung entgegenstand, daß sich die Beamten durch ihre „Beteiligung am Unzuchtbetriebe" wenn auch nicht wegen Beihilfe zur Kuppelei, so doch wegen Ehebruchs, der mit der Vortat der Kuppelei in einem „engeren tatsächlichen Zusammenhange" stehe, strafbar gemacht hatten und bei Anzeigeerstattung mit 303

RGSt 70, 251.

304

Reichsgesetzblatt 1 1933, S. 999.

305

Wobei „wissentlich" auch dolus directus ersten Gerades umfasste; vgl. Schröder, NJW 1962, 1037, 1039. 306 Bei dem Ende 1928 aus dem Dienstverhältnis ausgeschiedenen Beamten, der der alten Regelung des § 346 unterfiel, waren dies drei Jahre, bei den beiden anderen, für deren strafrechtliche Beurteilung die geänderte Fassung des § 346 maßgeblich war, waren dies zehn Jahre.

II. Die Rechtsprechung zu §§ 257, 346 a. F.

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einer entsprechenden Strafverfolgung rechnen mußten. Dies hat das Reichsgericht allerdings verneint, da zum einen das Interesse der Allgemeinheit an ordnungsgemäßer Strafverfolgung und das staatliche Interesse an der Erhaltung eines „makellosen Beamtenstandes" den Sonderinteressen der einzelnen Beamten vorgehen und zum anderen berücksichtigt werden müsse, daß die Beamten bereits vor Aufnahme ihrer geschlechtlichen Beziehung Kenntnis von dem kupplerischen Betrieb gehabt und sie folglich ihre spätere Zwangslage schuldhaft herbeigeführt hätten. Zur Tatbestandsmäßigkeit ihres Verhaltens wurde unter Berücksichtigung der geänderten Fassung des § 346 festgestellt, daß sich ihr Verhalten trotz der inzwischen erfolgten Verurteilung der Gastwirte als vollendetes Entziehen darstelle. Diese Ansicht wird darauf gestützt, daß „zur Vollendung des Entziehens" nicht gehöre, daß der Strafanspruch „endgültig vereitelt" werde „(z. B. durch Verfolgungsverjährung, durch dauernde Flucht ins Ausland und dgl.)". 307 Vielmehr werde jemand schon dann der gesetzlichen Strafe entzogen, wenn der Beamte, der zur Strafverfolgung berufen sei, durch sein Verhalten bewirke, daß der staatliche Strafanspruch „mindestens für eine geraume Zeit" unverwirklicht bleibe. Für eine solche Interpretation des „Entziehens" spreche insbesondere der Vergleich mit den Straftatbeständen des § 137 und des § 235. Denn auch dort bedeute „Entziehen" nicht, „daß ein dauernder und endgültiger rechtswidriger Zustand herbeigeführt" werde; es genüge vielmehr, daß „die Rechtsausübung und die Rechtsdurchsetzung für eine geraume Zeit aufgehoben und verhindert" werde. Vor allem § 137 stütze diese Auffassung, denn wie durch diese Vorschrift die „staatliche Herrschaftsgewalt" geschützt werden solle, die über eine verstrickte Sache begründet worden sei, so durch § 346 das „staatliche Recht" auf Bestrafung des Schuldigen. Schließlich spreche gegen eine Interpretation in dem Sinne, daß nur die endgültige, dauerhafte Verhinderung der Bestrafung tatbestandsmäßig sein solle, der Umstand, daß der „pflichtvergessene Beamte" regelmäßig nur wegen Versuchs und damit milder 308 bestraft werden könne, „ein Ergebnis, das der Gesetzgeber, als er die neue Vorschrift schuf, unmöglich gewollt haben" könne. Eine Wortlautinterpretation, für die - wie das Reichsgericht es getan hat - nur auf die Wortgleichheit mit anderen Tatbeständen abgestellt wird, ist methodisch

307 308

RGSt 70, 251, 254.

§ 44 Abs. 1 in der damals geltenden Fassung sah eine obligatorische Strafmilderung für den Versuch vor.

92

C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

äußerst zweifelhaft. Das Wort „Entziehen" kann unterschiedliche Bedeutungsinhalte haben, die vom Kontext seiner Verwendung abhängen. Bedenklich ist in erster Linie der Verweis auf den Tatbestand des Kinderraubes 309 und die dazu vom Reichsgericht in der Entscheidung vom 30.11.1888 310 entwickelte Auslegung des Merkmals „Entziehen". Zwar räumt das Gericht in der angegebenen Entscheidung ein, „daß die Entziehung auf Herbeiführung eines Zustandes von gewisser Dauer" gerichtet sein müsse; es betont aber gleichzeitig, dies ergebe sich daraus, „daß das Wesen der Strafthat in der thatsächlichen Beseitigung des Erziehungs- und Aufsichtsrechtes der Eltern oder des Vormundes (bestehe), nicht aber aus der Bedeutung des Wortes ,entziehen'". 311 Vielmehr deute das Wort „eigentlich auf ein Trennen hin, durch Ziehen dessen, was man trennen" wolle. Wenn also „das Wesen" des Kinderraubes (und nicht der allgemeine Wortsinn) die Auslegung des Begriffs „Entziehen" bestimmt, müßte „das Wesen" der persönlichen Begünstigung diesem entsprechen, um eine ebenfalls nur auf gewisse Dauer gerichtete Verhaltensweise als „Entziehen" werten zu können. Gegen eine Übertragbarkeit der Begriffsinterpretation sprechen aber bereits die fundamental verschiedenen Rechtsgüter der beiden Straftatbestände; der in dem Abschnitt „Verbrechen und Vergehen wider die persönliche Freiheit" eingeordnete Tatbestand des Kinderraubes schützte das Erziehungsrecht derjenigen Personen, denen „die Verfügungsbefugnis über das Rechtsgut der persönlichen Freiheit der Minderjährigen zusteht" 312 , und damit Individualrechte, während die Begünstigungsvorschrift die staatliche Rechtspflege bzw. den staatlichen Strafanspruch schützen sollte 313 . Unabhängig von der sachlichen Verschiedenheit der geschützten Rechtsgüter sind die Tatbestände aber auch strukturell nicht vergleichbar. Beim Kinderraub bleibt das Erziehungsrecht der Eltern bestehen; betroffen und beseitigt wird lediglich die durch das „Gewaltverhältnis" gekennzeichnete Möglichkeit der Rechtsausübung. Demgegenüber ist nicht ersichtlich, welcher Zustand oder welche Möglichkeit der Rechtsausübung seitens des Staates bei einer Verzögerung 309

Nach § 235 a. F. war strafbar, wer eine minderjährige Person durch List, Drohung oder Gewalt ihren Eltern oder ihrem Vormunde entzog. 310

RGSt 18, 272 ff.

311

RGSt 18, 272, 277.

312

Olshausen, § 235 Anm. 2 (3. Aufl. 1890); v. Liszt, S. 344 (10. Aufl. 1900); ansonsten wird auf die „Erziehungsgewalt" der berechtigten Personen abgestellt Rüdorff/Stenglein, § 235 Anm. 2 ff. (4. Aufl. 1892); Oppenhoff, § 235 Anm. 7 (9. Aufl. 1883). 3,3

Vgl. Oppenhoff, § 257 Anm. 1 m.w.N. (9. Aufl. 1883).

II. Die Rechtsprechung zu §§ 257, 346 a. F.

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der Bestrafung beseitigt werden soll. Denn das Recht, den Vortäter zu bestrafen bzw. zunächst zu verurteilen, besteht jedenfalls bis zum Eintritt der Verjährung fort. Der Strafanspruch bzw. dessen Durchsetzung sind zumindest im Rahmen der Verhängungsvereitelung erst noch zu verwirklichen und lassen sich nicht als bereits bestehendes „Gewaltverhältnis" werten, das durch die Begünstigungshandlung beseitigt würde. Etwas anderes könnte allenfalls für den Bereich der Vollstreckungsvereitelung gelten, da zumindest bei der in Vollzug gesetzten Freiheitsstrafe und damit nach Strafantritt ein staatliches Gewaltverhältnis besteht, dessen Beeinträchtigung aber ohnehin bereits durch den Straftatbestand der Gefangenenbefreiung erfaßt wird. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß jede noch so kurzfristige Beeinträchtigung des Obhutsverhältnisses oder des Erziehungsrechtes - im Unterschied zu einer bloßen Verzögerung der Verurteilung - ein Endgültigkeitsmoment aufweist. Denn das Erziehungsrecht bzw. die „Verfügungsbefugnis" der Erziehungsberechtigten ist in zeitlicher Hinsicht - nämlich bis zu Volljährigkeit des Minderjährigen - begrenzt und wird nicht um die Zeitspanne der Obhutsbeeinträchtigung verlängert. Demgegenüber wird auch bei einer Beeinträchtigung der bereits in Vollzug gesetzten Freiheitsstafe, die zu verbüßende Freiheitsstrafe um den jeweils verzögernden Zeitraum verlängert. Aber auch die Berufung auf die Strafvorschrift des Verstrickungsbruchs 314 sowie auf die zur Auslegung des darin enthaltenden Merkmals „entziehen" ergangene Rechtsprechung 315 unterliegt entsprechenden Einwänden. Zwar schützte § 137 a.F. ebenso wie die Begünstigungsvorschrift staatliche Interessen, und zwar die staatliche Verfügungsgewalt über die verstrickte Sache,316 allerdings wird auch hier durch die Tathandlung des „Entziehens" ein öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis beeinträchtigt oder aufgehoben, welches zumindest für den Bereich der Strafverhängung noch nicht besteht.317 Darüber hinaus weist die sog. Grundsatzentscheidung des Reichsgerichts zur Tatbestandsmäßigkeit einer Bestrafungsverzögerung noch weitere Schwächen auf, die es zweifelhaft erscheinen lassen, ob die in Rede stehende Interpretation der damals geltenden Fassung des Begünstigungstatbestandes gerecht wurde. 314

Nach § 137 a. F. war strafbar, wer Sachen, die gepfändet oder in Beschlag genommen worden waren, der Verstrickung ganz oder teilweise entzog. 315

RGSt 8, 253, 258 stellt fest, daß ein Entziehen aus der Verstrickung vorliegt, „wenn durch die Handlung die durch die Pfändung begründete Verfügungsgewalt des Beamten auch nur zeitweise aufgehoben wird." 316

Vgl. Oppenhoff, § 137 Anm. 1 (9. Aufl. 1883).

317

So auch Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339, 342 Fn. 12.

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C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

Bedenken ergeben sich vor allem aus der These, daß es der Vollendung des „Entziehens" nicht entgegenstehe, „daß der Dritte, den der Beamte begünstigt, späterhin, nach Ablauf einer geraumen Zeit, durch Umstände, die außerhalb des Willens des Beamten liegen, doch noch der gesetzlichen Strafe zugeführt wird". 318 Problematisch ist insbesondere die Betonung der außerhalb des Beamtenwillens liegenden Umstände. Die gewählte Formulierung läßt nämlich den Umkehrschluß zu, daß von einem vollendeten „Entziehen" dann nicht mehr gesprochen werden kann, wenn der Beamte, der zunächst eine „geraume Zeit" lang die Strafverfolgung gehemmt hat, später selbst „willentlich" die dem Gesetz entsprechende Strafe herbeiführt. Konsequenz einer solchen Lösung wäre, daß bei einer Verzögerung um geraume Zeit noch kein vollendetes sondern nur ein versuchtes „Entziehen" vorläge, von dem der Täter durch Ergreifung von Gegenmaßnahmen strafbefreiend zurücktreten könnte. Würde man das Reichsgericht hingegen so verstehen müssen, daß bei einer Hemmung der Strafverfolgung um „geraume Zeit" zunächst zwar Vollendung eingetreten ist, diese aber die Strafbarkeit nicht begründen kann, wenn der Beamte Gegenaktivitäten entfaltet, könnte es sich dabei nur um „tätige Reue" handeln. Für die letztgenannte Konzeption bietet der § 346 jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Schließlich erweist sich auch die vom Reichsgericht ohne weitere Ausführungen aufgestellte Behauptung, der Gesetzgeber könne es unmöglich gewollt haben, Fälle der nur zeitweiligen Verzögerung der Bestrafung als Versuch und damit milder zu bestrafen, als nicht sonderlich tragfähig, zumal vom Vorentwurf 1909, der erstmals die StrafVereitelung sowie das entsprechende Amtsdelikt als Erfolgsdelikt konzipiert hatte, nur in den Fällen, in denen eine endgültige Verhinderung der Bestrafung verursacht wird, wegen vollendeten Delikts bestraft werden sollte. 319 Zwar hat der Gesetzgeber von 1933 statt des Begriffs „Vereiteln" den des „Entziehens" gewählt, ob er damit jedoch von der - später kritisierten Interpretation des Vorentwurfs abweichen wollte, läßt sich nicht sicher feststellen. Ein entsprechender gesetzgeberischer Wille ließe sich allenfalls damit begründen, daß es der „notorisch straffreudige" NS-Gesetzgeber war, der 1933 den Tatbestand der Begünstigung im Amt neu konzipierte. 320 Dieser Wille wäre für die heutige Auslegung jedoch nicht mehr verbindlich.

318

RGSt 70, 251, 254.

319

Vgl. dazu sub Β II. 1.

320

So auch Vormbaum (S.404), der klarstellt, daß für diesen Fall eine heute nicht mehr verwendbare Argumentation vorläge. Demgegenüber hält Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339, 343, die Argumentation des RG für durchaus einleuchtend, allerdings ohne dies näher auszuführen.

II. Die Rechtsprechung zu §§ 257, 346 a. F.

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Festzuhalten bleibt, daß auch das Reichsgericht in seiner sog. Grundsatzentscheidung weder eine überzeugende Begründung für die Einbeziehung der bloßen Verzögerung erbracht noch das in dieser Entscheidung erstmals verwendete Kriterium der „geraumen Zeit" näher erläutert oder präzisiert hat. 4. In der Entscheidung des Reichsgerichts vom 17.8.1939 wurde die Verurteilung eines Geschäftsstellenbeamten, der entgegen der Verfügung des Revisionsgerichtes die angeforderten Akten nicht nur nicht übersandt, sondern sogar ein halbes Jahr lang versteckt und dadurch die Strafvollstreckung gegen den Verurteilten verzögert hatte, wegen Begünstigung im Amt bestätigt, da der Verurteilte durch das Beiseiteschaffen der Akten „zumindest auf Zeit der gesetzlichen Strafe entzogen worden" sei. 321 Zwar betont das Reichsgericht in dieser Entscheidung, daß infolge der Neufassung des § 346 für die Vollendung der Begünstigung im Amt nunmehr erforderlich sei, daß der Erfolg des Tatbestandes und damit die „Entziehung" eingetreten sei, warum dies aber bereits bei einer bloßen Verzögerung der Bestrafung der Fall sein soll, wird nicht begründet; insoweit wird lediglich auf die Entscheidung im 70. Band verwiesen. 5. Die wohl kürzeste Vollstreckungsverzögerung lag der Entscheidung des Reichsgerichts vom 10.10.1939 zu gründe. 322 Das Reichsgericht bejahte sowohl den „äußeren" als auch den „inneren" Tatbestand des § 257 für einen Fall, in dem der Angeklagte die befreundete Verurteilte für drei Tage bei einem Bekannten vor der - wegen der Vollstreckung einer sechswöchigen Freiheitsstrafe - nach ihr (der Verurteilten) fahndenden Polizei verborgen hatte. Dem Urteil läßt sich nicht entnehmen, ob eine über die drei Tage hinausgehende Verzögerung der Vollstreckung beabsichtigt oder bewirkt wurde 323 ; zur Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens wird ohne weitere Begründung lediglich ausgeführt, daß es in der Rechtsprechung seit langer Zeit anerkannt sei, daß ein „der Bestrafung Entziehen" i. S. des § 257 StGB auch schon dadurch begangen werden könne, daß ein Verurteilter „zeitweilig der Strafvollstreckung entzogen" werde. 324 6. Ebenfalls ohne nähere Begründung und unter Berufung auf die Grundsatzentscheidung von 1936 wurde am 18.4.1940 vom Reichsgericht die Verurteilung eines Bürgermeisters nach der geänderten Fassung des § 346 bestätigt, 321

RGSt 73, 294, 298.

322

RGSt 73, 331 ff.

323

Nach den in der Entscheidung mitgeteilten Feststellungen ist es ohnehin zweifelhaft, ob es überhaupt zu einer Verzögerung der Vollstreckung kam. 324

RGSt 73, 331, 332.

96

C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

da er durch sein Gesamtverhalten bewirkt habe, daß der Vortäter „der Strafverfolgung jedenfalls auf eine geraume Zeit entzogen worden" sei. 325 Der Beamte hatte, nachdem er von der Urkundenfälschung und den Amtsunterschlagungen eines befreundeten Kassenverwalters Kenntnis erlangt hatte, veranlaßt, daß die von dem Kassenverwalter inzwischen geleisteten Schadensersatzgelder nicht als solche, sondern als ordnungsgemäß empfangene Einzelposten verbucht worden waren. Darüber hinaus hatte er weder seine vorgesetzte Dienstbehörde informiert noch Strafanzeige erstattet oder die Strafverfolgung eingeleitet. Erst als ca. ein Jahr später bei einer zweiten Kassenprüfung eine einzelne Unterschlagung aufgedeckt worden war, hatte er den Sachverhalt offenbart. 7. Ebenso wie das Reichsgericht in den zuvor dargestellten Entsscheidungen ging auch der BGH - unter Berufung auf eben diese Entscheidungen - in seinem Urteil vom 10.11.1953 326 davon aus, daß der Vortäter schon dann der gesetzlichen Strafe i. S. des § 346 a. F. entzogen werde, wenn der staatliche Strafanspruch wenigstens für „geraume Zeit" unverwirklicht bleibe; eine endgültige Vereitelung des Strafanspruchs sei dagegen nicht erforderlich. 327 In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hat ein Polizeibeamter den Vortäter, der zuvor unter Alkoholeinfluß mit seinem PKW eine Radfahrerin verletzt hatte, zur Blutentnahme ins Krankenhaus gebracht. Nachdem diesem dort von dem zuständigen Arzt Blut abgenommen und die Blutprobe mit dem Namen des Vortäters versehen worden war, übergab der Arzt dem Polizeibeamten die Blutprobe in einem an das gerichtsmedizinische Institut adressierten Umschlag. Im Verlauf des weiteren Abends ließ sich der Beamte von dem Vortäter und von dem mit diesem befreundeten Leiter des Staatlichen Gesundheitsamtes dazu überreden, sich selbst Blut abnehmen zu lassen328 und dieses dann an Stelle der Blutprobe des Vortäters weiterzuleiten. Als er dann später den Vortäter über den Unfall vernommen hatte, gab er den Umschlag mit der von ihm stammenden Blutprobe in den Geschäftsgang. Nachdem das gerichtsmedizinische Institut einen Alkoholgehalt von nur 0,2 g %o. ermittelt hatte, wurde dieses Ergebnis der Staatsanwaltschaft mitgeteilt. Dort fiel der geringe Blutalkoholgehalt auf, und dem Verdacht wurde sofort durch Vernehmung des Polizeibeamten nachgegangen, der bei dieser 325

RGSt 74, 178 ff.

326

BGH, NJW 1954,281,282.

327

Eine gleichlautende Interpretation findet sich bereits in der Entscheidung des OLG Halle vom 2.5.1947 (JR 1947, 125, 126). 328

Zuvor hatte der Beamte zwei Schnäpse getrunken, damit kein Verdacht durch einen völlig negativen Ausfall der Blutalkoholuntersuchung entstehen sollte.

II. Die Rechtsprechung zu §§ 257, 346 a. F.

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Vernehmung jede Unregelmäßigkeit leugnete; insgesamt waren seit dem Unfall und dem Vertauschen der Blutproben bis zu diesem Zeitpunkt sechs Tage vergangen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz trugen die festgestellten Tatsachen aus Sicht des BGH die Verurteilung des Beamten wegen eines vollendeten Verbrechens nach § 346 a. F. nicht. Zur Begründung wird ausgeführt, daß aus dem tatrichterlichen Urteil nicht hervorgehe, wann die Vertauschung der Blutproben aufgedeckt wurde, so daß kein Hindernis mehr bestand, den Vortäter unter den richtigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu verfolgen. 329 Insbesondere seien die folgenden Ausführungen des LG: „Soweit für die Verkehrsstraftat der Alkoholgenuß strafschärfend oder strafbegründend in Betracht gekommen sei, sei sie erst nachträglich und wesentlich später verfolgt worden, so daß der staatliche Strafanspruch für geraume Zeit unverwirklicht geblieben sei", keine tatsächlichen Feststellungen, sondern nur „sehr allgemein gehaltene Urteile". Daher sei es dem Senat auch nicht möglich gewesen, zu überprüfen, ob die Verzögerung des Verfahrens so erheblich gewesen sei, daß der Vortäter der Strafverfolgung für eine solche Zeit entzogen wurde, die es rechtfertige, ein vollendetes Verbrechen nach § 346 a. F. anzunehmen. Beachtenswert ist diese Entscheidung insoweit, als sie sich um die Überprüfung der erforderlichen Kausalität zwischen Tathandlung und Taterfolg bemüht. Allerdings wird auch von dieser Entscheidung offen gelassen, was tatsächlich unter der Formel von der „geraumen Zeit" zu verstehen ist; die zudem vorgenommene Erfolgsbeschreibung i. S. einer „so erheblichen Verzögerung, die eine Bestrafung wegen vollendeten Verbrechens rechtfertigt", ist nicht nur zirkulär, sondern auch wenig geeignet, als Anknüpfungspunkt für die vom BGH zuvor geforderten tatsächlichen Feststellungen zu dienen. 8. Mit der Entscheidung vom 16.12.1958 bezog der BGH erneut Stellung zur Tabestandsmäßigkeit einer bloßen „Strafverfolgungsverzögerung". 330 Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Nachdem ein Gemeinderat sich abfällig über die zuvor gehaltene Rede des Bürgermeisters geäußert hatte, lauerten zwei Parteigänger des Bürgermeisters dem Gemeinderat auf und schlugen diesen mit Holzstecken nieder, wobei sie ihn ganz erheblich verletzten. Am nächsten Morgen suchte einer der beiden Täter den Bürgermeister auf und teilte diesem mit, daß sie zuvor den Gemeinderat niedergeschlagen hatten. Als dem Bürgermeister am nächsten Tag von einem Polizeiobermeister die Vorkommnisse gemeldet wurde,

329

BGH, NJW 1954,281,282.

330

BGH, NJW 1959, 494 f.

7 Wappler

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C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

verschwieg er, was er darüber wußte. Auch als er zwei Tage später direkt gefragt wurde, ob ihm etwas über den Vorfall bekannt sei, schwieg er. Die Täter konnten aufgrund weiterer Erhebungen sieben Tage nach der Tat ermittelt werden. Der BGH hob die Verurteilung des Bürgermeister wegen vollendeter Begünstigung im Amt nach § 346 a. F. auf, da die „Pflichtwidrigkeit" des Beamten die Ermittlung der Vortäter und damit deren Strafverfolgung nur „ganz vorübergehend" verzögert habe und die Pflichtwidrigkeit auch zu keinem Zeitpunkt die Einstellung der polizeilichen Erhebungen zur Folge gehabt habe. Daher fehle es an einem „Entziehen" i. S. des § 346 a. F., so daß sich der Beamte nur wegen versuchter Begünstigung strafbar gemacht habe. Dieser Entscheidung läßt sich im Hinblick auf die Interpretation des Begriffs „Entziehen" lediglich entnehmen, daß die Verzögerung der Strafverfolgung nicht „nur ganz vorübergehend" sein darf; diese Auslegung ist jedoch ebensowenig konkretisiert wie der Terminus der „geraumen Zeit". Ob dagegen die Einstellung der Ermittlungen grundsätzlich als tatbestandsmäßiger Erfolg zu bewerten ist dies erscheint jedenfalls dann zweifelhaft, wenn die Ermittlungen „nur ganz vorübergehend" eingestellt werden - , läßt sich der Entscheidung nicht sicher entnehmen. 9. In der Entscheidung vom 8.7.1960 fuhrt der BGH erneut unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung aus, daß § 346 a. F. nicht eine dauernde Vereitelung des staatlichen Strafanspruchs erfordere, sondern daß es ausreiche, wenn Strafanspruch für „geraume Zeit" un verwirklicht bleibe. 331 In dem zu beurteilenden Fall waren bei zwei Kriminalbeamten, die erheblich überlastet waren, Rückstände aufgetreten, die diese trotz der Verwendung ihres Erholungsurlaubes und erheblicher Überstunden nicht völlig aufarbeiten konnten. Nachdem sie von einer bevorstehenden Geschäftsprüfung erfahren hatten, trugen sie noch offenstehende Vorgänge im Tagebuch zu Unrecht als erledigt aus und trugen Vorgänge, die noch als offenstehend eingetragen waren, die aber nicht mehr auffindbar waren, als erledigt und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet ein. „Kurze Zeit" darauf (keine näheren Angaben) wurden die Falscheintragungen der Beamten entdeckt. In Übereinstimmung mit dem Landgericht verneinte der BGH eine Strafbarkeit wegen Begünstigung im Amt. Zur Begründung dieser Auffassung wird ausgeführt, daß bei einem Unterlassungsdelikt die Strafbarkeit davon abhänge, ob den Verantwortlichen eine Rechtspflicht zum Handeln treffe und er dieser Pflicht in vorwerfbarer Weise zuwider handele. Da die Beamten bereits über ihre Leistungsfähigkeit hinaus in Anspruch genommen worden waren, könne ihnen der Vorwurf

331

BGHSt 15, 18,21.

II. Die Rechtsprechung zu §§ 257, 346 a. F.

99

der Pflichtwidrigkeit und damit eines rechtswidrigen Verhaltens nicht gemacht werden, zumal sie ihre Vorgesetzten auf die Arbeistsüberlastung und das Vorhandensein von Rückständen hingewiesen hatten. Dem BGH ist darin zuzustimmen, daß den Beamten der Vorwurf pflichtwidrigen Unterlassens nicht gemacht werden kann, wenn ihnen eine ordnungsgemäße Bearbeitung bzw. Aufarbeitung ob der erheblichen Arbeitsüberlastung gar nicht möglich ist; bei der vorliegenden Fallkonstellation wäre jedoch von größerem Interesse gewesen, ob nicht die Manipulation an dem Tagebuch und damit positives Tun den Vorwurf der „Pflichtwidrigkeit" bzw. Tatbestandsmäßigkeit begründet hätte, denn selbst wenn die Falscheintragungen nicht für eine Verzögerung der Bestrafung ursächlich geworden sind, wäre bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des BGH eine Strafbarkeit wegen versuchter Begünstigung im Amt naheliegend gewesen. Insoweit stellt der BGH bedauerlicherweise nur fest, daß das Landgericht eine diesbezügliche Verurteilung zutreffend abgelehnt hatte. 10. Mit dem Urteil vom 30.7.1963 332 überprüfte der BGH letztmalig vor der Gesetzesänderung, unter welchen Voraussetzungen die bloße Verzögerung der Bestrafung den Vorwurf der Begünstigung im Amt gem. § 346 a. F. rechtfertigt. Gegenstand auch dieser Entscheidung war die säumige Aktenbearbeitung durch einen Amtsträger. Der Abteilungsleiter einer Staatsanwaltschaft hatte in einem Fall ein Ermittlungsverfahren, das einen „verhältnismäßig einfachen" Sachverhalt betraf, derart „umständlich" betrieben, daß es erst nach 16 Monaten abgeschlossen wurde. Der BGH schloß sich der Auffassung des Instanzgerichtes an und verneinte i. E. einen auf auf „zeitweise" Entziehung der Strafe gerichteten dolus directus, da sich ein solcher weder daraus entnehmen lasse, daß der Oberstaatsanwalt zunächst eine Einstellung des Verfahrens gem. § 153 Abs. 2 StPO in Betracht zog, noch daraus, daß er die - aus Sicht der Revision völlig überflüssige - Beiziehung weiterer Akten abgewartet habe; denn entscheidend sein allein gewesen, daß der Staatsanwalt eine solche Vorgehensweise für erforderlich oder zumindest zweckmäßig gehalten habe. In einem weiteren Fall hatte der angeklagte Staatsanwalt eine Sache in einem Zeitraum von sieben Monaten nicht bearbeitet, obwohl diese ausweislich seines (sieben Monate) später gestellten Antrages auf Erlaß eines Strafbefehls während des genannten Zeitraums zur Entscheidung reif gewesen war. Auch dieses Verhalten rechtfertigte nach Auffassung des BGH den Vorwurf nicht, der Angeklagte habe den Beschuldigten wissentlich seiner Strafe entziehen wollen, da der Grund der Untätigkeit des Angeklagten in seiner damaligen schweren 332

7*

BGHSt 19, 79 ff.

100

C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

seelischen Depression gelegen habe. Trotz fehlender Feststellungen des Instanzgerichtes über die Auswirkung dieser Depression lag es aus Sicht des BGH auf der Hand, daß der Oberstaatsanwalt nicht von vornherein eine längere Untätigkeit ins Auge gefaßt habe, sondern daß er vielmehr wegen der ihn bedrückenden Umstände eine oder mehrere Sachen habe aus den Augen verlieren oder nicht die Entschlußkraft aufbringen können, in der einen oder anderen Sache eine Entscheidung zu treffen. Wenn man zudem noch den überdurchschnittlichen Altersabbau des Angeklagten berücksichtige, könne von einer wissentlichen und willentlichen zeitweisen StrafVereitelung jedenfalls dann keine Rede sein, solange sich die Verzögerungen in den hier vorliegenden Grenzen halte. Auch diese Entscheidung weist Schwächen auf und verdeutlicht das Unbehagen und die Schwierigkeiten, die sich fur die Beurteilung des Verhaltens säumiger Amtsträger bei konsequenter Anwendung der sog. StrafVereitelung auf Zeit ergeben. Selbst wenn die schwere seelische Depression und der überdurchschnittliche Altersabbau des Angeklagten die vom BGH angenommenen Auswirkungen gehabt hatten, wäre es konseqenter gewesen, bereits die Fähigkeit zur (schnelleren) Bearbeitung der Akten und damit die Möglichkeit der Vornahme der unterlassenen Handlung abzulehnen, zumal die Unfähigkeit, die gebotene Handlung vorzunehmen, nicht zwangsläufig das sichere Wissen um die verzögernde Auswirkung des Unterlassens in Frage stellt. Auch die vom BGH vorgenommene Einschränkung, daß von einem ausreichenden dolus jedenfalls dann nicht ausgegangen werden könne, wenn sich die Verzögerung in den hier gegebenen Grenzen halte, erscheint vor allem bei Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung weder plausibel noch konseqent. Zum einen belief sich die hier zu beurteilende Verzögerung auf einen Zeitraum von immerhin sieben Monaten und damit auf „geraume Zeit" i. S. der bisherigen Rechtsprechung. Zum anderen ist nicht nachvollziehbar, warum sich einerseits bei noch länger andauernden Verzögerungen etwas an dem sicheren Wissen um die Verzögerung ändern sollte, andererseits bleibt ungeklärt, bei welcher Verzögerungsdauer auf das Vorliegen eines ausreichenden dolus geschlossen werden kann.

I I I . Fazit Die Untersuchung der zu den §§ 257 (a.F.), 346 (a.F.) ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung hat gezeigt, daß sämtliche der der Grundsatzentscheidung im 70. Band nachfolgenden Judikate die Formel von der Verzögerung um „geraume Zeit" übernommen haben, ohne diese jedoch weiter zu präzisieren oder zu begründen.

III. Fazit

101

Aber auch die ersten drei Entscheidungen des Reichsgerichts, die sich um eine Begründung der fraglichen Auslegung bemüht haben, sind im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit den damals geltenden Begünstigungsvorschriften nicht unbedenklich und die zur Begründung angeführten Argumente sind nicht tragfähig. Eine Übertragbarkeit der damals vorgenommenen Interpretation, die vor allem auf die sprachliche Bedeutung des Merkmals „Entziehen" abstellte, auf den geänderten Tatbestand, wie dies von nahezu allen Obergerichten und auch vom BGH unter Verweisung auf die Grundsatzentscheidung praktiziert wird, verbietet sich angesichts der insoweit eindeutigen Wortlautänderung. 333 Darüber hinaus vermag auch das teleologische Argument des Reichsgerichts, der Gesetzgeber könne für die Fälle einer Verzögerungsverursachung um „geraume Zeit" unmöglich die mildere Versuchsstrafbarkeit gewollt haben, die gleichbleibende Auslegung des geänderten Straftatbestandes nicht zu rechtfertigen, da bereits 1943 die obligatorische Strafmilderung des Versuchs in eine fakultative umgewandelt wurde. 334 Festzuhalten bleibt, daß damit seitens der Rechtsprechung eine tragfähige Begründung für die Verzögerungserfassung um „geraume Zeit" nicht erbracht wurde. Weiterhin hat die vorhergehende Untersuchung gezeigt, daß es der Rechtsprechung auch nach über 100 Jahren nicht gelungen ist, eine allgemeingültige Angabe über die als tatbestandsmäßig geltende Dauer der Verzögerung zu formulieren. Die Versuche, den Verzögerungszeitraum negativ etwa durch die Formulierung „eine nicht bloß vorübergehende Verzögerung" 335 oder positiv beispielsweise durch Begriffe wie „erhebliche Verzögerung" 336 , „gewisse Verzögerung" 337 oder „tatbestandserhebliche Verzögerungen" 338 zu umschreiben, sind ebenso wenig geeignet, strafbares von straflosem Verhalten abzugrenzen, wie das Kriterium der „geraumen Zeit". Die ganze Hilflosigkeit im Umgang mit diesem Kriterium hat der BGH selbst in schönster Deutlichkeit vorgeführt, wenn er meint, das Erfordernis einer Verzögerung um „geraume Zeit" sei dann erfüllt,

333 Gegen eine Übernahme dieser Erfolgsinterpretation bzw. des Kriteriums der „geraumen Zeit" auf die neue Tatbestandsfassung sprach sich bislang nur das OLG Koblenz, NJW 1982, 278 f., aus. 334

Reichsgesetzblatt I 1943, S. 341.

335

BGH, NJW 1959,494.

336

BGH, DRiZ 1977, 87 f.

337

OLG Karlsruhe, NStZ 1988, 504.

338

KG Berlin, NStZ 1988, 178f. = StV 1988, 141.

102

C. Die Interpretation des Erfolges durch die Rechtsprechung

wenn eine Bestrafung wegen vollendeter - damals noch - Begünstigung im Amt gerechtfertigt sei. 339 Angesichts der Schwierigkeiten, die sich bei der Feststellung der Kausalität zwischen Tathandlung und Taterfolg ergeben haben und die in aller Regel zu einer Aufhebung der Verurteilung wegen vollendeter Strafvereitelung geführt haben oder hätten führen müssen, erscheint ein Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung auch nicht sonderlich zweckmäßig. Wenn man ferner berücksichtigt, zu welchen dogmatisch zumindest zweifelhaften Konstruktionen sich einige Gerichte bei der Beurteilung des die Hauptverhandlung unterbrechenden Verteidigerverhaltens genötigt gesehen haben, um offensichtlich als unbillig empfundene - aber bei einer konsequenten Anwendung der üblichen Erfolgsinterpretation unvermeidbare - Ergebnisse zu verhindern, stellt ein künftiger Verzicht auf die sog. Strafvereitelung auf Zeit eine ernstzunehmende Alternative dar. Denn es kann kein gangbarer Ausweg sein, bei der Beurteilung dieser Fallkonstellationen auf die „überwiegende Passivität" des Verhaltens 340, die „Unrichtigkeit der erteilten Auskunft" 341 oder die „Unkenntnis wesentlicher strafprozessualer Vorschriften" 342 abzustellen oder aber in den objektiven Tatbestand des § 258 ein subjektives Element in Form der Absicht hineinzuinterpretieren 343. Wenn man sich diese zum Teil nicht nachvollziehbaren Konstruktionen vor Augen hält, kann ein Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung auch nicht damit begründet werden, daß diese sich - auch wenn sie eine überzeugende Begründung für die Tatbestandsmäßigkeit bloßer Verzögerungen schuldig geblieben ist - in über 100 Jahren zumindest bewährt habe; denn daß sie dies gerade nicht getan hat, zeigen einige Entscheidungen in besonders eindrucksvoller Weise. Nicht zuletzt wegen der Schwierigkeiten, die sich bei der Beurteilung säumiger Amtsträger offenbart haben (denen entweder eine Strafbarkeit wegen vollendeter StrafVereitelung im Amt oder aber der Verlust der gesellschaftlichen Reputation droht), sollte es der Rechtsprechung nicht allzu schwer fallen, die StrafVereitelung auf Zeit zu verabschieden.

339

BGH, NJW 1954,282.

340

OLG Düsseldorf, NStZ 1991, 299.

341

OLG Düsseldorf, NStZ 1991, 299.

342

OLG Koblenz, NStZ 1992, 147.

343

KG Berlin, StV 1988, 142 = NStZ 1988, 179.

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum Im Unterschied zu der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird die Bestimmung des tatbestandsmäßigen Erfolges und damit die Festlegung des Vollendungszeitpunktes der StrafVereitelung in der Strafrechtswissenschaft nicht einheitlich vorgenommen. Zwar wird auch im Schrifttum die Einbeziehung der Verzögerung in den Anwendungsbereich des § 258 nahezu einhellig bejaht, kontrovers beantwortet wird jedoch die Frage, welches Verfahrensereignis überhaupt Gegenstand der ganz überwiegend für ausreichend befundenen Verzögerung sein kann und welcher Maßstab an die Dauer der Verzögerung anzulegen ist. Samson, der die engste Auffassung vertritt, lehnt eine Einbeziehung von Verzögerungen - sofern diese nicht bis zur Verjährung der Vortat andauern - in den Anwendungsbereich des § 258 generell ab. 344 Weitergehend bewertet Vormbaum auch diejenigen verzögernden Verhaltensweisen als vollendete StrafVereitelung, die die Prognose rechtfertigen, daß der Vortäter nicht mehr innerhalb der Verjährungsfrist verurteilt werden wird. 3 4 5 Die herrschende Ansicht in der Literatur bejaht dagegen in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung eine vollendete Strafvereitelung bereits dann, wenn die Bestrafung des Vortäters um „geraume Zeit" verzögert wurde. 346 Lenckner und Rudolphi gehen noch darüber hinaus. Sie verzichten auf das Kriterium der „geraumen Zeit" und lassen jegliche Verzögerung der Verurteilung als tatbestandsmäßigen Erfolg des Strafvereitelungstatbestands ausreichen. 347

344

Samson, JA 1982, 181 ff.; SK-Samson, § 258 Rn. 8 ff.

345

Vormbaum, S. 394 ff.

346

Arzt/Weber, L H 4, Rn. 370; Blei, BT, § 109 IV 2, S. 433; Bockelmann, BT 3, S. 54; Tröndle, § 258 Rn. 5; Ebert, ZRG (GA) 1993 (110), 1, 59; Frisch, NJW 1983, 2471, 2473 f.; Haft, BT, S. 180; Küpper, GA 1987, 385; Krey, BT 1, S. 248 Rn. 616; Lackner/ Kühl, § 258 Rn. 4; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 100 Rn. 15, S. 398; Müller-Dietz, Jura 1979,242, 246; Otto, S. 472; Plümer, S. 46; Preisendanz, § 258 Anm. II 3 a; LK-Ruß, § 258 Rn. 10; Schmidhäuser, BT, S. 250; Schönke/Schröder/Stree, § 258 Rn. 16; Stree, JuS 1976, 137, 140; Wessels, BT 1, S. 144 Rn. 707. 347

Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339, 342 ff.; Rudolphi, JuS 1979, 859 ff.

