Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB: Erkenntnisse aus einer Analyse der Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote [1 ed.] 9783428549719, 9783428149711

Straftaten spielen sich heutzutage in zunehmendem Maße grenzüberschreitend ab. Die von einer grenzüberschreitenden Tat b

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Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB: Erkenntnisse aus einer Analyse der Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote [1 ed.]
 9783428549719, 9783428149711

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Beiträge zum Internationalen und Europäischen Strafrecht Studies in International and European Criminal Law and Procedure Band / Volume 28

Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB Erkenntnisse aus einer Analyse der Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote

Von Erik Duesberg

Duncker & Humblot · Berlin

ERIK DUESBERG

Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

Beiträge zum Internationalen und Europäischen Strafrecht Studies in International and European Criminal Law and Procedure Herausgegeben von / Edited by Prof. Dr. Dr. h.c. Kai Ambos, Richter am Landgericht Göttingen

Band / Volume 28

Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB Erkenntnisse aus einer Analyse der Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote

Von Erik Duesberg

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT.

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Wintersemester 2015/2016 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D6 Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany

ISSN 1867-5271 ISBN 978-3-428-14971-1 (Print) ISBN 978-3-428-54971-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-84971-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Arbeit wurde im Wintersemester 2015/2016 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Sie wurde mit dem ersten Platz des Harry-Westermann-Preises ausgezeichnet. Ihre Veröffentlichung wurde durch den Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT gefördert. Den Kuratorien danke ich vielmals für die große Anerkennung. Bei der Erstellung der Dissertation haben mich viele Personen unterstützt. Am wichtigsten war mir die Unterstützung durch meine Familie und Freunde. Die Betroffenen wissen, was und wen ich meine. Speziell für kritische Anmerkungen und Gespräche danke ich – stellvertretend für viele – meiner Familie, Nicola Beyer, Dr. Lucas Hinderberger und Christoph Zimmermann. Besonderer Dank gilt Dr. Anne Schneider für viele hilfreiche Tipps und lange ergiebige Diskussionen. Herzlich bedanken möchte ich mich bei meiner Doktormutter Prof. Dr. Bettina Weißer für die große Unterstützung in den letzten Jahren, in denen ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an ihrem Lehrstuhl tätig war. Ich habe in dieser Zeit sehr viel von ihr gelernt und sowohl in fachlicher als auch persönlicher Hinsicht eine Betreuung und Förderung genossen, die ich mir nicht besser hätte vorstellen können. Durch ihre wertvollen Anregungen und viele motivierende Gespräche hat sich meine Dissertation von einer zunächst überschaubaren Untersuchung zum internationalen Glücksspielstrafrecht zu einer weit gefächerten international-strafrechtlichen Abhandlung entwickelt. Herrn Prof. Dr. Michael Heghmanns danke ich für wertvolle kritische Anmerkungen und die schnelle Anfertigung des Zweitgutachtens. Ich widme die Arbeit meiner Frau Julia, meinem Sohn Ben und meiner Tochter Marie Julie, die am allermeisten zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Schwerte, im August 2016

Erik Duesberg

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einleitung

17

A. Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2. Teil Virtuelle Offshore-Glücksspielangebote

23

A. Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Risiken und Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 C. Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

3. Teil Der Verbotstatbestand § 284 StGB

30

A. Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Öffentliche Sittlichkeit, Arbeits- und Wirtschaftsmoral . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Fiskalinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 III. Vermögensschutz vor Ausbeutung, Gesundheitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 IV. Vermögensschutz vor Spielmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 B. Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Öffentliches Glücksspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Ohne behördliche Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 III. Veranstalten, § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 IV. Halten, § 284 Abs. 1 Var. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 V. Bereitstellen von Einrichtungen, § 284 Abs. 1 Var. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . 50 VI. Gewerbsmäßig, § 284 Abs. 3 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 VII. Werben, § 284 Abs. 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 C. Verletzungs- oder Gefährdungsdelikt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

8

Inhaltsverzeichnis 4. Teil Das deutsche Strafanwendungsrecht, §§ 3 ff. StGB

57

5. Teil Die Anwendbarkeit des § 284 StGB auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote

66

1. Abschnitt: Unionsrechtliche Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 A. Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, Art. 49, 56 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . 67 B. Herkunftslandprinzip, Art. 3 EC-RL, § 3 TMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 I. Grundsatz: Exklusive Geltung der Rechtsordnung des Niederlassungsstaates 70 II. Ausnahme im Bereich des Strafrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 III. Ausnahme im Bereich des Glücksspielrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Verständnismöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Gewinnspiele i.w.S., Glücksspiele i. e.S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Glücksspiele i.w.S., Gewinnspiele i. e.S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 aa) Autonome Glücksspielregulierung durch die Mitgliedstaaten . . . . . 79 bb) Vermeidung von „forum shopping“ und „race to the bottom“ . . . . 80 cc) Abbau ungerechtfertigter Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 c) Auslegungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Abschnitt: Schutz- und Weltrechtsprinzip, §§ 5, 6 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Abschnitt: Passives Personalitätsprinzip, § 7 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 A. „Tat am Tatort mit Strafe bedroht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 I. Prozessuale Tat unter irgendeinem Gesichtspunkt am Tatort mit Strafe bedroht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 II. Konkretes tatbestandsmäßiges Täterverhalten am Tatort mit Strafe bedroht? 89 III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 B. „gegen einen Deutschen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 4. Abschnitt: Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege, § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB . . . . 94

Inhaltsverzeichnis

9

5. Abschnitt: Aktives Personalitätsprinzip bzw. Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege, § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 6. Abschnitt: Territorialitätsprinzip, §§ 3, 9 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 A. Implikationen durch § 3 Abs. 4 GlStV 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 B. Inländischer Handlungsort, § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 I. Klassisches Verständnis: Ort der körperlichen Anwesenheit bei Vornahme der tatbestandsmäßigen Ausführungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 II. Abweichende Verständnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Handlungszurechnung gem. § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB (entsprechend) . . . . 105 2. Anknüpfung an die Tatbestandsumschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Strafgerichtliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Zivilgerichtliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 d) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 e) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 aa) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 bb) Wortlaut „handelt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 cc) Uferlose Ausweitung deutscher Strafgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 dd) Gesetzesbegründung zu § 287 Abs. 1, 2. Hs. StGB . . . . . . . . . . . . . 121 ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Virtuelle Anwesenheit am Serverstandort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 C. Inländischer Erfolgsort, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 I. Klassisches Verständnis: Kein Erfolgsort bei abstrakten Gefährdungsdelikten 127 II. Abweichende Verständnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Abstrakter Gefährdungsort als Erfolgsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Objektive Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Subjektive Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 c) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 aa) „der zum Tatbestand gehörende Erfolg“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Arg. e. § 13 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 cc) Korrelation zwischen Schutzzweck des Straftatbestands und § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 dd) Arg. e. § 5 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 ee) Reduktion des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Anknüpfung an die Tatbestandsumschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3. Umschlagen der „abstrakten Gefahr“ in eine konkrete Rechtsgutsgefährdung oder -verletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

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Inhaltsverzeichnis D. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Verständnismöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Prozessualer Tatbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Tatbestandsbezogener Tatbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3. Normativer Tatbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 II. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Äußerster Wortsinn als Auslegungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Dekonturierung des Tatbegriffs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 aa) Normativer Tatbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (1) Konturierung anhand der Schwere des Handlungs- bzw. Erfolgsunrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (2) Konturierung anhand quantitativer Kriterien? . . . . . . . . . . . . . . 165 (3) Natürliche Betrachtungsweise? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 bb) Prozessualer Tatbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 cc) Tatbestandsbezogener Tatbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) „Taten, die im Inland begangen werden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 d) „der zum Tatbestand gehörende Erfolg“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Rechtsnatur der §§ 3 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 aa) Materielle Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (1) Objektive Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (2) Objektive Strafbarkeitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Prozessuale Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 b) Implikationen durch § 9 Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 c) Implikationen durch §§ 5 und 6 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 d) Regel-Ausnahme-Konzeption der §§ 3 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 e) Implikationen durch § 9 IRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 4. Verfahrensdienlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 5. Vermeidung von Jurisdiktionskonflikten durch klare Zuständigkeitsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

Inhaltsverzeichnis

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6. Verbot, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen . . . . . . . . 194 a) Vorgaben durch Art. 50 GRC, 54 SDÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 aa) Verhältnis des Art. 50 GRC zu Art. 54 SDÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 bb) Der Tatbegriff in Art. 54 SDÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (1) Vorgaben des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (2) Abweichende Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (a) Materieller Tatbegriff in Art. 54 SDÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (b) Normative Durchbrechung des Doppelbestrafungsverbots . . 206 (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Umsetzbarkeit in §§ 3 ff. StGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 aa) § 3 StGB bei Beeinträchtigung ausländischer Kollektivrechtsgüter 210 (1) Implikationen durch die Vorbehaltsregelung in Art. 55 SDÜ 212 (2) Wegfall der Vorbehaltsregelung im Zuge der Verträge von Amsterdam und Lissabon? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (a) Vertrag von Amsterdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (b) Vertrag von Lissabon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 bb) §§ 5, 6 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (1) Implikationen durch die Vorbehaltsregelung in Art. 55 SDÜ 219 (2) Wegfall der Vorbehaltsregelung im Zuge der Verträge von Amsterdam und Lissabon? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 cc) § 7 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 dd) Nichtvertragsstaatliche Strafansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 7. Selbstschutz des Tatortstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 8. Interventionsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Inländischer Handlungs- bzw. Erfolgsort, §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 bzw. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 aa) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 bb) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (1) Besondere Nähebeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (2) Interessenabwägung und -ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Vorgestellter inländischer Erfolgsort, §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 4 StGB . . . . . 236 aa) Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (1) Tauglicher Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (2) Untauglicher Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 bb) Vorbereitungshandlungen i.S.d. § 30 Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . 238 cc) Vollendungskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

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Inhaltsverzeichnis dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 c) Inländischer Unterlassungsort, §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 2 StGB . . . . . . . . . . 239 d) §§ 3, 9 Abs. 1 StGB bei mittelbarer Täterschaft und Mittäterschaft . . . 242 aa) Einzellösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 bb) Zurechnungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 9. Individualrechtliche Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 10. Auslegungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 III. Präzisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 1. Herkömmliche Grundsätze zum prozessualen Tatbegriff . . . . . . . . . . . . . . 253 2. Völker- und individualschutzrechtliche Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . 255 IV. Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 1. Erstes Szenario: „Glücksspielveranstaltungstourismus“ I . . . . . . . . . . . . . . 258 2. Zweites Szenario: „Glücksspielveranstaltungstourismus“ II . . . . . . . . . . . . 261 3. Drittes Szenario: Grenzüberschreitende Spielmanipulation I . . . . . . . . . . . 263 4. Viertes Szenario: Grenzüberschreitende Spielmanipulation II . . . . . . . . . . 269 F. Abschließende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 I. Gesetzeskonformer Mittelweg zwischen restriktiver und extensiver Strafrechtsgeltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 II. Verbleibende Umgehungsmöglichkeiten deutscher Verhaltensanforderungen durch ausschließliche Tatbegehung im Ausland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 III. Verbleibende Umgehungsmöglichkeiten deutscher Verhaltensanforderungen durch Einschalten Dritter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 IV. Praktische Umsetzbarkeit – bloßes symbolisches Straf(anwendungs)recht? . . 279 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 G. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

7. Abschnitt: Irrtümer betreffend §§ 3 ff. StGB als Strafgewaltbegrenzung? . . . . . . 281 A. Tatbestandsirrtum, § 16 Abs. 1 S. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 I. §§ 3 ff. StGB als objektive Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 II. §§ 3 ff. StGB als objektive Strafbarkeitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 B. Verbotsirrtum, § 17 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

6. Teil Zusammenfassung und Ausblick

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A. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 B. Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

Inhaltsverzeichnis

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C. Mögliche Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 I. National . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Änderung der §§ 3 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 2. Änderung des deutschen Glücksspielstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 II. International . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 1. Zwischenstaatliche Strafverfolgungszuständigkeitsverteilung . . . . . . . . . . 301 2. Angleichung nationalen Glücksspiel(straf)rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 a) Kriminalstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 b) Strafrecht i.w.S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

Abkürzungsverzeichnis AELJ AEUV Bsp. bspw. bzw. CJICL ders. dies. E 1962 EC-RL

Cardozo Arts & Entertainment Law Journal Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Beispiel beispielsweise beziehungsweise Cardozo Journal of International and Comparative Law derselbe/derselben dieselbe/dieselben Entwurf eines Strafgesetzbuchs (BT-Drs. IV/650) Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 8. 6. 2000 über bestimmte Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt, ABl. L 178 v. 17. 7. 2000, S. 1 ff. ELF The European Legal Forum endg. endgültig ETS European Treaty Series EU-BestG Gesetz zu dem Protokoll vom 27. September 1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften ggf. gegebenenfalls GlStV 2008 Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 31. 7. 2007, außer Kraft getreten m. W.v. 31. 12. 2011 GlStV 2012 Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. 12. 2011 GRC Charta der Grundrechte der Europäischen Union GWILR George Washington International Law Review I&CTL Information & Communications Technology Law ICLQ International and Comparative Law Quarterly i.H.v. in Höhe von insb. insbesondere i.S.d. im Sinne der/des i.S.e. im Sinne einer/eines i.S.v. im Sinne von JSchG Jugendschutzgesetz Lfg. Lieferung m.a.W. mit anderen Worten NZWiSt Neue Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht o.g. oben genannte/genannten PC Personal Computer RStGB Reichsstrafgesetzbuch Sec. Section StIGHE Entscheidungen des Ständigen Internationalen Gerichtshofs

Abkürzungsverzeichnis TDG TMG verb. Rs. Vol. WZfS z. B. z.N.d.

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Gesetz über die Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz), aufgehoben m. W.v. 1. 3. 2007 Telemediengesetz Verbundene Rechtssache Volume Wiener Zeitschrift für Suchtforschung zum Beispiel zum Nachteil des/der

*** Im Übrigen wird verwiesen auf: Kirchner, Hildebert: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 8. Aufl., Berlin u. a. 2015.

1. Teil

Einleitung A. Einführung in die Problematik Kriminelle Taten werden angesichts weltweiter Interaktionsmöglichkeiten via neue Medien, steigender Tätermobilität und Internationalisierung von Geschäftstätigkeiten in zunehmendem Maße grenzüberschreitend begangen.1 Für die von einer grenzüberschreitenden Tat betroffenen Staaten stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang sie ihren Strafanspruch auf solche Taten erstrecken. Die Frage birgt erhebliches Konfliktpotenzial. Aus nationaler Sicht mag einerseits das Bedürfnis bestehen, die Tat zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes der nationalen Strafgewalt zu unterwerfen. Andererseits kann eine extensive Strafgewaltproklamation insb. für Beschuldigte und andere von der Tat betroffene Staaten als Strafgewaltanmaßung erscheinen. Proklamierten mehrere Staaten Strafgewalt, würde der Täter mit unterschiedlichen – möglicherweise gar nicht gleichzeitig erfüllbaren – Verhaltensanforderungen konfrontiert und sähe sich ggf. mehrfacher Strafverfolgung durch Strafverfolgungsbehörden verschiedener Staaten ausgesetzt. Zwischen den Strafgewalt beanspruchenden Staaten käme es zu Souveränitätskonflikten. In besonders drastischer Weise offenbart sich diese Konfliktlage im Bereich der Internetverbreitungskriminalität. Das Internet ermöglicht es Tätern, illegale Inhalte – beispielsweise volksverhetzender, kinderpornografischer oder beleidigender Art – ohne großen Aufwand einem weltweiten Adressatenkreis zugänglich zu machen. Sollte ein Staat die bloße Abrufbarkeit der nach seinem Recht illegalen Inhalte auf seinem Territorium zum Anlass nehmen, Strafgewalt auf die Tat zu erstrecken, implizierte das notwendigerweise einen weltweiten Bewertungsanspruch2 und die Proklamation einer weltweiten Strafverfolgungszuständigkeit im Bereich der Internetverbreitungskriminalität. Ganz abgesehen von dem nicht realisierbaren Ermittlungsaufwand für nationale Strafverfolgungsbehörden geriete eine derart weite Strafgewaltausdehnung vor allem in Konflikt mit den Souveränitätsinteressen anderer – möglicherweise deutlich intensiver – von der Tat betroffener Staaten und bürdete Internetnutzern weltweit deutsche Verhaltensanforderungen auf. Andererseits hätte ein Strafgewaltverzicht – etwa zugunsten desjenigen Staates, in dem der Täter die Inhalte nach dortigem Recht legal ins Internet eingestellt hat –, zur Folge, dass der Schutzzweck des einschlägigen nationalen Straftatbestandes, rechtswidrige 1 2

Böse/Meyer, ZIS 2011, S. 336 ff. (336); Weißer, in: Böse (Hrsg.), EnzEuR, § 9 Rn. 1. Begrifflichkeit nach Hecker, EuStR, 2 Rn. 3.

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1. Teil: Einleitung

Inhalte zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes einzudämmen, im Bereich der Internetkriminalität weitgehend neutralisiert würde. Internetnutzern würde die Möglichkeit eröffnet, für sie nachteilhafte strafbewehrte Verhaltensanforderungen dadurch zu umgehen, dass sie ihre Inhalte von einem Staat aus ins Internet einstellen, in dem ihr Verhalten nicht pönalisiert wird. Eine brisante, populäre Erscheinungsform globaler Internetverbreitungskriminalität, bei der das Internet als Instrument zur Umgehung nachteiligen nationalen Rechts eingesetzt wird, bilden virtuelle Offshore-Glücksspielangebote. In Deutschland ist das Veranstalten von öffentlichen Glücksspielen im Internet gem. § 4 Abs. 4 des Glücksspielstaatsvertrages i. d. F. vom 15. 12. 2011 (GlStV 2012)3 verboten. Behördliche Erlaubnisse zur Veranstaltung derartiger Spiele werden an rein private Anbieter mittlerweile4 grundsätzlich5 nicht mehr erteilt. § 284 Abs. 1 StGB stellt das Veranstalten eines öffentlichen Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis sowie das Halten eines solchen Glücksspiels und das Bereitstellen von Einrichtungen hierzu unter Strafe. Für Fälle der gewerbs- oder bandenmäßigen Begehung ist die Tat in § 284 Abs. 3 StGB qualifiziert. In § 284 Abs. 4 StGB wird die Glücksspielwerbung pönalisiert. Anbieter virtueller Glücksspiele bieten ihre Spiele – wohl wissend um die für sie nachteilhafte Rechtslage in Staaten wie Deutschland – i. d. R. von solchen Staaten aus an, in denen sie virtuelle Glücksspiele, ohne hohe Anforderungen erfüllen zu müssen, nach dortiger Rechtslage legal weltweit anbieten können.6 Beliebte – auch steuerlich attraktive7 – Standorte sind beispielsweise Antigua & Barbuda, Belize, Costa Rica, Gibraltar, die Isle of Man, Kahnawake, Malta oder die Niederländischen Antillen.8 3 Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. 12. 2011. Mittlerweile entfaltet der GlStV 2012 in allen Bundesländern Wirkung, nachdem er am 9. 2. 2013 auch in Schleswig-Holstein in Kraft trat, vgl. GVOBl. Schl.-H. 2013, S. 97. Zuvor galt dort das Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels in Schleswig-Holstein (Glücksspielgesetz SH) vom 20. 10. 2011, GVOBl. Schl.-H. 2011, S. 280, das eine liberalere Glücksspielregulierung vorsah als der GlStV 2012, vgl. hierzu Riege, in: Streinz/Liesching/Hambach, GlüG SchlH. 4 Das Glücksspielgesetz SH sah in § 5 die Erteilung von Glücksspiellizenzen auch an Online-Casino-Betreiber vor, vgl. hierzu Riege, in: Streinz/Liesching/Hambach, §§ 4, 5 GlüG SchlH; zu den mit der zeitweise widersprüchlichen Glücksspielregulierung in den Bundesländern einhergehenden Rechtsproblemen vgl. Bolay/Pfütze, in: Streinz/Liesching/Hambach, § 10a GlüStV, Rn. 12 ff. 5 Eine an enge Voraussetzungen geknüpfte Ausnahme besteht insb. im Bereich der OnlineSportwetten, vgl. § 4 Abs. 5 GlStV 2012. 6 Dietlein/Woesler, K&R 2003, S. 458 ff. (459); Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (270); ders./ Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (16). 7 Vgl. Devaney, I&CTL, Vol. 18, No. 3, October 2009, S. 273 ff. (274 f.); Dietlein/Woesler, K&R 2003, S. 458 ff. (459). 8 Vgl. Devaney, I&CTL, Vol. 18, No. 3, October 2009, S. 273 ff. (278); Dietlein/Woesler, K&R 2003, S. 458 ff. (459); Oelbermann, in: Becker (Hrsg.), S. 1 ff. (5); Wood/Williams, in: Smith/Hodgins/Williams (Hrsg.), S. 491 ff. (492 ff.). Eingehend zu einzelnen nationalen Regulierungsansätzen Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung, International vergleichende Analyse des Glücksspielwesens, Teil Zwei, Rechtswissenschaftliche Studie, S. 27 ff.

A. Einführung in die Problematik

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Das Angebot kann in nahezu9 allen Staaten der Welt via Internet wahrgenommen werden. Auch in Deutschland kann aus einem mittlerweile unüberschaubaren Angebot von aus ausländischen Rechtsoasen angebotenen Online-Glücksspielen gewählt werden. Aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland mag in diesen Fällen einerseits ein Bedürfnis bestehen, die zum Angebot der Spiele führenden Machenschaften der Glücksspielanbieter der deutschen Strafgewalt zu unterwerfen, um mit der drohenden Bestrafung samt Abschöpfung etwaig erzielter Gewinne (vgl. §§ 286 Abs. 1, 73d StGB, erweiterter Verfall) den von § 284 StGB bezweckten Rechtsgüterschutz gewähren zu können. Andererseits bedeutete eine pauschale Erstreckung deutscher Strafgewalt auf sämtliche virtuelle Offshore-Glücksspielangebote weltweit eine in die Souveränität ausländischer Tatortstaaten eingreifende Strafgewaltanmaßung, die Glücksspielanbieter auf der ganzen Welt mit in spezifisch deutschen Wertentscheidungen wurzelnden glücksspielstrafrechtlichen Verhaltensmaßstäben konfrontierte. Ob grenzüberschreitende Sachverhalte wie das Anbieten virtueller OffshoreGlücksspiele der deutschen Strafgewalt unterliegen, richtet sich nach dem in §§ 3 ff. StGB normierten Strafanwendungsrecht. Von primärer Bedeutung ist das in § 3 StGB normierte Territorialitätsprinzip, wonach deutsches Strafrecht für Taten gilt, die im Inland begangen werden. Gem. § 9 Abs. 1 StGB ist eine Tat u. a. „an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat […] oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist“. In welchem Umfang deutsche Strafgewalt über §§ 3, 9 Abs. 1 StGB zum Tragen kommt, hängt vor allem von dem Verständnis des in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB verwendeten Begriffs „Tat“ ab. Die Auslegung der §§ 3 ff. StGB im Hinblick auf Fälle grenzüberschreitender (Internet-)Kriminalität im Allgemeinen sowie die Subsumtion von Fällen virtueller Offshore-Glücksspielangebote im Besonderen bereiten der Rechtspraxis und -wissenschaft erhebliche Schwierigkeiten. Die bisherige Diskussion ist – trotz einer mittlerweile breiten wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts im Bereich der Internetkriminalität10 – von Unsicherheit und Lückenhaftigkeit geprägt. Der grundsätzlichen Frage, inwiefern dem Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB Einfluss auf die Reichweite deutscher Strafgewalt zukommt, wurde bislang nur oberflächlich11 nachgegangen. Im Hinblick auf die speziellere 9 Eine Ausnahme bilden die USA. Aufgrund der repressiven US-amerikanischen OnlineGlücksspielregulierung nehmen Online-Glücksspielveranstalter den US-amerikanischen Markt häufig von ihrem Angebotskreis aus, siehe hierzu 2. Teil B. 10 Vgl. z. B. Cornils, JZ 1999, S. 394 ff.; Dombrowski, passim; Heinrich, in: FS Weber, S. 91 ff.; Hilgendorf, NJW 1997, S. 1873 ff.; Jofer, passim; Lehle, passim; Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff.; Weigend, in: Hohloch (Hrsg.), S. 85 ff. 11 Bislang existiert zum Thema ein Aufsatz von Walther, JuS 2012, S. 203 ff., sowie kursorische Ausführungen von Ambos, IntStR, § 1 Rn. 23 f.; Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 52, und Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 314 ff. Alle weiteren Ausführungen be-

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1. Teil: Einleitung

Frage, ob und inwieweit Anbieter virtueller Offshore-Glücksspiele nach deutschem Glücksspielstrafrecht belangt werden können, beschränkt sich die bisherige Auseinandersetzung auf die in § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB normierte Begehungsmodalität des Veranstaltens eines illegalen Glücksspiels.12 Überwiegend wird lediglich auf die Handlungs- und Erfolgsortsklausel in § 9 Abs. 1 Var. 1 und 3 StGB eingegangen.13 Weitgehend unbehandelt blieb bislang – neben der Frage, inwiefern dem Tatbegriff in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB Einfluss auf die Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts zukommt – insb., ob bzw. inwieweit unionsrechtliche Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie14 und Regelungen des GlStV 201215 die Anwendbarkeit des § 284 StGB nach §§ 3 ff. StGB beeinflussen, ob § 7 StGB im Bereich virtueller Offshore-Glücksspielangebote Bedeutung zukommt16 und ob Irrtümer des Glücksspielanbieters hinsichtlich §§ 3 ff. StGB die deutsche Strafgewalt begrenzen17. Größtenteils ungeklärt ist bislang zudem die – für die Bestimmung des Handlungsund Erfolgsortes (§ 9 Abs. 1 Var. 1 und 3 StGB) bedeutsame – Reichweite der in § 284 StGB normierten Begehungsmodalitäten, insb. der Modalität des Veranstaltens, im Bereich virtuell angebotener Glücksspiele.18

B. Ziel der Untersuchung Die vorliegende Arbeit nimmt die bestehende Unsicherheit und Lückenhaftigkeit der Diskussion zum Anlass einer Auseinandersetzung mit den genannten Fragestellungen. Die Untersuchung geht induktiv vor. Den Ausgangspunkt der Arbeit bildet die spezielle Fragestellung, ob und ggf. in welchem Umfang deutsches Glücksspielstrafrecht nach derzeitiger Rechtslage auf das Phänomen virtueller OffshoreGlücksspielangebote Anwendung findet. Am Ende der Untersuchung soll herausgearbeitet sein, ob die derzeitige strafanwendungsrechtliche Regelung in §§ 3 ff. StGB eine angemessene, insb. mit höherrangigem Recht zu vereinbarende, Lösung bereithält, den eingangs angedeuteten Konflikt zwischen einerseits engem und andererseits weitem Geltungsbedürfnis deutschen Glücksspielstrafrechts aufzulösen. schränken sich – soweit ersichtlich – auf Feststellungen, siehe z. B. Hecker, EuStR, 2 Rn. 12; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 8a. 12 Vgl. z. B. Bertrand, S. 283 ff.; Feldmann, S. 71 ff.; Mintas, S. 124 ff. 13 Vgl. z. B. Bertrand, S. 283 ff.; Feldmann, S. 71 ff. 14 Mit Ausnahme der kursorischen Ausführungen von Barton/Gercke/Janssen, wistra 2004, S. 321 ff. (323 f.), und der Ausführungen von Bolay, in: Streinz/Liesching/Hambach, § 3 TMG. 15 Mit Ausnahme der kursorischen Ausführungen von Feldmann, S. 143 f. 16 Mit Ausnahme der kursorischen Ausführungen von Falk, S. 254 ff., und Mintas, S. 117 ff. 17 Mit Ausnahme der kursorischen Ausführungen von Klam, S. 66 f.; Mintas, S. 165 ff., und Volk, S. 222 ff. 18 Mit Ausnahme der Ausführungen von Thumm, S. 45 ff.

C. Gang der Untersuchung

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Die Arbeit beschränkt sich dabei auf Sachverhaltskonstellationen, in denen ein Alleintäter ein virtuelles Glücksspiel vom Ausland aus i.S.d. § 284 StGB anbietet. Insb. Fälle von Spielvermittlungen19 sowie Fälle, in denen mehrere Personen am Glücksspielangebot beteiligt sind20, gehören nicht unmittelbar21 zum Untersuchungsgegenstand der Arbeit. In Anbetracht ihrer vergleichsweise geringen praktischen Relevanz im Bereich der virtuellen Offshore-Glücksspielangebote wird auch das in § 287 StGB eigens unter Strafe gestellte Anbieten der speziellen Glücksspielformen22 Lotterie23 und Ausspielung24 ausgeklammert. Im Rahmen der spezifischen Untersuchung der Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote sollen allgemeingültige Erkenntnisse über die Reichweite deutscher Strafgewalt im Bereich grenzüberschreitender (Internet-)Kriminalität gewonnen werden. Hierin liegt das primäre Erkenntnisinteresse der Arbeit. Die Untersuchung verfolgt insofern vor allem das Ziel, die Bedeutung des Begriffes „Tat“ in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB herauszuarbeiten. Zu diesem Zweck wird der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB erstmals einer eingehenden Auslegung unterzogen. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen zur lex lata sollen am Ende der Untersuchung Vorschläge unterbreitet werden, wie die Rechtslage hinsichtlich der Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts im Speziellen sowie der Reichweite deutscher Strafgewalt im Bereich der Internetverbreitungskriminalität im Allgemeinen in einer den Herausforderungen durch neue Medien, Globalisierung und Unionalisierung gewachsenen Art und Weise verbessert werden könnte. Sowohl nationale als auch internationale Lösungsmodelle werden dabei zu diskutieren sein.

C. Gang der Untersuchung Mit diesen Erkenntniszielen korrespondiert folgender Untersuchungsgang: Zunächst wird das Phänomen der virtuellen Offshore-Glücksspielangebote näher beschrieben (2. Teil) und durch Darstellung der normativen Rahmenbedingungen – 19 Vgl. hierzu Fischer, § 284 Rn. 18a; Hambach/Liesching, in: Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 66; Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 16; Horn, NJW 2004, S. 2047 ff. (2050). 20 Vgl. hierzu Hambach/Liesching, in: Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 107 f.; Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 32. 21 Mittelbar werden strafanwendungsrechtliche Beteiligungsfragen insb. im Rahmen der Prüfung relevant, ob Glücksspielanbieter Verhaltensanforderungen des deutschen Glücksspielstrafrechts im Wege der Einschaltung Dritter umgehen könnten, siehe hierzu unten 5. Teil 6. Abschnitt F. III.; vgl. auch 5. Teil 6. Abschnitt E. II. 8. d). 22 BGHSt 34, 171, 179; Fischer, § 284 Rn. 11, § 287 Rn. 2; Wietz, in: MR-StGB, § 287 Rn. 1 23 Zum Begriff der Lotterie siehe Fischer, § 287 Rn. 2. 24 Zum Begriff der Ausspielung siehe Fischer, § 287 Rn. 3.

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1. Teil: Einleitung

§ 284 StGB (3. Teil) und §§ 3 ff. StGB (4. Teil) – der Grundstein für die anschließende Untersuchung der Anwendbarkeit des § 284 StGB auf virtuelle OffshoreGlücksspielangebote gem. §§ 3 ff. StGB im 5. Teil gelegt. Zu Beginn des 5. Teils gilt es zunächst die Frage zu beantworten, ob §§ 3 ff. StGB – sollten sie deutsches Glücksspielstrafrecht auf innerhalb der EU agierende Anbieter virtueller OffshoreGlücksspiele zur Anwendung bringen – durch Unionsrecht eingeschränkt würden. Im Anschluss daran widmet sich die Untersuchung der Frage, ob § 284 StGB nach §§ 5, 6 oder 7 StGB Anwendung findet, bevor sodann die Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts über das in § 3 StGB normierte und in § 9 StGB konkretisierte Territorialitätsprinzip untersucht wird. Nach einer Beleuchtung der Handlungs- und Erfolgsortsklausel des § 9 Abs. 1 StGB sowie etwaiger Implikationen durch den GlStV 2012 wird – im zentralen Abschnitt der Untersuchung – der in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB enthaltene Tatbegriff ausgelegt. Die gewonnenen Erkenntnisse werden auf typische Szenarien im Bereich virtueller Offshore-Glücksspielangebote angewendet sowie abschließend – anhand möglicher Einwände – hinterfragt. Es folgt eine Erörterung der Frage, ob Irrtümern des Glücksspielanbieters hinsichtlich §§ 3 ff. StGB Einfluss auf die Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts gem. §§ 3 ff. StGB zukommt. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse und Vorschlägen für eine mögliche zukünftige Verbesserung der Rechtslage (6. Teil).

2. Teil

Virtuelle Offshore-Glücksspielangebote A. Erscheinungsformen Sämtliche in terrestrischen Kasinos, Spielhallen und Wettbüros spielbaren Glücksspiele werden mittlerweile auch virtuell angeboten. Die angebotenen Spiele reichen von virtuellen Automatenspielen bis hin zu Online-Roulette, Online-Poker, Online-Sportwetten und Online-Pferdewetten.25 Spielteilnehmer können in virtuellen Kasinos beispielsweise an virtuellen Pokertischen gegeneinander antreten, virtuelle Automaten bedienen oder sich an virtuellen Roulettepartien beteiligen. Sportund Pferdewetten können auf Wettplattformen abgeschlossen werden, auf denen Wetten zu – laufend aktualisierten – Quoten angeboten werden. Eine Spielbeteiligung erfolgt klassischerweise am PC oder Laptop durch Abruf der Glücksspielwebseite via Internet.26 Seit einigen Jahren besteht zudem die Möglichkeit, sich über Smartphones oder Tablets am Spielbetrieb zu beteiligen.27 Nutzer können hier entweder über eine auf das mobile Internet zugeschnittene Anwendungssoftware (sog. „App“) oder durch Abruf einer Glücksspielwebseite mit smartphone- bzw. tablettauglicher Bedienungsoberfläche am Spielbetrieb teilnehmen. Sämtliche Formen des Mobile-Gamblings basieren auf der (mobilen) Internettechnologie.28 Ganz gleich welchen Vertriebsweg der Nutzer in Anspruch nimmt, setzt die Beteiligung an einem virtuellen Glücksspiel zunächst eine Registrierung auf der Anbieterwebseite bzw. der Bedienungsoberfläche einer mobilen Anwendungssoft25

Ausführlich zu den angebotenen Glücksspielen siehe Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung, Study of Gambling Services in the Internal Market of the European Union, Chapter 7, The impacts of internet gambling and other forms of remote gambling on the EU gambling market, S. 1406 ff. 26 Ausführlich hierzu Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung (Fn. 25), S. 1408 ff. 27 Ausführlich hierzu Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung (Fn. 25), S. 1410 ff. 28 Eine weitere Vertriebsform virtueller Glücksspiele bildet das sog. iTV-Gambling, vgl. hierzu Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung (Fn. 25), S. 1410. Spielern wird hier die Möglichkeit eröffnet, sich über ein internetfähiges Fernsehgerät via digitales interaktives Fernsehen an virtuellen Glücksspielen zu beteiligen. Auf dem deutschen Markt hat sich dieser Vertriebsweg – anders als beispielsweise in England, Irland und Frankreich – noch nicht etabliert, vgl. Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung (Fn. 25), S. 1410. In Zukunft dürfte allerdings – insb. in Anbetracht der rasanten Wachstumsraten in den Nachbarländern – auch in Deutschland mit einer Expansion des iTV-Gamblings zu rechnen sein.

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2. Teil: Virtuelle Offshore-Glücksspielangebote

ware („App“) voraus. Hierzu bedarf es der Angabe persönlicher Daten wie Name, Adresse und Kontodaten sowie der Wahl einer Zahlungsmethode – beispielsweise Lastschriftverfahren oder Kreditkarteneinzug. Nach abgeschlossener Registrierung erhält der Nutzer einen automatisiert eingerichteten Nutzeraccount, über den er sich Zugang zur Glücksspielplattform – etwa einem virtuellen Kasino oder einer Wettplattform – verschaffen kann. Der Nutzer hat hier die Möglichkeit, mittels Überweisung, Lastschrift, Kreditkarteneinzug oder anderer Zahlungsmethoden sein Spielerkonto mit Guthaben aufzufüllen und sich sodann an den angebotenen Glücksspielen zu beteiligen. Will der Spielteilnehmer Gewinne bzw. Guthaben ausgezahlt bekommen, besteht die Möglichkeit, eine Auszahlung des gewünschten Betrages auf das im Rahmen der Registrierung angegebene Bankkonto zu veranlassen. Auf dem deutschen Markt werden virtuelle Offshore-Glücksspiele – ganz gleich von welchem Staat aus sie angeboten werden – überwiegend in deutscher Sprache bereitgehalten. Zum Teil sind auch Werbung und Spielinhalte spezifisch auf den deutschen Markt zugeschnitten. Entsprechend verhält es sich im Hinblick auf ausländische Märkte. Im Regelfall bietet ein und derselbe Glücksspielanbieter sein Online-Glücksspiel in verschiedenen Sprachen an und bewirbt es in mehreren Ländern mit länderspezifischen Inhalten. Da Offshore-Glücksspielanbieter via Internet einen unbegrenzten Markt mit hohen Nachfragewerten erreichen, ohne dabei größere finanzielle Aufwendungen tätigen zu müssen, sind sie i. d. R. in der Lage, ihre virtuellen Glücksspiele zu günstigen Konditionen anzubieten.29 Die Spielangebote stellen sich daher für viele potenzielle Spielteilnehmer als besonders attraktiv dar. Unionsweit gibt es schätzungsweise 6,8 Millionen Online-Spieler.30 Die innerhalb der EU aus OnlineGlücksspielen erzielten Einnahmen werden sich im Jahr 2015 schätzungsweise auf 13 Milliarden Euro belaufen.31 Der deutsche Markt bildet dabei den zweitumsatzstärksten Markt der EU.32

B. Risiken und Schutzmaßnahmen Eine Beteiligung an virtuellen Glücksspielen birgt für Spielteilnehmer hohe Risiken.33 Angesichts der erheblichen Spielbeteiligungsanreize infolge (finanziell) 29

Vgl. Hayer/Meyer, SuchtMagazin 2004, S. 33 ff. (33); Steegmann, S. 17 ff. Vgl. Mitteilung der Kommission „Ein umfassender europäischer Rahmen für das OnlineGlücksspiel“, KOM(2012) 596 endg., S. 3. 31 Vgl. Mitteilung der Kommission „Ein umfassender europäischer Rahmen für das OnlineGlücksspiel“, KOM(2012) 596 endg., S. 12. 32 Grünbuch „Online-Gewinnspiele im Binnenmarkt“, KOM(2011) 128 endg., S. 9 unter Verweis auf H2 Gambling Capital. 33 Ausführlich zu den von virtuellen Glücksspielen ausgehenden Risiken vgl. Banks, Chapter 4 und 5; Hayer/Bachmann/Meyer, WZfS 2005, S. 29 ff.; Steegmann, S. 57 ff. 30

B. Risiken und Schutzmaßnahmen

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attraktiver Spielangebote, leichter Erreichbarkeit, anonymer Spielbeteiligungsmöglichkeit ohne soziale Kontrolle, bargeldloser Zahlungsmöglichkeiten sowie des geringen Realitätsbezuges virtueller Spiele besteht zunächst ein erhöhtes Suchtpotenzial im Vergleich zu einer Beteiligung an terrestrisch betriebenen Glücksspielen.34 Mit dem Suchtrisiko geht das Risiko finanzieller und sozialer Einbußen einher.35 Vor allem Minderjährige sind gefährdet.36 Das virtuellen Glücksspielangeboten immanente Suchtpotenzial wird dadurch potenziert, dass Anbieter virtueller Offshore-Glücksspiele bei der Konzeption ihrer Spielangebote hauptsächlich vom Ziel der Gewinnmaximierung geleitet werden. Suchtschutz wird – wenn überhaupt – i. d. R. lediglich durch Hinweise betrieben, dass das Glücksspielangebot nur über 18 Jahre alten Nutzern offen steht und Nutzer gesperrt werden, die bei der Registrierung ein Geburtsdatum angegeben haben, das sie als unter 18 Jahre alt ausweist. Eine Altersverifikation wird selten vorgenommen.37 Nur vereinzelt finden sich auf Anbieterwebseiten – für den Nutzer i. d. R. auf den ersten Blick kaum wahrnehmbare – Empfehlungen für „Verantwortungsbewusstes Spielen“, in denen etwa auf die Möglichkeit hingewiesen wird, Einzahlungslimits festzulegen oder sich (zeitlich befristet) vom Spielbetrieb ausschließen zu lassen.38 Mitunter setzen Anbieter virtueller Offshore-Glücksspiele sogar auf das Suchtpotenzial ihres Glücksspielangebots herabspielende Marketingstrategien. Verbreitet sind beispielsweise Gewinn- oder Prämienversprechungen, die eine regelmäßige Kompensation etwaiger Verluste vortäuschen, um Internetnutzer zur bedenkenlosen Spielteilnahme zu animieren.39 Auch die Spielplattformen selbst sind mit Buy-In-Aufforderungen, schnellläufigem Spielbetrieb, zahlreichen Spielangeboten etc. i. d. R. äußerst suchtfördernd ausgestaltet.40

34 Hayer/Bachmann/Meyer, WZfS 2005, S. 29 ff.; Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung, International vergleichende Analyse des Glücksspielwesens, Teil Vier, Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 57 f.; Steegmann, S. 57 ff.; vgl. auch EuGH Urt. v. 8. 9. 2010, Rs. C-46/08, Carmen Media Group, Slg. 2010, I-8149, Rn. 105; BVerfG ZfWG 2008, 351, 356 f. 35 Vgl. Banks, S. 67; Hayer/Bachmann/Meyer, WZfS 2005, S. 29 ff. (32); Steegmann, S. 58. 36 Hayer/Bachmann/Meyer, WZfS 2005, S. 29 ff. (37); vgl. auch Empfehlung 2014/478/EU der Kommission v. 14. 7. 2014 mit Grundsätzen für den Schutz von Verbrauchern und Nutzern von Online-Glücksspieldienstleistungen und für den Ausschluss Minderjähriger von OnlineGlücksspielen, ABl. L 214 v. 19. 7. 2014, S. 42 f. 37 Smeaton/Poole/Chevis/Carr, Study into underage access to online gambling and betting sites, zufolge erforderten von 37 getesteten Glückspielwebseiten nur zwei eine Altersverifikation. Eine 16-jährige Internetnutzerin konnte sich bei 30 von 37 überprüften Glücksspielwebseiten registrieren. 38 Vgl. z. B. http://de.888.com: „Verantw Spielen“. 39 Siehe z. B. http://www.fulltilt.eu oder https://poker.redkings.com/de, vgl. Banks, S. 61 ff.; Hayer/Meyer, SuchtMagazin 2004, S. 33 ff. (33); Steegmann, S. 45. 40 Vgl. Hayer/Bachmann/Meyer, WZfS 2005, S. 29 ff. (32).

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2. Teil: Virtuelle Offshore-Glücksspielangebote

Neben dem Suchtrisiko und dessen Folgerisiken ist einer Beteiligung an virtuellen Offshore-Glücksspielangeboten das Risiko von irregulären Vermögensverlusten immanent.41 Da Glücksspielanbieter ihre Angebote im weitgehend anonymen Internet unter Ausschluss jeglicher sozialer Kontrolle nach Belieben gestalten können, besteht für sie tendenziell ein hoher Anreiz, Gewinne im Wege manipulativer Eingriffe in den Spielbetrieb oder manipulierter Gestaltung der Glücksspielplattform zu maximieren.42 Zahlreiche Anbieter virtueller Glücksspiele lassen sich zu derartigen Handlungen hinreißen. Mittlerweile wird der Markt virtueller Offshore-Glücksspiele in weiten Teilen von kriminellen Anbietern beherrscht.43 Nicht selten bieten Online-Glücksspielanbieter manipulierte virtuelle Glücksspiele an. Zum Teil ist z. B. die Glücksspielsoftware so programmiert, dass Spielteilnehmer gar keine oder nur geringe Gewinne erzielen können.44 Beispielhaft sei eine entsprechende Manipulation des Zufallsgenerators beim Online-Roulette oder -Black Jack genannt. Verbreitete Phänomene in der Online-Glücksspielbranche stellen zudem beispielsweise Quotenmanipulationen bei Sportwetten, Einsätze von automatisiert computergesteuerten Mitspielern, welche die Gewinnchancen menschlicher Mitspieler verringern, Nutzung von sog. Superuseraccounts, mit denen Glücksspielanbieter die Karten ihrer Spielteilnehmer ansehen können45 oder die schlichte Verweigerung von Gewinnauszahlungen dar. Schutzmaßnahmen zum Zwecke der Eindämmung der Sucht- und Vermögensrisiken werden seitens der Anbieter- und Empfangsstaaten in unterschiedlicher Art,

41 Vgl. EuGH Urt. v. 8. 9. 2009, Rs. C-42/07, Liga Portuguesa, Slg. 2009, I-7633, Rn. 63; Banks, S. 115 ff.; Laustetter, S. 80; Grünbuch „Online-Gewinnspiele im Binnenmarkt“, KOM (2011) 128 endg., S. 28 f.; vgl. auch Empfehlung 2014/478/EU der Kommission v. 14. 7. 2014 mit Grundsätzen für den Schutz von Verbrauchern und Nutzern von Online-Glücksspieldienstleistungen und für den Ausschluss Minderjähriger von Online-Glücksspielen, ABl. L 214 v. 19. 7. 2014, S. 40: „Zudem ist es erforderlich, auf die inhärenten Risiken – wie Betrug – dominierender Glücksspiel-Websites, die ohne jegliche Form der Kontrolle auf Unionsebene betrieben werden, aufmerksam zu machen“. 42 Vgl. EuGH Urt. v. 8. 9. 2009, Rs. C-42/07, Liga Portuguesa, Slg. 2009, I-7633, Rn. 63; Bertrand, S. 40. 43 Brugger, S. 23; siehe auch Grünbuch „Online-Gewinnspiele im Binnenmarkt“, KOM (2011) 128 endg., S. 28 ff.; Empfehlung 2014/478/EU der Kommission v. 14. 7. 2014 mit Grundsätzen für den Schutz von Verbrauchern und Nutzern von Online-Glücksspieldienstleistungen und für den Ausschluss Minderjähriger von Online-Glücksspielen, ABl. L 214 v. 19. 7. 2014, S. 40 sowie Banks, Chapter 4 und 5. Schätzungen zufolge zahlen bspw. ca. 1/3 der Anbieter virtueller Glücksspiele keine Gewinne aus, vgl. Dietlein/Woesler, K&R 2003, S. 458 ff. (459) unter Verweis auf John Sutherland (16. 4. 2001). 44 Siehe z. B. http://www.stol.it/Artikel/Chronik-im-Ueberblick/Lokal/Online-Gluecksspielmanipuliert-Brixner-verurteilt. 45 Vgl. Laustetter, S. 80 unter Verweis auf http://www.pokerolymp.de/articles/show/ news/3127/Neues+im+Skandal+um+Absolute+Poker.

B. Risiken und Schutzmaßnahmen

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Intensität und Entschlossenheit ergriffen.46 Diejenigen Staaten, von denen aus virtuelle Offshore-Glücksspiele typischerweise angeboten werden, verfolgen i. d. R. äußerst liberale Regulierungskonzepte. So verlangen die häufig gewählten Anbieterstaaten Antigua & Barbuda, Gibraltar, Isle of Man usw. von dort agierenden Glücksspielanbietern zwar die Einholung einer das Glücksspielangebot am Niederlassungsort legalisierenden Lizenz, die es ihnen nach dortigem Recht erlaubt, virtuelle Glücksspiele weltweit anzubieten.47 Wohl wissend um die mit einer Ansiedlung von Glücksspielanbietern einhergehenden fiskalischen Vorteile (z. B. in Form von Steuereinnahmen und Einnahmen aus Lizenzgebühren) wird die Lizenzerteilung allerdings – jedenfalls faktisch – i. d. R. weder an das Erfordernis einer unzweifelhaften Eignung des Anbieters, hinreichenden Spielerschutz zu gewährleisten, geknüpft, noch werden Spielanbietern effektive Spielerschutzauflagen oder ähnliche Schutzmechanismen auferlegt, wie sie etwa im deutschen GlStV 201248 vorgesehen sind.49 Eine behördliche Kontrolle des laufenden Spielbetriebs findet häufig gar nicht oder nur selten statt.50 Diejenigen Staaten, in denen sich Spieler an aus Rechtsoasen angebotenen virtuellen Offshore-Glücksspielen beteiligen können, verzichten zum Teil auf die Inanspruchnahme von Regulierungsgewalt. In England, Schottland, Wales und Irland beispielsweise können vom Ausland aus agierende Online-Glücksspielanbieter Spielangebote eröffnen, ohne Sanktionen befürchten zu müssen.51 Demgegenüber verfolgen andere Staaten wie z. B. die USA, Schweden und Portugal äußerst repressive Ansätze, um im Inland spielbare Offshore-Glücksspielangebote zum Zwecke des Spielerschutzes einzudämmen.52 In den USA ist es weitgehend verboten, Online-Glücksspiele auf US-amerikanischem Territorium anzubieten.53 Um das Verbot effektiv zur Durchsetzung zu bringen, sieht der Unlawful Internet Gambling Enforcement Act u. a. den Abbruch von Zahlungsströmen zwischen OffshoreGlücksspielanbietern und ihren Kunden vor, vgl. § 5363 des Titels 31 Kapitel 53 des 46 Eingehend zu unterschiedlichen Konzepten Devaney, I&CTL, Vol. 18, No. 3, October 2009, S. 273 ff., sowie – in Bezug auf Sportwetten – Sorbonne-ICSS Report, S. 14 ff. Seit dem 14. 7. 2014 existiert auf Ebene der EU eine Empfehlung 2014/478/EU der Kommission vom 14. 7. 2014 mit Grundsätzen für den Schutz von Verbrauchern und Nutzern von OnlineGlücksspieldienstleistungen und für den Ausschluss Minderjähriger von Online-Glücksspielen, ABl. L 214 v. 19. 7. 2014, S. 38 ff. 47 Siehe z. B. Sec. 3 Abs. 1 i.V.m. Sec. 23 Abs. 1 des Gibraltar Gambling Acts 2005, abrufbar unter http://www.gibraltarlaws.gov.gi/articles/2005 - 72o.pdf. 48 Siehe hierzu 3. Teil A. III. 49 Vgl. Sorbonne-ICSS Report, S. 14 ff., S. 12. 50 Vgl. Sorbonne-ICSS Report, S. 12. 51 Oelbermann, in: Becker (Hrsg.), S. 1 ff. (7); Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung (Fn. 25), S. 1416, 1418 f. 52 Vgl. Oelbermann, in: Becker (Hrsg.), S. 1 ff. (7). 53 Siehe Titel 18 § 1084 und § 1955 des United States Code, vgl. Katko, MMR 2007, S. 278 ff. (281); zu Interpretationsproblemen der Rechtsgrundlagen vgl. Gale, 15 CJICL 2007, S. 533 ff. (537 f.); Roysen, 26 AELJ 2009, S. 873 ff. (876 ff.).