104

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

Nach der von Beulke vorgeschlagenen - wohl extensivsten - Auslegung des Tatbestandes soll der Erfolg schon dann eingetreten sein, wenn nur einzelne Maßnahmen der Strafverfolgungsorgane verzögert oder beeinträchtigt worden sind. 348 Die genannten Auffassungen sollen im folgenden dargestellt und daraufhin untersucht werden, ob sie die jeweils befürwortete Erfolgsbestimmung überzeugend begründen können. I . Samsons Erfolgsbestimmung (Verzicht auf Verzögerungen) Innerhalb der in der Literatur vertretenen Auffassungen zum Vollendungszeitpunkt des neukonzipierten § 258 ist die von Samson vertretene Konzeption die engste. Im Unterschied zur Rechtsprechung und dem ganz überwiegenden Teil des Schriftums lehnt Samson es generell ab, das Bewirken von Verzögerungen sofern diese nicht bis zum Eintritt der VerfolgungsVerjährung andauern - als Verursachung des tatbestandsmäßigen Erfolges und damit als vollendete Strafvereitelung zu bewerten. Ausgangspunkt seiner grundlegenden Untersuchung zur „Strafvereitelung auf Zeit" 3 4 9 ist die Frage danach, welches Verfahrensereignis überhaupt Gegenstand der - seiner Ansicht nach auch als Verzögerung interpretierbaren - Vereitelung sein könne. Zutreffend lehnt Samson es ab, neben der die Strafe oder Maßnahmeunterwerfüng aussprechenden Entscheidung auch noch einzelne StrafVerfolgungsakte als tauglichen Bezugspunkt der Vereitelung bzw. Verzögerung zu begreifen, da einer solchen Interpretation nicht nur der Wortlaut der Norm, sondern auch die Systematik und die historische Entwicklung des Strafvereitelungstatbestandes entgegenstehe. Zur Tatvollendung und damit auch zur Bejahung des Erfolgseintrittes sei daher jedenfalls eine Verzögerung der die Sanktion verhängenden Entscheidung selbst erforderlich; dabei läßt Samson offen, ob es sich bei dieser Entscheidung um das erste oder möglicherweise auch erst um das rechtskräftige Urteil handelt 350 . Gegen eine Einbeziehung der Urteilsverzögerung in den Tatbestand der Strafvereitelung wendet Samson ein, daß sie nicht nur „gänzlich unpraktisch" sei, sondern auch zu den „seltsamsten Konsequenzen" führe. 351 Denn die Verzögerung 348

Beulke, Strafbarkeit des Verteidigers, S. 113 ff.

349

Samson, JA 1982, 181 ff.

350

Samson, JA 1982, 181; SK-Samson, § 258 Rn. 28.

351

Samson, JA 1982, 181, 182.

I. Samson

105

des Strafurteils, die ihrerseits auch durch eine Beeinträchtigung oder Verzögerung einzelner Strafverfolgungsakte bewirkt werden könne, müsse dem Täter des § 258 nachgewiesen werden. Die bei einer solchen Konstruktion erforderliche Feststellung der Kausalität fur das verspätete Ergehen einer die Sanktion verhängenden Entscheidung setze den Vergleich zweier Urteilszeitpunkte voraus, da von einer Verzögerung nur dann gesprochen werden könne, wenn der (reale) Zeitpunkt des tatsächlich gefällten Urteils später liege als der (hypothetische) Zeitpunkt, zu dem das Urteil ohne das Eingreifen des Täters erlassen worden wäre. 352 Im Unterschied zu der Festeilung des realen Urteilszeitpunktes treten bei der Feststellung des hypothetischen Urteilszeitpunktes regelmäßig dann erhebliche Schwierigkeiten auf, wenn die Eingriffe des Täters vor Beginn des Hauptverfahrens erfolgen. Dies sei darauf zurückzufuhren, daß der Verlauf eines Strafverfahrens gerade in zeitlicher Hinsicht von so vielen Unwägbarkeiten abhänge, daß die Berechnung des hypothetischen Zeitpunkt des Verfahrensendes zu „einem mühsamen und in der Regel auch gänzlich aussichtslosen Unterfangen" werde, zumal der Verurteilung des Vortäters auch durch Eingriffe des Begünstigenden im Vorverfahren beschleunigt werden könne, da z. B. die Flucht des Beschuldigten regelmäßig eine verstärkte Aktivität der Ermittlungsbehörden auslöse.353 Relativ einfach zu ermitteln sei dagegen der hypothetische Urteilszeitpunkt für den Fall, daß der Eingriff während der Hauptverhandlung und damit in zeitlicher Nähe zum Urteil erfolge. Zwar mache die Feststellung der Urteilsverzögerung bei einer solchen Konstellation keine Schwierigkeiten, die Einbeziehung einer entsprechenden Verzögerung in den Strafbereich des § 258 führe jedoch zu „offenbar unsinnigen Ergebnissen". 354 Zur Verdeutlichung dieses Einwandes verweist Samson auf den Zeugen, der beim Vernehmungstermin in der Hauptverhandlung unentschuldigt ausbleibt,355 auf den Sachverständigen, der sein Gutachten nicht rechtzeitig erstellt, auf den Schöffen, der einen Hauptverhandlungstermin nicht wahrnimmt, sowie auf den eine „Schiebeverfügung" anordnenden Staatsanwalt. In all diesen Fällen verzögern die genannten Personen das Verfahren und damit die Verurteilung des Täters und sehen diesen Effekt auch als sicher voraus. Gleichwohl habe in solchen Fällen noch nie ein Strafverfahren

352

Samson, JA 1982, 181, 182; SK-Samson, § 258 Rn. 28.

353

Samson, JA 1982, 181, 182.

354

Samson, JA 1982, 181, 182; SK-Samson, § 258 Rn. 29.

355 Ein entsprechender Einwand wurde bereits 1958 von Kojjfka in einer Sitzung der Großen Strafrechtskommission gegen die Einbeziehung von Verzögerungen erhoben; vgl. subB. II. 11. a).

106

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

wegen Strafvereitelung gegen die betreffenden Verfahrensbeteiligten stattgefunden, da zu Recht davon ausgegangen werde, daß eine Pönalisierung dieser Verhaltensweisen nicht gewollt sei. 356 Zusätzlich verweist Samson auf die Enstscheidung des historischen Gesetzgebers, der bewußt auf den Einsatz der staatlichen Strafgewalt gegen derartige Hemmungen der Strafverfolgung, für deren kriminelle Ahndung ein Strafbedürfnis kaum anzuerkennen sei, verzichtet habe. 357 Bei einer konsequenten Einbeziehung der Verzögerung würde das Delikt der Strafvereitelung daher seinen Charakter verändern und zu nicht haltbaren und auch ungewollten Ergebnissen führen. Sofern Verzögerungen durch Amtsträger zu beurteilen wären, würde § 258 a zur Strafbewehrung des bislang nur prozessual diskutierten Beschleunigungsgebotes, sofern es um Verzögerungen durch Extrane ginge, würde aus § 258 die von Beling konzipierte Strajustizvereitelung. 358 Aus den genannten Gründen solle es leicht fallen, von der sog. „StrafVereitelung auf Zeit" (vor Eintritt der Verjährung) Abschied zu nehmen, zumal durch einen solchen Verzicht angesichts der in § 258 angeordneten Versuchsstrafbarkeit auch keine unvertretbaren Strafbarkeitslücken aufgerissen würden. 359 Schließlich spreche für eine Abkehr von der Strafvereitelung durch Verzögerungen, daß sie dem Täter in sinnvoller Weise Rücktrittsmöglichkeiten erhalte und zudem die Möglichkeit biete, die Fälle des säumigen Zeugen, Sachverständigen und Staatsanwaltes angemessen zu lösen. Im folgenden sollen die von Samson für eine enge Erfolgsinterpretation angeführten Argumente kritisch untersucht werden. 1. Sinnvolle Erweiterung der Rücktrittsmöglichkeiten Zuzustimmen ist ihm zunächst darin, daß die mit einem Verzicht auf Verzögerungen verbundene Hinausschiebung des Vollendungszeitpunktes die Rücktrittsmöglichkeiten des Verzögerers gegenüber der von Rechtsprechung und Literatur vertretenen Erfolgsbestimmung erheblich erweitert. Damit ist allerdings noch nicht erklärt, warum eine derartige Erweiterung der Rücktrittsmöglichkeiten sinnvoll ist.

356

Samson, JA 1982, 181, 183; SK-Samson, § 258 Rn. 29.

357

Samson, JA 1982, 181, 184, unter Verweis auf die Begründung zum VE 1909; vgl. dazu sub Β. II. 1. 358

Samson, JA 1982, 181, 183.

359

Samson, JA 1982, 181, 183 f.; SK -Samson, § 258 Rn. 30.

I. Samson

107

Hierfür spricht jedoch, daß der durch die Vorverlagerung der Vollendung eröffnete weite Anwendungsbereich des § 257 a.F. seit Inkraftreten dieser Vorschrift kritisiert und die Schaffung eines rücktrittsfähigen Tatbestandes zum ständigen Gegenstand der Reformbestrebungen und Gesetzesentwürfe gemacht wurde. 360 Wenn man weiterhin berücksichtigt, daß auch der Gesetzgeber 1974 durch die Neufassung des § 258 den Vollendungszeitpunkt der Strafvereitelung - wenn auch nicht ganz so weit - hinausschieben wollte, um dadurch dem Täter die Möglichkeit des strafbefreienden Rücktritts zu eröffnen, 361 dann führt der generelle Verzicht auf die Tatbestandsmäßigkeit bloßer Verzögerungen zumindest zu einer konsequenten Umsetzung der aufgezeigten Kritik und der daran anknüpfenden Reformbestrebungen. 2. Mangelnde Praktikabilität Tragender Gesichtspunkt der von Samson gegen die Strafvereitelung auf Zeit geäußerten Kritik ist die mangelnde Praktikabilität der von Rechtsprechung und Literatur befürworteten Erfolgsbestimmung; der Nachweis der Kausalität für einen Verzögerungserfolg sei wegen des ungewissen zeitlichen Verlaufs eines Strafverfahrens jedenfalls dann mit ganz erheblichen Schwierigkeiten verbunden, wenn der Eingriff des Täters vor Beginn des Hauptverfahrens erfolge. Die Untersuchung der die Tatbestandsmäßigkeit bloßer Verzögerungen betreffenden bislang veröffentlichten Rechtsprechung hat diesen Einwand mit hinreichender Deutlichkeit bestätigt. In sämtlichen höchstrichterlichen Entscheidungen - mit Ausnahme derjenigen Judikate, die die zum Teil über Jahre andauernde Untätigkeit der Strafverfolgungsorgane betrafen - wurde die Annahme einer vollendeten Strafvereitelung mangels ausreichenden Kausaltätsnachweises entweder abgelehnt oder hätte bei Zugrundelegung der mitgeteilten Feststellungen abgelehnt werden müssen. Des weiteren ist zu berücksichtigen, daß der Vorwurf mangelnder Praktikabilität nicht nur in den Fällen gerechtfertigt ist, in denen der Eingriff vor oder während des Ermittlungsverfahrens erfolgt, sondern auch bei Eingriffen im bereits eröffneten Hauptverfahren relevant werden kann. Wenn man sich den erheblichen zeitlichen Umfang einiger Hauptverhandlungen bei Groß- und vor allem WirtschaftsstrafVerfahren 362 vor Augen hält, muß ebenfalls bezweifelt werden, ob 360

Vgl. sub Β. II.

361

BT-DS 7/550, S. 249.

362

Vgl. insoweit BGH, wistra 1996, 314 f.; dort hatte sich die Hauptverhandlung vom 24.6.1992 in 150 Sitzungstagen bis zum 28.7.1994 erstreckt.

108

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

die Ermittlung eines hypothetischen Urteilszeitpunktes in solchen Fällen ohne nennenswerte Schwierigkeiten möglich ist. Daraus folgt, daß der von Samson gegen eine generelle Einbeziehung von Verzögerungen erhobene Vorwurf - die regelmäßige Undurchführbarkeit des Kausalitätsnachweises - berechtigt ist. Dies räumen sogar seine Kritiker ein. Insoweit konzediert Lenckner 363 , daß in den meisten Fällen nur ein Versuch der Strafvereitelung in Betracht kommen dürfte, weil der erforderliche Nachweis der Kausalität bei bloßen Verzögerungen kaum zu führen sein wird, und Schroeder 364 bezeichnet aus diesem Grund den Verzögerungsnachweis als „grundsätzliche Kalamität" der Neufassung. Allerdings könnte eine entsprechende Kritik auch gegenüber Samsons Erfolgsinterpretation formuliert werden, da er das Bewirken einer bis zum Eintritt der Verjährung andauernden Verzögerung als taugliche Erfolgsverursachung ansieht. Daher ließe sich ihm entgegenhalten, daß der Nachweis der Kausalität für einen solchen Erfolg ein ebenso aussichtsloses Unterfangen darstellt wie die Bemühung, die Ursächlichkeit für eine verspätet ergangene Entscheidung nachzuweisen. Denn auch hier müßte festgestellt werden, daß ohne das Verhalten des Strafvereitelers vor Eintritt der Verjährung eine Verurteilung des Vortäters erfolgt wäre. Ein solcher Einwand kann zwar nicht generell ausgeräumt werden, er läßt sich jedoch wesentlich entschärfen; denn nicht der gesamte Verlauf eines hypothetischen Strafverfahrens müßte unterstellt werden, sondern „nur" der des Verfahrens bis zur Vornahme einer der in § 78 c beschriebenen Handlungen der Strafverfolgungsorgane, durch die der Lauf der Verjährung unterbrochen würde. 3. Mangelnde Plausibilität Zu untersuchen bleibt, ob der weitere Einwand mangelnder Plausibilität den Verzicht auf die Einbeziehung von Verzögerungen nahelegt. Diesen Einwand stützt Samson darauf, daß bei konsequenter Anwendung der herrschenden Ansicht über den Verzögerungserfolg auch der Zeuge oder Schöffe, der der Hauptverhandlung unentschuldigt fernbleibt, der Sachverständige, der sein Gutachten verspätet erstellt und der eine „Schiebeverfügung" treffende Staatsanwalt wegen vollendeter Strafvereitelung bestraft werden müßten, da sie den verzögernden Effekt ihres Verhaltens als sicher voraussehen. Eine entsprechende Poenalisierung

363

Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339, 348.

364

Schroeder, NJW 1976, 980.

I. Samson

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der genannten Verhaltensweisen würde jedoch zu nicht gewollten Ergebnissen fuhren und sei auch bislang zu Recht nicht erfolgt. Zunächst ist daraufhinzuweisen, daß sich die als Strafvereitelung qualifizierbaren Verhaltensweisen von Verfahrensbeteiligten nicht auf die von Samson genannten Akte beschränken. Zu berücksichtigen wären hier neben den Verteidigern, die durch ihr Ausbleiben oder durch das von ihnen verursachte Ausbleiben der Angeklagten zumindest aus Sicht der Instanzgerichte den Tatbestand des § 258 verwirklichen, z. B. auch noch die Staatsanwälte, die den Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren nicht stellen, obwohl die Voraussetzungen des § 417 StPO erfüllt sind und auch § 419 Abs. 1 S. 2 StPO dem nicht entgegensteht. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, daß trotz der Änderungen der Vorschriften über das beschleunigte Verfahren und der nunmehr existierenden Verpflichtung 365 der Staatsanwaltschaft, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 417 StPO den Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren zu stellen, der Anteil der in diesem Verfahren durchgeführten amtsgerichtlichen Verfahren nicht sonderlich gestiegen ist 366 . Daher ist zu vermuten, daß eine nicht unbeträchtliche Anzahl der betreffenden Amtsträger, die in aller Regel auch den beschleunigenden Effekt eines solchen Verfahrens gegenüber dem „Normalverfahren" sicher voraussehen werden, bei konseqenter Einbeziehung von Verzögerungen den Tatbestand des § 258 a verwirklichen. Zu klären bleibt, ob eine strafrechtliche Ahndung der beschriebenen Verhaltensweisen zum einen unerwünscht ist und zum anderen nur bei Zugrundelegung der von Samson entwickelten Erfolgsbestimmung vermieden werden kann. Der Umstand, daß eine Verurteilung der genannten Verfahrensbeteiligten soweit ersichtlich - bislang nicht erfolgt ist, obwohl die betreffenden Verhaltensweisen in der Praxis eine nicht unerhebliche Rolle spielen dürften, läßt sich als Indiz für eine entsprechende „Strafunwilligkeit" seitens der zuständigen Strafverfolgungsorgane werten. Wenn man weiterhin berücksichtigt, daß auch die Befürworter einer extensiven Auslegung i. S. einer Verzögerung um geraume Zeit in ihren Kommentierungen zu § 258 - trotz der zum Teil sehr zahlreichen Beispiele für taugliche Strafvereitelungshandlungen - gerade die hier interessierenden Fallkonstellationen

365

Unter Geltung der §§ 212ff. (a. F.) StPO war die Stellung des Antrags auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren demgegenüber in das Ermessen der Staatsanwaltschaft gestellt, so daß die NichtStellung des Antrags und damit das Unterlassen der Strafverfolgungsorgane nicht ohne weiteres als pflichtwidrig qualifiziert werden konnte. 366

Vgl. Loos/Radtke, NStZ 1995, 569, 571 f.

110

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

unerwähnt lassen367, dürfte dies ebenfalls den Schluß auf ein gewisses Unbehagen hinsichtlich der strafrechtlichen Erfassung dieser Verzögerungskonstellationen zulassen. Letztlich zeigen auch die wenigen Stellungnahmen zur Tatbestandsmäßigkeit der betreffenden Verhaltensweisen, daß eine konsequente Ahndung dieses verzögernden Verhaltens auch von den Kritikern einer engen Erfolgsinterpretation nicht gewünscht wird. Indem sie den als berechtigt anerkannten Einwand Samsons zu entkräften suchen, dokumentieren sie, daß sie eine Bestrafung in den genannten Konstellationen fur nicht sachgerecht erachten. Diese Stellungnahmen gilt es im folgenden näher zu betrachten und darauf zu untersuchen, ob sie das offensichtlich gewünschte Ergebnis - die Herausnahme der hier in Rede stehenden Verhaltensweisen aus dem Anwendungsbereich des § 258 - stützen können. a) Ordnungsgemäßes Prozeßhandeln undfehlende Garantenstellung Zu nennen sind hier zunächst die Bemühungen Maiwalds, die von Samson als „offensichtlich unsinnig" bewerteten Ergebnisse zu vermeiden, indem er aus dem Tatbestand diejenigen Verhaltensweisen ausgrenzen will, die sich ihrerseits als „ordnungsgemäßes Prozeßhandeln" darstellen. 368 Damit mag es ihm gelingen, das von ihm selbst angeführte Beispiel des Richters, der zunächst seinen Urlaub antritt und daher den Hauptverhandlungstermin für später ansetzt, aus dem Strafbereich des § 258 herauszuhalten; ob ihm dies auch für den Fall des Staatsanwaltes gelänge, der die vorgelegte Akte mit einer wenig sinnvollen Anordnung zunächst einmal „vom Tisch" gebracht hat oder der den Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren trotz Vorliegens sämtlicher Voraussetzungen nicht gestellt hat, muß bezweifelt werden. Das von Samson ebenfalls angeführte Beispiel des Zeugen, der trotz ordnungsgemäßer Ladung dem Hauptverhandlungstermin unentschuldigt fernbleibt, läßt sich mit einer entsprechenden Einschränkung jedenfalls nicht für tatbestandslos erklären. Insoweit räumt auch Maiwald ein, daß bei einer solchen Konstellation

367 Vgl. Tröndle, § 258 Rn. 5-7; Lackner/Kühl, Schönke/Schröder/Stree, § 258 Rn. 17-21 a.

§ 258 Rn. 7; LK-Ruß, § 258 Rn. 10-20;

368 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, S. 399 Rn. 16; ähnlich auch Lenckner, in: GSSchröder, S. 339, 346, der verzögernde aber zulässige Prozeßhandlungen von Verfahrensbeteiligten selbst dann für tatbestandslos hält, wenn sich die Handlungen als überflüssig und nicht sachdienlich erweisen.

I. Samson

111

prozeßwidriges Verhalten gegeben sei. Gleichwohl versucht er über die seiner Ansicht nach fehlende Garantenstellung zur Tatbestandslosigkeit des fraglichen Verhaltens bzw. Unterlassens zu gelangen. Dem ist entgegenzuhalten, daß nach im übrigen einhelliger Ansicht der ordnungsgemäß geladene Zeuge die Pflicht hat, vor Gericht zu erscheinen und auszusagen.369 Zwar findet sich in der Strafprozeßordnung nur mit der 1974 eingefügten Regelung des § 161 a StPO eine Vorschrift, die ausdrücklich klarstellt, daß geladene Zeugen verpflichtet sind, vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen; jedoch ergibt sich - mittelbar - aus den Regeln über „die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens" (§§ 48, 51 StPO) und über die „Folgen einer grundlosen Zeugnisoder Eidesverweigerung" (§ 70 StPO), daß der geladene Zeuge verpflichtet ist, vor Gericht zu erscheinen 370 und über den Gegenstand seiner Wahrnehmung auszusagen.371 Aus welchem Grund Maiwald trotz dieser Zeugenpflicht eine Garantenstellung des unentschuldigt ausbleibenden Zeugen ablehnt, kann - mangels weiterer Ausführungen dazu - nur vermutet werden. Er könnte in Anlehnung an die in der Vorauflage von Schroeder vertretene Ansicht, daß Verzögerungen des laufenden Gerichtsverfahrens vornehmlich fiskalische Interessen beeinträchtigen 372, geschlossen haben, die Pflicht zu erscheinen diene ebenfalls nur fiskalischen Interessen, die aber ihrerseits nicht mehr durch § 258 geschützt werden. Dies trifft jedoch nicht zu. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Pflicht des Zeugen, vor Gericht zu erscheinen, ebenso wie die in § 161a StPO normierte Pflicht der Straffung und Beschleunigung des Verfahrens dient 373 . Dafür spricht auch, daß der Zweck des § 51 StPO, einer Sanktionsnorm für die Mißachtung der Zeugenpflicht, darin gesehen wird, Störungen des Prozeßablaufs durch Verzögerungen entgegenzuwirken. 374 Wenn damit die Zeugenpflicht - zumindest auch der Verzögerung des Verfahrens entgegenwirken soll, muß diese Pflicht auch als

369

LR-Dahs, vor § 48 Rn. 6 m.w.N.

370

Diese Pflicht besteht sogar ungeachtet eines etwaigen Zeugnisverweigerungsrechtes; vgl. KMR-Paulus, vor § 48 Rn. 26. 371

Eine solche Zeugenpflicht war den Verfassern der StPO offenbar so selbstverständlich, daß sie auf eine ausdrückliche Regelung verzichteten; vgl. dazu Nelles, in: Recht der Persönlichkeit, S. 211,214. 372

Schroeder (in: Maurach/Schroeder, BT 2, S. 324) wollte daher ebenfalls eine Strafbarkeit des säumigen Zeugen oder Sachverständigen ausschließen. 373

Kleinknecht/Meyer-Goßner,

374

SK-Rogall, § 51 Rn. 1 m.w.N.

§ 161 a Rn. 1; Pfeiffer,

in: FS-Baumann, S. 329.

112

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

Garantenpflicht i. S. des § 258 angesehen werden 375, sofern man wie Maiwald und die übrigen Befürworter der Einbeziehung von Verzögerungen davon ausgeht, daß § 258 bereits der Verzögerung der Bestrafung entgegenwirken soll. Insgesamt läßt sich damit Maiwalds Versuch, den Einwand Samsons zu entkräften, als wenig überzeugend bewerten. b) Einschränkung des subjektiven Tatbestandes (Erwünschtsein des Verzögerungserfolges) Rudolphi versucht den Einwand Samsons, daß der unentschuldigt ausbleibende Zeuge oder Sachverständige wissentlich eine Verzögerung bewirke und deshalb konsequenterweise wegen vollendeter StrafVereitelung bestraft werden müsse, dadurch auszuräumen, daß er den Anwendungsbereich des § 258 auf der subjektiven Ebene durch das (zusätzliche) Kriterium des Erwünschtseins des Taterfolges einschränkt. Die Notwendigkeit einer derartigen Einschränkung leitet er in Anlehnung an Miehe 376 wie folgt aus der Schutzrichtung der Norm ab: 377 Der Strafvereitelungstatbestand diene dem Schutz der mit der Bestrafung verfolgten general- und spezialpräventiven Zwecke; er solle also vor allem potentielle Deliquenten durch das an Dritte gerichtete Verbot, diese der Bestrafung zu entziehen, letztlich von der Straftatbegehung abhalten. Daraus folge, daß tatbestandsmäßig nur diejenigen (verzögernden) Verhaltensweisen sein könnten, die im Falle ihres Erlaubtseins die Begehung von Straftaten fördern würden. Dies seien aber nur solche Unterstützungshandlungen, bei denen das Vertrauen auf ihre spätere Gewährung den noch unentschlossenen „Vortäter" motiviere, die erwogene Straftat nun tatsächlich zu realisieren. Eine solche Motivierungseignung wie-

375

Im Bereich der Strafvereitelung wird eine Garantenpflicht des aussagepflichtigen Zeugen angenommen von Haft, BT, S. 180; SK-Samson, § 258 Rn. 46; Schönke/Schröder/ Stree, § 258 Rn. 19; Binding, Normen I I 2, S. 1095 Fn. 34; Köhler, GS 1902 (61) 45, 67; Olshausen, I I § 257 Anm. 17 d (11. Aufl.); L K-Jagusch, § 257 Anm. 2 b (8. Aufl.); Frank, § 257 Anm. V (18. Aufl.). 376 Miehe, in: FS-Honig, S. 91, 105, hat herausgestellt, daß das Wesen der Begünstigung und Hehlerei (§§ 257, 259 a.F.), denen kein bestimmtes Rechtsgut zugrunde liege, im Schutz aller durch das Strafrecht geschützten Rechtsgüter bestehe, da durch die genannten Vorschriften bewirkt werden solle, „daß der Täter mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf die häufig nötige Hilfe nach Tatbegehung rechnen (könne) und damit das Risiko der Straftat erst gar nicht (eingehe)". 377

Rudolphi, JuS 1979, 859, 861 f.

I. Samson

113

sen diejenigen Unterstützungshandlungen auf, die für den Vortäter durch eine Einwirkung auf potentielle Strafvereiteier bezweckbar seien. Vom Vortäter bezweckbar seien aber wiederum nur solche Unterstützungshandlungen, die der Täter im Hinblick auf den Strafvereitelungserfolg absichtlich vornehme, oder, wenn die Verzögerung der Bestrafung nur als sichere Folge der Begünstigungshandlung gesehen werde, diese sichere Folge dem Täter auch erwünscht sei. 378 Da weder der Zeuge noch der Sachverständige in den genannten Fällen zu dem Zweck handeln, dem Vortäter zu helfen, sondern regelmäßig aus ganz anderen Motiven, handele es sich bei diesen „Hilfen" aus Sicht des Vortäters um rein zufallige, die er nicht bezwecken könne und die deshalb seinen Entschluß zur Begehung der Vortat auch nicht zu fordern vermögen. Daher scheide im Ergebnis auch eine Qualifizierung der genannten Verhaltensweisen als Strafvereitelung aus. 379 Unabhängig davon, ob die von Rudolphi vorgenommene Schutzgutbestimmung dem § 258 gerecht wird, müssen vor allem die Konsequenzen, die er aus der von Miehe entwickelten Schutzrichtung der Norm 3 8 0 für die Interpretation des Strafvereitelungstatbestands zieht bzw. gerade nicht zieht, in Frage gestellt werden. Dies gilt zunächst einmal für die durch zusätzliche Anforderungen vorgenommene Einschränkung des subjektiven Tabestandes. Unabhängig davon, ob die durch Solidarisierungsverhinderung gekennzeichnete Zielrichtung des § 258 die von Rudolphi vorgenommene Einschränkung tasächlich nahelegt, ist es bedenklich, bei objektiv völlig gleichwertigen Handlungen, die jeweils in sicherer Voraussicht der Verzögerungsverursachung vorgenommen werden, das Erwünschtsein des Erfolges und damit die „Gesinnung" des „Täters" - ohne jeglichen Anhaltspunkt im Gesetzestext - über dessen Strafbarkeit entscheiden zu lassen.381 Gegen diese Vorgehensweise wendet Samson zutreffend ein, daß

378 Ähnlich schon Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339, 356 f., der ebenfalls für den nur wissentlich handelnden Täter forderte, daß dieser zumindest auch „im Hinblick und aus Anlaß" der Strafvereitelung handeln müsse. Damit wollte Lenckner Fälle wie die des an den flüchtigen Vortäter Benzin verkaufenden Tankwarts oder die des Opferangehörigen, der in einer Verhandlungspause den Angeklagten krankenhausreif und damit verhandlungsunfähig schlägt, aus dem Anwendungsbereich des § 258 herauhalten, da ihm eine Bestrafung dieser verzögernden Verhaltensweisen unangemessen erschien. 379

Rudolphi, JuS 1979, 859, 862.

380

Vgl. Miehe, in: FS-Honig, S. 91, 103 ff.

381

Kritisch zu einer Tatbestandskonturierung des § 258 durch ein solches subjektives Element auch Frisch, JuS 1983, 915, 917. 8 Wappler

114

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

damit entgegen der Absicht des Reformgesetzgebers, die Strafvereitelung als echtes Erfolgsdelikt zu konzipieren, nunmehr erneut das Schwergewicht des Unrechts in den subjektiven Tabestand verlegt werde 382 und daß darüber hinaus die Unrechtsbegründung durch die „Gesinnung" des Täters ein Verfahren sei, das in der modernen Tatbestandstechnik zu Recht immmer weiter zurückgedrängt werde. 383 Zu kritisieren ist weiterhin, daß mit dem Erwünschtsein des Erfolges ein Erfordernis aufgestellt wird, das selbst der Absichtsbegriff nicht notwendigerweise beinhaltet, da durchaus Fälle denkbar sind und auch in der Literatur 384 angeführt werden, in denen der als notwendige Zwischenfolge einkalkulierte Erfolg dem Täter sogar unerwünscht ist. Darüber hinaus läßt sich der Konzeption Rudolphis entgegenhalten, daß die nur für die Fälle der Verzögerungsverursachung vorgenommene Einschränkung des subjektiven Tabestandes inkonsequent ist, da Rudolphi eine entsprechende Einschränkung für den Fall, daß der Täter durch das Verhalten des Strafvereitelers zu Unrecht freigesprochen oder zu milde verurteilt wird, nicht vornimmt, ohne dies jedoch in irgendeiner Form zu begründen. Selbst wenn der Strafvereitelungstatbestand durch das an Dritte gerichtete Verbot, die Bestrafung der Vortäter zu vereiteln, der Begehung von Vortaten entgegenwirken soll, ist Rudolphi eine Begründung dafür schuldig geblieben, inwiefern die Vorstellung oder Erwartung des noch unentschlossenen Vortäters, ein Dritter werde seine Bestrafung z. B. um nur einen Tag oder wenige Wochen verzögern, den Vortäter zur tatsächlichen Durchführung der Tat bewegen kann. Die Annahme, ein Täter lasse sich durch die Erwartung einer bloßen Verzögerung seiner Bestrafung zur Begehung der Straftat motivieren, ist lebensfremd; vielmehr dürfte für den noch zögernden Vortäter allenfalls die Erwägung, für die geplante Tat überhaupt nicht oder zumindest milder bestraft zu werden, ausschlaggebend

382

Vgl. die Kritik Belings, V D BT VII, S. 210, an § 257 a. F., der es für verfehlt hielt, daß der Schwerpunkt des Deliktes in der psychischen Tatseite liege, obwohl die äußere Tatseite für die Tatbestandsbildung maßgeblich sein müsse. 383

Samson, JA 1982, 181, 183; Vormbaum, S. 410; kritisch zu den - immerhin noch gesetzestextlich festgelegten - Gesinnungsmerkmalen Jakobs, AT, S. 311 Rn. 99, und Welzel, S. 80. 384 Jakobs (AT, S. 267 Rn. 15) führt als Beispiel den Fall an, in dem der Sohn, um seinen Eltern die Versicherungssumme für ihr überversichertes altes Haus zuzuschanzen, dieses Haus, mit dem er schöne Kindheitserinnerung verbindet, schweren Herzens anzündet. Vgl. auch Welzel (S. 78), der ausdrücklich betont, daß der beabsichtigte Erfolg auch unerwünscht sein kann (ähnliches Beispiel bei dems., S. 66).

I. Samson

115

sein.385 Aus diesem Grund leuchtet auch nicht ein, warum für den Vortäter nur die absichtliche oder erwünschte Herbeiführung des (verzögernden) Strafvereitelungserfolges bezweckbar und dadurch zugleich motivierend sein soll. Denn für den Vortäter dürfte es völlig gleichgültig sein, mit welcher subjektiven Einstellung der Strafvereiteier handelt. Entscheidend wird aus seiner Sicht nur sein, ob die Handlung des Helfenden Erfolg haben wird oder aber zumindest zur Erfolgsherbeiführung geeignet ist. Des weiteren trifft es auch nicht zu, daß wissentliche Vereitelungshandlungen nicht prognostizierbar und bezweckbar sind, da der Vortäter bereits vor Tatbegehung einkalkulieren kann, daß ein Dritter, dem er dafür Geld versprechen wird, nach Tatbegehung zu seinen Gunsten falsch aussagen wird und damit wissentlich den Vereitelungserfolg herbeiführt Schließlich läßt sich Rudolphi noch entgegenhalten, daß der unbewußt fahrlässig386 oder im vermeidbaren Verbots- oder Strafbarkeitsirrtum handelnde Vortäter sich keinerlei Vorstellungen über eine spätere StrafVereitelung machen wird, da er mangels Kenntnis von der Strafbarkeit seines Verhaltens keinen Anlaß hat, sich über die strafrechtlichen Folgen oder gar ihre Verhinderung Gedanken zu machen. Damit kann auch der Versuch Rudolphis, die Straflosigkeit des unentschuldigt ausbleibenden Zeugen durch das zusätzliche subjektive Erfordernis des Erwünschtseins des Verzögerungserfolges zu begründen, als gescheitert bewertet werden, da die von ihm angeführte Begründung die - ohnehin nicht mehr vom Gesetzeswortlaut gedeckte - Einschränkung des subjektiven Tatbestandes nicht trägt. Die vorstehende Untersuchung hat einerseits gezeigt, daß es den Kritikern der von Samson befürworteten engen Erfolgsinterpretation nicht gelungen ist, die Herausnahme der hier in Rede stehenden Verhaltensweisen aus dem Anwendungsbereich des § 258 überzeugend zu begründen, und andererseits bestätigt, daß die unerwünschte strafrechtliche Erfassung dieser Verhaltensweisen unter Zugrundelegung der bereits Verzögerungen einbeziehenden Erfolgsbestimmung nicht vermieden werden kann.

385

Vgl. zur Motivations- bzw. Abschreckungswirkung der gesetzlichen Strafandrohung im allgemeinen Roxin, AT, § 3 I 3, S. 48. 386

Dieser Einwand ist nicht zu unterschätzen, da der überwiegende Anteil (64%) der Strafvereitelungsvortaten aus dem Bereich der Verkehrsdelikte stammt; vgl. Rodenhäuser, S. 122. 8*

116

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

Fazit ist demnach, daß die von Samson angeführten Argumente mangelnder Praktikabilität und Plausibilität sowie der sinnvollen Erweiterung der Rücktrittsmöglichkeiten die von ihm vertretene enge Erfolgsbestimmung zu stützen vermögen und einen Verzicht auf die sog. Strafvereitelung auf Zeit nahelegen. I I . Vormbaums Erfolgsinterpretation Ebenso wie Samson läßt auch Vormbaum nicht jede (geraume Zeit andauernde) Verzögerung der Bestrafung für die Vollendung der Strafvereitelung ausreichen. Im Unterschied zu der engen Erfolgsinterpretation Samsons will Vormbaum jedoch auch diejenigen - lediglich verzögernden - Verhaltensweisen als vollendetes Delikt werten, die die Prognose rechtfertigen, daß der Vortäter nicht vor Ablauf der Verjährung verurteilt werden wird. 3 8 7 Diese - im Verhältnis zu der herrschenden Auslegung des Strafvereitelungstatbestandes - immer noch restriktive Erfolgsbestimmung entwickelt Vormbaum anhand einer Analyse von Sprachgehalt, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 258 Abs. 1, in deren Rahmen er vornehmlich überprüft, ob die genannten Auslegungskriterien die Einbeziehung von Verzögerungen nahelegen. Zu Beginn seiner Untersuchung räumt Vormbaum selbst ein, daß der Wortlaut der Norm eher gegen als für eine Einbeziehung von Verzögerungen spreche, wenn man „Vereiteln" in der streng philologischen Bedeutung von „dafür sorgen, daß etwas scheitert oder nicht verwirklicht wird" verstehe und man zudem berücksichtige, daß durch die Formulierung des § 258 keine Klarstellung auf zeitlicher Ebene getroffen werde. Die sich danach aufdrängende Konzeqenz der Unvereinbarkeit der herrschenden Auslegung mit dem Wortlaut der Norm zieht Vormbaum jedoch nicht. Vielmehr vermeidet er es, eindeutig Position zu beziehen, und hebt lediglich darauf ab, daß der „mögliche" und nicht der „streng philologisch ermittelte" Wortsinn die äußerste Grenze für die - noch zulässige - Auslegung eines Straftatbestandes bilde, so daß eine Auslegung des Merkmals „Vereiteln" als „Verzögern" wohl „nicht evident" dem Grundsatz nullum crimen sine lege widerspräche. 388 Ebensowenig wie der Sprachgehalt der Norm vermag für Vormbaum auch die Entstehungsgeschichte des Strafvereitelungstatbestandes eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Bejahung oder Ablehnung der „Strafvereitelung auf Zeit" zu bilden. Zwar wollte der Reformgesetzgeber das Merkmal „Vereiteln"

387

Vormbaum, S. 406 ff.

388

Vormbaum, S. 403.

II. Vormbaum

117

bereits dann als erfüllt ansehen, wenn der staatliche Strafanspruch infolge des Täterverhaltens für geraume Zeit nicht verwirklicht werden könne 389 ; jedoch müsse bei einer historischen Betrachtung auch berücksichtigt werden, daß diese Auffassung auf der Grundsatzentscheidung des Reichsgerichts basiere, deren Begründung sich auf einen inzwischen geänderten Rechtszustand stützte und die darüber hinaus im deutlichen Widerspruch zur Begründung des Vorentwurfs 1909 stehe, wonach unter „Vereiteln" gerade nicht „verzögern" verstanden werden sollte. 390 Die Entscheidung für oder gegen die Einbeziehung von Verzögerungen will Vormbaum daher anhand teleologischer Überlegungen treffen. Aus diesem Grund prüft er zunächst, wieweit der Anwendungsbereich des § 258 Abs. 1 bei einem Verzicht auf die Einbeziehung von Verzögerungen eingeschränkt wird. Neben der bis zur Verfolgungsverjährung andauernden Verzögerung sowie der Bewirkung eines zu milden oder freisprechenden Instanzurteils (über den Vortäter) komme als vollendete „echte" StrafVereitelung auch noch die Fallgruppe in Betracht, in der eine Prognose zum Zeitpunkt der Verurteilung des Begünstigers ergebe, daß der Vortäter nicht mehr (innerhalb der Verjährungsfrist) dem Strafgesetz gemäß wird verurteilt werden können, weil ihm beispielsweise die Flucht in ein Land ermöglicht wurde, mit dem überhaupt kein Auslieferungsabkommen besteht oder das wegen der Art der Vortat (politisches Delikt) nicht zur Auslieferung verpflichtet ist 391 . Insofern komme auch eine Auslegung, die das im Wortlaut des § 258 enthaltene „Endgültigkeitselement" ernst nehme, nicht zur Reduzierung des Tatbestandes auf Verjährungsfälle. Insoweit konzediert Vormbaum zwar, daß bei Berücksichtigung eines prognostischen und damit fehlsamen Elements eine dem Gesetz entsprechende Bestrafung des Vortäters nie gänzlich ausgeschlossen werden könne, da eine freiwillige Rückkehr des Täters immer denkbar bleibe; dies hält er jedoch für hinnehmbar, da auch gegen das in § 224 Abs. 1 enthaltene Merkmal der „dauernden erheblichen Entstellung" und die dazu entwickelten Prognosegrundsätze keine rechtsstaatlichen Bedenken bestünden.392 Wenn man weiterhin berücksichtige, daß der Begünstiger in den klassischen Verzögerungsfällen regelmäßig eine endgültige Verhinderung der Bestrafung beabsichtige, könne auch bei Zugrundelegung einer engen Auslegung in den 389

Vormbaum, S. 403, unter Verweis auf BT-DS 7/550, S. 249.