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2. Teil: Virtuelle Offshore-Glücksspielangebote

United States Code54. Das US-amerikanische Regulierungsmodell führte zu durchgreifenden Erfolgen: Zahlreiche Glücksspielanbieter weltweit nehmen den US-amerikanischen Markt mittlerweile aufgrund der unmissverständlichen, abschreckenden grenzüberschreitenden Strafdrohung und der effektiven, rigorosen Durchsetzung des Online-Glücksspielverbotes von ihrem Angebotskreis aus.55

C. Ablauf Das Anbieten virtueller Offshore-Glücksspielangebote – verstanden als die Summe aller auf die Eröffnung und Betreuung eines Spielbetriebs sowie dessen Vermarktung gerichteter Tätigkeiten – umfasst typischerweise die folgenden Handlungsschritte56 : Der Glücksspielanbieter konzipiert zunächst sein Glücksspielangebot. Anschließend beschafft er sich die technischen Voraussetzungen, die er zur Eröffnung eines virtuellen Kasinos bzw. eines virtuellen Wettbüros benötigt. Hierzu zählt vor allem der Erwerb und die Registrierung einer Domain, der Erwerb oder das selbstständige Programmieren einer Glücksspielsoftware bzw. bei MobileGambling-Angeboten einer Applikation, das Erstellen einer Glücksspielwebseite und der Abschluss eines Web-Hosting-Vertrags über die Zurverfügungstellung von Serverplatz mit einem Host-Provider.57 Sobald die technischen Voraussetzungen geschaffen und ggf. eine Glücksspiellizenz beantragt und erteilt wurde, wird das virtuelle Kasino bzw. Wettbüro durch Laden der Angebotskomponenten auf einen Server „eröffnet“.58 Von nun an ist es Nutzern möglich, die Glücksspielwebseite bzw. -applikation etwa über Suchmaschinen, die die hochgeladene Webseite bzw. -applikation i. d. R. automatisiert in ihr Suchprogramm aufnehmen, aufzufinden, sich dort zu registrieren und sich an den angebotenen Glücksspielen zu beteiligen. Typischerweise bewerben Glücksspielanbieter ihr Glücksspielangebot vor und nach der „Eröffnung“ des virtuellen Kasinos bzw. Wettbüros. Geworben wird überwiegend im Internet z. B. durch Werbebanner, Pop-up-Fenster oder per E-Mail. 54 Abrufbar unter http://www.gpo.gov/fdsys/pkg/USCODE-2011-title31/html/USCODE-2 011-title31-subtitleIV-chap53-subchapIV-sec5363.htm. Vgl. hierzu Katko, MMR 2007, S. 278 ff.; Gale, 15 CJICL 2007, S. 533 ff. Der Unlawful Internet Gambling Enforcement Act führte zu welthandelsrechtlichen Konflikten mit Antigua & Barbuda, vgl. http://www.wto.org/ english/tratop_e/dispu_e/cases_e/ds285_e.htm; siehe hierzu Roysen, 26 AELJ 2009, S. 873 ff. 55 Vgl. Katko, MMR 2007, S. 278 ff. (279). 56 Ausführlich zu typischen Handlungen eines Internetglücksspielveranstalters Thumm, S. 41 ff. 57 Vgl. Thumm, S. 44. Der Terminus Provider bezeichnet Kommunikationsdiensteanbieter, http://www.duden.de/rechtschreibung/Provider. Ein Host-Provider stellt Speicherplatz zur Verfügung, Bleisteiner, S. 56. Möglich – aber praktisch selten – ist, dass der Glücksspielanbieter keine Dienste eines Host-Providers in Anspruch nimmt, da er eigene Server verwendet; vgl. zu dieser Konstellation Thumm, S. 42 ff. 58 Vgl. Thumm, S. 44 f.

C. Ablauf

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Die zur Publikation der Werbung führende Handlung liegt in der Eingabe von Befehlen, durch die entsprechende Daten auf einen Server geladen werden, in einer entsprechenden Beauftragung des Inhabers einer als Werbeplattform dienenden Webseite bzw. im Versenden von Werbe-E-Mails. Nach der „Eröffnung“ des virtuellen Kasinos, virtuellen Wettbüros o.Ä. bezieht sich die Tätigkeit des Glücksspielanbieters i. d. R. auf die Betreuung des Spielbetriebs. Typische Betreuungshandlungen bilden etwa das Öffnen und Schließen bestimmter virtueller Spiele oder der Ausschluss von Spielteilnehmern vom Spielbetrieb. Die vorgenannten Handlungen nimmt der Glücksspielanbieter entweder gänzlich in den o.g. Rechtsoasen vor. Teilweise ist auch zu beobachten, dass sich in Deutschland lebende Glücksspielanbieter – wohl in der Annahme, allein das Einstellen des Glücksspielangebots ins Internet sei nach deutschem Recht strafbar – lediglich zum Zwecke des Ladens der Angebotskomponenten auf einen Server in eine ausländische Rechtsoase begeben, um einer Strafverfolgung in Deutschland zu entgehen. Die diesem Verhalten vor- bzw. nachgelagerten Abläufe der Angebotskonzeption, Spielbewerbung, Spielbetreuung etc. laufen dann wiederum häufig im Inland ab.

3. Teil

Der Verbotstatbestand § 284 StGB Im Folgenden wird der in Bezug auf die soeben umschriebenen Handlungsabläufe des Anbietens virtueller Offshore-Glücksspiele in Rede stehende Verbotstatbestand § 284 StGB näher in den Blick genommen. Dabei werden zunächst (A.) der Schutzzweck und (B.) die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm erörtert, bevor sodann aus den unter A. und B. gewonnenen Erkenntnissen Rückschlüsse auf ihre Deliktsnatur gezogen werden (C.).

A. Schutzzweck Der Schutzzweck des § 284 StGB ist seit jeher umstritten. Das Spektrum der vertretenen Meinungen ist groß.59 I. Öffentliche Sittlichkeit, Arbeits- und Wirtschaftsmoral Früher wurde überwiegend davon ausgegangen, § 284 StGB schütze die „öffentliche Sittlichkeit“, „Arbeits- und Wirtschaftsmoral“.60 Das Glücksspielstrafrecht solle durch Eindämmung des Glücksspielangebots dazu beitragen, dass der Einzelne seinen „Lebensunterhalt durch ehrliche Arbeit“ verdiene, statt unsittlichen, unmoralischen Glücksspielangeboten nachzugehen.61 Aus heutiger Sicht scheidet ein solcher Schutzzweck – abgesehen von der Frage, ob Glücksspiele heutzutage überhaupt sozialethisch missbilligt werden – bereits deshalb aus, weil der Einsatz der ultima ratio der Kriminalstrafe nur zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes legitim sein kann62. Das Ziel, bestimmte Moral- und Sittlichkeitsvorstellungen durchzusetzen, vermag den mit Kriminalstrafe einhergehenden gravierenden Eingriff in Freiheitsrechte der Betroffenen nicht zu rechtfertigen. Im heutigen Schrifttum und der heutigen Rechtsprechung wird ein auf Moral und Sittlichkeit rekurrierender Schutzzweck des § 284 StGB aus diesem Grund nicht mehr vertreten.

59

Ausführlich zum Schutzzweck des Glücksspielstrafrechts Laustetter, S. 29 bis 115. Goldmann, S. 200 ff.; Weiser, S. 73 ff. 61 Goldmann, S. 200. 62 Vgl. statt vieler Hefendehl, S. 5 ff.; Roxin, AT I, § 2 Rn. 1 ff. Zu abweichenden Legitimationskonzepten vgl. Laustetter, S. 26 ff. 60

A. Schutzzweck

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II. Fiskalinteressen Heutzutage wird zum Teil die Meinung vertreten, § 284 StGB diene staatlichen Fiskalinteressen. Die Norm bezwecke, im Wege der Eindämmung staatlich nicht erlaubter Glücksspiele privater Anbieter die Einnahmen staatlicher Glücksspielanbieter zu erhöhen.63 Auf diese Weise könne gewährleistet werden, dass ausreichend finanzielle Mittel zur Förderung des Spielerschutzes zur Verfügung stehen.64 Eine derartige Einordnung übersieht vor allem, dass staatliche Fiskalinteressen weder den mit den strafbewehrten Verboten des § 284 StGB (i.V.m. § 4 GlStV) einhergehenden Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), noch – in Bezug auf aus EUMitgliedstaaten angebotene Glücksspiele – die Beschränkung der Dienstleistungsbzw. Niederlassungsfreiheit (Art. 56 bzw. 49 AEUV) der Glücksspielanbieter65 zu rechtfertigen imstande sind.66 Der Bundesrepublik Deutschland ist es aufgrund fehlender Vereinbarkeit mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip verfassungs- und unionsrechtlich verboten, die ultima ratio der Kriminalstrafe als Mittel zur bloßen Ausschaltung staatlicher Konkurrenz im Glücksspielwesen einzusetzen.67 III. Vermögensschutz vor Ausbeutung, Gesundheitsschutz Eine weit verbreitete Auffassung geht davon aus, § 284 StGB schütze im Wege der Eindämmung behördlich nicht erlaubter Glücksspiele das Vermögen der Spielteilnehmer vor einer ihre natürliche Spielleidenschaft ausnutzenden wirtschaftlichen Ausbeutung durch Glücksspielanbieter.68 Unter wirtschaftlicher Ausbeutung des Spielervermögens versteht diese Ansicht die – Glücksspielangeboten immanente – planmäßige Herbeiführung regulär (d. h. nicht zwingend infolge Spielmanipulation69) erlittener Vermögenseinbußen beim Spielteilnehmer. 63 Vgl. LG München I NStZ-RR 2004, 142 und Barton/Gercke/Janssen, wistra 2004, S. 321 ff. (326). Auch die Gesetzesbegründung zur Reform des Glücksspielstrafrechts durch das 6. Strafrechtsreformgesetz nennt Fiskalinteressen als eine von mehreren rechtspolitischen Motiven des Glücksspielstrafrechts: „einen nicht unerheblichen Teil der Einnahmen aus Glücksspielen (mindestens 25 %) zur Finanzierung gemeinnütziger oder öffentlicher Zwecke heranzuziehen“, BT-Drs. 13/8587, S. 67. 64 LG München I NStZ-RR 2004, 142; BT-Drs. 13/8587, S. 67. 65 Siehe hierzu 5. Teil 1. Abschnitt A. 66 Ebenso Mintas, S. 95. 67 Vgl. EuGH Urt. v. 6. 11. 2003, Rs. C-243/01, Gambelli, Slg. 2003, I-13031, Rn. 60 ff.; BVerfG NJW 2006, 1261, 1263 ff.; Brandl, S. 22; Wohlers/Gaede, in: NK-StGB § 284 Rn. 3; vgl. auch – in Bezug auf § 285 StGB – Duesberg/Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (17). 68 BGHSt 11, 209, 210; BayObLG NJW 1993, 2820, 2820; Lackner/Kühl, § 284 Rn. 1; Meurer/Bergmann, JuS 1983, S. 668 ff. (671); Mitsch, BT II, § 5 Rn. 164; vgl. auch die in der Gesetzesbegründung zum 6. Strafrechtsreformgesetz genannte rechtspolitische Zielsetzung, „eine Ausnutzung des natürlichen Spielbetriebs zu privaten oder gewerblichen Zwecken zu verhindern“, BT-Drs. 13/8587, S. 67. 69 Siehe hierzu 2. Teil B.

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3. Teil: Der Verbotstatbestand § 284 StGB

Teilweise wird auch die Meinung vertreten, § 284 StGB schütze im Wege der Angebotsbegrenzung die Gesundheit des Einzelnen vor einer Beeinträchtigung durch Spielsucht.70 Gegen beide Auffassungen wird im Schrifttum das Eigenverantwortlichkeitsprinzip eingewendet.71 Der Glücksspielanbieter eröffne potenziellen Spielteilnehmern die Möglichkeit, ihre Gesundheit und ihr Vermögen zu gefährden. Komme es zu einer Spielbeteiligung, beteilige sich der Glücksspielanbieter an einer Selbstgefährdung des Spielteilnehmers.72 Dieses Verhalten könne legitimerweise nur mit Strafe bedroht werden, wenn die Selbstgefährdung des Spielteilnehmers nicht freiverantwortlich erfolge.73 Anderenfalls liege eine autonome Entscheidung des Spielers vor, seine Rechtsgüter zu gefährden, hinsichtlich derer sich ein – aufgedrängter, paternalistischer – strafrechtlicher Rechtsgüterschutz verbiete.74 Da die Teilnehmer an einem ohne behördliche Erlaubnis angebotenen Glücksspiel bewusst und freiverantwortlich die Gefahr eingingen, spielsüchtig zu werden und ihr Vermögen infolge regulärer Spielverluste zu mindern, stellten Gesundheits- und Vermögensausbeutungsschutz keine legitimen Schutzgüter des § 284 StGB dar.75 Dieser Argumentation ist im Ansatz zuzustimmen. Entscheidet sich der Rechtsgutsträger freiverantwortlich für eine Schädigung seiner Rechtsgüter durch den Täter, entfällt seine Schutzbedürftigkeit aufgrund seiner – jedenfalls durch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) gewährleisteten76 – autonomen Rechtsgüterdisposition. Eine Bestrafung des Schädigers kann dann allenfalls zum Schutze von – der Disposition des unmittelbar Geschädigten entzogenen – Allgemeingütern oder Individualrechtsgütern Dritter legitim sein. Im Bereich der Individualvermögensschutz bezweckenden Vermögensdelikte kommt diese Wertung beispielsweise darin zum Ausdruck, dass § 263 StGB einen – die Freiverantwortlichkeit einer Vermögensverfügung ausschließenden – Irrtum voraussetzt.77 Im Bereich der Körperverletzungsdelikte kommt das Eigenverantwortlichkeitsprinzip z. B. in § 228 StGB zum Ausdruck, wonach mit Einwilligung der verletzten Person vorgenommene Schädigungen – bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit – nicht 70 Berberich, S. 62; Dietz, S. 12 ff., 28 ff.; Lampe, in: Rehbinder/Usteri (Hrsg.), S. 211 ff. (216 ff.); vgl. auch BVerwG NJW 2001, 2648, 2648, 2650. 71 Vgl. Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 4; Hoyer, in: SK-StGB, 135. Lfg. 2012, § 284 Rn. 8; Laustetter, S. 41 ff., 68 ff.; Weiser, S. 70; Wohlers/Gaede, in: NKStGB, § 284 Rn. 4. 72 Laustetter, S. 41 ff. 73 Hoyer, in: SK-StGB, 135. Lfg. 2012, § 284 Rn. 8; Laustetter, S. 41 ff. 74 Laustetter, S. 41, 60; allgemein zur Unzulässigkeit des Schutzes freiverantwortlich autonom handelnder Personen vor sich selbst vgl. nur Roxin, AT I, § 2 Rn. 32 f. 75 Vgl. Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 4; Hoyer, in: SK-StGB, 135. Lfg. 2012, § 284 Rn. 8; Laustetter, S. 41 ff., 68 ff.; Weiser, S. 70; Wohlers/Gaede, in: NKStGB, § 284 Rn. 4. 76 Paeffgen, in: NK-StGB, § 228 Rn. 3. 77 Vgl. Feldmann, S. 43.

A. Schutzzweck

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rechtswidrig sind.78 Sind damit Vermögens- und Gesundheitsverletzungen, die mit freiverantwortlicher Zustimmung des Geschädigten erfolgen, einer Pönalisierung zum Zwecke des Schutzes der Rechtsgüter des Verletzten entzogen, muss das erst recht bei den in Rede stehenden Fällen von Glücksspielangeboten der Fall sein, bei denen ein Spielteilnehmer sein Vermögen bzw. seine Gesundheit lediglich freiverantwortlich „aufs Spiel setzt“, ohne dass es notwendigerweise zu Vermögens- oder Gesundheitsschäden kommt.79 Einschränkend ist allerdings gegen die obige Argumentation im Schrifttum einzuwenden, dass nicht jede Spielteilnahmeentscheidung freiverantwortlich erfolgt. Vor allem minderjährige und spielsüchtige Personen sind häufig nicht in der Lage, die von Glücksspielen ausgehenden Gefahren für ihre Gesundheit und ihr Vermögen zu erfassen bzw. ihr Verhalten an erkannten Gefahren auszurichten. Besonders Kinder (Personen unter 14 Jahre80) treffen ihre Spielteilnahmeentscheidung regelmäßig nicht freiverantwortlich.81 Gleiches gilt in Bezug auf Spielsüchtige, deren Sucht einen derart gravierenden Krankheitsgrad erreicht hat, dass sie sich zur Spielteilnahme etwa zum Zwecke der Suchtbefriedigung alternativlos gezwungen sehen.82 Das Eigenverantwortlichkeitsprinzip stünde einer Pönalisierung von Glücksspielangeboten zum Zwecke des Gesundheits- und Vermögensausbeutungsschutzes dieser Personengruppen nicht entgegen.83 Die Gesetzesmaterialen zu § 284 StGB deuten einen dahingehenden Schutzzweck zumindest an, wenn dort als ein rechtspolitisches Ziel des Glücksspielstrafrechts die – nach den obigen Ausführungen allein im Hinblick auf nicht freiverantwortlich handelnde Personen zulässige – Verhinderung einer Ausnutzung des Spieltriebs zu Gewinnzwecken genannt wird.84 In dem durch das Tatbestands78

Vgl. statt vieler Paeffgen, in: NK-StGB, § 228 Rn. 3. In diese Richtung auch Bertrand, S. 35; Mintas, S. 89. 80 Siehe § 1 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG, § 184b Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB. 81 Duesberg/Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (17). Unter welchen Voraussetzungen eine Freiverantwortlichkeit der Selbstgefährdung entfällt, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird auf die zur Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit entwickelten Regeln abgestellt, so Lackner/Kühl, Vor § 211 Rn. 13; Neumann, in: NK-StGB, Vor § 211 Rn. 61; Rengier, BT II, § 8 Rn. 5. Teilweise werden Exkulpationsregeln (insb. §§ 20, 21 und 35 StGB) entsprechend herangezogen, so Roxin, AT II, § 25 Rn. 144 ff.; Schneider, in: MK-StGB, Vor § 211 Rn. 54 ff.; Schünemann, in: LK-StGB, § 25 Rn. 72. Im Falle von Kindern gelangen beide Auffassungen zur Ablehnung einer Freiverantwortlichkeit. 82 Duesberg/Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (17); ähnlich Feldmann, S. 42; Volk, S. 11. Auch in diesen Fällen gelangten sowohl die Einwilligungs- als auch die Exkulpationslösung zur Verneinung einer Freiverantwortlichkeit. Auch die – im Falle von Spielsucht ansonsten äußerst restriktive – Rechtsprechung (vgl. z. B. BGH NJW 2013, 18) dürfte in den in Rede stehenden Fällen gravierender Spielsucht aufgrund der bestehenden Zwangssituation die Schuldfähigkeit verneinen und damit – auf Basis der Exkulpationslösung – einen Ausschluss der Freiverantwortlichkeit annehmen. 83 Ähnlich – in Bezug auf Spielsüchtige – Feldmann, S. 42; Mitsch, BT II, § 5 Rn. 164; a.A. Laustetter, S. 47 ff. 84 BT-Drs. 13/8587 S. 67. 79

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3. Teil: Der Verbotstatbestand § 284 StGB

merkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ von § 284 StGB verwaltungsakzessorisch in Bezug genommenen GlStV 2012 wird der Schutz Minderjähriger und Spielsüchtiger in § 1 Nr. 1 und 3 sogar explizit als ein Kernziel der deutschen Glücksspielregulierung zum Ausdruck gebracht.85 Die systematische Verortung des § 284 StGB im 25. Abschnitt „Strafbarer Eigennutz“ scheint auf den ersten Blick kaum Rückschlüsse auf einen das Vermögen und die Gesundheit nicht freiverantwortlich handelnder spielsüchtiger und minderjähriger Personen rekurrierenden Schutzzweck zuzulassen. Der Titel „Strafbarer Eigennutz“ gewährt insofern keinen zuverlässigen Aufschluss über die Einordnung der unter diesem Titel aufgeführten Tatbestände, als einige dieser Tatbestände auch fremdnütziges Verhalten unter Strafe stellen86, einige Tatbestände sogar noch nicht einmal eigen- oder fremdnütziges Verhalten voraussetzen87. Voraussetzung sämtlicher im 25. Abschnitt aufgeführten Tatbestände ist jedoch, dass der Täter bestimmte, die Tatbegehung vereinfachende oder ermöglichende Gegebenheiten beim Opfer ausnutzt.88 Ein auf die Ausnutzung von hochgradiger Spielsucht oder des kindlichen Alters der Spielteilnehmer rekurrierender Schutzzweck des § 284 StGB passt in dieses Bild. Eine weitere Gemeinsamkeit der im 25. Abschnitt aufgeführten Tatbestände besteht darin, dass sie sich nicht passgenau in einen anderen Abschnitt des StGB einordnen lassen.89 Schützte § 284 StGB ausschließlich die Gesundheit oder ausschließlich das Vermögen, hätte die Norm in den 17. bzw. den 22. Abschnitt eingeordnet werden können. Würden beide Rechtsgüter geschützt, passte die Norm aufgrund des zweigleisigen Schutzes weder in den 17. noch in den 22. Abschnitt. Die Verortung der Norm im 25. Abschnitt stellte sich dann als plausibel dar. Der Auffangcharakter des 25. Abschnitts spricht insofern für einen sowohl auf das Vermögen als auch auf die Gesundheit nicht freiverantwortlich handelnder minderjähriger oder spielsüchtiger Personen rekurrierenden Schutzzweck. Die Erforderlichkeit eines dahingehenden Schutzzwecks sähe sich allerdings in Frage gestellt, wenn die Gesundheit und das Vermögen unfrei handelnder spielsüchtiger und minderjähriger Personen bereits durch andere Sanktionsvorschriften umfangreich vor den Risiken illegaler Glücksspiele geschützt würden. Schutz vor glücksspielteilnahmebedingten Vermögens- und Gesundheitsschäden minderjähri85

Vgl. zudem die Minderjährigen- und Suchtschutz bezweckenden Vorschriften §§ 4 Abs. 3, 4 Abs. 5 Nr. 1, 4b Abs. 2 Nr. 3, 8 Abs. 2 GlStV 2012. 86 So z. B. §§ 291, 292, 293 StGB („sich oder einem Dritten“, Hervorhebung nur hier), vgl. Hohmann, in: MK-StGB, Vor §§ 284 ff. Rn. 1. 87 So z. B. §§ 292 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB und 293 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB („beschädigt“), vgl. Hohmann, in: MK-StGB, Vor §§ 284 ff. Rn. 1; Hoyer, in: SK-StGB, 135. Lfg. 2012, Vor § 284 Rn. 1. 88 Z. B. bei § 291 StGB die Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen oder erhebliche Willensschwäche des Opfers, vgl. Hoyer, in: SK-StGB, 135. Lfg. 2012, Vor § 284 Rn. 2. 89 Von Bubnoff, in: LK-StGB (11. Aufl.), Vor §§ 284 ff. Rn. 1; Hohmann, in: MK-StGB, Vor §§ 284 ff. Rn. 1; Wrage, ZRP 1998, S. 426 ff. (428).

A. Schutzzweck

35

ger Personen gewähren die mit Bußgeld und in eng umgrenzten Fällen mit Kriminalstrafe bedrohten Verbote in § 6 Abs. 2 i.V.m. § 28 Nr. 8 bzw. i.V.m. § 27 Abs. 2 JSchG. Von den glücksspielstrafrechtlichen Verboten in § 284 StGB unterscheiden sich diese Verbote allerdings vor allem insofern, als § 284 StGB tatbestandlich weit über die eng umgrenzten kriminalstrafrechtlichen Verbote in § 27 Abs. 2 JSchG hinausreicht. Darüber hinaus liegt § 284 StGB mit seiner verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung ein anderes Schutzkonzept als dem JSchG zugrunde. Eine § 284 StGB in Bezug auf den Schutz der Gesundheit und des Vermögens Minderjähriger ausschließende Regelung lässt sich dem JSchG daher nicht entnehmen. Auch andere nebenstrafrechtliche Bestimmungen schließen ein glücksspielstrafrechtliches Schutzbedürfnis in diesem Bereich nicht aus.90 Im Hinblick auf den Schutz Spielsüchtiger fehlt es derzeit ebenfalls an nebenstrafrechtlichen Sanktionsvorschriften, die eine auf den Schutz der Gesundheit und des Vermögens nicht freiverantwortlich handelnder Spielsüchtiger rekurrierende Schutzrichtung des § 284 StGB obsolet werden lassen könnten.91 Innerhalb des StGB schützt lediglich § 291 StGB (Wucher) das Vermögen Spielsüchtiger und Minderjähriger vor einer Ausbeutung. Der Schutz beschränkt sich allerdings auf eng umgrenzte Fälle, in denen ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht.92 Für einen darüber hinausgehenden Vermögensschutz durch § 284 StGB besteht daher weiterhin Raum. Im Hinblick auf die Körperverletzungsdelikte des StGB (§§ 223 ff. StGB) ist zu konstatieren, dass eine Strafbarkeit des Glücksspielanbieters wegen Herbeiführung von Gesundheitsschäden bei nicht freiverantwortlich handelnden spielsüchtigen und minderjährigen Spielteilnehmern zwar jedenfalls nicht an einer den Zurechnungszusammenhang ausschließenden eigenverantwortlichen Selbstgefährdung des Opfers scheiterte. Auch eine die Rechtswidrigkeit der Tat ausschließende Einwilligung scheidet in diesen Fällen mangels Einsichts- und/oder Urteilsfähigkeit der Spielteilnehmer aus. Geht man allerdings mit der Rechtsprechung93 und weiten Teilen

90 Insb. den in landesrechtlichen Glücksspielgesetzen enthaltenen bußgeldbewehrten Verboten zum Zwecke des Minderjährigenschutzes (vgl. z. B. § 23 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages NRW) kommt schon insofern kein Einfluss auf § 284 StGB zu, als sich ihr Anwendungsbereich auf das betreffende Bundesland beschränkt. Abgesehen davon steht bereits die formelle Verfassungsmäßigkeit der landesrechtlichen Tatbestände in Frage, siehe hierzu 5. Teil 6. Abschnitt A. sowie Dannecker/Pfaffendorf, NZWiSt 2012, S. 252 ff. 91 Auf Suchtschutz rekurrierende Ordnungswidrigkeitentatbestände in landesrechtlichen Glücksspielgesetzen (vgl. z. B. § 23 Abs. 1 Nr. 7, 14 und 18 des Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages NRW) betreffen ebenfalls nur einzelne Bundesländer und sehen sich formell verfassungsrechtlichen Einwänden ausgesetzt, siehe hierzu 5. Teil 6. Abschnitt A. sowie Dannecker/Pfaffendorf, NZWiSt 2012, S. 252 ff. 92 Darauf weist auch Hoyer, in: SK-StGB, 135. Lfg. 2012, § 284 Rn. 7, hin. 93 Siehe z. B. BGHSt 48, 34, 36 f.; BGH NStZ-RR 2000, 106; OLG Düsseldorf NJW 2002, 2118.

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3. Teil: Der Verbotstatbestand § 284 StGB

der Literatur94 von einer gebotenen restriktiven Auslegung der Körperverletzungsdelikte dahingehend aus, dass nur erhebliche körperliche und nicht allein psychische Auswirkungen beim Opfer einen tatbestandsmäßigen Körperverletzungserfolg begründen, stünde in Fällen, in denen sich eine hervorgerufene, perpetuierte oder gesteigerte Spielsucht nicht oder nur unerheblich körperlich auswirkt, bereits die objektive Tatbestandsmäßigkeit in Frage. Selbst wenn man den Eintritt eines Körperverletzungserfolges bejahte, dürfte nur selten eine kausale Verknüpfung mit dem Anbieten des Glücksspiels nachweisbar sein. Im Hinblick auf vorsätzliche Körperverletzungsdelikte scheiterte eine Strafbarkeit des Glücksspielanbieters – selbst bei nachweisbarer Verwirklichung des objektiven Tatbestandes – häufig an einem Tatbestandsirrtum i.S.d. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB, wenn der Glücksspielanbieter davon ausginge oder darauf vertraute, dass seine Kunden keine Gesundheitsschäden erleiden oder dass nicht freiverantwortlich handelnde minderjährige bzw. spielsüchtige Personen gar nicht erst am Spielbetrieb teilnehmen. Körperverletzungsdelikte schützen minderjährige und spielsüchtige Personen damit nicht vollumfänglich vor spielteilnahmebedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen.95 § 284 StGB weist derartige Schutzlücken demgegenüber nicht auf. Die Tatbestandsverwirklichung setzt hier lediglich das Vorliegen eines öffentlichen Glücksspiels, dessen Veranstaltung, Halten etc., das Fehlen einer behördlichen Erlaubnis und einen entsprechenden Vorsatz voraus. Festzuhalten ist nach alledem, dass die Erforderlichkeit eines glücksspielstrafrechtlichen Gesundheits- und Vermögensschutzes nicht freiverantwortlich handelnder minderjähriger und spielsüchtiger Personen nicht dadurch entfällt, dass bereits andere Sanktionsvorschriften in diesem Bereich umfangreichen Schutz gewähren. Kommt demnach die Gesundheit und das Vermögen unfrei handelnder Spielsüchtiger und Minderjähriger als Schutzgut des § 284 StGB grundsätzlich in Betracht, erscheint gleichwohl fraglich, warum das deutsche Glücksspiel(straf)recht nur ohne behördliche Erlaubnis angebotene Glücksspiele verbietet, staatliche sowie staatlich konzessionierte Glücksspielangebote hingegen zulässt. Sähe man den Schutzzweck des § 284 StGB pauschal im Schutz des Vermögens der Spielteilnehmer vor Ausbeutung, ergäbe eine solche Differenzierung keinen Sinn, zumal das Spielervermögen auch durch staatliche oder staatlich konzessionierte Anbieter, die

94

Vgl. nur Eser, in: Schönke/Schröder, § 223 Rn. 6; Fischer, § 223 Rn. 12; Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT I, § 9 Rn. 2; Paeffgen, in: NK-StGB, § 223 Rn. 15. 95 Zur materiell-rechtlichen Lückenhaftigkeit des strafrechtlichen Schutzes kommen praktische Beweisprobleme hinzu. Schwer zu beweisen sein dürfte insb., ob sich der Spielteilnehmer im Zeitpunkt der Spielteilnahme in einem die Freiverantwortlichkeit seines Handelns ausschließenden Suchtzustand befand und ob der Glücksspielanbieter im Zeitpunkt der Eröffnung der Spielbeteiligungsmöglichkeit vorsätzlich handelte. In dubio pro reo dürften Bestrafungen wegen Körperverletzungsdelikten daher häufig ausscheiden. I.d.R. dürften eingeleitete Strafverfahren eingestellt werden.

A. Schutzzweck

37

jährlich Gewinne in Milliardenhöhe erzielen96, ausgebeutet wird.97 Insofern bestätigt sich die bereits oben unter dem Gesichtspunkt des Eigenverantwortlichkeitsprinzips gewonnene Erkenntnis, dass § 284 StGB nicht pauschal das Vermögen sämtlicher Spielteilnehmer vor Ausbeutung schützt. Ausgehend vom Schutzzweck des Gesundheits- und Vermögensausbeutungsschutzes nicht freiverantwortlich handelnder Spielsüchtiger und Minderjähriger gelangt man hingegen zu einer anderen Bewertung. Zwar lässt sich nicht mit vollkommener Sicherheit ausschließen, dass sich diese Personen an staatlichen und staatlich konzessionierten Glücksspielangeboten beteiligen und damit den auch hier bestehenden Sucht- und Vermögensverlustgefahren ausgesetzt sind. Staatliche und staatlich konzessionierte Anbieter erfüllen allerdings, um ihr Glücksspiel legal anbieten zu können, strenge glücksspielverwaltungsrechtliche Spielerschutzanforderungen, deren Einhaltung behördlich kontrolliert wird. In §§ 4 Abs. 2, Abs. 3, 4a GlStV 2012 wird die Erteilung einer behördlichen Glücksspielveranstaltungserlaubnis u. a. davon abhängig gemacht, dass der Veranstalter in zuverlässiger Art und Weise Suchtschutz gewährleistet und den Ausschluss minderjähriger Personen vom Spielbetrieb sicherstellt. Konzessionen für die in Puncto Spielsucht besonders gefährlichen Internetglücksspielveranstaltungen98 werden gem. § 4 Abs. 4 GlStV 2012 grundsätzlich99 nicht erteilt und auch staatliche Veranstalter bieten Internetglücksspiele grundsätzlich100 nicht an. Voraussetzung einer Konzessionserteilung ist zudem die ständige Erreichbarkeit – ergo die ständige Überprüfbarkeit der Rechtmäßigkeit des Glücksspielangebots – durch die Glücksspielaufsicht, vgl. § 4a Abs. 4 Nr. 1 und 3, 9 GlStV 2012. Werden die Vorgaben nicht eingehalten, droht ein Entzug der Glücksspielkonzession, vgl. § 4e Abs. 4 GlStV 2012 sowie die Widerrufsvorschriften in den Glücksspielgesetzen der Länder.101 Staatliche und staatlich kon96 Laut einer Studie der Forschungsstelle Glücksspiel, Hohenheim, beliefen sich die öffentlichen Einnahmen aus Glücksspielen im Jahr 2009 auf 4,808 Milliarden Euro, Barth, Glücksspielmarkt 2009. 97 Fischer, § 284 Rn. 2a, und Wohlers/Gaede, in: NK-StGB, § 284 Rn. 4, verneinen mit dieser Argumentation einen auf Vermögensausbeutung rekurrierenden Schutzzweck des § 284 StGB. 98 Siehe hierzu oben 2. Teil B. 99 Eine Ausnahme bilden die in § 4 Abs. 5 GlStV 2012 normierten begrenzten, der gesetzlichen Konzeption nach auf spezifisches Suchtpotenzial abgestimmten, Konzessionierungsmöglichkeiten von Online-Sportwetten. 100 Eine Ausnahme bildet das vergleichsweise geringes Suchtpotenzial bergende Glücksspiel Lotto, siehe http://www.lotto.de, sowie Sportwetten, siehe http://www.oddset.de. Zu Recht kritisch in Bezug auf die Ausgestaltung der staatlichen Glücksspielangebote, insb. der staatlichen Glücksspielwerbung Laustetter, S. 63. 101 Z. B. § 6 des Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages MecklenburgVorpommern, GVOBl. M-V 2007, S. 386. Fehlt eine glücksspielrechtliche Widerrufsvorschrift im landesrechtlichen Glücksspielverwaltungsrecht oder ist eine solche nicht abschließend normiert, gilt (ergänzend) die § 49 Bundesverwaltungsverfahrensgesetz entsprechende Vorschrift im landesrechtlichen Verwaltungsverfahrensgesetz, z. B. § 49 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW.

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3. Teil: Der Verbotstatbestand § 284 StGB

zessionierte Anbieter bieten damit eine höhere Gewähr dafür, dass nicht freiverantwortlich handelnde minderjährige und spielsüchtige Personen vom Glücksspielbetrieb ferngehalten werden, als es bei der staatlichen Regulierung (weitgehend) entzogenen, für die Behörden oftmals gar nicht auffindbaren, unkonzessionierten Anbietern der Fall ist.102 Die Differenzierung zwischen strafbewehrt verbotenen unkonzessionierten und erlaubten konzessionierten Glücksspielangeboten stellt sich insofern als nachvollziehbar dar.103 In Anbetracht der Freiheitsrechte des Glücksspielanbieters (siehe hierzu oben A. II. sowie 5. Teil 1. Abschnitt A.) wäre eine über den Gesundheits- und Vermögensausbeutungsschutz nicht freiverantwortlich handelnder minderjähriger und spielsüchtiger Personen begründete Vorfeldkriminalisierung gleichwohl als unverhältnismäßig abzulehnen, wenn sich ein entsprechender Schutz auch durch einen dem § 284 StGB tatbestandlich entsprechenden Bußgeldtatbestand gewähren ließe. Fragwürdig ist zudem, ob hinreichender Schutz nicht etwa auch bereits durch eine bloße Kriminalisierung tatsächlich herbeigeführter nicht freiverantwortlich erlittener spielteilnahmebedingter Vermögens- und Gesundheitsschäden gewährt werden könnte. Gegen die letztgenannte Erwägung ist die soeben geschilderte spielerschützende Bedeutung der staatlichen Glücksspielkonzessionierung einzuwenden. In Anbetracht der von illegalen Glücksspielangeboten (insb. illegalen virtuellen Glücksspielangeboten) ausgehenden gravierenden Gefahren für spielsüchtige und minderjährige Spielteilnehmer104 stellt es sich als im Grundsatz legitim dar, bereits die Gefahrenquelle in Form der unkonzessionierten Glücksspiele im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung oder konkreten Rechtsgutsgefährdung zu bekämpfen. Auch der Einsatz der ultima ratio der Kriminalstrafe ist vor diesem Hintergrund grundsätzlich legitimierbar. Die gesetzgeberische Einschätzung, von einer ordnungswidrigkeitsrechtlichen Pönalisierung ginge eine weniger abschreckende Wirkung aus als von einer kriminalstrafrechtlichen Strafdrohung, stellt sich in Anbetracht der kriminalstrafrechtlichen Implikationen (sozialethisches Unwerturteil, drohende Freiheitsstrafe etc.) als vertretbar dar.105 Glücksspielanbieter dürften das Risiko, mit einem Bußgeld belegt zu werden, tendenziell eher einzugehen bereit sein als das Risiko, kriminalstrafrechtlich belangt zu werden,106 wenngleich in beiden Fällen eine – besonders abschreckende – Gewinnabschöpfung droht107.

102

Rn. 9. 103

Ähnlich BayObLG NJW 2004, 1057, 1058; von Bubnoff, in: LK-StGB (11. Aufl.), § 284

A.A. Hambach/Liesching, in: Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 7; Lesch, JR 2003, S. 344 ff. (345); Wohlers/Gaede, in: NK-StGB, § 284 Rn. 4. 104 Siehe hierzu 2. Teil B. 105 Zum weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers zwischen Kriminalstrafe und Bußgeld siehe BVerfGE 80, 182, 185 f.; 90, 145, 173, 188 ff. 106 In diese Richtung auch Bertrand, S. 47.

A. Schutzzweck

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Den Freiheitsrechten der Glücksspielanbieter ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die durch § 284 StGB statuierte einschneidend freiheitsbeschränkende kriminalstrafrechtliche Vorfeldpönalisierung (und damit korrespondierend: in den Vorfeldbereich ausgedehnter Ermittlungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden bei entsprechenden Verdachtsgraden) durch eine restriktive Normauslegung beschränkt wird (siehe hierzu sogleich unter B. III., V. und VII.). Festgehalten werden kann nach alledem, dass § 284 StGB aus dem weiten Feld des eingangs zur Diskussion gestellten Vermögensausbeutungs- und Gesundheitsschutzes den Schutz des Vermögens und der Gesundheit nicht freiverantwortlich handelnder spielsüchtiger und minderjähriger Personen bezweckt. IV. Vermögensschutz vor Spielmanipulation Unter dem Gesichtspunkt des Vermögensschutzes kommt des Weiteren in Betracht, den Schutzzweck des § 284 StGB in einer Eindämmung manipulationsanfälliger illegaler Glücksspielangebote zum Schutze vor spielmanipulationsbedingten Vermögensschäden zu erblicken.108 Im Unterschied zum soeben diskutierten Vermögensausbeutungsschutz, der sich nach dem hier eingenommenen Standpunkt auf nicht freiverantwortlich handelnde Spielsüchtige und Minderjährige beschränkt, hätte ein auf Spielmanipulationsverhinderung abzielender Schutzzweck das Vermögen sämtlicher Spielteilnehmer im Blick. Die Gesetzesmaterialien deuten auf einen derartigen Schutzzweck hin, wenn es dort heißt, das strafbewehrte Verbot, behördlich nicht erlaubte Glücksspiele zu veranstalten, diene u. a. dazu, „durch staatliche Kontrolle einen ordnungsgemäßen Spielablauf zu gewährleisten“109. Auch der von § 284 StGB verwaltungsakzessorisch in Bezug genommene GlStV 2012 normiert in § 1 Nr. 4 die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Spielablaufs und den Schutz der Spielteilnehmer vor betrügerischen Machenschaften als eines der Kernziele der deutschen Glücksspielregulierung. Ebenso wie der zuvor diskutierte auf Gesundheits- und Vermögensausbeutungsschutz nicht freiverantwortlich handelnder minderjähriger oder spielsüchtiger Personen rekurrierende Schutzzweck muss sich auch diese Auffassung vor allem am Eigenverantwortlichkeitsprinzip und der Frage messen lassen, warum das deutsche Glücksspiel(straf)recht nur ohne behördliche Erlaubnis angebotene Glücksspiele verbietet, staatliche sowie staatlich konzessionierte Glücksspielangebote hingegen zulässt. 107 Vgl. §§ 286, 73 ff. StGB einerseits und § 17 Abs. 4 OWiG andererseits, siehe auch § 29a OWiG. 108 So BVerfGE 28, 119, 148; BayObLG 1993, 2820, 2821; Bertrand, S. 40 ff.; Feldmann, S. 46; Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 5; Wohlers/Gaede, in: NK-StGB, § 284 Rn. 4. 109 BT-Drs. 13/8587, S. 67.

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3. Teil: Der Verbotstatbestand § 284 StGB

In Bezug auf das Eigenverantwortlichkeitsprinzip ist festzustellen, dass die Entscheidung eines Spielteilnehmers, sich gegen Entgelt am Spielbetrieb zu beteiligen, in aller Regel auf der Annahme basiert, das Glücksspiel laufe ordnungsgemäß ab. Anderenfalls würde er sich regelmäßig nicht am Spiel beteiligen.110 Das Risiko, Vermögensschäden infolge Spielmanipulationen zu erleiden, geht er also regelmäßig unbewusst und damit nicht freiverantwortlich ein.111 Ein staatlicher Schutz des Spielervermögens vor spielmanipulationsbedingter Entwertung stellt sich daher unter dem Gesichtspunkt des Eigenverantwortlichkeitsprinzips als legitim dar.112 In Bezug auf die Frage, warum das deutsche Glücksspiel(straf)recht nur ohne behördliche Erlaubnis angebotene Glücksspiele pönalisiert, staatliche sowie staatlich konzessionierte Glücksspielangebote hingegen erlaubt, ist zu konstatieren, dass ein staatlich oder staatlich konzessioniertes Glücksspielangebot geringere Manipulationsgefahren birgt als der staatlichen Regulierung weitgehend entzogene Glücksspielangebote nicht konzessionierter Anbieter.113 Konkret werden Manipulationsgefahren bei staatlichen und staatlich konzessionierten Anbietern beispielsweise durch die strengen Zulassungsvoraussetzungen in § 4a GlStV 2012 minimiert. Exemplarisch seien die hohen Anforderungen an die Zuverlässigkeit des Glücksspielanbieters und die Transparenz und Sicherheit des Glücksspielbetriebs (§ 4a Abs. 4 Nr. 1 und 3 GlStV 2012) genannt. Im Schrifttum wird ein auf das Spielervermögen rekurrierender Schutzzweck des § 284 StGB zum Teil mit der Erwägung abgelehnt, die in § 263 Abs. 1 (Abs. 2) StGB normierte (versuchte) Betrugsstrafbarkeit gewährleiste bereits hinreichenden Schutz vor spielmanipulationsbedingten Vermögensschäden.114 Eine solche These setzte zunächst voraus, dass § 263 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB überhaupt Fälle erfasst, in denen die Gewinnmöglichkeiten eines von einem regulären Spielablauf ausgehenden Spielteilnehmers durch Spielmanipulationen gemindert werden.115 Selbst wenn man das bejahte, bliebe für einen in den Vorfeldbereich einer betrügerischen Vermögensschädigung bzw. des unmittelbaren Ansetzens hierzu vorverlagerten Vermögensschutz durch § 284 StGB allerdings weiterhin insofern Raum, als sich ein tatbestandsmäßiger (versuchter) Spielbetrug i. d. R. schwerer nachweisen lässt als ein bloßes – unabhängig vom Eintritt eines Vermögensschadens tatbestandsmäßiges – Anbieten eines illegalen Glücksspiels i.S.d. § 284 StGB. Die § 284 StGB zugrunde liegende gesetzgeberische Entscheidung, durch eine Pönalisierung unkonzessionierter Glücksspielangebote die Basis von Spielmanipulationen zu bekämpfen, stellt 110

So auch Bertrand, S. 36. So auch Bertrand, S. 36; Duesberg/Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (17); Heine/ Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 5; Hoyer, in: SK-StGB, 135. Lfg. 2012, § 284 Rn. 8; Volk, S. 11. 112 Ebenso Bertrand, S. 36; Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 5; Hoyer, in: SK-StGB, 135. Lfg. 2012, § 284 Rn. 8; Laustetter, S. 79, 115. 113 Ebenso Laustetter, S. 80 f.; zweifelnd Mintas, S. 100 ff. 114 Mintas, S. 89; Wrage, ZRP 1998, S. 426 ff. (428). 115 Siehe hierzu 5. Teil 6. Abschnitt E. IV. 3. 111

B. Tatbestandsvoraussetzungen

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sich dabei angesichts der Manipulationsanfälligkeit unkonzessionierter Glücksspiele und der rasanten Zunahme von Spielmanipulationen – insbesondere im Bereich der expandierenden illegalen virtuellen Glücksspiele (siehe 2. Teil A. und B.) – als plausibel dar.116 § 263 StGB schließt einen das Spielervermögen in Bezug nehmenden Schutzzweck des § 284 StGB daher nicht aus. Aufgrund der geschilderten gravierenden Gefahrenlage im Bereich der illegalen Glücksspiele ist im Grundsatz auch die gesetzgeberische Entscheidung legitimierbar, illegalen Glücksspielangeboten zum Zwecke der Eindämmung von Manipulationsgefahren mit der ultima ratio der Kriminalstrafe statt mit ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionen entgegenzutreten.117 Parallel zu den obigen Ausführungen zum Gesundheits- und Vermögensausbeutungsschutz118 stellt sich die gesetzgeberische Einschätzung, Glücksspielanbieter dürften das Risiko, mit einem Bußgeld belegt zu werden, eher einzugehen bereit sein als ein kriminalstrafrechtliches Sanktionierungsrisiko, auch hier als vertretbar dar. Angesichts des mit einer kriminalstrafrechtlichen Vorfeldpönalisierung einhergehenden schwerwiegenden Freiheitseingriffs ist § 284 StGB allerdings – auch unter dem Gesichtspunkt des Manipulationsschutzes – in zahlreichen Konstellationen restriktiv auszulegen (hierzu sogleich unter B. III., V. und VII.). V. Ergebnis Festzuhalten ist nach alledem, dass § 284 StGB das Vermögen sämtlicher Spielteilnehmer vor Entwertungen durch Spielmanipulationen zu schützen bezweckt. Zudem sollen nicht freiverantwortlich handelnde Minderjährige und Spielsüchtige vor Vermögensausbeutung und Gesundheitsbeeinträchtigungen geschützt werden.

B. Tatbestandsvoraussetzungen Hinsichtlich der Voraussetzungen einer Strafbarkeit des Anbieters virtueller Offshore-Glücksspiele gem. § 284 StGB stellt sich u. a. die Frage, ob bestimmte virtuelle Spiele, insb. Online-Poker und Online-Sportwetten, angesichts ihres nicht unbeträchtlichen Geschicklichkeitsfaktors als öffentliche Glücksspiele i.S.d. § 284 StGB einzuordnen sind. Ebenso relevant ist die Frage, ob eine etwaige (EU-)ausländische Glücksspiellizenz des Glücksspielanbieters als „behördliche Erlaubnis“ 116 Vgl. EuGH Urt. v. 8. 9. 2009, Rs. C-42/07, Liga Portuguesa, Slg. 2009, I-7633, Rn. 62 ff.; BVerfGE 115, 276, 306, 308 f.; Krehl, in: LK-StGB, Vor § 284 Rn. 10; eingehend zur Frage nach der Verhältnismäßigkeit Laustetter, S. 84 ff. 117 Für eine Abschaffung des weit vorverlagerten kriminalstrafrechtlichen Vermögensschutzes durch § 284 StGB plädieren Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 24 Rn. 38; Belz, S.123; Lesch, JR 2003, S. 344 ff. (345). 118 Siehe 3. Teil A. III.