390

Vormbaum, S. 404, unter Verweis auf die Begründung zum VE 1909, S. 568 f.

391

Vormbaum, S. 406.

392

Vormbaum, S. 407.

118

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

allermeisten Fällen wegen versuchter Strafvereitelung bestraft werden. 393 Aus den genannten Gründen verbleibe auch bei einem engen Erfolgsverständnis ein ausreichender Anwendungsbereich fur den StrafVereitelungstatbestand. Darüber hinaus biete auch das Rechtsgut des § 258 Abs. 1 keine tragfähige Basis für die Einbeziehung von Verzögerungen. Selbst wenn man wie Lenckner und Rudolphi den staatlichen Strafanspruch (und die damit verbundenen Strafzwecke) als Schutzgut der Strafvereitelung ansehe und davon ausgehe, daß dieser möglichst bald nach der Tat realisiert werden müsse, könne nicht jede Verzögerung unbesehen als Rechtsgutbeeinträchtigung qualifiziert werden. Vielmehr müsse ein Zusammenhang zwischen der Dauer der Verzögerung und der dadurch bedingten Rechtsgutverletzung aufgezeigt werden, was bislang allerdings noch nicht einmal versucht worden sei. 394 In Anlehnung an Samson meint auch Vormbaum, daß ein solcher Versuch zum Scheitern verurteilt sein müsse, da angesichts der vor allem in zeitlicher Hinsicht bestehenden Imponderabilien eines Strafverfahrens nicht unterstellt werden könne, die generalpräventive Wirkung des Verfahrens versage, wenn das Urteil nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt gefallt werde. Wenn man hingegen das strafprozessuale Verfahrensziel, begrenzt auf den durch materiell richtige Entscheidungen markierten Ausschnitt, als Rechtsgut des § 258 Abs. 1 ansehe395, falle ein Verzicht auf die Einbeziehung von Verzögerungen leicht. Denn ein so verstandenes Rechtsgut werde durch die bloße Verzögerung der Verurteilung nicht berührt, da eine dem materiellen Recht entsprechende Entscheidung letztlich doch gefällt werde. 396 Für eine enge Auslegung des Merkmals „Vereiteln" spreche schließlich auch ein Vergleich mit dem Amtsdelikt des § 258 a Abs. 1. Dieses setze zwar denselben Taterfolg voraus wie das Grunddelikt des § 258 Abs. 1, jedoch müsse berücksichtigt werden, daß Amtsträger, die ein Verfahren schuldhaft verzögert haben, diese Verzögerung durch kompensatorische Beschleunigung an anderer Stelle wieder ausgleichen können, während für Außenstehende die Rücktrittsmöglichkeiten von Umständen abhängen, die sie kaum beeinflussen können. Vormbaum erscheint es gerechter, durch einen Verzicht auf die Einbeziehung von Verzögerungen allen Tätern der §§ 258, 258 a in gleicher Weise die Möglichkeit zu eröffnen, durch

393

Vormbaum, S. 408.

394

Vormbaum, S. 410.

395

Vgl. zur Rechtsgutanalyse Vormbaum, S. 386-393.

396

Vormbaum, S. 412.

II. Vormbaum

119

kompensatorische Handlungen vom Versuch der StrafVereitelung zurückzutreten. 397 Daher lehnt er im Ergebnis die Möglichkeit einer „StrafVereitelung auf Zeit" ab und bejaht den Erfolgseintritt, wenn infolge des begünstigenden Verhaltens eine zu milde oder freisprechende Instanzentscheidung ergeht oder aber der Erlaß einer richtigen Entscheidung endgültig bzw. (zum Zeitpunkt der Verurteilung des Begünstigers) auf eine unabsehbare Dauer unmöglich geworden ist. Im folgenden gilt es, die von Vormbaum gegen eine generelle Einbeziehung von Verzögerungen und für seine eigene Erfolgsbestimmung angeführten Argumente auf ihre Tragfähigkeit zu untersuchen. Zu kritisieren sind zunächst die Schlußfolgerungen, die er aus dem Sprachgehalt der Norm zieht bzw. gerade nicht zieht. Selbst wenn man den noch möglichen Wortsinn und nicht bereits die „streng philologische Bedeutung" eines Tatbestandsmerkmals als äußerste Grenze für eine den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG genügende Auslegung ansieht, hätte zum einen erläutert werden müssen, wodurch sich diese Grenzmarkierungen von einander unterscheiden, und zum anderen wäre erkärungsbedürftig gewesen, warum die mögliche Wortsinngrenze bei einer Auslegung des Merkmals „vereiteln" als „verzögern" nicht überschritten sein soll. Es kann kein Ausweg sein, wie Vormbaum lediglich die Evidenz einer solchen Grenzüberschreitung in Frage zu stellen; denn für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer Straftatbestandsauslegung kann nur entscheidend sein, ob die fragliche Auslegung gegen das Analogieverbot verstößt, nicht wie offensichtlich ein derartiger Verstoß letztlich ist. Weiterhin trifft es auch - bzw. gerade - bei Zugrundelegung des von Vormbaum konzipierten Rechtsgutes nicht zu, daß bei einer Auslegung des Tatbestandes, die das im Wortlaut enthaltene Endgültigkeitselement ernst nimmt, Verhaltensweisen als vollendete „echte" StrafVereitelung gewertet werden können, die die Bestrafung des Täters - in welcher Instanz auch immer - nicht endgültig verhindert haben, sondern nur die Prognose rechtfertigen, daß der Vortäter nicht mehr innerhalb der Verjährungsfrist wird verurteilt werden können. Denn wenn der Vortäter entgegen der Prognose doch noch verurteilt werden konnte bzw. eine Verurteilung innerhalb der Verjährungsfrist zwar unwahrscheinlich, aber gleichwohl möglich bleibt, dann wird auch bei dieser Fallkonstellation das nach Vormbaum geschützte Rechtsgut der dem materiellen Recht entsprechenden Instanzentscheidung nicht tangiert, da entweder eine materiell richtige Ent-

397

Vormbaum, S. 412.

120

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

Scheidung ergangen ist oder zumindest bis zum Eintritt des endgültigen Verfahrenshindernisses getroffen werden kann. In diesem Zusammenhang vermag auch die Berufung auf die zu § 224 entwickelten Prognosegrundsätze und auf das diesbezügliche Fehlen rechtsstaatlicher Bedenken die Einbeziehung derartiger Verzögerungen nicht zu rechtfertigen. Dies liegt zum einen daran, daß die für „dauernd" angesehenen Entstellungen i. S. des § 224 zumindest mit den derzeitigen oder damaligen medizinischen Möglichkeiten auch gar nicht zu beseitigen waren 398, zum anderen läßt sich die Unbedenklichkeit der im Bereich des § 224 praktizierten Prognoseentscheidungen dadurch erklären, daß eine entsprechende Dauerhaftigkeitsprognose auch bezüglich der anderen in § 224 genannten schweren Folgen durchgeführt wird 399 , obwohl der Wortlaut eine solche - für den Täter aber günstige - Einschränkung nicht erfordert. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß z. B. beim Diebstahl der Vorsatz bezüglich dauernder Enteignung auch nur bejaht wird, wenn der Täter zumindest für möglich hält, daß die weggenommene Sache für den Eigentümer endgültig verloren ist 400 . Würde man Vormbaums „unbedenkliche" Prognoseentscheidungsgrundsätze schließlich auf andere Strafhormen, beispielsweise auf die Tötungstatbestände übertragen, müßte dann eine Verurteilung wegen vollendeten „echten" Mordes, Totschlags oder fahrlässiger Tötung in Betracht kommen, wenn in der Hauptverhandlung gegen den „Täter" eine Prognose ergibt, daß das sehr schwer verletzte Opfer alsbald seinen Verletzungen erliegen wird. Aus den genannten Gründen ist die von Vormbaum vorgeschlagnene Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Strafvereitelung abzulehnen. Fraglich bleibt, ob die für Amtsträger bestehenden Möglichkeiten kompensatorischer Beschleunigung tatsächlich zu einer „ungerechten" Ungleichbehandlung gegenüber den Allgemeintätern des § 258 führen und daher der generellen Einbeziehung von Verzögerungen entgegenstehen. Dagegen läßt sich zunächst einwenden, daß auch im Bereich säumiger Amtsträger - je nach Verfahrensstadium - spätere Einflußmöglichkeiten nicht garantiert sind. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß niemals für alle Täter

398 Wenn die Entstellung durch technische oder medizinische Möglichkeiten behoben werden kann, ist sie auch nicht „dauernd"; vgl. Schönke/Schröder/Stree, § 224 Rn. 5. 399 400

Vgl. dazu SK-Horn, § 224 Rn. 4.

Schönke/Schröder/Eser, chen Nachweisen.

§ 242 Rn. 47; LK-Ruß, § 242 Rn. 51; jeweils mit zahlrei-

III. Die herrschende Meinung

121

gleichwertige oder gleich umfangreiche Rücktrittsmöglichkeiten bestehen; dies ist also kein nur im Bereich der Strafvereitelung bestehendes Ungleichgewicht. Im übrigen ist zweifelhaft, ob ein Amtsträger, der weiß und wußte, daß er die zunächst bewirkte Verzögerung wieder ausgleichen kann, überhaupt über einen ausreichenden Tatentschluß verfügt oder ob er schon unmittelbar zur Tat angesetzt hat. Die Stichhaltigkeit der von Vormbaum angeführten Begründung bedarf jedoch keiner weiteren Untersuchung, da sie eine Auslegung stützt, die ohne weiteres mit dem streng philologischen und möglichen Wortsinn der Tatbestandsmerkmale des § 258 Abs. 1 vereinbar ist und auch dem Endgültigkeitselement des Begriffs „vereiteln" hinreichend Rechnung trägt. I I I . Die Erfolgsbestimmung durch die herrschende Meinung (Verzögerung um geraume Zeit) Die heute herrschende Lehre im Schrifttum bejaht unter Berufung auf die ständige höchstrichterliche und obergerichtliche Rechtsprechung die Tatbestandsmäßigkeit einer Verzögerung um „geraume Zeit". 4 0 1 Ebenso wie von der Rechtsprechung wird auch seitens der Literatur die Frage nach dem Anknüpfungspunkt der Verzögerung unterschiedlich beantwortet und im Ergebnis 402 die Vollendung der StrafVereitelung bei bloßer Verzögerung einzelner Strafverfolgungsakte zutreffend abgelehnt. Im einzelnen wird der Eintritt des Erfolges bejaht, wenn das strafgesetzlich begründete Ahndungsrecht 403, der staatliche Zugriff 0 4 , die Rechtsfolge der Straftat 405 , der staatliche Verfolgungs- 406 oder Strafanspruch 407 für „geraume Zeit" nicht 401

Arzt/Weber, L H 4, Rn. 370; Blei, BT, § 109 IV 2, S. 433; Bockelmann, BT 3, S. 54; Tröndle, § 258 Rn. 5; Ebert, ZRG (GA) 1993 (110), 1, 59; Frisch, NJW 1983, 2471, 2473 f.; Haft, BT S. 180; Küpper, GA 1987, 385; Krey, BT 1, S. 248 Rn. 616; Lackner/ Kühl, § 258 Rn. 4; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 100 Rn. 15, S. 398; Müller-Dietz, Jura 1979, 242, 246; Otto, S. 472; Plümer, S. 46; Preisendanz, § 258 Anm. I I 3 a ; LK-Ruß, § 258 Rn. 10; Schmidhäuser, BT, S. 250; Schönke/Schröder/Stree, § 258 Rn. 16; Stree, JuS 1976, 137, 140; Wessels, BT 1, S. 144 Rn. 707. 402

So ausdrücklich Maurach/Schroeder/Maiwald, Schröder/Stree, § 258 Rn. 12, 16 m. w.N.

BT 2, § 100 Rn. 15, S. 398; Schönke/

403

Wessels, BT 1, S. 144 Rn. 707.

404

Lackner/Kühl,

405

Blei, BT, § 109 IV 2, S. 433.

406

LK-Ruß, § 258 Rn. 10; Bockelmann, BT 3, S. 54.

§ 258 Rn. 4; Otto, S. 472.

122

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

verwirklicht worden oder aber die Aburteilung 408 , die Verhängung der Strafe 409 oder die Bestrafung 410 um „geraume Zeit" verzögert worden sind. Zunächst soll die herrschende Lehre daraufhin untersucht werden, ob sie - im Unterschied zur Rechtsprechung - das Merkmal der „geraumen Zeit" in einer den Anforderungen des aus Art. 103 GG folgenden Bestimmtheitsgebotes genügenden Weise konkretisieren und die Notwendigkeit dieses Korrektivs begründen kann, bevor in einem weiteren Schritt überprüft wird, ob die Strafrechtswissenschaft wiederum anders als die Rechtsprechung - stichaltige Argumente für die übernommene Auslegung des Strafvereitelungstatbestandes anbietet. 1. Konkretisierung der „geraumen Zeit" (Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot) und Begründung für dieses Korrektiv a) Konkretisierung Um eine Erläuterung oder Konkretisierung des Terminus „geraume Zeit" bemühen sich nur wenige Autoren: Wessels411 gibt als untere zeitliche Grenze einen Zeitraum von zwei Wochen an, um den die Bestrafung verzögert werden müsse, Otto 412 läßt dagegen bereits eine Woche ausreichen, und Haft 413 zufolge reichen „wenige Tage" nicht aus, um das Erfordernis der „geraumen Zeit" zu verwirklichen und damit eine Vollendung der Strafvereitelung anzunehmen. Eine ähnlich negative Abgrenzung nehmen auch Ruß und Müller-Dietz vor, die eine „nur ganz vorübergehende" 414 oder „kurze" 415 Verzögerung nicht genügen lassen will, um die Vollendung des Delikts zu bejahen. Die übrigen Autoren begnügen sich unter Hinweis auf die einschlägigen Entscheidungen mit der Feststellung, daß ein entsprechender Zeitraum bei einer Verzögerung zwischen sechs und zehn Tagen wohl anzunehmen sei.

407

Arzt/Weber,

408

Tröndle,

409

Maurach/Schroeder/Maiwald,

410

Schönke/Schröder/Stree,

411

Wessels, BT 1, S. 144 Rn. 708.

412

Otto, S. 473.

413

Haft, BT, S. 181.

414

LK-Ruß, § 258 Rn. 10.

415

Müller-Dietz, Jura 1975, 242, 246.

L H 4, Rn. 370.

§ 258 Rn. 5. BT 2, § 100 Rn. 15, S. 398. § 258 Rn. 16; Krey, BT 1, S. 284 Rn. 616.

III. Die herrschende Meinung

123

Warum jedoch die genannten Zeiträume das Merkmal der „geraumen Zeit" erfüllen, wird nicht erläutert. Soweit damit lediglich zeitliche - wenn auch konkrete - Untergrenzen angegeben werden, erscheinen diese mangels Begründung eher als willkürliche Setzungen denn als verbindliche Auslegungsangebote. Hinsichtlich der übrigen meist negativ formulierten Beschreibungen stellt sich jedoch die Frage, ob diese geeigenet sind, in einer dem grundgesetzlich verankerten Bestimmtheitgebot gerecht werdenden Weise strafbares von straflosem Verhalten abzugrenzen. Dies ist bereits deshalb mehr als zweifelhaft, weil selbst die Befürworter einer Erfolgsbestimmung i. S. einer „Verzögerung um geraume Zeit" der Bestimmtheit dieses Kriteriums mißtrauen: „...Was immer auch darunter zu verstehen ist!" 4 1 6 ; „Wann das Merkmal der geraumen Zeit erfüllt ist, ...ist ungeklärt. ...Wenn auch eine allgemeinverbindliche Grenzziehung nicht möglich sein dürfte..." 417 ; „Allgemeingültige Kriterien, die das Merkmal „geraume Zeit" präzisieren, haben aber bisher weder die Rechtsprechung noch die Rechtslehre herausgearbeitet. Sie lassen sich auch schwerlich aufstellen." 418 Wenn man weiterhin berücksichtigt, daß der Terminus der „geraumen Zeit" durch Umschreibungen wie „nicht nur ganz vorübergehend" oder „nicht bloß wenige Tage" nicht derart präzisiert worden ist, daß dem Tatrichter die Entscheidung darüber ermöglicht wird, wann eine Verzögerung nicht „geraume Zeit" gedauert hat, und es daher letztendlich dem Zufall überlassen ist, ob der die Verzögerung herbeiführende Täter wegen vollendeter oder versuchter Strafvereitelung verurteilt oder mangels ausreichenden Vorsatzes freigesprochen wird, dürfte die Unvereinbarkeit der hier in Rede stehenden Auslegung des § 258 mit dem aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Bestimmtheitsgebot schwerlich zu leugnen sein. 419 b) Begründung Ebenso, wie die „geraume Zeit" nicht präzisiert wird, fehlt überwiegend auch eine Begründung für die Beibehaltung dieses Kriteriums.

4,6

Geppert, JK § 258/2.

417

LK-Ruß, § 258 Rn. 10.

418

Stree, JuS 1976, 137, 140.

419

Lediglich Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339 ff., und Rudolphi, JuS 1979, 859 ff., bejahen einen eindeutigen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot und verzichten i. E. auf das Kriterium der „geraumen Zeit".

124

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

Stree begründet die Notwendigkeit des Korrektivs der „geraumen" Zeit damit, daß bei einer Erfolgsinterpretation i. S. Lenckners und Rudolphis, die (unter Verzicht auf das Merkmal der „geraumen Zeit") den Erfolgseintritt und damit die Vollendung des Tatbestandes schon bei jeder nicht bloß ganz geringfügigen Verzögerung der Bestrafung bejahen, der Vollendungszeitpunkt der Strafvereitelung vorverlagert werde und dem Täter damit in „kriminalpolitisch nicht sachgerechter Weise" Rücktrittsmöglichkeiten abgeschnitten würden. 420 Stree ist zweifellos darin beizupflichten, daß ohne das Korrektiv der „geraumen Zeit" der Vollendungszeitpunkt vorverlagert und entsprechend dieser Vorverlagerung die Möglichkeit der Versuchsstrafbarkeit reduziert wird. Zwangsläufige Folge ist ebenso zweifellos, daß der Zeitraum, innerhalb dessen der „Täter" noch zurücktreten könnte, ebenfalls eingeschränkt wird. Dies gilt sowohl für den unbeendeten als auch für den beendeten Versuch, von dem der Täter nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 S. 1 2. Alt. zurücktreten könnte. Damit allein ist freilich das Korrektiv der „geraumen Zeit" noch nicht begründet. Vielmehr hätte es eines Argumentes dafür bedurft, daß die Beschneidung - gerade und nur - der /?wcfontomöglichkeiten kriminalpolitisch nicht sachgerecht sein soll. Ließe sich eine solche Argumentation unter Rückgriff auf die ratio des § 24 noch denken, fehlt indessen die positive Begründung dafür, daß eine Ausweitung der Rücktrittsmöglichkeiten exakt für „geraume Zeit" kriminalpolitisch unbedenklich wäre. Eine entsprechende Begründung wäre auch mit folgender Schwierigkeit verbunden gewesen: Stree hätte - wenn er schon auf die Rücktrittsmöglichkeiten und nicht darauf abstellt, daß der Gesetzgeber auch Raum für den Versuch lassen wollte - konsequenterweise erklären müssen, warum bei einer über die Dauer der „geraumen Zeit" hinausgehenden Verzögerung, also nach Ablauf von zehn Tagen, ein strafbefreiender Rücktritt kriminalpolitisch nicht mehr sachgerecht wäre. Auch wenn man den - im einzelnen äußerst umstrittenen 421 Sinn und Zweck der Rücktrittsregelungen berücksichtigt, läßt sich daraus nicht ableiten, ab welchem Zeitpunkt ein strafbefreiender Rücktritt unter kriminalpolitischen Aspekten nicht mehr sinnvoll wäre. Für den Vollendungszeitpunkt läßt sich daraus erst recht nichts schließen. Vielmehr ist es umgekehrt: Ab Vollendung ist Versuch begrifflich bzw. im Konkurrenzwege ausgeschlossen; der Ausschluß des Rücktritts ist dann die notwendige Konsequenz. Unabhängig davon, welche (kriminalpolitische) Zielsetzung man der Regelung des § 24 zugrundelegt, könnten auch bei einem engen Erfolgsverständnis und

420 421

Schönke/Schröder/Stree,

§ 258 Rn. 16 a.

Vgl. dazu Herzberg, NStZ 1989, 49ff.; Jescheck/Weigend, Puppe, NStZ 1984, 488 ff.; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 2-5.

AT, § 51 I 1, S. 538ff.;

III. Die herrschende Meinung

125

damit bei einem Hinausschieben des Vollendungszeitpunktes bis zur Verhinderung der dem materiellen Recht entsprechenden Verurteilung des Vortäters die kontrovers diskutierten Zwecke des bis zu dieser zeitlichen Grenze dann möglichen Rücktritts immer noch erreicht werden. Denn dem Täter ist bis zu diesem Zeitpunkt nicht nur der „Rückweg in die Legalität" und die „Erfüllung der Schuld der Wiedergutmachung" möglich, sondern es kann auch nach wie vor die „Verdienstlichkeit des freiwilligen Rücktritts bzw. der freiwilligen Vollendungsverhinderung durch die Gewährung von Straffreiheit" honoriert werden. 422 Festzuhalten bleibt damit, daß der zeitliche Umfang der Rücktrittsmöglichkeiten kein geeigneter (methodischer oder inhaltlicher) Gesichtspunkt ist, um die Notwendigkeit des einschränkenden Kriteriums der „geraumen Zeit" für die Bestimmung des Erfolges zu begründen. Ebenso wie Stree hält auch Frisch unter Ablehnung der Erfassung jeglicher Verzögerung am Kriterium der „geraumen Zeit" fest. 423 Zur Begründung verweist er unter anderem 424 auf die maßgebliche Funktion des eingetretenen Erfolges als Straftaterfordernis, die auch darin bestehe, Sachverhalte mit - im Vergleich zur bloßen Handlungsvornahme - deutlich erhöhten Strafbedürfnissen zu kennzeichnen. Unter diesem Aspekt reiche eine Verzögerung für wenige Stunden oder um ein bis zwei Tage nicht aus, da bei einer dem allgemeinen Rechtsempfinden verhafteten Betrachtungsweise derjenige, der eine so kurzfristige Verzögerung verursache, eben gerade keinen Erfolg gehabt habe. 425 Warum dagegen bei einer Verzögerung um „geraume Zeit", die Frisch bereits mit drei Tagen ansetzt, ein Sachverhalt mit deutlich erhöhtem Strafbedürfnis vorliegen soll, bleibt danach offen. Maßstab soll offenbar das „allgemeine Rechtsempfinden" sein. Da dies bekanntlich in dem Rechtsempfinden des Richters oder in dem, was der Richter für das „allgemeine Rechtsempfinden" hält, besteht, folgt aus einer solchen Begründung, daß es in das Belieben des Richters gestellt ist, ob ein Sachverhalt bzw. Verhalten strafbedürftig ist oder nicht. Darüber hinaus ist es auch wenig überzeugend anzunehmen, daß eine „dem allgemeinen Rechtsempfinden entsprechende" Betrachtungsweise für diesen Fall

422

Vgl. zu den hier angesprochenen Zwecken die Nachweise bei Wessels, AT, S.177f. Rn. 626. Frisch, NJW 1983, 2471, 2473 f. 424

Soweit Frisch sich auf den Willen des Gesetzgebers beruft, der eine entsprechende Auslegung des Tatbestandes befürwortete, wird auf die Prüfung sub Ε. I. verwiesen. 425

Kritisch zu dieser These auch Kusch (NStZ 1985, 385, 391 Fn. 67), der Frisch vorwirft, hier eher beschwörend als sachlich zu argumentieren.

126

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

(der „Strafvereiteier" verursacht ein dreitägige Verzögerung) zu dem Ergebnis gelangt, der Verzögerer habe Erfolg gehabt. Vielmehr dürfte unter Berücksichtigung der Interessen des Vortäters und damit in aller Regel auch der des Begünstigers erst dann von einer „erfolgreichen" Strafvereitelung gesprochen werden können, wenn die Bestrafung dauerhaft verhindert wird oder aber infolge des begünstigenden Verhaltens milder ausfällt, als es der materiellen Rechtslage entspricht. Weiterhin ist Frisch zwar zuzugeben, daß eine Verzögerung um so mißbilligenswerter und erfolgreicher ist, je länger sie dauert. Damit ist jedoch weder erklärt, warum eine bloße Verzögerung der Bestrafung - unabhängig von ihrer jeweiligen Dauer - überhaupt dem Tatbestand unterfallen soll, noch leuchtet ein, warum bei einer Verzögerung um „geraume Zeit" das Strafbedürfnis bereits derartig erhöht ist, daß es die Annahme des Erfolgseintritts und damit der Vollendung der StrafVereitelung rechtfertigt. 426 Fazit ist demnach, daß die h. M. das Merkmal der „geraumen Zeit" weder in einer den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes genügenden Weise präzisiert noch die Notwendigkeit dieser als Korrektiv gedachten Beschränkung überzeugend begründet hat. 2. Begründung der herrschenden Meinung für die generelle Einbeziehung von Verzögerungen Wenn man die herrschende Lehre auf Begründungsansätze für die Verzögerungen (um geraume Zeit) einschließende Auslegung des Tatbestandes durchmustert, gelangt man zu dem befremdlichen Ergebnis, daß sich der ganz überwiegende Teil zwar auf die ständige Rechtsprechung beruft, aber ebenso wie die (neuere) Rechtsprechung eine Begründung für die Erfolgsinterpretation schuldig bleibt. Nur ganz vereinzelt finden sich Stellungnahmen zu der hier interessierenden Frage nach der Zulässigkeit und vor allem nach der Notwendigkeit der Einbeziehung von Verzögerungen (um „geraume Zeit") in den Anwendungsbereich des § 258.

426

Der Eintritt des Erfolges, der nach Frisch angeblich das Strafbedürfnis erhöht, wird in den Fällen, die man dabei zunächst vor Augen hat (Tod, Körperverletzung) unabhängig vom Strafbedürfnis als unwertiger Sachverhalt begriffen. Frisch verdreht dieses Verhältnis bei der Strafvereitelung, indem er zunächst nach einem „Strafbedürfnis" fragt und bei Bejahung daraus schließt, dann müsse auch ein Erfolg gegeben sein.

III. Die herrschende Meinung

127

a) Qualitätssicherung des Strafverfahrens Stree begründet die Einbeziehung des Verzögerungsmoments zum einen damit, daß diese sich mit dem Wortlaut vereinbaren lasse, und zum anderen damit, daß sich eine solche Einbeziehung zum Schutz der Strafrechtspflege als notwendig erweise; denn je später ein Strafverfahren abgeschlossen werden könne, desto mehr und leichter könne es an Qualität 427 und an einer den Straf- oder Maßregelzwecken entsprechenden Wirkung einbüßen.428 Da Stree nicht darlegt, welche Straf- oder Maßregelzwecke er im einzelnen durch eine Verzögerung des Verfahrens beeinträchtigt sieht, soll hinsichtlich dieser Argumentation auf die Auseinandersetzung mit Lenckner 429 verwiesen werden, der insbesondere auf die Strafzwecke und ihre Beeinträchtigung durch Verzögerungen näher eingeht. Ob eine solche Interpretation tatsächlich mit dem Wortlaut des § 258 vereinbar ist, wird im Anschluß an dieses Kapitel zu klären sein; allerdings ist die Vereinbarkeit einer bestimmten Auslegung mit dem Gesetzeswortlaut keine Begründung für die Richtigkeit der fraglichen Auslegung, sondern im Hinblick auf das Analogieverbot eine zwingende Voraussetzung für jede Auslegung. Zu überprüfen bleibt daher an dieser Stelle, inwieweit der Schutz der Strafrechtspflege unter dem Aspekt der Qualitätssicherung des Strafverfahrens eine tragfähige Begründung für die Einbeziehung des Verzögerungsmoments in den Tatbestand der Strafvereitelung liefert. Bedenken gegen diese Begründung ergeben sich zunächst daraus, daß die Qualität eines Strafverfahrens von so vielen Faktoren abhängt, daß nicht einleuchtet, warum der Strafvereitelungstatbestand, wenn er denn überhaupt die Qualität des Verfahrens sichern soll, dies nur im Hinblick auf die Dauer des Verfahrens und insoweit dann auch nur unter dem Aspekt des rechtzeitigen Verfahrensabschlusses tun soll. Denn eine Einbuße an Qualität liegt bei einem zu schnell betriebenen und damit zu frühzeitig abgeschlossenen Verfahren mindestens ebenso nahe wie bei einem verzögerten Verfahrensende. Zwar ist Stree zuzugeben, daß ein zügig betriebenes Strafverfahren durchaus im Interesse einer geordneten Strafrechtspflege liegt; denn dem Grundsatz der 427 Ähnlich auch Kusch (NStZ 1985, 385, 390), für den eine Verzögerung des Strafverfahrens ebenfalls zu einer Qualitätseinbuße führt, da die Wahrheitserforschung umso schwieriger werde, je länger der zu ermittelnde Sachverhalt zurückliege. 428

Schönke/Schröder/Stree,

429

Vgl. dazu sub D. III.

§ 258 Rn. 16.

128

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

Beschleunigung tragen bereits verschiedene Vorschriften (§§ 115, 121, 122, 128 f., 161 a, 163 Abs. 2 S. 1, 163 a Abs. 3) der StPO Rechnung, und er ist in Art. 5 Abs. 3 S. 2 und in Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK festgelegt 430. Damit ist jedoch noch nicht erklärt, warum eine darüberhinausgehende und vor allem strafbewehrte Schutzbedürftigkeit des rechtzeitigen Verfahrensabschlusses notwendig ist. 431 Auch Sinn und Zweck des Beschleunigungsgebotes legen es nicht nahe, den verspäteten Verfahrensabschluß unter den Tatbestand der Strafvereitelung zu fassen. Das Beschleunigungsgebot dient in erster Linie dem Schutz des Beschuldigten 432 , dessen Interessen jedoch unzweifelhaft nicht durch den Straftatbestand des § 258 geschützt werden. Dagegen ließe sich einwenden, daß es auch im öffentlichen Interesse liegt, die gegen einen Angeklagten erhobenen Beschuldigungen in der den Schwierigkeiten der Beweisführung angemessenen Zeit zu klären 433 . Dem schleunigen Verfahren kommt nämlich auch eine wahrheitssichernde Funktion zu 4 3 4 , denn am Anfang eines Verfahrens sind noch nahezu alle Beweismittel präsent, und vor allem die Erinnerungsbilder der Zeugen sind noch nicht abgeschwächt oder verfälscht 435 . Insgesamt ist aber auch unter dem Aspekt der Wahrheitssicherung eine Einbeziehung der Verzögerung nicht erforderlich. Denn die mit der Beweismittelverschlechterung verbundene Gefahr besteht darin, daß der Abschluß des Verfahrens - und damit entweder die Verurteilung oder die Freisprechung - der materiellen Rechtslage nicht entspricht. Ein solcher Widerspruch zum materiellen Recht unterfällt aber ohnehin dem Tatbestand der Strafvereitelung, wenn er sich zugunsten des Vortäters auswirkt, indem dieser entweder zu Unrecht freigesprochen oder zu milde verurteilt wird. Sollte dagegen der Beschuldigte infolge der mit der Verfahrensverzögerung verbundenen Beweismittelverschlechterung zu Unrecht oder zu hart verurteilt werden, dann

430

KK-Pfeiffer,

Einl. Rn. 11; Pfeiffer,

in: FS-Baumann, S. 329, 330 f.

431

Vgl. insoweit auch die ausführliche Stellungnahme der Verfasser des VE 1909 (Begründung zum VE 1909, S. 567), die bewußt auf eine kriminelle Ahndung der die Bestrafung verzögernden Verhaltensweisen verzichtet haben, da kein „praktisches Bedürfnis" bestehe, gegen bloße Hemmungen des Verfahrens die „Strafgewalt des Staates in Gang zu setzen". 432

BGHSt 26, 228, 232; KK-Pfeiffer, Rn. 160.

Einl. Rn. 11; Kleinknecht/Meyer-Goßner,

433

BGHSt 26, 228, 232; Pfeiffer,

434

BVerfGE 57, 250, 280; Kusch, NStZ 1985, 385, 390.

435

KK-Pfeiffer,

Einl. Rn. 11.

in: FS-Baumann, S. 329, 332.

Einl.

III. Die herrschende Meinung

129

läge damit ein Verfahrensabschluß vor, dessen Verhinderung eindeutig nicht mehr vom Strafvereitelungstatbestand bezweckt ist. Festzuhalten bleibt, daß zwar auch die Wahrheitssicherung einer „gerechten" Verfahrensbeendigung dient 436 , und zwar mit der Folge, daß ein so verstandener Zweck des Beschleunigungsgebotes sich mit dem des § 258 Abs. 1 deckt, da auch dieser die dem materiellen Recht entsprechende Verurteilung des Täters sicherstellen soll. Ein solcher dem materiellen Recht konformer Verfahrensabschluß bleibt jedoch auch dann möglich, wenn sich die Beweismittelsituation durch eine Verfahrensverzögerung verschlechtert hat, so daß die Erfassung einer - im Hinblick auf das „gerechte" Verfahrensende wirkungslos gebliebenen, allenfalls gefährdenden - Verzögerung lediglich unter dem Gesichtspunkt einer Versuchsstrafbarkeit in Betracht kommt, da andernfalls der Straftatbestand des § 258 zum Gefährdungsdelikt verkürzt würde. Schließlich ist gegen die Einbeziehung einer Verfahrensverzögerung in den Anwendungsbereich des § 258 einzuwenden, daß erhebliche Schwierigkeiten bestehen, die Angemessenheit einer Verfahrensdauer abstrakt zu definieren. Vielmehr ist zu berücksichtigen, daß eine absolute, für Verfahren jeden Schwierigkeitsgrades gültige Zeitgrenze bisher nicht gesetzt wurde 437 . Auch der Umstand, daß nach ständiger Rechtsprechung des BGH 4 3 8 eine Art.6 MRK zuwiderlaufende 439 Verfahrensverzögerung bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist und unter Umständen auch zu einer Einstellung des Verfahrens führen kann 440 , so daß die in einem solchen Fall verhängte Strafe milder ist, als die zunächst durch die Tat verwirkte Strafe, kann die generelle Einbeziehung einer Verzögerung in den Strafbereich des § 258 Abs. 1 nicht stützen. Denn selbst wenn man davon ausgeht, daß die strafmildernde Berücksichtigung des Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot oder des bloßen Zeitablaufs zwischen Tatbegehung und

436

So auch Hillenkamp, JR 1975, 133, 134.

437

Vgl. KK-Pfeiffer,

Einl. Rn. 11.

438

Vgl. dazu die ausführliche Darstellung der Rechtsprechung bei Scheffler, Die überlange Dauer von Strafverfahren, S. 21 ff.; ferner Pfeiffer, in: FS-Baumann, S. 329, 339 ff., und Kohlmann, in: FS-Pfeiffer, S. 203 ff., 210 f., jeweils mit sehr umfangreichen Nachweisen. 439

Damit sind nur diejenigen Verzögerungen gemeint, die der Beschuldigte nicht selbst (durch prozesswidriges Verhalten) zu vertreten hat. 440 Vgl. dazu BGH, wistra 1996, 314 f., der die Art. 6 Abs. 1 Satz 1 M R K verletzende Verfahrensverzögerung des bis zu diesem Zeitpunkt bereits 13 Jahre andauernden Strafverfahrens damit begründete, daß es zu Beginn des Ermittlungsverfahrens zu einem 22 Monate andauernden Verfahrensstill stand kam.

9 Wappler

130

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

Verurteilung 441 dazu fuhrt, daß die letztlich verhängte „zu milde" Strafe nicht die „dem Strafgesetz gemäße" Strafe ist, dann läßt sich die absichtliche oder wissentliche Herbeiführung einer solchen Strafe als „teilweises" Vereiteln i. S. des § 258 Abs. 1 ansehen. Entsprechendes gilt auch, wenn das Verfahren aufgrund des inzwischen verstrichenen Zeitraums seit Tatbegehung oder der überlangen Verfahrensdauer eingestellt wird; in einem solchen Fall könnte eine „gänzliche" Vereitelung der Bestrafung angenommen werden. Für die Erfassung einer derartigen Verzögerung als Strafvereitelung bedarf es also nicht der generellen Einbeziehung von Verzögerungen in den Strafbereich des § 258. Somit erweist sich auch die Berufung auf die Qualität des Strafverfahrens und die Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes als letztlich nicht tragfähig, um die Tatbestandsmäßigkeit einer Verfahrensverzögerung um „geraume Zeit" zu begründen. b) Kriminalpolitisch unerwünschte Reduktion des Tatbestandes (Strafbarkeitslücken) Im Gegensatz zu Stree hält Maiwald die Einbeziehung des Verzögerungsmoments zwar „nicht für ohne weiteres" mit dem Wortlaut vereinbar, da „vereiteln" sowohl nach dem allgemeinen als auch nach dem bisherigen juristischen Sprachgebrauch das endgültige Verhindern der Bestrafung oder der Verhängung der Maßregel bedeute442, gleichwohl dürfe entgegen diesem Sprachgebrauch das Endgültigkeitselement nicht in das Wort „vereiteln" hineininterpretiert werden. 443 Vielmehr müsse das Merkmal - wenn auch mit Bedenken - korrigiert werden, da der Tatbestand ansonsten bis zur „Sinnlosigkeit" reduziert würde. 444 Diesem Begründungsversuch läßt sich zunächst entgegenhalten, daß von einem „Hineininterpretieren" des Endgültigkeitselements wohl kaum die Rede sein kann, wenn nach dem Sprachgebrauch unter Vereiteln ein endgültiges Verhindern zu

441

Vgl. zur strafmildernden Berücksichtigung allein des Zeitablaufs BGH, NStZ 1986, 217 f.; Detter, NStZ 1990, 483, 486. 442

Maiwald, in: Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 100 Rn. 13, S. 398; in der Vorauflage {Maurach/Schroeder, BT 2, S. 323) wurde von Schroeder die Verwendung des Begriffs „vereiteln" mit seinem Endgültigkeitselement noch als offensichtliches Redaktionsversehen bezeichnet. 443

Vergleichbar insoweit auch Arzt, in: Arzt/Weber, L H 4 Rz. 370, der ausdrücklich betont, daß „ganz vereiteln" - entgegen der der natürlichen Wortbedeutung - nicht heiße, daß der Vortäter der Bestrafung auf Dauer entzogen werde. 444

Maiwald, in: Maurach/Schroeder/Maiwald,

BT 2, § 100 Rn. 14.