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3. Teil: Der Verbotstatbestand § 284 StGB

i.S.d. § 284 StGB anzuerkennen ist und damit die Tatbestandsmäßigkeit ausschließt. Diese Fragen betreffen die – vom strafanwendungsrechtlichen Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit abzuschichtende – Auslegung der Tatbestandsmerkmale „öffentliches Glücksspiel“ und „ohne behördliche Erlaubnis“ in § 284 StGB. Beiden Fragen soll daher im Rahmen dieser strafanwendungsrechtlichen Untersuchung nicht im Detail nachgegangen werden. I. Öffentliches Glücksspiel An dieser Stelle sei lediglich summarisch erwähnt, dass es sich neben OnlineSportwetten, Online-Roulette, Online-Black Jack usw. insb. auch bei dem hoch frequentierten Online-Poker angesichts des den Geschicklichkeitsfaktor überwiegenden Glücksfaktors und des hohen Gefährdungspotenzials im Hinblick auf Spielergesundheit und -vermögen um von § 284 StGB erfasste Glücksspiele handelt.119 Online-Glücksspiele sind in aller Regel auch „öffentliche Glücksspiele“, da die Teilnahme an diesen Spielen regelmäßig einem unbegrenzten Personenkreis offen steht.120 II. Ohne behördliche Erlaubnis In Bezug auf das Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ sei konstatiert, dass § 284 StGB dem Willen des Gesetzgebers nach einen verwaltungsakzessorischen Bezug zum deutschen Glücksspielverwaltungsrecht aufweist.121 Nur solche nach deutschem Glücksspielverwaltungsrecht konzessionierungsbedürftigen Glücksspielangebote sollten demnach aus dem Tatbestand herausfallen, die von einer inländischen Behörde erlaubt wurden. Nach § 4 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 4 GlStV 2012 sind in Deutschland spielbare Glücksspielangebote konzessionierungsbedürftig. Ausgehend vom historischen gesetzgeberischen Willen unterfielen Anbieter solcher Glücksspiele damit dem Tatbestand, sofern ihnen keine Glücksspielveranstaltungserlaubnis von einer deutschen Behörde erteilt wurde.122 119

Für eine Einordnung als Glücksspiel auch BGH GRUR 2012, 201, 208; BVerwG NJW 2014, 2299, 2300; OVG Münster, MMR 2010, 350, 350 f.; Brandl, S. 37; Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (270 f.); Lackner/Kühl, § 284 Rn. 3; dagegen – in Bezug auf Fälle von Pokerturnieren und der verbreiteten Pokervariante Texas Hold’em Hambach/Liesching, in: Streinz/Liesching/ Hambach, § 284 StGB Rn. 50; Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 8; Kretschmer, ZfWG 2007, S. 93 ff. (99). Näher zur Einordnung von Online-Poker als Glücksspiel i.S.d. § 284 StGB Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (270 f.); ders./Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (18 f.). 120 Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (271); ders./Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (19); Falk, S. 200; Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 9; Lackner/Kühl, § 284 Rn. 10. 121 Vgl. BT-Drs. 13/8587, S. 67. 122 Internetglücksspiellizenzen werden derzeit aufgrund des grundsätzlichen Internetglücksspielveranstaltungsverbots in § 4 Abs. 4 GlStV 2012 grundsätzlich nicht mehr erteilt. Legalisierungswirkung entfalten allerdings insb. diejenigen Internetglücksspiellizenzen, die auf Basis des zeitweise geltenden liberalen Glücksspielgesetzes in Schleswig-Holstein erteilt

B. Tatbestandsvoraussetzungen

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Sähe man demgegenüber – etwa unter Berufung auf den eine „behördliche Erlaubnis“ statt eine „behördliche Erlaubnis einer deutschen Behörde“ in Bezug nehmenden Wortlaut – auch Erlaubnisse ausländischer Behörden als „behördliche Erlaubnis“ i.S.d. § 284 StGB an, führten auch in Rechtsoasen erteilte Konzessionen zum Ausschluss einer Strafbarkeit nach § 284 StGB.123 Da die Konzessionserteilung hier aber i. d. R. weniger von spielerschützenden als vielmehr von fiskalischen Erwägungen abhängig gemacht wird,124 würde der § 284 StGB zugrunde liegende Schutzzweck unterlaufen, manipulations- und suchtanfällige Spielangebote einzudämmen.125 Glücksspielanbieter könnten einer Bestrafung nach § 284 StGB unproblematisch entgehen, indem sie sich in einer Rechtsoase konzessionieren ließen.126 Speziell hinsichtlich innerhalb der EU agierender Glücksspielanbieter stellt sich die Frage, ob eine Pönalisierung ohne Erlaubnis einer deutschen Behörde in Deutschland angebotener Offshore-Glücksspiele gegen Unionsrecht verstößt. In Betracht käme ein Verstoß gegen die Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit (Art. 56 bzw. 49 AEUV) der Glücksspielanbieter.127 Wäre das der Fall, müsste § 284 StGB zur Vermeidung eines Unionsrechtsverstoßes unionsrechtskonform dahingehend ausgelegt werden, dass innerhalb der EU erteilte behördliche Erlaubnisse Legalisierungswirkung in Deutschland entfalten.128 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH129 kann eine Beschränkung der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit von innerhalb der EU agierenden Glücksspielanbietern gerechtfertigt sein, wenn sie zwingenden Allgemeinwohlinteressen wie „Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen“, Verbraucher- oder Betrugsschutz dient und das nationale Glücksspielrecht kohärent ausgestaltet ist. Angesichts der erheblichen Sucht- und Manipulationsrisiken im Bereich der nicht harmonisiert wurden, vgl. hierzu Riege, in: Streinz/Liesching/Hambach, §§ 4, 5 GlüG SchlH. Zur Fortgeltung von DDR-Lizenzen vgl. Feldmann, S. 113 ff. 123 Auf diese Konsequenz hinweisend: Barton/Gercke/Janssen, wistra 2004, S. 321 ff. (325 f.); Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (271); ders./Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (19). 124 Siehe oben 2. Teil B. 125 Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (271); ders./Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (19). 126 Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (271). 127 Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (272); ders./Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (19). Das unionsrechtliche Herkunftslandprinzip der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 8. 6. 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt, ABl. L 178 v. 17. 7. 2000, S. 1 ff. (E-Commerce-Richtlinie), wonach in einem Mitgliedstaat der EU niedergelassene Telemedienanbieter innerhalb der EU ausschließlich dem Recht des Niederlassungsstaates zu unterliegen haben (Art. 3 Abs. 1, 2 der E-Commerce-Richtlinie), ist im Bereich des Glücksspielrechts nicht anwendbar. Ausführlich hierzu 5. Teil 1. Abschnitt B. 128 So Duesberg/Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (19). 129 EuGH Urt. v. 6. 11. 2003, Rs. C-243/01, Gambelli, Slg. 2003, I-13031, Rn. 60 ff.; Urt. v. 8. 9. 2010, Rs. C-316, 358, 359, 360, 409 und 410/07, Stoß u. a., Slg. 2010, I-8069, Rn. 113; Urt. v. 12. 6. 2014, Rs. C-156/13, Digibet u. a., NVwZ 2014, 1001, Rn. 23; Urt. v. 22. 1. 2015, C-463/ 13, Stanleybet, NVwZ 2015, 506, Rn. 48.

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3. Teil: Der Verbotstatbestand § 284 StGB

regulierten Online-Glücksspiele (siehe 2. Teil B.) werden zwingende Allgemeinwohlinteressen im Einzelfall gegeben sein. Zumindest in Bezug auf die aufgrund der dortigen Konzessionierungspraxis besonders risikoreichen Online-Glücksspielangebote aus Rechtsoasen (z. B. Malta und Gibraltar130) besteht ein hohes Bedürfnis, inländische Spielteilnehmer, insb. Kinder und Spielsüchtige, mittels einer nationalen Glücksspielregulierung schützen zu können. Grundsätzlich kann es in diesen Fällen daher auch in Anbetracht der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit der Anbieter legitim sein, die Rechtmäßigkeit eines im Inland spielbaren Glücksspielangebots davon abhängig zu machen, ob eine an spezifisch nationale Sucht- und Vermögensschutzvorgaben gebundene Erlaubnis einer inländischen Behörde erteilt wurde und Verstöße dagegen unter Strafe zu stellen. Ob das deutsche Glücksspiel(straf)recht den unionsrechtlichen Anforderungen zur Rechtfertigung der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheitsbeschränkung im Einzelnen gerecht wird, insb. ob mit dem neuen GlStV 2012 nunmehr eine vom EuGH131 geforderte kohärente (d. h.: schlüssige und gerechte) Glücksspielregulierung vorliegt, soll im Rahmen dieser Arbeit – mangels unmittelbar strafanwendungsrechtlicher Bedeutung – nicht näher beleuchtet werden. Insofern sei auf die äußerst umfangreiche jüngere Auseinandersetzung in der jüngeren Rechtsprechung und im jüngeren Schrifttum verwiesen.132 Die Untersuchung geht im Folgenden davon aus, dass jedenfalls Fälle, in denen Glücksspielanbieter Online-Glücksspiele von – insb. im Hinblick auf den Spielerschutz konzessionsrechtlich nachlässig agierenden – Rechtsoasen aus in Deutschland ohne Erlaubnis einer inländischen

130 Die zum Vereinigten Königreich gehörende Kolonie Gibraltar unterfällt derzeit – bis zum Vollzug des votierten EU-Austritts Großbritanniens – gem. Art. 355 Abs. 3 AEUV dem Anwendungsbereich des AEUV und des EUV, vgl. Schmalenbach, in: Callies/Ruffert, Art. 355 AEUV Rn. 9; Becker, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, Art. 355 AEUV Rn. 5; vgl. auch Art. 28 des Beitrittsvertrages von 1972, ABl. L Nr. 73 v. 27. 3. 1972, S. 5. 131 EuGH Urt. v. 6. 11. 2003, Rs. C-243/01, Gambelli, Slg. 2003, I-13031, Rn. 60 ff.; Urt. v. 8. 9. 2010, verb. Rs. C-316, 358, 359, 360, 409 und 410/07, Stoß u. a., Slg. 2010 I-8069, Rn. 113; Urt. v. 12. 6. 2014, Rs. C-156/13, Digibet u. a., NVwZ 2014, 1001, Rn. 23; Urt. v. 4. 2. 2016, Rs. C-336/14, Ince, GRUR Int. 2016, 365, Rn. 27. 132 Der EuGH, Urt. v. 4. 2. 2016, Rs. C-336/14, Ince, GRUR Int. 2016, 365, entschied in Bezug auf Sportwettenvermittlungen, dass in Deutschland Anfang 2016 trotz des neu gefassten GlStV 2012 faktisch ein staatliches Sportwettenmonopol fortbestehe. Art. 56 AEUV hindere die Bundesrepublik Deutschland daher derzeit daran, eine ohne Erlaubnis einer deutschen Behörde erfolgende Vermittlung von Sportwetten an im europäischen Ausland konzessionierte Anbieter zu ahnden; siehe auch VGH Kassel, NVwZ 2016, 171 ff.; BayVerfGH NJOZ 2015, 1970 ff.; Kirchhof, NVwZ 2016, S. 124 ff.; Kudlich/Berberich, ZfWG 2016, S. 126 ff. Zur umstrittenen Kohärenz des deutschen Glücksspielrechts vgl. statt vieler Bertrand, S. 153 ff., 215 ff.; Dietlein/Peters, ZfWG 2013, S. 229 ff.; Hartmann, EuZW 2014, S. 814 ff.; Heger, ZIS 2012, S. 396 ff. (397 ff.); Heseler, S. 177 ff.; Makswit, ZfWG 2014, S. 169 ff.; Schneider, WiVerw 2014, S. 165 ff.; Windoffer, DÖV 2012, S. 265 ff. Mitte 2014 entscheid der EuGH, dass die zeitweise divergierende glücksspielverwaltungsrechtliche Rechtslage in SchleswigHolstein und den anderen Bundesländern keine Inkohärenz der deutschen Glücksspielregulierung begründete, EuGH Urt. v. 12. 6. 2014, Rs. C-156/13, Digibet u. a., NVwZ 2014, 1001.

B. Tatbestandsvoraussetzungen

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Behörde i.S.d. § 284 StGB anbieten, den Tatbestand des § 284 StGB verwirklichen.133 III. Veranstalten, § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB Im Hinblick auf § 9 Abs. 1 Var. 1 und 3 StGB („Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat […] oder ein zum Tatbestand gehörender Erfolg eingetreten ist“) ist demgegenüber die Frage von spezifisch strafanwendungsrechtlicher Relevanz, welche der im zweiten Teil beschriebenen Handlungen eines Glücksspielanbieters die in § 284 StGB normierten Begehungsmodalitäten des Veranstaltens, (hierzu sogleich), Haltens (hierzu IV.), Bereitstellens von Einrichtungen (hierzu V.) bzw. Werbens (hierzu VII.) verwirklicht. Die zentrale Begehungsmodalität des § 284 StGB bildet das in § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB unter Strafe gestellte Veranstalten eines öffentlichen Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis. Was im Kern unter einem tatbestandsmäßigen Veranstalten zu verstehen ist, ist im Grundsatz weitgehend konsentiert. Nach der h.M. veranstaltet ein Glücksspiel, wer in organisatorisch tatherrschaftlich-verantwortlicher Weise der Bevölkerung unmittelbar die Möglichkeit eröffnet, sich am Glücksspiel zu beteiligen.134 Teilweise wird ein Veranstalten auch als das „Unternehmen, ein Glücksspiel […] ins Werk zu setzen“ definiert.135 Auch dieser Ansatz verlangt, „dass der Täter verantwortlich und organisatorisch […] dem Publikum Gelegenheit zur Beteiligung am Glücksspiel gibt“136. Die Vertreter beider Definitionsansätze betonen, ein Veranstalten setze nicht zwingend voraus, dass sich Spieler tatsächlich am Spiel beteiligen.137 Auch ein Abschluss von Spielverträgen zwischen Glücksspielanbieter und Spielteilnehmern

133 Gegen eine inländische Legalisierungswirkung jeglicher ausländischer Lizenzen: BGH NJW 2002, 2175, 2176; Bertrand, S. 115; Falk, S. 208 und Fritzemeyer/Rinderle, CR 2003, S. 599 ff. (600). 134 BGH NStZ 2003, 372, 373; Falk, S. 44; Hambach/Liesching, in: Streinz/Liesching/ Hambach, § 284 StGB Rn. 63; Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 15; Krehl, in: LK-StGB, § 284 Rn. 18; Volk, S. 62; Wohlers/Gaede, in: NK-StGB, § 284 Rn. 17. Teilweise wird darüber hinaus verlangt, dass der Veranstalter als wirtschaftlicher Unternehmer und mit eigenem finanziellem Interesse auftritt, so z. B. OLG Köln GRUR-RR 2005, 92, 92; Hoyer, in: SK-StGB, 135. Lfg. 2012, § 284 Rn. 23. Im Hinblick auf die hier untersuchten OffshoreGlücksspielangebote durch einen Alleintäter, der virtuelle Glücksspiele mit Gewinnerzielungsabsicht eigenständig veranstaltet, wäre dieses Erfordernis jedenfalls erfüllt, so auch Mintas, S. 194 f. 135 Fischer, § 284 Rn. 18. 136 Fischer, § 284 Rn. 18. 137 Fischer, § 284 Rn. 18; Hambach/Liesching, in: Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 63; Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 15; Krehl, in: LK-StGB, § 284 Rn. 18; Lampe, JuS 1994, S. 737 ff. (741); Volk, S. 62 f.

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3. Teil: Der Verbotstatbestand § 284 StGB

sei nicht zwingend erforderlich.138 Aus der Konkretisierung des Veranstaltungsbegriffs in § 287 Abs. 1 Hs. 2 StGB „namentlich den Abschluß von Spielverträgen für eine öffentliche Lotterie oder Ausspielung anbietet oder auf den Abschluß solcher Spielverträge gerichtete Angebote annimmt“ folge vielmehr, dass bereits das Angebot eines Spielvertrages oder die Annahme eines vom Nutzer unterbreiteten Angebots ein tatbestandsmäßiges Veranstalten i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB darstelle.139 Diese Schlussfolgerung erscheint auf den ersten Blick zweifelhaft. Die Übertragung der Konkretisierung des in § 287 StGB enthaltenen Veranstaltungsbegriffs auf den Veranstaltungsbegriff in § 284 StGB mutet insofern systematisch unsauber an, als damit aus einer auf die speziellen Glücksspielformen der Lotterien und Ausspielungen140 zugeschnittenen Norm Rückschlüsse auf die allgemeinere Norm § 284 StGB (Veranstaltung von Glücksspielen) gezogen werden.141 Eine für das Glücksspielstrafrecht allgemeingültige Konkretisierung des Veranstaltungsbegriffs hätte in § 284 StGB bzw. – sofern man von einem Exklusivitätsverhältnis zwischen § 284 und § 287 StGB ausginge – sowohl in § 287 StGB als auch in § 284 StGB verortet werden müssen.142 Zöge man allerdings aus der systematischen Verortung der Konkretisierung des Veranstaltungsbegriffs in § 287 StGB den Rückschluss, § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB stelle mit dem Erfordernis einer tatsächlichen Spielbetriebsaufnahme und eines tatsächlichen Zustandekommens von Spielverträgen höhere Strafbarkeitsanforderungen als es § 287 StGB tut, wo diese Anforderungen arg. e. § 287 Abs. 1 Hs. 2 StGB nicht erforderlich wären, gelangte man zu widersprüchlichen Ergebnissen. Die Strafbarkeitsschwelle wäre dann bei der für Spielervermögen und -gesundheit aufgrund des vergleichsweise hohen Risikos von Spielmanipulationen und Spielsucht besonders risikoreichen Veranstaltung von Glücksspielen wie z. B. (Online-)Poker, (Online-)BlackJack oder (Online-)Roulette höher angesetzt als es bei der Veranstaltung der vergleichsweise risikoarmen Lot-

138

Fischer, § 284 Rn. 18; Hambach/Liesching, in: Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 63; Hoyer, in: SK-StGB, 135. Lfg. 2012, § 284 Rn. 23; Krehl, in: LK-StGB, § 284 Rn. 18; Volk, S. 63; Wohlers/Gaede, in: NK-StGB, § 284 Rn. 18; a.A. Mintas, S. 196 f. 139 Hoyer, in: SK-StGB, 135. Lfg. 2012, § 284 Rn. 23; Volk, S. 63; Wohlers/Gaede, in: NKStGB, § 284 Rn. 18. 140 Hambach/Liesching, in: Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 3. 141 Feldmann, S. 81, Fn. 45, spricht sich daher gegen eine Übertragung der Konkretisierung des Veranstaltungsbegriffs in § 287 Abs. 1 Hs. 2 StGB auf § 284 StGB aus. 142 Anlass für die Konkretisierung des Veranstaltungsbegriffs in § 287 StGB waren bestehende Zweifel darüber, ob das Verhalten von Lotterieanbietern, die Lotterien via Telefon, Telefax oder Internet anbieten „mit dem Begriff „veranstalten“ noch richtig erfaßt wird“, BTDrs. 13/8587, S. 67. Warum derartige Zweifel nicht auch hinsichtlich der – dem Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung auch Ende 1997 bereits bekannten – Veranstaltung sonstiger Telefon-, Telefax oder Internet-Glücksspiele bestehen sollen, ist nicht nachvollziehbar.

B. Tatbestandsvoraussetzungen

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terien und Ausspielungen der Fall wäre.143 Um zu einer widerspruchsfreien Regelung zu gelangen, die auch der Gesetzgeber des 6. Strafrechtsreformgesetzes bezweckt haben wird, ist daher davon auszugehen, dass die Konkretisierung des Veranstaltungsbegriffs in § 287 Abs. 1 Hs. 2 StGB gleichermaßen für § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB Geltung beansprucht.144 Die generellen gesetzessystematischen Zweifel an der Übertragbarkeit der Konkretisierung des Veranstaltungsbegriffs von § 287 StGB auf § 284 StGB, auf dem die o.g. Veranstaltungsdefinition aufbaut, greifen nach alledem nicht durch. Der im Schrifttum gezogene Rückschluss von § 287 StGB auf § 284 StGB erscheint auf den ersten Blick allerdings noch unter einem weiteren Gesichtspunkt zweifelhaft: Es fragt sich, warum aus der Konkretisierung des Veranstaltungsbegriffs in § 287 Abs. 1 Hs. 2 StGB bislang lediglich gefolgert wurde, dass es eines Zustandekommens von Spielverträgen und der Aufnahme eines tatsächlichen Spielbetriebes nicht bedürfe und nicht noch weitergehend der Schluss gezogen wurde, auch die Eröffnung von Spielbeteiligungsmöglichkeiten stelle keine notwendige Voraussetzung eines Veranstaltens dar. Schließlich setzt die in § 287 Abs. 1 Hs. 2 StGB als „Veranstalten eines Glücksspiels“ deklarierte Unterbreitung eines Angebotes bzw. Annahme eines Angebotes ebenso wenig zwingend voraus, dass eine Spielbeteiligungsmöglichkeit eröffnet wird, wie dass es zu einer Spielbeteiligung oder einem Spielvertragsschluss kommt. Ausgehend von einer solchen Argumentation müsste man ein tatbestandsmäßiges Veranstalten auch bejahen, wenn ein Glücksspielanbieter ein Angebot unterbreitet bzw. ein Angebot eines Nutzers annimmt, der Nutzer sich anschließend aber gar nicht am Spiel beteiligen kann, weil z. B. die Glücksspielwebseite gesperrt wurde oder der Glücksspielanbieter sein Spieleröffnungsvorhaben nicht weiter verfolgt. § 284 StGB erfasste dann auch solche Fälle, die ihrer Struktur nach als Versuch einer Spielbeteiligungsmöglichkeitseröffnung einzustufen wären. Die Norm wäre insofern als unechtes Unternehmensdelikt145 zu qualifizieren.146 143

Dieser Widerspruch wird auch insb. nicht dadurch aufgehoben, dass § 284 Abs. 1 StGB im Gegensatz zu § 287 Abs. 1 StGB neben dem Veranstalten noch zwei weitere Begehungsmodalitäten – das Halten und das Bereitstellen von Einrichtungen – beinhaltet. Denn weder das Halten noch das Bereitstellen von Einrichtungen erfassen die von § 287 Abs. 1 Hs. 2 StGB in Bezug genommenen Fälle, in denen sich noch niemand am Spiel beteiligt hat bzw. noch kein Spielvertrag zustande gekommen ist, siehe hierzu sogleich unter B. IV. und V. 144 So i.E. auch OLG Köln GRUR 2000, 538, 539; Brugger, S. 104; Lesch, wistra 2005, S. 241 ff. (242). Auch die Gesetzesbegründung zu § 287 Abs. 1 Hs. 2 StGB scheint von einer Übertragbarkeit auf § 284 StGB auszugehen, wenn dort zwar zunächst davon die Rede ist, es sei fraglich, ob das Verhalten von Lotterieanbietern, die Lotterien via Telefon, Telefax oder Internet anbieten „mit dem Begriff „veranstalten“ noch hinreichend umfasst wird“, anschließend aber im selben Kontext nicht mehr speziell auf Lotterien und Ausspielungen, sondern generell auf Glücksspiele rekurriert wird, BT-Drs. 13/8587, S. 67. 145 Zum unechten Unternehmensdelikt siehe Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 11 Rn. 47; Radtke, in: MK-StGB, § 11 Rn. 117. 146 Für eine Einordnung des § 284 StGB als Unternehmensdelikt Fischer, § 284 Rn. 18.

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3. Teil: Der Verbotstatbestand § 284 StGB

Gegen die vorangegangene Argumentation ist allerdings zum einen einzuwenden, dass der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien zum 6. Strafrechtsreformgesetz ausdrücklich klargestellt hat, dass ein tatbestandsmäßiges Veranstalten auch nach Einfügung der Konkretisierung des Veranstaltungsbegriffs in § 287 StGB weiterhin die Eröffnung von Spielbeteiligungsmöglichkeiten voraussetze. Dort heißt es ausdrücklich zu § 287 StGB: „Es wird davon ausgegangen, dass der sachliche Anwendungsbereich der Strafvorschrift durch die Textänderung lediglich klargestellt, nicht aber verändert wird. Insbesondere wird es für eine Strafbarkeit nach dieser Bestimmung auch künftig darauf ankommen, daß dem Publikum durch die Aktivitäten des Anbieters die Möglichkeit der Beteiligung an der Lotterie bzw. Ausspielung gewährt wird“147. Zum anderen geriete eine die Eröffnung von Spielbeteiligungsmöglichkeiten nicht voraussetzende Definition des Veranstaltungsbegriffs insofern in Konflikt mit der vermögens- und gesundheitsschützenden Ratio des Glücksspielstrafrechts, als ohne eine Spielbeteiligungsmöglichkeitseröffnung gar keine Vermögens- und Gesundheitsschäden eintreten können. Ein Strafbedürfnis ließe sich allenfalls in Bezug auf solche Handlungen in Erwägung ziehen, die bei ungestörtem Fortgang eine für Spielervermögen und -gesundheit risikoreiche Spielbeteiligungsmöglichkeit herbeiführten. Sähe man derartige Handlungen als tatbestandsmäßig an, würden von § 284 StGB z. B. solche Fälle erfasst, in denen ein Glücksspielanbieter bereits alle zur Spielbeteiligungsmöglichkeitseröffnung erforderlichen Handlungen vorgenommen hat, eine Spielbeteiligungsmöglichkeit dann allerdings beispielsweise aufgrund einer Sperre der Glücksspielwebseite oder einer spontanen Datenlöschung durch den Anbieter nicht eröffnet wird. Damit aber ginge eine Ausdehnung des bereits durch die Kriminalisierung der tatsächlichen Spieleröffnung ohnehin weit vorverlagerten kriminalstrafrechtlichen Schutzes einher, die der nach den obigen Erkenntnissen angesichts der Freiheitsrechte der Glücksspielanbieter gebotenen restriktiven Auslegung des § 284 StGB (siehe A. III. und IV.) zuwider liefe. Angesichts der fehlenden Existenz einer Gefahrenquelle in Form eines spielbaren illegalen Glücksspiels sowie der fehlenden Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts des Glücksspielanbieters stellte sich eine derartige Ausdehnung der Norm als nicht schuldangemessen und insb. in Anbetracht der Freiheitsrechte der Glücksspielanbieter148 als unverhältnismäßig dar. Abgesehen davon sähe sich ein auf die bei ungestörtem Fortgang zu einer Spielbeteiligungsmöglichkeit führende Handlung rekurrierender Veranstaltungsbegriff gravierenden innergesetzessystematischen Einwänden ausgesetzt. Bejahte man ein Veranstalten i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB trotz fehlender Spielbeteiligungsmöglichkeit, wäre der Rechtsanwender im Rahmen der Prüfung des Tatbestandsmerkmals „öffentliches Glücksspiel“ darauf angewiesen, auf die Intention des Täters oder darauf abzustellen, wie das Glücksspiel ausgestaltet gewesen wäre, wenn es 147 148

BT-Drs. 13/9064, S. 21. Siehe hierzu oben B. II. sowie 5. Teil 1. Abschnitt A.

B. Tatbestandsvoraussetzungen

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tatsächlich ins Werk gesetzt worden wäre. Eine solche subjektive bzw. hypothetische Bestimmung des Tatbestandsmerkmals „öffentliches Glücksspiel“ ist allerdings weder im Gesetz angelegt, noch wäre sie hinreichend praktikabel. Im Hinblick auf das verwaltungsakzessorische Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ stünde darüber hinaus in Frage, ob sich eine Pönalisierung eines Verhaltens, das gar nicht zur Eröffnung eines öffentlichen Spielbetriebes führt, überhaupt mit der glücksspielverwaltungsrechtlichen Maßgabe in Einklang bringen ließe, dass es einer behördlichen Erlaubnis nur für tatsächlich abgehaltene Spielangebote bedarf, vgl. § 4 Abs. 1 GlStV 2012. Festhalten lässt sich nach alledem, dass scheinbare Zweifel gegen die eingangs genannte Veranstaltungsdefinition nicht durchgreifen. Demnach gilt: Ein Glücksspiel veranstaltet, wer dem Publikum in organisatorisch tatherrschaftlich-verantwortlicher Weise unmittelbar Spielbeteiligungsmöglichkeiten eröffnet. Dass es zu Spielvertragsabschlüssen oder Spielbeteiligungen kommt, ist nicht zwingend erforderlich. Im Bereich der virtuellen Offshore-Glücksspielangebote sind diese Voraussetzungen erfüllt, sobald der für das Glücksspielangebot verantwortliche Anbieter sein Glücksspielangebot – d. h. die Glücksspielwebseite inklusive -software bzw. die mobile Anwendungssoftware – auf einen Server lädt und das Angebot abrufbar und spielbar im Internet steht.149 Genauer: Sobald der Anbieter auf das Laden entsprechender Daten auf einen Server gerichtete Befehle per Tastatur oder Maus eingibt, infolgedessen Daten auf einen Server geladen werden und Internetnutzer die Möglichkeit haben, die Webseite bzw. die mobile Anwendungssoftware aufzurufen, sich dort zu registrieren und sich schließlich am virtuellen Glücksspiel zu beteiligen. Auch die dem Hochladen des Glücksspielangebots zeitlich vorgelagerten Handlungen des Glücksspielanbieters in Form der Angebotskonzeption, des Erwerbs bzw. eigenständigen Programmierens der Webseiten sowie der Software bzw. Applikation usw. sind zwar für die spätere Eröffnung der Spielbeteiligungsmöglichkeit ursächlich. Stufte man derartige Handlungen allerdings als tatbestandsmäßiges Veranstalten eines Glücksspiels ein,150 würde der durch § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB ohnehin weit in den Vorfeldbereich einer Rechtsgutsverletzung vorverlagerte Vermögens- und Gesundheitsschutz in ein Stadium ausgedehnt, in dem ein konkretes Spielangebot ggf. noch gar nicht in Rede steht. Die in diesem Stadium vorgenommenen Handlungen stellen sich regelmäßig noch gar nicht als sozialschädlich dar. Einer entsprechenden Pönalisierung stünden das Schuldprinzip und die Freiheitsrechte der Betroffenen151 entgegen. Nur die eingangs bezeichnete unmittelbar zur Eröffnung von Spielmöglichkeiten führende Handlung erfüllt daher die Begehungsmodalität des Veranstaltens i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB. 149 150 151

Vgl. Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (272). So in Bezug auf die „Konzeption der Anbieterwebseite“ Klam, S. 52; Mintas, S. 127. Vgl. zu diesem Aspekt oben A. II. sowie 5. Teil 1. Abschnitt A.

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3. Teil: Der Verbotstatbestand § 284 StGB

IV. Halten, § 284 Abs. 1 Var. 2 StGB Ein Glücksspiel hält i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 2 StGB, wer einen bereits in Gang gesetzten Spielbetrieb eigenverantwortlich überwacht oder leitet.152 Im Bereich virtueller Glücksspiele fallen hierunter z. B. das Öffnen und Schließen bestimmter virtueller Spiele oder der Ausschluss von Spielern vom Spielbetrieb. Das Halten unterscheidet sich vom Veranstalten eines öffentlichen Glücksspiels (Var. 1) dadurch, dass das Veranstalten allein den Zeitpunkt in Bezug nimmt, in dem eine Spielbeteiligungsmöglichkeit eröffnet wird, m.a.W. den Zeitpunkt, in dem das Glücksspiel „ins Werk“ gesetzt153 wird. Das Halten – verstanden als „Abhalten“ – rekurriert hingegen auf den sich an die Eröffnung der Spielbeteiligungsmöglichkeit anschließenden Zeitrahmen. Halter eines Glücksspiels kann prinzipiell sowohl der für das Glücksspiel tatherrschaftlich-verantwortliche Glücksspielveranstalter selbst als auch ein Dritter sein, der die Überwachung bzw. Leitung des Spielbetriebs für den Glücksspielveranstalter übernimmt.154 Im Falle der im Rahmen dieser Arbeit interessierenden durch einen Alleintäter angebotenen virtuellen Offshore-Glücksspiele verwirklicht der Glücksspielveranstalter – sofern er das Spiel, nachdem er es eröffnet hat, überwacht oder leitet – § 284 Abs. 1 Var. 2 StGB neben § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB.155 V. Bereitstellen von Einrichtungen, § 284 Abs. 1 Var. 3 StGB Die in § 284 Abs. 1 Var. 3 StGB unter Strafe gestellte Begehungsmodalität des Bereitstellens von Einrichtungen zu einem illegalen Glücksspiel verfolgt den Zweck, auch solche Fälle illegal eröffneter Glücksspiele tatbestandlich erfassen zu können, in denen ein Veranstalten i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB nicht nachgewiesen werden kann.156 Wie § 284 Abs. 1 Var. 2 StGB kann auch § 284 Abs. 1 Var. 3 StGB angesichts dieser Ratio und des nicht allein auf Dritte rekurrierenden Wortlauts der Norm 152 Vgl. Fischer, § 284 Rn. 20; Hambach/Liesching, in: Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 70; Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 18; Hohmann, in: MK-StGB, § 284 Rn. 25; Wohlers/Gaede, in: NK-StGB, § 284 Rn. 19. Nach BayObLG NJW 1979, 2258, 2258 und Janz, NJW 2003, S. 1964 ff. (1697), ist bereits diejenige Person als Halter i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 2 StGB anzusehen, die anderen als Unternehmer Spieleinrichtungen zur Verfügung stellt. Eine solche Definition führt zu vom Gesetzgeber nicht bezweckten Dopplungen mit den anderen in § 284 Abs. 1 StGB enthaltenen Begehungsmodalitäten. Zu Recht ablehnend daher Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 11, 13; Hohmann, in: MK-StGB, § 284 Rn. 25; Krehl, in: LK-StGB, § 284 Rn. 19. 153 Formulierung nach Fischer, § 284 Rn. 18. 154 Vgl. BayObLG NJW 1993, 2820, 2822; Fischer, § 284 Rn. 20; Hambach/Liesching, in: Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 73. 155 Vgl. BayObLG NJW 1993, 2820, 2822; Fischer, § 284 Rn. 20; Hambach/Liesching, in: Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 73. Zu konkurrenzrechtlichen Fragen siehe 5. Teil 6. Abschnitt E. IV. 2. 156 Vgl. Brandl, S. 84; Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 14; Lampe, JuS 1994, S. 737 ff. (739); Meurer/Bergmann, JuS 1983, S. 961 ff. (971).

B. Tatbestandsvoraussetzungen

51

prinzipiell sowohl durch den Glücksspielveranstalter selbst – dessen Veranstalterstellung sich möglicherweise nicht nachweisen lässt – als auch durch Dritte verwirklicht werden, die „Einrichtungen“ zum Glücksspiel des Glücksspielveranstalters bereitstellen.157 Einrichtungen sind Gegenstände, die ihrer Natur nach dazu geeignet oder bestimmt sind, zu Glücksspielen eingesetzt zu werden.158 Im Bereich der virtuellen Glücksspiele stellt sich die Frage, ob auch „virtuelle Gegenstände“ wie z. B. die Glücksspielwebseite159 und die Glücksspielsoftware bzw. -applikation als Einrichtung i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 3 anzusehen sind. Dem Wortlaut „Einrichtungen“ lässt sich keine Beschränkung auf körperliche Gegenstände entnehmen.160 Auch teleologisch ist kein Grund ersichtlich, warum das Bereitstellen einer Glücksspielwebseite, -software oder -applikation – anders als es etwa bei bereitgestellten Spielkarten, Jetons, Würfeln oder Pokertischen der Fall wäre161 – § 284 Abs. 1 Var. 3 StGB nicht unterfallen sollte. Da virtuelle Glücksspiele im Hinblick auf spielmanipulationsbedingte Vermögensverluste und Spielsucht ein größeres Gefahrenpotenzial in sich tragen als terrestrisch angebotene Glücksspiele,162 besteht im Falle des Zurverfügungstellens „virtueller Gegenstände“ erst recht ein Pönalisierungsbedürfnis. Auch „virtuelle Gegenstände“ werden demnach von § 284 Abs. 1 Var. 3 StGB erfasst.163 Die Einrichtungen sind erst dann i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 3 StGB zum Glücksspiel bereitgestellt, wenn sie Spielern nutzbar zur Verfügung stehen,164 d. h. ihnen i.R.d. Spielteilnahme zugänglich sind165. Stellte man auf einen vorherigen Zeitpunkt ab, würde der kriminalstrafrechtliche Schutz – insofern gilt das soeben zu § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB Gesagte entsprechend – in unverhältnismäßiger Weise noch weiter in den Vorfeldbereich einer Rechtsgutsverletzung verlagert. Anbieter virtueller Offshore-Glücksspielangebote machen die Glücksspielwebseite und die Glücksspielsoftware bzw. Applikation für das Spiel zugänglich, indem sie die entsprechenden Daten auf einen Server laden, von dem sie sodann durch die Nutzer abgerufen werden können. In Bezug auf Anbieter virtueller OffshoreGlücksspiele decken sich die Voraussetzungen der Begehungsmodalität des Be157

A.A. Falk, S. 47 (ausschließlich auf Dritte rekurrierend). BayObLG NJW 1993, 2820, 2822; Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 20 m.w.N. 159 Vgl. hierzu Mintas, S. 204. 160 Ebenso Thumm, S. 87 f. 161 Hambach/Liesching, in: Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 74 m.w.N. 162 Siehe oben 2. Teil B. 163 So in Bezug auf die Glücksspielsoftware auch Falk, S. 47; Thumm, S. 86 ff.; in Bezug auf die Glücksspielwebseite: Mintas, S. 204; Steegmann, S. 80. 164 Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 21; Hohmann, in: MK-StGB, § 284 Rn. 26; Krehl, in: LK-StGB, § 284 Rn. 20; Wohlers/Gaede, in: NK-StGB, § 284 Rn. 20. 165 Fischer, § 284 Rn. 21. 158

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3. Teil: Der Verbotstatbestand § 284 StGB

reitstellens von Einrichtungen i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 3 StGB also mit der des Veranstaltens i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB.166 Wie auch im Falle des § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB werden insb. auch die oben beschriebenen – der unmittelbar zur Spieleröffnung führenden Handlung vorgelagerten – Handlungsweisen des Glücksspielanbieters in Form des Erwerbs oder des Programmierens der Software bzw. Applikation etc. nicht von der Begehungsmodalität des „Bereitstellens von Einrichtungen“ erfasst. VI. Gewerbsmäßig, § 284 Abs. 3 Nr. 1 StGB Anbieter virtueller Offshore-Glücksspiele wollen sich mit ihren Glücksspielangeboten regelmäßig eine „Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang verschaffen“167. Ihr Verhalten verwirklicht damit sowohl hinsichtlich des Veranstaltens als auch hinsichtlich des Haltens und Bereitstellens von Einrichtungen regelmäßig den – auf typische Begehungsformen organisierter Kriminalität rekurrierenden168 – Qualifikationstatbestand § 284 Abs. 3 Nr. 1 StGB (gewerbsmäßiges Handeln). VII. Werben, § 284 Abs. 4 StGB Seit 1998 ist in § 284 Abs. 4 StGB das Werben für ein illegales öffentliches Glücksspiel unter Strafe gestellt.169 Die Norm ist vor allem insofern bedenklich, als sie den glücksspielstrafrechtlichen Schutz in den Vorfeldbereich der bereits durch § 284 Abs. 1 StGB in den Vorfeldbereich einer Rechtsgutsverletzung vorverlagerten Strafdrohung ausdehnt.170 Eine derartige Ausweitung der – ohnehin nur in engen Grenzen zulässigen (siehe A. III. und IV.) – kriminalstrafrechtlichen Vorfeldpönalisierung ließe sich nur legitimieren, wenn die von § 284 Abs. 4 StGB erfassten Werbehandlungen als derart strafwürdig und -bedürftig einzustufen wären, dass ein erhebliches öffentliches Pönalisierungsinteresse die Freiheitsrechte der Werbenden (insb. die Berufsfreiheit, Art. 12 GG, die Meinungsfreiheit, Art. 5 GG, und ggf. die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV) überwiegt. 166

In Anbetracht der § 284 Abs. 1 Var. 3 StGB zugrunde liegenden Ratio, auch solche Fälle von illegal eröffneten Glücksspielen tatbestandlich erfassen zu können, in denen ein Veranstalten i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB nicht nachgewiesen werden kann, tritt § 284 Abs. 1 Var. 3 StGB allerdings subsidiär auf Ebene der Gesetzeskonkurrenz hinter § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB zurück; siehe hierzu 5. Teil 6. Abschnitt E. IV. 1. 167 BGH NJW 1992, 381, 382; Hohmann, in: MK-StGB, § 284 Rn. 31; Mitsch, BT II, § 5 Rn. 173. 168 Feilcke, in: BeckOK-StGB, § 284 Rn. 34; Brandl, S. 209. 169 BGBl. I 1998, S. 164 ff. 170 Feldmann, S. 66; Hoyer, in: SK-StGB, 135. Lfg. 2012, § 284 Rn. 36; Mintas, S. 205. Laustetter, S. 112, und Wrage, ZRP 1998, S. 426 ff. (428 f.), sehen § 284 Abs. 4 StGB aus diesem Grund als verfassungswidrig an.

B. Tatbestandsvoraussetzungen

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Im Hinblick auf die hier interessierenden expandierenden virtuellen Glücksspiele besteht insofern ein erhebliches Pönalisierungsinteresse, als Spielteilnehmer überwiegend erst durch die Werbung zum illegalen Glücksspiel geführt werden. Zahlreiche Internetnutzer lassen sich insb. durch die mittlerweile üblichen reißerischen Gewinn- und/oder Prämienversprechungen zu einer Spielteilnahme verleiten, die sie ansonsten nicht vorgenommen hätten. Das, virtuellen Glücksspielen anhaftende Risiko von spielteilnahmebedingten Vermögens- und Gesundheitsschäden wird damit durch die Glücksspielwerbung deutlich ausgeweitet. Ein strafbewehrtes Glücksspielwerbeverbot ist hier grundsätzlich in der Lage, illegalen virtuellen Glücksspielangeboten durch eine Eindämmung der Glücksspielwerbung die Entfaltungsbasis zu entziehen oder zumindest die Entfaltung erheblich zu erschweren. Die in der gesetzgeberischen Entscheidung gegen eine ausschließlich ordnungswidrigkeitsrechtliche Pönalisierung zu erkennende Einschätzung, von einer kriminalstrafrechtlichen Strafdrohung gehe ein effektiverer Abschreckungseffekt aus, stellt sich in Anbetracht der kriminalstrafrechtlichen Implikationen (sozialethisches Unwerturteil, drohende Freiheitsstrafe etc.) als plausibel dar.171 Angesichts der entgegenstehenden Freiheitsrechte der Werbenden (z. B. Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 1 GG, ggf. Art. 56 AEUV) ist § 284 Abs. 4 StGB gleichwohl nur legitimierbar, wenn die Norm dahingehend beschränkt wird, dass ihr nur solche Fälle unterfallen, in denen die Glücksspielwerbung eine besonders nahe liegende konkrete Gefahr einer – im Hinblick auf Spielervermögen und -gesundheit risikoreichen – Spielteilnahme begründet. Um diesem Erfordernis gerecht zu werden, ist § 284 Abs. 4 StGB zunächst dahingehend auszulegen, dass sich die Werbung – wie der im Gesetzestext enthaltene Verweis „öffentliches Glücksspiel (Absätze 1 und 2)“ bereits vermuten lässt – auf ein illegales Glücksspiel beziehen muss.172 Ließe man – unter Betonung des Wortlautes „Werbung für ein öffentliches Glücksspiel“ statt „Werbung für ein behördlich nicht erlaubtes öffentliches Glücksspiel“ – jegliche Glücksspielwerbung genügen, statuierte § 284 Abs. 4 StGB ein die differenzierten glücksspielverwaltungsrechtlichen Werberegelungen (z. B. § 5 Abs. 3 GlStV 2012) aushebelndes generelles Werbeverbot. Ein derartiges Normverständnis liefe dem auf den Schutz vor von illegalen Glücksspielen ausgehenden Gesundheits- und Vermögensgefahren rekurrierenden Schutzzweck des Glücksspielstrafrechts zuwider. Einschränkend ist des Weiteren zu verlangen, dass sich die Werbung auf ein konkretes Glücksspielangebot bezieht und eine unmittelbare Beteiligung an diesem Spiel ermöglicht.173 Im Bereich der virtuellen Glücksspiele ist diese Voraussetzung 171 Zum weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers zwischen Kriminalstrafe und Bußgeld siehe BVerfGE 80, 182, 185 f.; 90, 145, 173, 188 ff. 172 Ebenso Falk, S. 48; Krehl, in: LK-StGB, § 284 Rn. 25; Wilms, S. 43. 173 Wirbt der Glücksspielanbieter für sein Glücksspielangebot, wird aufgrund des erforderlichen Bezuges der Werbung zu einem spielbaren Glücksspiel neben § 284 Abs. 4 StGB auch immer § 284 Abs. 1 StGB verwirklicht sein. Auf den ersten Blick mag man einen Schutz

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3. Teil: Der Verbotstatbestand § 284 StGB

beispielsweise erfüllt, wenn Online-Werbung einen Hyperlink zur beworbenen Glücksspielwebseite enthält, auf der man sich am Spiel beteiligen kann.174 Demgegenüber scheidet eine Strafbarkeit nach § 284 Abs. 4 StGB mangels hinreichender Gefährlichkeit der Werbung aus, wenn diese – statt Glücksspiele bestimmter Anbieter in Bezug zu nehmen – lediglich allgemein gefasste Aussagen enthält oder sich auf ein konkretes Glücksspielangebot bezieht, an dem man sich zu keiner Zeit beteiligen kann.175 Das damit angesprochene Erfordernis eines Bezuges der Werbung zu einem konkreten spielbaren Glücksspielangebot folgt – neben dem freiheitsrechtlich implizierten Restriktionserfordernis – auch daraus, dass sich ohne ein existentes Glücksspielangebot gar nicht bestimmen ließe, ob ein von § 284 Abs. 4 StGB vorausgesetztes Bewerben eines illegalen öffentlichen Glücksspiels vorliegt. Sähe man Werbung für ein nicht existentes Glücksspielangebot als tatbestandsmäßig an, wäre der Rechtsanwender etwa darauf angewiesen, die Illegalität des Glücksspiels anhand der Vorstellung des Werbenden zu bestimmen. Eine solche Bestimmung ist weder im Gesetz angelegt, noch wäre sie hinreichend praktikabel. Als weitere einschränkende Voraussetzung einer Strafbarkeit nach § 284 Abs. 4 StGB ist eine nach Darstellungsart oder Inhalt besondere Eignung der geschalteten Werbung zu verlangen, potenzielle Spieler zur Spielteilnahme zu bewegen.176 Tatbestandsmäßig sind z. B. Anpreisungen, die das Sucht- und Vermögensverlustpotenzial eines konkreten Glücksspielangebotes bagatellisieren oder in reißerischer Art durch § 284 Abs. 4 StGB daher in diesen Fällen als nicht erforderlich erachten, in diese Richtung Wrage, ZRP 1998, S. 426 ff. (429). Eine solche These übersieht allerdings, dass § 284 Abs. 4 StGB neben § 284 Abs. 1 StGB auch hier eine eigenständige Bedeutung zukommt, wenn z. B. dem Glücksspielveranstalter die Verwirklichung des § 284 Abs. 1 StGB nicht nachgewiesen werden kann. Zum Konkurrenzverhältnis zwischen § 284 Abs. 1 und Abs. 4 StGB siehe 5. Teil 6. Abschnitt E. IV. 1. 174 Nicht zwingend erforderlich ist, dass das konkret beworbene und eröffnete Glücksspielangebot im Zeitpunkt der Publikation der Werbung bereits eröffnet ist. Es genügt eine Spieleröffnung zu einem späteren Zeitpunkt. Anderenfalls ließe sich § 284 Abs. 4 StGB leicht umgehen, indem die Werbung vor der Spieleröffnung geschaltet wird. Dies liefe der Tatsache zuwider, dass eine vor Spieleröffnung publizierte Werbung im Hinblick auf Vermögen und Gesundheit (potenzieller) Spielteilnehmer keine geringere Gefährlichkeit aufweist als eine nach oder bei Spieleröffnung publizierte Werbung. Entscheidend ist, dass Internetnutzer die Werbung in einem Moment wahrnehmen können, in dem sie sich am konkret beworbenen Spiel beteiligen können. In diesem Moment entfaltet sie ihre größte Gefährlichkeit, weil sie Internetnutzer dazu bewegen kann, sich direkt am risikoreichen Spielbetrieb zu beteiligen. 175 A.A. wohl Wohlers/Gaede, in: NK-StGB, § 284 Rn. 25: „Die Strafbarkeit nach Abs. 4 ist v. der tatsächlichen Durchführung des beworbenen Glücksspiels unabhängig“ und Fischer, § 284 Rn. 24: „Es ist auch nicht erforderlich, dass das Glücksspiel, für das geworben wird, tatsächlich stattfindet, wenn nur der Täter des IV dies bei seiner Werbung will“. 176 Das Erfordernis einer besonderen Eignung der Werbung, Werbeadressaten zu bestimmten Verhaltensweisen zu bewegen, wurde bislang insb. im Terrorismusstrafrecht zur Beschränkung des Werbetatbestandes § 129a Abs. 5 StGB herangezogen, vgl. z. B. BGHR § 129 a III Werben; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 129 Rn. 14.