III. Die herrschende Meinung

131

verstehen ist. Vielmehr liegt es umgekehrt: Das Endgültigkeitselement wird, „wenn auch mit Bedenken", hinausinterpretiert. Ob darüber hinaus der Tatbestand ohne die - in der Tat bedenkliche - Korrektur tatsächlich bis zur „Sinnlosigkeit" reduziert oder in „kriminalpolitisch verfehlter Weise" 445 eingeschränkt würde, ist angesichts der angeordneten Versuchsstrafbarkeit bereits zweifelhaft. Denn von einer (kriminalpolitisch unerwünschten) Strafbarkeitslücke kann ohnehin nur dann gesprochen werden, wenn nicht einmal eine Strafbarkeit wegen Versuchs in Betracht kommt, weil der Täter weder die endgültige Verhinderung der Bestrafung beabsichtigt noch wissentlich herbeiführen will; sollte der Täter demgegenüber mit ausreichendem dolus directus gehandelt, aber lediglich eine Verzögerung der Bestrafung bewirkt haben, dann scheidet nur eine Bestrafung wegen vollendeter StrafVereitelung aus, so daß in solchen Fällen nur eine „Vollendungslücke" angenommen werden könnte. Nicht strafbar sind nach der engsten Interpretation Fälle des dolus eventualis bezüglich einer endgültigen Verhinderung der Bestrafung und Fälle von Absicht und Wissentlichkeit bezüglich einer bloßen Verzögerung der Bestrafung. Wenn man weiterhin berücksichtigt, daß selbst bei einer Erfolgsinterpretation i. S. der h.M. eine Vollendungsstrafbarkeit wegen der kaum überwindbaren Schwierigkeiten hinsichtlich des Kausalitätsnachweises nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommt 446 , dann muß ebenfalls bezweifelt werden, ob bei einem gänzlichen Verzicht auf Verzögerungen die insoweit entstehende Vollendungs- oder Strafbarkeitslücke das befürchtete desaströse Ausmaß aufweist. Gleichwohl sollen im folgenden einige kriminologische Aspekte der Strafvereitelung dargestellt und in einem weiteren Schritt daraufhin untersucht werden, ob sie das von den Befürworter einer Verzögerungserfassung beschworene Gespenst der kriminalpolitischen Lücke, wie sie angeblich bei einer engen Interpretation des tatbestandsmäßigen Erfolges aufgerissen würde, sachlich stützen können. Unabhängig davon, ob die Berufung auf kriminalpolitische Lücken im Rahmen einer Straftatbestandsinterpretation überhaupt zulässig ist 447 , gilt für den Bereich der Strafvereitelung folgendes: Fälle, in denen lediglich eine bloße Verzögerung der Verurteilung beabsichtigt ist oder wissentlich herbeigeführt werden soll 448 , 445

Rudolphi, JuS 1979, 859, 860.

446

Dies hat auch die Untersuchung der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestätigt.

447

Vgl. dazu Dencker, JuS 1980, 210, 212 Fn. 34; sowie Binding, Lehrbuch II 2, S. 576 Fn. 2, der rechtspolitische Erwägungen bei der Auslegung des Strafvereitelungstatbestandes strikt ablehnt. 448

Mangels entsprechender subjektiver Erfolgsvorstellung kommt bei einem engen Erfolgsverständnis eine Versuchsstrafbarkeit nicht in Betracht. 9'

132

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

dürften mangels entsprechender (nachvollziehbarer) Motivation auf Seiten des Vortäters oder des StrafVereitelers kaum praktisch werden. Von einer - relevanten - Lücke könnte aber ohnehin nur dann die Rede sein, wenn Verhaltensweisen, die sich lediglich hemmend auswirken bzw. die eine nur auf bloße Verzögerung gerichtete Intention des Täters nahelegen, besonders häufig vorkommen. Daher gilt es zunächst, die kriminalstatistische Bedeutung der StrafVereitelung sowie ihre verschiedenen Erscheinungsformen und deren jeweilige Gewichtung aufzuzeigen. Die tatsächliche Bedeutung der StrafVereitelung ist schwierig einzuschätzen, da die Kriminalstatistik nach wie vor die Fälle der Strafvereitelung (§§ 258, 258 a) mit denen der Begünstigung (§ 257), denen der Hehlerei (§§ 259, 260, 260 a) und seit 1994 auch mit denen der Geldwäsche (§261) zusammenfaßt und insbesondere im Bereich der StrafVereitelung von einer „abnorm großen Dunkelziffer" 449 auszugehen ist. 450 Die polizeiliche Kriminalstatistik wies für 1995 insgesamt 28525 bekanntgewordene Fälle 451 der Strafvereitelung, Begünstigung, Hehlerei und Geldwäsche (§§ 257-261) aus 452 , von denen 22930 Fälle auf Hehlerei und Geldwäsche entfielen, so daß letztlich für die StrafVereitelung, die Strafvereitelung im Amt und die Begünstigung 5595 Fälle zu verzeichnen waren. Damit belief sich der Anteil dieser Delikte an der Gesamtkriminalität 453 auf nur 0,083 %. Die neueste kriminologische Untersuchung für den Bereich der StrafVereitelung stammt von Geerds, der sich 1985 in seinem Beitrag über die kriminelle Irreführung der Strafrechtspflege mit den verschiedenen Begehungsmodalitäten dieses Delikts und den jeweiligen Häufigkeiten dieser Erscheinungsformen befaßt hat 454 . Obwohl diese Untersuchung bereits mehrere Jahre zurückliegt, ist sie nach wie vor aussagekräftig, da keine Gründe ersichtlich sind, die für eine qualitative oder quantitative Änderung im Bereich der Strafvereitelungsmodalitäten sprechen. Insgesamt differenziert Geerds zwischen sechs verschiedenen Verhaltensweisen: 455

449

Geerds, in: FS-v.Hentig, S. 133, 143; Rodenhäuser, S. 152.

450

Zu den Unsicherheitsfaktoren im Rahmen der statistisch erfaßten Strafvereitelungskriminalität vgl. Rodenhäuser, S. 110 ff. 451

Damit sind die Taten gemeint, denen eine polizeilich bearbeitete Anzeige zugrun-

deliegt. 452

Die Aufklärungsquote wurde für 1995 mit 98,7 % angegeben.

453

Damit sind alle bekanntgewordenen Straftaten mit Ausnahme der Staatsschutz- und Verkehrsdelikte gemeint. 454

Geerds, Jura 1985, 617 ff.

455

So bereits Geerds, in: FS-v.Hentig, S. 133, 145ff.

III. Die herrschende Meinung

133

Das Verbergen einer Person stellt mit einem Anteil von 3-5 % 4 5 6 an den tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen eine in der Praxis wenig bedeutsame Form der Strafvereitelung dar. Regelmäßig beschränkt sich das Verbergen des Vortäters nicht auf bloße Unterkunftsgewährung, sondern umfaßt auch zusätzliche Handlungen, wie z.B. falsche Angaben gegenüber den nachforschenden Polizeibeamten.457 In den von Rodenhäuser untersuchten Fällen wurden die Vortäter nur wenige Tage oder gar Stunden verborgen, wobei das Verbergen regelmäßig als Vorstufe zur Flucht zu werten war. 458 Beim Ermöglichen oder Unterstützen der Flucht handelt es sich ebenfalls um eine seltene Form der Strafvereitelung; hier belief sich der Anteil auf nur 3,4 % 4 5 9 . Zur Fluchthilfe zählen im einzelnen die Fälle, in denen dem Vortäter durch Warnung, Durchfuhrung des Transports oder durch Überlassung der erforderlichen finanziellen Mittel die Gelegenheit gegeben wird, sich selbst dem Zugriff der Strafverfolgungsorgane zu entziehen.460 Die mit Anteilen von 50-66 % 4 6 1 weitaus häufigste Begehungsmodalität der StrafVereitelung besteht in den falschen Angaben im Verlauf des Strafverfahrens. Diese Angaben können sich sowohl auf den Tathergang, die Tatbeute oder auf einzelne strafbarkeitsbegründende Umstände als auch auf die Person des Vortäters beziehen, und zwar reicht die diesbezügliche Skala falscher Aussagen vom angeblichen Nichterkennen des Tatverdächtigen über unzutreffende Beschreibungen seiner Person bis hin zu unrichtigen Alibis und Selbstbezichtigungen462. Der regelmäßig mit Selbstbezichtigungen verbundene Rollentausch kann insbesondere dadurch erfolgen, daß der StrafVereiteler sich an Stelle des Vortäters verurteilen läßt oder die verhängte Freiheitsstrafe verbüßt. 456

Geerds, Jura 1985, 617, 627; Rodenhäuser (S. 123) ermittelte einen Anteil von nur

3,8%. 457

Rodenhäuser, S. 123 f.

458

Mitunter sollte durch das Verbergen des Vortäters auch mittelbar Einfluß auf den Sachbeweis genommen werden, z.B. indem der alkoholisierte Fahrer verborgen wurde, um eine belastende Blutentnahme zu verhindern; vgl. Rodenhäuser, S. 123 f. 459

Geerds, Jura 1985, 617, 627; Rodenhäuser, S. 125.

460

Geerds, Jura 1985, 617, 627; ders., in: FS-v.Hentig, S. 133, 145f.; Rodenhäuser,

S. 125. 461 Geerds, Jura 1985, 617, 627; Rodenhäuser (S. 127 ff.) hat dagegen nur einen Anteil von 55,4% ermittelt, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß er die Fälle des Rollentauschs, die sich nach seiner Untersuchung auf 10% beliefen, als eigenständige Erscheinungsform der Strafvereitelung bewertet hat. 462

Geerds, Jura 1985, 617, 627; ders., in: FS-v.Hentig, S. 133, 146ff.; Rodenhäuser, S. 129 ff.; jeweils mit näheren Angaben.

134

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

Eine weitere bedeutsame Erscheinungsform der Strafvereitelung, deren Häufigkeit mit 20-25 % angegeben wird 463 , stellt die Manipulation von Sachbeweisen dar. Die wohl einschneidenste Einwirkung in diesem Bereich ist das Vernichten des Tatobjekts, der Beute oder sonstiger Spuren, daneben kommt aber auch das Legen falscher Spuren oder Austauschen von Beweismitteln in Betracht 464 . Erheblich seltener sind demgegenüber die Fälle der Einflußnahme auf persönliche Beweismittel, hier beträgt der festgestellte Anteil nur 3-5 % 4 6 5 . Die entsprechenden Verhaltensweisen können sowohl in der Veranlassung von Falschaussagen als auch in der illegitimen Beeinflussung Dritter liegen, etwa um diese zum Verzicht auf eine Strafantragstellung, zur Rücknahme eines bereits gestellten Strafantrags oder zur Wahrnehmung ihrer Aussageverweigerungsrechte zu bewegen 466 . Schließlich werden noch die außerordentlich seltenen Fälle - von nicht einmal 1 % - der Sabotage der Strafverfolgung durch ihre eigenen Organe genannt.467 Diese typischerweise auf § 258 a zugeschnittene Erscheinungsform wird etwa dadurch verwirklicht, daß erforderliche Maßnahmen unterlassen werden - neben der Betreibung des Ermittlungsverfahrens ist hier an eine dem Gesetz entsprechende Verurteilung sowie an eine dem Urteil entsprechende Vollstreckung zu denken - oder dadurch, daß die Vortäter von bevorstehenden Ermittlungs- oder Vollstreckungsmaßnahmen unterrichtet werden. 468 Zwar kann bezüglich sämtlicher zuvor beschriebener Verhaltensweisen nicht gänzlich ausgeschlossen werden, daß sie sich nur verzögernd auswirken mit der Folge, daß bei Zugrundelegung der engen Erfolgsinterpretation allenfalls eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht kommt. Es besteht jedoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß sich lediglich in den Fällen des Verbergens und bedingt auch in den Fällen der Fluchthilfe, insbesondere dann, wenn mit dem entsprechenden Land Auslieferungsabkommen bestehen, sowie in den Fällen der Sabotage durch Strafverfolgungsorgane die jeweiligen Verhaltensweisen nur verzögernd auf die Verurteilung des Vortäters auswirken und ein sich allein darauf beschränkender dolus directus vorliegt. 463

Geerds, Jura 1985, 617, 627; bei Rodenhäuser (S. 125) waren dies 23,4% der untersuchten Fälle. 464

Vgl. dazu Geerds, Jura 1985, 617, 628; ders., in: FS-v. Hentig, S. 133, 150; Rodenhäuser, S. 125 ff.; jeweils mit genaueren Angaben. 465

Geerds, Jura 1985, 617, 628; Rodenhäuser (S. 132) ermittelte 3,8%.

466

Geerds, Jura 1985, 617, 628; Rodenhäuser, S. 132 f.

467

Geerds, Jura 1985, 617, 628; Rodenhäuser, S. 134.

468

Geerds, in: FS-v.Hentig, S. 133, 150ff.; Rodenhäuser, S. 133 f.

III. Die herrschende Meinung

135

Dieser Eindruck wird auch durch die im Bereich des § 258 veröffentlichte Rechtsprechung erhärtet. Die Untersuchung der die Verzögerung betreffenden Entscheidungen hat zum einen bestätigt, daß sich die zuvor genannten Begehungsmodalitäten der StrafVereitelung häufig nur verzögernd auswirken, und zum anderen gezeigt, daß vor allem die säumigen Amtsträger keinen über die Verursachung einer bloßen Verzögerung hinausgehenden dolus directus aufwiesen, während in den Fällen der Fluchthilfe und Obdachgewährung - soweit diesbezügliche Feststellungen getroffen und mitgeteilt wurden - in aller Regel sogar eine auf endgültige Verhinderung der Bestrafung gerichtete Absicht vorlag. Demgegenüber sind die mit Anteilen bis zu 90% gewichtigsten Begehungsmodalitäten der Strafvereitelung - Beeinträchtigung von Beweismitteln und falsche Angaben 469 - regelmäßig geeignet, eine endgültige Hintertreibung der dem Gesetz entsprechenden Verurteilung zu verursachen, und lassen deshalb den Schluß auf eine entsprechende Intention des Täters zu. Ferner läßt sich den Untersuchungen Rodenhäusers über die kriminogenen und tatauslösenden Faktoren entnehmen, daß philanthropische Motive, wobei regelmäßig besondere persönliche Beziehungen zwischen Strafvereiteier und Vortäter ausschlaggebend sind 470 , am häufigsten vorkommen (weit über 90 %), während misanthropische und wirtschaftliche Motive demgegenüber eine untergeordnete Rolle spielen471. Wenn man berücksichtigt, daß somit in den allermeisten Fällen ein enges persönliches Verhältnis zwischen dem Vortäter und Täter des § 258 besteht, spricht dies ebenfalls für das regelmäßige Vorliegen einer auf endgültige Verhinderung der Bestrafung gerichtete Absicht des Strafvereitelers, da die bloße Verzögerung der Bestrafung dem Vortäter in aller Regel wenig nützen wird. Daraus ergibt sich, daß die Fälle, die mangels ausreichender subjektiver Beziehung zu einem eng interpretierten Erfolg nicht einmal als versuchte Strafvereitelung zu erfassen sind, in der Praxis eine sehr untergeordnete Rolle spielen, so daß statt von einer kriminalpolitischen Lücke hier nur von einem „kriminalpolitischen Haarspalt" gesprochen werden sollte. Aber auch die „Vollendungslücke", die sich bei einem Verzicht auf die Einbeziehung bloßer Verzögerungen ergeben würde, erscheint angesichts der

469

Im übrigen würden häufig auch noch andere Straftatbestände eingreifen: Aussagedelikte, Urkundendelikte, Sachbeschädigung, Verwahrungsbruch etc. 470 Darunter sind nur die Verhältnisse zu fassen, die nicht bereits wegen des Angehörigenprivilegs aus dem Strafbarkeitsbereich ausscheiden. 471

Rodenhäuser, S. 141 ff.

136

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

StrafVereitelungswirklichkeit nicht sonderlich relevant. Wenn man berücksichtigt, daß in sämtlichen die Fluchthilfe und Obdachgewährung betreffenden höchstrichterlichen Entscheidungen eine Verurteilung wegen vollendeter Strafvereitelung abgelehnt wurde oder hätte abgelehnt werden müssen und auch in den Fällen der Beweismittelmanipulation der Nachweis der Ursächlichkeit des Täterverhaltens für die vermeintliche Verzögerung nicht gelungen ist, dann kann auch eine enge Erfolgsbestimmung die ohnehin bestehende „Vollendungslücke" nicht derart vertiefen, daß der Tatbestand (erst) dadurch bis zur Sinnlosigkeit reduziert würde. Soweit sich dagegen der Nachweis der Kausalität des Verhaltens bzw. Unterlassens der StrafVerfolgungsorgane für einen Verzögerungserfolg nicht schwierig gestaltet, muß - angesichts der bisherigen Rechtsprechung - wohl davon ausgegangen werden, daß in diesen Fallkonstellationen in aller Regel kein ausreichender dolus vorliegt bzw. unter Berücksichtigung der psychischen Disposition des jeweiligen Amtsträgers nicht ohne weiteres wird angenommen werden können. Festzuhalten bleibt, daß auch das kriminalpolitische Argument der Strafbarkeits- bzw. Vollendungslücke, wie sie angeblich bei einem Verzicht auf die Einbeziehung von Verzögerungen (um „geraume Zeit") aufgerissen würde, die von der h. M. vorgenommene extensive Auslegung des Tatbestandes nicht zu stützen vermag. Fazit ist danach, daß die herrschende 472 Auffassung innerhalb der Literatur ebensowenig wie die ständige Rechtsprechung eine tragfähige Begründung für die Erfassung einer Verzögerungsverursachung um „geraume Zeit" geliefert hat. I V . Die Erfolgsbestimmung durch Lenckner und Rudolphi Im Unterschied zur h. M. verzichten Lenckner 473 und ihm folgend auch Rudolphi 474 auf das als Korrektiv gedachte Merkmal der „geraumen Zeit", da seine Verwendung zur Umschreibung strafbaren Verhaltens eindeutig gegen das aus Art. 103 Abs. 2 GG folgende Bestimmtheitsgebot verstoße. Diesen Verstoß führen sie darauf zurück, daß es sich bei diesem Merkmal nicht um einen aus sich selbst

472

Kritisch zur Verwendung des Begriffs „herrschende Auffassung" in diesem Zusammenhang Vormbaum (S. 405), da eine Ansicht nur herrschend sein könne, wenn eine überwiegende Mehrzahl von Vertretern sie mit eingehender und allermindest plausibler Begründung stütze. 473

Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339 ff.

474

Rudolphi, JuS 1979, 859 ff.

IV. Lenckner und Rudolphi

137

heraus konkretisierbaren Begriff handele475 und es letztlich vom Zufall abhänge, ob der Täter wegen Vollendung oder Versuchs bestraft würde 476 . Gleichwohl halten beide Autoren an der „Strafvereitelung auf Zeit" fest und bejahen den Eintritt des Taterfolges schon dann, wenn das Verfahren gegen den Vortäter (vorläufig) eingestellt oder aber die Strafe oder Maßregel später, als dies sonst möglich gewesen wäre, verhängt oder vollstreckt wird. Damit lassen sie i. Ε .jede Verzögerung der Bestrafung zur Vollendung ausreichen, sofern es sich dabei nicht um eine „quantité négligeable" (ζ. Β. nur um Stunden verzögerter Strafantritt) 477 oder lediglich um eine „geringfügige" Verzögerung 478 handele. Zur Begründung dieser Interpretation, die im Gegensatz zur Rechtsprechung und herrschenden Lehre nicht auf einer Auslegung des Begriffs „vereiteln", sondern auf einer Auslegung des Merkmals „dem Strafgesetz gemäße Bestrafung" beruht, verweist Lenckner auf den Schutzzweck des § 258. Seiner Meinung nach steht der Strafvereitelungstatbestand im Dienste der Präventionszwecke. Dies ergebe sich daraus, daß die regelmäßig als Rechtsgut der Strafvereitelung genannte Rechtspflege bzw. der Strafanspruch keinen Selbstzweck darstellten und deshalb auch nicht um ihrer selbst willen geschützt würden. Vielmehr erfolge der Schutz im Hinblick auf die Präventionszwecke, da auch die Sanktionen, auf deren Verwirklichung der staatliche Strafanspruch gerichtet sei, letztendlich dem Rechtsgüterschutz durch General- und Spezialprävention dienten.479 Dem Sinn der Prävention entspreche aber nur eine möglichst baldige Verhängung oder Vollstreckung der verwirkten Strafe. Dies ist für Lenckner insbesondere dann evident, wenn wegen der Gefährlichkeit des Täters die Spezialprävention im Vordergrund steht. Gleiches gelte aber auch für die Generalprävention, die sich nicht in bloßer Abschreckung erschöpfe, sondern zugleich die Bestätigung und Bekräftigung des Rechtsbewußtseins der Allgemeinheit umfasse. Auch diese sei um so eher gewährleistet,, j e rascher die Strafe der Tat auf dem Fuß" 480 folge, und

475

Rudolphi, JuS 1979, 859, 860.

476

Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339, 343.

477

Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339, 345 f.

478

Rudolphi (JuS 1979, 859, 861) will derartige Verzögerungen gemäß dem Grundsatz „minima non curat praetor!" ausklammern. 479 480

Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339, 344; Rudolphi, JuS 1979, 859, 861.

Kritisch zu dieser These - wenn auch in anderem Zusammenhang - Neumann (StV 1994, 273, 276) und Scheffler (NJW 1994, 2191, 2195), die insoweit von einem kaum jemals hinterfragten „Dressurmodell" sprechen; näher dazu auch Scheffler (RdJB 1981, 451, 452 ff.), der das vor allem im Dritten Reich populäre Dogma: „Die Strafe hat der Tat auf dem Fuße zu folgen" hinsichtlich des Erziehungsgedankens im Jugendstrafrecht in Frage stellt.

138

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

werde daher auch durch jede Verzögerung der Bestrafung beeinträchtigt. 481 Folglich bedeute das Merkmal „dem Strafgesetz gemäße Bestrafung" nicht nur, daß der Täter überhaupt bestraft werde und daß Art und Höhe der Strafe dem Gesetz entsprächen, sondern daß die Sanktion im Interesse einer wirksamen Prävention auch so bald wie möglich verhängt werde. Auf einen so verstandenen Begriff der „Bestrafung" müsse daher auch das Merkmal „Vereiteln" bezogen werden. 482 Aus den genannten Gründen bejahen Lenckner und Rudolphi die Vollendung der StrafVereitelung bereits dann, wenn die Begünstigungshandlung dazu gefuhrt hat, daß das Verfahren gegen den Vortäter eingestellt oder dieser freigesprochen wird; insbesondere spiele es dabei keine Rolle, ob die fragliche Entscheidung rechtskräftig geworden, ob es später doch zu einer Verurteilung des Vortäters gekommen sei oder ob die zunächst eingestellten Ermittlungen sogar noch am selben Tag wieder aufgenommen würden. 483 In diesen Fällen stehe mit dem - auch nur vorläufigen - Abschluß des Verfahrens bereits fest, daß die Präventionszwecke jedenfalls nicht mehr in dem Zeitpunkt, in dem dies an sich möglich gewesen wäre, erfüllt werden könnten. Hinzu komme, daß in den genannten Fällen in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehe, eine begangene Straftat bleibe ungesühnt, so daß die generalpräventive Wirkung der Strafe bereits deshalb verfehlt werde. Damit verzichten Lenckner und Rudolphi zumindest für den Fall der unmittelbaren Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens auf jegliches Zeitmoment und bejahen den Erfolgseintritt, ohne daß die Verurteilung des Täters verzögert wurde. Zuzustimmen ist Lenckner und Rudolphi insoweit, als sie das Kriterium der geraumen Zeit wegen seiner Unbestimmtheit ablehnen. Wenn sie jedoch für die Umschreibung der nicht mehr tabestandsmäßigen Verzögerungsdauer den Terminus „quantité négligeable" bzw. „geringfügig" wählen, setzen sie sich dem gleichen Einwand aus, denn dieser Terminus ist weder präziser, noch handelt es sich dabei um einen „aus sich selbst heraus konkretisierbarer Begriff und damit um ein allgemeingültiges Kriterium für die Abgrenzung der Versuchs- von der Vollendungsstrafbarkeit.

481 Lenckner, in: GS-Schröder, S. 399, 344 f.; so auch Rudolphi (JuS 1979, 859, 861), der ebenfalls durch jede Verzögerung der Bestrafung die präventive Wirkung der Strafe beeinträchtigt sieht. 482

Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339, 344.

483

Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339, 345; Rudolphi, JuS 1979, 859, 861

IV. Lenckner und Rudolphi

139

Die im Verhältnis zur herrschenden Lehre weite Erfolgskonzeption Lenckners und Rudolphis ist aus verschiedenen Gründen angreifbar und wurde auch bereits in der Literatur - vornehmlich wegen der Reduzierung der Rücktrittsmöglichkeiten 484 - kritisiert. Aber nicht erst die Ergebnisse, zu denen Lenckners Begründungsansatz fuhrt, sind bedenklich, sondern bereits die Schutzgutbestimmung selbst und die daraus abgeleiteten Schlußfolgerungen. Ob die von Lenckner angegebene Begründung seine Erfolgsinterpretation stützen kann, hängt davon ab, inwieweit die von ihm aufgestellten Prämissen zutreffen. Dies wäre zu bejahen, wenn § 258 tatsächlich die durch Sanktionsverhängung und -Vollstreckung verfolgten Zwecke schützen würde, wenn sich darüber hinaus der Sinn und Zweck der Bestrafung in spezialund generalpräventiven Zwecken erschöpfte, wenn weiterhin jede Verzögerung der Verurteilung die Präventionszwecke verletzen würde und schließlich das Merkmal „dem Strafgesetz gemäße Bestrafung" in zulässiger Weise als „den Präventionszwecken entsprechende, möglichst schnelle Bestrafung" ausgelegt werden könnte. Dies soll im folgenden untersucht werden. 1. Rechtsgut Strafzwecke Bereits die von Lenckner vorgenommene Schutzgutbestimmung erscheint aus verschiedenen Gründen problematisch. Zum einen ist nach wie vor nicht eindeutig geklärt, was inhaltlich unter dem allgemeinen Begriff „geschütztes Rechtsgut" zu verstehen ist; zum anderen ist das Rechtsgut selbst eine reflexive Größe, da es auf der einen Seite Ergebnis eines Aulegungsvorganges der strafrechtlichen Norm also ein Auslegungsprodukt - ist, auf der anderen Seite aber zur Auslegung einzelner Merkmale der Norm herangezogen wird, also ein Auslegungsmittel ist. 485 Folglich läuft die Interpretation einzelner Tatbestandsmerkmale - und damit auch die des Erfolges - immer Gefahr, zirkulär zu sein, wenn zur Auslegung dieser Merkmale das Rechtsgut der auszulegenden Norm herangezogen wird. 4 8 6 Dies gilt um so mehr, wenn man sich vor Augen hält, daß die umstrittene Rechtsgutbestimmung bei § 258 ebenso wie die Erfolgsinterpretation an die Merkmale „Vereiteln der gesetzmäßigen Bestrafung" anknüpfen. Auch wenn aus den genannten Gründen nicht weiter auf die Frage nach dem geschützten Rechtsgut einzugehen ist, verdient Vormbaum insoweit Zustimmung,

484

Schönke/Schröder/Stree,

485

Vgl. Nelles, Untreue, S. 287 ff.

486

Vgl. Nelles, Untreue, S. 290.

§ 258 Rn. 16 a.

140

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

als das von ihm ermittelte Schutzgut487 „Verfahrensziel begrenzt auf die ordnungsgemäße und zudem richtige Instanzentscheidung" dem Wortlaut des § 258 Abs. 1 gerechter wird und zudem konkreter ist als ein Rechtsgut „Strafrechtspflege" 488, „Strafanspruch" 489, „Strafzwecke" 490 oder gar „Geltung aller Vortat-Normen und Vortat-Rechtsgüter" 491. Wenn man zudem berücksichtigt, daß der BGH 4 9 2 in seiner Grundsatzentscheidung zur Zahlung fremder Geldstrafen die Strafbarkeit eines solchen Verhaltens mit der Begründung ablehnt, daß die gegenteilige Auffassung, die die Tatbestandsmäßigkeit des fraglichen Verhaltens lediglich auf Strafzweckerwägungen 493 stützt, wegen Überschreitung des möglichen Wortsinns des § 258 gegen das Analogieverbot verstoße 494, dann erscheinen die von Lenckner und Rudolphi vorgenommene Schutzgutbestimmung: „Strafzwecke" und die daraus abgeleiteten Schlußfolgerungen auch unter diesem Gesichtspunkt fragwürdig. Gleichwohl soll an dieser Stelle nicht weiter auf die streitige Rechtsgutbestimmung des § 258 eingegangen werden, sondern nur überprüft werden, ob sich Lenckners Konzeption unter Zugrundelegung eines Rechtsgutes „Strafzwecke" als tragfähig im Hinblick auf seine Erfolgsinterpretation erweist.

487 488

Vormbaum, S. 386-393.

Haft, BT, S. 177; Plümer, S. 51; Preisendanz, Stree, § 258 Rn. 1; Wessels, BT 2, S.142 Rn. 700.

§ 258 Anm. I; Schönke/Schröder/

489

Fezer, in: FS-Stree/Wessels, S. 663,672 f.; LK-Ruß, § 258 Rn. 1; SK-Samson, § 258 Rn. 2.; kritisch dazu Plümer, S. 42 ff. 490

Kritisch dazu Plümer (S. 47), der gegen ein Rechtsgut „Sinn der Strafverfolgung" einwendet, daß dies mit dem Wortlaut des § 258 (Abs. 1) nicht vereinbar sei sei, da dieser auf den konkreten Akt der Bestrafung oder Unterwerfung und nicht auf die Erreichung der mit der Bestrafung verfolgten Zwecke abstelle. 491

Amelung, JR 1978, 227, 229; Schroeder (Straftaten gegen das Strafrecht, S. 11 ff., 20 ff.) hält wegen des alle Rechtsgüter umfassenden Schutzbereichs des § 258 auch eine erneute Lozierung der Strafvereitelung im Allgemeinen Teil des StGB für sinnvoll. 492 BGHSt 37, 226, 230: „Nichts im Wortlaut des § 258 Abs. 2 StGB deutet an, daß derjenige die Vollstreckung einer Geldstrafe vereitelt, der, ohne in den äußeren Vollstreckungsvorgang einzugreifen, dafür sorgt, daß die Strafe gezahlt wird ..." 493 Wer für den Verurteilten die Geldstrafe bezahle, beseitige die Übelwirkung und vereitele daher den Zweck der Geldstrafe; vgl. Stree, JZ 1964, 588, 589, sowie die Nachweise bei Engels, Jura 1981, 581, 582. 494

So bereits Engels (Jura 1981, 581, 583), der ausdrücklich betont, daß eine Umdeutung des § 258 Abs. 2 in „Vereiteln der Vollstreckungsw/rfawg" gegen das Analogieverbot verstoße.

IV. Lenckner und Rudolphi

141

2. Sinn und Zweck der Bestrafung und ihre Beeinträchtigung durch Verzögerungen Zunächst soll überprüft werden, ob sich der Sinn und Zweck der Sanktionen auf general- und spezialpräventive Zwecke reduzieren läßt, wobei hier in erster Linie die Strafen zu berücksichtigen sind. In einem weiteren Schritt ist dann zu klären, ob die der Strafe zugewiesene Funktion durch eine Verzögerung der Verurteilung beeinträchtigt wird. Der Frage nach dem Sinn der Strafe ist jedoch die Frage nach ihrem Wesen vorgelagert, so daß hierauf kurz einzugehen ist. Bereits 1625 hat Hugo de Groot den Begriff der Strafe in einer immer noch gültigen Weise wie folgt definiert: „Poena est malum passionis, quod infligitur ob malum actionis." 495 (Die Strafe ist ein zu erleidendes Übel, das zugefügt wird wegen eines Übels im Handeln.) Auch heute besteht Einigkeit darüber, daß Strafe ein Übel ist, das in einem staatlich betriebenen und formalisierten Verfahren als Reaktion auf einen Normbruch zugefügt wird. 4 9 6 Über den Sinn und Zweck staatlichen Strafens wird dagegen seit Jahrhunderten kontrovers diskutiert, ohne daß dieses Problem jemals abschließend geklärt wurde, vielmehr ist es nach wie vor virulent 497 . Angesichts des erheblichen Literaturumfangs zu diesem Thema soll an dieser Stelle nur eine kurze und stark vergröberte Darstellung der in Betracht kommenden Straftheorien erfolgen. Üblicherweise unterscheidet man zwischen absoluten und relativen Straftheorien; die absoluten Theorien lassen sich auf die Formel bringen: „Punitur, quia peccatum est" (bestraft wird, weil Unrecht begangen worden ist), die relativen Straftheorien lassen sich wie folgt zusammenfassen: „Punitur, sed ne peccetur" 498 (bestraft wird, damit kein Unrecht geschieht). Bei den relativen Theorien handelt es sich demnach um die Präventionstheorien, nach denen der Strafe eine vorbeugende, das zukünftige Verbrechen hemmende Aufgabe und Kraft zugeschrieben wird 4 9 9 ,

495

Zitiert nach Armin Kaufmann, Strafrechtsdogmatik, S. 263, mit Quellenangaben.

496

Vgl. Jescheck/Weigend, häuser, Sinn der Strafe, S. 34 ff.

AT, S. 65; Köhler, Begriff der Strafe, S. 15 ff.; Schmid-

497

Man denke nur an die von den Abolitionisten erhobene Forderung nach Abschaffung nicht nur der Gefangnisse, sondern des Strafrechts überhaupt; vgl. dazu die Nachweise bei Bock, JuS 1994, 89, 94, und Lesch, JA 1994, 510, 512. 498

Diese Formeln gehen auf Protagoras zurück, von dem die älteste erhaltene Strafrechtstheorie stammt; vgl. dazu v. Hippel, S. 461 f. 499

S. 19.

Jescheck/Weigend,

AT, S. 71; Bock, JuS 1994, 90f.; Schmidhäuser, Sinn der Strafe,

142

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

während die absoluten Theorien den Sinn der Strafe von ihrer gesellschaftlichen Wirkung unabhängig (losgelöst = absolutus) sehen.500 a) Absolute Straftheorien Bei den absoluten Straftheorien unterscheidet man zwischen Sühne- und Vergeltungstheorie. 501 aa) Sühnetheorie Im Gegensatz zur Vergeltungsstrafe ist die Strafe als Sühne nicht die Wiederherstellung der gerechten Weltordnung, sondern die Versöhnung des Verbrechers mit sich selbst und der Gemeinschaft; 502 das Recht zu strafen wird aus der nur durch die Strafe möglichen „Entsühnung des Rechtsbrechers" hergeleitet 503. Da jedoch Sühne in diesem Sinne nur dort gelingen kann, wo der Schuldige eine freiwillige 504 Leistung erbringt, die ihrerseits von der Gesellschaft auch als Tilgung seiner Schuld anerkannt wird, kann sie nicht vom Staat durch Strafe erzwungen werden. 505 Weiterhin würde die Strafe gegenüber einem Täter, der keinerlei Schuldgefühle oder Reue zeigt, von vornherein ihre Funktion verfehlen. 506 Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die heutige Gesellschaft selbst die durch Strafverbüßung erbrachte Sühneleistung des Täters regelmäßig nicht als entsühnend anerkennt, da der Täter das Gefängnis eben nicht als Entsühnter, sondern faktisch als Gebrandmarkter verläßt. 507 Aus den genannten Gründen wird die Sühne als eine der Hauptaufgaben des staatlichen Strafens heute zu Recht mehr und mehr abgelehnt.508

500

Roxin, AT, S. 40 Rn. 2; Bock, JuS 1994, 89, 90.

501

Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 40 ff.

502

Lesch, JA 1994, 510, 513 m. w.N.

503

Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 24.

504 Vgl. zur „Freiwilligkeit" BGHSt 19, 201, 206 : „Der anerkannte Sühnezweck der Strafe beruht geradezu darauf, daß der Bestrafte das Strafübel nicht nur gezwungenermaßen erträgt, sondern kraft freien, unerzwingbaren sittlichen Entschlusses als gerecht hinnimmt und seine Tat auf diese Weise sühnt." Die Entscheidung erging zur Zulässigkeit freiwilliger Entmannung. 505

Jescheck/Weigend,

506

Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 50.

AT, S. 67; Arthur Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 206.

507

Vgl. Arthur Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 207; Lesch, JA 1994, 510, 513.

508

Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 51 ff.; Jakobs, AT, S. 19 Rn. 25 f.

IV. Lenckner und Rudolphi

143

Aber selbst wenn man die Sühne als eine der Intentionen staatlicher Strafe begreift 509 , stünde eine Verzögerung der Sühneleistung einer Versöhnung des Täters mit sich und der Gesellschaft nicht im Wege, wenngleich auch die Vergrößerung des zeitlichen Abstandes zur Tat dazu führen könnte, daß die Sühnebereitschaft des Vortäters - sofern eine solche überhaupt vorhanden war - abnimmt und er die Bestrafung nicht mehr als „gerechte Reaktion" auf die von ihm begangene Straftat empfindet. Allerdings könnte eine derartige Auswirkung der Verzögerung nur in seltenen Fällen angenommen werden, da ein sühnebereiter und die Strafe als gerechten Ausgleich empfindender Straftäter in der Realität nicht sonderlich häufig vorkommen dürfte. Aber auch wenn man davon ausginge, daß sich das Sühnebedürfnis der Gesellschaft mit der Zeit reduziere 510, dann folgt daraus allenfalls, daß die letzlich (nach Verzögerung) zu verhängende Strafe entsprechend zu mildern ist, aber nicht, daß der Sühnezweck der Strafe - Versöhnung des Rechtsbrechers mit der Gesellschaft - dadurch beeinträchtigt wird. bb) Vergeltungstheorie Nach der Vergeltungstheorie ist Strafe notwendig, um die Gerechtigkeit wiederherzustellen; die Bestrafung eines schuldigen Rechtsbrechers ist an sich von Wert, und zwar unabhängig von ihrer künftigen Wirkung auf den Täter oder die Gesellschaft. 511 Eine „gerechte Vergeltung" i. S. dieser Konzeption darf jedoch nicht gleichgesetzt werden mit Rache oder Haßgefühlen, sondern sie ist ein reines „Maßprinzip" 512 , da der Gedanke der „Vergeltung" oder des „Ausgleichs" 513

509

So BVerfGE 45, 187, 259; BGHSt 19, 201, 206.

5,0

Als Indiz für ein nachlassendes Sühnebedürfnis könnte die strafmildernde Berücksichtigung des Zeitablaufs zwischen Tatbegehung und Verurteilung gewertet werden; allerdings müßte dann auch berücksichtigt werden, daß - soweit ersichtlich - der bloße Zeitablauf ebenso wie die überlange Verfahrensdauer nur dann strafmildernde Berücksichtigung finden, wenn sie nicht vom Angeklagten zu vertreten sind; vgl. Scheffler, Die überlange Dauer von Strafverfahren, S. 43 f., 217. Da jedoch strafvereitelnde (verzögernde) Verhaltensweisen ohne die Mitwirkung des Vortäters kaum denkbar sind, wären die Verzögerungen letztlich immer von ihm zu vertreten und daher auch nicht strafmildernd zu berücksichtigen, so daß selbst wenn in solchen Fällen das Sühnebedürfnis nachgelassen hätte, dies nicht mehr bei der Strafzumessung berücksichtigt würde. 511

Vgl. Lesch, JA 1994, 510, 513 m.w.N.

5,2

Jescheck/Weigend,

513

Zur Austauschbarkeit dieser Begriffe vgl. Armin Kaufmann, Strafrechtsdogmatik,

S. 265.

AT, S. 66f.

144

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

Proportionalität zwischen Schuld und Strafe verlangt 514 . Da sich vor allem Kant und Hegel um die wissenschaftliche Fundierung dieser Vergeltungstheorie verdient gemacht haben, soll die Darstellung hier auf ihre Ansätze beschränkt werden. (1) Kants Ansatz Für Kant bestand der Sinn der Strafe allein in einem Ausgleich der Schuld, d.h. in einem von allen Zweckerwägungen freien Gebot der Gerechtigkeit, das er wie folgt begründet hat: Richterliche Strafe ... kann niemals bloß als Mittel, ein anderes Gute zu befördern, für den Verbrecher selbst oder für die bürgerliche Gesellschaft, sondern muß jederzeit nur darum wider ihn verhängt werden, weil er verbrochen hat; denn der Mensch kann nie bloß als Mittel zu den Absichten eines anderen gehandhabt und unter die Gegenstände des Sachenrechts gemengt werden, wowider ihn seine angeborene Persönlichkeit schützt, ob er gleich die bürgerliche einzubüßen gar wohl verurteilt werden kann. Er muß vorher strafbar befunden worden sein, ehe noch daran gedacht wird, aus dieser Strafe einigen Nutzen für ihn selbst oder seine Mitbürger zu ziehen. 515

Ebenso wie die Strafe dem Grunde nach durch die Vortat bedingt war, galt diese strikte Abhängigkeit von der Vortat für Kant auch im Hinblick auf den Umfang der Strafe, die spiegelbildlich als Talion zu erfolgen hatte; denn nur die Strafe, die in ihrer Art und Härte der Schwere der Missetat entsprach, konnte diese Tat ausgleichen und war daher aus seiner Sicht gerecht. 516 (2) Hegels Ansatz Im Gegensatz zu Kant begnügte sich Hegel nicht damit, die Strafe als Gebot der - im Talionsprinzip gipfelnden - Gerechtigkeit zu erklären und zu bestimmen, sondern bezog diese in einen - für ihn allgemeingültigen - dialektischen Prozeß 514

Arthur Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 205.

515

Kant, Metaphysik der Sitten, S. 331.

516

„Welche Art aber und welcher Grad der Bestrafung ist es, welche die öffentliche Gerechtigkeit sich zum Prinzip und Richtmaße macht? Kein anderes als das Prinzip der Gleichheit (im Stande des Züngleins an der Wage der Gerechtigkeit), sich nicht mehr auf die eine als auf die andere Seite hinzuneigen. Also: was für unverschuldetes Übel du einem anderen im Volke zufügst, das tust du dir selbst an. Beschimpfst du ihn, so beschimpfst du dich selbst; bestiehlst du ihn, so bestiehlst du dich selbst; tötest du ihn, so tötest du dich selbst. Nur das Wiedervergeltungsrecht (ius talionis)... kann die Qualität und Quantität der Strafe bestimmt angeben." Kant, Metaphysik der Sitten, S. 332.

IV. Lenckner und Rudolphi

145

ein, der sich jeweils als Satz, Gegensatz und Aufhebung des Gegensatzes (als Position, Negation und Negation der Negation) darstellte. 517 Nach Hegel bestand das strafrechtlich relevante Merkmal eines Verbrechens nicht in der rein äußerlichen Beeinträchtigung geschützter Positionen - in der „Hervorbringung eines Übels" - , sondern in dem „besonderen Willen" des Verbrechers, der im Widerspruch zu dem „allgemeinen Willen" der Rechtsordnung der Gemeinschaft stand (und der als individueller Weltentwurf bewußt dem der Gesellschaft entgegengesetzt wurde). Um diesen Widerspruch, d. h. die Negation des allgemeinen Rechts zurückzuweisen und aufzuheben, mußte der Widerspruch nun seinerseits durch die Bestrafung fur ungültig erklärt, d. h. negiert werden. Strafe war nach Hegel damit Wiederherstellung des Rechts durch „Negation der Negation". Da Hegel in Abweichung von Kant die Strafe nicht mehr als äußerlich-kausale Verbindung zweier Übel verstand, mußte die Strafe auch nicht mehr „artgleich", sondern „wertgleich" sein; dabei sollte der „Wert" der Strafe vom jeweiligen Stand der Gesellschaft abhängig sein 518 mit der Folge, daß die Strafe um so milder ausfallen könne, je gefestigter die Gesellschaft sei 519 . Ebenso wie Kant lehnte auch Hegel die Berücksichtigung präventiver Ziele für die Legitimation staatlichen Strafens ab. 520

517

Im Gegensatz zu Kant verstand Hegel die Strafe nicht in erster Linie als ausgleichendes Übel, sondern sah sie auf der Ebene der Vernunft angesiedelt, da sie das Unvernünftige - das Verbrechen - aufhebt, indem sie die Vernunft wiederherstellt: „Wenn das Verbrechen und dessen Aufhebung, als welche sich weiterhin als Strafe bestimmt, nur als ein Uebel betrachtet wird, so kann man es freilich als unvernünftig ansehen, ein Uebel bloß deswegen zu wollen, weil schon ein anderes Uebel vorhanden ist." Entscheidend sei allein, „daß das Verbrechen und zwar nicht als die Hervorbringung eines Uebels, sondern als Verletzung des Recht als Rechts aufzuheben ist". Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 99 S. 153 f. 518

„Diese Qualität nun oder Größe ist aber nach dem Zustande der bürgerlichen Gesellschaft veränderlich, und in ihm liegt die Berechtigung, sowohl einen Diebstahl von etlichen Sous oder einer Rübe mit dem Tode, als einen Diebstahl der das Hundert- und Mehrfache von dergleichen Werthen beträgt, mit einer gelinden Strafe zu belegen..." Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 218 S. 299 f. 519 „Ist die Gesellschaft noch an sich wankend, dann müssen durch Strafen Exempel statuiert werden..." Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 218 (Zusatz) S. 230. 520 Nach Hegel (Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 100 S. 156) wird dem Verbrecher jegliche Vernunft abgesprochen, „wenn er nur als schädliches Thier betrachtet wird, das unschädlich zu machen sey, oder in den Zwecken der Abschreckung und Sicherung".

10 Wappler

146

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

Wenn auch der Vergeltungsgedanke i. S. Kants und Hegels als alleiniger Zweck staatlichen Strafens heute bis auf wenige Ausnahmen 5 2 1 nicht mehr vertreten wird, so bedeutet dies jedoch nicht, daß die absolute Straftheorie gänzlich v o n den Präventionstheorien verdrängt wurde. Vielmehr w i r d sowohl in der Rechtsprechung 522 als auch in der Literatur 5 2 3 die gerechte Vergeltung nach w i e vor als maßgeblicher Zweck der Strafe genannt. Damit kann die These Lenckners, daß sich Sinn und Zweck staatlichen Strafens auf general- und spezialpräventive Aspekte reduzieren lasse, wenn auch nicht als widerlegt, so doch angesichts des Fehlens jeglicher Begründung als wenig überzeugend bewertet werden. A b e r auch wenn man die Vergeltung als Haupt- oder Nebenzweck der Strafe begreift und damit Strafe als gerechten - dem Verschuldensgrad entsprechenden - Ausgleich der Tat qualifiziert, ist eine Verzögerung der Bestrafung für die Realisierung dieses Zweckes irrelevant, da sich der Umfang bzw. die Schwere der Tatschuld nicht durch bloßen Zeitablauf verringern k a n n . 5 2 4

521 Arthur Kaufmann (Das Schuldprinzip, S. 201 ff.) reduziert den Zweck der Strafe auf Vergeltung und Sühne; Lesch (JA 1994, 590, 598) verzichtet ausdrücklich auf die Verfolgung präventiver Zwecke i. S. einer Verhinderung künftiger Straftaten und bezeichnet die von ihm vertretene Konzeption als „funktionale Vergeltungstheorie". Hiernach dient die Strafe der Stabilisierung von Erwartungen, an denen man trotz des Normverstoßes „kontrafaktisch" festhalten könne. Mit der Bestrafung des Täters werde daher demonstriert, daß es nach wie vor richtig sei, sich auch künftig an der Norm zu orientieren und auf ihre Geltung zu vertrauen. 522

RGSt 58, 109: „... in erster Linie ist der Vergeltungszweck maßgebend, die Präventionen treten demgegenüber in den Hintergrund"; BVerfGE 22, 125, 132: „Jede Kriminalstrafe ist ihrem Wesen nach Vergeltung durch Zufügung des Strafübels"; BVerfGE 22, 219: „Der Staat hat nicht die Aufgabe, seine Bürger zu bessern"; BVerfGE 21, 378, 384: „Die Kriminalstrafe dient neben der Abschreckung und Besserung der Vergeltung..."; BVerfGE 39, 1, 57: „Die Strafe ist Vergeltung für vergangenes Unrecht"; weitere Nachweise aus der Rechtsprechung bei Volk, ZStW 1971 (83), 405 ff. 523

Schmidhäuser ( Sinn der Strafe, S. 19 m. w. N.) bezeichnet die Idee als herrschend, daß Strafe in erster Linie gerechter Ausgleich und damit Vergeltung für die Schuld des Täters sein soll.; Arthur Kaufmann (Das Schuldprinzip, S. 207 m.w.N.) beurteilt die Gültigkeit der absoluten Straftheorie - soweit präventive Strafzwecke damit nicht ausgeschlossen werden - als allgemein anerkannt. 524

Vgl. dazu Frisch, ZStW 1987 (99), 349, 379; Scheffler, Strafverfahren, S. 212 ff.

Die überlange Dauer von

IV. Lenckner und Rudolphi

147

b) Relative Straftheorien Im Unterschied zu den absoluten Straftheorien, die Strafe unabhängig von ihrer Wirkung auf den Delinquenten oder die Gemeinschaft rechtfertigen (poena est absoluta ab effectu), besteht nach den relativen Straftheorien Sinn und Zweck des Strafens in der Verhütung künftiger Straftaten (poena est relativa ad effectum). Die Inhalte der relativen Straftheorien gehen nahezu vollständig auf die von Plato überlieferte Auffassung des Protagoras zurück: „Nemo prudens punit, quia peccatum est, sed ne peccetur. Revocari enim praeterita non possunt, futura prohibentur." 525 Je nachdem, ob die Strafe den Straftäter selbst oder die Allgemeinheit von der Begehung strafbarer Handlungen abhalten soll, unterscheidet man zwischen Spezial- und Generalprävention, wobei sich sich diese Theorien ihrerseits in jeweils eine positive und eine negative aufteilen lassen.

aa) Theorie der negativen Generalprävention Einer der wirkungsmächtigsten Anhänger der negativen Generalprävention war Feuerbach. Die vornehmliche Aufgabe des Staates sah Feuerbach in dem Schutz der Bürger vor einer Beeinträchtigung ihrer Rechtspositionen: „Der Zweck des Staates ist die wechelseitige Freiheit aller Bürger, oder, mit anderen Worten, der Zustand, in welchem jeder seine Rechte völlig ausüben kann, und vor Beleidigungen sicher ist." 5 2 6 Da der Straftäter nach Feuerbach nicht „vernünftig", sondern seinen „Trieben und Begehrlichkeiten" gemäß handele, mußte der Staat „durch die Sinnlichkeit selbst auf die Sinnlichkeit" einwirken, um dadurch die „sinnliche Triebfeder zur That durch eine andere sinnliche Triebfeder" aufzuheben. 527 Ein derartiger „psychologischer Zwang" kann potentielle Delinquenten jedoch nur dann von Straftaten abhalten, wenn das auf die Tat folgende Übel gewichtiger ist als die aus dem nicht befriedigten Antrieb zur Tat entstehende Unlust. 528 Gleichwohl hielt er es in Anlehnung an Kant für verfehlt, die Strafe selbst als eine gegensteuernde, abschreckende „Triebfeder" zu begreifen, da damit der Straftäter nicht mehr als Mensch, sondern als Sache behandelt würde. 529 Aus diesem Grund 525

Zitiert nach Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S. 18 mit Quellenangaben.

526

Beleidigung ist hier i. S. von Rechtsbeeinträchtigung gemeint; Feuerbach, Revisionen I, S. 39. 527

Feuerbach, Revisionen I, S. 40 ff.

528

Feuerbach, Revisionen I, S. 45.

529 „Wie kann es ein Recht geben, einem Menschen blos darum ein Übel zuzufügen, weil dieser ihm zugefügte Schmerz dem Staate nützlich ist? Dies heißt einen Menschen als Sache behandeln und - auch der Verbrecher ist Mensch." Feuerbach, Revisionen I, S. 48.

10*

148

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

verknüpfte er den Zweck der Abschreckung auch nicht mit der Strafe selbst, sondern mit der Strafandrohung 530, während die Vollstreckung der Strafe nur die Ernsthaftigkeit der gesetzlichen Drohung unterstützen sollte. Die Generalprävention i. S. Feuerbachs ist eigentlich keine Straftheorie, sondern eine Theorie der Strafandrohung durch Strafgesetze und damit Strafandrohungsprävention. 531 Diese generalpräventive Wirkung der Strafandrohung sieht auch Lenckner als durch § 258 geschützt an. 532 Gegen eine solche, allein auf Abschreckung basierende Straftheorie läßt sich zunächst einwenden, daß nicht alle potentiellen Delinquenten eine Bilanzierung i. S. Feuerbachs vornehmen, sondern der nüchtern abwägende Täter eher eine Ausnahme sein dürfte. 533 Des weiteren müßten bei einer konsequenten Umsetzung dieser Präventionsidee die Tatbestände bzw. die Rechtsfolgen nicht mehr nach dem Gewicht des geschützten Rechtsgutes, sondern nach dem Gewicht des Anreizes zur Tat formuliert werden, oder anders beschrieben: Die Deliktsgruppen müßten - im Gegensatz zum geltenden Recht - nach dem potentiellen Nutzenquantum gebildet werden, d. h. die am schwersten zu bestrafenden Delikte müßten mit einem hohen Nutzen für den Täter verbunden sein, und zwar unabhängig davon, ob sie durch Tötung eines Menschen, durch Urkundenfälschung oder Hausfriedensbruch begangen werden. 534 Darüber hinaus würde selbst ein nüchtern abwägender Täter weniger auf die abstrakte Strafandrohung als vielmehr auf das Entdeckungs- und das damit verbundene Bestrafungsrisiko abstellen. Soweit Lenckner die Tatbestandsmäßigkeit der „Anstiftung" zur Selbstbegünstigung überprüft, räumt er selbst ein, daß im System des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes, dem letzlich auch der § 258 diene, die Prävention durch Verhängung oder Vollstreckung der Sanktion immer erst an zweiter Stelle stehe, da das Strafrecht seine Schutzaufgabe zunächst durch die generalpräventive Wirkung der Strafandrohung selbst zu erfüllen versuche. 535 Diese Wirkung hänge aber weniger von der Höhe der angedrohten Strafe als davon ab, welche Chancen der Täter sich 530

„Hieraus folgt denn, daß die Verknüpfung des Uebels mit dem Verbrechen durch ein Gesetz angedroht seyn müsse. Das Gesetz ist allgemein und nothwendig: es spricht zu allen Bürgern, droht jedem der sich des Verbrechens schuldig macht, die Strafe, und stellt diese Strafe eben weil es ein Gesetz ist, als eine rechtlich-nothwendige Folge des Verbrechens dar. ... Der Zweck des Gesetzes und der in demselben enthaltenen Drohung, ist daher Abschreckung von der mit dem Uebel bedingten That." Feuerbach, Revisionen I, S. 49. 531

So auch die Bewertung bei Jakobs, AT, S. 20 Rn. 27.

532

Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339, 353 f.

533

Jakobs, AT, S. 21 Rn. 28.

534

Lesch, JA 1994, 510, 517; Jakobs, AT, S. 21 f. Rn. 30.

535

Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339, 353 f.

IV. Lenckner und Rudolphi

149

ausrechne, unentdeckt und unbestraft zu bleiben. Entscheidend sei daher für den Täter die Erwägung, inwieweit er nach Tatbegehung mit der Hilfe Dritter rechnen könne. Im Anschluß an Miehe gelangt Lenckner daher zu dem Ergebnis, daß der Strafvereitelungstatbestand zugleich „eine Intensivierung der generalpräventiven Wirkung der Strafdrohung" bezwecke, indem er darauf abziele, „daß der Täter mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf die häufig nötige Hilfe nach der Tatbeteiligung rechnen kann und daher das Risiko der Straftat erst gar nicht eingeht". 536 Aus diesen Gründen könne der Straftatbestand des § 258 nur dort erfüllt sein, wo das Verhalten des Täters zugleich eine Schmälerung der „Androhungsgeneralprävention" bewirken könne. Inwieweit die von ihm zu Beginn vorgenommene Interpretation des „Vereiteins der Bestrafung" als Verursachung jeglicher Verzögerung mit dieser zusätzlichen Schutzrichtung des § 258 vereinbar ist, überprüft Lenckner jedoch nicht. Für den von ihm selbst zur Überprüfung gestellten Fall der „Anstiftung" zur Selbstbegünstigung gelangt er allerdings zu dem Ergebnis, daß das bloße Hervorufen des Entschlusses zur Selbstbegünstigung nicht als „vereiteln" bewertet und i. E. auch nicht strafbar sein könne, da „vernünftigerweise" für den die Tat noch planende „Vortäter" die Erwägung, ein anderer werde ihn nach Tatbegehung zur Flucht veranlassen, keine Rolle für das „Ob" der Tatausführung spielen werde. 537 Ob der noch nicht zur Tat entschlossene Vortäter demgegenüber durch die Erwägung, ein anderer werde nach Tatbegehung seine Bestrafung lediglich (um einen Tag) verzögern, zur tatsächlichen Ausführung der Tat veranlaßt wird, müßte „vernünftigerweise" wohl ebenfalls verneint werden. Selbst wenn man der Strafe bzw. der Strafandrohung - entgegen den durchaus überzeugenden Einwänden - eine negativ-generalpräventive und damit abschreckende Wirkung beimißt 538 , bleibt es zweifelhaft, ob ein so verstandener Strafzweck durch eine Verzögerung der Verurteilung beeinträchtigt wird. Voraussetzung dafür wäre nicht nur, daß in der Bevölkerung der Eindruck entstünde, eine begangene Straftat bleibe ungesühnt, sondern daß zudem die (Ernsthaftigkeit der) Strafandrohung selbst in Frage gestellt würde und in Folge dessen eine erhöhte Bereitschaft entstünde, Straftaten der Art wie die, deren Bestrafung verzögert wurde, zu begehen. Zunächst ist also zu überprüfen, ob die von Lenckner aufgestellte These zutrifft, jede Verzögerung und auch die verzögerungsunabhängige Einstellung des Verfah536 Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339, 353; vgl. insoweit auch die Kritik an Rudolphi sub D. I. 3. b). 537

Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339, 354.

538

So noch Hoerster, GA 1970, 273 ff.

150

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

rens hinterlasse in der Bevölkerung den Eindruck, eine Straftat bleibe ungesühnt. Dagegen ließe sich bereits einwenden, daß ein solcher Eindruck bei der Bevölkerung nur dann entstehen kann, wenn überhaupt bekannt ist, daß eine zu sühnende Straftat vorliegt. Für den Fall, daß durch das Verhalten des StrafVereitelers die Tat als solche verschleiert wird, sei es durch Vernichten sämtlicher auf eine Straftatbegehung hinweisender Spuren oder durch eine Aussage, die die Tat zu Unrecht als gerechtfertigt darstellt, kann mangels Kenntnis der Allgemeinheit von der Vortat auch nicht der Eindruck entstehen, eine Straftat bleibe ungesühnt. Dieses Beispiel zeigt, daß durchaus Verhaltensweisen denkbar sind, die sogar zu einer Verhinderung der Bestrafung und damit zu einem unumstrittenen Erfolg der Strafvereitelung fuhren können, ohne daß ein entsprechender Eindruck entsteht und ohne daß die Geltung der Strafandrohung in Frage gestellt würde. Der von Lenckner befürchtete Eindruck kann demnach nur entstehen, wenn die Begehung einer strafbaren Vortat, auf deren Verurteilung der verzögernde Beitrag bezogen sein muß, zumindest einem Teil der Bevölkerung bekannt ist oder wird. Für den Fall, daß das verzögernde Verhalten im Vorfeld der Ermittlungen oder zu Beginn des Ermittlungsverfahrens erfolgt, ist es höchst unwahrscheinlich, daß hierdurch die Vorstellung begründet wird, die Tat bleibe ungesühnt und das Vertrauen der Bevölkerung in die Wirksamkeit der Strafandrohung nehme Schaden.539 Denn der Verlauf eines Strafverfahrens ist gerade auch in zeitlicher Hinsicht von so vielen Zufälligkeiten abhängig, daß es keinen festen (und zu Beginn des Verfahrens auch nur prognostizierbaren) Zeitpunkt gibt, zu dem die Verurteilung ohne Störung des Verfahrens erfolgen würde. 540 Selbst für den Fall, daß der verzögernde Eingriff am Ende der Hauptverhandlung liegt, so daß eine relativ genaue Prognose des Verurteilungszeitpunktes möglich wäre, kann bezweifelt werden, ob hiermit eine Beeinträchtigung der Strafandrohungswirkung verbunden ist. Dies dürfte ohne weiteres einleuchten, wenn es sich bei der Verzögerungsspanne nur um einen - von Lenckner für ausreichend befundenen - Zeitraum von wenigen Tagen handelt. Aber auch wenn der Verzögerungszeitraum nahezu die Verjährungsgrenze erreicht (dem Täter wird z. B. die Flucht ins Ausland ermöglicht), ist der Schluß auf eine Schwächung der Strafandrohung nicht zwingend. Für den Fall, daß der Täter

539

Vgl. dazu Pott, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 79, 81, die darauf hinweist, daß die Bevölkerung nur in ganz seltenen Fällen Einblick in das staatsanwaltschaftliche Vorverfahren erhält und auch die Einstellung des Verfahrens nur bei wenigen spektakulären Fällen „aus dem Dunkel des Ermittlungsverfahrens in das Bewußtsein der Öffentlichkeit dringt". 540

So auch Samson, JA 1982, 181, 183, und Vormbaum, S. 410.

IV. Lenckner und Rudolphi

151

gefaßt wird oder freiwillig zurückkehrt und dann doch noch verurteilt wird, mag zwar zunächst der Eindruck entstanden sein, eine Straftat bleibe ungesühnt, dieser Eindruck wird aber durch die Verurteilung des Täters aufgehoben. Sollte also die Ernsthaftigkeit der Strafandrohung je bezweifelt worden sein, was angesichts des Umstandes, daß der Täter in Abwesenheit auch gar nicht verurteilt werden konnte, immerhin fragwürdig ist, so ist sie jedenfalls durch die Verurteilung wiederhergestellt worden. Es bleibt damit als möglicherweise relevante Verzögerung nur der Fall, in dem seit dem prognostizierbaren Verurteilungszeitpunkt ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist, ohne daß eine Verurteilung erfolgt ist, die aber ihrerseits noch nicht durch eine Verjährung der Tat ausgeschlossen ist (der flüchtige Täter befindet sich noch im Ausland). Für diesen Fall mag in der Bevölkerung zwar der Eindruck entstanden sein, eine begangene Tat bleibe ungesühnt, die Ernsthaftigkeit der Strafandrohung könnte hierdurch jedoch nur dann in Frage gestellt sein, wenn die Verzögerung den StrafVerfolgungsorganen selbst zugeschrieben würde. Denn nur wenn der Staat, vertreten durch seine Organe, bewußt auf eine ihm mögliche Bestrafung verzichtet, könnte der Eindruck entstehen, die gesetzliche Strafandrohung sei nicht sonderlich ernst gemeint. Ob jedoch potentielle Delinquenten durch das Wissen um eine solche den Strafverfolgungsorganen zurechenbare Verzögerung nunmehr das mit der Straftatbegehung verbundene Risiko der Bestrafung als verringert ansehen, läßt sich ebenfalls bezweifeln, da die Aussicht auf eine Verzögerung der Bestrafung im Gegensatz zu der Aussicht auf eine Verhinderung der Bestrafung kaum motivierend sein dürfte. Aus den genannten Gründen kann auch die These Lenckners, eine Verzögerung der Bestrafung beeinträchtige regelmäßig die Wirkung der negativen Generalprävention, als unzutreffend angesehen werden. bb) Theorie der positiven Generalprävention Nach der Theorie positiver Generalprävention hat die Strafe im Gegensatz zu einer negativ generalpräventiven Zielsetzung keine abschreckende, sondern eine bewußtseinsbildende Funktion; d. h. die Aufgabe staatlichen Strafens besteht in der „Bestärkung der Aktwerte rechtlicher Gesinnung"541 bzw. in der Stärkung oder Erhaltung der Normanerkennung. 542 Normanerkennung meint, daß das der Norm entsprechende Verhalten als richtiges Verhalten erlebt und bewertet wird, wobei diese Bewertung ihrerseits eine 541 542

Welzel, S. 3.

Frisier, S. 27; Jakobs, AT, S. 13 f. Rn. 15; AK-Hassemer, vor § 1 Rn. 253, 429 ff.; Lackner, § 46 Rn. 28.

152

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

Zustimmung zu dem Inhalt der Norm nicht voraussetzt, sondern auch auf der Überzeugung beruhen kann, daß es richtig ist, sich normgemäß zu verhalten. 543 Durch die Strafe bzw. die Bestrafung soll die von der Straftat ausgehende, sozialpsychologisch vermittelte Beeinträchtigung der Normanerkennung wieder ausgeglichen werden. 544 Welcher weitergehende Zweck jedoch durch die Erhaltung der Normanerkennung erreicht werden soll, wird unterschiedlich beurteilt. Nach der wohl überwiegenden Ansicht wird - entsprechend der herkömmlichen Bedeutung des Begriffs der „Prävention" - durch Normanerkennung die Möglichkeit geschaffen, das Verhalten der Allgemeinheit zu steuern und damit Straftaten zu verhindern, d. h. die Normanerkennung ist erforderlich, damit sich die Normadressaten dem Inhalt der Norm gemäß und damit rechtstreu verhalten. 545 Demgegenüber sieht Jakobs die vornehmlichste Aufgabe der Normanerkennung nicht darin, die Normadressaten zu einem normkonformen Verhalten zu bewegen, sondern sieht sie in dem Schutz sozialer Integration, d.h. in der Ermöglichung und Einübung von Normvertrauen. Denn die Eingehung sozialer Kontakte als unabdingbare Voraussetzung für das Zusammenleben in der Gesellschaft bedürfe eines Orientierungsmusters durch Normen, da ansonsten jederzeit mit jedem beliebigen Verhalten gerechnet werden müsse und in einem solchen Fall soziale Interaktion nicht möglich sei. 546 Durch die Bestrafung werde bewirkt, daß man trotz des Normverstoßes kontrafaktisch an seinen Erwartungen festhalten könne und die durch die Straftat desavouierte Norm nach wie vor ein taugliches Orientierungsmuster bleibe. 547 Gleichwohl räumt auch Jakobs ein, daß durch die, der Erhaltung der Norm als Orientierungsmuster vorgelagerte, Normanerkennung die Chance erhöht werde, daß das normbrechende Verhalten als nicht diskutable Verhaltensalternative gelernt wird; insoweit erfolge Strafe als Einübung in Rechtstreue. 548 Demnach wird durch die mit der Strafe verbundene Erhaltung oder Stärkung der Normanerkennung bewirkt, daß der Mensch entweder von sich selbst (und deshalb auch von den anderen) oder von den anderen (und deshalb auch von sich

543

Frister, S.Iii.

544

Vgl. Frister,

S. 30 f. m.w.N.

545

Roxin, AT, S. 49 Rn. 27; Hqffke, Streng, ZStW 1980 (92), 637, 662 ff. 546

Tiefenpsychologie und Generalprävention, S. 58 ff.;

Jakobs, AT, S. 6 Rn. 4, S. 10 Rn. 11.

547

Jakobs, AT, S. 9 f. Rn. 11.

548

Jakobs, AT, S. 13 f. Rn. 15.

IV. Lenckner und Rudolphi

153

selbst) ein der Norm entsprechendes Verhalten erwartet. 549 Im Hinblick auf die empirischen Grundlagen einer so verstandenen Generalprävention, also die Art und Weise der Wirkungen der Normanerkennung sowie der Sanktionierung von Normverstößen auf menschliches Verhalten, existieren verschiedene Begründungsmodelle, die ihrerseits erklären (sollen), warum der Mensch entweder von sich selbst oder von anderen normgemäßes Verhalten erwartet. Jakobs Konzeption, nach der Strafe in erster Linie das Vertrauen auf normkonformes Verhalten anderer stabilisieren soll, basiert auf einem interaktionistischen Begründungsmodell. 550 Nach diesem Modell wird durch den Normbruch die Erwartungshaltung bezüglich des Verhaltens anderer in Frage gestellt. Diese Beeinträchtigung wird durch die Bestrafung ausgeglichen, da durch den Schuldspruch und die Vollstreckung der Strafe zum einen das normwidrige Verhalten in einer Art und Weise erklärt wird, die die „Richtigkeit" der normgemäßen Verhaltenserwartung bestätigt, indem gezeigt wird, daß über den Inhalt der Norm ein nach wie vor gültiger gesellschaftlicher Konsens besteht; und zum anderen wird symbolisiert, daß es sich bei dem normwidrigen Verhalten um eine Ausnahme handelt und deshalb an der bisherigen Erwartung festgehalten werden kann. Demgegenüber wird anhand eines handlungstheoretischen Begründungsmodells, das seinerseits auf einem tiefenpsychologischen oder lerntheoretischen Konzept basieren kann, erklärt, warum der Mensch in erster Linie von sich selbst und unabhängig von äußeren Hemmnissen normkonformes Verhalten erwartet und zeigt. 551 Unter Zugrundelegung eines tiefenpsychologischen Konzepts hat die Begehung einer Straftat eine unbewußte Vorbildfunktion fur die übrigen Mitglieder der Gesellschaft, durch die die bislang erfolgte Verdrängungsleistung der kriminellen Triebbefriedigung in Frage gestellt wird. Mit der Bestrafung wird verdeutlicht, daß die Triebbefriedigung die Mißbilligung durch eine Autorität, auf deren Wohlwollen der Einzelne angewiesen ist, nach sich ziehen wird, so daß der Verzicht auf Triebbefriedigung durch normwidriges Verhalten (infolge einer Stärkung des für die Triebregulierung zuständigen Über-Ichs) erleichtert wird. Nach einer lerntheoretischen Konzeption wird durch die Straftat das Pflichtbewußtsein, d. h. die auf Grund von Billigung und Mißbilligung erlernte Einschät-

549

Frister,

550

Vgl. dazu Frister,

551

S. 33. S. 39 f f , und Schumann, Positive Generalprävention, S. 8 f.

Vgl. dazu Frister, S. 34 ff.; Haffke, Tiefenpsychologie u. Generalprävention, S. 49ff; Schumann, Positive Generalprävention, S. 8 ff.; Streng, ZStW 1980 (92), 637, 642 ff.

154

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

zung von „richtigen" und „falschen" Verhaltensweisen, in Frage gestellt. Durch die mit der Bestrafung verbundene Mißbilligung des normwidrigen Verhaltens wird die eigene Einschätzung und damit das Pflichtbewußtsein bestätigt mit der Folge, daß eigenes kriminelles Verhalten durch den vom Pflichtbewußtsein in einem solchen Fall ausgehenden Verlust von Selbstachtung erschwert wird. Auch gegen die Theorie der positiven Generalprävention lassen sich verschiedene Einwände erheben. Insbesondere erscheint das tiefenpsychologische Präventionsmodell, wonach die Bestrafung des Einzelnen der Verdrängung und Beruhigung der bei den übrigen Gesellschaftsmitgliedern durch den Normbruch freigesetzten kriminellen Triebe dienen soll, fragwürdig; denn die Gefahr künftiger Straftatbegehung geht damit primär von den latenten Triebbefriedigungsbestrebungen aller Gesellschaftsmitglieder aus, so daß es möglicherweise angemessener wäre, die Gesellschaft selbst zur Verantwortung zu ziehen. 552 Bereits Binding hat in einer heute noch gültigen Weise einen entsprechenden Einwand gegen die relative Straftheorie formuliert, die in der schuldhaften Handlung des Delinquenten zwar eine notwendige Voraussetzung, aber gerade nicht den Grund der Strafe sieht: 553 Der wirkliche Strafgrund bei allen relativen Theorien ist eine durch das Verbrechen offengelegte, aber keineswegs erzeugte drohende Gefahr fur die Gesellschaft....Die sog. Abschreckungstheorie straft den Mörder nicht, weil er gemordet hat, sondern weil ausser ihm noch mordsüchtiges Volk im Lande wohnt, was von späteren Missethaten durch das warnende Beispiel abgeschreckt werden soll. 554

Aber auch bei einem interaktionistischen Präventionsmodell wird der Täter durch die exemplarische Bestrafung, die ihrerseits der Erhaltung der Normanerkennung oder des Normvertrauens anderer Personen dienen soll, nicht als Subjekt, sondern als Objekt oder bloßes „Instrument eines Motivierungsprozesses" behandelt555 bzw. in der Diktion Kants „unter die Gegenstände des Sachenrechts gemengt". Ferner wird den Anhängern einer positiven Generalprävention entgegengehalten, daß bei einer konsequenten Umsetzung ihres relativen Strafkonzepts die Art und der Umfang der Strafe auch danach ausgerichtet sein müsse, in welchen Bereichen die Gefahr für die Beeinträchtigung der Normanerkennung durch 552

Lesch, JA 1994, 510, 518.

553

Binding,, Strafrechtliche Abhandlungen I, S. 68 f.

554

Dieser Einwand läßt sich auch einem positiven Präventionskonzept entgegenhalten, wonach die Bestrafung das mordsüchtige Volk zwar nicht abschrecken, aber seinem Triebbefriedigungsstreben entgegensteuern soll. 555

Lesch, JA 1994, 510, 519; Bock, JuS 1994, 89, 97.

IV. Lenckner und Rudolphi

155

Straftaten besonders groß sei, mit der Folge, daß im Bereich von Massendelikten mit Bagatellcharakter höhere Strafen zu verhängen wären als im Bereich der relativ selten verwirklichten schweren Delikte. 556 Darüber hinaus sind die empirischen Grundlagen der Theorie positiver Generalprävention weitgehend ungeklärt und auch nur in sehr beschränktem Maße durch die kriminologische Forschung aufklärbar. 557 Unbeschadet dieser Einwände soll jedoch überprüft werden, ob mit einer Verzögerung der Verurteilung regelmäßig die Beinträchtigung positiv generalpräventiver Zwecke verbunden ist. Wie bereits zu der auf Abschreckung basierenden Straftheorie ausgeführt wurde, kann auch im Hinblick auf die Verfolgung positiv generalpräventiver Zwecke eine Beeinträchtigung dieser Zwecke nur in Betracht kommen, wenn die Straftat und damit das die Normanerkennung desavouierende Verhalten bekannt ist. Wenn also die „Vereitelungshandlung" dazu führt, daß die Tatbegehung selbst verschleiert wird, wird weder das Vertrauen auf normgemäßes Verhalten anderer noch das Über-Ich oder das Pflichtbewußtsein beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung der positiv präventiven Zwecke kommt also erst dann in Betracht, wenn zumindest die Tatbegehung - nicht notwendigerweise auch der Täter - bekannt ist. Im Gegensatz zu der auf Abschreckung basierenden Straftheorie, nach der die Ernsthaftigkeit der Strafandrohung erst dann in Frage gestellt werden kann, wenn der Eindruck entstanden ist, eine begangene Straftat bleibe ungesühnt, und ein solcher Eindruck auch nur entstehen kann, wenn der frühestmögliche Zeitpunkt einer entsprechenden Sühne verstrichen ist, wird das Vertrauen auf normgemäßes Verhalten Dritter oder das eigene Pflichtbewußtsein bereits mit Begehung der Straftat bzw. deren Bekanntwerden in Frage gestellt. Daraus folgt, daß selbst bei einem - vor allem in zeitlicher Hinsicht - ordnungsgemäß verlaufenden Strafverfahren die Normanerkennung bereits beeinträchtigt worden ist und erst durch die Verurteilung des Täters wieder ausgeglichen wird. Daher kann eine Verzögerung der Verurteilung die bereits eingetretene Beeinträchtigung der Norm allenfalls vertiefen. Eine solche Vertiefung ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn in Folge der Verzögerung der Eindruck entsteht, es bestehe ein gesellschaftlicher Konsens über das der Norm zuwiderlaufende Verhalten, bzw. die Erwartung normgemäßen Verhaltens sei unrichtig oder die Autorität, auf deren Wohlwollen der Einzelne angewiesen ist, billige (oder mißbillige zumindest nicht) das normwidrige Verhalten. Voraussetzung dafür ist wiederum, daß die Verzögerung der Verurteilung überhaupt erkennbar ist, da sich 556

Lesch, JA 1994, 510, 519.

557

Lackner, § 46 Rn. 28; Bock, JuS 1994, 89, 96 f.

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D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

das in zeitlicher Hinsicht beeinträchtigte Verfahren sonst nicht von einem ordnungsgemäß verlaufenden unterscheiden würde. Sollte die Verzögerungshandlung im Vorfeld oder zu Beginn des Ermittlungsverfahrens erfolgen, kann angesichts des kaum vorhersehbaren frühestmöglichen Verurteilungszeitpunktes 558 nicht davon ausgegangen werden, daß die Verzögerung erkennbar war und damit der zuvor beschriebene Eindruck entstanden ist. Auch für den Fall einer erkennbaren, aber nur kurzfristigen Verzögerung mag zwar eine entsprechender Eindruck entstehen können, dieser dürfte jedoch hinsichtlich einer Vertiefung der Normanerkennungsbeeinträchtigung von eher geringem Gewicht sein, zumal dieser Eindruck durch die Verurteilung des Täters wieder revidiert wird. Eine im Hinblick auf die positiven Präventionszwecke relevante Verzögerung kann also nur dann in Betracht kommen, wenn die Verurteilung erkennbar für einen erheblichen Zeitraum verzögert wurde. Allerdings ist auch hier zu berücksichtigen, daß eine Verzögerung, die Privaten zugeschrieben wird, kaum den Eindruck erzeugen wird, es bestehe ein gesellschaftlicher Konsens über die „Richtigkeit" der Erwartung normwidrigen Verhaltens oder eine für den einzelnen bedeutsame Autorität billige das entsprechende Verhalten. Vielmehr kann ein solcher Eindruck erst dann entstehen, wenn den Strafverfolgungsorganen selbst die Verzögerung zugeschrieben wird bzw. diese erkennbar auf eine an sich mögliche Bestrafung verzichten, denn nur die Gesellschaft bzw. der Staat, vertreten durch die zuständigen Organe, ist in der Lage, einen entsprechenden Konsens zu symbolisieren oder eine entsprechende Autorität zu verkörpern. Festzuhalten bleibt, daß eine Verzögerung der Verurteilung nicht regelmäßig, sondern allenfalls aunahmsweise die Verfolgung positiv generalpräventiver Zwecke beeinträchtigt. Wenn man zudem berücksichtigt, daß die empirischen Grundlagen der positiven Generalprävention weitgehend ungeklärt sind 559 , kann die These Lenckners, eine Verzögerung der Verurteilung beeinträchtige regelmäßig die Präventionszwecke, als nicht haltbar bewertet werden. cc) Spezialpräventive Straftheorie v. Liszt, der bedeutsamste Verfechter der spezialpräventiven Straftheorie, sah den Sinn und Zweck staatlichen Strafens allein darin, einer künftigen Delinquenz

558

Vgl. die Ausführungen zur negativen Generalprävention sub IV. 2. b) aa).

559

Vgl. Lackner, § 46 Rn. 28 m. w. N.