C. Verletzungs- oder Gefährdungsdelikt?

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und Weise erhebliche Gewinnchancen propagieren.177 Auch äußerlich und sprachlich neutral gehaltene Prämienversprechungen oder Gewinnzusagen178 – wie z. B. der Hinweis, bei einer Spielteilnahme eine Zahlung i.H.v. 200 Euro zu erhalten – erfüllen den Werbetatbestand, da sie beim Werbeadressaten oftmals die zur Spielteilnahmeentscheidung führende Vorstellung hervorrufen, etwaige i.R.d. Spielteilnahme erlittene Verluste kompensieren zu können. Insb. bloße Hinweise auf die Existenz eines bestimmten Spielangebotes etwa in Foren oder E-Mails reichen hingegen – entgegen einer weit verbreiteten Ansicht179 – zur Tatbestandsverwirklichung nicht aus.

C. Verletzungs- oder Gefährdungsdelikt? Die vorangegangenen Erkenntnisse ermöglichen eine Einordnung des § 284 StGB als Verletzungs- oder Gefährdungsdelikt. Verletzungsdelikte setzen zur Tatbestandsverwirklichung eine Schädigung des geschützten Rechtsguts voraus.180 Gefährdungsdelikte unterteilen sich in abstrakte und konkrete Gefährdungsdelikte.181 Bei konkreten Gefährdungsdelikten muss eine konkrete Gefährdung, d. h. eine beinahe Verletzung,182 des geschützten Rechtsguts eintreten.183 Abstrakte Gefährdungsdelikte setzen keine konkrete Rechtsgutsgefahr voraus.184 Strafe wird bei diesen Delikten angedroht, weil ein bestimmtes Verhalten für das tatbestandlich geschützte Rechtsgut generell als so risikoreich eingestuft wird, dass es unabhängig vom Eintritt eines Rechtsgutsschadens oder einer konkreten Rechtsgutsgefährdung als pönalisierungswürdig angesehen wird.185 Die Rechtsanwendung wird hier dadurch erleichtert, dass der Rechtsanwender eine mitunter schwierig zu beweisende konkrete Rechtsgutsgefährdung nicht nachzuweisen braucht.186

177

Siehe z. B. http://www.fulltilt.eu. oder https://poker.redkings.com/de. Siehe z. B. http://www.fulltilt.eu oder https://poker.redkings.com/de. 179 Siehe z. B. Falk, S. 51 ff.; Fritzemeyer/Rinderle, CR 2003, S. 599 ff. (603); Hoyer, in: SK-StGB, 135. Lfg. 2012, § 284 Rn. 37. 180 Vgl. nur Fischer, Vor § 13 Rn. 18; Rengier, AT, § 10 Rn. 9. 181 Vgl. nur Rengier, AT, § 10 Rn. 10 f.; Rönnau, JuS 2010, S. 961 ff. (962). 182 Vgl. BGH NJW 1995, 3131, 3132; Rengier, AT, § 10 Rn. 10. Näher zum umstrittenen Begriff der konkreten Gefahr und dessen umstrittener Konturierung Kindhäuser, in: FS Krey, S. 249 ff. (258 ff.); König, in: LK-StGB, § 315 Rn. 51, jeweils m.w.N. 183 Vgl. nur Fischer, Vor § 13 Rn. 18; Rengier, AT, § 10 Rn. 10. 184 Vgl. nur Hilgendorf, ZStW 113 (2001), S. 650 ff. (662); Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 43. 185 Vgl. Heghmanns, Straftatbestände zum Schutz von Verwaltungsrecht oder Verwaltungshandeln, S. 167; Jescheck/Weigend, § 26 II 2; Rengier, AT, § 10 Rn. 11; Wessels/Beulke/ Satzger, AT, Rn. 43. 186 Hilgendorf, NJW 1997, S. 1873 ff. (1876); Satzger, NStZ 1998, S. 112 ff. (114 f.). 178

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3. Teil: Der Verbotstatbestand § 284 StGB

Da § 284 StGB keine Verletzung der geschützten Rechtsgüter Vermögen und Gesundheit in Form eines Vermögens- bzw. Gesundheitsschadens voraussetzt, handelt es sich nicht um ein Verletzungs- sondern um ein Gefährdungsdelikt.187 Da das Anbieten von Glücksspielen ohne behördliche Erlaubnis unabhängig davon unter Strafe steht, ob das Vermögen der Spielteilnehmer in die konkrete Gefahr einer manipulationsbedingten Schädigung gerät oder die Gesundheit bzw. das Vermögen nicht freiverantwortlich handelnder Spielsüchtiger oder Minderjähriger – etwa infolge tatsächlicher Teilnahme am Spielbetrieb – konkret gefährdet wird, handelt es sich nicht um ein konkretes, sondern um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.188 Der Wertung des § 284 StGB nach birgt das Veranstalten, Halten und Bereitstellen von Einrichtungen eines Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis sowie das Werben hierfür generell ein derart hohes Risikopotenzial in Bezug auf Vermögens- und Gesundheitsschäden, dass allein dieses Verhalten pönalisiert wird.

187 Bertrand, S. 288; Falk, S. 42 f.; Feldmann, S. 45 f.; Hambach/Liesching, in: Streinz/ Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 9; Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 5; Hoyer, in: SK-StGB, 135. Lfg. 2012, § 284 Rn. 9; Volk, S. 11; a.A. Hohmann, in: MK-StGB, § 284 Rn. 2, der § 284 StGB ausgehend vom „Rechtsgut“ des „immer wieder bestätigte(n) Vertrauen(s) des Einzelnen in die Gewährleistung einer manipulationsfreien Spielchance“ als Verletzungsdelikt ansieht, dessen Verletzungserfolg in der Verletzung ebendiesen Vertrauens liege. 188 I. E. ebenso Bertrand, S. 288; Falk, S. 42 f.; Feldmann, S. 45 f.; Hambach/Liesching, in: Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 9; Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 5; Hoyer, in: SK-StGB, 135. Lfg. 2012, § 284 Rn. 9; Volk, S. 11.

4. Teil

Das deutsche Strafanwendungsrecht, §§ 3 ff. StGB Das vor allem189 in §§ 3 ff. StGB normierte Strafanwendungsrecht190 regelt, ob Sachverhalte der deutschen Strafgewalt unterfallen.191 Führen §§ 3 ff. StGB zur Bejahung der deutschen Strafgewalt, bedeutet das zweierlei: Zum einen erstrecken sich deutsche Strafnormen auf den betreffenden Sachverhalt. Deutschland nimmt insofern Strafgewalt i.S.v. Regelungsgewalt in Anspruch.192 Hierin besteht die materiell-rechtliche Seite der §§ 3 ff. StGB. Zum anderen ist die deutsche Strafjustiz für die Verfolgung des Sachverhaltes und ggf. die Bestrafung des Täters samt Strafvollstreckung zuständig. Darüber hinaus besteht die Kompetenz, weitere Rechtsfolgen, wie z. B. strafrechtliche Sicherungsmaßnahmen oder die Abschöpfung aus der Tat erzielter Gewinne auszusprechen und ggf. zu vollstrecken.193 Deutschland nimmt insofern Strafgewalt i.S.v. Durchsetzungsgewalt in Anspruch.194 Hierin besteht die prozessuale Seite der §§ 3 ff. StGB. Gelangen §§ 3 ff. StGB zu dem Ergebnis, dass die deutsche Strafgewalt nicht zum Tragen kommt, liegt prozessrechtlich ein von Amts wegen zu prüfendes Verfahrenshindernis vor.195 Ein eingeleitetes Strafverfahren ist einzustellen – im Ermittlungsverfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO, im Zwischenverfahren durch Nichteröffnungsbeschluss gem. § 204 Abs. 1 i.V.m. § 203 StPO und im Hauptverfahren vor der Hauptverhandlung durch Einstellungsbeschluss gem. § 206a StPO bzw. während der 189 §§ 3 ff. StGB treffen keine abschließende Regelung. Weitere strafanwendungsrechtliche Regelungen finden sich z. B. in §§ 89a Abs. 3 StGB, § 129b StGB oder Art. 2 § 2 EU-BestG. 190 Im Schrifttum variiert die Terminologie. Häufig werden §§ 3 ff. StGB auch als „Internationales Strafrecht“ (so z. B. Lackner/Kühl, Vor §§ 3 – 7 Rn. 1; Reschke, S. 3; Schneider, S. 10) oder „Transnationales Strafrecht“ (so z. B. Ambos, IntStR, § 1 Rn. 2; Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 8) bezeichnet. Kritisch zur Terminologie „Internationales Strafrecht“ Eser, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 3 – 9 Rn. 5 ff; Safferling, IntStR, § 3 Rn. 1; Satzger, in: ders./ Schluckebier/Widmaier, Vor §§ 3 – 7 Rn. 1. 191 Jescheck/Weigend, § 18 I 1; Mintas, S. 111; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 3. 192 Böse/Meyer, ZIS 2011, S. 336 ff. (337); Jeßberger, S. 9 f. 193 Vgl. Capus, S. 105 f. 194 Jeßberger, S. 10. Die Befugnis zu grenzüberschreitenden Ermittlungen können §§ 3 ff. StGB hingegen nicht regeln. In Anbetracht der souveränen Gleichheit der Staaten (hierzu sogleich) sind Ermittlungen auf fremdem Hoheitsgebiet ohne Einverständnis des betreffenden Staates unzulässig, vgl. Meng, S. 11; Pichler, S. 105. 195 BGHSt 34, 1, 3; Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt, Einl. Rn. 145; Satzger, IntEuStR, § 3 Rn. 2.

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4. Teil: Das deutsche Strafanwendungsrecht, §§ 3 ff. StGB

Hauptverhandlung durch Prozessurteil gem. § 260 Abs. 3 StPO.196 Materiell-rechtlich hat die fehlende Anwendbarkeit deutschen Strafrechts zur Folge, dass die Strafbarkeit nach deutschem Recht entfällt. Je nach dogmatischer Einordnung der §§ 3 ff. StGB197 fehlt es entweder an einer objektiven (Vor-)Bedingung der Strafbarkeit198 oder an einem notwendigen Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes199. Dem deutschen Gesetzgeber ist es aufgrund des Parlamentsvorbehalts (Art. 103 Abs. 2 GG) verfassungsrechtlich verboten, für die Beurteilung der Strafbarkeit eines Verhaltens generell auf ausländisches Strafrecht zu verweisen.200 Völkerrechtlich ist es ihm untersagt, autonom darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein anderer souveräner Staat Strafgewalt ausübt. Nationales Strafanwendungsrecht kann daher nicht regeln, welcher Staat für einen grenzüberschreitenden Sachverhalt jurisdiktionsbefugt ist.201 §§ 3 ff. StGB tragen diesen Vorgaben Rechnung, indem sie ausschließlich die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts regeln.202 Ein deutsches Strafgericht kann daher – im Gegensatz zum Zivilgericht – ausschließlich nach deutschem Recht entscheiden. Für Aburteilungen nach ausländischem Recht besteht keine internationale Zuständigkeit.203 §§ 3 ff. StGB erstrecken die deutsche Strafgewalt auch dann auf einen Sachverhalt, wenn andere Staaten Strafgewalt hinsichtlich desselben Sachverhaltes proklamieren.204 Auf die gleiche Weise verfährt das Strafanwendungsrecht der meisten Staaten weltweit.205 Vor allem in Fällen, in denen eine Tat mehrere Staaten territorial berührt, die sich allesamt für die Verfolgung und Aburteilung der Tat zuständig erklären, kommt es daher regelmäßig zu kumulativen Strafverfolgungs196

Kühne, in: LR-StPO, Einl. Abschn. K, Rn. 42. Siehe hierzu 5. Teil 6. Abschnitt E. II. 3. a) aa) sowie 7. Abschnitt A. 198 So BGHSt 27, 30, 34; Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 3; Eser, in: Schönke/ Schröder, Vor §§ 3 – 9 Rn. 79; Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 30; Hecker, EuStR, 2 Rn. 3; Jescheck/ Weigend, § 18 V; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), S. 379 ff. (414); Satzger, in: ders./ Schluckebier/Widmaier, Vor §§ 3 – 7 Rn. 3; Scholten, S. 100; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 452. 199 So Basak, in: MR-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 2; Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff. (69 ff.) sowie in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 51 mit Ausnahme der „in § 7 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StGB genannten Voraussetzungen (Staatsangehörigkeit des Täters, Nichtauslieferung)“ (Prozessrecht); Namavicius, S. 104 ff.; Neumann, in: FS Müller-Dietz, S. 589 ff. (604); Pawlik, in: FS Schroeder, S. 357 ff. (373). 200 Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff. (68). 201 Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff. (68). 202 Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff. (68). Im Gegensatz zu vielen Normen des Internationalen Privatrechts handelt es sich bei §§ 3 ff. StGB daher nicht um Kollisionsnormen, die auf einen Sachverhalt deutsches oder ausländisches Recht für anwendbar erklären, Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 1 m.w.N. 203 Mankowski/Bock, JZ 2008, S. 555 ff. (558); Schneider, S. 8. 204 Vgl. Dombrowski, S. 17; Hecker, ZIS 2011, S. 60 ff. (60); Werle/Jeßberger, in: LKStGB, Vor § 3 Rn. 2. 205 Vgl. Oehler, IntStR, Rn. 573 f. 197

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zuständigkeiten für ein und dieselbe Tat.206 Selbst wenn eine Tat nur das Territorium eines Staates berührt, kann es zu Zuständigkeitskonflikten kommen, wenn andere Staaten ihren Strafanspruch über die eigenen Staatsgrenzen hinaus ausdehnen.207 Vor allem aus Sicht des Beschuldigten ist in solchen Fällen die Frage bedeutsam, ob und inwieweit die Tat in mehreren Staaten verfolgt und bestraft werden kann. Verbindliche zwischenstaatliche Vereinbarungen, die im Falle konkurrierender Strafansprüche mehrerer Staaten die Strafverfolgungskompetenz von vornherein einem Staat zuweisen, existieren bislang kaum.208 Im Hinblick auf Jurisdiktionskonflikte zwischen EU-Mitgliedstaaten normiert der EU-Rahmenbeschluss 2009/ 948/JI des Rates vom 30. 11. 2009 zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren209 lediglich eine Verpflichtung zur zwischenstaatlichen Konsultation, „um zu einem Einvernehmen über eine effiziente Lösung zu gelangen, bei der die nachteiligen Folgen parallel geführter Verfahren vermieden werden“ (Art. 10 Abs. 1, 1. Hs). Eine „effiziente Lösung“ kann etwa in einer „Konzentration der Strafverfahren in einem einzigen Mitgliedstaat“ liegen (Art. 10 Abs. 1, Hs. 2). Kommt es zu keiner Einigung zwischen den beteiligten Staaten, bleiben parallel geführte Strafverfahren möglich (Erwägungsgrund 11).210 Nationale Doppelbestrafungsverbote wie Art. 103 Abs. 3 GG regeln i. d. R. allein den innerstaatlichen Strafklageverbrauch infolge rechtskräftiger Entscheidungen inländischer Gerichte oder Strafverfolgungsbehörden.211 Völkerrechtlich ist es einem Staat in Anbetracht der souveränen Gleichheit der Staaten verboten, souveränitätsgetragene Strafansprüche anderer Staaten mit der Begründung auszuschließen, die Tat sei bereits in Durchsetzung seines Strafanspruchs abgeurteilt worden.212 Aus diesem Grund besteht auch keine allgemeine Regel des Völkerrechts, wonach eine rechtskräftige Aburteilung einer Tat die Strafansprüche anderer zur Strafverfolgung berufenen Staaten ausschließt.213 Zur Implementierung eines transnationa206

Vgl. Böse/Meyer, ZIS 2011, S. 336 ff. (336); Hecker, EuStR, 13 Rn. 5. Zu extraterritorialen Strafgewaltausdehnungen in rechtsvergleichender Hinsicht vgl. Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 18; Blakesley/Stigall, GWILR 39 (2007), S. 1 ff. (15); vgl. auch StIGHE 5, 71, 91, Lotus. 208 Eine Ausnahme bildet beispielsweise Art. 27 UN-Seerechts-Übereinkommen, BGBl. II 1994, S. 1799; II 1995, S. 602, wonach auf Schiffen begangene Taten grundsätzlich vorrangig von demjenigen Staat verfolgt werden dürfen, unter dessen Flagge das betreffende Schiff fährt. 209 ABl. L 328 v. 15. 12. 2009, S. 42 ff.; vgl. hierzu Böse/Meyer, ZIS 2011, S. 336 ff. (336 ff.); Hecker, ZIS 2011, S. 60 ff. (61 ff.); Rekate, S. 187 ff. 210 Vgl. hierzu Eisele, ZStW 125 (2013), S. 1 ff. (18); Hecker, EuStR, 12 Rn. 4. Zu Reformvorschlägen siehe z. B. Hecker, in: Sinn (Hrsg.), S. 85 ff.; siehe auch unten 6. Teil C. II. 1. 211 Vgl. in Bezug auf Art. 103 Abs. 3 GG BVerfGE 6, 176, 177; 12, 62, 66; 75, 1, 18; BVerfG NJW 2012, 1202, 1203; Ambos, IntStR, § 4 Rn. 5; Satzger, IntEuStR, § 10 Rn. 52; Weißer, ZJS 2014, S. 589 ff. (589). 212 Vgl. Weißer, ZJS 2014, S. 589 ff. (589). 213 BVerfGE 75, 1, 18 ff.; BVerfG NJW 2012, 1202, 1203; BGHSt 34, 334, 340; 46, 93, 106; 51, 150, 155 f.; Hecker, EuStR, 13 Rn. 3; Kniebühler, S. 353, 356; Mansdörfer, S. 19 ff., 126; Weißer, ZJS 2014, S. 589 ff. (589); kritisch: Endriß/Kinzig, StV 1997, S. 665 ff. (667). 207

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len Doppelbestrafungsverbotes bedarf es daher einer völkervertraglichen Einigung, durch die sich die Vertragsstaaten mit einer Souveränitätsbeschränkung einverstanden erklären.214 Auf europäischer Ebene wurde eine entsprechende Einigung erzielt. Art. 50 EU-Grundrechte-Charta (im Folgenden: GRC) und Art. 54 Schengener Durchführungsübereinkommen (im Folgenden: SDÜ) normieren ein transnationales „europäisches“ Doppelbestrafungsverbot. Demnach tritt transnationaler Strafklageverbrauch bzgl. solcher Taten ein, die in einem Vertragsstaat abgeurteilt wurden und – insoweit streitig – im Falle einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt wurde, gerade vollstreckt wird oder nicht mehr vollstreckt werden kann215. Die europäische Einigung auf ein transnationales Doppelbestrafungsverbot beinhaltet insoweit die Anerkennung einer „Aburteilung“ der Tat durch einen anderen Vertragsstaat. Sind die Voraussetzungen der Art. 50 GRC, 54 SDÜ erfüllt, besteht ein Verfahrenshindernis.216 Ermittlungsverfahren sind durch Verfahrenseinstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen, Zwischenverfahren durch Nichteröffnungsbeschluss gem. § 204 Abs. 1 i.V.m. § 203 StPO, Hauptverfahren vor der Hauptverhandlung durch Einstellungsbeschluss gem. § 206a StPO, bzw. während der Hauptverhandlung durch Prozessurteil gem. 260 Abs. 3 StPO, nach einer Verurteilung durch gerichtliche Entscheidung gem. § 458 Abs. 1 StPO oder durch Verfahrenseinstellung nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens.217 Außerhalb der Art. 50 GRC, 54 SDÜ existieren keine verbindlichen transnationalen Doppelbestrafungsverbote. Aburteilungen in Staaten außerhalb des Geltungsbereichs der Art. 50 GRC, 54 SDÜ ziehen daher keinen Strafklageverbrauch in Deutschland nach sich. I.d.R. führen auch in Deutschland ergangene Aburteilungen keinen Strafklageverbrauch in Staaten herbei, die dem Geltungsbereich der Art 50 GRC, 54 SDÜ nicht unterliegen.218 Doppel- oder Mehrfachaburteilungen einer Tat in verschiedenen Staaten sind in diesen Fällen also möglich. Kommt es zu einer Aburteilung einer Tat in Deutschland, nachdem diese bereits zuvor im Ausland bestraft wurde, wird die im Ausland verhängte Strafe allerdings – soweit sie vollstreckt ist – angerechnet, § 51 Abs. 3 StGB. Erstreckt sich die deutsche Strafgewalt gem. §§ 3 ff. StGB auf einen Sachverhalt und stehen einem Strafverfahren keine sonstigen Hindernisse wie z. B. Art. 50 GRC, 54 SDÜ entgegen, bedeutet das noch nicht zwingend, dass die Tat in Deutschland auch verfolgt werden muss. Zwar gilt auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten Rechtsordnungsinterne Doppelbestrafungsverbote stellen hingegen unbestritten eine allgemeine Regel des Völkerrechts dar, BVerfGE 75, 1, 23; Hecker, EuStR, 13 Rn. 2. 214 Satzger, IntEuStR, § 3 Rn. 10; Weißer, ZJS 2014, S. 589 ff. (589). 215 Zum Erfordernis eines Vollstreckungselements vgl. EuGH Urt. v. 27. 5. 2014, Rs. C-129/ 14, Spasic, NJW 2014, 3007; Burchard/Brodowski, StraFo 2010, S. 179 ff. (180 ff.); Heger, ZIS 2009, S. 406 ff. (408); Satzger, IntEuStR, § 10 Rn. 69 ff.; ders., in: FS Roxin, S. 1515 ff. (1522 ff.); Weißer, ZJS 2014, S. 589 ff. 216 Fischer, § 51 Rn. 16; Hugger, in: IntStR Praxis, Rn. 1122. 217 Hugger, in IntStR Praxis, Rn. 1122. 218 Vgl. hierzu Jegede, in: Decaux/Dieng/Sow (Hrsg.), S. 483 ff.

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im Grundsatz das Legalitätsprinzip219 (§§ 152 Abs. 2, 170 Abs. 1 StPO), das eine Ermittlungspflicht bei Vorliegen eines Anfangsverdachts220 sowie eine Anklagepflicht, sofern nach den Ermittlungen ein hinreichender Tatverdacht221 besteht, festlegt. Die Strafverfolgungsbehörden können aber insb. unter den Voraussetzungen der Opportunitätsregelung in § 153c StPO nach pflichtgemäßem Ermessen von der Strafverfolgung absehen oder ein eingeleitetes Verfahren einstellen. Auf diese Weise kann die tendenziell weite Ausdehnung deutscher Strafgewalt durch §§ 3 ff. StGB – vor allem mit Rücksicht auf die Souveränität ausländischer Tatortstaaten222 und die Prozessökonomie223 – auf prozessualer Ebene im Einzelfall korrigiert werden.224 Im Rahmen der Ausgestaltung strafanwendungsrechtlicher Bestimmungen kann der nationale Gesetzgeber grundsätzlich autonom festlegen, auf welche Sachverhalte er die nationale Strafgewalt erstreckt (sog. „Kompetenz-Kompetenz“ zur Begründung eigener Kompetenzen225). Grenzen werden jedoch vor allem durch das Völkerrecht gesetzt. Nach dem völkerrechtlichen Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten226 hat jeder Staat das Recht, auf seinem Hoheitsgebiet geltende Verhaltensanforderungen festzulegen und die Zuständigkeit zu deren Durchsetzung durch die nationale Strafjustiz zu beanspruchen. Nimmt ein Staat Strafgewalt in Bezug auf Taten in Anspruch, die auf fremdem Territorium begangen wurden, liegt darin eine Beeinträchtigung des souveränitätsgetragenen Rechts des Tatortstaates, exklusive Strafgewalt auf seinem eigenen Hoheitsgebiet auszuüben.227 Der extraterritoriale Strafgewalt beanspruchende Staat mischte sich m.a.W. in die fremden Angelegenheiten des Tatortstaates ein. Eine derartige Einmischung ist nach dem völkerrechtlichen Interventionsverbot unzulässig, wenn kein sinnvoller, spezifischer Bezug (sog. „genuine link“) zwischen dem Strafgewalt proklamierenden Staat und 219

Vgl. hierzu statt vieler Roxin/Schünemann, § 14 Rn. 1 ff. Vgl. § 152 Abs. 2 StPO: „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“. Erforderlich ist eine „nach kriminalistischer Erfahrung bestehende Möglichkeit eines strafbaren und verfolgbaren Verhaltens“, Heghmanns, Strafverfahren, Rn. 73; Meyer-Goßner/Schmitt, § 152 StPO Rn. 4. 221 Vgl. hierzu statt vieler Heghmanns, Strafverfahren, Rn. 590 ff. 222 Beulke, in: LR-StPO, § 153c Rn. 2; Deiters, S. 84; Gercke, in: HK-StPO, § 153c Rn. 1. 223 Beulke, in: LR-StPO, § 153c Rn. 2; Deiters, S. 84. 224 Beulke, in: LR-StPO, § 153c Rn. 2; Gercke, in: HK-StPO, § 153c Rn. 1; näher zu den in § 153c StPO enthaltenen Opportunitätsregelungen 5. Teil 6. Abschnitt E. II. 4. und 8. a) bb) (2). 225 Zum umstrittenen Begriff der „Kompetenz-Kompetenz“ vgl. Ambos, IntStR, § 2 Rn. 4; Safferling, IntStR, § 9 Rn. 52. 226 Der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten ist in Art. 2 Nr. 1 UN-Charta ausdrücklich normiert und als allgemeine Regel des Völkerrechts anerkannt, vgl. BGHSt 53, 238, 253 f.; Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 16; Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 14; Hecker, EuStR, 2 Rn. 11; Schneider, S. 164; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 29. 227 Vgl. Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 12; Jescheck, IRuD 1956, S. 75 ff. (84); Schneider, S. 165; Wang, S. 80; vgl. auch Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 11: Der extraterritoriale Strafgewalt ausübende Staat bestreite die „ausschließliche Zuständigkeit [des Tatortstaates] zur Ausübung von Strafgewalt“ und zwinge ihn, „die „fremde“ Ausübung von Strafgewalt zu dulden“. 220

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dem Sachverhalt, auf den die Strafgewalt erstreckt werden soll, die Strafgewalterstreckung über die eigenen Staatsgrenzen hinaus legitimiert.228 Das Interventionsverbot ist als allgemeine Regel des Völkerrechts gem. Art. 25 S. 1 GG Bestandteil des Bundesrechts.229 In Deutschland genießen allgemeine Regeln des Völkerrechts gem. Art. 25 S. 2 Hs. 1 GG Vorrang vor den einfachen Gesetzen.230 Soweit einfachgesetzliche Vorschriften gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts verstoßen, sind sie im konkreten Konfliktfall unanwendbar (Anwendungsvorrang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts).231 Erstreckten die einfachgesetzlichen §§ 3 ff. StGB deutsche Strafgewalt ohne einen legitimierenden Anknüpfungspunkt auf im Ausland begangene Taten, wäre die diesbezügliche Regelung demnach im konkreten Konfliktfall im Umfang ihrer Unvereinbarkeit mit dem Interventionsverbot unanwendbar.232 Eine im konkreten Konfliktfall wirksame Ausgestaltung des deutschen Strafanwendungsrechts setzt daher einen sinnvollen, spezifischen Bezug zwischen Deutschland und dem der deutschen Strafgewalt unterworfenen Sachverhalt als einen die Strafgewalterstreckung unter dem Gesichtspunkt des Interventionsverbotes legitimierenden Anknüpfungspunkt voraus.233 Das deutsche Strafanwendungsrecht in §§ 3 ff. StGB basiert im Grundsatz auf dem in der souveränitätsgetragenen Gebietshoheit der Bundesrepublik Deutschland verwurzelten Territorialitätsprinzip.234 Demnach gilt deutsches Strafrecht für Taten, die innerhalb des deutschen Hoheitsgebietes235 begangen werden, § 3 i.V.m. § 9

228 StIGHE 5, 71, 90, Lotus: „Die erste und wichtigste Einschränkung nun, die das internationale Recht dem Staat auferlegt, ist der Ausschluss seiner Macht auf dem Gebiet eines anderen Staates, sofern nicht eine Regel besteht, die dies erlaubt“; BVerfGE 63, 343, 369; 77, 137, 153; 92, 277, 320 f.; BGHSt 27, 30, 32; 34, 334, 336; 45, 60, 65; Jescheck/Weigend, § 18 II; Eser, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 3 – 9 Rn. 9; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 24; zu den einzelnen Voraussetzungen des Interventionsverbotes siehe 5. Teil 6. Abschnitt E. II. 8. a). 229 BGHSt 27, 30, 31 f.; Ambos, IntStR, § 2 Rn. 5. 230 Herdegen, in: Maunz/Dürig, 37. Lfg. August 2000, Art. 25 GG Rn. 43; Jarass/Pieroth, Art. 25 GG Rn. 14; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, Rn. 201. Für einen Verfassungsrang: Steinberger, in: Isensee/Kirchhof, HbStR VII, § 173 Rn. 61. 231 BVerfGE 23, 288, 316 f.; 36, 342, 365; BVerwGE 72, 241, 250 f.; Herdegen, in: Maunz/ Dürig, 42. Lfg. Februar 2003, Art. 25 GG Rn. 43; Jarass/Pieroth, Art. 25 GG Rn. 14; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, Rn. 202. Steinberger, in: Isensee/Kirchhof, HbStR VII, § 173 Rn. 55, spricht sich ausnahmsweise für die Nichtigkeit der einfachgesetzlichen Norm aus, sofern diese gegen völkerrechtliches ius cogens verstößt; ebenso Koenig, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 25 GG Rn. 49. 232 Vgl. BGHSt 27, 30, 31 f.; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 30. 233 BVerfGE 63, 343, 369; BGHSt 27, 30, 32; 34, 334, 336; 45, 65, 66; Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 12; Jescheck/Weigend, § 18 II; Satzger, IntEuStR, § 4 Rn. 2; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 216 ff. 234 Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 17; Dombrowski, S. 17; Schneider, S. 105, 245. 235 Vgl. hierzu Böse, in: NK-StGB § 3 Rn. 3 ff.

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StGB.236 Das Territorialitätsprinzip wird durch weitere Prinzipien ergänzt. In §§ 5 – 7 StGB sind Voraussetzungen genannt, bei deren Vorliegen deutsches Strafrecht auf im Ausland begangene Taten Anwendung findet.237 Den die extraterritoriale Strafgewalterstreckung legitimierenden Anknüpfungspunkt bildet in § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 das mit dem Erfordernis der Tatortstrafbarkeit verknüpfte aktive bzw. passive Personalitätsprinzip.238 Deutsches Strafrecht kommt demnach zur Anwendung, wenn ein deutscher Staatsbürger Taten im Ausland begeht (aktives Personalitätsprinzip, § 7 Abs. 2 StGB239), bzw. eine Tat im Ausland gegen einen deutschen Staatsbürger begangen wird (passives Personalitätsprinzip, § 7 Abs. 1 StGB240) und die Tat auch im ausländischen Tatortstaat mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt. Gleiches gilt gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 StGB, wenn der Täter nach der Tat Deutscher geworden ist (sog. Neubürger241). In § 5 StGB basiert die extraterritoriale Strafgewalterstreckung überwiegend auf dem Schutzprinzip.242 Die deutsche Strafgewalt bezieht sich demnach auf gegen Kollektiv- oder Individualrechtsgüter gerichtete Straftaten, die der deutsche Gesetzgeber unabhängig vom Tatort und der Tatortstrafbarkeit durch das deutsche Strafrecht geschützt wissen will.243 § 6 StGB liegt – zumindest dem gesetzgeberischen Willen nach – das Prinzip der Weltrechtspflege244 zugrunde, wonach die deutsche Justiz den Schutz international geschützter Rechtsgüter als Vertreter der selbst nicht handlungsfähigen Völkergemeinschaft wahrnimmt.245 Schließlich legitimiert das § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB zugrunde liegende Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege246 eine extraterritoriale Strafgewalterstreckung in Fällen, in denen Deutschland Strafgewalt stellvertretend 236 Ambos, IntStR, § 3 Rn. 4 ff.; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 11 ff.; Werle/Jeßberger, in: LKStGB, Vor § 3 Rn. 222 ff. 237 Zur zweifelhaften völkerrechtlichen Legitimität vieler in §§ 5 – 7 StGB normierter Anknüpfungspunkte, insb. der tatortstrafbarkeitsunabhängigen §§ 5 und 6 StGB, vgl. Eser, in: FS Jescheck, Bd. 2, S. 1353 ff. (1369 ff.); Hoyer, in: SK-StGB, 26. Lfg. Juni 1997, § 5 Rn. 1; Weigend, in: FS Eser, S. 955 ff. (958). Der BGH fordert zusätzlich zu den geschriebenen Voraussetzungen der §§ 5 und 6 StGB einen spezifischen Tatbezug zum Inland, vgl. BGHSt 45, 64, 66; BGH NStZ 1994, 232, 233. Zum Erfordernis eines maßgeblichen Inlandsbezugs im Auslieferungsrecht vgl. BVerfG NJW 2016, 1714, 1715 ff. 238 Der die extraterritoriale Strafgewalterstreckung rechtfertigende Gehalt des Personalitätsprinzips ist im Einzelnen umstritten, siehe hierzu 5. Teil 3. und 5. Abschnitt. 239 Hecker, EuStR, 2 Rn. 43; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 232. 240 Ambos, IntStR, § 2 Rn. 45; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 228. 241 Ambos, IntStR, § 3 Rn. 47; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 7 Rn. 82 ff. 242 Ambos, IntStR, § 3 Rn. 69; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 225. 243 Vgl. BT-Drs. IV/650, S. 109; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 64; Werle/Jeßberger, in: LKStGB, § 5 Rn. 4. 244 Siehe auch § 1 des deutschen Völkerstrafgesetzbuchs, der die Geltung des Weltrechtsprinzips für Völkermordverbrechen sowie für Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen normiert. Zum Weltrechtsprinzip vgl. Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 21 ff.; Volkmann, passim; Weißer, GA 2012, S. 416 ff.; dies., in: Jeßberger/Geneuss (Hrsg.), S. 65 ff. 245 Vgl. Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 21; Weißer, GA 2012, S. 416 ff. (418 ff.). 246 Ambos, IntStR, § 3 Rn. 121; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 248.

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4. Teil: Das deutsche Strafanwendungsrecht, §§ 3 ff. StGB

für den aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen an der Strafverfolgung gehinderten, originär zur Strafverfolgung berufenen Tatortstaat wahrnimmt.247 Von der anhand §§ 3 ff. StGB zu beantwortenden Frage nach der Anwendbarkeit deutscher Strafnormen und der internationalen Zuständigkeit der deutschen Strafjustiz ist die Frage zu unterscheiden, ob der Schutzbereich des einschlägigen deutschen Straftatbestandes eröffnet ist.248 Werden tatbestandlich geschützte Individualrechtsgüter beeinträchtigt, ist die Schutzbereichseröffnung unproblematisch zu bejahen. Individualrechtsgüterschutz gewähren deutsche Strafnormen – im Einklang mit völkerrechtlichem Fremdenrecht, wonach auch ausländischen Staatsangehörigen ein Mindeststandard an Rechtsgüterschutz gewährt werden muss249 – gegenüber jedem Individuum.250 Anderenfalls könnte der tatbestandlich bezweckte Schutz – in einer die rechtsstaatlich garantierten Strafzwecke ad acta führenden Weise – von vornherein auch nur lückenhaft gewährt werden.251 Demgegenüber werden gegen ausländische Kollektivrechtsgüter gerichtete Verhaltensweisen von deutschen Straftatbeständen nicht erfasst, sofern der entsprechende Straftatbestand ausschließlich den Schutz inländischer Kollektivrechtsgüter oder Individualrechtsgüter bezweckt.252 Die Prüfung, ob der Schutzbereich des einschlägigen Straftatbestandes in grenzüberschreitenden Fällen eröffnet ist, wird in Rechtsprechung und Schrifttum an unterschiedlichen Stellen des Prüfungsaufbaus verortet. Teilweise wird die Schutzbereichsprüfung vor Prüfung der §§ 3 ff. StGB vorgenommen.253 Ist die Eröffnung des Schutzbereichs zu verneinen, kommt es demnach gar nicht zur Prüfung der §§ 3 ff. StGB. Diese Vorgehensweise wurzelt in der Erwägung, die Bestimmung einer von §§ 3 ff. StGB vorausgesetzten „Tat“ oder eines von § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB in Bezug genommenen zum Tatbestand gehörenden Erfolges setze die Kenntnis des tatbestandlichen Schutzumfangs voraus.254 Mit derselben Erwägung wird die Schutzbereichsprüfung teilweise auch inzident innerhalb der Prüfung der §§ 3 ff. 247

Eser, in: Schönke/Schröder, § 7 Rn. 22; Satzger, IntEuStR, § 4 Rn. 15. Vgl. BGHSt 29, 85, 88; 40, 79, 81; Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 81; Breuer, MMR 1998, S. 141 ff. (141 f.); Eser, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 3 – 9 Rn. 31; Hecker, EuStR, 2 Rn. 4; Safferling, IntStR, § 3 Rn. 12. 249 Siehe hierzu Jescheck/Weigend, § 18 III 8; Lüttger, in: FS Jescheck, Bd. 1, S. 121 ff. (147); Obermüller, S. 50 ff. Allgemein zum völkerrechtlichen Fremdenrecht vgl. Herdegen, Völkerrecht, § 27. 250 Ambos, IntStR, § 1 Rn. 38; ders., in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 78; Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 56. 251 Vgl. Berberich, S. 141; Obermüller, S. 48 ff. 252 Vgl. BGHSt 22, 282, 285; 29, 73, 75 ff.; Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 81; Breuer, MMR 1998, S. 141 ff. (141 f.); Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 9; Hecker, EuStR, 2 Rn. 5; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 277, 294 ff. 253 So z. B. BGHSt 22, 282, 285; 40, 79, 81; Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 55; Eser, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 3 – 9 Rn. 31; Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 4; Schneider, S. 344; Walter, JuS 2006, S. 870 ff. (870). 254 Schneider, S. 344; Walter, JuS 2006, S. 870 ff. (870, Fn. 1). 248

4. Teil: Das deutsche Strafanwendungsrecht, §§ 3 ff. StGB

65

StGB vorgenommen.255 Die Gegenansicht256 prüft §§ 3 ff. StGB vor Erörterung der Schutzbereichsfrage. Diesem Vorgehen liegt die Erwägung zugrunde, das Fehlen der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nach §§ 3 ff. StGB begründe ein Verfahrenshindernis, das eine materielle Schutzbereichsprüfung von vornherein obsolet werden ließe. An welcher Stelle die Schutzbereichsprüfung zu erfolgen hat, ist insbesondere in solchen Fällen ohne Relevanz, in denen der Schutzbereich des einschlägigen Straftatbestandes ohnehin unproblematisch eröffnet ist. Es kommt dann in jedem Fall entscheidend auf die Prüfung der §§ 3 ff. StGB an. Im Hinblick auf die Strafbarkeit des Anbietens virtueller Offshore-Glücksspiele nach § 284 StGB birgt die Frage nach der Schutzbereichseröffnung keine Probleme. Hier geht es nicht um die fragwürdigen Fälle, in denen ausländische Kollektivrechtsgüter tangiert werden, sondern um den Schutz der Individualrechtsgüter Vermögen und Gesundheit (siehe 3. Teil A. III. und IV.). Der Schutzbereich des § 284 StGB ist hier jedenfalls eröffnet. Auf die Frage, ob §§ 3 ff. StGB vor oder nach der Schutzbereichsprüfung zu prüfen sind oder ob die Schutzbereichsprüfung innerhalb der Geltungsbereichsprüfung zu erfolgen hat, kommt es daher nicht an.

255

BGHSt 29, 85, 88; OLG Stuttgart NJW 1977, 1601, 1602. Hoyer, in: SK-StGB, 26. Lfg. Juni 1997, Vor § 3 Rn. 31; Obermüller, S. 141 f.; Safferling, IntStR, § 3 Rn. 12. 256

5. Teil

Die Anwendbarkeit des § 284 StGB auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote Nachdem das Phänomen virtueller Offshore-Glücksspiele geschildert und die normativen Rahmenbedingungen in §§ 3 ff. StGB sowie § 284 StGB beleuchtet wurden, kann nunmehr der Frage nachgegangen werden, ob § 284 StGB gem. §§ 3 ff. StGB auf Sachverhalte virtueller Offshore-Glücksspielangebote Anwendung findet. Die bisher gewonnenen Ergebnisse erlauben es an dieser Stelle der Untersuchung, den hinter dieser Frage stehenden – eingangs257 noch relativ allgemein formulierten – Konflikt zwischen einerseits engem und andererseits weitem Geltungsbedürfnis deutschen Glücksspielstrafrechts partiell zu konkretisieren: Einerseits besteht angesichts der aus Rechtsoasen angebotenen virtuellen Offshore-Glücksspielen inhärenten Risiken von Vermögensschäden und Spielsucht ein hohes Bedürfnis, § 284 StGB jedenfalls hinsichtlich in Deutschland spielbaren Offshore-Glücksspielangeboten zum Zwecke des Vermögens- und Gesundheitsschutzes zur Anwendung zu bringen. Verneinte man die Anwendbarkeit des § 284 StGB auf virtuelle OffshoreGlücksspielangebote, würde der glücksspielstrafrechtliche Gesundheits- und Vermögensschutz ausgerechnet im Bereich der manipulations- und suchtanfälligsten Glücksspiele nicht gewährt. Anbieter virtueller Glücksspiele könnten einer Bestrafung nach § 284 StGB mitsamt einer etwaigen Abschöpfung aus dem Spielbetrieb erzielter Gewinne (erweiterter Verfall, §§ 286 Abs. 1, 73d StGB) entgehen, indem sie sich zum Zwecke des Angebots ihrer Spiele in ausländische Rechtsoasen zurückziehen. Selbst zielgerichtet auf in Deutschland befindliche Nutzer zugeschnittene Glücksspielangebote wären der deutschen Strafgewalt in diesen Fällen entzogen. Die Erfahrungen mit dem Unlawful Internet Gambling Enforcement Act in den USA258 haben demgegenüber gezeigt, dass ein effektiv durchgesetztes (zu diesbezüglichen Problemen siehe 6. Abschnitt F. IV.) grenzüberschreitendes Internetglücksspielveranstaltungsverbot eine Eindämmung im Inland spielbarer virtueller Offshore-Glücksspielangebote verspricht. Andererseits erschiene eine einschränkungslose Anwendbarkeit des § 284 StGB auf weltweit spielbare virtuelle Offshore-Glücksspielangebote vor allem für solche Staaten als Strafgewaltanmaßung, deren Rechtsordnungen liberalere Glücksspiel257 258

Siehe 1. Teil A. Vgl. hierzu oben 2. Teil B.

A. Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, Art. 49, 56 AEUV

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regulierungsmodelle als die deutsche Rechtsordnung vorsehen. Insbesondere für ausländische Rechtsoasen, in denen Offshore-Glücksspielanbieter legal agieren, stellte sich die Erstreckung der in deutschen Wertentscheidungen wurzelnden glücksspielstrafrechtlichen Verbotsnormen des StGB als schwerwiegender Souveränitätseingriff dar. In Fällen, in denen sich das Glücksspielangebot ohne besondere Ausrichtung auf bestimmte Staaten an Spielteilnehmer weltweit richtet, geriete die Inanspruchnahme deutscher Strafgewalt in Konflikt mit dem völkerrechtlichen Interventionsverbot, das einen spezifischen Tatbezug zum Strafgewalt proklamierenden Staat verlangt. Glücksspielanbieter, die sich in ausländischen Rechtsoasen vor strafrechtlichen Konsequenzen ihres Verhaltens sicher wähnen, sähen sich mit deutscher Strafgewalt konfrontiert. Deutsche Strafverfolgungsbehörden wären grundsätzlich für die Verfolgung sämtlicher in Deutschland spielbarer OffshoreGlücksspielangebote, und damit für nahezu sämtliche Offshore-Glücksspielangebote weltweit, zuständig. 1. Abschnitt

Unionsrechtliche Implikationen Bevor die Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB im Einzelnen untersucht werden, gilt es zunächst zu klären, ob Unionsrecht eine etwaige Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts auf innerhalb der EU agierende Anbieter virtueller OffshoreGlücksspiele verhindert. Das wäre der Fall, sofern eine Bejahung der Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts gem. §§ 3 ff. StGB in diesen Fällen gegen Unionsrecht verstieße. Der Widerspruch zum Unionsrecht müsste dann – falls möglich – durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der betreffenden Normen beseitigt werden. Ließe das nationale Recht eine unionsrechtskonforme Auslegung nicht zu, wäre die einschlägige Regelung der §§ 3 ff. StGB aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gegenüber nationalem Recht259 im konkreten Konfliktfall unanwendbar. Die einschlägige Norm der §§ 3 ff. StGB würde im konkreten Konfliktfall neutralisiert.260

A. Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, Art. 49, 56 AEUV Fragwürdig ist insbesondere, ob eine Erstreckung nationaler Strafgewalt durch §§ 3 ff. StGB auf innerhalb der EU agierende Glücksspielanbieter gegen unions259

Siehe hierzu Böse/Meyer, ZIS 2011, S. 336 ff. (340); Hecker, EuStR, 9 Rn. 10 ff.; Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 52 ff. 260 Zur Neutralisierungswirkung von Unionsrecht vgl. Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 53 m.w.N.

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5. Teil, 1. Abschn.: Unionsrechtliche Implikationen

rechtliches Primärrecht in Form des Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) oder 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) verstößt. Art. 56 AEUV verbietet ungerechtfertigte Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind. Art. 49 AEUV verbietet ungerechtfertigte Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats. Erstreckte sich die deutsche Strafgewalt gem. §§ 3 ff. StGB auf Glücksspielangebote, die ein in der EU ansässiger Glücksspielanbieter etwa in den – dem Geltungsbereich des AEUV unterliegenden – Rechtsoasen Malta oder Gibraltar261 nach dortigem Recht legal veranstaltet, stünden derartige Beschränkungen im Raum.262 Die Proklamation deutscher Strafgewalt ist dazu geeignet, Glücksspielanbieter davon abzuhalten, sich in den genannten Staaten zum Zwecke der Glücksspielveranstaltung niederzulassen bzw. von dort aus die Dienstleistung „virtuelles Glücksspiel“ zu erbringen. Die einschlägige Strafanwendungsregel der §§ 3 ff. StGB allein begründet diese Beschränkung allerdings noch nicht. Isoliert betrachtet bringt beispielsweise § 3 StGB lediglich abstrakt zum Ausdruck, dass deutsche Verbotsnormen generell auf alle Taten anwendbar sind, die auf inländischem Territorium begangen werden und dass eine entsprechende Strafverfolgungszuständigkeit besteht. Etwa § 7 Abs. 1 StGB regelt lediglich abstrakt die Strafrechtsgeltung und Strafverfolgungszuständigkeit bzgl. gegen deutsche Staatsbürger begangene Taten. Entscheidend ist vielmehr der Inhalt der einschlägigen Verbotsnorm in ihrer durch §§ 3 ff. StGB festgelegten Reichweite.263 Erst die Zusammenschau der einschlägigen Strafanwendungsregel mit dem zur Anwendung gebrachten strafbewehrten Verbot ermöglicht eine Beurteilung, ob bzw. welche Grundfreiheiten beschränkt werden und ob sich eine etwaige Beschränkung rechtfertigen lässt.264 Das gilt sowohl, sofern man 261

Die zum Vereinigten Königreich gehörende Kolonie Gibraltar unterfällt derzeit – bis zur Vollziehung des votierten EU-Austritts Großbritanniens – dem Anwendungsbereich des AEUV und des EUV gem. Art. 355 Abs. 3 AEUV, Schmalenbach, in: Callies/Ruffert, Art. 355 AEUV Rn. 9; Becker, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, Art. 355 AEUV Rn. 5; vgl. auch Art. 28 des Beitrittsvertrages von 1972, ABl. L Nr. 73 v. 27. 3. 1972, S. 5. Die Isle of Man wird von Art. 49 und 56 AEUV i.Ü. nicht erfasst. Sie unterliegt dem Geltungsbereich des AEUV und EUV derzeit – bis zum Vollzug des votierten EU-Austritts Großbritanniens – gem. Art. 355 Abs. 5 lit. c i.V.m. Protokoll Nr. 3 der Beitrittsakte von 1972, ABl. 1972 L 73, S. 5 nur im Hinblick auf die dort aufgeführten Bereiche, vgl. Schmalenbach, in: Callies/Ruffert, Art. 355 AEUV Rn. 14. 262 Vgl. EuGH Urt. v. 6. 11. 2003, Rs. C-243/01, Gambelli, Slg. 2003, I-13031, Rn. 50 ff.; Urt. v. 8. 9. 2010, verb. Rs. C-316, 358, 359, 360, 409 und 410/07, Stoß u. a., Slg. 2010, I-8069, Rn. 68; Urt. v. 8. 9. 2010, Rs. C-46/08, Carmen Media Group, Slg. 2010 I-8149, Rn. 90; Urt. v. 12. 6. 2014, Rs. C-156/13, Digibet u. a., NVwZ 2014, 1001, Rn. 21; Urt. v. 22. 1. 2015, Rs. C-463/13, Stanleybet, NVwZ 2015, 506, Rn. 46. 263 Ähnlich in Bezug auf das Freizügigkeitsrecht aus Art. 48 EGV a.F. (= Art. 21 AEUV) Scholten, S. 65. 264 Ausnahmen bilden §§ 5 und 6 StGB. Hier lässt sich die zur Anwendung gebrachte Verbotsnorm bereits der Strafanwendungsnorm selbst entnehmen. Das ändert allerdings nichts

B. Herkunftslandprinzip, Art. 3 EC-RL, § 3 TMG

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§§ 3 ff. StGB materiell-rechtlich als objektive (Vor-)Bedingung der Strafbarkeit ansieht, als auch – erst recht – wenn man sie als objektive Tatbestandsmerkmale der Verbotsnorm selbst zuordnet.265 In Bezug auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote kommt es also darauf an, ob das durch § 284 StGB statuierte strafbewehrte Verbot, virtuelle Glücksspiele ohne Erlaubnis einer deutschen266 Behörde anzubieten, in seiner durch §§ 3 ff. StGB auf virtuelle Glücksspielangebote aus Gibraltar, Malta etc. erstreckten Reichweite eine ungerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit darstellen würde oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses wie Gesundheits-, Minderjährigen- und Vermögensschutz gerechtfertigt wäre. Dieser primär die Verbotsnormen § 284 StGB und § 4 Abs. 4 GlStV 2012 betreffenden Fragestellung soll im Rahmen dieser strafanwendungsrechtlichen Arbeit nicht über die obigen summarischen Ausführungen zum Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“267 hinaus nachgegangen werden. Es sei auf die umfangreiche, ausführliche Diskussion der Thematik in Rechtsprechung268 und Schrifttum269 verwiesen.