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157

des Straftäters vorzubeugen. In seinem Marburger Programm 560 von 1882 hat er der Strafe drei verschiedene Funktionen zugewiesen, die in Abhängigkeit vom jeweiligen Tätertyp den Delinquenten von künftiger Straftatbegehung abhalten sollten: 1) Besserung der besserungsfähigen und besserungsbedürftigen Verbrecher; 2) Abschreckung der nicht besserungsbedürftigen Verbrecher; 3) Unschädlichmachung der nicht besserungsfähigen Verbrecher. 561

Insbesondere der positive Aspekt der Spezialprävention, die Besserung des besserungsfähigen und -bedürftigen Täters, spielte in den 60er und 70er Jahren dieses Jahrhunderts unter der Bezeichnung „Resozialisierung" eine bedeutsame Rolle. 562 Höhepunkt dieser Resozialisierungsbestrebungen war die Aufnahme des Resozialisierungsaspektes in das Strafvollzugsgesetz von 1976.563 Auch gegen eine spezialpräventive Strafkonzeption lassen sich verschiedene Einwände erheben. Es ist bereits fragwürdig, ob sich eine solche Strafkonzeption mit dem immerhin verfassungsrechtlich verankerten Schuldprinzip vereinbaren läßt. Denn im Gegensatz zu einer auf Vergeltung basierenden Straftheorie kann ein spezialpräventives Konzept kein Maßprinzip für Art und Umfang der zu verhängenden Sanktion bieten. 564 Konsequenterweise müßte unter Zugrundelegung eines solchen Strafkonzepts der Täter so lange bestraft werden, bis er resozialisiert ist oder im Hinblick auf weitere Straftatbegehungen ungefährlich erscheint. Dies würde bedeuten, daß u. U. sogar bei Bagatelldelikten eine erhebliche Freiheitsstrafe verhängt oder zumindest die Möglichkeit einer Verurteilung mit unbestimmter Strafdauer 565 geschaffen werden müßte. 566 Andererseits dürfte der Täter, der zwar schwerwiegende Straftaten begangen hat, aber nicht resozialisierungsbedürftig ist, sei es, weil die Tat in einer nicht wiederholbaren Konfliktsituation begangen wurde oder die veränderten Zeitumstände eine erneute

560

Abgedruckt in ZStW 1883 (3), 1 ff.

561

v. Liszt, ZStW 1883 (3), 1, 36.

562

Bock, JuS 1994, 89, 93; Hirsch, in: GS-Kaufmann, S. 699, spricht von einer „Resozial isierungseuphorie" der 60er Jahre. 563

Vgl. § 2 S. 1, während § 2 S. 2 dem Sicherungsaspekt Rechnung trägt.

564

Roxin (AT, S. 45 Rn. 16) bezeichnet dies als den schwersten Mangel der Spezialprävention; kritisch dazu auch Jakobs, AT, S. 25 Rn. 45. 565

§ 19 JGG, der eine solche Möglichkeit vorsah, wurde 1990 aufgrund kriminalpolitischer, erzieherischer und verfassungsrechtlicher Bedenken aufgehoben, vgl. BT-DS 11/5829. 566

Roxin, AT, S. 45 Rn. 16.

158

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

Begehung unmöglich machen, von einem spezialpräventiven Standpunkt aus nicht oder allenfalls äußerst gering bestraft werden. 567 Darüber hinaus vermag ein spezialpräventives Strafkonzept nicht zu erklären, warum die Begehung einer Straftat Voraussetzung für die Bestrafung ist, denn besserungsbedürftig oder gefährlich kann der Delinquent bereits im Vorfeld der Tatbegehung sein; konsequenterweise müßten also Strafen oder Maßregeln auch „praedeliktisch" angewandt werden. 568 Als problematisch wird zudem die ethische569 und verfassungsrechtliche 570 Legitimität einer (therapeutischen) Zwangsbehandlung bzw. Zwangserziehung insbesondere bei erwachsenen Straftätern empfunden. Dies leuchtet ohne weiteres ein, wenn man berücksichtigt, daß allenfalls bei jungen Menschen eine Umerziehung bzw. Resozialisierung erfolgversprechend sein kann. 571 Schließlich spricht gegen die spezialpräventive Straftheorie - und dies dürfte entscheidend sein - , daß sie der empirischen Forschung nicht standgehalten572 und sich gerade auch im Hinblick auf ihre positiven Aspekte als „Utopie" erwiesen hat, sei es, weil die erforderlichen Mittel fehlen, sei es, weil wirksame Konzepte für die Resozialisierung bislang nicht entwickelt wurden, oder sei es, weil die Gesellschaft noch nicht reif genug ist. 573 Zu überprüfen bleibt, ob die - möglicherweise 574 - mit der Sanktionsverhängung verbundenen spezialpräventiven Ziele, wobei zwischen der Besserung oder Sicherung des Täters als Zwischenziel und der Verhinderung weiterer Straftaten als Endziel unterschieden werden soll, beeinträchtigt werden, wenn die Verurteilung des Delinquenten verzögert wird. Für Vortäter, die nicht rückfällig zu werden drohen und daher auch nicht besserungsbedürftig sind, kann die „Denkzettelwirkung" der Bestrafung zwar mög-

567

Vgl .Jescheck/Weigend,

AT, S. 75.

568

Vgl. Jescheck/Weigend,

AT, S. 75.

569

Vgl. Roxin, AT, S. 46 Rn. 17.

570 Das BVerfG (E 22, 219) hat ausdrücklich betont, daß es nicht Aufgabe des Staates sei, seine Bürger zu erziehen, und Art. 1 Abs. 1 GG eine Zwangserziehung verbiete, soweit diese den unantastbaren Persönlichkeitskern eines Erwachsenen betreffe. 571

Selbst v. Liszt (Aufsätze und Vorträge Bd. 2, S. 399 f.) räumte ein, daß eine Besserung des Täters ausgeschlossen sei, wenn dieser das 21. Lebensjahr erreicht habe. 572

Siehe die Nachweise bei Bock, JuS 1994, 89, 93 ff.

573

vgl. Lesch, JA 1994, 590, 593 m.w.N.

574

Angesichts der zuvor dargestellten Kritik auch in höchst fragwürdiger Weise verbundenen Zwecke.

IV. Lenckner und Rudolphi

159

licherweise bei einem erheblichen zeitlichen Abstand von der Tat beeinträchtigt werden. Da sie aber ohnehin als Rückfalltäter ausscheiden, ist ihre Bestrafung und damit auch der Zeitpunkt dieser Bestrafung im Hinblick auf die Verhinderung künftiger Straftaten irrelevant. Entsprechendes gilt auch für erwachsene Straftäter, die zwar besserungsbedürftig sind, aber erwiesenermaßen durch den Strafvollzug nicht gebessert werden können; denn wenn die Bestrafung selbst nicht im Stande ist, den Täter zu resozialisieren, spielt es auch keine Rolle, ob die Verhängung oder der Vollzug der Sanktion verzögert wird. Folglich kommt allenfalls bei jugendlichen Delinquenten, die besserungsbedürftig sind, eine Beeinträchtigung der Resozialisierung durch Verzögerung der Strafverhängung- oder Vollstreckung575 in Betracht. Für den Fall, daß es sich bei der Verzögerung um einen - von Lenckner für ausreichend befundenen Zeitraum von wenigen Tagen handelt, ist es unwahrscheinlich, daß die Resozialisierungsmöglichkeit vermindert wird. Wird demgegenüber die Bestrafung auf einen Zeitpunkt verschoben, in dem der Täter wegen seines inzwischen erreichten Alters nicht mehr durch die Bestrafung gebessert werden kann, ist eine Beeinträchtigung des Zwischenziels „Sozialisierung" gegeben, die ihrererseits auch das Endziel, die Verhinderung künftiger Straftaten, erfaßt. Schließlich bleibt zu überprüfen, ob der spezialpräventive Aspekt der Sicherung tatsächlich in der von Lenckner befürchteten „evidenten" Weise durch eine Verzögerung der Bestrafung in Mitleidenschaft gezogen wird. Für den Fall, daß der Täter durch die Tatbegehung eine zeitige Strafe oder Maßregel verwirkt hat, könnte eine Beeinträchtigung des Sicherungsaspektes infolge der Verzögerung nur dann angenommen werden, wenn der Täter nach Verbüßung der Sanktion gebessert und damit ungefährlich im Hinblick auf künftige Straftatbegehung wäre. Da dies jedoch nicht der Fall ist, wirkt sich eine Verzögerung nicht nachteilig auf die Sicherheit der Gesellschaft aus, da sie auch bei einer verspäteten Verurteilung oder StrafVollziehung immer noch für den durch die Tat verwirkten „Strafzeitraum" vor dem Täter geschützt ist. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die zu verbüßende Strafe oder Maßregel tatsächlich bis zum Lebensende des Delinquenten dauert, da in diesem Fall der Verzögerungszeitraum dem Zeitraum entspricht, in dem der Täter die Gesellschaft „unnötigerweise" gefährdet.

57 5

Scheffler (RdJB 1981, 451, 456 ff.) bezweifelt allerdings, ob die Verhängung von Jugendstrafe unter Erziehungsaspekten überhaupt sinnvoll ist. Ferner weist er daraufhin, daß vor der Zeit des Nationalsozialismus die Verfahrensbeschleunigung im Jugendstrafrecht daher auch nicht bezüglich der Verhängung von Jugendstrafe, sondern nur im Hinblick auf die Verhängung von Erziehungsmaßregeln legitimiert wurde.

160

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

Festzuhalten bleibt daher, daß auch spezialpräventive Zwecke nicht regelmäßig, sondern nur unter den beschriebenen Voraussetzungen durch eine Verzögerung der Bestrafung beeinträchtigt werden. 3. Zwischenergebnis Selbst wenn man mit Lenckner unterstellt, daß § 258 die mit der Strafe verfolgten Zwecke schützt, stellt die Reduzierung dieser Zwecke auf general- und spezialpräventive Aspekte angesichts der zuvor dargestellten Schwächen dieser Theorien eine unzulässige Verkürzung dar. Darüber hinaus kann auch die weitere seine Erfolgsinterpretation stützende Prämisse, die Verzögerung der Verurteilung beeinträchtige regelmäßig die Präventionszwecke, als widerlegt bzw. allenfalls in Ausnahmefallen als zutreffend bewertet werden. 4. Zulässige Auslegung des Merkmals „gesetzmäßige Bestrafung" Schließlich bleibt zu überprüfen, ob die Formulierung „dem Strafgesetz gemäße Bestrafung" Lenckners Auslegung als „den Präventionszwecken entsprechende möglichst schnelle Bestrafung" deckt. Unabhängig davon, daß die Präventionszwecke sowohl im Hinblick auf positive wie auch negative Zielsetzung und empirische Grundlagen eine entsprechende Auslegung nicht nahelegen, wäre dies jedenfalls dann zu bejahen, wenn dem Strafgesetz selbst eine entsprechende Aussage zu entnehmen wäre, wenn es also festlegen würde, daß die Verhängung der Strafe so schnell wie möglich zu erfolgen hätte 576 . Eine solche Aussage läßt sich dem StGB jedoch nicht entnehmen; es stellt lediglich durch die Verjährungsvorschriften klar, bis zu welchem Zeitpunkt eine Bestrafung überhaupt erfolgen darf. Des weiteren müßte die Auslegung der Formulierung „dem Strafgesetz gemäße Bestrafung" konsequenterweise dazu führen, daß die verzögerte und damit verspätete Bestrafung als „strafgesetzwidrige" Bestrafung anzusehen wäre, ein Ergebnis, das wohl ernsthaft nicht vertreten werden kann.

576

Eine entsprechende Aussage läßt sich lediglich für die Strafvollstreckung den §§ 455 ff. StPO entnehmen, aus denen folgt, daß die Vollstreckung der Strafe alsbald nach Rechtskraft zu erfolgen hat.

V. Beulke

161

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß die Wendung „dem Strafgesetz gemäß bestraft wird", die erstmals vom Entwurf 1960 in den Tatbestand aufgenommen wurde, nur sicherstellen sollte, daß eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung nur bei einer wirklich begangenen und einen Strafanspruch begründenden Vortat in Betracht kommen sollte, da der Wortlaut des Tatbestandes ohne diesen Zusatz auch die Vereitelung der Bestrafung eines Unschuldigen erfassen würde. 577 Als Ergebnis bleibt damit festzuhalten, daß, selbst wenn man mit Lenckner unterstellt, § 258 schütze die mit der Sanktionsverhängung und -Vollstreckung verfolgten Zwecke, seine Schlußfolgerungen aus einem so verstandenen Rechtsgut nicht überzeugen können und daher auch seine Erfolgsinterpretation nicht zu stützen vermögen. V . Die Erfolgsinterpretation durch Beulke Die weiteste Erfolgskonzeption in der Literatur wird von Beulke vertreten. Ebenso wie Lenckner und Rudolphi lehnt auch er das von der Rechtsprechung und h. M. gewählte Korrektiv der „geraumen Zeit" wegen seiner Konturlosigkeit ab. 578 Aus ähnlichen Erwägungen heraus kritisiert er aber auch die von diesen beiden Autoren vertretene Erfolgskonzeption, wonach jede nicht bloß unwesentliche Hinauszögerung der Verurteilung als vollendete StrafVereitelung zu werten ist, da die Bedeutung einer Zeitspanne immer von rein subjektiven Faktoren abhänge und es daher nicht möglich sei, eine wesentliche von einer unwesentlichen Zeitverschiebung abzugrenzen. Andererseits hält er den von Samson geforderten gänzlichen Verzicht auf die sog. „Strafvereitelung auf Zeit" für nicht haltbar, da ein solcher zu der kriminalpolitisch bedenklichen Folge führe, daß sich derjenige, der von vornherein nur eine Verzögerung der Verurteilung beabsichtige, nicht einmal wegen versuchter Strafvereitelung strafbar mache. Vielmehr müsse in Anlehnung an Lenckner davon ausgegangen werden, daß eine Verzögerung als Taterfolg durchaus in Betracht komme und daß die Dauer der Verzögerung keine Rolle spielen könne; allerdings dürfe man nicht dem Irrtum unterliegen, daß es die Verurteilung des Vortäters sei, die verhindert oder verzögert werden müsse, da man sonst einen praktisch nicht zu führenden Kausalitätsnachweis (für einen so verstandenen Erfolg) verlange, der de facto regelmäßig auf einen Freispruch hinauslaufe. Aus diesem Grund verzichtet Beulke auf jegliche Beeinflussung des Strafurteils und läßt als tabestandsmäßiges Verhalten bereits das Schaffen von - auch nur 577

Vgl. Begründung zum Ε 1960, S. 587, und BT-DS 7/750, S. 249 f.

57 8

Beulke, Strafbarkeit des Verteidigers, S. 113 ff.

11 Wappler

162

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

vorübergehenden - Vorteilen, die ihrerseits keinen Verzögerungseffekt aufweisen müssen, genügen, sofern die Strafverfolgungsorgane dadurch tatsächlich in ihrer Tätigkeit behindert worden seien. Zur Begründung dieser - im Ergebnis noch weit über die Konzeption Lenckners und Rudolphis hinausgehenden - Interpretation des tatbestandsmäßigen „Erfolges" stützt auch Beulke sich auf den Schutzzweck des § 258. 579 Durch den von § 258 intendierten Schutz der staatlichen Rechtspflege solle gewährleistet werden, daß der staatliche Strafanspruch so bald wie möglich verwirklicht werde. Unabdingbare Voraussetzung einer solchen alsbaldigen Verurteilung sei aber ihrerseits die reibungslose Durchfuhrung der Strafverfolgung. Wenn das Gesetz also von „Vereiteln der Bestrafung" spreche, handelt es sich aus Sicht Beulkes dabei nur um eine „Kurzformel", mit der das Gesetz jede (erfolgreiche) Behinderung der Bestrafung erfassen wolle. 580 Für eine solche Auslegung spreche neben Sinn und Zweck der Norm auch der Wille des Gesetzgebers, der mit der Neufassung des Tatbestandes den Anwendungsbereich des § 258 nicht derartig habe einengen wollen, wie es der „Gegenmeinung" 581 vorschwebe. Darüber hinaus stütze auch der Sprachgebrauch eine derartige Interpretation, denn nach allgemeinem Sprachverständnis bedeute „Strafvereitelung" die Behinderung der Strafverfolgung. 582 Für einen Verzicht auf eine Auswirkung auf das Urteil (i. S. einer Verhinderung oder Verzögerung) sprächen aber in erster Linie die Beweisschwierigkeiten einer solchen „Fernwirkung", da völlig unklar sei, wie man z. B. nach Jahren beweisen wolle, ob die Beförderung des flüchtigen Vortäters mit einem schnelleren, silbernen Audi das Endurteil um Minuten, Stunden, Tage oder Wochen verzögert habe. Die Dauer der Vereitelung müsse daher völlig unbeachtlich bleiben, zumal angesichts der langen Dauer von Strafverfahren der gegenteilige Standpunkt so abwegig erscheine, daß man dem Gesetzgeber solche Ungereimtheiten nicht unterstellen dürfe. 583 Eine dem Tatbestand unterzuordnende Behinderung der Strafverfolgungsorgane bejaht Beulke, wenn deren Tätigkeit entweder unterbunden oder in eine objektiv 57 9

Beulke, Strafbarkeit des Verteidigers, S. 116.

580

Beulke, Strafbarkeit des Verteidigers, S. 116.

581

Da Beulke nicht näher ausführt, welche Gegenmeinung er vor Augen hat, kann davon ausgegangen werden, daß es sich hierbei um das gesamte übrige Schrifttum und die Rechtsprechung handelt. 582

Beulke, Strafbarkeit des Verteidigers, S. 117 f., freilich ohne dieses Sprachverständnis zu belegen; vielmehr zitiert er als abweichende Auffassung lediglich Schroeder, NJW 1976, 980. 583

Beulke, Strafbarkeit des Verteidigers, S. 118 f.

V. Beulke

163

falsche Richtung gelenkt wird. Zur Verdeutlichung der letztgenannten Behinderungsmodalität fuhrt er folgenden Fall an: „Wer auf die Frage des verfolgenden Polizeibeamten, wo der flüchtige Bankräuber langgelaufen sei, absichtlich die falsche Richtung ,rechts4 angibt, begeht auch dann eine vollendete Strafvereitelung, wenn der Polizist nach ,rechts' läuft, dort jedoch zu einem späteren Zeitpunkt auf den Vortäter stößt, weil dieser von ,rechts' nach , links' einen Bogen geschlagen hat." Nicht mehr tatbestandsmäßig sind nach Beulke allein geringfügige und insofern nicht mehr erfaßbare Verzögerungen (einzelner Verfolgungsmaßnahmen) sowie sozialadäquate „Serviceleistungen" wie z. B. das Übernachtenlassen von Bekannten.584 Beulke räumt selbst ein, daß die von ihm befürwortete Interpretation für den „Strafvereiteier" recht ungünstig sei, da sie dessen Rücktrittsmöglichkeiten erheblich einschränke. 585 Diese Einschränkung sei jedoch unumgänglich, weil bereits das Unterbleiben sonst geplanter Strafverfolgungsmaßnahmen eine erhebliche Gefahr für die Durchsetzung des Strafverfolgungsanspruches heraufbeschwöre. Gleichwohl verwehrt er sich ausdrücklich gegen den - bislang noch von keiner Seite erhobenen - Vorwurf, seine Konzeption verkürze den Tatbestand des § 258 zum bloßen Gefährdungsdelikt, da auch nach seiner Interpretation stets eine konkrete Beeinflussung der Strafverfolgungsorgane festgestellt werden müsse.586 Für Beulkes Konzeption spricht, daß sie gegenüber den zuvor dargestellten Erfolgsbestimmungen den Vorzug größerer Praktikabilität genießt, da sie als Bezugspunkt der Vereitelung, die Beulke seinerseits als Beeinträchtigung oder als Verzögerung interpretiert, nicht auf die Verurteilung, sondern auf einzelne Strafverfolgungsakte abstellt. Es ist in der Tat kaum nachzuweisen, ob das Verhalten des Strafvereitelers für eine - wie lang auch immer dauernde - Verzögerung der Verurteilung ursächlich wurde. Zweifelhaft ist jedoch, ob sich Beulkes Interpretation des Strafvereitelungserfolges mit dem Wortlaut des § 258 vereinbaren läßt und ob das „allgemeine Sprachverständnis" eine solche Interpretation tatsächlich nahelegt; denn nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 258 ist es die „Bestrafung" oder die „Maßnahmeunterwerfung", die vereitelt werden muß. Zur Verdeutlichung des 584

Beulke, Strafbarkeit des Verteidigers, S. 120; allerdings bejaht er (a. a. O., S. 119) für den Fall, daß jemand einen flüchtigen Verbrecher für mehrere Monate bei sich untertauchen läßt, ohne daß dieser dort jedoch von der Polizei gesucht wird, eine vollendete Strafvereitelung.

11

585

Beulke, Strafbarkeit des Verteidigers, S. 121.

586

Beulke, Strafbarkeit des Verteidigers, S. 121.

164

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

„allgemeinen Sprachverständnisses" sei an dieser Stelle auf die erste höchstrichterliche - den allgemeinen Sprachgebrauch berücksichtigende - Interpretation des Begriffs „Bestrafung" verwiesen: „Unter „Bestrafung" wird nach dem Sprachgebrauch nicht bloß die Verhängung der Strafe, sondern auch deren Zufiigung verstanden. Ja, es wird im gewöhnlichen Leben diese letztere vorwiegend als „Bestrafung" bezeichnet."587 Demnach kann man unter „Bestrafung" neben der Verhängung der Sanktion zwar auch noch die - im Wege der Vollstreckung - tatsächliche Zufiigung der Strafe verstehen, da jedoch die Vereitelung der Strafvollstreckung in Abs. 2 gesondert unter Strafe gestellt ist, kann unter „bestraft wird" in Abs. 1 nur das die Sanktion aussprechende Urteil verstanden werden 588 . Aus diesem Grund ist die von Beulke vorgenommene Auslegung i. S. jeglicher Beeinträchtigung oder Verzögerung einzelner Strafverfolgungsmaßnahmen mit dem Wortlaut des § 258 unvereinbar und, da sie zudem den Anwendungsbereich des Strafvereitelungstatbestandes zu Ungunsten des Täters erweitert, im Ergebnis abzulehnen. Darüber hinaus wird von Samson gegen eine Interpretation, die bereits prozessuale Einzelmaßnahmen zum Vereitelungsgegenstand mache, zu Recht der Einwand systematischer Verfehlung erhoben. 589 Denn bereits Beling hat überzeugend herausgearbeitet, daß zwischen Strafvereitelung 590 und Strafjustizvereitelung591 eindeutig zu trennen ist. Bei der StrafVereitelung erfolgt der Angriff auf den durch die Norm geschützten staatlichen Strafanspruch, während bei der Strafjustizvereitelung die Straf justiz in ihrem ungestörten Ablauf behindert wird, und zwar unabhängig davon, ob sich die einzelne Verfolgungsmaßnahme gegen einen Schuldigen oder Unschuldigen richtet. Bereits der Vorentwurf von 1909, auf den die Neufassung des Strafvereitelungstatbestandes zurückgeht, hat sich bewußt

587

Entscheidung vom 11.6.1883; RGSt 8, 366, 367.

588

So i.E. auch SK-Samson, § 258 Rn. 27; ders., JA 1982, 181, 182; Schönke/Schröder/ Stree, § 258 Rn. 13; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, S. 398, und OLG Koblenz, NJW 1982, 2785, 2786 („Verhängung der Strafe"). Tröndle, § 258 Rn. 5; LG Hanover, NJW 1976, 979; OLG Bremen, NJW 1981, 2711, und Momberg, ZRP 1982, 70, 71, nennen die „Aburteilung" bzw. die „Verurteilung". BGH, wistra 1995, 143, und KG Berlin, JR 1985, 24, 25 f., betonen ausdrücklich, daß die Verurteilung und nicht bloß die Ermittlungstätigkeit um geraume Zeit verzögert werden muß. 589

Samson, JA 1982, 181, 182.

590

„Wer durch Mißbrauch von Rechtseinrichtungen bewirkt, daß ein anderer, der strafbar ist, kraft Rechtens straflos wird ..."; Beling, V D BT VII, S. 213. 591

„Wer bewirkt, daß die Vornahme eines rechtlich zulässigen staatlichen Strafverfolgungsaktes gegen einen anderen gehemmt oder vereitelt wird ..."; Beling, V D BT VII, S. 213.

V. Beulke

165

dagegen entschieden, die von Beling konzipierte Straijustizvereitelung in den damaligen Entwurf aufzunehmen. Aus Sicht der Kommission bestand Anlaß, die bloße Behinderung der Strafrechtspflege gesondert unter Strafe zu stellen, da der Staat über ausreichende Zwangsmittel verfuge, um solchen Beeinträchtigungen entgegenzutreten. Obgleich § 172 des Vorentwurfs 592 neben der Bestrafung auch die Verfolgung als tauglichen Anknüpfungspunkt der Vereitelung nannte, so daß zumindest der Wortlaut dieser Vorschrift einer Interpretation i. S. Beulkes nicht entgegenstand, sollte die Beeinträchtigung einzelner Strafverfolgungsakte nur dann zur Vollendung des Delikts ausreichen, wenn sie die Verurteilung des Vortäters endgültig verhindern. 593 Daher ist Samson darin zuzustimmen, daß nur derjenige die einzelne Strafverfolgungsmaßnahme als tauglichen Vereitelungsgegenstand begreifen kann, der contra legem die Strafjustizvereitelung in den Tatbestand des § 258 hineininterpretiert. 594 Weiterhin muß bezweifelt werden, ob der Wille des Reformgesetzgebers tatsächlich die von Beulke vorgenommene Erfolgsinterpretation nahelegt, da nach Beulkes Konzeption die Rücktrittsmöglichkeiten ganz erheblich reduziert werden. Gerade das von ihm selbst angeführte Beispiel des in „die objektiv falsche Richtung gelenkten" Polizeibeamten macht deutlich, daß nach seiner Interpretation das Vollendungsstadium so frühzeitig erreicht ist, daß von einem Versuchsstadium und damit von einer Rücktrittsmöglichkeit kaum noch gesprochen werden kann. Erklärtes Ziel der Neukonzipierung des Strafvereitelungstatbestandes und vor allem der Umgestaltung zum Erfolgsdelikt war es aber, den Vollendungszeitpunkt des Deliktes hinauszuschieben und damit Raum für den Versuch zu schaffen, um dadurch dem Täter die Möglichkeit des strafbefreienden Rücktritts zu eröffnen. 595 Selbst wenn man berücksichtigt, daß der Gesetzgeber von 1974 - von dieser maßgeblichen Änderung abgesehen - im Grundsatz das bisherige Recht beibehalten wollte, vermag die Berufung auf den gesetzgeberischen Willen Beulkes Konzeption nicht zu stützen, da auch nach dem bisherigen Recht, also nach § 257 a. F., eine Handlung erforderlich war, die - nach damals h. M. - objektiv geeignet sein (und mit entsprechender subjektiver Zielrichtung vorgenommen werden) mußte, den Täter der „Bestrafung" und nicht etwa der einzelnen StrafVerfolgungsmaßnahme zu entziehen. Darüber hinaus läßt sich der amtlichen Begründung zur Neufassung des § 258 entnehmen, daß der Gesetzgeber mit der

592

Abgedruckt sub B. II. 1.

593

Begründung zum VE 1909, S. 565 f.

594

Samson, JA 1982, 181, 182.

595

BT-DS 7/750, S. 249.

166

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

Formulierung „bestraft wird" in Abs. 1 lediglich die Verhängung der Strafe umfassen wollte. Folglich kann der Wille des Reformgesetzgebers Beulkes Interpretation des Strafvereitelungserfolges nicht stützen, sondern steht ihr vielmehr entgegen. Darüber hinaus ist auch der von Beulke selbst vorweggenommene Einwand, seine Auslegung stufe den Tatbestand des § 258 zum Gefährdungsdelikkt herab, nicht von der Hand zu weisen. Er läßt sich nicht durch das Argument entkräften, es müsse stets eine „konkrete Beeinflussung der Strafverfolgungsorgane festgestellt werden". 596 Es ist eben nicht der ungestörte Ablauf der Ermittlungstätigkeit, der nach dem Willen des Reformgesetzgebers und dem Wortlaut des § 258 durch den Strafvereitelungstatbestand vor Beeinträchtigungen geschützt werden soll, sondern allein das die Sanktion verhängende Urteil. 597 Wenn aber mit Beulke auf eine Auswirkung auf eben diese Entscheidung verzichtet und lediglich eine Beeinflussung der Verfolgungsorgane gefordert wird, weil sich durch eine solche Beeinflussung bereits „eine erhebliche Gefahr fur die Durchsetzung des Strafverfolgungsanspruches" ergebe, dann wird wegen des Verzichts auf eine konkrete Beeinträchtigung bzw. Verletzung des Strafanspruchs, der auch nach Beulke geschütztes Rechtsgut des § 258 ist, der Tatbestand des § 258 in der Tat zum Gefährdungsdelikt verkürzt. Aus den genannten Gründen ist die von Beulke vorgeschlagene Erfolgfsinterpretation abzulehnen. V I . Fazit Die vorstehende Untersuchung hat damit gezeigt, daß die Strafrechtswissenschaft ebenso wie die Rechtsprechung eine überzeugende Begründung für die Tatbestandsmäßigkeit bloßer Verzögerungen schuldig geblieben ist. Dem überwiegenden Teil des Schrifttums, der unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung eine vollendete StrafVereitelung dann annehmen will, wenn infolge des Verhaltens des Begünstigers die Bestrafung des Vortäters um „geraume Zeit" verzögert wurde, ist es weder gelungen, das als Korrektiv gedachte Kriterium der geraumen Zeit in einer den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes genügenden Weise zu präzisieren noch die Erforderlichkeit dieses einschränkenden Merkmals zu plausibilisieren.

596

Beulke, Strafbarkeit des Verteidigers, S. 121.

597

So auch Schönke/Schröder/Stree,

§ 258 Rn. 16 a.

VI. Fazit

167

Soweit versucht wird, die generelle Einbeziehung von Verzögerungen in den Anwendungsbereich des § 258 unter dem kriminalpolitischen Aspekt der Strafbarkeits- bzw. Vollendungslücke zu rechtfertigen, läßt sich auch dieser Versuch als gescheitert bewerten. Angesichts der kaum zu bewältigen Nachweisschwierigkeiten hinsichtlich eines Verzögerungserfolges scheidet selbst bei Zugrundelegung der herrschenden Erfolgskonzeption in aller Regel eine Bestrafung wegen vollendeter Strafvereitelung aus, so daß die ohnehin bestehende „Vollendungslücke" bei einem Verzicht auf die Einbeziehung von Verzögerungen allenfalls geringfügig vertieft würde. Eine solche Lücke ließe sich nur dann vermeiden, wenn man entgegen dem Wortlaut des § 258 Abs. 1 und damit unter Verstoß gegen das Verbot strafbegründender Analogie bereits einzelne Strafverfolgungsmaßnahmen als tauglichen Anknüpfungspunkt der Vereitelung begreift. Des weiteren hat die Auswertung der kriminologischen Forschung ergeben, daß Fälle, die sich mangels ausreichender subjektiver Beziehung zu einem eng interpretierten Erfolg nicht einmal als versuchte StrafVereitelung erfassen lassen, in der Realität eine nur untergeordnete Rolle spielen und folglich auch das befürchtete desaströse Ausmaß der angeblichen Strafbarkeitslücken sachlich nicht stützen können. Auch der - angeblich - durch § 258 intendierte Schutz der Strafrechtspflege vermag unter dem Gesichtspunkt der Qualitätssicherung des Strafverfahrens keine überzeugende Grundlage für die strafrechtliche Erfassung des lediglich verspäteten Verfahrensabschlusses zu liefern. Selbst wenn man davon ausgeht, daß das strafprozessual verankerte Beschleunigungsgebot unter dem Aspekt der Wahrheitssicherung - ebenso wie § 258 - einen dem materiellen Recht entsprechenden Verfahrensabschluß gewährleisten soll, kann damit die generelle Einbeziehung von Verzögerungen nicht legitimiert werden. Für den Fall, daß sich die verzögerungsbedingte Beweismittelverschlechterung zugunsten des Beschuldigten auswirkt, sei es weil dieser zu Unrecht freigesprochen oder zu milde bestraft wird, läge damit eine Verfahrensbeendigung vor, die auch ohne Erfassung von Verzögerungen dem StrafVereitelungstatbestand unterfällt; sollte sich dagegen die verzögerungsbedingte Beweismittelverschlechterung zu Lasten des Beschuldigten auswirken, läge ein Verfahrensabschluß vor, der eindeutig nicht mehr von § 258 erfaßt werden soll. Aber auch für den Fall, daß trotz Verzögerung des Verfahrens eine der materiellen Rechtslage entsprechende aber verspätete Entscheidung getroffen wird, würde die strafrechtliche Ahndung einer solchen - im Hinblick auf das „gerechte" Verfahrensende allenfalls gefährdenden - Verzögerung nur dann gerechtfertigt sein, wenn man den Strafvereitelungstatbestand zum Gefährdungsdelikt verkürzt. Ebensowenig ist es denjenigen Autoren, die den staatlichen Strafanspruch und die damit verbundenen Strafzwecke als geschütztes Rechtsgut des § 258 ansehen,

168

D. Die Erfolgsbestimmung durch das Schrifttum

gelungen, auf dieser Basis ein tragfähiges Konzept für die Tatbestandsmäßigkeit des die Bestrafung lediglich verzögernden Verhaltens zu liefern. Die Analyse ihrer Erfolgskonzeption hat zum einen gezeigt, daß selbst bei einem unterstellten Rechtsgut „Strafzwecke", die Reduzierung dieser Zwecke auf spezial- und generalpräventive Aspekte angesichts der im einzelnen näher dargelegten Schwächen dieser Theorien eine unzulässige Verkürzung darstellt, zum anderen hat sich auch die weitere Prämisse, die Verzögerung der Verurteilung beeinträchtige regelmäßig die Präventionszwecke, sowohl im Hinblick auf positive wie auch negative Zielsetzung und empirische Grundlagen der Spezial- und Generalprävention als unzutreffend herausgestellt. Schließlich überzeugt aber auch die vorgeschlagene Auslegung des Merkmals „dem Strafgesetz gemäße Bestrafung" nicht zuletzt deshalb nicht, weil dann konsequenterweise die verzögerte und damit verspätete Bestrafung als „strafgesetzwidrige" Bestrafung angesehen werden müßte. Aber auch diejenige Erfolgskonzeption, die zur Vollendung der StrafVereitelung nur solche Verhaltensweisen ausreichen lassen will, die die Prognose rechtfertigen, daß der Vortäter nicht mehr vor Ablauf der Verjährungsfrist verurteilt werden wird, verdient im Ergebnis keine Zustimmung, da sie weder die Notwendigkeit dieser Ausdehnung des nach § 258 strafbaren Verhaltens noch die Zulässigkeit einer prognostischen und damit auch immer fehlsamen Entscheidung plausibel erklären kann.

Ε. Notwendigkeit und Konsequenzen einer restriktiven Erfolgsbestimmung I . Das Verhältnis zwischen Gesetzeswortlaut und Willen des Gesetzgebers Nachdem in den vorhergehenden Kapiteln gezeigt wurde, daß weder von der Rechtsprechung noch von der Literatur gute oder gar stichhaltige Gründe für die extensive Auslegung des Strafvereitelungstatbestandes geliefert wurden, bleibt nunmehr zu prüfen, ob zumindest die Berufung 598 auf die amtliche Begründung 599, wonach das Merkmal der Vereitelung nicht erst dann erfüllt ist, wenn der staatliche Strafanspruch, z.B. wegen Verjährung, nicht mehr verwirklicht werden kann, sondern schon dann, wenn er infolge des Verhalten des Täters für geraume Zeit nicht verwirklicht worden ist 600 , die herrschende Auslegung des objektiven Taterfolges i. S. einer Verzögerung der Verurteilung um geraume Zeit rechtfertigen kann. Dies setzt voraus, daß der dort manifestierte gesetzgeberische Wille in einer den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 entsprechenden Weise Eingang in die Tatbestandsfassung gefunden hat, oder anders formuliert, daß der Wortsinn des Begriffs „Vereiteln" eine solche Auslegung deckt und diese Auslegung ihrerseits dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt. Letzteres kann bereits deshalb verneint werden, weil der Terminus der „geraumen Zeit" bislang nicht hinreichend präzisiert worden und nach wie vor unklar geblieben ist, wann eine Verzögerung nicht „geraume Zeit" gedauert hat. 601 Eine dem Bestimmtheitsgebot genügende Auslegung des Taterfolges müßte daher

598

So KG Berlin, JR 1985, 24 ff., sowie Frisch, NJW 1983, 2471, 2473.

599

BT DS 7/550, S. 249.

600

Im ersten Kapitel wurde bereits gezeigt, daß die dort vorgenommene Auslegung des Begriffs „Vereiteln" nicht nur nicht überzeugend, sondern überhaupt nicht begründet wurde und angesichts der gegenteiligen Auslegung desselben Begriffs durch frühere Entwürfe im Ergebnis von zweifelhafter Verbindlichkeit ist. 601

Dazu ausführlich sub D. III. 1. a).

170

Ε. Notwendigkeit und Konsequenzen einer restriktiven Erfolgsbestimmung

unter Verzicht auf das Korrektiv der „geraumen Zeit" jede Verzögerung der Bestrafung ausreichen lassen. Einer solchen Auslegung steht jedoch ihrerseits das nach herrschender Auffassung aus Art. 103 Abs. 2 GG folgende Analogieverbot entgegen. Denn die äußerste Grenze für die noch zulässige Auslegung eines Strafgesetzes bildet der mögliche und damit der lexikalische Wortsinn der einzelnen Gesetzesbegriffe. 602 Die lexikalische Bedeutung des Merkmals „vereiteln" wird angegeben mit „dafür sorgen, daß etwas scheitert oder nicht verwirklicht wird" 6 0 3 , „wirkungslos machen" 604 , „hindern, verhindern" 605 , „zum Scheitern bringen, zunichte machen, verhindern" 606, „zunichte machen, verhindern, unterbinden" 607 . Der Bedeutungsgehalt dieses Begriffs umfaßt also nicht „verzögern". Da der Strafvereitelungstatbestand zudem keine Klarstellung in zeitlicher Hinsicht trifft 6 0 8 , etwa durch die Formulierungen „für geraume Zeit", „auf Dauer" oder „zeitweise", steht der mögliche Wortsinnn des Merkmals „vereiteln" einer Auslegung als Verzögerungsverursachung entgegen.609 Von einem die Verzögerung ausschließenden Bedeutungsgehalt des Merkmals „Vereiteln" gingen nicht nur die Verfasser des Vorentwurfs 1909 aus, die die Einbeziehung von Verzögerungen für verzichtbar erachtet hatten und daher bewußt den Begriff „vereitelt" wählten, sondern auch die Kritiker dieses Entwurfs, die das „Endgültigkeitselement" dieses Merkmals rügten. 610 Auch aus der von Beling für den Tatbestand der Straf justizvereitelung gewählten Formulierung „gehemmt oder vereitelt wird" ergibt sich, daß er die Verzögerung nicht vom Begriff

602 BVerfGE 71,108, 115; 92,1,12; BGHSt 29, 129, 133; Krey, Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 127 ff. ; Wessels, AT, S. 11 Rn. 57; Roxin, AT, S. 102 Rn. 28 ff.; Schönke/ Schröder/Eser, § 1 Rn. 37ff.; jeweils mit zahlreichen Nachweisen. Velten/Mertens (ARSP 1990, 516 ff.) sehen demgegenüber bereits den kontextuellen Wortsinn als äußerste Grenze einer zulässigen Auslegung an. 603

Duden, Bedeutungswörterbuch, seit dem 18. Jahrh. in der Bedeutung „wirkungslos, zunichte machen". 604

Grimm, Deutsches Wörterbuch (Bd. 25), 1984.

605

Duden, Sinn- und sachverwandte Wörter und Wendungen, 1972.

606

Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1979.

607

Thesaurus des Textverarbeitungsprogramms Word for Windows 6.0.

608

Vgl. Vormbaum, S. 403.

609

Vormbaum hält es dagegen nur für zweifelhaft, ob der mögliche Wortsinn der „Vereitelung" noch eine Subsumtion der „Verzögerung" erlaubt, zumindest „widerspräche dieses Verständnis wohl nicht evident dem Grundsatz nullum crimen sine lege." 610

Vgl. dazu sub Β. II. l . , 2 .

I. Verhältnis zwischen Gesetzeswortlaut und Willen des Gesetzgebers

171

„vereitelt" umfaßt sah. 611 Schließlich konzedieren selbst einige Anhänger der Verzögerungserfassung (um „geraume Zeit"), daß die Einbeziehung eines Verzögerungsmoments „nicht ohne weiteres" mit dem Wortlaut des § 258 in Einklang zu bringen sei. 612 Eine Auslegung des Merkmals „vereiteln" als „verzögern" ist demzufolge nur unter Überschreitung der Wortlautgrenze möglich. Aber auch der von Lenckner vorgeschlagene Ausweg, die Einbeziehung von Verzögerungen in den Anwendungsbereich des § 258 nicht über eine die Verzögerung einschließende Interpretation des Begriffs „Vereiteln", sondern über die Auslegung des Merkmals „dem Strafgesetz gemäße Bestrafung" als „den Präventionszwecken entsprechende, möglichst schnelle Bestrafung" zu rechtfertigen, vermag bereits deshalb nicht zu überzeugen, weil dann konsequenterweise die „verspätete" Bestrafung als „gesetzwidrige" Bestrafung angesehen werden müßte. Weiterhin trifft das Strafgesetz(-buch) lediglich eine Aussage darüber, bis zu welchem Zeitpunkt eine Bestrafung überhaupt in Betracht kommt, nicht entnommen werden kann ihm jedoch, daß die Bestrafung möglichst frühzeitig zu erfolgen hat. Darüber hinaus steht eine Verzögerung der Bestrafung der Realisierung der Präventionzwecke nur ausnahmsweise und nicht generell entgegen, so daß auch die verspätete Bestrafung regelmäßig noch den Präventionszwecken entsprechen würde. Schließlich wollte auch der Gesetzgeber von 1974 durch die Formulierung „dem Strafgesetz gemäß ... bestraft wird" nicht eine möglichst schnelle Bestrafung, sondern nur eine dem materiellen Recht entsprechende Bestrafung festschreiben. 613 Eine die Verzögerung der Bestrafung bereits einschließende Erfolgsinterpretation ist folglich weder mit dem Wortlaut des Strafvereitelungstatbestandes vereinbar noch sachlich geboten. Fraglich bleibt, ob die durch das Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG festgeschriebene Wortlautgrenze auch dann ausnahmslos gilt, wenn wie hier ein „gesetzgeberisches Versehen" in dem Sinne vorliegt, daß der Gesetzgeber die Tragweite der gesetzlichen Formulierung in ihrer Auswirkung (auf den bisherigen Rechtzustand) ganz oder teilweise verkannt hat und daher die teleologisch an sich

6,1

Beling, V D B T V I I , S. 213.

612

Vgl. Maiwald, in: Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 100 Rn. 13, der einräumt, daß „vereiteln" sowohl nach dem allgemeinen als auch nach dem bisherigen juristischen Sprachgebrauch das endgültige Verhindern der Bestrafung oder Maßregelverhängung bedeute; oder Arzt, in: Arzt/Weber, L H 4, Rn. 370, der ausdrücklich betont, daß „vereiteln" - entgegen der natürlichen Wortbedeutung - nicht heiße, daß der Vortäter der Bestrafung auf Dauer entzogen werde. 613

Vgl. BT-DS 7/550, S. 249 f.

172

Ε. Notwendigkeit und Konsequenzen einer restriktiven Erfolgsbestimmung

angezeigte Klarstellung unterblieben ist 614 , wenn also der Gesetzgeber seinem erkennbaren Willen einen zu engen Ausdruck gegeben hat 615 . Dem ist bereits grundsätzlich entgegenzutreten. Gerade unter Berücksichtigung der Schutzfunktion des Gesetzlichkeitsprinzips fehlt jeder plausible Grund dafür, sprachliche Mißgriffe des Gesetzgebers durch eine zusätzliche Belastung des Bürgers auszugleichen. Denn was der Gesetzgeber sich bei Schaffung der Norm gedacht, was er erkannt, worüber er geirrt und was er bezweckt hat, muß aus rechtsstaatlichen Gründen jedenfalls dann völlig irrelevant bleiben, wenn es dem Bürger durch den Text der Norm nicht vermittelt wird. 6 1 6 Darüber hinaus würde eine Überschreitung der Wortlautgrenze zumindest eine ausführliche und vor allem auch tragfähige Begründung für die strafrechtliche Ahndung des eben nicht mehr vom Gesetzestext (als Vollendung) erfaßten Verhaltens erfordern. 617 Der Gesetzgeber von 1974 ist eine solche Begründung jedoch ebenso schuldig geblieben wie die Rechtsprechung und das Schrifttum, so daß auch deshalb eine „Berichtigung" des Tatbestandes ausgeschlossen ist. Aus diesen Gründen kann die Berufung auf den Willen des Gesetzgebers die Einbeziehung von Verzögerungen in den Tatbestand der StrafVereitelung nicht rechtfertigen. I I . Eigene Erfolgsbestimmung Eine Auslegung, die das Gesetzlichkeitsprinzip und vor allem das Verbot strafbegründender Analogie ernst nimmt, hat daher dem Endgültigkeitselement des Begriffs „Vereiteln" Rechnung zu tragen. Da die Vereitelung des Straf- oder Maßnahmevollzugs in Abs. 2 gesondert unter Strafe gestellt ist, kann unter „dem Strafgesetz gemäß ... bestraft wird" und damit als Vereitelungsgegenstand in Abs. 1 nur das die Sanktion aussprechende und dem materiellen Recht entsprechende Strafurteil verstanden werden. Damit ist jedoch noch nicht geklärt, ob diese materiell richtige Entscheidung darüber hinaus auch rechtskräftig oder sogar

614

Vgl. dazu Lackner, in: FS-Heidelberg, S. 39, 58 ff., der sich auch bei einem derartigen „Versehen" für eine strenge Einhaltung der Wortlautgrenze einsetzt und einer „Auflockerung" des Gesetzlichkeitsprinzips nachdrücklich widerspricht; so i. E. auch Krey, Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 170 ff. 615

Jescheck (AT, S. 142, 4. Aufl.) spricht insoweit von einem „sekundären Redaktionsfehler", der unter Umständen berichtigt werden dürfe. 616

Lackner, in: FS-Heidelberg, S. 39, 59; BVerfGE 71, 108, 116: „Insoweit muß sich der Gesetzgeber beim Wort nehmen lassen." 617

Jescheck, AT, S. 142.

II. Eigene Erfolgsbestimmung

173

- im Hinblick auf mögliche Wiederaufnahmegründe - unangreifbar sein muß. Denkbar bleiben somit folgende dem Endgültigkeitselement des Merkmals „vereiteln" gerecht werdende Erfolgsbeschreibungen: die Verhinderung der Verurteilung in Gestalt einer richtigen instanzbeendenden oder einer rechtskräftigen Entscheidung oder die endgültige Verhinderung jeglicher Verurteilung unter Einschluß möglicher Wiederaufnahmegründe. 1. Die (im Hinblick auf mögliche Wiederaufnahmegründe) unangreifbare Entscheidung als Bezugspunkt der Vereitelung Gegen die letzgenannte Alternative spricht zunächst, daß mit einer solchen Erfolgsbestimmung der Tatbestand der Strafvereitelung, wenn auch immer noch nicht „bis zur Sinnlosigkeit reduziert" 618 , so doch eines zentralen Anwendungsbereichs beraubt würde. Den kriminologischen Untersuchungen für den Bereich der Strafvereitelung läßt sich entnehmen, daß falsche Angaben im Verlauf des Strafverfahrens die empirisch bedeutsamste Erscheinungsform der Strafvereitelung darstellen. Wenn man ferner berücksichtigt, daß gem § 362 Nr. 2 StPO eine Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens immer auch dann zulässig ist, wenn sich Zeugen oder Sachverständige zugunsten des Angeklagten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Eidesverletzung oder einer vorsätzlichen uneidlichen Falschaussage schuldig gemacht haben, dann könnte bei dieser empirisch gewichtigsten Erscheinungsform nur in eng begrenzten Fällen - z. B. bei Tod des Vortäters - eine vollendete StrafVereitelung angenommen werden. Derjenige, der durch seine vorsätzliche Falschaussage bewirkt, daß der Vortäter zu Unrecht (rechtskräftig) freigesprochen wird, könnte - sofern der Vortäter noch lebt - allenfalls wegen versuchter StrafVereitelung verurteilt werden. Eine Bestrafung wegen vollendeter Strafvereitelung wäre selbst dann ausgeschlossen, wenn das Wiederaufnahmeverfahren zwar durchgeführt, der Vortäter aber gleichwohl nicht verurteilt würde. Denn mit dem gem. § 364 S. 1 StPO zwangsläufig vorgeschalteten - und mit einer Verurteilung rechtskräftig abgeschlossenen - Verfahren wegen des Aussagedeliktes tritt zwangsläufig Strafklageverbrauch hinsichtlich der durch dieselbe Tat verwirklichten (vollendeten) StrafVereitelung ein. Wenn man demgegenüber berücksichtigt, daß derjenige, der durch falsche Angaben vor der Staatsanwaltschaft zu Unrecht eine Einstellung des Verfahrens gegen den schuldigen Vortäter bewirkt, bereits mit Ablauf der Verjährungsfrist 618

So die unberechtigte Befürchtung Maiwalds, in: Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 110 Rn. 13, der damit bereits die Notwendigkeit der Einbeziehung bloßer Verzögerungen rechtfertigen will.

174

Ε. Notwendigkeit und Konsequenzen einer restriktiven Erfolgsbestimmung

wegen vollendeter Strafvereitelung bestraft werden kann, erscheint eine unterschiedliche Behandlung der jeweils zugunsten des Vortäters wirkenden Falschaussagen wenig sachgerecht. Dies gilt um so mehr, wenn man mit der ständigen Rechtsprechung 619 und einem Teil des Schrittums 620 davon ausgeht, daß die Frist der Verjährung (der Vortat) erst mit Rechtskraft des Beschlusses gem. § 370 Abs. 2 StPO beginnt. Daraus folgt, daß dann eine Bestrafung des Vortäters (nach Anordnung der Wiederaufnahme) auch bei Überschreitung der an sich eingetretenen absoluten Verjährungsgrenze möglich bleibt; dagegen ist eine Bestrafung mit Ablauf der Verjährungsfrist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn die Falschaussage lediglich zu einer mit der Wiederaufnahme nicht angreifbaren Einstellung des Verfahrens geführt hat. Des weiteren läßt sich gegen eine derartig enge Erfolgsbestimmung einwenden, daß selbst § 258 Abs. 2 „nur" eine rechtskräftige und damit vollstreckbare Verurteilung des Vortäters voraussetzt. Würde man die Verhinderung einer solchen rechtskräftigen und überdies richtigen Entscheidung für die Verwirklichung des Abs. 1 nicht ausreichen lassen, dann könnte dies zu Wertungswidersprüchen führen. Die Aufteilung in einen Tatbestand der Verfolgungs- bzw. genauer: der Verhängungsvereitelung und einen Tatbestand der Vollstreckungsvereitelung sollte lediglich der Klarstellung und Übersichtlichkeit dienen; insgesamt sollte durch § 258 in Entsprechung zu § 257 a.F. ein möglichst lückenloser Anwendungsbereich geschaffen werden. 621 Dieses Ziel würde aber verfehlt, wenn man zur Vollendung der StrafVerhängungsvereitelung eine dem materiellen Recht widersprechende und zudem auch - unter Berücksichtigung möglicher Wiederaufnahmegründe - unangreifbare Entscheidung (in Form eines Freispruchs oder zu milden Verurteilung) verlangen würde. Aus den genannten Gründen ist eine Erfolgsbestimmung, die die Verhinderung jeglicher Verurteilung unter Einschluß möglicher Wiederaufnahmegründe erfordert, abzulehnen. 2. Die instanzabschließende oder die rechtskräftige Entscheidung als Bezugspunkt der Vereitelung Wenn man dagegen die rechtskräftige oder auch bereits die instanzbeendende Entscheidung als tauglichen Vereitelungsgegenstand begreift, lassen sich die 619

RGSt 76, 46, 48; BGH, GA 1974, 149 f.; OLG Düsseldorf, NJW 1988, 2251 f.

620

Vgl. zum Meinungsstand LK-Jähnke, § 78 Rn. 11, und Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 362 Rn. 1. 621

BT-DS 7/550, S. 249 f.

II. Eigene Erfolgsbestimmung

175

zuvor beschriebenen Ungereimtheiten vermeiden. Insbesondere wäre ein bruchloser Übergang zwischen den Anwendungsbereichen der Strafverhängungsund Strafvollstreckungsvereitelung gewährleistet. Festzustellen bleibt daher, ob schon die Verhinderung einer richtigen instanzabschließenden oder erst die Verhinderung einer dem materiellen Recht entsprechenden rechtskräftigen Entscheidung zur Vollendung der Strafvereitelung ausreichen. Der Sprachgehalt der Norm - insbesondere die Formulierung „bestraft wird" schließt die erstgenannte Auslegung zwar nicht aus, näher liegt es jedoch, das Merkmal „Vereiteln der Bestrafung" als Verhindern der rechtskräftigen und damit vollstreckbaren Verurteilung zu interpretieren. Folgt man dem üblichen Sprachgebrauch, der unter „Bestrafung" in erster Linie die tatsächliche Zufiigung des Strafübels - im Wege der Vollstreckung - versteht 622, dann bietet es sich an, wenn schon nicht den Vollzug der Strafe, so doch zumindest seine notwendigen prozessualen Voraussetzungen und damit - nur - die rechtskräftige Entscheidung als tauglichen Vereitelungsgegenstand zu begreifen. Für eine solche Deutung spricht auch der Wortlaut des § 258 Abs. 2, wonach strafbar ist, „wer ... die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe ... vereitelt". Wenn bereits hier der Zusatz „rechtskräftig" entbehrlich ist, weil zweifellos nur die Vollstreckung einer rechtskräftigen Verurteilung gemeint sein kann, erscheint es naheliegend, auch unter „bestraft wird" in Abs. 1 nur die rechtskräftige Strafverhängung zu verstehen. Schließlich würde man aber auch in dem Fall, in dem der Vortäter zunächst instanzabschließend freigesprochen und erst in einer weiteren Instanz rechtskrätig verurteilt würde, eher von einer Verzögerung als von einer Verhinderung der „Bestrafung" sprechen. Auch die Entwicklungsgeschichte des Strafvereitelungstatbestandes spricht für die engere Erfolgsbestimmung. Zwar wird in den Entwurfsbegründungen pauschal auf die Strafverhängung oder die Verurteilung abgestellt, die ihrererseits verhindert oder verzögert werden muß. 623 Andererseits werden in den Begründungen der früheren Entwürfe als taugliche Vollendungsfälle der Strafvereitelung regelmäßig diejenigen Konstellationen angeführt, in denen eine Realisierung des Strafanspruchs wegen der inzwischen eingetretenen Verjährung oder wegen des Todes des Vortäters tatsächlich unmöglich gemacht wurde, während demgegenüber das Bewirken einer unrichtigen, aber noch nicht rechtskräftigen Entscheidung in keiner Begründung erwähnt wird. Wenn man weiterhin berücksichtigt, daß von 622

SK -Samson, § 258 Rn. 6; RGSt 8, 366, 367: „Unter „Bestrafung" wird nach dem Sprachgebrauch nicht bloß die Verhängung der Strafe, sondern auch deren Zufiigung verstanden. Ja, es wird im gewöhnlichen Leben diese letztere vorwiegend als „Bestrafung" bezeichnet." 623

Vgl. dazu sub Β. II.

176

Ε. Notwendigkeit und Konsequenzen einer restriktiven Erfolgsbestimmung

den Kritikern des VE 1909 und den Mitgliedern späterer Gesetzgebungskommissionen der durch das Endgültigkeitselement des Begriffs „vereiteln" beschränkte Vollendungsbereich als zu eng empfunden wurde, weil eine Vollendung nur in den oben genannten Fällen angenommen werden könne, 624 läßt sich daraus folgern, daß auch die früheren Gesetzgebungskommissionen das Merkmal „Bestrafung" zumindest i. S. einer rechtskräftigen, wenn nicht sogar - im Hinblick auf Wiederaufnahmegründe - unangreifbaren Entscheidung verstanden haben. Für ein solches Verständnis spricht auch die von Beling vorgeschlagene Formulierung für den Tatbestand der Strafvereitelung, wonach strafbar sein sollte, „wer ... bewirkt, daß ein anderer, der strafbar ist, kraft Rechtens straflos wird ..." 625 . Dieser Tatbestandsfassung läßt sich entnehmen, daß die Verursachung einer materiell unrichtigen, aber eben noch nicht rechtskräftigen Entscheidung mangels rechtlichen Verfolgungshindernisses (des Strafklageverbrauchs) zur Vollendung des Tatbestandes nicht ausreichen sollte. Nicht zuletzt indiziert aber auch hier die vom Reformgesetzgeber gewählte Formulierung für die Strafvollstreckungsvereitelung und vor allem der Verzicht auf den Zusatz „rechtskräftig" (vor verhängten Strafe), daß der Gesetzgeber, soweit er auf die nach Abk. zu vereitelnde „Verhängung der Strafe" abstellt, damit nur die rechtskräftig verhängte Strafe gemeint hat. Somit sprechen zumindest Sprachgehalt und historische Entwicklung der Norm dafür, nur die rechtskräftige und überdies richtige Entscheidung als Bezugspunkt der Vereitelung zu qualifizieren. Zu überprüfen bleibt jedoch, ob teleologische Aspekte bereits die Einbeziehung der instanzbeendenden, noch nicht zwangsläufig rechtskräftigen Verurteilung erfordern und damit den Ausschlag für eine extensivere Erfolgsbestimmung geben können. Soweit das Verhalten des Strafvereitelers dazu führt, daß vor Ablauf der Verjährung überhaupt keine - freisprechende oder Strafe verhängende - Entscheidung ergeht, sind sowohl die instanzabschließende als auch die rechtskräftige Entscheidung gleichermaßen unmöglich gemacht worden. Dies kann dadurch geschehen, daß die Tatbegehung als solche verschleiert wird, so daß es gar nicht erst zur Einleitung eines (Ermittlungs-)Verfahrens kommt, ferner dadurch, daß das Verfahren infolge unrichtiger Angaben oder Fälschung von Beweismitteln zu Unrecht eingestellt wird, oder dadurch, daß dem Vortäter die Flucht ermöglicht wird oder er bis zur Verfolgungsverjährung verborgen wird. Folglich können diese

624

Siehe dazu sub Β. II. 2.

625

Beling, V D BT VII, S. 213.

II. Eigene Erfolgsbestimmung

177

Fallkonstellationen bei der weiteren Bestimmung des Vollendungszeitpunktes außer Betracht bleiben. Relevant sind demgegenüber diejenigen Sachverhalte, bei denen das Verhalten des Begünstigers dazu führt, daß das die Instanz beendende Sachurteil über den Vortäter der materiellen Rechtslage nicht entspricht, weil dieser entweder zu Unrecht freigesprochen wird oder die verhängte Strafe hinter der durch die Tat verwirkten zurückbleibt. Läßt man das Bewirken einer solchen instanzabschließenden, aber noch nicht (zwangsläufig) rechtskräftigen Entscheidung zur Vollendung der StrafVereitelung nicht ausreichen, stellt sich die Frage, ob der Tatbestand des § 258 noch die ihm obliegende rechtsgutschützende Funktion erfüllen kann. Dies müßte konsequenterweise verneint werden, wenn die - von den Befürwortern der StrafVereitelung auf Zeit schon für den Fall der lediglich verspäteten Bestrafung (in aller Regel zu Unrecht) beschworene - Schutzgutbeeinträchtigung bereits mit der Vereitelung der die Instanz abschließenden Entscheidung eingetreten wäre. Dies soll im folgenden anhand der im einzelnen umstrittenen Rechtsgutsbestimmungen untersucht werden. Wenn man mit Vormbaum 626 davon ausgeht, daß das strafprozessuale Verfahrensziel, begrenzt auf die ordnungsgemäße und überdies richtige Instanzentscheidung, geschütztes Rechtsgut ist, kann es per definitionem nicht auf die Rechtskraft der Entscheidung ankommen, sondern die Vollendung der StrafVereitelung muß bereits mit Bewirken der dem materiellen Recht widersprechenden, nicht notwendig auch schon rechtskräftigen Entscheidung bejaht werden. 627 Sollte man dagegen den staatlichen Strafanspruch 628 und/oder die mit dessen Realisierung verbundenen Strafzwecke 629 als Schutzgut des § 258 ansehen, läßt sich die Beeinträchtigung eines derartigen Rechtsgutes durch den bloßen Erlaß einer den Vortäter zwar begünstigenden, aber noch nicht rechtskräftigen Entscheidung nicht ohne weiteres annehmen. Soweit es um den staatlichen Strafanspruch bzw. genauer um die staatliche Sanktionsberechtigung geht, wird diese durch den Erlaß eines unrichtigen freisprechenden oder zu milden - Strafurteils nicht tangiert, sondern sie besteht zumindest so lange fort, bis die Entscheidung in Rechtskraft erwächst. Denn erst

626

Vgl. Vormbaum, S. 386-393.

627

So auch Vormbaum, S. 407, 411.

628

So Samson, JA 1982, 181; SK-Samson, § 258 Rn. 2.

629

Lenckner, in: GS-Schröder, S. 339, 344 f.; Rudolphi, JuS 1979, 859, 861.

12 Wappler

178

Ε. Notwendigkeit und Konsequenzen einer restriktiven Erfolgsbestimmung

ab diesem Zeitpunkt steht Art. 103 Abs. 3 GG einer dem materiellen Recht entsprechenden (weiteren) strafrechtlichen Ahndung der Vortat entgegen. Sofern man auf die Zwecke staatlichen Strafens abhebt, muß zumindest unter Vergeltungsaspekten eine Rechtsgutsbeeinträchtigung vor Rechtskraft der Entscheidung verneint werden, da eine (tat-)schuldangemessene Bestrafung - unter Außerachtlassung der Wiederaufnahmemöglichkeit - nur dann nicht mehr in Betracht kommt, wenn durch die Rechtskraft der Entscheidung Strafklageverbrauch bezüglich der Vortat eingetreten ist. Entsprechendes gilt hinsichtlich spezialpräventiver Strafzweckerwägungen; auch hier kann eine Beeinträchtigung des Strafzwecks erst bei Verhinderung einer rechtskräftigen Entscheidung bejaht werden. Unbeschadet der überaus zweifelhaften empirischen Grundlagen einer solchen Strafkonzeption ist insoweit zu beachten, daß die für die Verhinderung künftiger Straftatbegehung notwendige Besserung und Sicherung des Vortäters in erster Linie durch den Vollzug der Strafe realisiert werden soll. 630 Da aber das Bewirken eines unrichtigen instanzbeendenden Urteils der Verhängung einer richtigen rechtskräftigen Entscheidung und damit der Vollstreckung nicht entgegensteht, sondern diese allenfalls verzögert, erfordern auch spezialpräventive Zielsetzungen keine Erfolgsbestimmung, die bereits die Verhinderung der zwar instanzbeendenden, aber noch nicht rechtskräftigen Verurteilung ausreichen läßt. Sollte man dagegen die Realisierung generalpräventiver Strafzwecke als Schutzgut des § 258 ansehen631, ließe sich eine Beeinträchtigung dieses Rechtsguts - anders als bei den zuvor genannten Strafzwecken - in aller Regel bereits mit Erlaß des noch nicht rechtskräftigen, aber dem materiellen Recht widersprechenden Strafurteils ausmachen. Im Unterschied zur bloßen Verzögerung der Bestrafung, die wegen des ungewissen zeitlichen Verlaufs eines Strafverfahrens regelmäßig gar nicht erkennbar ist, wird mit Verkündung des freisprechenden oder zu milden Strafurteils der - möglicherweise auch nur vorläufige - Abschluß des Verfahrens in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gerückt. Bereits das Bekanntwerden einer solchen unrichtigen Entscheidung vermag die generalpräventive Wirkung des Strafverfahrens sowohl im Hinblick auf positive als auch negative Zielsetzung in Mitleidenschaft zu ziehen, sofern zumindest Teile der Bevölkerung über die wahre Lage besser informiert sind als das entscheidende Gericht.

630 631

Vgl. dazu die Ausführungen zur Spezialprävention sub D. IV. b) cc). So insbesondere Lenckner und Rudolphi; vgl. dazu sub D. IV.

II. Eigene Erfolgsbestimmung

179

Zum einen kann nunmehr der - bereits bei Verzögerungen (in aller Regel zu Unrecht) befürchtete - Eindruck entstehen, daß die gesetzliche Strafandrohung (des Vortatdelikts) nicht sonderlich ernst gemeint sei und daß das mit der Straftatbegehung verbundene Risiko der Entdeckung und Bestrafung entsprechend reduziert sei. 632 Zum anderen wird - ebenfalls unabhängig von der Rechtskraft der Entscheidung - die bewußtseinsbildende bzw. die Normanerkennung stabilisierende Funktion der Strafverhängung bereits mit Verkündung eines den Vortäter begünstigenden Urteils beeinträchtigt. Denn durch die unrichtige Entscheidung des Gerichts - als einer für den Einzelnen maßgeblichen Autorität - wird das normwidrige Verhalten nicht in einer Art und Weise erklärt, die die Richtigkeit normgemäßer Verhaltenserwartung bestätigt oder die bislang erlernte Einschätzung von „richtigen" und „falschen" Verhaltensweisen bestärkt. 633 Zwar läßt sich aus dem Vorstehenden folgern, daß sich bereits die Verhängung einer unrichtigen und noch nicht rechtskräftigen Entscheidung nachteilig auf generalpräventive Zielsetzungen - soweit diese nur durch die Strafverhängung und nicht auch durch die Vollstreckung der Strafe oder die gesetzliche Strafandrohung realisiert werden sollen - auswirken kann. Auf der anderen Seite muß aber auch in Rechnung gestellt werden, daß die bewußtseinsbildende Funktion der Bestrafung ebenso wie die Ernsthaftigkeit der Strafandrohung durch die - immer noch mögliche - rechtskräftige und überdies materiell richtige Verurteilung des Vortäters erreicht bzw. manifestiert werden kann. Lediglich für den Fall, daß auch die weitere instanzbeendende Entscheidung der materiellen Rechtslage nicht entsprechen würde, könnte die bereits durch die erste Entscheidung bewirkte Beeinträchtigung generalpräventiver Zwecksetzungen nicht ausgeglichen werden. Dieses verbleibende „Restrisiko" ist jedoch nicht geeignet, die generelle Erfolgstauglichkeit einer zwar unrichtigen, aber noch nicht rechtskräftigen Verurteilung zu rechtfertigen. Denn nicht nur die empirischen Grundlagen einer generalpräventiven Straftheorie sind weitgehend ungeklärt, sondern auch ihre Schutzwürdigkeit ist angesichts der im vorhergehenden Kapitel aufgezeigten Schwächen äußerst zweifelhaft. Im übrigen wäre die Legitimation einer auf die noch nicht rechtskräftigen Entscheidung bezogenen generalpräventiven Zwecksetzung angesichts der in Art. 6 Abs. 2 MRK verankerten Unschuldsvermutung bedenklich. Denn wenn der Vortäter bis zur Rechtskraft der Verurteilung als unschuldig gelten muß, dann erscheint die strafrechtliche Sanktionierung der Beeinträchtigung der staatlichen Strafzwecke vor diesem Zeitpunkt zumindest fragwürdig. Folglich lassen sich

12*

632

Vgl. dazu die Ausführungen zur negativen Generalprävention sub D. IV. 2. b) aa).

633

Vgl. dazu die Ausführungen zur positiven Generalprävention sub D. IV. 2. b) bb).

180

Ε. Notwendigkeit und Konsequenzen einer restriktiven Erfolgsbestimmung

auch aus generalpräventiven Erwägungen keine überzeugenden Grundlagen ableiten, um damit bereits die Verhinderung einer noch nicht rechtskräftigen Entscheidung als vollendete Strafvereitelung zu qualifizieren. Festzustellen bleibt schließlich, ob demgegenüber die ebenfalls als geschütztes Rechtsgut der StrafVereitelung ausgegebene „staatliche (Straf-)Rechtspflege" 634 eine extensive Erfolgsbestimmung nahelegt. Ein Indiz dafür könnten die gesetzliche Ausgestaltung und übliche Interpretation andererer Rechtspflegetabestände bilden, da diese den Schluß zulassen, daß die „Rechtspflege" bereits durch die Verhängung der dem materiellen Recht widersprechenden, nicht notwendig schon rechtskräftigen Sachentscheidung beeinträchtigt wird. Dies gilt in erster Linie für einen Vergleich mit den Aussagedelikten, da diese nach einhelliger Auffassung 635 - jedenfalls auch - die staatliche (Straf-)Rechtspflege schützen sollen. Zwar erfordern die Aussagetatbestände als abstrakte Gefährdungsdelikte 636 - anders als die StrafVereitelung - zur Vollendung nicht den Eintritt eines Erfolges in Form einer Auswirkung auf die gerichtliche Entscheidung; aus der Regelung des § 158 folgt jedoch, daß die §§ 153 ff. die Falschaussagen im Hinblick auf die eine Instanz jeweils abschließende Sachentscheidung und nicht erst im Hinblick auf die rechtskräftige Entscheidung unter Strafe stellen. Denn Sinn und Zweck dieses persönlichen Strafmilderungs- und Strafaufhebungsgrundes (§ 158) wird darin gesehen, dem Täter im Interesse des bedrohten Rechtsgutes eine Umkehr durch Abwendung der Rechtsgutsbeeinträchtigung zu ermöglichen. 637 Wenn man weiterhin berücksichtigt, daß eine Berichtigung der falschen Aussage und damit eine Abwendung der Rechtsgutverletzung nur bis zum Erlaß der den Rechtszug jeweils abschließenden Entscheidung und nicht etwa bis zur Verhängung der letztlich rechtskräftigen Sachentscheidung - mit den Folgen des § 158 - möglich ist 638 , spricht dies ebenfalls dafür, eine Beeinträchtigung der „(Straf-)Rechtspflege" bereits zu diesem Zeitpunkt anzunehmen.

634 Arzt/Weber, L H 4, Rn. 367; Haft, BT, S. 177; Krey, BT 1, S. 245; Preisendanz, § 258 Anm. I; Schönke/Schröder/Stree, § 258 Rn. 1; Wessels, BT 1, S. 142 Rn. 700. 635 Lackner/Kühl, Vor § 153 Rn. 1; Schönke/Schr öder/Lenckner, Rn. 2; SK-Rudolphi, Vor § 153 Rn. 2 ff.; Tröndle, Vor § 153 Rn. 1. 636

Vorbem. §§ 153 ff.

Vgl. zur Rechtsnatur der Aussagedelikte Schönke/Schröder/Lenckner, §§ 153 ff. Rn. 2 a. 637 638

Vorbem.

SK-Rudolphi, § 158 Rn. 1; NK-Vormbaum, § 158 Rn. 6.

So die einhellige Meinung; vgl. nur die Nachweise bei Schönke/Schröder/Lenckner, § 158 Rn. 8; SK-Rudolphi, § 158 Rn. 8; Tröndle, § 158 Rn. 7; N K -Vormbaum, § 158 Rn. 22f.; LK-Willms, § 158 Rn. 14.

II. Eigene Erfolgsbestimmung

181

Diese Schlußfolgerung erhärtet ein Vergleich mit dem Straftatbestand der Rechtsbeugung. Dieser schützt ebenso wie die Aussagetatbestände - zumindest auch - die staatliche „(Straf-)Rechtspflege" 639. Im Falle eines Strafverfahrens ist dieses Delikt jedenfalls dann vollendet, wenn der Richter ein dem Recht objektiv widersprechendes Urteil erläßt. Auf die Rechtskraft der Entscheidung kommt es im Rahmen des § 336 ebenfalls nicht an. 640 Die nunmehr naheliegende Folgerung, daß auch das dem Strafvereitelungstatbestand zugrunde gelegte Rechtsgut „(Straf-)Rechtspflege" bereits tangiert wird, wenn infolge des begünstigenden Verhaltens ein unrichtiges, aber nicht notwendig schon rechtskräftiges Strafurteil verhängt wird, ist jedoch voreilig. Zunächst ist zu berücksichtigen, daß der Strafvereitelungstatbestand den Schutz der Strafrechtspflege - sofern diese als Rechtsgut tatsächlich hinter § 258 steht nicht zwangsläufig unter den gleichen Gesichtspunkten bezwecken muß wie die zuvor genannten Straftatbestände. Daher sollen im folgenden diejenigen Ausschnitte der Rechtspflege markiert und einander gegenübergestellt werden, die sich einerseits dem § 258 Abs. 1 und andererseits den §§ 153 ff. zuordnen lassen. Bereits der Text und auch die Entwicklungsgeschichte der StrafVerhängungsvereitelung zeigen, daß jedenfalls nicht die Institution Rechtspflege geschützt und damit allein der ungestörte (formale) Ablauf der Rechtspflege gewährleistet werden soll; denn diese Aspekte würden auch bei Vereitelung der an sich prozeßordnungsgemäßen Verurteilung eines Unschuldigen beeinträchtigt werden. Vielmehr kann es bei § 258 Abs. 1 allein um den Schutz der sachlichen Aufgaben der Strafrechtspflege gehen und insoweit dann auch nur um die Sicherstellung der materiell richtigen (und überdies auch prozessual zulässigen) Bestrafung des (Vor-)Täters. 641 Zwar schützen die §§153 ff. die Rechtspflege ebenfalls nicht als bloße Institution, sondern auch nur im Hinblick auf die von ihren Organen zu erfüllenden Aufgaben: die für eine gerechte Entscheidung notwendige Ermittlung des relevanten Sachverhalts. Diese für eine gerechte Entscheidung erforderliche 639

Schönke/Schröder/Cramer, § 336 Rn. 1; Lackner/Kühl, § 336 Rn. 1; Tröndle, Rn.l; SK-Rudolphi, § 336 Rn. 2; LK-Spendel, § 336 Rn.7 (10. Aufl.). 640 641

§ 336

Vgl. L K -Spendel, § 336 Rn. 106; Vormbaum, S. 365 f.

Dies räumen auch die Befürworter eines Rechtsgutes Strarechtspflege ein. Vgl. nur Schönke/Schröder/Stree, § 258 Rn. 1: „Geschützt ist die staatliche Rechtspflege. Sie soll ihre Aufgabe, den staatlichen Strafanspruch ... so bald wie möglich zu verwirklichen, ungehindert erfüllen können." Auch Wessels (BT 1, S. 142 Rn. 700) geht davon aus, daß § 258 die Strafrechtspflege nicht um ihrer selbst willen, sondern nur im Hinblick auf die alsbaldige Verwirklichung des „sachlich begründeten Ahndungsrechts" schützen will.

182

Ε. Notwendigkeit und Konsequenzen einer restriktiven Erfolgsbestimmung

ordnungsgemäße Tatsachenfeststellung dient jedoch letztlich den Interessen der von der Rechtspflege Abhängigen und Betroffenen. 642 Auch der Regelung des § 158 läßt sich entnehmen, daß die Findung einer „gerechten" - nicht notwendig schon rechtskräftigen - Entscheidung nicht um ihrer selbst willen, sondern wegen der negativen Auswirkungen einer „ungerechten" Entscheidung durch die Aussagetatbestände geschützt wird. Dies ergibt sich daraus, daß eine Berichtigung auch dann verspätet und damit eine Rechtsgutsbeeinträchtigung anzunehmen ist, wenn sich die Aussage bereits nachteilig für einen anderen ausgewirkt hat. 643 Wenn man zudem berücksichtigt, daß die Schutzfunktion der Aussagetatbestände im Rahmen eines Strafverfahrens nicht nur im Hinblick auf die gerechte bzw. materiell richtige Strafverhängung, sondern - im Unterschied zur Intention des § 258 - auch im Hinblick auf den materiell richtigen Freispruch gewährleistet wird, erklärt sich auch, warum es (für die Bejahung der Rechtsgutsverletzung) auf die Rechtskraft der Entscheidung nicht ankommen soll. Denn derjenige, der zu Unrecht verurteilt und schuldig gesprochen wird, ist unabhängig davon, ob diese Entscheidung später in Rechtskraft erwächst oder durch eine weitere Instanzentscheidung korrigiert wird, bereits mit Verkündung des Urteils allein wegen der Bemakelung derart belastet, daß eine Beeinträchtigung der durch die §§153 ff. letztlich geschützten Individualinteressen angenommen werden kann. Wenn man sich weiterhin vor Augen hält, daß auch im Zivilverfahren wegen der dort gegebenen Möglichkeit vorläufiger Vollstreckbarkeit bereits mit Erlaß der unrichtigen, aber noch nicht rechtskräftigen Entscheidung in aller Regel bereits das Vermögen zumindest einer Partei nachteilig betroffen ist, 644 macht dies ebenfalls die Unbeachtlichkeit der Rechtskraft der Entscheidung für den Ausschnitt der Rechtspflege plausibel, der durch die Aussagetatbestände vor Beeinträchtigungen geschützt wird. 642

Vgl. Hassemer ( in: AK, vor § 1 Rn. 277 ff.), der auf der Grundlage einer monistisch personalen Rechtsgutlehre Universalrechtsgüter wie die Rechtspflege nur dann für anerkennenswert erachtet, wenn damit auch Individualinteressen geschützt werden. Willms (in: LK, vor § 153 Rn.6) bezeichnet den Schutz der Rechtspflege als Hauptzweck und den Schutz der durch die Entscheidung Betroffenen als Nebenzweck der Aussagetatbestände. 643

„Anderer" i. S. des § 158 sind nicht die Strafverfolgungsbehörden, so daß die Beeinträchtigung der Strafverfolgungstätigkeit die Anwendbarkeit des persönlichen Strafmilderungs- und Strafaufhebungsgrundes nicht ausschließt; vgl. Lackner/Kühl, § 158 Rn. 5; Schönke/Schröder/Lenckner, § 158 Rn. 9; SK-Rudolphi, § 158 Rn. 7; LYL-Willms, § 158 Rn. 13. 644 Die Annahme eines vollendeten (Prozeß-) Betruges und damit der Eintritt eines Vermögensschadens wird ebenfalls mit Erlaß der noch nicht rechtskräftigen Entscheidung bejaht. RGSt 75, 399; BGH, NStZ 1992, 233 f.; Schönke/Schröder/Cramer, § 263 Rn. 76; LK-Lackner, § 263 Rn. 316.