B. Herkunftslandprinzip, Art. 3 EC-RL, § 3 TMG Von größerem spezifisch strafanwendungsrechtlichem Interesse ist, ob §§ 3 ff. StGB durch das in Art. 3 der E-Commerce-Richtlinie (im Folgenden: EC-RL)270 vorgeschriebene unionsrechtliche Herkunftslandprinzip, das in Deutschland in § 4 Teledienstgesetz a.F. (im Folgenden: TDG)271 sowie § 5 Mediendienste-Staatsver-

daran, dass auch hier das zur Anwendung berufene strafbewehrte Verbot zur Beurteilung der Unionsrechtskonformität einer grenzüberschreitenden Verbotserstreckung maßgeblich in den Blick zu nehmen ist. Insbesondere die Rechtfertigung einer Beschränkung der Grundfreiheiten hängt maßgeblich vom Zweck der Verbotsnorm ab. 265 Zum Meinungsstand siehe 6. Abschnitt E. II. 3. a) aa) sowie 7. Abschnitt A. 266 Siehe hiezu oben 3. Teil B. II. 267 Siehe 3. Teil B. II. 268 Vgl. EuGH Urt. v. 6. 11. 2003, Rs. C-243/01, Gambelli, Slg. 2003, I-13031, Rn. 60 ff.; Urt. v. 8. 9. 2010, verb. Rs. C-316, 358, 359, 360, 409 und 410/07, Stoß u. a., Slg. 2010, I-8069, Rn. 112 ff.; Urt. v. 12. 6. 2014, Rs. C-156/13, Digibet u. a., NVwZ 2014, 1001, Rn. 22 ff.; BGH GRUR 2013, 527. 269 Vgl. nur Bertrand, S. 153 ff., 215 ff.; Diesbach/Ahlhaus, ZUM 2011, S. 129 ff.; Heger, ZIS 2012, S. 396 ff. (397 ff.); Heseler, S. 142 ff.; Streinz/Kruis, NJW 2010, S. 3745 ff.; Windoffer, DÖV 2010, S. 260 ff. 270 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 8. 6. 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt, ABl. L 178 v. 17. 7. 2000, S. 1 ff. 271 Gesetz über die Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz) vom 22. 7. 1997, BGBl. I 1997, S. 1870, aufgehoben m. W.v. 1. 3. 2007.

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5. Teil, 1. Abschn.: Unionsrechtliche Implikationen

trag a.F.272 umgesetzt und zum 1. 3. 2007 inhaltsgleich in § 3 Telemediengesetz (im Folgenden: TMG)273 übernommen wurde, eingeschränkt werden. I. Grundsatz: Exklusive Geltung der Rechtsordnung des Niederlassungsstaates Art. 3 Abs. 1 und 2 der EC-RL schreiben vor, dass Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft hinsichtlich des Angebotes und der Erbringung grenzüberschreitender Dienste innerhalb der EU allein dem Recht desjenigen Staates unterliegen, in dem sie ihre Niederlassung haben. In Umsetzung dieser Vorgaben normiert § 3 Abs. 1, 2 S. 1 TMG zum einen, dass für in Deutschland niedergelassene Anbieter von elektronischen Informations- und Kommunikationsdiensten (Telemediendienste, vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 TMG) – auch wenn sie Telemediendienste in einem ausländischen Mitgliedstaat der EU anbieten oder erbringen – ausschließlich deutsches Recht gilt. Zum anderen unterliegen Telemedienanbieter, die ihre Niederlassung in einem EU-Mitgliedstaat haben – auch wenn sie ihre Dienste in Deutschland anbieten oder erbringen – ausschließlich dem Recht dieses Niederlassungsstaates. Das Herkunftslandprinzip ist Ausdruck des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung.274 Die Mitgliedstaaten erkennen die für Telemediendienste geltenden Regelungen des jeweiligen Niederlassungsortes (sowie deren dortige Durchsetzung) an und verzichten daher auf die Geltung des eigenen Rechts. Auf diese Weise sollen innerhalb der EU niedergelassenen Telemedienanbietern grenzüberschreitende Tätigkeiten erleichtert werden. Ein Telemedienanbieter, der Leistungen grenzüberschreitend in der EU anbietet und sich an die Vorschriften seines Niederlassungsstaates hält, soll nicht zusätzlichen Einschränkungen durch das Recht der Staaten ausgesetzt sein, in denen er die Leistungen anbietet.275 Auf diese Weise soll die Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU gefördert werden.276 Gelangten §§ 3 ff. StGB zu dem Ergebnis, dass deutsches Strafrecht in Fällen Anwendung findet, in denen in einem ausländischen EU-Mitgliedstaat niedergelassene Telemediendienstleister grenzüberschreitend Telemediendienste (auch) in Deutschland anbieten, würde nicht ausschließlich das Recht des Herkunftslandes gelten, sondern auch deutsches Recht. Damit liefen §§ 3 ff. StGB – im Falle einer 272 Staatsvertrag über Mediendienste (Mediendienste-Staatsvertrag) v. 31. 1. 1997, GV. NW 1997, S. 158, aufgehoben m. W.v. 1. 3. 2007. 273 Vom 26. 2. 2007, BGBl. I 2007, S. 179. 274 BT-Drs. 14/6098, S. 16; Altenhain, in: Zieschang/Hilgendorf/Laubenthal (Hrsg.), S. 107 ff. (112); Kudlich, HRRS 2004, S. 278 ff. (283). 275 Vgl. Erwägungsgründe 5 und 6 der EC-RL; Grützmacher/Lindhorst, ITRB 2005, S. 34 ff. (34); Martiny, in: MK-BGB, § 3 TMG Rn. 1. 276 Vgl. Art. 1 Abs. 1 sowie Erwägungsgrund 6 der EC-RL; Martiny, in: MK-BGB, § 3 TMG Rn. 1; Müller-Broich, in: NK-TMG, § 3 Rn. 1.

B. Herkunftslandprinzip, Art. 3 EC-RL, § 3 TMG

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unbeschränkten Geltung des Herkunftslandprinzips – den eindeutigen Regelungen der in § 3 TMG umgesetzten Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 und 2 EC-RL zuwider. Um den Widerspruch zum Unionsrecht zu beseitigen, müsste § 3 Abs. 1, 2 TMG in unionsrechtskonformer Auslegung der Charakter einer gegenüber §§ 3 ff. StGB spezielleren und damit vorrangigen (lex specialis derogat legi generali) Strafanwendungsregelung bzgl. solcher Taten zugemessen werden, die grenzüberschreitend innerhalb der EU erbrachte Telemediendienste betreffen.277 Deutsches Strafrecht käme dann in den o.g. Fällen auch dann nicht zur Anwendung, wenn §§ 3 ff. StGB eine Anwendbarkeit normierten. Im Bereich der virtuellen Offshore-Glücksspielangebote kommt dem Herkunftslandprinzip besondere Bedeutung zu. Virtuelle Glücksspielangebote unterfallen als elektronisch via Internet bereitgestellte, Interaktionen zwischen Anbieter und Nutzer erfordernde Kommunikationsdienste dem grundsätzlich278 sämtliche Internetauftritte erfassenden279 Begriff der Telemediendienste.280 In den praxisrelevanten Fällen, in denen sich Anbieter grenzüberschreitend auch innerhalb der EU angebotener virtueller Glücksspiele in den – dem Geltungsbereich der EC-RL unterliegenden281 – Rechtsoasen Malta und Gibraltar niederlassen, implizierte ein unbeschränkt geltendes Herkunftslandprinzip die ausschließliche Geltung des Rechts der Rechtsoase. Einer Anwendung deutschen Glücksspielstrafrechts stünde das Herkunftslandprinzip entgegen. Glücksspielanbieter könnten das deutsche Glücksspielstrafrecht im Wege eines Rückzugs in innereuropäische Rechtsoasen umgehen. Die im Hinblick auf Spielervermögen und -gesundheit besonders risikoreichen virtuellen Glücksspiele könnten auf diese Weise in Deutschland – wie auch innerhalb der gesamten EU –, ohne hohe Spielerschutzanforderungen erfüllen zu müssen, sanktionsfrei angeboten werden. Spielern, die sich in Deutschland an derartigen virtuellen Offshore-Glücksspielen beteiligten, würde der durch § 284 StGB bezweckte Schutz nicht zuteil. 277 Ähnlich Kudlich, HRRS 2004, S. 278 ff. (281); Palm, S. 80; eingehend zum Verhältnis des Herkunftslandprinzips zu §§ 3 ff. StGB Dombrowski, S. 127 ff. 278 Bereichsspezifische Ausnahmen sind in § 1 Abs. 1 S. 1 TMG genannt, vgl. hierzu Ricke, in: Spindler/Schuster, § 1 TMG Rn. 4 ff. 279 Vgl. Müller-Broich, in: NK-TMG, § 1 Rn. 6. 280 Altenhain, in: MK-StGB, § 1 TMG Rn. 26; Müller-Broich, in: NK-TMG, § 1 Rn. 6; Stögmüller, K&R 2002, S. 27 ff. (30 f.). 281 Malta unterfällt der Richtlinie als EU-Mitgliedstaat. Gibraltar wird als – bis zum Vollzug des votierten EU-Austritts Großbritanniens – nach Art. 355 Abs. 3 AEUV dem Anwendungsbereich des AEUV und des EUV unterliegende englische Kolonie derzeit von der Richtlinie erfasst. Die Rechtsoase Isle of Man, in der EU-Recht derzeit – bis zum Vollzug des votierten EUAustritts Großbritanniens – gem. Art. 355 Abs. 5 lit. c i.V.m. dem Protokoll Nr. 3 der Beitrittsakte von 1972 (ABl. L 73 v. 27. 3. 1972, S. 5) nur teilweise gilt, unterliegt EU-Sekundärrechtsakten übrigens nur, soweit eine Anwendung in dem betreffenden Rechtsakt – im Einklang mit Protokoll Nr. 3 der Beitrittsakte von 1972 – ausdrücklich geregelt ist, vgl. Becker, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, Art. 355 AEUV Rn. 9. In der EC-RL ist die Isle of Man nicht genannt, weshalb sie von der EC-RL nicht erfasst wird.

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5. Teil, 1. Abschn.: Unionsrechtliche Implikationen

II. Ausnahme im Bereich des Strafrechts? Bisweilen wird allerdings kontrovers diskutiert, ob das Herkunftslandprinzip das Strafrecht überhaupt erfasst.282 Der Streit entzündet sich vor allem an der Ausnahmeregelung in Art. 3 Abs. 4 lit. a EC-RL, wonach Mitgliedstaaten vom Herkunftslandprinzip abweichen können, sofern die Abweichung zum „Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere Verhütung, Ermittlung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten“, „der öffentlichen Gesundheit“, „der öffentlichen Sicherheit“ oder „der Verbraucher“ erforderlich ist, die nationalen Maßnahmen „einen Dienst der Informationsgesellschaft“ betreffen, der diese Schutzziele „beeinträchtigt oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr einer Beeinträchtigung dieser Ziele darstellt“ und die Maßnahmen „in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen“ stehen. Der deutsche Gesetzgeber hat von der Abweichungsmöglichkeit in § 3 Abs. 5 S. 1 TMG Gebrauch gemacht.283 § 3 Abs. 5 S. 2 TMG sieht überdies in wörtlicher und inhaltsgleicher Übernahme des Richtlinientextes aus Art. 3 Abs. 4 lit. b EC-RL Notifikationserfordernisse vor: Grundsätzlich muss der Herkunftsstaat vor Ergreifen einer auf deutsches Recht gestützten Maßnahme erfolglos aufgefordert worden sein, entsprechende Maßnahmen selbst zu ergreifen und die Kommission sowie der Herkunftsstaat müssen über die zu ergreifende Maßnahme unterrichtet worden sein (sog. Schutzklauselverfahren284). Im Schrifttum285 wird § 3 Abs. 5 TMG teilweise als Ausnahmetatbestand begriffen, der das Strafrecht von der grundsätzlichen Geltung des Herkunftslandprinzips ausnimmt. Straftaten stellten regelmäßig eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung dar und seien somit gem. § 3 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 TMG dem Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips entzogen.286 Auch der Gesetzesbe282

Eingehend hierzu Dombrowski, S. 111 ff.; Kudlich, HRRS 2004, S. 278 ff. Demnach kommt deutsches Recht auch auf in EU-Mitgliedstaaten niedergelassene Telemedienanbieter zur Anwendung, „soweit dieses dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere im Hinblick auf die Verhütung, Ermittlung, Aufklärung, Verfolgung und Vollstreckung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten […], der öffentlichen Gesundheit (oder) der Interessen der Verbraucher […] vor Beeinträchtigungen oder ernsthaften und schwerwiegenden Gefahren dient und die auf Basis des innerstaatlichen Rechts getroffenen behördlichen Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu den genannten Schutzzielen stehen“. § 3 Abs. 5 S. 1 TMG geht insofern über den durch Art. 3 Abs. 4 lit. a EC-RL gewährten Spielraum hinaus, als er bereits ein Dienen statt einer Erforderlichkeit genügen lässt und keine tatsächliche Beeinträchtigung oder ernsthafte und schwerwiegende Gefährdung der genannten Schutzziele verlangt, siehe hierzu – insb. zur unionsrechtskonformen Auslegung des § 3 Abs. 5 S. 1 TMG – Dombrowski, S. 111 f. 284 Vgl. hierzu Grützmacher/Lindhorst, ITRB 2005, S. 34 ff. (38). 285 Heghmanns, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Rn. 34; Kudlich, HRRS 2004, S. 278 ff. (284); Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 53. 286 Heghmanns, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Rn. 34; Kudlich, JA 2002, S. 798 ff. (799); Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 53. Der in Erwägungsgrund 8 der EC-RL und der entsprechenden Passage in der Gesetzesbegründung zu § 4 TDG a.F. (= § 3 TMG n.F.), BT-Drs. 14/ 6098, S. 17, enthaltenen Aussage, es sei kein Ziel der EC-RL, den Bereich des Strafrechts als 283

B. Herkunftslandprinzip, Art. 3 EC-RL, § 3 TMG

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gründung zum TDG a.F.287 scheint ein solches Verständnis zugrunde zu liegen, wenn es dort ausdrücklich heißt: „die Anwendbarkeit des deutschen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts (§§ 3 ff. StGB bzw. §§ 5, 7 OWiG)“ werde „durch das TDG nicht berührt“288. Demgegenüber gehen andere Teile des Schrifttums289 von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit des Herkunftslandprinzips im Strafrecht aus. Argumentiert wird vor allem mit systematischen Erwägungen. § 4 Abs. 5 TDG a.F. (= § 3 Abs. 5 TMG n.F.) und Art. 3 Abs. 4 lit. a EC-RL enthielten einzelne ausdrückliche Ausnahmen in Bezug auf die Geltung des Herkunftslandprinzips im Bereich des Strafrechts. Diese Ausnahmeregelung impliziere eine grundsätzliche Geltung des Herkunftslandprinzips im Strafrecht.290 Auch die Tatsache, dass das Schutzklauselverfahren gem. § 3 Abs. 5 S. 2 TMG bei Strafverfolgungsmaßnahmen ausdrücklich ausgeschlossen werde, spreche dafür.291 III. Ausnahme im Bereich des Glücksspielrechts? Selbst wenn man die letztgenannte Auffassung für überzeugender erachtete und die Geltung des Herkunftslandprinzips im Strafrecht bejahte, ist jedenfalls im Bereich der virtuellen Glücksspielangebote ein weiterer Ausnahmetatbestand von Bedeutung. Nach Art. 1 Abs. 5 lit. d, 3. Spiegelstrich der deutschen Sprachfassung der EC-RL findet die Richtlinie keine Anwendung auf „Gewinnspiele mit einem einen Geldwert darstellenden Einsatz bei Glücksspielen, einschließlich Lotterien und Wetten.“

Im deutschen Recht wurde der Richtlinientext wörtlich in § 3 Abs. 4 Nr. 4 TMG übernommen.292 Die Anwendbarkeit deutscher Rechtsvorschriften wird demnach im solchen zu harmonisieren, lässt sich keine Tendenz entnehmen, ob § 3 Abs. 5 TMG das Strafrecht vom Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips ausnimmt. Die EC-RL stützt sich – wie gezeigt – auf das Instrument der gegenseitigen Anerkennung und bewirkt keine Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsnormen, vgl. Altenhain, in: Zieschang/Hilgendorf/Laubenthal (Hrsg.), S. 107 ff. (112); Dombrowski, S. 114; Kudlich, HRRS 2004, S. 278 ff. (282). Erwägungsgrund 8 der EC-RL und die entsprechende Passage in der Gesetzesbegründung zu § 4 TDG a.F. bringen insofern Offensichtliches zum Ausdruck. In diese Richtung auch Dombrowski, S. 114 f.; Kudlich, HRRS 2004, S. 278 ff. (282). 287 BT-Drs. 14/6098, S. 17. 288 Vgl. auch Kudlich, HRRS 2004, S. 278 ff. (281). 289 Altenhain, in: Zieschang/Hilgendorf/Laubenthal (Hrsg.), S. 107 ff. (120), der die Anwendbarkeit des Herkunftslandprinzips im Strafrecht allerdings rechtspolitisch ablehnt, ebd., S. 124; Dombrowski, S. 122, 126; Nordmeier, in: Spindler/Schuster, § 3 TMG Rn. 12; Spindler, RabelsZ 66 (2002), S. 633 ff. (681 ff.). 290 Altenhain, in: Zieschang/Hilgendorf/Laubenthal (Hrsg.), S. 107 ff. (113 ff.); Dombrowski, S. 116 f.; Spindler, RabelsZ 66 (2002), S. 633 ff. (682). 291 Dombrowski, S. 117; Spindler, RabelsZ 66 (2002), S. 633 ff. (682). 292 Bolay, in: Streinz/Liesching/Hambach, § 3 TMG, Rn. 25.

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5. Teil, 1. Abschn.: Unionsrechtliche Implikationen

Bereich der „Gewinnspiele mit einem einen Geldwert darstellenden Einsatz bei Glücksspielen, einschließlich Lotterien und Wetten“ nicht durch das Herkunftslandprinzip gesperrt. Einer Anwendbarkeit des deutschen Glücksspielstrafrechts gem. §§ 3 ff. StGB stünde das Herkunftslandprinzip hier also nicht entgegen. 1. Verständnismöglichkeiten In Rechtsprechung und Schrifttum finden sich divergierende Aussagen zur Reichweite des Ausnahmetatbestandes, die häufig daran leiden, dass vor allem die Begrifflichkeiten „Gewinnspiel“ und „Glücksspiel“ unpräzise und uneinheitlich verwendet werden.293 Sie reichen von den Thesen, die Ausnahme erfasse „Gewinnspiele“294, „Glücksspiele“295, „Glücksspiele mit Geldeinsatz“296 oder „Glücksspiele, Lotterien und Wetten“297, über die Annahme, Gewinnspiele, die einen Geldeinsatz erfordern, seien vom Ausnahmetatbestand erfasst,298 bis hin zur Behauptung, nur „reine Gewinnspiele“299 seien vom Herkunftslandprinzip ausgenommen. Ungeachtet dieser Divergenzen wird fast300 durchweg davon ausgegangen, § 3 Abs. 4 Nr. 4 TMG träfe eine explizite Ausnahmeregelung.301 Der Regelungsgehalt des Ausnahmetatbestandes ist allerdings alles andere als deutlich. a) Gewinnspiele i.w.S., Glücksspiele i. e.S. Einerseits könnte man ihn dahingehend verstehen, dass „Gewinnspiele“ den allgemeineren und „Glücksspiele“ den spezielleren Begriff darstellen.302 „Gewinnspiele“ wären dabei als „Spiele mit Gewinnmöglichkeiten“ zu verstehen.303 Sämtliche Spielformen würden dann vom Gewinnspielbegriff abgedeckt – entgeltliche und unentgeltliche Spiele, Geschicklichkeits- und Glücksspiele (Gewinnspiele 293

In diese Richtung – im wettbewerbsrechtlichen Kontext – auch Bruhn, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, § 4 Vor Nr. 5 Rn. 5. 294 Martiny, in: MK-BGB, § 3 TMG Rn. 46. 295 BGH NJW 2004, 2158, 2160; Kazemi/Leopold, MMR 2004, S. 649 ff. (650). 296 Spindler, GRUR 2004, S. 724 ff. (725). 297 Altenhain, in: MK-StGB, § 3 TMG Rn. 43; Nordmeier, in: Spindler/Schuster, § 3 TMG Rn. 19. 298 Müller-Broich, in: NK-TMG, § 3 Rn. 17. 299 Bahr, Rn. 715. 300 Soweit ersichtlich, weist einzig von Lackum, Abs. 1, Abs. 43 in Fn. 101, zutreffend darauf hin, dass die EC-RL in ihrer deutschen Fassung nicht deutlich zwischen Gewinnspielen und Glücksspielen um Geld trennt. 301 So Spindler, GRUR 2004, S. 724 ff. (725). 302 So Bolay, in: Streinz/Liesching/Hambach, § 3 TMG Rn. 24 ff. 303 Ein solches Begriffsverständnis liegt z. B. den Ausführungen von Backu/Karger, ITRB 2007, S. 13 ff. (16) und Bruhn, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, § 4 Vor Nr. 5 Rn. 4 ff. zugrunde.

B. Herkunftslandprinzip, Art. 3 EC-RL, § 3 TMG

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i.w.S.). Aus diesem weiten Feld der „Gewinnspiele“ erfasste § 3 Abs. 4 Nr. 4 TMG – dem präzisierenden Passus „mit einem einen Geldwert darstellenden Einsatz bei Glücksspielen“ folgend – nur geldwerte Gewinnspiele in Form von Glücksspielen (Glücksspiele i. e.S.). Ausgehend von einem derartigen Normverständnis würden über § 3 Abs. 4 Nr. 4 TMG sämtliche entgeltlichen Glücksspiele wie z. B. Poker304, Black Jack, Roulette und die ausdrücklich vom Glücksspielbegriff des Art. 1 Abs. 5 lit. d, 3. Spiegelstrich EC-RL, § 3 Abs. 4 Nr. 4 TMG mit eingeschlossenen Lotterien und Wetten vom Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips ausgenommen. Die von § 284 StGB tatbestandlich erfassten Glücksspiele i.S.v. Spielen, bei denen der Geschicklichkeitsfaktor nicht im Vordergrund steht,305 unterfielen damit vollumfänglich dem Ausnahmetatbestand. Das Herkunftslandprinzip stünde einer Anwendbarkeit des § 284 StGB nach §§ 3 ff. StGB nicht entgegen. b) Glücksspiele i.w.S., Gewinnspiele i. e.S. Der Ausnahmetatbestand ließe sich andererseits aber auch entgegengesetzt dahingehend verstehen, dass „Glücksspiele“ den allgemeineren und „Gewinnspiele“ den spezielleren Begriff darstellten. Der Begriff „Glücksspiele“ wäre i.S.v. Spielen, bei denen der Geschicklichkeitsfaktor nicht im Vordergrund steht306 zu verstehen (Glücksspiele i.w.S.). „Gewinnspiele“ stellten im Regelungskontext des Herkunftslandprinzips spezielle Glücksspiele (Gewinnspiele i. e.S.) dar. Aus dem weiten Feld der Glücksspiele wären nur diese speziellen Spielformen über § 3 Abs. 4 Nr. 4 TMG von der Geltung des Herkunftslandprinzips ausgeschlossen. Verschiedene Lesarten des Begriffes „Gewinnspiel“ kämen dabei in Betracht. Im Einklang mit der dem allgemeinen Sprachgebrauch überwiegend zugrunde liegenden Lesart könnte man Gewinnspiele als Spiele ansehen, bei denen Teilnehmern für eine bestimmte Tätigkeit, etwa für die bloße Teilnahme, ein Preis (z. B. eine Reise, Bargeld oder ein Sachpreis) in Aussicht gestellt wird, ohne diesen bindend zu versprechen.307 Ebenfalls dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechend könnte man ihn – noch enger – als „Spiel, bei dem man durch richtige Beantwortung einer oder mehrerer Fragen gewinnt bzw. gewinnen kann“308 verstehen. Die Geltung des Herkunftslandprinzips würde dann durch § 3 Abs. 4 Nr. 4 TMG in solchen Fällen 304

Zur Einordnung von Poker als Glücksspiel siehe Fn. 119 sowie Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (270 f.); ders./Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (18 f.). 305 Vgl. BGHSt 2, 274, 276; 36, 74, 80; Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (270 f.); ders./ Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (19); Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 7. 306 Siehe die in Fn. 305 enthaltenen Nachweise. 307 Vgl. Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/wiki/Gewinnspiel: „Ein Gewinnspiel ist ein Angebot, an einem Spiel teilzunehmen, bei dem bei Gewinn ein Preis ausgelost (ausgeschrieben) wird.“ Teilweise liegt dieses Verständnis auch dem juristischen Sprachgebrauch zugrunde, vgl. z. B. Tilch/Arloth, Deutsches Rechts-Lexikon, S. 2019. 308 http://www.duden.de/rechtschreibung/Gewinnspiel.

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5. Teil, 1. Abschn.: Unionsrechtliche Implikationen

nicht ausgeschlossen, in denen die klassischen Glücksspiele Poker, Roulette, Sportwetten etc. angeboten werden. Denn hier wird ein Preis im Falle des Gewinns bindend versprochen bzw. es handelt sich nicht um Spiele, bei denen man bei richtiger Beantwortung einer oder mehrerer Fragen gewinnt oder gewinnen kann. Ob eine Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts auf das Anbieten von Poker, Roulette, Sportwetten etc. durch das Herkunftslandprinzip versperrt wäre, hinge dann entscheidend von der oben aufgeworfenen Streitfrage ab, ob das Strafrecht generell durch die Ausnahmeregelung in § 3 Abs. 5 TMG vom Herkunftslandprinzip ausgenommen ist.309 In Anknüpfung an den ebenso engen juristischen Sprachgebrauch könnte man Gewinnspiele auch als Spiele verstehen, bei denen eine Gewinnchance eröffnet wird, der Spielausgang überwiegend vom Zufall abhängt und die Teilnehmer keinen erheblichen geldwerten Einsatz erbringen.310 Typische „Gewinnspiele“ in diesem Sinne wären beispielsweise Preisausschreiben oder Verlosungen. Ausgehend von einem derartigen Begriffsverständnis würde der Anwendungsbereich des deutschen Glücksspielstrafrechts durch den Ausnahmetatbestand § 3 Abs. 4 Nr. 4 TMG nicht berührt, da § 284 StGB nur solche Glücksspielangebote erfasst, bei denen ein nicht nur unerheblicher geldwerter Einsatz zu leisten ist.311 Es käme dann wieder entscheidend darauf an, ob das Strafrecht generell über § 3 Abs. 5 S. 1 TMG vom Herkunftslandprinzip ausgenommen wird. 2. Auslegung Möglicherweise gibt eine Auslegung des § 3 Abs. 4 Nr. 4 TMG Aufschluss über dessen Reichweite. Da der deutsche Gesetzgeber mit der wörtlichen Übernahme des Richtlinientextes aus Art. 1 Abs. 5 lit. d, 3. Spiegelstrich312 den dort normierten Ausnahmetatbestand inhaltsgleich übernommen hat, anstatt nur Teile dessen in deutsches Recht zu übernehmen, ist zur Ermittlung der Reichweite des § 3 Abs. 4

309 Bejahte man die Geltung des Herkunftslandprinzips im Bereich des Strafrechts, könnte man sich fragen, ob die nicht von § 3 Abs. 4 Nr. 4 TMG erfassten Glücksspiele gleichwohl aufgrund ihrer Gefährlichkeit für Gesundheit und Vermögen der Spielteilnehmer dem Ausnahmetatbestand § 3 Abs. 5 S. 1 TMG unterfallen. Bejahte man in diesen Fällen allerdings eine Ausnahme nach § 3 Abs. 5 S. 1 TMG, würde die Ausnahmeregelung in § 3 Abs. 4 Nr. 4 TMG obsolet. Ein Rückgriff auf § 3 Abs. 5 TMG ist daher insoweit ausgeschlossen, vgl. auch Backu/ Karger, ITRB 2007, S. 13 ff. (16). 310 BGHSt 34, 171, 175 ff.; Steegmann, S. 30 f. Die Bestimmung der Erheblichkeitsgrenze ist umstritten, vgl. hierzu Duesberg/Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (19) m.w.N. 311 Vgl. nur BGHSt 34, 171, 176 f.; Hohmann, in: MK-StGB, § 284 Rn. 10 ff. m.w.N. 312 Sogar die Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 3 Nr. 4 TDG a.F. (= § 3 Abs. 4 Nr. 4 TMG n.F.) stimmt nahezu wörtlich mit Erwägungsgrund 16 der EC-RL überein und nimmt ausdrücklich auf diesen Bezug, BT-Drs. 14/6098, S. 19. Kudlich, HRRS 2004, S. 278 ff. (284, Fn. 48), spricht zutreffend von einer richtlinientreuen Übernahme der Inkonsistenzen der ECRL durch den deutschen Gesetzgeber.

B. Herkunftslandprinzip, Art. 3 EC-RL, § 3 TMG

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Nr. 4 TMG das Verständnis des Art. 1 Abs. 5 lit. d, 3. Spiegelstrich EC-RL maßgeblich. a) Wortlaut Im Rahmen der Wortlautauslegung des Richtlinientextes sieht sich der Rechtsanwender mit verschiedenen Sprachfassungen konfrontiert, die gleichrangig in die Auslegung einzubeziehen sind.313 Einzelstaatlichen Begriffsverständnissen und Rechtsauffassungen kommt angesichts der grundsätzlich unabhängig von nationalen Begriffsverständnissen erfolgenden unionalen Rechtssetzung keine entscheidende Bedeutung zu, es sei denn, der Unionsgesetzgeber nimmt sie explizit in Bezug.314 Demgegenüber sind etablierte unionale Begriffsverständnisse maßgeblich in die Wortlautauslegung einzubeziehen.315 Hinsichtlich Art. 1 Abs. 5 lit. d, 3. Spiegelstrich EC-RL ist zu konstatieren, dass dem Unionsrecht im Bereich des Spielrechts kein etabliertes Verständnis der Begriffe Glücks- und Gewinnspiel zu entnehmen ist, das der Richtliniengeber der Norm zugrunde gelegt haben könnte. Bislang wurde – soweit ersichtlich – noch nicht einmal wesentlich zwischen diesen Begriffen differenziert.316 Auch nationale Begriffsverständnisse nahm der Richtliniengeber nicht in Bezug. Offenkundig hatte er insb. nicht den in den Besonderheiten der deutschen Rechtslage (insb. § 8a Rundfunkstaatsvertrag317) wurzelnden Gewinnspielbegriff318 des deutschen Rechts im Blick. Die italienische Fassung des Art. 1 Abs. 5 lit. d, 3. Spiegelstrich EC-RL verwendet bei einem der deutschen Fassung entsprechenden Satzbau anstelle von „Gewinnspiele“ den Begriff „giochi di fortuna“ und anstelle von „Glücksspiele“ den Begriff „giochi d’azzardo“. Beide Begriffe werden mit „Glücksspiele“ übersetzt.319 Die italienische Fassung drückt damit unter Verwendung verschiedener Begriffe mit ein und demselben Bedeutungsgehalt – insofern unnötig kompliziert und sprachlich widersprüchlich – aus, dass Glücksspiele mit geldwertem Einsatz („che implicano una posta pecuniaria“) vom Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips ausgenommen sind. Die spanische und die niederländische Fassung verwenden statt eines Begriffspaares nur einen einzigen Begriff: „las actividades de juegos de azar 313 EuGH Urt. v. 12. 11. 1998, Rs. C-149/97, The Institute of the Motor Industry, Slg. 1998, I-7053, Rn. 16; Luttermann, EuZW 1999, S. 401 ff. (403 f.); Schröder, S. 399. 314 Vgl. Schröder, S. 400. 315 Vgl. Schröder, S. 400. 316 Vgl. exemplarisch das Grünbuch, „Online-Gewinnspiele im Binnenmarkt“, KOM(2011) 128 endg., in dem die Begriffe wohl synonym verwendet werden. 317 Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag) vom 31. 8. 1991, GV. NW 1991, S. 408. 318 Vgl. Bolay, MMR 2009, S. 669 ff. (671 f.). 319 Il nuovo dizionario di Tedesco, S. 1814: giochi = Spiele; S. 1787: fortuna = Glück; S. 1814: giochi d’azzardo = Glücksspiel.

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5. Teil, 1. Abschn.: Unionsrechtliche Implikationen

[Glücksspieltätigkeiten320] que impliquen apuestas de valor monetario incluidas loterías y apuestas“ bzw. „gokactiviteiten [Glücksspielaktivitäten321] waarbij een geldbedrag wordt ingezet, zoals loterijen en weddenschappen“. In diesen Sprachfassungen kommt – sprachlich unkompliziert und widerspruchsfrei – zum Ausdruck, dass entgeltliche Glücksspiele vom Geltungsbereich des Herkunftslandprinzips ausgenommen sind. Die englische Fassung stellt die Begriffe „gambling activities“ und „games of chance“ gegenüber: „gambling activities which involve wagering a stake with monetary value in games of chance“. Der u. a. mit „Spiele“ übersetzte322 Begriff „gambling activities“ umschreibt dabei einen weiter gefassten Bereich als der Begriff „games of chance“ (Glücksspiele323). Ausgenommen sind demnach aus der Gruppe der „Spiele“ die „geldwerten Glücksspiele“. Mit Blick auf die englische Fassung lässt sich erahnen, was mit der deutschen Fassung des Art. 1 Abs. 5 lit. d, 3. Spiegelstrich EC-RL gemeint sein könnte: „Gewinnspiele“ könnte als Oberbegriff und „Glücksspiele mit geldwertem Einsatz“ als dessen Spezifizierung verwendet worden sein. Gestützt wird diese Vermutung durch den 16. Erwägungsgrund der deutschen Fassung der EC-RL, wo es heißt: „Die Ausklammerung von Gewinnspielen [Oberbegriff] aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie betrifft nur Glücksspiele, Lotterien und Wetten mit einem einen Geldwert darstellenden Einsatz [Spezifizierung].“ Sollte der Richtliniengeber einen solchen Regelungsgehalt zum Ausdruck gebracht haben wollen, wäre es in Anbetracht der Tatsache, dass der Ausdruck „Gewinnspiele“ im allgemeinen und juristischen deutschen Sprachgebrauch – wie oben gezeigt – überwiegend nicht als Oberbegriff für alle Glücks- und Geschicklichkeitsspiele verstanden wird, weniger missverständlich gewesen – etwa entsprechend der spanischen und niederländischen Fassung und der deutschen Fassung der Ausnahmetatbestände in Art. 2 Abs. 2 lit. h der Dienstleistungsrichtlinie324 und Art. 3 Abs. 3 lit. c der Richtlinie über Verbraucherrechte325 – nur den Begriff „Glücks320 Slaby/Grossmann/Illig, Spanisch – Deutsch, S. 765: juego de azar = Glücksspiel; S. 22: actividad = Tätigkeit. 321 Pons, Kompaktwörterbuch Niederländisch, S. 397: gok = Glücksspiel; S. 53: activiteit = Aktivität. 322 Lundmark, S. 99: gambling = Spielen, Glücksspiel, Spekulieren. 323 Lundmark, S. 99: game of chance = Glücksspiel. 324 Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12. 12. 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376 v. 27. 12. 2006, S. 36 ff. Gem. Art. 2 Abs. 2 lit. h ist die Richtlinie nicht anwendbar auf „Glücksspiele, die einen geldwerten Einsatz verlangen, einschließlich Lotterien, Glücksspiele in Spielkasinos und Wetten“. 325 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25. 10. 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304 v. 22. 11. 2011, S. 64 ff. Gem. Art. 3 Abs. 3 lit. c gilt die Richtlinie nicht für Verträge „über Glücksspiele, die einen geldwerten Einsatz verlangen, einschließlich Lotterien, Glücksspiele in Spielkasinos und Wetten“.

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spiele“ zu verwenden. Beispielsweise hätte ähnlich der deutschen Fassung der vorgenannten Richtlinien formuliert werden können, dass „Glücksspiele, die einen geldwerten Einsatz verlangen, einschließlich Lotterien und Wetten“ vom Anwendungsbereich der EC-RL ausgenommen sind. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass neben mehreren zweideutigen Sprachfassungen dem Wortlaut einiger Sprachfassungen des Art. 1 Abs. 5 lit. d, 3. Spiegelstrich ECRL entnommen werden kann, dass sämtliche entgeltlichen Spiele, bei denen Glück statt Geschick im Vordergrund steht, ohne Beschränkung auf spezielle Spielformen, vom Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips ausgeschlossen sind. Es spricht daher vieles dafür, dass der Richtliniengeber diesen Bereich ausschließen wollte. b) Ratio Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, ob diese Annahme durch die Ratio des Art. 1 Abs. 5 lit. d, 3. Spiegelstrich EC-RL bekräftigt wird. aa) Autonome Glücksspielregulierung durch die Mitgliedstaaten In der Ausnahmeregelung Art. 1 Abs. 5 lit. d, 3. Spiegelstrich EC-RL spiegelt sich der Gedanke wieder, der Bereich des Glücksspiels bedürfe einer autonomen Regulierung durch die Mitgliedstaaten. Den Mitgliedstaaten soll es möglich sein, auch aus dem EU-Ausland angebotene, im Inland spielbare Glücksspiele dem nationalen Glücksspielrecht zu unterwerfen, um den von grenzüberschreitend angebotenen Glücksspielen ausgehenden Gefahren von Spielsucht, Spielmanipulation etc. mit individuellen Bekämpfungsstrategien entgegentreten zu können.326 Spezifischen nationalen Gegebenheiten beispielsweise im Bereich Spielverhalten und Suchtanfälligkeit der Bevölkerung sowie unterschiedlichen „sittliche(n), religiöse(n) und kulturelle(n)“ Einstellungen zum Glücksspiel327 soll auf diese Weise Rechnung getragen werden. Da die genannten Gefahren von sämtlichen entgeltlichen Glücksspielen ausgehen, müsste grundsätzlich auch zur Bekämpfung der Gefahren sämtlicher entgeltlicher grenzüberschreitender Glücksspiele die nationale Rechtsordnung des Angebotsstaates berufen werden können. Nur Gewinnspiele i. e.S. vom Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips auszunehmen, nicht jedoch auch andere Glücksspiele, ergäbe allenfalls dann Sinn, wenn Gewinnspiele i. e.S. eine höhere Gefährlichkeit als sonstige Glücksspiele aufwiesen. Das Gegenteil ist der 326

Vgl. Altenhain, in: MK-StGB, § 3 TMG Rn. 44: „Die Regelung der Nr. 4 erklärt sich vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH zum verbotenen Glücksspiel, der die Regulierung im Grundsatz den Mitgliedstaaten überlässt“; ebenso Barton/Gercke/Janssen, wistra 2004, S. 321 ff. (324). 327 Vgl. EuGH Urt. v. 8. 9. 2009, Rs. C-42/07, Liga Portuguesa, Slg. 2009, I-7633, Rn. 57; Urt. v. 19. 7. 2012, Rs. C-470/11, SIA GarkaIns, NVwZ 2012, 1162, Rn. 36; Urt. v. 12. 6. 2014, Rs. C-156/13, Digibet u. a., NVwZ 2014, 1001, Rn. 24; Urt. v. 22. 1. 2015, Rs. C-463/13, Stanleybet, NVwZ 2015, 506, Rn. 51; vgl. auch Ennuschat, in: Gebhardt/Grüsser-Sinopoli (Hrsg.), S. 216 ff. (226).

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5. Teil, 1. Abschn.: Unionsrechtliche Implikationen

Fall: Bei den typischerweise unter den engen Gewinnspielbegriff zu subsumierenden Preisausschreiben, Verlosungen und Glücksradspielen werden vergleichsweise niedrige Geldbeträge gesetzt, weshalb Spielteilnehmern i. d. R. keine gravierenden Vermögensschäden drohen. Auch das Suchtpotenzial ist hier etwa im Vergleich zu Online-Poker, Online-Roulette oder Online-Automatenspielen niedrig anzusiedeln.328 Sie gehören daher zu den ungefährlichsten Spielen im Bereich des entgeltlichen Glücksspiels. Die alleinige Herausnahme dieser Spiele aus dem Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips hätte zur Folge, dass die Empfangsstaaten individuelle Spielerschutzmaßnahmen für vergleichsweise ungefährliche Glücksspiele zur Geltung bringen könnten, wohingegen diese Möglichkeit bei den im Hinblick auf Spielsucht, Spielmanipulation etc. gefährlichsten Glücksspielen wie Poker, Roulette, Sportwetten etc. nicht bestünde. Eine alleinige Herausnahme von Gewinnspielen i. e.S. aus dem Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips ergäbe insofern keinen Sinn. bb) Vermeidung von „forum shopping“ und „race to the bottom“ Möglicherweise ließe sich die alleinige Herausnahme von Gewinnspielen i. e.S. aus dem Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips allerdings mit der Erwägung erklären, der Richtliniengeber habe durch Art. 1 Abs. 5 lit. d, 3. Spiegelstricht EC-RL sog. „forum shopping“ und „race to the bottom“ im Glücksspielsektor vermeiden wollen.329 Mit dem Ausdruck „forum shopping“ wird das Phänomen umschrieben, dass sich Normadressaten das für sie vorteilhafteste „Forum“ aussuchen, z. B. einen Staat, der die vorteilhaftesten Verhaltensanforderungen an sie stellt.330 Dem auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung basierenden unionsrechtlichen Herkunftslandprinzip haftet das Risiko von „forum shopping“ prinzipiell an.331 Im Gegensatz zur Angleichung mitgliedstaatlicher Rechtsnormen birgt es den Nachteil, dass es grenzüberschreitende Dienstleistungen erbringende Telemediendienstleister (insb. Internetdienstleister) dazu verleitet, ihre Niederlassung in demjenigen Staat zu wählen, der die geringsten Verhaltensanforderungen an ihre Tätigkeit stellt.332 Machten Telemediendienstleister von dieser Möglichkeit umfassend Gebrauch, unterlägen innerhalb der EU angebotene Telemediendienste früher oder später 328 Zur Beurteilung des Suchtpotenzials von Glücksspielen vgl. Hayer/Bachmann/Meyer, WZfS 2005, S. 29 ff. (32 f.). 329 Die Zielsetzung, „forum shopping“ und „race to the bottom“ zu vermeiden, liegt der ECRL an verschiedenen Stellen zugrunde. Exemplarisch sei Erwägungsgrund 57 genannt, wonach ein Empfangsstaat unter Rechtsmissbrauchsgesichtspunkten Maßnahmen gegenüber einem Diensteanbieter ergreifen dürfen soll, der sich zum Zwecke einer Umgehung der Vorschriften des Empfangsstaates bewusst in einem anderen Staat niedergelassen hat und seine Tätigkeit ausschließlich oder überwiegend auf das Hoheitsgebiet des Empfangsstaates ausrichtet. 330 Vgl. http://ec.europa.eu/justice/glossary/forum-shopping_de.htm. 331 Vgl. Dombrowski, S. 123; Kudlich, HRRS 2004, S. 278 ff. (283). 332 Vgl. Dombrowski, S. 123; Kudlich, HRRS 2004, S. 278 ff. (283).

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überwiegend dem Recht derjenigen Mitgliedstaaten, die die dienstleisterfreundlichste Rechtslage aufweisen, während strengere Verhaltensanforderungen anderer Mitgliedstaaten weitgehend leer liefen.333 Der Begriff „race to the bottom“ umschreibt die Situation, dass sich mehrere Akteure gegenseitig immer weiter unterbieten, um Vorteile gegenüber ihren Kontrahenten zu erlangen.334 Im Geltungsbereich des Herkunftslandprinzips besteht die Gefahr eines „race to the bottom“ zwischen den EU-Mitgliedstaaten im Hinblick auf telemedienrechtliche Verhaltensanforderungen. Aus mitgliedstaatlicher Sicht mag es sich als fiskalisch attraktiv darstellen, die europaweit niedrigsten Verhaltensanforderungen an Telemedienanbieter zu stellen, um die Anzahl auf innerstaatlichem Territorium niedergelassener Telemedienanbieter und damit vor allem Steuereinnahmen zu potenzieren.335 Mitgliedstaaten könnten sich aus diesem Grund dazu verleitet sehen, in einem anderen Mitgliedstaat geltenden niedrigen Verhaltensanforderungen noch niedrigere Verhaltensanforderungen entgegenzusetzen.336 Im Extremfall führte die wechselseitige Unterbietung zur Geltung äußerst niedriger oder gar keiner Verhaltensanforderungen in einem Mitgliedstaat, den Telemedienanbieter dann im Wege des „forum shoppings“ bevorzugt als Niederlassungsstandort aufsuchen dürften. Im Bereich des Glücksspielrechts ist das Risiko von „forum shopping“ und „race to the bottom“ tendenziell hoch.337 Zum einen divergiert die Art und Weise der Glücksspielregulierung der EU-Mitgliedstaaten hier besonders stark (siehe oben 2. Teil B.), weshalb für Glücksspielanbieter ein hoher Anreiz besteht, sich im anbieterfreundlichsten Staat niederzulassen.338 Zum anderen spielen im Glücksspielsektor seit jeher fiskalische Interessen eine große Rolle, die einen staatlichen Standortwettbewerb ankurbeln könnten.339 Das geringste Risiko von „forum shopping“ und „race to the bottom“ bergen solche Glücksspieldienstleistungen, die keine hohen Umsätze und Gewinne erzielen. Für Glücksspielanbieter steht hier der Nutzen einer Geltung der anbieterfreundlichsten Rechtsordnung häufig in keinem angemessenen Verhältnis zu dem mit einer Offshore-Niederlassung verbundenen Aufwand. Der Anreiz, sich in einer Rechtsoase niederzulassen, ist daher i. d. R. gering. Da bei umsatz- und gewinnschwachen Glücksspieldienstleistungen i. d. R. auch vergleichsweise niedrige Steuer- und 333

Hoeren, MMR 1999, S. 192 ff. (194), spricht insofern von einer „Harmonisierung auf dem geringsten Level“. 334 Altenhain, in: Zieschang/Hilgendorf/Laubenthal (Hrsg.), S. 107 ff. (116). 335 Vgl. Altenhain, in: Zieschang/Hilgendorf/Laubenthal (Hrsg.), S. 107 ff. (116); Kudlich, HRRS 2004, S. 278 ff. (283). 336 Vgl. Altenhain, in: Zieschang/Hilgendorf/Laubenthal (Hrsg.), S. 107 ff. (116); Kudlich, HRRS 2004, S. 278 ff. (283). 337 Vgl. Devaney, I&CTL, Vol. 18, No. 3, October 2009, S. 273 ff. (277 f.). 338 Devaney, I&CTL, Vol. 18, No. 3, October 2009, S. 273 ff. (277 f.). 339 Siehe hierzu oben 2. Teil B.

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5. Teil, 1. Abschn.: Unionsrechtliche Implikationen

Konzessionseinnahmen zu erwarten sind, spielen auch staatliche Fiskalinteressen in diesem Bereich allenfalls eine untergeordnete Rolle. Um solche umsatz- und gewinnschwachen Glücksspieldienstleistungen handelt es sich typischerweise bei den Preisausschreiben, Verlosungen etc., die nach dem o.g. speziellen, engen Verständnis des Begriffes „Gewinnspiel“ gem. Art. 1 Abs. 5 lit. d, 3. Spiegelstrich vom Herkunftslandprinzip ausgenommen wären. Bei den populären klassischen Online-Glücksspielformen Online-Poker, OnlineSportwetten etc. ist die Gefahr von „forum shopping“ und „race to the bottom“ demgegenüber angesichts der hohen Umsätze und Gewinne besonders hoch. Zum Zwecke der Verhinderung von „forum shopping“ und „race to the bottom“ wäre es daher konsequent, diese Spielformen aus dem Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips herauszunehmen. Die bloße Herausnahme von Gewinnspielen i. e.S. ergäbe insofern keinen Sinn. cc) Abbau ungerechtfertigter Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs Auch sonstige Gesichtspunkte – wie z. B. ein Bedürfnis nach autonomer Bekämpfung von Begleit- und Folgekriminalität durch die einzelnen Mitgliedstaaten – liefern keinen plausiblen Grund dafür, nur Gewinnspiele i. e.S. vom Herkunftslandprinzip auszunehmen. Würde ein Mitgliedstaat unter Berufung auf Art. 1 Abs. 5 lit. d, 3. Spiegelstrich EC-RL nur Gewinnspiele i. e.S. vom Herkunftslandprinzip ausnehmen, sonstige Glücksspiele hingegen dem Herkunftslandprinzip unterwerfen, sähen sich Anbieter virtueller Gewinnspiele i. e.S. im Gegensatz zu Anbietern sonstiger virtueller Glücksspiele mit zusätzlichen Restriktionen konfrontiert. Die im Hinblick auf Spielervermögen und -gesundheit vergleichsweise ungefährlichen Gewinnspiele i. e.S. würden dann stärker reglementiert als die gefährlicheren sonstigen Glücksspiele. Die darin liegende Inkohärenz der nationalen Glücksspielregulierung führte – auf Basis der ständigen Rechtsprechung des EuGH340 – zu einem Verstoß gegen die in Art. 56 AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit. Die sekundärrechtliche EC-RL eröffnete damit primärrechtswidrige Spielräume. Der Zielsetzung der EC-RL, ungerechtfertigte Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs abzubauen,341 liefe eine derartige Regelung zuwider. dd) Ergebnis Das bereits durch die Wortlautauslegung nahe gelegte Ergebnis, Art. 1 Abs. 5 lit. d., 3. Spiegelstrich EC-RL erfasse sämtliche Formen des entgeltlichen Glücksspiels, wird durch die Ratio der Norm gestützt. 340 Vgl. EuGH Urt. v. 6. 11. 2003, Rs. C-243/01, Gambelli, Slg. 2003, I-13031, Rn. 60 ff.; Urt. v. 8. 9. 2010, verb. Rs. C-316, 358, 359, 360, 409 und 410/07, Stoß u. a., Slg. 2010, I-8069, Rn. 113; Urt. v. 12. 6. 2014, Rs. C-156/13, Digibet u. a., NVwZ 2014, 1001, Rn. 23. 341 Vgl. Art. 1 Abs. 1 sowie Erwägungsgrund 6 der EC-RL; Martiny, in: MK-BGB, § 3 TMG Rn. 1; Müller-Broich, in: NK-TMG, § 3 Rn. 1.

5. Teil, 2. Abschn.: Schutz- und Weltrechtsprinzip

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c) Auslegungsergebnis Art. 1 Abs. 5 lit. d, 3. Spiegelstrich EC-RL nimmt sämtliche entgeltlichen Glücksspiele vom Geltungsbereich des Herkunftslandprinzips aus. Damit liegt dieses Verständnis auch dem inhaltsgleichen § 3 Abs. 4 Nr. 4 TMG zugrunde, der die Ausnahme in Bezug auf die Geltung des Herkunftslandprinzips im deutschen Recht vorsieht. IV. Ergebnis Die einschlägigen Normen der §§ 3 ff. StGB werden durch das Herkunftslandprinzip nicht eingeschränkt, wenn sie § 284 StGB – von dem ebendieser Bereich der entgeltlichen Glücksspiele erfasst wird – auf das Anbieten grenzüberschreitender Glücksspiele durch einen in einem EU-Mitgliedstaat niedergelassenen Anbieter zur Anwendung brächten. Die Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote bestimmt sich insofern einschränkungslos anhand §§ 3 ff. StGB. 2. Abschnitt

Schutz- und Weltrechtsprinzip, §§ 5, 6 StGB Hinsichtlich der Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote gem. §§ 3 ff. StGB ist zunächst in Bezug auf die in §§ 5 und 6 StGB normierten Anknüpfungspunkte deutscher Strafgewalt festzustellen, dass das Glücksspielstrafrecht im Katalog der in §§ 5 und 6 StGB ausdrücklich aufgeführten Straftatbestände nicht genannt ist. Unabhängig von der anhand § 9 StGB zu beantwortenden Frage, ob es sich bei virtuellen Offshore-Glücksspielangeboten überhaupt um eine von §§ 5 und 6 StGB vorausgesetzte Auslandstat handelt, scheitert eine unmittelbare Berufung auf §§ 5 f. StGB daher am eindeutigen Wortlaut der Normen. Erwägen könnte man allenfalls, die Geltung deutschen Glücksspielstrafrechts mittelbar im Wege der Annahme einer Annexkompetenz zu konstruieren, wenn § 284 StGB als Begleittat einer in §§ 5 und 6 StGB ausdrücklich aufgeführten Straftat verwirklicht wird.342 In Betracht zu ziehen wäre das z. B. in den durch § 6 342 Der BGH bejahte eine Annexkompetenz zu § 6 Nr. 1 a.F. StGB hinsichtlich tateinheitlich mit einem Völkermord i.S.d. § 220a Abs. 1 Nr. 1 a.F. verwirklichten Mordes i.S.d. § 211 StGB, BGHSt 45, 64, 69 ff. Als Begründung verwies der Senat auf die tatbestandliche Ähnlichkeit der Normen. § 220a Abs. 1 Nr. 1 a.F. enthalte mit der vorsätzlichen Tötung und der Niedrigkeit der Beweggründe (Zerstörungsabsicht) i. d. R. alle Merkmale des § 211 StGB. Zustimmend: Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 6 Rn. 7; ablehnend: Ambos, NStZ 2001, S. 628 ff. (629 f.); Böse, in: NK-StGB, § 6 Rn. 6.

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5. Teil, 2. Abschn.: Schutz- und Weltrechtsprinzip

Nr. 4 ff. StGB in Bezug genommenen Fällen organisierter Kriminalität. Man denke etwa an organisierte Geld- und Wertpapierfälschungen (§ 6 Nr. 7 StGB) mit anschließender Veranstaltung illegaler Online-Glücksspiele zum Zwecke der Geldwäsche.343 Eine derartige strafgewaltausdehnende Erweiterung der §§ 5 f. StGB entgegen ihres eindeutigen Wortlauts stellte sich allerdings als eine Analogie in malam partem dar, die sich – wenn man sie nicht schon unter Berufung auf Art. 103 Abs. 2 GG, 7 Abs. 1 EMRK344 als unzulässig erachtete345 – an den Voraussetzungen einer planwidrigen Regelungslücke und einer vergleichbaren Interessenlage messen lassen müsste. Insofern ist zu konstatieren, dass in §§ 5 und 6 StGB eng umgrenzte abschließende Fälle normiert sind, in denen sich die deutsche Strafgewalt ausnahmsweise tatortstrafbarkeitsunabhängig auf reine Auslandstaten erstreckt.346 Die restriktive Normkonzeption soll dem Umstand Rechnung tragen, dass extraterritoriale tatortstrafbarkeitsunabhängige Strafgewaltausdehnungen angesichts des gravierenden Eingriffs in die souveränitätsgetragene Gebietshoheit des Tatortstaates allenfalls in eng umgrenzten Einzelfällen mit dem völkerrechtlichen Interventionsverbot in Einklang zu bringen sind, in denen seitens der Bundesrepublik Deutschland ein besonders schwerwiegendes Bedürfnis besteht, bestimmte Rechtsgüter schützen zu können.347 Die Annahme einer Annexkompetenz widerspräche diesem restriktiven Regelungssystem und verstieße – sofern man nicht auf Konstruktionen contra legem wie einen vom BGH geforderten spezifischen Tatbezug zum Inland348 zurückgreift – in zahlreichen Fällen gegen das Interventionsverbot. 343 Vgl. hierzu Grünbuch „Online-Gewinnspiele im Binnenmarkt“, KOM(2011) 128 endg., S. 28 ff.; Hayer/Bachmann/Meyer, WZfS 2005, S. 29 ff. (31). 344 In Deutschland hat die EMRK seit 3. 9. 1953 den Rang eines einfachen Bundesgesetzes, vgl. BGBl. II 1952, S. 686, 953, weshalb gleichrangige Normen wie §§ 3 ff. StGB auf den ersten Blick nicht ohne weiteres an Art. 7 Abs. 1 EMRK zu messen sind. Im Wege der völkerrechtsfreundlichen Auslegung nach Art. 25 GG kommt der EMRK allerdings „verfassungsrechtliche Bedeutung“ zu, „indem sie die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes beeinfluss(t)“, BVerfGE 111, 307; 128, 326, 367; vgl. auch Ambos, IntStR, § 10 Rn. 2; Hecker, EuStR, 3 Rn. 22; Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 99 f. 345 Ob §§ 3 ff. StGB an Art. 103 Abs. 2 GG bzw. Art. 7 Abs. 1 EMRK zu messen sind, ist umstritten, siehe hierzu 6. Abschnitt E. II. 1. a). In Bezug auf die Annahme einer Annexkompetenz zu §§ 5 und 6 StGB wird ein Verstoß gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltene Verbot täterbelastender Analogie beispielsweise bejaht von BGHSt 45, 64, 71 und Böse, in: NKStGB, § 6 Rn. 6. In der Annahme einer Annexkompetenz zu § 6 Nr. 1 a.F. StGB hinsichtlich tateinheitlich mit einem Völkermord i.S.d. § 220a Abs. 1 Nr. 1 a.F. verwirklichten Mordes i.S.d. § 211 StGB sah der BGH „eine unmittelbare Anwendung des § 6 Nr. 1 StGB, da der Völkermord gemäß § 220 a Abs. 1 Nr. 1 StGB nach seiner Definition eine vorsätzliche Tötung voraussetzt und eine solche damit notwendigerweise mit erfaßt wird.“, BGHSt 45, 64, 71. 346 Vgl. nur Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 6 Rn. 6. 347 Vgl. BT-Drs. IV/650, S. 109; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 64; Werle/Jeßberger, in: LKStGB, § 5 Rn. 4. 348 BGHSt 45, 64, 66; BGH NStZ 1994, 232, 233; befürwortend Lackner/Kühl, § 6 Rn. 1; ablehnend z. B. Ambos, NStZ 2001, S. 628 ff. (630); Eser, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 3 – 9

5. Teil, 2. Abschn.: Schutz- und Weltrechtsprinzip

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In Bezug auf eine das Glücksspielstrafrecht einbeziehende Erweiterung des § 6 StGB ist darüber hinaus zu konstatieren, dass sich eine tatortstrafbarkeitsunabhängige extraterritoriale Strafgewalterstreckung mangels internationalen Konsens hinsichtlich der Strafbarkeit illegal angebotener Glücksspiele349 auch gar nicht über das der Norm dem gesetzgeberischen Willen nach zugrunde liegende Prinzip der Weltrechtspflege legitimieren ließe, wonach die Bundesrepublik Deutschland als Vertreter der selbst nicht handlungsfähigen Völkergemeinschaft Rechtspflege hinsichtlich international als strafwürdig erachteter Straftaten betreibt.350 Eine Erweiterung der §§ 5 f. StGB scheidet nach alledem aus.351 §§ 5 und 6 StGB kommen als Anknüpfungspunkt einer Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote nicht in Betracht.352 3. Abschnitt

Passives Personalitätsprinzip, § 7 Abs. 1 StGB In Betracht zu ziehen ist eine Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts über das in § 7 Abs. 1 StGB normierte passive Personalitätsprinzip.353 Der völkerrechtlich anerkannte Anknüpfungspunkt deutscher Strafgewalt liegt hier in der deutschen Staatsangehörigkeit des Tatopfers.354 § 7 Abs. 1 StGB liegt das Bestreben der Bundesrepublik Deutschland zugrunde, eigene Staatsangehörige auch in Fällen, in denen ihre Rechtsgüter auf fremdem Territorium verletzt werden, schützen zu können.355 Deutschland verfolgt damit eigene Belange. Anders als § 7 Abs. 2 Nr. 2 Rn. 8, § 6 Rn. 1; Werle/Jeßberger, JuS 2001, S. 141 ff. (142). Zum Teil wird auch – vor allem im Hinblick auf die Nachteile für im Ausland agierende ausländische Täter, die deutsche Strafnormen i. d. R. nicht kennen – für eine Übertragung des Erfordernisses der Tatortstrafbarkeit aus § 7 StGB auf § 5 StGB plädiert, so z. B. Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 35; Satzger, IntEuStR, § 4 Rn. 11. 349 Zu weltweit erheblich divergierenden Glücksspielregulierungskonzepten siehe oben 2. Teil B. 350 Zur Ratio des Weltrechtsprinzips vgl. Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 21; Weißer, GA 2012, S. 416 ff. (418 ff.). 351 Zur Vereinbarkeit der eng gefassten §§ 5 und 6 StGB mit dem – grundsätzlich eine weite Jursidiktionsbefugnis hinsichtlich der gesamten prozessualen Tat erfordernden – transnationalen Doppelbestrafungsverbot aus Art. 50 GRC, 54 SDÜ siehe 6. Abschnitt E. II. 6. b) bb). 352 So i.E. auch Bertrand, S. 284; Feldmann, S. 71; Klengel/Heckler, CR 2001, S. 243 ff. (243, Fn. 4); Leupold/Bachmann/Pelz, MMR 2000, S. 648 ff. (652). 353 Zum passiven Personalitätsprinzip vgl. Böse, in: NK-StGB, § 7 Rn. 2; Scholten, S. 101, 108; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 7 Rn. 8. 354 Hecker, EuStR, 2 Rn. 43; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 228. 355 Ambos, IntStR, § 3 Rn. 76; Lackner/Kühl, § 7 Rn. 1; Scholten, S. 101. Kritisch zum passiven Personalitätsprinzip z. B. Eser, in: FS Jescheck, Bd. 2, S. 1353 ff. (1371 f.); Satzger, IntEuStR, § 4 Rn. 11; Zieher, S. 77; siehe auch in Bezug auf innerhalb der EU als auf

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5. Teil, 3. Abschn.: Passives Personalitätsprinzip

StGB (siehe hierzu den 4. Abschnitt) gewährt § 7 Abs. 1 StGB dementsprechend originäre, statt von einem anderen Staat abgeleitete, stellvertretend für diesen ausgeübte, Strafgewalt.356

A. „Tat am Tatort mit Strafe bedroht“ Eine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. § 7 Abs. 1 StGB setzt u. a. voraus, dass „die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist“.357 Dieses Erfordernis soll eine als Oktroyierung erscheinende Erstreckung deutscher Strafgewalt in Fällen verhindern, in denen sich der Tatortstaat souveränitätsgetragen dafür entschieden hat, bestimmte Verhaltensweisen nicht unter Strafe zu stellen.358 Das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit dient insofern einer Begrenzung deutscher Strafgewalt.359 Darüber hinaus beinhaltet es auch eine individualschützende Komponente: Vom Täter wird verlangt, dass er mit den Normen des Tatortstaates vertraut ist.360 Die Kenntnis außertatortstaatlicher Verhaltensanforderungen wird ihm grundsätzlich361 nicht abverlangt. Das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit in § 7 Abs. 1 StGB verhindert, dass der Täter von vom Tatortrecht abweichenden Verhaltensanforderungen des deutschen Strafrechts „überrascht“ wird.362 grundsätzlichem gegenseitigen Vertrauen in die nationale Strafjustiz wurzelnder Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begangene Taten Weißer, ZJS 2014, S. 589 ff. (593). 356 Ambos, IntStR, § 3 Rn. 76; ders., in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7, Rn. 37; Conrad, S. 287; a.A. Jescheck/Weigend, § 18 III 5, die die Regelung dem Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege zuordnen. Nach Böse, in: NK-StGB, § 7 Rn. 2; Eser, in: Schönke/Schröder, § 7 Rn. 1; Hoyer, in: SK-StGB, 26. Lfg. Juni 1997, § 7 Rn. 3, und Jakobs, AT, S. 115, liegt § 7 Abs. 1 StGB zwar das passive Personalitätsprinzip zugrunde, allerdings bestünde insofern eine Nähe zum Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege „als der strafrechtliche Schutz auch der deutschen Staatsangehörigen grds. dem Tatortstaat obliegt“, Böse, ebd. 357 Eser, in: Schönke/Schröder, § 7 Rn. 7; Jescheck, in: FS Maurach, S. 579 ff. (581); ders./ Weigend, § 18 II 4; Satzger, IntEuStR, § 4 Rn. 11; a.A.: Henrich, S. 189 ff. Sofern der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt, ist logischerweise kein Raum für ein Tatortstrafbarkeitserfordernis, vgl. § 7 Abs. 1 StGB: „oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt“; vgl. hierzu Werle/ Jeßberger, in: LK-StGB, § 7 Rn. 51 ff. 358 Vgl. BT-Drs. IV/650, S. 112 f.; Ambos, in: MK-StGB, § 7 Rn. 5; Böse, in: NK-StGB, § 7 Rn. 6; Conrad, S. 275 f.; Eser, in: Schönke/Schröder, § 7 Rn. 7; Scholten, S. 124; Werle/ Jeßberger, in: LK-StGB, § 7 Rn. 19. 359 Vgl. BT-Drs. IV/650, S. 112 f.; Eser, in: Schönke/Schröder, § 7 Rn. 7; Scholten, S. 124. 360 Böse, in: NK-StGB, § 7 Rn. 6; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 7 Rn. 20. 361 Ausnahmen bilden der gesetzlichen Konzeption nach z. B. die in §§ 5 und 6 StGB normierten Fälle. 362 Vgl. Böse, in: NK-StGB, § 7 Rn. 6; Conrad, S. 275; Scholten, S. 74; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 7 Rn. 20. Häufig wird das Tatortstrafbarkeitserfordernis – entgegen der eine restriktive Normauslegung erfordernden gesetzlichen Systematik und Ratio [siehe hierzu sogleich unter A. III. sowie 6. Abschnitt E. II. 3. c)] – extensiv ausgelegt. So soll nach Ambos, in: MK-StGB, § 7 Rn. 6; Niemöller, NStZ 1993, S. 171 ff. (172); Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 89; ders., in: ders./Schluckebier/Widmaier, § 7 Rn. 18; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 94 „die

A. „Tat am Tatort mit Strafe bedroht“

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Bezogen auf die Anwendbarkeit des § 284 StGB auf das Anbieten virtueller Offshore-Glücksspiele wurde bislang unkritisch davon ausgegangen, das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit in § 7 Abs. 1 StGB sei typischerweise nicht erfüllt.363 Da Glücksspielanbieter typischerweise solche Staaten aufsuchten, in denen das Anbieten von Glücksspielen ohne behördliche Erlaubnis nicht strafbar sei oder der Glücksspielanbieter – sofern der Anbieterstaat eine Glücksspielveranstaltung ohne Glücksspiellizenz sanktionierte – eine Glücksspiellizenz ohne großen Aufwand erwerbe, sei die Tat am Tatort typischerweise nicht mit Strafe bedroht.364 Dem ist zuzustimmen, sofern sich das von einer ausländischen Rechtsoase aus erfolgende Anbieten eines virtuellen Glücksspiels innerhalb eines Lebenssachverhaltes abspielt, in dessen Rahmen der Glücksspielanbieter keine weiteren kriminellen Verhaltensweisen vornimmt. In diesen Fällen geht es allein um die „Tat“ des Anbietens eines illegalen Glücksspiels. Diese Tat ist i. d. R. nicht i.S.d. § 7 StGB „am Tatort mit Strafe bedroht“, weil der Glücksspielanbieter typischerweise über eine in der ausländischen Rechtsoase erlangte Glücksspiellizenz verfügt, die sein Verhalten dort legalisiert oder das Recht der Rechtsoase einen dem § 284 StGB entsprechenden Straftatbestand gar nicht vorsieht365. Tat am Tatort“ bereits dann „mit Strafe bedroht“ sein, wenn das Täterverhalten nur unter irgendeinem Gesichtspunkt im Tatortstaat pönalisiert wird, mag dieser Gesichtspunkt auch von dem Gesichtspunkt abweichen, unter dem Deutschland das Verhalten unter Strafe stellt. Ausgehend von einer solchen Sichtweise kann von Individualschutz vor einer Konfrontation mit vom Tatortrecht abweichenden Verhaltensanforderungen des deutschen Strafrechts keine Rede sein. 363 Mintas, S. 120; vgl. auch Bertrand, S. 284; Falk, S. 255 f.; Feldmann, S. 71; Klengel/ Heckler, CR 2001, S. 243 ff. (243, Fn. 4); Leupold/Bachmann/Pelz, MMR 2000, S. 648 ff. (652). 364 Vgl. Mintas, S. 120; siehe auch Falk, S. 255 f. 365 Die Antigua and Barbuda interactive gaming and interactive wagering regulations (abrufbar unter: http://www.antiguagaming.gov.ag/files/Antigua_and_Barbuda_Gaming_Regu lations-Final.pdf) enthalten beispielsweise keinen dem § 284 StGB entsprechenden Sanktionstatbestand. Sollte ein ausländischer Tatortstaat im Falle des Anbietens eines Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis eine Verwaltungssanktion vorsehen, wäre die Tat nicht als i.S.d. § 7 Abs. 1 StGB „am Tatort mit Strafe bedroht“ anzusehen, vgl. BGHSt 27, 5, 6, 8; Böse, in: NK-StGB, § 7 Rn. 7; Eser, in: Schönke/Schröder, § 7 Rn. 8; Esser, EuIntStR, § 14 Rn. 55; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 89; a.A. BGHSt 2, 160, 161; 8, 349, 356 f. „Strafe“ i.S.d. § 7 Abs. 1 StGB meint Kriminalstrafe. Anderenfalls gelangte man zu dem der souveränitätsschützenden Ratio des Tatortstrafbarkeitserfordernisses zuwiderlaufenden Ergebnis, dass sich die Bundesrepublik Deutschland unter bloßer Berufung auf die deutsche Staatsangehörigkeit des Opfers über die souveränitätsgetragene Entscheidung des ausländischen Tatortstaates hinwegsetzen könnte, die Tat nicht mit Kriminalstrafe zu bedrohen. Darüber hinaus widerspräche eine derartige Strafgewaltanknüpfung der individualschützenden Ratio des Tatortstrafbarkeitserfordernisses, zumal der Täter von Kriminalstrafe überrascht würde. In den unter dem Gesichtspunkt des „forum shoppings“ in der Glücksspielbranche atypischen Fallkonstellationen, in denen vom Ausland aus agierende Glücksspielanbieter Glücksspiel ohne Glücksspiellizenz veranstalten, obwohl die Glücksspielveranstaltung ohne behördliche Erlaubnis am Tatortstaat mit Kriminalstrafe bedroht wird (siehe z. B. Sec. 23 Abs. 1

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5. Teil, 3. Abschn.: Passives Personalitätsprinzip

Weniger eindeutig sind hingegen solche Fälle zu beurteilen, in denen sich das Anbieten des Glücksspiels im Rahmen eines einheitlichen, untrennbaren Gesamtgeschehens (d. h. einer prozessualen Tat366) abspielt, das zwar nicht unter dem Gesichtspunkt des Anbietens eines illegalen Glücksspiels, allerdings unter einem anderen Gesichtspunkt im ausländischen Tatortstaat einen einer deutschen Strafnorm entsprechenden Straftatbestand verwirklicht. Man denke etwa an Fälle, in denen ein virtuelles Glücksspiel von einer Rechtsoase aus i.S.d. § 284 StGB angeboten wird und der Glücksspielanbieter im Rahmen desselben einheitlichen Geschehens eine der im 2. Teil B. umschriebenen Spielmanipulationshandlungen vornimmt, die (auch) bei deutschen Spielern Vermögensschäden herbeiführt. Beispielhaft seien Fälle genannt, in denen von einer ausländischen Rechtsoase aus agierende Glücksspielanbieter die Glücksspielsoftware vor Eröffnung ihres Spielangebots (§ 284 Abs. 1 Var. 1, 3 StGB) dahingehend manipulieren, dass Spielteilnehmer häufiger als normal verlieren oder das Spiel während der Spielbetreuung (§ 284 Abs. 1 Var. 2 StGB) „von Hand“ manipulieren. Derartige vermögensschädigende Spielmanipulationen verwirklichen den Tatbestand des Betruges gem. § 263 StGB (ausführlich hierzu 6. Abschnitt E. IV. 3.) und sind i. d. R. auch in der Rechtsoase strafbar.367

i.V.m. Sec. 48 Abs. 1 des Gibraltar Gambling Act 2005, abrufbar unter http://www.gibraltar laws.gov.gi/articles/2005 - 72o.pdf sowie Sec. 3 i.V.m. Sec. 58 Malta Remote Gaming Regulations 2004, abrufbar unter http://www.mrgc.org.mt/downloads/RemoteGamingRegulationsLN2 0176of2004.pdf), käme es auf die Frage an, ob der im ausländischen Tatortstaat geltende Straftatbestand die gleiche Schutzrichtung wie § 284 StGB aufweisen muss, vgl. hierzu Ambos, in: MK-StGB, § 7 Rn. 6 f. m.w.N. Abgesehen davon, wird man sich mit der Frage konfrontiert sehen, ob eine faktische Nichtverfolgung eine Tatortstrafbarkeit i.S.d. § 7 Abs. 1 StGB ausschließt, wenn ausländische Strafverfolgungsbehörden trotz Pönalisierung des illegalen Anbietens von Glücksspielen bewusst von einer Strafverfolgung absehen, vgl. generell zu dieser Problematik Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 102 m.w.N. 366 Vgl. BGHSt 22, 375, 385; 29, 341, 342; 49, 359, 362; BGH NStZ 2014, 46, 47; Beulke, StrPrR, Rn. 513; Kühne, in: LR-StPO, Einl. Abschn. K Rn. 60 f.; Neuefeind, JA 2000, S. 791 ff. (792); Pfeiffer, § 264 StPO Rn. 2; ausführlich zum prozessualen Tatbegriff unten 6. Abschnitt E. III. 367 Siehe z. B. Sec. 224 Antigua and Barbuda interactive gaming and interactive wagering regulations: „No person shall, in relation to an authorized game, dishonestly obtain a benefit by any act, practice or scheme or otherwise dishonestly obtain a benefit through the use of any device or item.“ i.V.m. Sec. 232: „Any person who contravenes any offence under Regulations 208, 224, 226, 227, 228, 229, or 231 commits an offence and is liable on conviction to a fine not exceeding fifty thousand dollars ($ 50,000.00 US) or to imprisonment not exceeding five (5) years“ (abrufbar unter: http://www.antiguagaming.gov.ag/files/Antigua_and_Barbuda_Ga ming_Regulations-Final.pdf) oder Sec. 317 der Kahnawake Regulations concerning interactive Gaming: „A person must not, in relation to an authorized game, dishonestly obtain a benefit by any act, practice or scheme or otherwise dishonestly obtain a benefit through the use of any device, equipment or software“ (abrufbar unter: http://www.gamingcommission.ca/docs/Regula tions ConcerningInteractiveGaming.pdf).

A. „Tat am Tatort mit Strafe bedroht“

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I. Prozessuale Tat unter irgendeinem Gesichtspunkt am Tatort mit Strafe bedroht? Eine in Rechtsprechung368 und Schrifttum369 vertretene Auffassung geht davon aus, dem Erfordernis der Tatortstrafbarkeit in § 7 Abs. 1 StGB sei bereits genügt, sofern die prozessuale Tat am Tatortstaat „unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt mit Strafe bedroht“370 werde. „Ein einziger, auf das Täterverhalten zutreffender Straftatbestand“ öffne „– einem Schlüssel vergleichbar – die Tür zur umfassenden Geltung aller Vorschriften des deutschen Strafrechts“371. Mit einem solchen Normverständnis korrespondiert ein prozessuales Verständnis des in § 7 StGB enthaltenen Tatbegriffs. § 7 Abs. 1 StGB wäre wie folgt zu verstehen: „Das deutsche Strafrecht gilt für prozessuale Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die prozessuale Tat am Tatort unter irgendeinem Gesichtspunkt mit Strafe bedroht ist“372. Bezogen auf die eingangs geschilderten Szenarien, in denen ein Glücksspielanbieter sein Glücksspiel im Rahmen eines einheitlichen untrennbaren Geschehens i.S.d. § 284 StGB anbietet und das Vermögen deutscher Spielteilnehmer durch Spielmanipulationen i.S.d. § 263 StGB schädigt, wäre die prozessuale Tat im Falle einer entsprechenden Pönalisierung der vermögensschädigenden Spielmanipulationen im ausländischen Tatortstaat unter diesem Gesichtspunkt „am Tatort mit Strafe bedroht“. Dem Erfordernis der Tatortstrafbarkeit wäre damit hinsichtlich der gesamten prozessualen Tat, inklusive des am Tatortstaat nicht unter Strafe stehenden Anbietens des Glücksspiels, genügt. II. Konkretes tatbestandsmäßiges Täterverhalten am Tatort mit Strafe bedroht? Das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit ließe sich andererseits aber auch – deutlich restriktiver – dahingehend interpretieren, dass es eine Inanspruchnahme deutscher Strafgewalt gem. § 7 Abs. 1 StGB ausschließlich hinsichtlich desjenigen konkreten Täterverhaltens aus der prozessualen Tat ermöglicht, das sowohl im Ausland als auch

368

BGHSt 2, 160, 161; BGH NJW 1997, 334, 334. Ambos, in: MK-StGB, § 7 Rn. 6; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 89; ders., in: ders./ Schluckebier/Widmaier, § 7 Rn. 18; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 94; siehe auch Niemöller, NStZ 1993, S. 171 ff. (172), der sich allerdings wohl nur auf § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB bezieht, für § 7 Abs. 1 StGB hingegen wohl kein Tatortstrafbarkeitserfordernis verlangt, ebd., S. 171. 370 Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 94. 371 Niemöller, NStZ 1993, S. 171 ff. (172); auf diesen Bezug nehmend Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 89; siehe auch BGH NJW 1997, 334, 334; Ambos, in: MK-StGB, § 7 Rn. 6. 372 In diese Richtung BGH NJW 1997, 334, 334; Ambos, in: MK-StGB, § 7 Rn. 6; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 89; siehe auch Niemöller, NStZ 1993, S. 171 ff. (172). 369

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5. Teil, 3. Abschn.: Passives Personalitätsprinzip

im Inland unter Strafe steht.373 Ein derartiges Verständnis ergäbe sowohl auf Basis eines tatbestandsbezogenen, allein die in Rede stehende Straftat in den Blick nehmenden, als auch auf Basis eines prozessualen Verständnisses des Tatbegriffes in § 7 Abs. 1 StGB Sinn: Ausgehend von einem tatbestandsbezogenen Tatverständnis fänden nur diejenigen deutschen Straftatbestände isoliert betrachtet Anwendung, die eine Entsprechung im Recht des Tatortstaates haben. § 7 Abs. 1 StGB wäre wie folgt zu verstehen: „Das deutsche Strafrecht gilt für Straftaten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Straftat am Tatort mit Strafe bedroht ist“. Legte man § 7 Abs. 1 StGB einen prozessualen Tatbegriff zugrunde, beschränkte das Tatortstrafbarkeitserfordernis die deutsche Strafgewalt auf solche Sachverhaltsteile der grundsätzlich erfassten prozessualen Tat, die am Tatort mit Strafe bedroht sind. In den eingangs geschilderten Szenarien des einheitlichen illegalen Anbietens (§ 284 Abs. 1 StGB) und vermögensschädigenden Manipulierens (§ 263 Abs. 1 StGB) eines Glücksspiels käme eine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nach § 7 Abs. 1 StGB demnach ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der vermögensschädigenden Spielmanipulation (§ 263 Abs. 1 StGB) in Betracht, wenn nur diese im ausländischen Tatortstaat pönalisiert würde. Das im Rahmen derselben prozessualen Tat verwirklichte illegale Glücksspielangebot würde hier nicht von § 7 Abs. 1 StGB erfasst. III. Stellungnahme Welcher Auffassung zu folgen ist, zeigt ein Blick auf die eingangs erwähnte Ratio des in § 7 Abs. 1 StGB enthaltenen Tatortstrafbarkeitserfordernisses, die deutsche Strafgewalt mit Rücksicht auf die Souveränität des Tatortstaates zu beschränken: Ließe man unter Berufung auf die erstgenannte Auffassung bereits die Pönalisierung irgendeines Gesichtspunktes der prozessualen Tat im Tatortstaat zur Erstreckung deutscher Strafgewalt auf die gesamte prozessuale Tat genügen, würde die deutsche Strafgewalt nicht beschränkt, sondern auf solche Sachverhaltsteile der prozessualen Tat ausgedehnt, die im ausländischen Tatortstaat gar nicht unter Strafe stehen. Mit einer derart umfangreichen Strafgewaltproklamation setzte sich Deutschland über die souveränitätsgetragene Entscheidung des Tatortstaates für die Straflosigkeit bestimmter Verhaltensweisen hinweg. Die erstgenannte Ansicht gelangt damit zu Ergebnissen, die das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit in § 7 Abs. 1 StGB unter dem

373 In diese Richtung Scholten, S. 127 f.; siehe auch Arzt, in: Festgabe Schweizerischer Juristentag, S. 417 ff. (424 f.), und Oehler, IntStR, Rn. 151a. Zur grundsätzlichen Frage nach der Vereinbarkeit einer restriktiven Handhabung des § 7 StGB (z. B. in Form von strengen Anforderungen an die Vergleichbarkeit der in- und ausländischen einschlägigen Strafnormen, siehe hierzu den 4. Abschnitt) mit dem – grundsätzlich eine weite Jursidiktionsbefugnis hinsichtlich der gesamten prozessualen Tat erfordernden – transnationalen Doppelbestrafungsverbot aus Art. 50 GRC, 54 SDÜ siehe 6. Abschnitt E. II. 6. b) cc).

A. „Tat am Tatort mit Strafe bedroht“

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Gesichtspunkt der Beschränkung deutscher Strafgewalt mit Rücksicht auf die Souveränität des Tatortstaates gerade zu vermeiden bezweckt.374 Die erstgenannte Auffassung hätte des Weiteren zur Folge, dass der Täter möglicherweise von deutscher Strafgewalt „überrascht“ würde, wenn sich deutsche Strafnormen auf sein am Tatortstaat nicht unter Strafe stehendes Verhalten erstreckten. Auch der individualschützenden Funktion des Tatortstrafbarkeitserfordernisses in § 7 Abs. 1 StGB wäre damit nicht genügt.375 Darüber hinaus gerieten die unter Zugrundelegung der erstgenannten Auffassung erzielten Ergebnisse in Widerspruch zur systematischen und entstehungsgeschichtlichen Bedeutung des passiven Personalitätsprinzips im Regelungssystem der §§ 3 ff. StGB. Da das allein an die Staatsangehörigkeit anknüpfende passive Personalitätsprinzip im Vergleich zu dem in der souveränitätsgetragenen Gebietshoheit verwurzelten Territorialitätsprinzip eine geringe Legitimationskraft aufweist,376 ist es im heutigen Strafanwendungsrecht in § 7 StGB als gegenüber dem Regeltatbestand § 3 StGB restriktiv zu verstehender Ausnahmetatbestand konzipiert377. In bewusster Abkehr von dem vor allem in exzessivem Machtstreben wurzelnden uferlosen Personalitätsprinzip der nationalsozialistischen Geltungsbereichsverordnung378 soll deutsche Strafgewalt über den heutigen § 7 Abs. 1 StGB mit Rücksicht auf die Souveränität des Tatortstaates auf Auslandstaten nur ausnahmsweise zur Anwendung gelangen379. Dieser Konzeption widerspräche es, wenn § 7 Abs. 1 StGB in extensiver Weise vollumfängliche Strafgewalt hinsichtlich einer ausschließlich im Ausland verorteten prozessualen Tat gewährte, die auch im Tatortstaat nicht unter Strafe stehende Tatteile umfasst. Wenn Niemöller380 als Argument für eine extensive Auslegung des Tatortstrafbarkeitserfordernis in § 7 StGB anführt, sie enthebe „die inländischen Strafverfolgungsorgane der Last von Vergleichsuntersuchungen“ zwischen der deutschen Rechtsordnung und der Rechtsordnung des ausländischen Tatortstaates, „die […] besonders schwierig, aufwendig und fehleranfällig sein könnten“, vermag das nicht zu überzeugen. Abgesehen davon, dass „Vergleichsuntersuchungen“ auch auf Basis der erstgenannten Ansicht erforderlich würden, um feststellen zu können, ob ein Teil der prozessualen Tat auch im Tatortstaat unter Strafe steht, vermögen derartige Zweckmäßigkeitserwägungen den mit der weiten extraterritorialen Strafgewalter-

374

In diese Richtung auch Scholten, S. 127. So auch Scholten, S. 127. 376 Vgl. Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 20; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 229 f.; Zieher, S. 76 f. 377 Vgl. BT-Drs. IV/650, S. 112 f.; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 4. 378 RGBl. I 1940, S. 754. 379 BT-Drs. IV/650, S. 105. 380 Niemöller, NStZ 1993, S. 171 ff. (173). 375

92

5. Teil, 3. Abschn.: Passives Personalitätsprinzip

streckung über § 7 Abs. 1 StGB einhergehenden Systembruch nicht zu erklären und den Eingriff in die Souveränität des Tatortstaates nicht zu legitimieren.381 Im Ergebnis ist demnach festzuhalten, dass sich allein die zweitgenannte Auffassung mit der gesetzlichen Regelung des passiven Personalitätsprinzips in § 7 Abs. 1 StGB in Einklang bringen lässt. Eine Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts gem. § 7 Abs. 1 StGB scheitert demnach auch in solchen Fällen am Erfordernis der Tatortstrafbarkeit, in denen sich das Anbieten eines Glücksspiels im Rahmen eines einheitlichen Geschehens abspielt, das zwar nicht unter dem Gesichtspunkt des Anbietens eines illegalen Glücksspiels, allerdings unter einem anderen Gesichtspunkt im ausländischen Tatortstaat einen einer deutschen Strafnorm entsprechenden Straftatbestand verwirklicht.

B. „gegen einen Deutschen“ Ginge man – anders als nach der hier vertretenen Ansicht – mit der erstgenannten Ansicht davon aus, dem Tatortstrafbarkeitserfordernis sei genügt, sähe man sich des Weiteren mit der Frage konfrontiert, ob überhaupt eine von § 7 Abs. 1 StGB vorausgesetzte Tat „gegen einen Deutschen“ vorliegt. Die Frage ist in Bezug auf § 284 StGB insofern problematisch, als die Norm als abstraktes Gefährdungsdelikt keine verletzte oder individualisierbar konkret gefährdete Person als Opfer voraussetzt. Zur Verwirklichung des Tatbestandes genügt – wie gezeigt – das im Hinblick auf Spielervermögen und -gesundheit als generell risikoreich eingestufte Anbieten eines Glücksspiels ohne Erlaubnis einer deutschen Behörde.382 Schon aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 StGB „Tat […] gegen einen Deutschen“383 folgt allerdings, dass unmittelbar Rechtsgüter eines „bestimmten oder bestimmbaren Deutschen“384 betroffen sein müssen.385 Spielt sich das § 284 StGB verwirklichende Anbieten eines illegalen Glücksspiels innerhalb eines zusammengehörigen Geschehens (prozessuale Tat) ab, in dessen Rahmen keine weiteren kriminellen Verhaltensweisen verwirklicht werden, ist eine von § 7 Abs. 1 StGB vorausgesetzte Tat „gegen einen Deutschen“ daher zu verneinen. In den eben diskutierten Konstellationen, in denen ein Glücksspielanbieter sein Glücksspiel im Rahmen einer prozessualen Tat i.S.d. § 284 StGB anbietet und das Vermögen deutscher Spielteilnehmer durch Spielmanipulationen i.S.d. § 263 StGB 381

Vgl. auch Scholten, S. 127 f. Siehe hierzu 3. Teil B. II. 383 Hervorhebung nur hier. 384 Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 83; siehe auch BGHSt 18, 283, 284. 385 BGHSt 18, 283, 284; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 83; ders., in: ders./Schluckebier/ Widmaier, § 7 Rn. 7; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 7 Rn. 69; vgl. auch Stuckenberg, ZStW 118 (2006), S. 878 ff. (890 f.); a.A. Oehler, IntStR, Rn. 677. 382

B. „gegen einen Deutschen“

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schädigt, lässt sich die Voraussetzung einer „Tat gegen einen Deutschen“ hingegen nicht ebenso eindeutig verneinen. In solchen Fällen könnte man einerseits der Meinung sein, eine Tat „gegen einen Deutschen“ i.S.d. § 7 Abs. 1 StGB liege in Bezug auf die gesamte prozessuale Tat bereits vor, sobald sich die prozessuale Tat unter irgendeinem Gesichtspunkt gegen einen Deutschen richtet. Sobald eine Straftat aus einer prozessualen Tat gegen einen Deutschen begangen wird, handelte es sich um eine (auch) „gegen einen Deutschen“ gerichtete prozessuale Tat. In den in Rede stehenden Konstellationen wäre das Erfordernis einer „Tat […] gegen einen Deutschen“ demnach aufgrund des gegen einen konkreten, Vermögensschäden erleidenden Deutschen gerichteten, auch am Tatortstaat strafbaren Betruges hinsichtlich der gesamten prozessualen Tat, inklusive des illegalen Anbietens des Glücksspiels, erfüllt. Andererseits könnte man den Passus „Tat […] gegen einen Deutschen“ auch dahingehend verstehen, dass über § 7 Abs. 1 StGB – isoliert betrachtet – nur solche Straftaten (aus der prozessualen Tat) der deutschen Strafgewalt zugeordnet werden, die gegen einen Deutschen begangen werden.386 Das Erfordernis einer „Tat gegen einen Deutschen“ wäre demnach in den genannten Konstellationen nur hinsichtlich der betrügerischen Spielmanipulation erfüllt, nicht hingegen in Bezug auf das illegale Glücksspielangebot. Einer Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts gem. § 7 Abs. 1 StGB stünde damit das Erfordernis einer „Tat […] gegen einen Deutschen“ entgegen. Welchem Interpretationsweg der Vorzug einzuräumen ist, zeigt wiederum ein Blick auf den zugunsten der Souveränitätsinteressen des Tatortstaates restriktiv konzipierten Normcharakter des § 7 StGB. Hierzu folgender Beispielsfall: Der sich in Frankreich aufhaltende Franzose F sendet eine wahrheitswidrige Aussagen enthaltende E-Mail-Nachricht an den auf Mallorca befindlichen Deutschen D. In den darauffolgenden Tagen schickt er ähnliche wahrheitswidrige E-Mail-Nachrichten an die in den Niederlanden befindliche Niederländerin H sowie die in Spanien befindliche Spanierin S. D, H und S unterliegen infolgedessen einem Irrtum, nehmen eine Vermögensverfügung vor und erleiden Vermögensschäden an ihren Aufenthaltsorten. F hatte einen entsprechenden Verlauf bezweckt, um sich zu bereichern.

Unter Zugrundelegung des erstgenannten Interpretationsweges des Passus „Tat […] gegen einen Deutschen“ gelangte man hier zu dem Ergebnis, dass sich die deutsche Strafgewalt nach § 7 Abs. 1 StGB nicht nur auf den Betrug (§ 263 StGB) z.N.d. Deutschen D erstreckte. Auch die – mit dem Betrug z.N.d. D nach der allgemeinen Lebensanschauung untrennbar verknüpften – Betrügereien z.N.d. H und der S unterlägen der deutschen Strafgewalt. Dem restriktiv ausschließlich an die 386 Zur Vereinbarkeit eines derart restriktiven Verständnisses des § 7 StGB mit dem – grundsätzlich eine weite Jursidiktionsbefugnis hinsichtlich der gesamten prozessualen Tat erfordernden – transnationalen Doppelbestrafungsverbot aus Art. 50 GRC, 54 SDÜ siehe 6. Abschnitt E. II. 6. b) cc).

94

5. Teil, 4. Abschn.: Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege

deutsche Staatsangehörigkeit anknüpfenden § 7 Abs. 1 StGB liefe eine solche Strafgewalterstreckung auf von einem Ausländer gegenüber Ausländern im Ausland begangene Delikte, zuwider. Angesichts der im Vergleich zu dem in der souveränitätsgetragenen Gebietshoheit des Tatortstaates wurzelnden Territorialitätsprinzip geringen Legitimationskraft des Personalitätsprinzips387 vermag auch die Tatsache, dass sich ein Teil der prozessualen Tat i.S.d. § 7 Abs. 1 StGB „gegen einen Deutschen“ richtet, eine Strafgewalterstreckung auf sämtliche Tatteile nicht zu rechtfertigen. Mangels hinreichenden personalen Bezuges dieser Straftaten zur Bundesrepublik Deutschland verstieße eine diesbezügliche Inanspruchnahme von Strafgewalt gegen das völkerrechtliche Interventionsverbot. Zu folgen ist daher dem eingangs zweitgenannten Interpretationsweg des Passus „Tat […] gegen einen Deutschen“, wonach § 7 Abs. 1 StGB nur solche Straftatbestände in Bezug nimmt, die gegen einen bestimmten oder bestimmbaren Deutschen begangen werden. Eine Anwendbarkeit des deutschen Glücksspielstrafrechts gem. § 7 Abs. 1 StGB scheitert damit auch am Erfordernis einer Tat „gegen einen Deutschen“.

C. Ergebnis § 284 StGB kommt über § 7 Abs. 1 StGB nicht zur Anwendung. 4. Abschnitt

Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege, § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB Diskussionswürdig ist überdies, ob § 284 StGB über das in § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB normierte Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege388 Anwendung findet. Von § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB werden Fälle erfasst, in denen ein Ausländer eine Tat im Ausland begeht, im Inland ergriffen wird und infolge eines Auslieferungshindernisses389 nicht an den für die Strafverfolgung zuständigen Tatortstaat ausgeliefert wird, sodass dieser den Täter nicht aburteilen kann.390 Um den Täter nicht straflos zu stellen, nimmt die Bundesrepublik Deutschland die eigentlich dem Tatortstaat obliegende

387

Vgl. Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 20; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 229 f.; Zieher, S. 76 f. 388 BVerfG NJW 2001, 1848, 1852; Ambos, in: MK-StGB, § 7 Rn. 1; Böse, in: NK-StGB, § 7 Rn. 11; Eser, in: Schönke/Schröder, § 7 Rn. 1; Hecker, EuStR, 2 Rn. 53. 389 Vgl. hierzu Böse, in: NK-StGB, § 7 Rn. 20. 390 Conrad, S. 285; Hecker, EuStR, 2 Rn. 53; Satzger, IntEuStR, § 4 Rn. 15.

5. Teil, 4. Abschn.: Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege

95

Strafrechtspflege stellvertretend für diesen wahr.391 Anders als § 7 Abs. 1 StGB gewährt § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB dementsprechend keine originäre, sondern vom eigentlich zur Strafverfolgung berufenen Tatortstaat abgeleitete Strafgewalt.392 Die Bundesrepublik Deutschland sanktioniert einen Verstoß gegen die fremde Strafrechtsordnung des Tatortstaates in stellvertretender Ausübung seines Strafanspruchs.393 Allein dieses Stellvertretungsprinzip vermag eine Erstreckung nationaler Strafgewalt auf im Ausland von ausländischen Staatsbürgern gegen ausländische Staatsbürger begangene Taten völkerrechtlich zu legitimieren. Eine Inanspruchnahme originärer Strafgewalt kann den Eingriff in die Souveränitätsinteressen des Tatortstaates in diesen Fällen mangels hinreichend spezifischen Tatbezuges zum Inland regelmäßig nicht rechtfertigen und verstieße damit gegen das völkerrechtliche Interventionsverbot.394 In § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist das Stellvertretungsprinzip insofern nicht konsequent umgesetzt, als die Norm – wie alle Normen des deutschen Strafanwendungsrechts – allein die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts begründet,395 eine stellvertretende Wahrnehmung eines in fremden Strafnormen verwurzelten fremden Strafanspruchs allerdings konsequenterweise unter Anwendung der fremden Strafnormen erfolgen müsste. Eine Erstreckung deutscher Strafnormen unter dem Deckmantel der Stellvertretung stellte sich für den Tatortstaat insb. dann als eine seine Gebietshoheit missachtende Oktroyierung dar, wenn die betreffenden Normen auf Tatbestandsund/oder Rechtsfolgenseite erheblich von den Normen des Tatortstaates abweichen. § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist vor diesem Hintergrund völkerrechtskonform und teleologisch restriktiv dahingehend auszulegen, dass ausschließlich solche deutschen Straftatbestände zur Anwendung gebracht werden, die einer Strafnorm im Tatortstaat weitgehend entsprechen. Konkret ist eine von § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB vorausgesetzte Tatortstrafbarkeit zu verneinen, wenn die einschlägige deutsche Strafnorm eine andere Schutzrichtung als die einschlägige Strafnorm im Tatortstaat aufweist oder eine – z. B. in Anbetracht des Strafmaßes oder der Sanktionsart – andere Tatbewertung zum Ausdruck bringt, als sie im Tatortstaat erfolgen würde.396 Auch im Falle 391 Eser, in: Schönke/Schröder, § 7 Rn. 22; Hecker, EuStR, 2 Rn. 53; Satzger, IntEuStR, § 4 Rn. 15. 392 Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 28; Conrad, S. 287; Satzger, IntEuStR, § 4 Rn. 15; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 248. 393 Jeßberger, S. 12. 394 Eingehend zu diesem Aspekt Pappas, S. 91 ff.; zum Interventionsverbot siehe 4. Teil und 5. Teil 6. Abschnitt E. II. 8. a). 395 Siehe oben 4. Teil. Deiters, ZIS 2006, S. 472 ff. (477 ff.), plädiert de lege ferenda für eine Anwendung der Strafgesetze anderer EU-Mitgliedstaaten durch deutsche Gerichte. 396 Ähnlich restriktiv Böse, in: NK-StGB, § 7 Rn. 14; Hoyer, in: SK-StGB, 26. Lfg. Juni 1997, § 7 Rn. 4; a.A. BGHSt 2, 160, 160 f.; 42, 275, 277; Ambos, IntStR, § 3 Rn. 119 i.V.m. Rn. 49; Eser, in: Schönke/Schröder, § 7 Rn. 8. Bock, HRRS 2010, S. 92 ff. (95 ff.), plädiert für eine strafmildernde Berücksichtigung etwaiger milderer Rechtsfolgen des ausländischen Tatortrechts i.R.d. Strafzumessung.