II. Eigene Erfolgsbestimmung

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Entsprechendes gilt für den durch § 336 intendierten Schutz der Rechtspflege. Auch der Rechtsbeugungstatbestand schützt neben der Integrität des Ansehens der Rechtsprechung die bereits durch die noch nicht rechtskräftige Entscheidung betroffenen Interessen des unschuldig Verurteilten und die der Parteien im Zivilprozeß. Demgegenüber schützt § 258 Abs. 1 nur den Ausschnitt der Rechtspflege, der in der prozessualen Durchsetzung der mit der Tatbegehung entstandenen staatlichen Sanktionsberechtigung bzw. -Verpflichtung besteht. Dieser Ausschnitt ist zwar durch den noch nicht rechtskräftigen Freispruch oder die zu milde Verurteilung des Vortäters regelmäßig gefährdet, aber eben noch nicht verletzt, da die Realisierung des Ahndungsrechts bis zur Rechtskraft der Entscheidung immer noch möglich ist. Die bei jeder dem materiellen Recht widersprechenden instanzabschließenden Entscheidung bestehende Gefahr, daß die unrichtige Entscheidung (durch Verzicht auf bzw. Verwerfung der Rechtsmittel) rechtskräftig wird, vermag eine Erfolgsbestimmung, die unabhängig von der Rechtskraft nur auf die instanzbeendende Entscheidung abstellt, nicht zu rechtfertigen, da andernfalls der § 258 zum Gefährdungsdelikt verkürzt würde. Daher spricht auch das dem StrafVereitelungstatbestand zugrunde gelegte Rechtsgut „(Straf-)Rechtspflege" nicht dagegen, nur die Verhinderung der materiell richtigen und überdies rechtskräftigen sanktionsverhängenden Entscheidung als vollendete Strafverhängungsvereitelung zu begreifen. Aus den zuvor genannten Gründen ist auch das von Vormbaum vorgeschlagene Schutzgut „ordnungsgemäße Instanzentscheidung" abzulehnen. Daraus folgt letztlich, daß auch der teleologische Aspekt des Rechtsgutschutzes der historisch und sprachlich näher liegenden Erfolgsbestimmung nicht entgegensteht, sondern diese vielmehr zu stützen vermag. Insoweit hat die vorstehende Untersuchung gezeigt, daß die zur Diskussion stehenden Rechtsgüter der Strafvereitelung regelmäßig erst durch die Verhinderung einer materiell richtigen und zudem rechtskräftigen Verurteilung des Vortäters in Mitleidenschaft gezogen werden. Schließlich sind auch die praktischen Auswirkungen einer solchen engeren Erfolgsinterpretation gegenüber einer bereits auf die instanzabschließenden Entscheidung abstellenden Erfolgsbestimmung von geringem Gewicht. Dies gilt zunächst einmal für die Konstellationen, in denen das Verhalten des Strafvereitelers dazu führt, daß vor Ablauf der Verjährung überhaupt keine Entscheidung ergeht. Wenn man weiterhin in Rechnung stellt, daß in über 90% aller Strafvereitelungsfälle ein enges persönliches Verhältnis zwischen Strafvereiteier und Vortäter besteht, läßt sich das Bewirken eines unrichtigen in-

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Ε. Notwendigkeit und Konsequenzen einer restriktiven Erfolgsbestimmung

stanzbeendenden Strafurteils - sofern diese Entscheidung nicht rechtskräftig ist - in aller Regel als Versuch des Delikts erfassen. Denn die noch nicht rechtskräftige Entscheidung, sei es in Form eines Freispruchs oder einer zu milden Verurteilung, wird dem Vortäter - ebenso wie die bloße Verzögerung der Bestrafung - wenig nützen. Folglich wird der Begünstigende immer auch die Zufiigung des Strafübels und damit die für die Vollstreckbarkeit erforderliche Rechtskraft der ordnungsgemäßen Verurteilung verhindern bzw. die Rechtskraft einer begünstigenden Entscheidung wegen des damit verbundenen Strafklageverbrauchs bewirken wollen. Nach alledem kann das Merkmal „Vereiteln" nur auf ein dem materiellen Recht entsprechendes, die Sanktion aussprechendes und überdies auch rechtskräftiges Strafurteil bezogen werden. Der Erfolg des § 258 Abs. 1 ist daher eingetreten und die StrafVereitelung vollendet, wenn eine materiell richtige, den Vortäter belastende und überdies rechtskräftige Verurteilung nicht mehr möglich ist, oder anders formuliert, wenn der rechtskräftigen Verhängung der durch die Vortat verwirkten Strafe der Tod oder die dauerhafte (unverschuldete) Verhandlungsunfähigkeit des Vortäters, die Verjährung der Vortat oder aber eine rechtskräftige Entscheidung und damit ein Prozeßhindernis entgegensteht.645

III. Konsequenzen dieser Erfolgsbestimmung Im folgenden sollen der eigene Interpretationsansatz der gescheiterten extensiven Auslegung gegenübergestellt und seine praktischen Auswirkungen anhand einiger neuralgischer Fallgruppen aufgezeigt werden. 1. Fluchthilfe und Obdachgewährung Bei Zugrundelegung der hier vertretenen Position scheiden die Fälle der Fluchthilfe und Obdachgewährung in aller Regel als vollendete StrafVereitelung aus. Zwar handelt es sich dabei um nachgerade klassische Verhaltensweisen bzw. sogar um das „Urgestein" der StrafVereitelung 646, andererseits aber lassen sich diese - empirisch ohnehin wenig bedeutsamen - Fallkonstellationen fast immer als versuchte StrafVereitelung erfassen 647, soweit man sie nicht partiell als sozial-

645 Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß der Tod des (Vor-)Täters in der üblichen Terminologie nicht als Prozeßhindernis bezeichnet wird. 646 Man denke nur an das über Jahrhunderte im Vordergrund stehende „Hausen und Hofen" der Verbrecher; vgl. dazu sub Β. I. 647

Ausführlich dazu sub D I I I 2. b).

III. Konsequenzen dieser Erfolgsbestimmung

185

adäquate Verhaltensweisen ohnehin aus dem Anwendungsbereich herausnehmen will oder aber Fluchthilfe und Obdachgewährung als (straflose) Beihilfe zur tatbestandslosen Selbstbegünstigung wertet. Auch verfängt der mögliche Einwand nicht, daß bei einem Verzicht auf die Einbeziehung von Verzögerungen gerade im Bereich der klassischen Strafvereitelungsfälle häufiger wegen Versuchs als wegen Vollendung zu strafen ist. 648 Denn dies resultiert in erster Linie aus der „Grundkalamität" 649 des § 258: dem kaum jemals zu fuhrenden Kausalitätsnachweis. Dabei handelt es sich aber weniger um eine spezifisch mit der jeweiligen Erfolgsbestimmung verbundene Schwierigkeit, sondern vielmehr um ein generelles Problem der Ausgestaltung als Erfolgsdelikt, das jedoch seinerseits vom historischen Gesetzgeber bei der Neukonzipierung der StrafVereitelung bewußt in Kauf genommen wurde 650 . Soweit man zusätzlich in Rechnung stellt, daß in sämtlichen die Konstellationen der Fluchthilfe und Obdachgewährung betreffenden Entscheidungen die Annahme einer vollendeten StrafVereitelung wegen des nicht erbrachten Kausalitätsnachweises abgelehnt wurde oder hätte abgelehnt werden müssen, folgt daraus, daß die praktischen Auswirkungen einer mit den Grenzen des Art. 103 Abs. 2 GG zu vereinbarenden Erfolgsbestimmung im Hinblick auf die klassischen StrafVereitelungsfälle von geringem Gewicht sind. Schließlich überzeugt auch das von Rudolphi gegen eine enge Erfolgsinterpretation angeführten Bedenken nicht, daß danach straflos bleiben müsse, wer einen Mörder über Jahre hinweg vor dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden schützt. 651 Einerseits lebt ein solcher Einwand allein von seiner suggestiven Wirkung; um ein in der Sache stichhaltiges Argument handelt es sich dabei nicht, da vorausgesetzt wird, was es zu begründen gilt: nämlich die Strafwürdigkeit und vor allem die Tatbestandsmäßigkeit der sog. „StrafVereitelung auf Zeit". Andererseits ist die Möglichkeit einer rechtskräftigen Verurteilung des Vortäters nicht nur bei Eintritt der Verjährung, sondern auch dann ausgeschlossen - und der Erfolg der Strafvereitelung demnach eingetreten - , wenn der Vortäter stirbt oder endgültig (unverschuldet) verhandlungsunfähig wird. Daraus folgt, daß auch im 648

Vgl. Ghan (S. 84), der die Ausgestaltung der Strafvereitelung als Erfolgsdelikt (durch den VE 1909) u.a. deshalb rügte, weil es wenig Sinn mache, eine Vorschrift aufzustellen, die regelmäßig nur Fälle von nicht vollendeter Verwirklichung erfaßt. 649

Schroeder, NJW 1976, 980.

650

Der Begründung zum VE 1909 (S. 586 f.) läßt sich entnehmen, daß den Verfassern des VE bei Umgestaltung der Strafvereitelung zum Erfolgsdelikt die Einführung der Versuchsstrafbarkeit deshalb notwendig erschien, weil „sonst die Strafbestimmung in den allermeisten Fällen versagen würde". 651

Rudolphi, JuS 1979, 859, 861.

186

Ε. Notwendigkeit und Konsequenzen einer restriktiven Erfolgsbestimmung

Bereich der unverjährbaren Vortaten weder die Annahme einer Versuchsstrafbarkeit noch die einer Vollendungsstrafbarkeit von vornherein ausscheiden muß. Im übrigen ist daraufhinzuweisen, daß gerade auch nach der von Rudolphi - zur Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme im Rahmen der Strafvereitelung - vertretenen Auffassung die klassischen Vereitelungshandlungen ohnehin nicht mehr dem § 258 subordiniert werden können. Denn aus seiner Sicht handelt es sich dabei nur um „tatherrschaftslose Mitwirkung" an der nicht tatbestandsmäßigen Selbstbegünstigung des Vortäters und damit um „straflose Teilnahme an tatbestandsloser Tat". 652 2. Verzögerung der Hauptverhandlung durch Verteidiger Im Unterschied zu den Fallgruppen der Fluchthilfe und Obdachgewährung läßt sich nach der hier entwickelten Erfolgskonzeption das die Hauptverhandlung unterbrechende und damit die Bestrafung des Vortäters lediglich verzögernde Verhalten eines Verteidigers - mangels ausreichenden dolus - nicht einmal mehr als versuchte StrafVereitelung qualifizieren. Dem mag zwar das offenbar gegebene Bedürfnis einiger Instanzgerichte nach Sanktionierung der für die „geplatzten" Termine verantwortlichen Verteidiger entgegenstehen; ein solches Bedürfnis ist freilich fragwürdig 653 und läßt sich nur schwerlich mit der Entscheidung des historischen Gesetzgebers vereinbaren, der bewußt auf die Möglichkeit der Verhängung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft gegen Verteidiger verzichtet hat, um ihnen einerseits einen größeren Spielraum zu erhalten und um sie andererseits - ebenso wie die Staatsanwaltschaften - von der „entwürdigenden Ordnungsgewalt des Gerichts" zu befreien. 654 Eine strafrechtliche Erfassung dieses Verhaltens wird im übrigen auch von den mit der Sache letztlich befaßten Oberlandesgerichten als unbillig empfunden; dies zeigen nicht zuletzt die dogmatisch angreifbaren Konstruktionen, zu denen sich die Obergerichte genötigt gesehen haben, um die aus ihrer Sicht offensichtlich wenig sachgerechten - aber bei konsequenter Anwendung der herkömmlichen Erfolgsinterpretation zwangs-

652

Rudolphi, in: FS-Kleinknecht, S. 379, 394; ders., JR 1981, 160 ff.

653

Vgl. Mehle, in: FG-Koch, S. 179 f., sowie Seibert, JR 1951, 678, 679, der - wohl voreilig - darauf vertraute, daß es mit dem als Damoklesschwert über den Köpfen der Verteidiger schwebenden § 257 a. F. „in Wirklichkeit aber nicht so schlimm sei", da Staatsanwaltschaft und Gericht nur „in sehr krassen Fällen (Bestechung von Zeugen u. dgl.) bei einem Anwalt strafbare Begünstigung annehmen" werden. 654

Vgl. dazu Müller, StV 1981, 90, 92.

III. Konsequenzen dieser Erfolgsbestimmung

187

läufigen - Ergebnisse zu vermeiden. 655 Wenn man darüber hinaus berücksichtigt, daß eine Verurteilung von Verteidigern, die die Hauptverhandlung unterbrochen und damit die Bestrafung ihrer Mandanten lediglich verzögert haben, soweit ersichtlich bislang nicht erfolgt ist, sind die praktischen Konsequenzen auch im Hinblick auf diese Verhaltensweisen letztlich unerheblich. 3. Säumige Amtsträger Entsprechendes gilt für die Fälle der pflichtvergessenen StrafVerfolgungsorgane. Zwar bieten sich gerade in diesem Bereich bei konsequenter Anwendung einer die Verzögerungen einschließenden Erfolgsbestimmung zahlreiche - bislang weitgehend ungenutzte - Möglichkeiten, den Strafvereitelungstatbestand anzuwenden, so daß bei einem Verzicht auf die herkömmliche Erfolgsinterpretation der Anwendungsbereich des § 258 a erheblich reduziert wird. Denn jedesmal wenn die bei den Gerichten, den Staatsanwaltschaften und im Polizeidienst tätigen Amtsträger gebotene Strafverfolgungsmaßnahmen nicht sofort, sondern mit Verspätung vornehmen, verzögern sie - zumeist auch in sicherer Voraussicht das Verfahren und damit letztlich auch die Aburteilung des Vortäters, sei es, weil Tatortberichte oder Anklageschriften später als nötig abgefaßt werden, sei es, weil sog. „Schiebeverfügungen" getroffen werden, sei es, weil an sich mögliche Terminierungen nicht sogleich stattfinden oder Wiedervorlagefristen zu lang angesetzt werden, oder sei es, weil der Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren trotz Vorliegens der Voraussetzungen nicht gestellt wird. Allein diese Beispiele - die in der Praxis nicht eine derart untergeordnete Rolle spielen dürften, wie man dies angesichts der äußerst spärlichen Rechtsprechung für diesen Bereich vermuten könnte - zeigen, daß bei konseqenter Anwendung der herkömmlichen Erfolgsinterpretation das (allerdings in diesem Bereich ausnahmsweise stumpfe 656) Damoklesschwert der Strafvereitelung (im Amt) auch über den Häuptern der

655

Vgl. OLG Koblenz, NStZ 1992,147; OLG Düsseldorf, NStZ 1991, 299; KG Berlin, StV 1988, 142; sowie die Darstellung sub Β. I. 656

Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, daß Gerichte und Staatsanwaltschaften bei Entscheidungen über Rechtspflegedelikte bereits „institutionell befangen" sind, da sie einerseits über die Strafbarkeit eines Kollegen zu befinden haben und andererseits in ihrer Eigenschaft als Verwalter des Rechtsgutes und damit zumindest als potentiell Betroffene bzw. „in eigener Sache" entscheiden müssen; vgl. insoweit Müller (StV 1981, 90 ff.), der mit Recht kritisiert, daß die Strafschwelle für Verfolgung Unschuldiger und Rechtsbeugung immer weiter angehoben wird, während demgegenüber die Strafschwelle der Strafvereitelung - soweit Verteidiger betroffen sind - einer ständigen Herabsenkung unterworfen ist.

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Ε. Notwendigkeit und Konsequenzen einer restriktiven Erfolgsbestimmung

Amtsträger schwebt, und zwar hängt es dabei an einem wohl noch dünneren Haar als bei den Strafverteidigern. 657 Demnach führt eine die Verzögerung ausschließende Interpretation des Strafvereitelungstatbestandes gerade - und auch nur - im Anwendungsbereich des § 258 a zu nicht unbeträchtlichen Strafbarkeitslücken. Ob diese jedoch ihrererseits als „kriminalpolitisch bedenklich bzw. verfehlt" empfunden werden, muß angesichts des allgemein bestehenden Unbehagens658 hinsichtlich der strafrechtlichen Erfassung dieser Verzögerungskonstellationen wohl verneint werden. Nun kann man zwar im Hinblick auf die überlange Dauer mancher Strafverfahren fragen, ob die konsequente Umsetzung der herkömmlichen Erfolgsbestimmung gerade im Rahmen des § 258 a tatsächlich zu „offensichtlich unsinnigen Ergebnissen" 659 bzw. zu „eklatanten Unzuträglichkeiten führt" 660 ; es könnte vielmehr eine an sich verlockende Möglichkeit sein, das vornehmlich prozessual verankerte Beschleunigungsgebot durch eine entsprechende Auslegung des § 258 a nunmehr auch strafgesetzlich zu flankieren. Einer solchen Auslegung stehen jedoch nicht nur die Grenzen des Art. 103 Abs. 2 GG entgegen, sondern sie läßt sich auch durch - den im einzelnen umstrittenen - Sinn und Zweck des Strafvereitelungstatbestandes nicht rechtfertigen. Im übrigen liefe eine derartige Strafbewehrung des sonst prozessual diskutierten Beschleunigungsgebotes in der Praxis weitgehend leer, da eine strafrechtliche Erfassung des hier in Rede stehenden Verhaltens seitens der Strafverfolgungsorgane - aus welchen Gründen auch immer - nicht gewollt ist. Dies zeigen einerseits die Schwierigkeiten der Rechtsprechung, die sich bei der Beurteilung des die Bestrafung (zum Teil ganz erheblich) verzögernden Verhaltens offenbart haben, und andererseits die äußerst geringe Anzahl der für diesen Bereich existierenden Judikate. Damit sind die Auswirkungen der hier vertretenen Position für die herrschende Praxis auch im Bereich der pflichtvergessenen Amtsträger nicht einschneidend, weil sie ohnehin nicht die von der bisherigen Auslegung gebotenen Konsequenzen zieht. Fazit ist demnach, daß eine das Verbot strafbegründender Analogie ernst nehmende Auslegung der Strafvereitelungstatbestandes in der Praxis allenfalls geringfügige und vor allem keine unerwünschten Auswirkungen zeigen wird. 657

Das über den Verteidigern schwebende Damoklesschwert des § 257 a. F. wurde bereits 1932 von Scanzoni (NW 1932, 3583, 3587) erwähnt und findet sich seitdem regelmäßig in den Veröffentlichungen zu den Grenzen zulässigen bzw. straflosen Verteidigerhandelns. 658

Vgl. dazu sub D. I. 3.

659

Vgl. Samson, JA 1982, 181, 182.

660

So die Bewertung Vormbaums, S. 435.

F. Zusammenfassung Die Arbeit hat gezeigt, daß mit der Umgestaltung der persönlichen Begünstigung zum Erfolgsdelikt und der damit einhergehenden Neuformulierung des gesetzlichen Tatbestandes der sog. „Strafvereitelung auf Zeit" endgültig der Boden entzogen wurde. Alle Bemühungen in Rechtsprechung und Literatur, den StrafVereitelungserfolg ausdehnend i. S. (auch) einer bloßen Verzögerung der Bestrafung zu interpretieren, scheitern schon daran, daß sie nicht mehr mit dem Wortlaut der Norm vereinbar sind. Maßgebend für die Bestimmung des StrafVereitelungserfolges ist der mögliche (lexikalische) Wortsinn der einzelnen Gesetzesbegriffe des § 258. Dieser bildet die äußerste Grenze für eine extensive Auslegung des Straftatbestandes. Da der mögliche Bedeutungsgehalt des Merkmals „vereiteln", der mit „scheitern", „zunichte machen" und „verhindern" angegeben wird, die Verursachung bloßer Verzögerungen nicht umfaßt und weil der Strafvereitelungstatbestand zudem keine Klarstellung in zeitlicher Hinsicht trifft, etwa durch Formulierungen wie „auf Dauer" oder „zeitweise", verstößt jede Auslegung des Tatbestandes, die zur Vollendung der Strafvereitelung bereits die Verzögerung der Sanktionsverhängung ausreichen läßt, gegen den Wortlaut der Norm und damit gegen das Verbot strafbegründender Analogie. Vielmehr kann der Erfolg des § 258 Abs. 1 schon nach dem Sprachgehalt der Vorschrift nur in der Verhinderung einer die Sanktion verhängenden Entscheidung gesehen werden. Mit dieser Entscheidung kann ihrererseits nur die materiell richtige und überdies rechtskräftige Verurteilung des Vortäters gemeint sein. Denn einerseits ergibt sich aus der Außerordentlichkeit der Wiederaufnahme, daß die zu vereitelnde Entscheidung nicht unangreifbar im Hinblick auf mögliche Wiederaufnahmegründe sein muß. Andererseits reicht die Verhinderung einer nur instanzabschließenden Entscheidung vor allem deshalb nicht aus, weil § 258 zwischen Verhängungs- und Vollstreckungsvereitelung unterscheidet und die lediglich instanzbeendende Entscheidung jedenfalls als solche noch nicht vollstreckbar ist. Darüber hinaus ist gezeigt worden, daß weder historische noch teleologische Gesichtspunkte die durch Art. 103 Abs. 2 GG vorgegebene Auslegungsschranke zu überwinden vermögen. Insbesondere läßt sich die herkömmlichen Erfolgsbestimmung auch nicht mit dem Willen des Reformgesetzgebers begründen, der

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F. Zusammenfassung

das Merkmal „vereiteln" dann als verwirklicht ansehen wollte, wenn der staatliche Strafanspruch infolge des Täterverhaltens für geraume Zeit nicht realisiert worden ist. Diese (in keiner Form begründete) Interpretation durch den Gesetzgeber trägt - abgesehen davon, daß sie keinen Niederschlag in der geltenden Tatbestandsfassung gefunden hat - schon vor dem Hintergrund der Gesetzgebungsgeschichte der StrafVereitelung nicht. Denn die Verfasser des Vorentwurfs von 1909, auf den die heutige Fassung des § 258 zurückzuführen ist und der erstmals die persönliche Begünstigung unter der Bezeichnung „Strafvereitelung" als Erfolgsdelikt ausgestaltete, wollten demgegenüber die Verursachung bloßer Verzögerungen gerade nicht als vollendete StrafVereitelung erfassen, weil sie für die strafrechtliche Sanktionierung der bloßen Hemmung der Strafverfolgung kein Bedürfnis gesehen haben. Wenn man zudem berücksichtigt, daß die Verfasser des Vorentwurfs nach überzeugender und ausführlicher Begründung bewußt den Begriff „vereiteln" wählten, um die Tatbestandsmäßigkeit der lediglich verzögerten Bestrafung auszuschließen, wäre die gegenteilige Auslegung dieses Begriffs durch den Reformgesetzgeber zumindest begründungsbedürftig gewesen. Ohne jegliche Begründung ist der gesetzgeberische Wille bereits vor dem historischen Hintergrund nicht überzeugend; eine Überschreitung der Wortlautgrenzen durch eine „berichtigende Auslegung" des Tatbestandes vermag er - selbst bei Annahme eines sog. „Redaktionsversehens" - erst recht nicht zu legitimieren. Die Furcht, § 258 StGB könnte bei einer Auslegung, die sich an die Schranken des Wortlauts hält, seine rechtsgutschützende Funktion nicht mehr erfüllen, ist weitgehend gegenstandslos. Zudem ist die Einbeziehung von Verzögerungen in den tatbestandlichen Anwendungsbereich des § 258 StGB durch keine der vorgeschlagenen Bestimmungen des geschützten Rechtsguts geboten. Soweit der staatliche Strafanspruch bzw. die staatliche Rechtspflege im Hinblick auf die Verwirklichung des sachlich begründeten Ahndungsrechtes als Schutzgut des § 258 ausgegeben werden, läßt sich eine Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch eine bloße Verzögerung der Strafverhängung nicht ausmachen. Die Durchsetzung der staatlichen Sanktionsberechtigung bleibt vielmehr solange möglich, bis entweder die Vortat verjährt, der Vortäter verstorben oder aber eine rechtskräftige den Vortäter begünstigende Entscheidung einer weiteren Ahndung der Vortat entgegensteht. Sofern man dagegen die mit der Verwirklichung des Strafanspruchs verbundenen präventiven Zwecke als geschütztes Rechtsgut der StrafVereitelung ansieht, läßt sich auch auf dieser Basis die strafrechtliche Erfassung des die Bestrafung lediglich verzögernden Verhaltens nicht rechtfertigen. Zum einen sind bereits die empirischen Grundlagen einer präventiven Strafkonzeption zweifelhaft und weitgehend ungeklärt, zum anderen hat sich herausgestellt, daß die Realisierung

F. Zusammenfassung

der Präventionszwecke sowohl im Hinblick auf positive wie auch negative Zielsetzung durch eine lediglich verspätete Verurteilung nicht regelmäßig, sondern nur in Ausnahmefällen erschwert wird. Soweit versucht wird, die Notwendigkeit der Einbeziehung von Verzögerungen in den Anwendungsbereich des § 258 unter dem kriminalpolitischen Aspekt der Strafbarkeits- bzw. „Vollendungslücke" zu rechtfertigen, läßt sich auch dieser Versuch als gescheitert bewerten. Angesichts der kaum zu bewältigenden Nachweisschwierigkeiten hinsichtlich eines Verzögerungserfolges scheidet selbst bei Zugrundelegung der herrschenden Erfolgskonzeption in aller Regel eine Bestrafung wegen vollendeter Strafvereitelung aus, so daß die ohnehin bestehende „Vollendungslücke" bei einem Verzicht auf die Einbeziehung von Verzögerungen allenfalls geringfügig vertieft würde. Des weiteren hat die Auswertung der kriminologischen Forschung ergeben, daß Fälle, die sich mangels ausreichender subjektiver Beziehung zu einem eng interpretierten Erfolg nicht einmal als versuchte StrafVereitelung erfassen lassen, in der Realität eine nur untergeordnete Rolle spielen und folglich auch das befürchtete desaströse Ausmaß der angeblichen Strafbarkeitslücken sachlich nicht stützen können. Im übrigen sind die empirisch häufigsten und gewichtigsten Fallkonstellationen - falsche Angaben im Verlauf eines Strafverfahrens - auch bei einer engen Erfolgsbestimmung abgedeckt, wenn man die Tatsache ernst nimmt, daß der Gesetzgeber den Versuch der StrafVereitelung unter Strafe gestellt hat. Selbst die in der Praxis relativ seltenen, aber nachgerade klassischen Fälle der Obdachgewährung und Fluchthilfe lassen sich regelmäßig als versuchte Strafvereitelung werten; sie sind freilich ohnehin von zweifelhafter Strafbedürftigkeit, wenn man sozialadäquates Verhalten grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich heraushalten will oder aber diese als bloße Beihilfe zur tatbestandslosen Selbstbegünstigung wertet. Nicht mehr erfaßbar sind nach der hier vertretenen Position allerdings die das Verfahren verzögernde Verhaltensweisen säumiger Amtsträger. Da jedoch in der bisherigen Rechtspraxis die von der herkömmlichen Auslegung gebotenen Konsequenzen ohnehin kaum je gezogen wurden, dürften auch in diesem Bereich die Auswirkungen einer mit den verfassungsrechtlichen Auslegungsschranken zu vereinbarenden Erfolgsinterpretation letztlich nicht einschneidend sein.

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Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch: Band I. Allgemeiner Teil (§§ 1-79 b). Von Hans-Joachim Rudolphi, Eckhard Horn, Erich Samson, Hans-Ludwig Günther. 6. neubearbeitete Auflage. Stand: 25. Lieferung (August 1995) (zit.: SK-Bearbeiter). — Band II. Besonderer Teil (§§ 80-358). Von Hans-Joachim Rudolphi, Eckhard Horn, Erich Samson, Hans-Ludwig Günther. 5. bzw. 6. neubearbeitete Auflage. Stand: 39. Lieferung (Dezember 1996) (zit.: SK-Bearbeiter). Systematischer Kommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz: Von Hans-Joachim Rudolphi, Wolfgang Frisch, Hans-Ullrich Paeffgen, Klaus Rogall, Ellen Schlüchter, Jürgen Wolter. 15. Aufbau-Lieferung. März 1996 (zit.: SK-StPOBearbeiter). Tröndle, Herbert: Strafgesetzbuch und Nebengesetze. Erläutert von von Herbert Tröndle. 48., neubearbeitete Auflage des von Otto Schwarz begründeten und in der 23. bis 37. Auflage des von Eduard Dreher bearbeiteten Werkes. München 1997. Velten, Petra/Mertens, Oliver: Zur Kritik des grenzenlosen Gesetzesverstehens. Grund und Umfang der Wortsinnbindung im Strafrecht; in: ARSP 1990, 516-543. Villnow, Carl: Raub und Erpressung, Begünstigung und Hehlerei nach dem heutigen gemeinen Recht. Breslau 1875. Volk, Klaus: Der Begriff der Strafe in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; in: ZStW 1971 (83), 404-^34. Vormbaum, Thomas: Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils. Untersuchungen zum Strafrechtsschutz des strafprozessualen Verfahrenszieles. Berlin 1987. Waldthausen: Welzel,

Ueber Begünstigung; in: GA 1881 (29), 375-411.

Hans: Das Deutsche Strafrecht. Eine systematische Darstellung. Elfte, neu-

bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin 1969. Wessels,

Johannes: Strafrecht Allgemeiner Teil. Die Straftat und ihr Aufbau. 26.,

überarbeitete Auflage. Heidelberg 1996 (zit.: Wessels, AT). — Strafrecht Besonderer Teil/1. Straftaten gegen Persönlichkeits- und Gemeinschaftswerte. 20., neubearbeitete Auflage. Heidelberg 1996 (zit.: Wessels, BT 1). Wilda, Wilhelm Eduard: Das Strafrecht der Germanen. Neudruck der Ausgabe 1842, Aalen 1960.

Quellenverzeichnis - Gesetze und Reformmaterialien in chronologischer Reihenfolge, soweit sie nicht in den Fußnoten bzw. im Literaturverzeichnis nachgewiesen sind Kaiser Karls des Fünften Peinliche Gerichtsordnung nebst der bamberger Halsgerichtsordnung nach den Ausgaben von 1533 und 1507 mit Angaben der Abweichungen der beiden Projekte der peinlichen Gerichtsordnungen 1521 und 1529 und der brandenburger Halsgerichtsordnung von 1516. Zweite Ausgabe. Jena 1835. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794. Textausgabe. M i t einer Einführung von Hans Hattenhauer und einer Bibliographie von Günther Bernert. Frankfurt am Main/Berlin 1970. Anmerkungen zum Strafgesetzbuch für das Königreich Baiern. Nach den Protokollen des königlichen geheimen Raths. Erster Band. München 1813. Das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten (1851). Nebst dem Gesetze und den Verordnungen über die Einführung desselben, erläutert durch F. C. Oppenhoff. Fünfte gänzlich umgearbeitete Ausgabe. Berlin 1867. Die Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, aus den amtlichen Quellen nach den Paragraphen des Gesetzbuches zusammengestellt und in einem Kommentar erläutert durch Theodor Goltdammer. Theil I. das Einführungsgesetz und den allgemeinen Theil enthaltend. Berlin 1851. Entwurf eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund. Berlin 1869 Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Vom 15. Mai 1871: in: RGBl. 1871, 127 ff. Schweizerisches Strafrecht. Verhandlungen der vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement einberufenen Expertenkommission über der Vorentwurf zu einem Schweizerischen Strafgesetzbuch (VE 1895). II. Band. Besonderer Teil, mit Ausschluß der Verbrechen gegen Leib und Leben und gegen das Vermögen (1. Lesung) Allgemeiner und Besonderer Teil ( 2. Lesung). Bern 1896. Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Bearbeitet von der hierzu bestellten Sachverständigen-Kommission. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichs-Justizamtes. Berlin 1909. Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Bearbeitet von der hierzu bestellten Sachverständigen-Kommission. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichs-Justizamtes. Berlin 1909. Begründung. Besonderer Teil. Berlin 1909.

206

uerzeichnis

Gegenentwurf zum Vorentwurf eines deutschen Strafgesetzbuches. Aufgestellt von W. Kahl, Κ . v. Lilienthal, F. v. Liszt, J. Goldschmidt. Berlin 1911. Gegenentwurf zum Vorentwurf eines deutschen Strafgesetzbuches. Aufgestellt von W. Kahl, Κ . v. Lilienthal, F. v. Liszt, J. Goldschmidt. Begründung (mit einer Denkschrift, betr. die Einarbeitung der Nebengesetze, von N. H. Kriegsmann). Berlin 1911. Protokolle der Kommission für die Reform des Strafgesetzbuches (1911-1913). Band 2. Schlußberatungen des Allgemeinen Teils. 1. Lesung des Besonderen Teils, §§ 100-211 des Vorentwurfs. Protokolle 71-140. Herausgegeben und eingeleitet von Werner Schubert. Frankfurt am Main 1990. Entwürfe zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichsjustizministeriums. Berlin 1920. Darin enthalten: Erster Teil: Entwurf der Strafrechtskommission (1913). Zweiter Teil: Entwurf von 1919. Dritter Teil: Denkschrift zum Entwurf von 1919. Gustav Radbruchs Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches (1922). Mit einem Geleitwort von Thomas Dehler und einer Einleitung von Eberhard Schmidt. Tübingen 1952. Amtlicher Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches nebst Begründung. Veröffentlicht auf Anordnung der Reichsjustizministeriums. Erster Teil: Entwurf. Zweiter Teil: Begründung. Berlin 1925. Entwurf, Begründung und 2 Anlagen zu einem Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches 1927 (Reichstagsvorlage). Berlin 1927. Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches. Nach den Beschlüssen des Deutschen Reichstagsausschusses und der Deutschen und Österreichischen Strafrechtskonferrenzen. Von Eduard Kohlrausch. Zweite Ausgabe. Berlin und Leipzig 1930. Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung. Vom 24. November 1933, in: RGBl I 1933, 995 ff. Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuches 1938. Text und Begründung. Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission 5. Band. Allgemeine Fragen zum Besonderen Teil 53. bis 58. Sitzung. Bonn 1958. Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission 6. Band. Besonderer Teil 59. bis 66. Sitzung. Bonn 1958. Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission Besonderer Teil 104. bis 114. Sitzung. Bonn 1959.

10. Band.

Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission Besonderer Teil - 2. Lesung - . Bonn 1960.

13. Band.

Quellenverzeichnis

207

Entwurf eines Strafgesetzbuches. Nach den Beschlüssen der Großen Strafrechtskommission in erster Lesung zusammengestellt und überarbeitet vom Bundesministerium der Justiz. (E 1959); in: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission 12. Band. Anhang B. Bonn 1959. Entwurf eines Strafgesetzbuches. Ε 1960. Mit Begründung; in: Bundesratsdrucksache 270/60. Entwurf eines Strafgesetzbuches. Ε 1962. Mit Begründung; in: Bundestagsdrucksache IV/650 Bonn 1962 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch. Vom 2. März 1974, in: Bundesgesetzblatt I 1974, 469 ff.

Sachverzeichnis Abartigkeit, schwere seelische 69

Entmannung 53, 142

Abschreckung 147 ff.

Entscheidung, instanzabschließende

Allgemeine Landrecht fur die Preußischen Staaten (1794) 31 f. Altersabbau, überdurchschnittlicher 100 Amtsträger, säumige 68 f., 71, 80, 87 f., 90 ff., 99 f., 187 f. Ansetzen, unmittelbares 70

174 ff. Entscheidung, unangreifbare 173 f. Entscheidung, rechtskräftige 175 ff. Entwurf 1962 63 Entwurf 1913 47 f. Entwurf 1919 49 f.

Aussagen, falsche 70, 133

Entwurf 1922 50

Aussagetatbestände 180 ff.

Entwurf 1925 51

auxilium post delictum 26 f.

Entwurf 1927 51 f.

Begründungsmodell, präventives

Entwurf 1930 52

-handlungstheoretisches 153 f. - interaktionistisches 153 f.

Entwurf 1960 61 f. Entwurf 1938 55 f.

Beherbergen 71 f., 133

Entwurf 1959 60 f.

Beschleunigungsgebot 128 ff., 188

Ermittlungsverzögerung 75 f., 84, 104, 121, 161 ff.

Besserstellung 77 f., 162 Bestrafung „dem Strafgesetz gemäß" 62, 137 f., 160 f., 171 Beweismittelmanipulation 96, 134

Feuerbach 33, 147 f. Fluchthilfe 66, 133, 184 f. Freiburger Reichsabschied (1498) 23

Beweismittelverschlechterung 128 f. Codex 18 f. .Constitutio criminalis Theresiana (1768) 30 f. Constitutio criminalis Carolina (1532) 27 ff. Criminalgesetzbuch für das Königreich Sachsen (1838) 34 Depression, schwere seelische 99 f. Digesten 18 f. dolus eventualis 42, 68, 73, 75 f. EGStGB 63

Garantenstellung - von Verteidigern 79 f. - von Zeugen 111 f. Gegenentwurf 1911 46 f. Generalprävention -negative 147 ff., 178 f. - positive 151 ff., 178 f. Gesinnung 112 ff. Gewohnheitsverbrecher, Gesetz gegen gefährliche

53 ff.

Glaube, guter 81 f. Große Strafrechtskommission 57 ff.

Sachverzeichnis Hamburgische Strafgesetzbuch (1869) 34

209

Sachverständige, säumige 105, 108, 113 ff.

Hausen und Hofen 21 f f , 38

Schwabenspiegel 24 f.

Hegel 144 f.

Schweizerischer Vorentwurf (1895) 40

Kant 144 Kinderraub 91 f. Konzept, tiefenpsychologisches 153 f. Konzept, lerntheoretisches 153 f. Kriminalstatistik 132 v. Liszt 156 ff.

Scum de Bacchanalibus 17 short sharp shock 89 Spezialprävention 156 f f , 178 Störungen, psychische 69 Strafandrohungsprävention 148 Strafanspruch, staatlicher 41, 70, 140, 177 f.

Lübecker Stadtrecht 32 f.

Strafaufschub 85 ff.

Maßregelvollstreckungsvereitelung 53

Strafbarkeitslücken 130 ff.

Motive - misanthropische 135

Strafgesetzbuch für den Norddeutschen

- philanthropische 135 Normanerkennung 151 ff. Obdachgewährung 72 ff., 95, 133, 184 f. Partikulargesetze 29 f. Plausibilität 108 ff. Praktikabilität 107 f., 163 Prognoseentscheidung 116 ff. Prozeßhandeln, ordnungsgemäßes 78, 110

Bund 36 - 1. Entwurf 35 - 2. Entwurf 35 f. Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern (1813) 33 Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten (1851) 34f. Strafjustizvereitelung 42, 106, 164 Strafmilderung (bei Verzögerung) 129 f. Straftheorien, absolute 142 ff. Straftheorien, relative 147 ff. Strafverfahrensqualität 127 ff.

Receptatores 18 ff.

Strafzwecke 139 ff., 178 f.

Recht, mittelalterliches 23 ff.

Sühnetheorie 142 f.

Recht, römisches 17 ff. Recht, altgermanisches 21 f. Recht der italienischen Praktiker 26 f. Rechtsbeugungstatbestand 181, 183

Tätige Reue 94 Tatspuren, Beseitigung von 84, 134 Twenter Landrecht (1365) 24

Rechtsgut 139 ff., 177 ff.

Unschuldsvermutung 179

Rechtspflege, staatliche 86, 140, 180 ff.

Untersuchungshaft 66, 68

Rechtspflegedelikte 180 ff. Resozialisierung 157 ff. Rücktrittsmöglichkeiten, Umfang bzw. Erweiterung der 41, 106 f. 124 f., 165 Sachsenspiegel 26 14 Wappler

Vereitelung, teilweise 48, 59, 62 Vereitelung, zeitweise 69 Verfahren, beschleunigtes 109 Verfahrensziel, strafprozessuales 118 f., 140, 177 Vergeltungstheorie 143 ff., 178

210

averzeichnis

Versehen, gesetzgeberisches 171 f.

Vollendungslücken 131 ff.

Verstecken 71 f., 73, 133

Vorentwurf 1909 40 ff.

Verstrickungsbruch 93

Vortatnormen, Geltung aller 140

Verzögerung - erhebliche 70 - geringfügige 137 - gewisse 80 - j e g l i c h e 73 - tatbestandserhebliche 75, 79 Verzögerungen - durch Strafverfolgungsorgane 68 f., 80, 87 f., 90 ff., 99 f., 187 f. - durch Verteidiger 78 ff., 82, 109, 186 f.

Wahrheitssicherung 128 f. Wille, gesetzgeberischer 76, 125, 169 Wortlautgrenze 171 f. Zeit - geraume 62, 67, 69, 73, 82, 91, 122 ff., 170 - gewisse 68, 80 - vorübergehende 86, 98, 122 f. Zeugen, säumige 105, 108 f., 113 ff.