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5. Teil, 4. Abschn.: Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege

eines derart beschränkten Normverständnisses397 handelt es sich bei einer auf § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB gestützten Strafverfolgung und Aburteilung zwar nicht um stellvertretende Ausübung eines in fremden Strafnormen verwurzelten Strafanspruchs des Tatortstaates im klassischen Sinne. Aufgrund der Vergleichbarkeit der deutschen Norm und der Norm des Tatortstaates kann allerdings zumindest wertungsmäßig von Stellvertretung die Rede sein. Das Tatortstrafbarkeitserfordernis in § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB legt vor diesem Hintergrund – anders als in § 7 Abs. 1 StGB – hauptsächlich die Grenzen zwischen ausnahmsweise zulässiger abgeleiteter und unzulässiger originärer Strafgewalt fest398 : Die deutsche Justiz übt Strafgewalt nur dann i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB stellvertretend für den Tatortstaat aus, wenn sie Verhaltensweisen aus den gleichen Erwägungen bestraft, wie sie einer Bestrafung im Tatortstaat zugrunde gelegen hätten.399 Würden hingegen solche Verhaltensweisen in Deutschland bestraft, hinsichtlich derer der Tatortstaat selbst gar keine Strafbarkeit vorsieht oder die der Tatortstaat aus anderen Erwägungen (z. B. zum Schutze anderer Rechtsgüter) pönalisiert, handelte es sich um Ausübung originärer Strafgewalt, die nicht auf § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB gestützt werden kann.400 Scheidet eine Aburteilung eines in Deutschland ergriffenen Täters aus, weil die engen Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht erfüllt sind, ist der Täter – entsprechend dem völkerrechtlichen Grundsatz „aut dedere aut iudicare“ (entweder ausliefern oder aburteilen, eingehend hierzu Maierhöfer, passim) – grundsätzlich an den Tatortstaat auszuliefern, der seinen Strafanspruch originär wahrnehmen kann. Kommt eine Auslieferung nicht in Frage, beispielsweise weil im Tatortstaat die Todesstrafe droht (vgl. § 8 IRG, § 73 IRG), wird man eine Strafgewalterstreckung über § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB – sofern es sich um schwerwiegende Verbrechen handelt, deren Sanktionsdedürftigkeit international grundsätzlich anerkannt ist – ausnahmsweise mit der Erwägung legitimieren können, dass Deutschland stellvertretend das international konsentierte Interesse wahrnimmt, schwerwiegende Verbrechen nicht unbestraft zu lassen; zur problematischen Folge von „Straflosigkeit an sich strafwürdiger Taten“ i.R.d. § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB vgl. auch Ambos, IntStR, § 3 Rn. 122; ders., in: MK-StGB, § 7 Rn. 28; Oehler, IntStR, Rn. 839 f. Insofern stützt sich eine Strafgewalterstreckung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB – sofern nicht ohnehin § 6 Nr. 9 StGB einschlägig ist – ausnahmsweise auf das Weltrechtsprinzip, vgl. hierzu auch Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 51 f. Die Souveränitätsrechte des Tatortstaates, den Täter autonom zu bestrafen, können in diesen Fällen infolge Missachtung elementarer Menschenrechtsstandards abgewertet sein. Nach EGMR Urt. v. 7. 7. 1989, 14038/88, Soering/Vereinigtes Königreich, NJW 1990, 2183, verstieße eine Auslieferung eines im Inland ergriffenen Täters an einen Staat, in dem die Todesstrafe droht, gegen das in Art. 3 EMRK normierte Folterverbot, da die zu erwartende Inhaftierung in einer Todeszelle insofern unmenschlich wäre, als der Inhaftierte mit der ständigen Unsicherheit darüber leben müsste, wann die Todesstrafe vollstreckt wird, vgl. hierzu Hecker, EuStR, 3 Rn. 40 ff.; Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 111. 397 Zur Vereinbarkeit einer restriktiven Auslegung des § 7 StGB mit dem – grundsätzlich eine weite Jursidiktionsbefugnis hinsichtlich der gesamten prozessualen Tat erfordernden – transnationalen Doppelbestrafungsverbot aus Art. 50 GRC, 54 SDÜ siehe 6. Abschnitt E. II. 6. b) cc). 398 Conrad, S. 288 f.; Scholten, S. 72; vgl. auch Böse, in: NK-StGB, § 7 Rn. 13. 399 Conrad, S. 287 f.; Scholten, S. 72. 400 Vgl. Conrad, S. 288.

5. Teil, 4. Abschn.: Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege

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Mit dem in § 7 Abs. 1 StGB normierten Tatortstrafbarkeitserfordernis hat das Tatortstrafbarkeitserfordernis in § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB gemein, dass es mit der Eingrenzung auf abgeleitete Strafgewalt eine die Gebietshoheit des Tatortstaates beschränkende Ausweitung deutscher Strafgewalt auf Auslandssachverhalte verhindert.401 Zudem schützt es den Täter vor einer „überraschenden“ Konfrontation mit ihm fremden Normen des deutschen Strafrechts.402 In Bezug auf Fälle virtueller Offshore-Glücksspielangebote, in denen Glücksspielanbieter virtuelle Glücksspiele von einer Rechtsoase aus nach dortigem Recht sanktionsfrei anbieten ohne im Rahmen desselben zusammengehörigen Geschehens andere Straftaten zu begehen, stellte sich eine Strafgewalterstreckung aufgrund der fehlenden Tatortstrafbarkeit als unzulässige Proklamation originärer Strafgewalt anstatt als zulässige stellvertretende Wahrnehmung eines fremden Strafanspruchs dar. Das Tatortstrafbarkeitserfordernis steht daher einer Anwendbarkeit des § 284 StGB über § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB entgegen. Auch in den oben problematisierten Szenarien, in denen Glücksspiele im Rahmen eines einheitlichen Geschehens i.S.d. § 284 StGB angeboten und i.S.d. § 263 StGB vermögensschädigend manipuliert werden, der Tatortstaat aber allein die vermögensschädigende Spielmanipulation für strafbar hält, besteht nur hinsichtlich der vermögensschädigenden Spielmanipulation ein Strafanspruch des ausländischen Tatortstaates, den Deutschland stellvertretend wahrnehmen könnte. Der auf das am Tatortstaat nicht strafbare Glücksspielangebot bezogene § 284 StGB kann daher über § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht schon deshalb zur Anwendung gebracht werden, weil die Norm im Rahmen einer prozessualen Tat verwirklicht wurde, die unter dem Gesichtspunkt der vermögensschädigenden Spielmanipulation am Tatortstaat mit Strafe bedroht ist. Obwohl sich die Funktionen des Tatortstrafbarkeitserfordernisses in § 7 Abs. 1 und § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht vollständig decken, ergeben sich damit die gleichen Ergebnisse wie sie im Rahmen des § 7 Abs. 1 StGB erzielt wurden. Die Anwendbarkeit des § 284 StGB kann demnach in den typischen Fällen virtueller Offshore-Glücksspielangebote auch nicht auf § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB gestützt werden.

401 402

Vgl. Conrad, S. 289. Vgl. Conrad, S. 289 („reflexiv“).

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5. Teil, 5. Abschn.: Aktives Personalitätsprinzip

5. Abschnitt

Aktives Personalitätsprinzip bzw. Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege, § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 StGB Im Hinblick auf die in § 7 StGB normierten Anknüpfungspunkte deutscher Strafgewalt verbleibt die Frage nach einer Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 StGB403 (deutscher Staatsangehöriger als Täter). Welches Regelungsprinzip § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 StGB zugrunde liegt, ist umstritten. Häufig wird darauf abgestellt, die Bundesrepublik Deutschland werde solidarisch stellvertretend für den Tatortstaat tätig, an den ein Täter deutscher Staatsangehörigkeit wegen Art. 16 Abs. 2 GG nicht ausgeliefert werden könne, um eine Straflosigkeit des Täters zu verhindern.404 Dementsprechend übe Deutschland in Fällen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 StGB – ebenso wie in Fällen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB – vom Tatortstaat abgeleitete Strafgewalt aus.405 Eine andere Ansicht geht davon aus, der Regelung liege das in der Personalhoheit der Bundesrepublik Deutschland über deutsche Staatsangehörige verwurzelte aktive Personalitätsprinzip zugrunde.406 Demnach gewährt § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 StGB – wie § 7 Abs. 1 StGB – originäre Strafgewalt.407 Teilweise wird auch davon ausgegangen, § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 StGB liege eine Mischung aus beiden vorgenannten Gesichtspunkten zugrunde.408 Ganz gleich, welches Anknüpfungsprinzip der Norm zugrunde liegt, kann deutsche Strafgewalt über § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 StGB jedenfalls nur hinsichtlich desjenigen konkreten Täterverhaltens zur Anwendung kommen, das sowohl in Deutschland als auch im ausländischen Tatortstaat unter Strafe steht. Das folgt 403 Die sog. Neubürgerklausel in § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 StGB wird im Rahmen dieser Untersuchung mangels hinreichender praktischer Relevanz nicht thematisiert. Zur umstrittenen Zuordnung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 StGB zu den völkerrechtlichen Anknüpfungsprinzipien vgl. Böse, in: NK-StGB, § 7 Rn. 12 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit (insb. im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG) vgl. Eser, in: Schönke/Schröder, § 7 Rn. 21; Jescheck/Weigend, § 18 III 5. 404 OLG Celle NJW 2001, 2734, 2735; Böse, in: NK-StGB, § 7 Rn. 12; Hoyer, in: SK-StGB, 26. Lfg. Juni 1997, § 7 Rn. 9; Jescheck/Weigend, § 18 III 5. 405 Böse, in: NK-StGB, § 7 Rn. 12; Jescheck/Weigend, § 18 III 5. Diese Argumentation greift nur noch eingeschränkt, seitdem Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG eine Auslieferung deutscher Staatsangehöriger an EU-Mitgliedstaaten (siehe hierzu § 80 IRG) und den Internationalen Strafgerichtshof (siehe hierzu das Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof vom 21. 6. 2002, BGBl. I 2002, S. 2144 ff.) zulässt. Zu diesbezüglichen Grenzen vgl. BVerfG NJW 2016, 1714 ff. 406 Vgl. Ambos, in: MK-StGB, § 7 Rn. 1; Eser, in: Schönke/Schröder, § 7 Rn. 1; Fischer, § 7 Rn. 1; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 7 Rn. 8. 407 Conrad, S. 259; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 7 Rn. 74. 408 Scholten, S. 115.

5. Teil, 5. Abschn.: Aktives Personalitätsprinzip

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entweder – entsprechend der Ausführungen im 3. Abschnitt – aus dem in der restriktiven Normkonzeption des § 7 StGB wurzelnden Gebot der Strafgewaltbeschränkung mit Rücksicht auf die Souveränität des Tatortstaates und dem Gebot der Vorhersehbarkeit für den Normadressaten oder – entsprechend der Ausführungen im 4. Abschnitt – zusätzlich daraus, dass die Bundesrepublik Deutschland anderenfalls nicht stellvertretend für den Tatortstaat tätig würde oder es folgt aus beiden vorgenannten Gesichtspunkten kombiniert. Deutsches Glücksspielstrafrecht kommt demnach in den typischen Fällen virtueller Offshore-Glücksspielangebote auch nicht gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 StGB zur Anwendung.409 6. Abschnitt

Territorialitätsprinzip, §§ 3, 9 Abs. 1 StGB Kann die Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts auf die typischen Erscheinungsformen virtueller Offshore-Glücksspielangebote nach alledem weder auf §§ 5 und 6 StGB noch auf § 7 StGB gestützt werden, stellt sich nunmehr die – entscheidende – Frage nach der Anwendbarkeit des § 284 StGB über das in § 3 StGB normierte und in § 9 StGB konkretisierte Territorialitätsprinzip. Das Territorialitätsprinzip begründet deutsche Strafgewalt für Taten, die innerhalb der Staatsgrenzen der Bundesrepublik Deutschland begangen werden,410 § 3 StGB. Das Prinzip wurzelt in der souveränitätsgetragenen Gebietshoheit des Tatortstaates.411 Dieser hat die originäre Kompetenz, Verhaltensanforderungen im Hinblick auf sein Staatsgebiet betreffende Taten festzulegen sowie Verstöße gegen diese Verhaltensanforderungen zu verfolgen und zu ahnden.412 In welchen Fällen eine Tat in Deutschland begangen ist, regelt § 9 StGB. Der Norm liegt das Ubiquitätsprinzip zugrunde.413 Der Begehungsort einer Tat liegt demnach weder ausschließlich dort, wo gehandelt bzw. unterlassen wird (Tätigkeitstheorie414), noch ausschließlich dort, wo der Erfolg eintritt bzw. nach Täter-

409 So i.E. auch Mintas, S. 118; vgl. auch Bertrand, S. 284; Feldmann, S. 71; Klengel/ Heckler, CR 2001, S. 243 ff. (243, Fn. 4); Leupold/Bachmann/Pelz, MMR 2000, S. 648 ff. (652). 410 Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 16; Dombrowski, S. 17; Satzger, IntEuStR, § 4 Rn. 2. 411 Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 17; Dombrowski, S. 17; Schneider, S. 105, 245. 412 Vgl. Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 2 ff., 17. 413 Böse, in: NK-StGB, § 9 Rn. 2; Dombrowski, S. 18; Eser, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 3 – 9 Rn. 13, § 9 Rn. 3; Hecker, EuStR, 2 Rn. 16. 414 So etwa die historische Auffassung von Frank, § 3 Anm. IV 3; Gerland, S. 95 f.; siehe hierzu Jescheck/Weigend, § 18 IV 1.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

vorstellung eintreten sollte (Erfolgstheorie415), sondern überall – ubiquitär – dort, wo gehandelt bzw. unterlassen wurde oder der Erfolg eingetreten ist bzw. nach Tätervorstellung eintreten sollte.416 Das Ubiquitätsprinzip gründet in der Erkenntnis, dass kriminelle Taten sowohl einen Handlungs- als auch einen Erfolgsunwert aufweisen können.417 Völkerrechtlich ist Deutschland prinzipiell kraft seiner souveränitätsgetragenen Gebietshoheit zum einen befugt, Strafgewalt hinsichtlich auf inländischem Territorium verwirklichten Handlungsunrechts zu beanspruchen und auszuüben. Zum anderen besteht diese Befugnis auch hinsichtlich im Inland verwirklichten Erfolgsunrechts in Form eines auf deutschem Hoheitsgebiet eintretenden tatbestandlich erfassten Erfolges418 (ausführlich zur völkerrechtlichen Legitimation E. II. 8.). Als Tatort virtueller Offshore-Glücksspielangebote kommt ein Handlungsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB und ein Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB in Betracht. Da sämtliche in § 284 StGB genannten Begehungsmodalitäten ein Tätigwerden des Glücksspielanbieters voraussetzen, gibt es keinen „Unterlassungsort“ i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 2 StGB. Da das versuchte Anbieten eines Glücksspiels straflos ist (vgl. §§ 284, 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB), kommt auch dem auf vom Täter vorgestellte Erfolgsorte rekurrierenden § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB unmittelbar keine Bedeutung zu.419

A. Implikationen durch § 3 Abs. 4 GlStV 2012 Hinsichtlich der Bestimmung des Handlungs- und Erfolgsortes einer Glücksspielveranstaltung i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB ist zunächst § 3 Abs. 4 des GlStV 2012 von Interesse, wonach ein Glücksspiel dort veranstaltet wird, „wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird“. In der Begründung zu § 3 Abs. 4 GlStV 2012 heißt es, ein Internetglücksspiel werde „auch dort veranstaltet, wo das Angebot ankommt“420. Das gelte „auch für Angebote, die vom Ausland aus in das 415 So etwa die historische Auffassung von v. Liszt, S. 116; siehe hierzu Jescheck/Weigend, § 18 IV 1. 416 Ambos, in: MK-StGB, § 9 Rn. 4; Jescheck/Weigend, § 18 IV 2; Rotsch, ZIS 2010, S. 168 ff. (170 f.); Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 12. 417 Eser, in: Schönke/Schröder, § 9 Rn. 3; Jescheck/Weigend, § 18 IV 1; Oehler, IntStR, Rn. 241 ff.; Rotsch, ZIS 2010, S. 168 ff. (171); Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 3. 418 Vgl. BGHSt 44, 52, 56; Ambos, IntStR, § 3 Rn. 6 ff.; Böse, in: NK-StGB, § 9 Rn. 2; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 3. 419 § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB bezieht sich in völkerrechtskonformer Normauslegung bzw. -reduktion ausschließlich auf Versuchskonstellationen, siehe E. II. 8. b). Irrtumskonstellationen, in denen der Täter beispielsweise ein Glücksspiel infolge technischer Probleme aus Versehen in zahlreichen Staaten außer in Deutschland veranstaltet, obwohl er dachte, er veranstalte es (auch) in Deutschland, werden von § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB daher nicht erfasst. 420 Erläuterungen zum Entwurf eines GlStV vom 14. 12. 2006, Bayerischer LT-Drs. 15/ 8486, S. 13.

A. Implikationen durch § 3 Abs. 4 GlStV 2012

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Internet eingestellt werden, da auch hier eine Teilnahme am Glücksspiel von Deutschland aus ermöglicht wird“421. Die Staatsvertragsbegründung zitiert in diesem Kontext Gerichtsentscheidungen, in denen es um die Anwendbarkeit der §§ 284, 287 StGB gem. §§ 3 ff. StGB auf vom Ausland aus veranstaltete Glücksspiele geht und betont, § 3 Abs. 4 GlStV 2012 stelle entsprechend dieser Rechtsprechung klar, dass ein Glücksspielveranstaltungsort auch in diesen Fällen in Deutschland liege.422 Der Staatsvertragsgeber scheint damit auch Rechtssicherheit hinsichtlich der Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts herbeiführen zu wollen.423 Auch die neuere Kommentarliteratur scheint § 3 Abs. 4 GlStV 2012 – mit vagen Formulierungen – Einfluss auf die Tatortbestimmung nach § 9 Abs. 1 StGB zuzumessen.424 Fischer scheint die Tatortfrage bei Offshore-Internetglücksspielangeboten mit Erlass des § 3 Abs. 4 GlStV 2012 sogar als geklärt anzusehen.425 Derartige Thesen sind in Anbetracht der Rechtsnatur des GlStV 2012 als „Zwischen-Länder-Recht“426 bedenklich. Der Staatsvertrag wurde zwischen den für das Glücksspielverwaltungsrecht grundsätzlich gem. Art. 30, 70 GG (Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung) zuständigen Ländern427 geschlossen, um in diesem Bereich bundesweit einheitliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Der Bund war an der Einigung nicht beteiligt. Durch Zustimmungsgesetze der Länder428 wurden die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages zu geltendem Landesrecht der einzelnen Bundesländer.429 Bejahte man die Anwendbarkeit des § 284 StGB auf Internetglücksspiele unter Berufung auf § 3 Abs. 4 GlStV 2012, käme einer landesrechtlichen glücksspielverwaltungsrechtlichen Norm Einfluss auf den Geltungsbereich einer bundesgesetzlichen Strafnorm und einer entsprechenden Strafverfolgungszuständigkeit der deutschen Strafjustiz zu. Zwischen dem landesrecht421 Erläuterungen zum Entwurf eines GlStV vom 14. 12. 2006, Bayerischer LT-Drs. 15/ 8486, S. 13. 422 Erläuterungen zum Entwurf eines GlStV vom 14. 12. 2006, Bayerischer LT-Drs. 15/ 8486, S. 13. 423 Ebenso Feldmann, S. 143. 424 Vgl. Fischer, § 284 Rn. 19; Putzke/Putzke, in: AnwK-StGB, § 284 Rn. 21; Wohlers/ Gaede, in: NK-StGB, § 284 Rn. 18. 425 Fischer, § 284 Rn. 19: „Es war […] bislang zweifelhaft, ob von einem dem deutschen Strafrecht unterfallenden Taterfolg iS von § 9 I und daher von einem inländischen Tatort gesprochen werden konnte. […] § 3 IV GlüStV bestimmt, dass ein Glücksspiel dort veranstaltet und vermittelt wird, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird“ (Hervorhebung nur hier). Vor Erlass des § 3 Abs. 4 GlStV 2012 hieß es in der 57. Aufl., Rn. 11a noch: „Soweit der Anbieter im Ausland handelt, mag zweifelhaft sein, ob hier von einem dem deutschen Strafrecht unterfallenden Taterfolg iS von § 9 I gesprochen werden kann.“ 426 Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 62. 427 Ausführlich zur Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Glücksspielrechts Diegmann/ Hoffmann/Ohlmann, Rn. 72 ff. 428 Siehe z. B. GV. NW 2012, S. 524; GVOBl. M-V 2012, S. 215; GVOBl. Schl.-H. 2013, S. 51. 429 Brugger, Vortrag Symposium Glücksspiel 2008, S. 1.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

lichen Glücksspielverwaltungsrecht und den bundesrechtlichen §§ 284 ff. StGB besteht zwar insofern eine Abhängigkeit, als §§ 284 ff. StGB über das verwaltungsakzessorische Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ die Strafbarkeit davon abhängig machen, ob unter den Voraussetzungen des Glücksspielverwaltungsrechts eine Glücksspiellizenz erteilt wurde. Insofern hat der Bundesgesetzgeber landesrechtlichem Verwaltungsrecht mittelbaren Einfluss auf die Strafbarkeit nach §§ 284 ff. StGB zugeschrieben.430 Die Ausfüllungsermächtigung beschränkt sich allerdings auf dieses Tatbestandsmerkmal. Den in §§ 284 ff. StGB enthaltenen Veranstaltungsbegriff definieren oder die differenzierten, insb. auf völkerrechtliche Vorgaben abgestimmten Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB abändern kann landesrechtliches Glücksspielverwaltungsrecht allenfalls unter der Voraussetzung, dass den Ländern eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz zukommt. Das Strafrecht unterliegt gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 72 Abs. 1 GG der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz. Eine Gesetzgebungskompetenz der Länder besteht hier gem. Art. 72 Abs. 1 GG nur „solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht“431. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn der „gesetzgeberische(n) Gesamtkonzeption“432 nach eine abschließende Regelung einer bestimmten Rechtsmaterie zumindest dem „objektivierten Willen des Gesetzgebers“433 nach getroffen werden sollte.434 Aus dem EGStGB folgt, dass die Materie des Strafanwendungsrechts bundesrechtlich grundsätzlich abschließend geregelt ist: Den Ländern ist es durch Art. 1 EGStGB grundsätzlich verwehrt, §§ 3 ff. StGB abzuändern. Nur ausnahmsweise sind gem. Art. 2 Nr. 1 EGStGB solche „Vorschriften des Landesrechts“ zulässig, „die bei einzelnen landesrechtlichen Straftatbeständen den Geltungsbereich abweichend von den §§ 3 bis 7 des Strafgesetzbuches bestimmen“435. Eine durch § 3 Abs. 4 GlStV 2012 statuierte Abänderung der §§ 3 ff. StGB in Bezug auf den Geltungsbereich des bundesrechtlichen Straftatbestandes § 284 StGB scheidet daher aus. Eine Gesetzgebungskompetenz der Länder käme allenfalls in Betracht, sofern man § 3 Abs. 4 GlStV 2012 statt einer §§ 3 ff. StGB abändernden, eine die Reichweite des in §§ 284, 287 StGB enthaltenen Veranstaltungsbegriffs ausdehnende Bedeutung entnähme. Wirkte sich eine solche Ausdehnung allerdings – wie vom Staatsvertragsgeber bezweckt – auf die Tatortbestimmung nach § 9 StGB und damit auf die Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts nach § 3 StGB aus, sähe man sich mit der Frage konfrontiert, ob sie nicht einer strafanwendungsrechtlichen 430

Feldmann, S. 143 f. BVerfGE 85, 134, 142; Maunz/Dürig, 76. Lfg. Dezember 2015, Art. 72 GG Rn. 78. 432 Jarass/Pieroth, Art. 72 GG Rn. 6; Maunz/Dürig, 76. Lfg. Dezember 2015, Art. 72 GG Rn. 78 f. 433 BVerfGE 109, 190, 230. 434 BVerfGE 109, 190, 230; 113, 348, 371; Maunz/Dürig, 76. Lfg. Dezember 2015, Art. 72 GG Rn. 78 f. 435 Hervorhebung nur hier. 431

B. Inländischer Handlungsort, § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB

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Regelung gleich käme und damit ebenfalls aufgrund der durch Art. 1, 2 Nr. 1 EGStGB statuierten abschließenden bundesrechtlichen Regelung in diesem Bereich unzulässig wäre. Selbst wenn man diese Bedenken außer Acht ließe, scheiterte die Zulässigkeit einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung allerdings jedenfalls daran, dass das Glücksspielstrafrecht in §§ 284 ff. StGB – wie die meisten im StGB geregelten Deliktsmaterien436 – dem gesetzgeberischen Willen nach einen eigenständigen, in sich geschlossenen abschließenden Regelungskomplex darstellt.437 Das zeigt sich z. B. daran, dass der Bundesgesetzgeber §§ 284 ff. StGB an gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen in diesem Bereich anpasst, statt etwa den Landesgesetzgebern diesbezügliche Spielräume zu eröffnen.438 Beispielhaft sei die Anpassung der §§ 284, 287 StGB an das Aufkommen via Internet veranstalteter Glücksspiele im Zuge des 6. Strafrechtsreformgesetzes genannt.439 Ziel dieser Anpassung war die Schließung bestehender Strafbarkeitslücken im Bereich des Anbietens von Glücksspielen.440 Künftig nicht durch §§ 284 ff. StGB pönalisierte Verhaltensweisen in diesem Bereich sollten einer kriminalstrafrechtlichen Sanktionierung also entzogen bleiben.441 Für landesrechtliche Regelungen im Bereich des Glücksspielstrafrechts besteht infolgedessen kein Raum. § 3 Abs. 4 GlStV 2012 beeinflusst die anhand §§ 3 ff. StGB zu bestimmende Anwendbarkeit des deutschen Glücksspielstrafrechts nach §§ 3 ff. StGB nach alledem nicht.

B. Inländischer Handlungsort, § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB Richtet sich die Bestimmung des Tatortes damit unabhängig von § 3 Abs. 4 GlStV 2012 allein nach den in § 9 Abs. 1 StGB normierten Voraussetzungen, stellt sich zunächst die Frage, ob in Fällen virtueller Offshore-Glücksspielangebote ein inländischer Handlungsort des Glücksspielanbieters zu bejahen ist, der deutsches Glücksspielstrafrecht gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB zur Anwendung bringt. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, wo der Handlungsort bei via Internet begangenen grenzüberschreitenden Taten liegt.

436

Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, Vor § 1 Rn. 39. Ausnahmen bilden etwa die – eng umgrenzten – in Art. 4 Abs. 3, 4 und 5 EGStGB aufgezählten Bereiche. 437 Ebenso Dannecker/Pfaffendorf, NZWiSt 2012, S. 252 ff. (258); Feldmann, S. 143 f. 438 In diese Richtung auch Dannecker/Pfaffendorf, NZWiSt 2012, S. 252 ff. (253 ff.). 439 BT-Drs. 13/8587, S. 67. 440 Siehe BT-Drs. 13/8587, S. 1, 67; Dannecker/Pfaffendorf, NZWiSt 2012, S. 252 ff. (255). 441 Ebenso Dannecker/Pfaffendorf, NZWiSt 2012, S. 252 ff. (255), die dieses Ergebnis auch auf die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine vom Bundesrat vorgeschlagene strafbarkeitsausdehnende Kriminalisierung der Glücksspielvermittlung (vgl. BT-Drs. 13/7164, S. 1; 13/9064, S. 21) stützen.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

I. Klassisches Verständnis: Ort der körperlichen Anwesenheit bei Vornahme der tatbestandsmäßigen Ausführungshandlung Nach klassischem in Rechtsprechung442 und Schrifttum443 vorherrschendem Verständnis liegt ein Handlungsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB bei vollendeten Begehungsdelikten ausnahmslos an dem Ort, an dem der Täter in dem Moment körperlich anwesend ist, in dem er die tatbestandsmäßige Ausführungshandlung vornimmt. Etwaige Auswirkungen der Handlung sind für die Bestimmung des Handlungsortes nach dem klassischen Handlungsortverständnis irrelevant. Auch straflose Vorbereitungshandlungen begründen mangels Tatbestandsmäßigkeit keinen Handlungsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB.444 Der Handlungsort der in § 284 StGB umschriebenen Ausführungshandlungen des Veranstaltens, Haltens, Bereitstellens von Einrichtungen und Werbens läge demnach an dem Ort, an dem der Glücksspielanbieter in dem Moment körperlich anwesend ist, in dem er die betreffenden Handlungen vornimmt. Im Falle des Veranstaltens und Bereitstellens von Einrichtungen i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1 bzw. 3 StGB wäre das der Ort, an dem der Glücksspielanbieter auf das Laden des Glücksspielangebots auf einen Server gerichtete Befehle per Maus oder Tastatur eingibt.445 Beim Werben läge der Handlungsort an dem Ort, an dem der Glücksspielanbieter die zur Publikation der Werbung führende Tätigkeit vornimmt, etwa im Bereich der Internetwerbung auf das Laden entsprechender Inhalte auf einen Server gerichtete Befehle eingibt. Der Handlungsort des Haltens wäre an dem Ort anzunehmen, an dem der Glücksspielanbieter Befehle zur Überwachung und Leitung des Spielbetriebs eingibt.446 Nimmt 442

BGHSt 34, 101, 106; BGH NJW 1975, 1610, 1611; 1987, 1152, 1153; BGH NStZ 2015, 81, 82; OLG Stuttgart NStZ-RR 2000, 25, 26. 443 Ambos, in: MK-StGB, § 9 Rn. 8; Dombrowski, S. 38; Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (272); Fischer, § 9 Rn. 3; Hecker/Schmitt, ZfWG 2006, S. 301 ff. (305); Heinrich, in: FS Weber, S. 91 ff. (108); Klengel/Heckler, CR 2001, S. 243 ff. (244); Leupold/Bachmann/Pelz, MMR 2000, S. 648 ff. (652); Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 13; Stögmüller, K&R 2002, S. 27 ff. (32). 444 Nur sofern eine Vorbereitungshandlung eigens ausdrücklich unter Strafe gestellt ist oder – insoweit streitig [siehe hierzu E. II. 8. d) bb)] – die Vorbereitungshandlung einen mittäterschaftlichen Tatbeitrag darstellt, der einem oder mehreren Mittätern zuzurechnen ist, sind Vorbereitungshandlungen tatbestandsmäßig und begründen daher einen Handlungsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB, vgl. Ambos, in: MK-StGB, § 9 Rn. 9; Eser, in: Schönke/Schröder, § 9 Rn. 4; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 11. 445 Vgl. Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (272); Feldmann, S. 73. 446 Ein Spezifikum des Handlungsortes eines Haltens ergibt sich aus der Deliktsnatur des § 284 Abs. 1 Var. 2 StGB als Dauerdelikt, das – anders als etwa das allein auf die einmalige Handlung der Spieleröffnung abstellende Veranstalten – der Spieleröffnung folgende, über eine bestimmte Zeitspanne kontinuierlich fortgesetzte Betreuungshandlungen in Bezug nimmt. Bei Dauerdelikten liegt ein Tatort nach wohl einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum an jedem Ort, an dem eine Tätigkeit vorgenommen wird, die den rechtswidrigen Zustand aufrechterhält, vgl. BGH NStZ 1986, 415, 415; Bergmann, S. 38; Eser, in: Schönke/Schröder, § 9 Rn. 12 f.; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 21; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 54 ff. Im

B. Inländischer Handlungsort, § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB

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der Glücksspielanbieter die jeweilige tatbestandsmäßige Handlung im Ausland vor, fehlte es an einem inländischen Handlungsort des Veranstaltens, Haltens, Bereitstellens von Einrichtungen bzw. Werbens. Das wäre auch dann der Fall, wenn sich der Glücksspielanbieter etwa während der Angebotskonzeption oder des Glücksspielsoftwareerwerbs (siehe hierzu oben 2. Teil C.) in Deutschland aufhält, das Glücksspielangebot dann aber vom Ausland aus ins Internet lädt, von dort aus überwacht und leitet usw.447 Denn bei der Angebotskonzeption und dem Glücksspielsoftwareerwerb handelt es sich um – für die Bestimmung des Handlungsortes irrelevante – straflose Vorbereitungshandlungen der Glücksspielveranstaltung (siehe 3. Teil B. III.).448 II. Abweichende Verständnisse Abweichend von dem auf die körperliche Anwesenheit des Täters rekurrierenden klassischen Verständnis der Handlungsortsklausel § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB wird ein inländischer Handlungsort teilweise auch in solchen Fällen angenommen, in denen der Täter die tatbestandsmäßige Ausführungshandlung im Ausland vornimmt. 1. Handlungszurechnung gem. § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB (entsprechend) Erstmals im Jahr 1880 wurde ein inländischer Handlungsort trotz körperlicher Anwesenheit des Täters im Ausland bejaht. Das Reichsgericht449 musste in einem auf das Glücksspielstrafrecht bezogenen Fall darüber entscheiden, wo der Handlungsort bei der Versendung von Briefen liegt. Ein Glücksspielanbieter hatte aus dem Ausland450 einen Brief an eine im Inland (Preußen) befindliche Person geschickt, in dem er zum Erwerb von in Preußen verbotenen Losen aufforderte.451 Nachfolgende Bereich der virtuellen Glücksspiele wäre ein inländischer Tatort des Haltens demnach bereits zu bejahen, wenn nur ein Teilakt einer von verschiedenen Staaten aus erfolgenden Spielbetreuung auf deutschem Territorium abläuft. 447 Mintas, S. 127. A.A. Klam, S. 52, die einen Handlungsort eines Glücksspielveranstalters auch an dem Ort annimmt, an dem die „Angebotskonzeption und -entwicklung“ stattfindet: „Die Konzeption und Entwicklung des Internetangebots liegt zwar nach deutschem Recht im Versuchsstadium der eigentlichen Tat, dennoch hat der Täter auch am Ort der Angebotskonzeption und -entwicklung gehandelt. Der Handlungsort liegt somit am Konzeptionsort“. A.A. auch Falk, S. 233, der einen Handlungsort des Veranstaltens – ausgehend vom klassischen, auf die körperliche Anwesenheit rekurrierenden, Verständnis der Handlungsortsklausel – ohne Begründung – auch am „Ort der Erstellung der jeweiligen Software“ bejaht: „Einen weiteren Anknüpfungspunkt für einen Handlungsort stellt der Ort der Erstellung der jeweiligen Software dar. Auch hier ist ein inländischer Handlungsort gegeben, wenn diese im Inland erfolgt.“ 448 Vgl. Mintas, S. 127. 449 RGSt 1, 274. 450 In RGSt 1, 274 ging es um aus Hamburg nach Preußen versendete Briefe. Da Hamburg außerhalb Preußens lag, zählte es zum Ausland, vgl. Mintas, S. 129, Fn. 92. 451 RGSt 1, 274, 274.

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ähnlich gelagerte reichsgerichtliche Entscheidungen beschäftigten sich z. B. mit der Versendung verbotener Zeitschriften452 und Briefe mit beleidigenden Inhalten453 vom Ausland ins Inland. Das Reichsgericht war der Meinung, der Absender eines Briefes handle „mit langer Hand“454 an dem Ort, an dem der Brief durch den Briefträger bzw. eine sonstige Mittelsperson an den Empfänger übergeben werde.455 Wirkungen der vom Täter in Gang gesetzten Kräfte gehörten zu seiner Handlung.456 Der Absender eines Briefes bediene sich des Briefträgers bzw. der sonstigen Mittelsperson als hinsichtlich der Übermittlung rechtswidriger Inhalte unvorsätzlich handelndes Werkzeug zur Übertragung seiner strafbaren Erklärung. Er sei daher als mittelbarer Täter anzusehen. Da dem mittelbaren Täter die Handlung des Tatmittlers zugerechnet werde, handle der Absender auch an dem Ort, an dem der Briefträger bzw. die sonstige Mittelsperson handle.457 Die reichsgerichtlichen Entscheidungen wurzelten zum einen in einem ausgeprägten Bestreben, deutschen Strafnormen zum Zwecke des Schutzes vor rechtswidrigen Auswirkungen auf deutschem Territorium eine möglichst weit reichende Geltung zu verschaffen.458 Zum anderen sollte der Regelung des § 67 Abs. 4 RStGB, die für den Verjährungsbeginn auf die Vornahme der Handlung abstellte,459 ein sachgerechter Regelungsgehalt beigemessen werden.460 Durch die Einbeziehung von Wirkungen in den Handlungsbegriff sollte vermieden werden, dass eine Tat im Falle des zeitlichen Auseinanderfallens von Handlung und Erfolg im Extremfall bereits verjährte, bevor ihr Erfolg überhaupt eintrat.461 Als mit § 78a StGB n.F. für den Verjährungsbeginn auf den Erfolgseintritt abgestellt wurde, bedurfte es derartiger Modifikationen des Handlungsbegriffes nicht mehr.462 Auf die heutige Rechtslage lassen sich die reichsgerichtlichen Entscheidungen daher nicht übertragen.463 Heutzutage wird hinsichtlich der Bestimmung des Handlungsortes bei via Internet verwirklichten Verbreitungsdelikten vereinzelt in mit der Argumentation des 452

RGSt 3, 316. RGSt 23, 155. 454 In RGSt 13, 337, 339 wird diese Terminologie ausdrücklich verwendet. 455 RGSt 1, 274, 276; 3, 316, 318; 23, 155, 156. 456 Vgl. exemplarisch RGSt 23, 155, 156: „Die verbrecherische Thätigkeit kommt aber mit dem Aufhören der körperlichen Thätigkeit nicht zum Abschlusse, sie setzt sich vielmehr fort in der Wirksamkeit der vom Thäter in Bewegung gesetzten Kraft. Dieses Wirken der fremden (natürlichen, mechanischen, tierischen, menschlichen) Kraft ist ein Bestandteil der Handlung des Thäters.“ 457 So ausdrücklich RGSt 10, 420, 422 f.; 67, 130, 138. 458 Vgl. z. B. RGSt 1, 274, 277. 459 § 67 Abs. 4 RStGB lautete: „Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Handlung begangen ist, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des eingetretenen Erfolges.“ 460 Ausführlich zu diesem Aspekt Heinrich, in: FS Weber, S. 91 ff. (102 f.). 461 Heinrich, in: FS Weber, S. 91 ff. (103). 462 Vgl. Heinrich, in: FS Weber, S. 91 ff. (103). 463 So auch Heinrich, in: FS Weber, S. 91 ff. (103); Mintas, S. 130. 453

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Reichsgerichts vergleichbarer Weise argumentiert: Der rechtswidrige Inhalte publizierende Nutzer bediene sich eines Servers zur Übermittlung seiner Inhalte an diese abrufende Nutzer.464 Durch den tatbeherrschenden Einsatz des Servers werde die tatbestandsmäßige Handlungsumschreibung erst erfüllbar.465 Eine Täterhandlung fände daher auch am „Ort der Datenspeicherung“, d. h. am Serverstandort, statt.466 Da die Publikation der rechtswidrigen Inhalte unter Benutzung des – hinsichtlich der rechtswidrigen Inhalte unvorsätzlich handelnden – Providers467 als Tatmittler erfolge, führe dieses Ergebnis „konsequent die überwiegend konsentierte Auffassung“ fort, wonach ein Handlungsort eines mittelbaren Täters auch an dem Ort liege, an dem sein Tatmittler handle.468 In Bezug auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote führte diese Ansicht hinsichtlich derjenigen Begehungsmodalitäten des § 284 StGB, die eine Publikation von Inhalten voraussetzen (d. h. in Bezug auf das Veranstalten § 284 Abs. 1 Var. 1, das Bereitstellen von Einrichtungen, Var. 3 und das Werben, Abs. 4 StGB) zu vom klassischen Verständnis abweichenden Ergebnissen. Der Glücksspielanbieter bedient sich i. d. R. eines fremden Servers und eines Host-Providers469 zur Publizierung seiner Glücksspielwebseite inkl. -software bzw. der Glücksspielwerbung.470 Von der Rechtswidrigkeit der gespeicherten Inhalte, die überwiegend in der fehlenden hinreichenden Glücksspiellizenz begründet liegen wird, besteht auf Seiten des HostProviders i. d. R. keine Kenntnis. Der Host-Provider fungierte damit der o.g. Ansicht nach als Tatmittler des Glücksspielanbieters, dessen Verhalten dem Glücksspielanbieter gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zugerechnet würde. Ein Handlungsort des Glücksspielanbieters i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB würde sowohl am Ort seiner eigenen körperlichen Anwesenheit als auch am Ort der Datenspeicherung, d. h. am Serverstandort, angenommen. Würden die Daten vom Ausland aus auf einem in Deutschland stehenden Server gespeichert, wäre also ein inländischer Handlungsort trotz körperlicher Anwesenheit des Täters im Ausland zu bejahen. Eine Bestimmung des Handlungsortes via Internet verwirklichter Verbreitungsdelikte unter Bezugnahme auf eine Handlungszurechnung gem. § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB sieht sich dogmatischen Bedenken ausgesetzt. Ganz abgesehen von der generellen Frage, ob eine durch § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB statuierte Zurechnung der Tathandlung eines Tatmittlers überhaupt kumulative Handlungsorte des mittelbaren 464

Heghmanns, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Rn. 18. Heghmanns, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Rn. 18. 466 Heghmanns, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Rn. 18. 467 Der Terminus Provider bezeichnet Kommunikationsdiensteanbieter, http://www.duden. de/rechtschreibung/Provider. 468 Heghmanns, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Rn. 18. 469 Host-Provider stellen Speicherplatz für die Verbreitung von Inhalten zur Verfügung, Bleisteiner, S. 56. 470 Nur in seltenen Ausnahmefällen nimmt der Glücksspielanbieter keine Dienste eines Host-Providers in Anspruch und lädt die Inhalte auf einen eigenen Server, vgl. hierzu Thumm, S. 42 ff. 465

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Täters zu begründen vermag [siehe hierzu E. II. 8. d) bb)], setzt § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB eine Tatbegehung „durch einen anderen“ voraus. „Ein anderer“ meint dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und der Systematik nach einen anderen Menschen.471 Um „einen anderen“ handelt es sich also z. B. bei einem zur Erklärungsübermittlung eingesetzten Postboten. Ein Server ist demgegenüber als technische Einrichtung ebensowenig „ein anderer“ i.S.d. § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB wie gemeinhin als Provider bezeichnete Unternehmen wie z. B. T-Online, Vodafone oder 1&1.472 In Betracht käme allenfalls, diejenige natürliche Person als Tatmittler anzusehen, die hinter dem Providerunternehmen steht und den automatisiert ablaufenden Datenspeicherungsvorgang antizipiert in die Wege geleitet hat. Diese Person handelte i. d. R. hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Inhalte unvorsätzlich und damit gem. § 10 Nr. 1 TMG tatbestandslos. Aufgrund dieses Strafbarkeitsdefizits käme sie prinzipiell als Tatmittler in Betracht. Ginge man allerdings von einer so begründeten mittelbaren Täterschaft eines rechtswidrige Internetinhalte publizierenden Nutzers aus, handelte dieser nicht qua Verhaltenszurechnung gem. § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB am „Ort der Datenspeicherung“473, sondern an dem Ort, an dem die für das Providerunternehmen handelnde Person im Zeitpunkt ihres Ausführungsverhaltens körperlich anwesend ist. Dieser Ort wird dem Nutzer jedoch angesichts des weltweiten Interaktionsradius von Providerunternehmen i. d. R. nicht bekannt sein. Sähe man §§ 3 ff. StGB als Merkmale des gesetzlichen Tatbestands an,474 auf die sich dann folgerichtig gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB der Tätervorsatz beziehen müsste,475 scheiterte eine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB daher i. d. R. bereits am Vorsatz des rechtswidrige Internetinhalte publizierenden Nutzers. Selbst wenn man einen Tätervorsatz aufgrund eines in Betracht gezogenen und billigend in Kauf genommenen Handlungsortes des Providermitarbeiters an jedem Ort der Welt bejahte oder ein Vorsatzerfordernis hinsichtlich §§ 3 ff. StGB generell ablehnte, weil man die Normen als objektive Strafbarkeitsbedingungen einordne471 Vgl. z. B. §§ 26, 27, 212 Abs. 1 StGB, die mit den Worten „ein anderer“ einen anderen Menschen in Bezug nehmen, Mintas, S. 135. 472 Vgl. auch das obiter dictum in der Toeben-Entscheidung des BGH, in dem der Senat Bedenken äußerte, „eine auch bis ins Inland wirkende Handlung darin zu sehen, dass der Angekl. sich eines ihm zuzurechnenden Werkzeugs (der Rechner einschließlich der ProxyServer, Datenleitungen und der Übertragungssoftware des Internets) zur – physikalischen – „Beförderung“ der Dateien ins Inland bedient hätte“, BGHSt 46, 212, 224 f. Eine Übertragung der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zum qua Handlungszurechnung begründeten Handlungsort bei Briefsendungen auf Internetsachverhalte sah der Senat als „eher fernliegend“ an, BGHSt 46, 212, 225. 473 Heghmanns, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Rn. 18. 474 So Basak, in: MR-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 2; Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff. (69 ff.) sowie in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 51 mit Ausnahme der „in § 7 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StGB genannten Voraussetzungen (Staatsangehörigkeit des Täters, Nichtauslieferung)“ (Prozessrecht); Namavicius, S. 104 ff.; Neumann, in: FS Müller-Dietz, S. 589 ff. (604); Pawlik, in: FS Schroeder, S. 357 ff. (373). 475 Ausführlich hierzu 7. Abschnitt A.

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te,476 scheiterte die Annahme eines qua Verhaltenszurechnung begründeten Handlungsortes an einer von § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB vorausgesetzten bewussten tatbeherrschenden Steuerung des Providermitarbeiters. Der Providermitarbeiter wurde regelmäßig bereits vor Inanspruchnahme des Providerdienstes durch den Nutzer tätig, als er den Datenspeicherungsvorgang antizipiert in die Wege geleitet hat. Das eigentliche Laden der Inhalte auf einen Server läuft automatisiert ab. Der Nutzer macht sich damit lediglich einen bestehenden Zustand zunutze. Von einer Steuerung eines anderen Menschen wie ein Werkzeug kann daher trotz Wissensüberlegenheit des Nutzers keine Rede sein. Erwägen könnte man noch, statt auf die Handlung des antizipierten Auslösens eines automatisiert ablaufenden Datenspeicherungsvorgangs auf eine unterlassene Löschung automatisiert auf einen Server geladener Inhalte durch einen aufgrund Beherrschung der Gefahrenquelle Host-Server garantenpflichtigen Providermitarbeiter abzustellen. Statt eines qua Handlungszurechnung begründeten Handlungsortes des publizierenden Nutzers käme dann ein qua Unterlassenszurechnung begründeter Unterlassungsort des Nutzers in Betracht. Doch auch insofern gilt: Selbst wenn man einen qua Unterlassungszurechnung gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB begründeten Unterlassungsort prinzipiell für möglich erachtete,477 fehlte es an den Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft, weil sich der Inhalte publizierende Nutzer lediglich bestehender technischer Gegebenheiten in Form automatisiert ablaufender Speichervorgänge auf dem Host-Server zunutze macht, anstatt Providermitarbeiter – etwa durch aktives Abhalten von einer Löschung von Inhalten – tatbeherrschend zu steuern. Eine Bestimmung des Handlungsortes (bzw. Unterlassungsortes) via Internet verwirklichter Verbreitungsdelikte unter Bezugnahme auf eine Verhaltenszurechnung gem. § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB scheidet nach alledem aus. 2. Anknüpfung an die Tatbestandsumschreibung Eine vor allem in der heutigen Rechtsprechung vertretene Ansicht will die Bestimmung des Handlungsortes bei via Kommunikationsmedien verbreiteten rechtswidrigen Inhalten maßgeblich von der Tatbestandsumschreibung des einschlägigen Straftatbestandes abhängig machen.

476 BGHSt 27, 30, 34; Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 3; Eser, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 3 – 9 Rn. 79; Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 30; Hecker, EuStR, 2 Rn. 3; Jescheck/Weigend, § 18 V; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), S. 379 ff. (414); Satzger, in: ders./Schluckebier/ Widmaier, Vor §§ 3 – 7 Rn. 3; Scholten, S. 100; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 452. 477 Zur fragwürdigen mittelbaren Täterschaft durch Einsatz eines unterlassenden Werkzeugs sowie zur fraglichen Konstruktion eines Unterlassungsortes qua Unterlassenszurechnung siehe E. II. 8. d).

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a) Strafgerichtliche Rechtsprechung Bekanntheit erlangte in diesem Zusammenhang eine strafgerichtliche Entscheidung des Kammergerichts.478 Im Rahmen eines in Polen stattfindenden Fußballländerspiels zeigten Zuschauer den in § 86a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 StGB als Verwenden eines Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation unter Strafe gestellten Hitlergruß. Die Handlungen wurden im deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Das Kammergericht war der Meinung, dass Kennzeichen neben dem Ort der tatsächlichen Kundgabe auch dort i.S.d. § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB „verwendet“ würden, wo „das Kennzeichen als Wahrnehmungsgegenstand hörbar oder sichtbar dargeboten wird“.479 Aufgrund der Darbietung der Handlungen im deutschen Fernsehen liege ein Handlungsort auch in Deutschland.480 In einem der eingangs erwähnten reichsgerichtlichen Entscheidung zum Glücksspielstrafrecht481 vergleichbar gelagerten, auf postalische Zusendungen von Lotteriezahlkarten bezogenen Fall, argumentierte der 1. Strafsenat des BGH482 in Bezug auf das Veranstalten eines Glücksspiels in eine ähnliche Richtung. Die Tathandlung des Veranstaltens i.S.d. damaligen § 286 StGB, der seiner Struktur nach dem heutigen § 287 StGB weitgehend entspricht,483 meine die Schaffung von Einrichtungen, die der Bevölkerung den Abschluss von Lotteriegeschäften ermögliche.484 Im Falle einer postalischen Zusendung von Lotteriezahlkarten werde eine derartige Möglichkeit an dem Ort eröffnet, an dem der Brief den Empfänger erreicht.485 An diesem Ort sei die Lotterie i.S.d. damaligen § 286 StGB veranstaltet.486 Nach den Maßstäben dieser Entscheidungen läge ein Handlungsort einer virtuellen Offshore-Glücksspielveranstaltung i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB in Deutschland, sobald Nutzern hierzulande eine tatbestandlich vorausgesetzte (siehe 3. Teil B. III.) Spielbeteiligungsmöglichkeit eröffnet wird.487 Hinsichtlich § 284 478

KG NJW 1999, 3500. KG NJW 1999, 3500, 3502. Der BGH NStZ 2015, 81, 82, entschied nunmehr in die entgegengesetzte Richtung (kein Handlungsort bei inländischer Abrufbarkeit von aus dem Ausland ins Internet geladenen Inhalten). 480 KG NJW 1999, 3500, 3502. Da das abstrakte Gefährdungsdelikt § 86a StGB nach Ansicht des KG keinen Erfolgsort aufweist und weitere Anknüpfungspunkte deutscher Strafgewalt in §§ 3 ff. StGB nicht einschlägig waren, konnte das Gericht die Anwendbarkeit deutschen Strafrecht nur über die Handlungsortsklausel begründen, vgl. KG ebd., 3501 f. 481 RGSt 1, 274; siehe oben B. II. 1. 482 BGH ZfWG 2007, 16. 483 § 286 Abs. 1 a.F. lautete: „Wer ohne obrigkeitliche Erlaubniß öffentliche Lotterien veranstaltet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft“. 484 BGH ZfWG 2007, 16, 16. 485 BGH ZfWG 2007, 16, 16. 486 BGH ZfWG 2007, 16, 16. 487 Feldmann, S. 77, geht davon aus, dass ein Handlungsort eines Internetglücksspielveranstalters auf Basis der Rechtsprechung an dem Ort läge, „an dem das Angebot abrufbar ist“. 479

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Abs. 1 Var. 3 StGB (Bereitstellen von Einrichtungen) gelangte man zu gleichen Ergebnissen. Aufgrund des tatbestandlich vorausgesetzten Bereitstehens der Einrichtung (siehe 3. Teil B. V.), wäre ein inländischer Handlungsort zu bejahen, sobald in Deutschland befindliche Nutzer auf die Einrichtungen Glücksspielsoftware und -webseite bzw. -applikation (siehe 3. Teil B. VII.) zugreifen können. Da OnlineGlücksspielangebote i. d. R. weltweit, also auch in Deutschland, zugänglich sind, kämen § 284 Abs. 1 Var. 1 und 3 (i.V.m. Abs. 3 Nr. 1) StGB regelmäßig zur Anwendung. Ein inländischer Handlungsort des Werbens i.S.d. § 284 Abs. 4 StGB wäre aufgrund der tatbestandlich vorausgesetzten Wahrnehmbarkeit der werbenden Inhalte anzunehmen, sofern die Werbung im Inland abrufbar wäre. Da das im Bereich der Internetwerbung regelmäßig der Fall ist, käme auch § 284 Abs. 4 StGB ein weiter räumlicher Anwendungsbereich zu. Das im Ausland ablaufende Halten des Glücksspiels (§ 284 Abs. 1 Var. 2 StGB) i.S.e. eigenverantwortlichen Überwachens oder Leitens eines bereits in Gang gesetzten Spielbetriebs488 hingegen würde von §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB zumindest in Fällen bloßer Überwachungshandlungen ohne wahrnehmbare Außenweltveränderungen nicht erfasst. b) Zivilgerichtliche Rechtsprechung Im Gegensatz zur strafgerichtlichen Rechtsprechung489 sind in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zahlreiche unmittelbar auf via Internet veranstaltete Offshore-Glücksspiele bezogene Entscheidungen ergangen.490 Den Entscheidungen lagen wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklagen der deutschen Landeslotteriegesellschaften gegen konkurrierende Offshore-Internetglücksspielanbieter zugrunde. Die Unterlassungsansprüche wurden auf §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG gestützt.491 Die Unlauterbarkeit des Verhaltens sahen die Kläger in einer Verletzung des Rechtsbruchtatbestands § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 284 bzw. § 287 StGB.492 488

Siehe hierzu oben 3. Teil B. IV. Die unterschiedliche Entscheidungshäufigkeit liegt darin begründet, dass Strafurteile im Gegensatz zu zivilgerichtlichen Urteilen an die bei Auslandssachverhalten häufig unüberwindbare Hürde einer hinreichenden Ausermittlung des Sachverhaltes durch die Staatsanwaltschaft gebunden sind. 490 BGHZ 158, 343; BGH MMR 2010, 547; 2011, 334; BGH ZfWG 2011, 41; BGH MDR 2012, 111; BGH Urt. v. 14. 2. 2008, I ZR 140/04, juris, JURE080005521; Urt. v. 18. 11. 2010, I ZR 171/07, juris, JURE110000565; Urt. v. 28. 9. 2011, I ZR 189/08, juris, JURE120000209; Urt. v. 28. 9. 2011, I ZR 30/10, juris, JURE110022763; Urt. v. 28. 9. 2011, I ZR 43/10, juris, JURE110022686; OLG Köln ZfWG 2006, 76; OLG Hamburg MMR 2002, 471; LG Bremen ZfWG 2006, 238; 2007, 460; 2008, 280. 491 Vgl. nur. BGH Urt. v. 14. 2. 2008, I ZR 140/04, juris, JURE080005521, Rn. 7. In denjenigen Fällen, denen die vor Inkrafttreten des neuen UWG am 8. 7. 2004 (BGBl. I 2004, S. 1414) geltende Rechtslage zugrunde lag, wurde auf die Generalklausel § 1 UWG a.F. abgestellt, siehe z. B. BGHZ 158, 343, 350 f. 492 Vgl. nur BGH Urt. v. 14. 2. 2008, I ZR 140/04, juris, JURE080005521, Rn. 7. Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter i.S.d. § 3 UWG, wer einer Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln. Bei §§ 284, 489

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

In der Entscheidung „Schöner Wetten“493 bejahte der BGH einen Verstoß eines Offshore-Glücksspielanbieters gegen § 284 StGB.494 Ein aus Österreich agierender Internetglücksspielanbieter hatte seine Glücksspiele in Deutschland veranstaltet und beworben. Eine explizite Prüfung der §§ 3 ff. StGB, insb. der §§ 3 und 9 StGB, nahm der Senat zwar nicht vor. Die Aussage, ein Verstoß gegen § 284 StGB liege darin, dass der ausländische Betreiber „Glücksspiele auch im Inland veranstaltet“495 deutet allerdings darauf hin, dass der Senat stillschweigend einen inländischen Tatort im Wege der Anknüpfung an den Veranstaltungsbegriff angenommen haben dürfte.496 Unklar blieb, ob der BGH von einem inländischen Handlungs- oder Erfolgsort ausging. Explizite Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 284 StGB gem. §§ 3 ff. StGB auf Offshore-Glücksspielanbieter finden sich demgegenüber in einigen erstinstanzlichen und oberlandesgerichtlichen wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen. Exemplarisch sei ein Urteil des OLG Hamburg497 genannt. In den Urteilsgründen heißt es, § 284 StGB liege ein weiter Veranstaltungsbegriff zugrunde, der nach dem Willen des Gesetzgebers auch die Schaffung von Glücksspielteilnahmemöglichkeiten einschließe.498 Biete ein Glücksspielanbieter Glücksspiele über das Internet gezielt auf den deutschen Verbraucher zugeschnitten auch in Deutschland an, so sei das Glücksspiel auch „auf deutschem Territorium“ i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB veranstaltet.499 Ein die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. § 3 StGB begründender Handlungsort des Verstoßes gegen § 284 Abs. 1 StGB liege demnach in Deutschland.500 c) Verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung Auch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung setzte sich mit der Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts auf Glücksspielangebote auseinander. Die Thematik wurde vor allem im Rahmen von Anfechtungsklagen gegen ordnungsbehördliche Verfügungen relevant, mit denen Internetglücksspielbetreibern oder -vermittlern untersagt wurde, selbst oder durch Dritte Internetglücksspiele zu ver-

287 StGB handelt es sich um typische Marktverhaltensregelungen zum Schutz der Verbraucher vor den Gefahren des Glücksspiels, vgl. BGHZ 158, 343, 351; BGH GRUR 2002, 636, 637; LG Bremen ZfWG 2008, 280, 284. 493 BGHZ 158, 343. 494 BGHZ 158, 343, 351. 495 BGHZ 158, 343, 351. 496 I. E. ähnlich Feldmann, S. 76. 497 OLG Hamburg MMR 2002, 471. 498 OLG Hamburg MMR 2002, 471, 472 f. 499 OLG Hamburg MMR 2002, 471, 472. 500 OLG Hamburg MMR 2002, 471, 472.

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anstalten bzw. zu vermitteln.501 Die Untersagungsverfügungen stützten sich auf die jeweilige landesrechtliche (polizei- und) ordnungsrechtliche Generalklausel, welche die Ordnungsbehörden im Falle einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit (oder Ordnung) zum Eingreifen ermächtigt.502 Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sahen die Ordnungsbehörden in einem Verstoß der Glücksspielanbieter gegen § 284 StGB, was dessen Anwendbarkeit gem. §§ 3 ff. StGB voraussetzte. Im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung der Untersagungsverfügungen wurde die Anwendbarkeit des § 284 StGB teilweise mit ähnlichen Begründungen bejaht, wie sie in der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung der Zivilgerichte zu finden sind. So befand beispielsweise das OVG NRW unter Bezugnahme auf die wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung des BGH, § 284 StGB liege ein weiter Veranstaltungsbegriff zugrunde. Die Veranstaltung eines Glücksspiels bestünde in der Schaffung von Einrichtungen, durch die der Abschluss von Spielverträgen ermöglicht werde.503 Ein Glücksspiel sei demnach an jedem Ort veranstaltet, an dem der Täter dem Publikum die Möglichkeit eröffne, sich am Glücksspiel zu beteiligen.504 d) Schrifttum Teilweise bejaht auch das Schrifttum einen Handlungsort eines OffshoreGlücksspielanbieters am Ort der Spielbeteiligungsmöglichkeit im Wege der Anknüpfung an den Veranstaltungsbegriff.505 Neben der weiten Fassung des Begriffs „Veranstalten“ wird diese Ansicht teilweise mit dem durch das 6. Strafrechtsreformgesetz in § 287 Abs. 1 StGB eingefügten506 zweiten Halbsatz begründet,507 der 501

Vgl. OVG NRW Beschl. v. 13. 12. 2002, 4 B 1844/02, juris, MWRE203011387; Beschl. v. 5. 12. 2003, 4 B 1987/03, juris, JURE060015483; in Bezug auf per Videotext angebotene Sportwetten vgl. OVG NRW Beschl. v. 14. 5. 2004, 4 B 2096/03, juris, MWRE204012002; Beschl. v. 8. 11. 2004, 4 B 1270/04, juris, MWRE204012241. Laut BVerwGE 114, 92, 94 folgt „aus § 284 Abs. 1, § 9 Abs. 1 und 2, § 27, § 284 Abs. 4 StGB […], dass die Veranstaltung und Vermittlung eines nicht genehmigten Glücksspiels, die Teilnahme daran und die Werbung dafür verboten sind“. 502 Siehe z. B. § 14 Abs. 1 OBG NW. 503 OVG NRW Beschl. v. 13. 12. 2002, 4 B 1844/02, juris, MWRE203011387, Rn. 15; Beschl. v. 5. 12. 2003, 4 B 1987/03, juris, JURE060015483, Rn. 6; Beschl. v. 14. 5. 2004, 4 B 2096/03, juris, MWRE204012002, Rn. 16; Beschl. v. 8. 11. 2004, 4 B 1270/04, juris, MWRE204012241, Rn. 22. 504 OVG NRW Beschl. v. 14. 5. 2004, 4 B 2096/03, juris, MWRE204012002, Rn. 18; Beschl. v. 8. 11. 2004, 4 B 1270/04, juris, MWRE204012241, Rn. 24. Siehe auch OVG NRW Beschl. v. 13. 12. 2002, 4 B 1844/02, juris, MWRE203011387, Rn. 15: „Veranstaltung i.S.v. § 284 Abs. 1 StGB an jedem Ort […], an dem Einrichtungen als Bestandteile des einheitlichen Gesamtunternehmens geschaffen wurden“; OVG NRW Beschl. v. 5. 12. 2003, 4 B 1987/03, juris, JURE060015483, Rn. 13: „dort veranstaltet, wo das Angebot letztlich ankommt“. 505 Hoyer, in: SK-StGB, 135. Lfg. August 2012, § 284 Rn. 38; Lackner/Kühl, § 287 Rn. 6; Lesch, wistra 2005, S. 241 ff. (242); vgl. auch Wilms, S. 38 f. 506 BT-Drs. 13/8587, S. 67. 507 Lesch, wistra 2005, S. 241 ff. (242).

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

den Veranstaltungsbegriff durch die Worte „namentlich den Abschluß von Spielverträgen für eine öffentliche Lotterie oder Ausspielung anbietet oder auf den Abschluß solcher Spielverträge gerichtete Angebote annimmt“ konkretisiert.508 In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu: „Wer diese Handlungen gegenüber einem Spielteilnehmer in Deutschland vornimmt, soll strafbar sein, weil er damit sein Vertriebsgebiet ohne behördliche Erlaubnis nach Deutschland ausweitet“509. Im Schrifttum wird daraus zum Teil der Schluss gezogen, die – auch für den Veranstaltungsbegriff in § 284 StGB maßgebliche (siehe 3. Teil B. III.) – Konkretisierung des Veranstaltungsbegriffs in § 287 Abs. 1 Hs. 2 StGB impliziere, dass es zur Bestimmung des Handlungsortes einer Glücksspielveranstaltung neben der eigentlichen körperlichen Tätigkeit auch darauf ankomme, wo den Kunden die Erklärung des Glücksspielanbieters erreiche.510 e) Würdigung aa) Systematik Die vorgenannten Ansichten setzen den in § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB enthaltenen Handlungsbegriff mit dem in der einschlägigen Strafnorm des Besonderen Teils verwendeten Begriff gleich, der (auch) die tatbestandsmäßige Handlung umschreibt. Bei der Bestimmung des Handlungsortes einer Glücksspielveranstaltung i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB wird § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB beispielsweise wie folgt gelesen: „Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter veranstaltet hat“. Diese Vorgehensweise ist insofern problematisch, als Strafnormen mit ein und demselben Begriff häufig sowohl eine körperliche Tätigkeit als auch deren Wirkung beschreiben. So erfassen beispielsweise die Begriffe „veranstalten“ in § 284 StGB, „verbreiten“ in § 130 StGB oder „zugänglich machen“ in § 184 ff. StGB sowohl die Publikationshandlung als auch deren Wirkung in Form der Eröffnung von Spielbeteiligungsmöglichkeiten bzw. der Wahrnehmbarkeit rechtswidriger Inhalte. Neben Verbreitungsdelikten ist das auch bei zahlreichen „klassischen“ Delikten wie z. B. § 223 StGB oder § 303 StGB der Fall. Die Begriffe „körperlich misshandeln“ und „an der Gesundheit schädigen“ umschreiben sowohl die Vornahme einer Handlung etwa in Form einer „üblen und unangemessenen Behandlung“ als auch den Eintritt deren Wirkung etwa in Form der Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens bzw. des Eintritts oder der Steigerung eines pathologischen Zustandes.511 Die Wörter „Beschädigen“ und „Zerstören“ beschreiben sowohl die Vornahme einer Handlung in Form der körperlichen Einwirkung auf eine Sache als auch deren Wirkung in Form

508

Siehe hierzu bereits oben 3. Teil B. III. BT-Drs. 13/8587, S. 67. 510 Lesch, wistra 2005, S. 241 ff. (242). 511 Zur Definition der Begriffe „körperliche Misshandlung“ und „Gesundheitsschädigung“ vgl. BGHSt 14, 269, 271; Eser, in: Schönke/Schröder, § 223 Rn. 3, 5; Fischer, § 223 Rn. 4, 8. 509

B. Inländischer Handlungsort, § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB

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der Minderung bzw. Aufhebung ihrer bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit.512 Führte man die Gleichsetzung des in § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB enthaltenen Handlungsbegriffs mit dem in der betreffenden Strafnorm verwendeten Begriff konsequent durch, läge der Handlungsort einer Körperverletzung nicht nur an dem Ort, an dem der Täter das Opfer angreift, sondern auch dort, wo die Wirkungen der Tathandlung in Form einer Verletzung des Opfers eintreten. Ein Handlungsort der Sachbeschädigung läge nicht nur dort, wo der Täter körperlich auf die Sache einwirkt, sondern auch dort, wo die Sache infolgedessen ihre Brauchbarkeit einbüßt.513 Der tatbestandsmäßige Erfolg der Körperverletzung bzw. der Sachbeschädigung würde damit von § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB erfasst, obwohl § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB ausdrücklich auf den „zum Tatbestand gehörende(n) Erfolg“ (hierzu sogleich unter C.) Bezug nimmt. Die innere Systematik des § 9 Abs. 1 StGB spricht damit gegen eine Inbezugnahme des gesamten BT-Begriffes durch § 9 Abs. 1 StGB. Sie suggeriert vielmehr, dass § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB ausschließlich auf die tatbestandsmäßige Körperbewegung des Täters rekurriert, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB demgegenüber deren tatbestandsmäßige Wirkungen in Form eines „zum Tatbestand gehörenden Erfolges“ erfasst.514 Ein Blick auf § 9 Abs. 1 Var. 2 StGB untermauert diese Annahme: Setzte man den Begriff „handelt“ in § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB mit dem auch die tatbestandsmäßige Handlung umschreibenden BT-Begriff gleich, müsste man dieses Verständnis – zumindest aus semantischer Sicht folgerichtig – auch dem äquivalenten Passus „hätte handeln müssen“ in § 9 Abs. 1 Var. 2 StGB zugrunde legen. Das aber führte zu der widersinnigen Regelung, dass eine Tat „an jedem Ort begangen“ wäre, „an dem der Täter“ veranstaltet hat oder hätte veranstalten müssen, an dem der Täter eine Sache beschädigt hat oder hätte beschädigen müssen usw. Dass eine Gleichsetzung des in § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB enthaltenen Handlungsbegriffs mit BT-Begriffen zu vom Gesetzgeber nicht bezweckten Ergebnissen führen kann, offenbart sich zudem, wenn man sich vor Augen führt, dass BT-Begriffe vor allem unter dem Aspekt adäquater Umschreibung tatbestandsmäßigen Verhaltens, in jüngerer Zeit teilweise auch mit Rücksicht auf sprachliche Verständlichkeit,515 selten aber unter Berücksichtigung etwaiger strafanwendungsrechtlicher Implikationen gewählt werden.516 Eine Gleichsetzung des Handlungsbegriffs mit dem betreffenden BT-Begriff hätte daher zur Folge, dass die Zuständigkeit der deutschen Strafjustiz 512

Zur Definition der Begriffe „Beschädigen“ und „Zerstören“ vgl. BGHSt 13, 207; 44, 34, 38; Fischer, § 303 Rn. 6, 14; Lackner/Kühl, § 303 Rn. 3, 7; Stree/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 303 Rn. 8, 14. 513 Vgl. in Bezug auf § 212 StGB auch Heinrich, in: FS Weber, S. 91 ff. (103 f.). 514 So i.E. auch Dombrowski, S. 37; Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (272); Feldmann, S. 77; Heinrich, in: FS Weber, S. 91 ff. (104); Hörnle, NStZ 2001, S. 309 ff. (310); Leupold/Bachmann/Pelz, MMR 2000, S. 648 ff. (652). 515 Vgl. hierzu http://www.normenkontrollrat.bund.de. 516 Eser, in: Leipold (Hrsg.), S. 303 ff. (320); ders., in: Schönke/Schröder, § 9 Rn. 7c; Valerius, S. 234; Weigend, in: Hohloch (Hrsg.), S. 85 ff. (90).

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

und die Reichweite deutscher Straftatbestände von sachfremden gesetzgeberischen Formulierungserwägungen abhingen.517 bb) Wortlaut „handelt“ Bestimmt sich der in § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB enthaltene Begriff „handelt“ demnach nicht in Anknüpfung an Begrifflichkeiten der einschlägigen Strafnorm des Besonderen Teils, ist die sprachliche Bedeutung des Begriffs zu untersuchen. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff „handeln“ mit den Begriffen Körperbewegung, Tun oder Agieren gleichgesetzt.518 Im Strafrecht versteht man unter „handeln“ – ganz gleich, ob man ein soziales, finales oder personales Element in den Begriff mit einbezieht519 und abgesehen von speziellen Deutungen etwa im Bereich der Konkurrenzlehre520 – jedenfalls die Vornahme einer willensgesteuerten Körperbewegung (bzw. im Falle des Unterlassens die willensgesteuerte Nichtvornahme einer Körperbewegung).521 Wirkungen sind sowohl nach dem allgemeinen und juristischen Sprachgebrauch522 als auch aus dogmatischer Sicht523 Folgen einer Körperbewegung, nicht aber die Körperbewegung selbst. Sie fallen bereits deshalb nicht unter den Handlungsbegriff. Da eine Einbeziehung von Wirkungen in den Handlungsbegriff zu mehreren Handlungsorten gleichzeitig führen kann – etwa am Ort der Befehlseingabe und an den Orten der Abrufbarkeit –, liefe sie des Weiteren der Tatsache zuwider, dass eine Handlung i.S.e. Körperbewegung begrifflich nur zu einem einzigen Zeitpunkt an einem einzigen Ort vorgenommen werden kann.524

517 Auf das Problem einer möglichen Abhängigkeit der Strafrechtsgeltung von „semantischen Zufällen“ weist auch Weigend, in: Hohloch, S. 85 ff. (90), im Kontext der Bestimmung des Erfolgsortes bei Äußerungsdelikten hin; siehe auch Eser, in: Schönke/Schröder, § 9 Rn. 7c; Valerius, S. 234. 518 Siehe http://www.duden.de/rechtschreibung/Handlung. Die weiteren Verständnismöglichkeiten der Begriffe i.S.v. „Geschehensablauf“ oder „Handel treiben“ werden von dem in § 9 StGB verwendeten Begriff „handelt“ offenkundig nicht in Bezug genommen. 519 Vgl. hierzu Jescheck/Weigend, § 23 III, V, VI. 520 Vgl. z. B. zur Rechtsfigur der Handlungseinheit Fn. 722. 521 Vgl. statt vieler Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 13 Rn. 96; Feldmann, S. 77; Heinrich, in: FS Weber S. 91 ff. (104); Sieber NJW 1999, S. 2065 ff. (2070). 522 Vgl. http://www.duden.de/rechtschreibung/Wirkung: Wirkung = „durch eine verursachende Kraft bewirkte Veränderung, Beeinflussung, bewirktes Ergebnis“; vgl. auch Dombrowski, S. 26. 523 So bestimmen etwa die Äquivalenztheorie, die Adäquanztheorie und weitere Kausalitätstheorien (siehe hierzu Rengier, AT, § 13 Rn. 3 ff.) die – eine Trennung beider Elemente implizierende – Ursächlichkeit einer Handlung für deren Wirkung in Form eines tatbestandlichen Erfolges. 524 Vgl. Mintas, S. 159; zur zeitlichen Trennung von Handlung und Wirkung in Bezug auf Datenspeicherungen auf Servern vgl. Dombrowski, S. 27.

B. Inländischer Handlungsort, § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB

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Wirkungen einer Körperbewegung sind zudem häufig auch nicht willensgesteuert i.S.d. strafrechtlichen Handlungsbegriffs. Heinrich525 weist insofern in Bezug auf das eingangs erwähnte kammergerichtliche Urteil zum Handlungsort bei Fernsehübertragungen526 zutreffend darauf hin, eine Handlung des Täters an dem Ort anzunehmen, an dem seine Kundgabehandlung ausgestrahlt werde, missachte die Tatsache, dass der Täter nicht steuern könne, wann und wohin seine Körperbewegung ausgestrahlt wird. Sein Handlungsort hänge vielmehr von der zufälligen Entscheidung der Fernsehsender ab, ob und wohin das Spiel übertragen wird.527 Auch der Wortlaut des § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB spricht demnach gegen eine Einbeziehung von Wirkungen in den Handlungsbegriff im Wege der Gleichsetzung des betreffenden BT-Begriffes mit dem in § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB enthaltenen Handlungsbegriff. cc) Uferlose Ausweitung deutscher Strafgewalt Schließlich ist entscheidend gegen die Einbeziehung von Wirkungen in den Handlungsbegriff einzuwenden, dass sie zu einer „Inflation von Handlungsorten“528 und damit zu einer uferlosen Ausweitung der deutschen Strafgewalt führen würde.529 Im Bereich der Internetverbreitungskriminalität fände deutsches Strafrecht über §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB regelmäßig bereits Anwendung, sobald eine nach deutschem Recht strafbare Internetpublikation in Deutschland abrufbar wäre. Da das nahezu immer der Fall ist, unterlägen nahezu sämtliche Internetpublikationen weltweit der deutschen Strafgewalt. Eine derartige Rechtslage mag – wenn überhaupt – nur auf den ersten Blick insofern als vorteilhaft erscheinen, als sie einen umfassenden Schutz vor innerhalb des inländischen Hoheitsgebiets abrufbaren rechtswidrigen Inhalten zu gewährleisten verspricht. Insbesondere scheint mit einer Ausweitung deutscher Strafgewalt dem Phänomen entgegen gewirkt werden zu können, dass sich Täter deutschen Verhaltensanforderungen durch bewussten Rückzug in einen Staat entziehen, von wo aus sie rechtswidrige Inhalte straflos in Deutschland publizieren. Bei näherer Betrachtung erweist sich eine solche Einschätzung indes als unzutreffend. Eine Anknüpfung deutscher Strafgewalt an die bloße Abrufbarkeit einer 525

Heinrich, in: FS Weber, S. 91 ff. (105 f.). Heinrich, in: FS Weber, S. 91 ff. (105 f.). 527 Vgl. Heinrich, in: FS Weber, S. 91 ff. (105). Der Versuch des KG, durch das Erfordernis eines „unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs“ (höchstens ein Tag) zwischen Körperbewegung und Ausstrahlung im TV eine uferlose zeitliche Ausdehnung der Tathandlung zu vermeiden (KG NJW 1999, 3500 ff., 3502) vermag schon angesichts der Schwammigkeit und Willkürlichkeit des Kriteriums nicht zu überzeugen; ebenso Feldmann, S. 78; Heinrich, in: FS Weber, S. 91 ff. (105 f.). 528 Hilgendorf, ZStW 113 (2001), S. 650 ff. (666). 529 So auch Dombrowski, S. 37; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), S. 650 ff. (666); Palm, S. 58; Römer, S. 125. 526

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Internetseite würde zunächst zu einer aus dem Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO) resultierenden – nicht realisierbaren – Ermittlungspflicht deutscher Strafverfolgungsbehörden hinsichtlich sämtlicher nach deutschem Recht strafbarer Internetpublikationen führen.530 Die damit praktisch zwingend einhergehende partielle, selektive Durchsetzung deutscher Verbotsnormen birgt die Gefahr, dass die einschlägige Verbotsnorm in grenzüberschreitenden Fallkonstellationen zu einem – das Vertrauen der Normadressaten in den Bestand und die Durchsetzbarkeit der deutschen Verbotsnorm schwächenden – symbolischen Strafrecht entwertet wird.531 Die Ausdehnung deutscher Strafgewalt in Form der Proklamation eines weltweiten Verhaltensbewertungsanspruchs für Internetpublikationen und einer entsprechenden Zuständigkeit der deutschen Strafjustiz missachtete überdies die Souveränitätsrechte anderer von der Tat betroffener Staaten.532 §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB stünden damit nicht nur im Widerspruch zur gesetzlichen Konzeption der §§ 3 ff. StGB, wonach deutsche Strafgewalt nur in Ausnahmefällen weltweit erstreckt werden soll.533 Sie gerieten zudem in Konflikt mit dem völkerrechtlichen Interventionsverbot534. Völkerrechtlich betrachtet kann es zwar legitim sein, wenn ein Staat unter Berufung auf das Territorialitätsprinzip Strafgewalt hinsichtlich im Inland eintretender, nach nationalem Recht strafbarer Wirkungen einer im Ausland vorgenommenen Handlung beansprucht, sog. Auswirkungsprinzip535. Etwa in Fällen, in denen vom Ausland aus Rechtsgüter auf inländischem Territorium verletzt werden, weist der Strafgewalt proklamierende Staat ein in seiner souveränitätsgetragenen Gebietshoheit wurzelndes berechtigtes Selbstschutzinteresse vor Rechtsgutsbeeinträchtigungen auf seinem Territorium (eingehend hierzu E. II. 7.) auf, das den mit der Strafgewaltproklamation einhergehenden Eingriff in die Souveränität anderer von der Tat betroffener Staaten regelmäßig rechtfertigt. Die inländische Rechtsgutsverletzung statuiert hier einen die Strafgewaltproklamation völkerrechtlich legitimierenden sinnvollen spezifischen Anknüpfungspunkt nationaler Strafgewalt.536 Ließe man hingegen Wirkungen in Form einer inländischen Abrufbarkeit einer Internetseite bzw. – im Falle virtueller Offshore-Glücksspielangebote – einer inländischen Spielteilnahmemöglichkeit als völkerrechtlich legitimen Anknüp530 Vgl. Hilgendorf, NJW 1997, S. 1873 ff. (1874); Palm, S. 58; Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2067). 531 Vgl. auch Fischer, § 9 Rn. 8a: Die „weitgehende praktische Undurchsetzbarkeit“ dürfte „Verbreitern und Nutzern entsprechender Inhalte eher den Eindruck der Hilflosigkeit des Rechtsstaats vermitteln“; Mintas, S. 146. 532 Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (273); Hilgendorf, NJW 1997, S. 1873 ff. (1874); Mintas, S. 147; Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2067); ausführlich zu völkerrechtlichen Implikationen im Bereich der Internetkriminalität Dombrowski, S. 47 ff.; Roegele, S. 132 ff. 533 Vgl. hierzu E. II. 3. c) sowie 3. Abschnitt A. III. 534 Siehe hierzu oben 4. Teil sowie E. II. 8. a). 535 Vgl. BGHSt 44, 52, 56; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), S. 379 ff. (385); Werle/ Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 223. 536 Vgl. StIGHE 5, 73, 95 f., Lotus; Dombrowski, S. 73 ff.

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fungspunkt nationaler Strafgewalt genügen, dürfte jeder Staat der Welt aus völkerrechtlicher Sicht auch in Bezug auf solche Internetinhalte Strafgewalt proklamieren, die ihn im Vergleich zu einem anderen Staat kaum tangieren. Im Hinblick auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote wäre es beispielsweise selbst einem Staat, dessen Staatsangehörige sich gar nicht an Online-Glücksspielen beteiligen, völkerrechtlich erlaubt, ein auf andere Staaten zugeschnittenes, weltweit abrufbares und teilnahmefähiges umsatzstarkes virtuelles Glücksspielangebot strafbewehrt zu verbieten und den Glücksspielanbieter im Falle seiner Erreichbarkeit zu sanktionieren. Solche Beispiele zeigen: Legitimierte bereits eine bloße inländische Abrufbarkeit einer weltweit abrufbaren Internetseite bzw. eine bloße inländische Teilnahmemöglichkeit an einem weltweit spielbaren virtuellen Glücksspiel eine Erstreckung nationaler Strafgewalt, würde der Zweck des Interventionsverbotes unterlaufen, staatliche Souveränität vor willkürlichen bzw. rechtsmissbräuchlichen Eingriffen zu schützen.537 Völkerrechtlich legitim wäre es vor diesem Hintergrund, wenn Deutschland beispielsweise – aufgrund des besonderen Bezuges zur deutschen Geschichte – eine vom Ausland aus verbreitete weltweit via Internet abrufbare Holocaustleugnung bestrafen würde538 oder Strafgewalt hinsichtlich solcher virtueller Offshore-Glücksspielangebote proklamierte, die sich z. B. durch die Verwendung der deutschen Sprache, deutscher Inhalte und deutscher Werbung auf Deutschland ausrichten539. Eine allein auf eine bloße inländische Abrufbarkeit einer weltweit abrufbaren Internetseite bzw. eine bloße Spielteilnahmemöglichkeit an einem weltweit teilnahmefähigen virtuellen Glücksspiel gestützte Strafgewaltproklamation hingegen verstieße mangels spezifischen Tatbezugs zum Inland gegen das Interventionsverbot.540 Darüber hinaus geriete eine derartige Strafgewaltproklamation in Konflikt mit Freiheitsrechten der publizierenden Nutzer. Ließe man die bloße Abrufbarkeit einer Internetseite als Anknüpfungspunkt von Strafgewalt genügen, würde jedem Staat ermöglicht, die in seinen Strafnormen zum Ausdruck gelangenden nationalen soziokulturell bedingten Wert- und Moralvorstellungen zu einem an sämtliche Internetinhalte publizierende Nutzer weltweit adressierten Verhaltensmaßstab zu erheben.541 In diesem Fall normierte letzten Endes die strengste aller anwendbaren Strafrechtsordnungen weltweit die Verhaltensanforderungen für Internetpublika537 I. E. ähnlich Dombrowski, S. 61; siehe auch Hilgendorf, ZStW 113 (2001), S. 650 ff. (660); Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 223. 538 Vgl. hierzu die Toeben-Entscheidung des BGH, in der der Senat einen besonderen Tatbezug zur Bundesrepublik Deutschland aufgrund der „Einzigartigkeit der unter der Herrschaft des Nationalsozialismus an den Juden begangenen Verbrechen“ annahm, BGHSt 46, 212, 224. 539 Vgl. zu diesen Kriterien unten C. II. a). 540 In der Sache ebenso Dombrowski, S. 86; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), S. 650 ff. (660); Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 223. 541 Vgl. Hilgendorf, NJW 1997, S. 1873 ff. (1874); Kudlich/Hoven, ZIS 2016, S. 345 ff. (351); Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2067).

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tionen.542 Um strafrechtlichen Konsequenzen sicher aus dem Wege zu gehen, müssten sich Internetnutzer Kenntnis über das Straf- und Strafanwendungsrecht sämtlicher Staaten weltweit verschaffen und sich sämtlichen anwendbaren Verbotsnormen konform verhalten.543 Hierzu folgendes Beispiel: Engländer E möchte seine – nach deutschem Recht als volksverhetzend einzustufende – Meinung von England aus in einem sozialen Netzwerk im Rahmen einer weltweit öffentlichen Diskussion „posten“. Nach englischem Recht544 ist seine Meinungsäußerung ohne weiteres zulässig.

Sollte Deutschland aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des „Posts“ in Deutschland Strafgewalt proklamieren, müsste E von der Veröffentlichung seiner Meinung absehen, um dem Risiko einer Strafverfolgung wegen Volksverhetzung (§ 130 StGB) in Deutschland aus dem Wege zu gehen, insb. dem Risiko zu entgehen, bei einem Aufenthalt in Deutschland infolge Fluchtgefahr verhaftet zu werden.545 Ebenso müssten in Deutschland handelnde Nutzer – sofern beispielsweise Nordkorea oder Libyen weltweite Strafgewalt hinsichtlich Verbreitungsdelikten im Internet proklamierten – davon absehen, via Internet weltweit öffentlich abrufbare Kritik am Menschenrechtsstandard in diesen Staaten zu äußern.546 Anderenfalls drohte eine dortige Strafverfolgung wegen eines Staatsschutzdeliktes sowie bei einem Aufenthalt in diesen Staaten eine Verhaftung und Verurteilung zu Freiheitsstrafen.547 Beide Beispiele zeigen, dass die bloße Abrufbarkeit von Internetpublikation als pauschaler Anknüpfungspunkt von Strafgewalt auch deshalb auszuscheiden hat, weil sie zu einer nicht hinnehmbaren Einschränkung von Freiheitsrechten der Internetnutzer führte. Im Schrifttum548 wird teilweise die Meinung vertreten, eine extensive Strafgewaltproklamation lasse sich im Wege der Verfahrenseinstellung über § 153c StPO korrigieren. Im Rahmen der Ermessensentscheidung wäre dann insb. eine Abwägung zwischen den Strafverfolgungsinteressen der Bundesrepublik Deutschland, den Souveränitätsinteressen anderer von der Tat betroffener Staaten und ggf. den Freiheitsrechten des Betroffenen zu treffen. Ein solcher Vorschlag vermag nicht zu verhindern, dass die Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Internetverbreitungskriminalität zunächst regelmäßig über §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB im Wege der 542 Ebenso Heghmanns, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Rn. 21; ders., JA 2001, S. 276 ff. (280); Kudlich, StV 2001, S. 397 ff. (397); Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2067). 543 Jofer, S. 104; Volk, S. 193. 544 Vgl. hierzu Weber, ZRP 2008, S. 21 ff. (21). 545 Vgl. Mintas, S. 147. 546 Vgl. Hilgendorf, NJW 1997, S. 1873 ff. (1874). 547 Vgl. Hilgendorf, NJW 1997, S. 1873 ff. (1874). 548 Jofer, S. 118 f.; siehe auch – u. a. in Bezug auf die Rechtslage in Österreich und der Schweiz – Schwarzenegger, Sic! 2001, S. 240 ff. (247 ff., insb. Fn. 21).

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Erstreckung deutscher Verhaltensanforderungen weitläufige freiheits- und souveränitätsbeschränkende Regelungsgewalt in Anspruch nähme. Abgesehen davon scheiterte eine Einstellung über § 153c Abs. 3 StPO de lege lata jedenfalls daran, dass die Norm in Fällen, in denen deutsche Strafgewalt nach §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB über einen inländischen Handlungsort begründet wird, keine Einstellungsmöglichkeit vorsieht.549 Um den Strafanspruch Deutschlands gleichwohl einzuschränken, wird von Vertretern einer extensiven Interpretation der Handlungsortsklausel teilweise auf – der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmende – Korrekturen zurückgegriffen, derer es gar nicht bedurft hätte, sofern man von vornherein nur Körperbewegungen unter den Handlungsbegriff gefasst hätte. Beispielhaft sei ein von Lesch550 zur Einschränkung der deutschen Strafgewalt im Bereich virtueller Offshore-Glücksspielangebote herangezogenes „Regressverbot“ genannt, wonach Glücksspielanbieter, die „primär einen ausländischen Markt bedienen“, §§ 284 ff. StGB nicht unterfallen sollen. Ein weiteres Beispiel bildet das vom Kammergericht551 geforderte Erfordernis eines „unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs“ zwischen Körperbewegung und Wirkung. dd) Gesetzesbegründung zu § 287 Abs. 1, 2. Hs. StGB Im Hinblick auf die Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts auf Offshore-Glücksspielangebote geraten die vorangegangenen Auslegungsergebnisse scheinbar in Konflikt mit der Gesetzesbegründung zu dem in § 287 Abs. 1, 2. Hs. StGB konkretisierten Veranstaltungsbegriff (siehe hierzu 3. Teil B. III.), wenn es dort heißt, wer Handlungen „gegenüber einem Spielteilnehmer in Deutschland“ vornehme, solle „strafbar sein, weil er damit sein Vertriebsgebiet ohne behördliche Erlaubnis nach Deutschland ausweitet“552. Falls damit – wie in Teilen des Schrifttums angenommen – zum Ausdruck gebracht werden sollte, § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB umfasse aufgrund einer Inbezugnahme eines weiten Veranstaltungsbegriffs auch die Eröffnung von Spielmöglichkeiten,553 wäre die Aussage bereits in Anbetracht der unter aa) bis cc) gewonnenen Erkenntnisse mit der gesetzlichen Regelung unvereinbar und damit unbeachtlich. Eine in einer Gesetzesbegründung enthaltene Aussage vermag das differenzierte, auf völkerrechtliche Vorgaben ausgerichtete Regelungssystem der §§ 3 ff. StGB nicht abzuändern.554 549 So auch Hilgendorf, NJW 1997, S. 1873 ff. (1874), und Palm, S. 58, die allerdings auf § 153c Abs. 2 statt auf Abs. 3 abstellt. Zu § 153c StPO siehe auch E. II. 4. und 8. a) bb) (2). 550 Lesch, wistra 2005, S. 241 ff. (242 f.). 551 KG NJW 1999, 3500, 3502. 552 BT-Drs. 13/8587, S. 67. Wie oben, 3. Teil B. III., gezeigt, gilt die Konkretisierung des Veranstaltungsbegriffs in § 287 StGB auch für § 284 StGB. 553 Lackner/Kühl, § 287 Rn. 6; Lesch, wistra 2005, S. 241 ff. (242); vgl. auch Wilms, S. 38 f. 554 Aus dem gleichen Grund schlägt auch das von Barton/Gercke/Janssen, wistra 2004, S. 321 ff. (322); Dietlein/Woesler, K&R 2003, S. 458 ff. (460), und Feldmann, S. 81, gegen

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Von §§ 3 ff. StGB abweichende Regelungen könnten möglicherweise allenfalls durch sog. besonderes Strafanwendungsrecht im Regelungskontext eines bestimmten Straftatbestandes getroffen werden. Insofern könnte man in Erwägung ziehen, § 287 Abs. 1 Hs. 2 StGB dahingehend zu deuten, der Gesetzgeber habe mit dem Einschub „namentlich den Abschluß von Spielverträgen für eine öffentliche Lotterie oder Ausspielung anbietet oder auf den Abschluß solcher Spielverträge gerichtete Angebote annimmt“ eine gegenüber §§ 3 ff. StGB speziellere, besondere strafanwendungsrechtliche Regelung hinsichtlich der Veranstaltung von Glücksspielen getroffen. Derartige strafanwendungsrechtliche Sonderregelungen außerhalb der §§ 3 ff. StGB sind dem StGB zwar nicht fremd. Man denke etwa an § 89a Abs. 3 StGB oder § 129b StGB. Sie lassen allerdings schon ihrem Wortlaut nach (§ 89a Abs. 3 StGB: „Absatz 1 gilt auch, wenn die Vorbereitung im Ausland begangen wird“555, § 129b StGB: „Die §§ 129, 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland“556) eindeutig erkennen, dass sie den räumlichen Geltungsbereich von Strafnormen festlegen. Dem Begriff „veranstalten“ und dem Einschub „anbieten“ oder „annehmen“ könnte man bei äußerst offener Lesart zwar semantisch einen territorialen Bezug zum Ort der Veranstaltung bzw. des Angebots oder der Annahme entnehmen.557 Ließe man das allerdings genügen, um einer Regelung strafanwendungsrechtlichen Charakter beizumessen, wären zahlreiche BT-Normen als strafanwendungsrechtliche Sonderregelungen einzustufen – beispielsweise § 184a Nr. 1 StGB, § 130 Abs. 2 StGB, § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB („verbreitet“), selbst § 212 Abs. 1 StGB („tötet“) oder § 223 Abs. 1 StGB („körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt“). Damit aber würde die differenzierte Regelung der §§ 3 ff. StGB systemwidrig durch zahlreiche Normen im Besonderen Teil untergraben.558 Überdies stünde einer derart extensiven Regelung, wie sie § 287 StGB als strafanwendungsrechtliche Sonderregelung träfe, ohnehin insb. auch erhebliche völkerrechtliche, individualrechtliche und prozessökonomische Bedenken entgegen. Insofern gelten einen inländischen Tatort einer Offshore-Glücksspielveranstaltung i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB angeführte Argument nicht durch, der Gesetzgeber habe § 284 Abs. 4 StGB ausweislich der Gesetzesbegründung (wo es heiße, es sei „rechtlich wie praktisch“ unmöglich, OffshoreGlücksspielveranstaltungen durch § 284 StGB zu unterbinden) aufgrund der Überzeugung erlassen, Offshore-Glücksspiele würden von § 284 Abs. 1 StGB nicht erfasst. Abgesehen davon überzeugt das Argument bereits insofern nicht, als es in der Gesetzesbegründung – anders als von Barton/Gercke/Janssen und Dietlein/Woesler angenommen – gar nicht heißt, es sei „rechtlich wie praktisch“ unmöglich, ausländische Glücksspielangebote zu unterbinden. Hintergrund der Regelung waren vielmehr ausschließlich praktische Ermittlungsprobleme. In der Gesetzesbegründung heißt es: „Da es in der Regel praktisch schwierig sein wird, die Strafvorschrift des Absatzes 1 gegenüber dem im Ausland befindlichen Anbietern [sic!] durchzusetzen, soll Absatz 2 die Möglichkeit geben, jedenfalls deren werbliche Aktivitäten in Deutschland zu unterbinden“, BT-Drs. 13/8587, S. 68 (Hervorhebung nur hier); siehe auch BTDrs. 13/9064, S. 20 f. 555 Hervorhebung nur hier. 556 Hervorhebung nur hier. 557 Ähnlich Dietlein/Woesler, K&R 2003, S. 458 ff. (460, Fn. 15); Feldmann, S. 82. 558 Ähnlich Feldmann, S. 82: §§ 3, 9 StGB würden umgangen.

B. Inländischer Handlungsort, § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB

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die Ausführungen unter B. II. 2. e) cc) entsprechend. Der Einschub in § 287 Abs. 1 Hs. 2 StGB kann nach alledem auch nicht als – von §§ 3 ff. StGB abweichendes – besonderes Strafanwendungsrecht gedeutet werden. ee) Ergebnis Festzuhalten ist nach alledem, dass sich Wirkungen nicht im Wege der Anknüpfung an die Tatbestandsumschreibung des einschlägigen Straftatbestandes in die Handlungsortsklausel § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB einbeziehen lassen. Die Möglichkeit, sich in Deutschland an einem vom Ausland aus angebotenen Glücksspiel zu beteiligen, bzw. die Abrufbarkeit werbender Inhalte in Deutschland können auf diese Weise keinen inländischen Handlungsort des Glücksspielanbieters i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB begründen. 3. Virtuelle Anwesenheit am Serverstandort Im Schrifttum559 wird teilweise dafür plädiert, den Handlungsort bei via Internet begangenen Verbreitungsdelikten losgelöst von herkömmlichen Begriffsverwendungen eigenständig zu bestimmen. Das klassische Verständnis des Handlungsortes als Ort der körperlichen Anwesenheit bei Vornahme der tatbestandsmäßigen Ausführungshandlung passe nicht auf Sachverhalte, die sich im territorial unbegrenzten World Wide Web abspielen.560 In Bezug auf Internetverbreitungsdelikte müsse es neben der körperlichen Anwesenheit des Täters vielmehr auch auf seine „virtuelle Anwesenheit“ ankommen.561 Durch Dateneingabe in ein Ausgangsgerät, z. B. den NutzerPC, werde hier direkt auf ein Zielgerät, den Server-PC, zugegriffen.562 Beide Computer würden daher gleichzeitig bedient.563 Internetnutzer handelten deshalb sowohl am Standort des Ausgangsgeräts als auch am Standort des Zielgerätes.564 Ein Handlungsort des Nutzers am Serverstandort scheide allerdings im Falle automatisierter Speichervorgänge wie Zwischenspeicherungen auf einem „Proxy-CacheServer“565 oder synchronisierten Speicherungen auf mehreren Servern aus.566 559 Kuner, CR 1996, S. 453 ff. (454); Cornils, JZ 1999, S. 394 ff.; dies., in: Hohloch (Hrsg.), S. 71 ff. (79 f.); sich Cornils anschließend: Eser, in: Schönke/Schröder, § 9 Rn. 4; ders., in: FS 50 Jahre BGH, Bd. 4, S. 3 ff. (24); Klam, S. 52. 560 Dieser Gedanke wurde erstmals von Kuner, CR 1996, S. 453 ff. (454), geäußert, der die äußerst extensive Ansicht vertritt, ein Internetinhalte publizierender Nutzer sei an jedem Ort der Welt virtuell anwesend, an dem die publizierten Inhalte abrufbar sind. 561 Kuner, CR 1996, S. 453 ff. (454). 562 Cornils, JZ 1999, S. 394 ff. (396). 563 Cornils, JZ 1999, S. 394 ff. (396). 564 Cornils, JZ 1999, S. 394 ff. (396). 565 Proxy-Cache-Server werden zur Optimierung von Datenübertragungsvorgängen eingesetzt. Bereits angefragte Daten werden kurzfristig gespeichert, um sie mehreren Nutzern zur Verfügung zu stellen, vgl. Mandl/Bakomenko/Weiß, S. 256 f. 566 Cornils, JZ 1999, S. 394 ff. (397).

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Mangels Kontrolle und Einflussmöglichkeit ließen sich solche Fälle nicht mehr der Handlung des Internetnutzers zuordnen.567 Ein Handlungsort des Veranstaltens eines illegalen Glücksspiels (§ 284 Abs. 1 Var. 1 StGB), des Bereitstellens von Einrichtungen hierzu (§ 284 Abs. 1 Var. 3 StGB) sowie des Werbens für ein Glücksspiel (§ 284 Abs. 4 StGB) läge nach diesen Maßstäben sowohl an dem Ort, an dem der Glücksspielanbieter die auf das Laden der Inhalte auf einen Server gerichteten Befehle eingibt als auch am Ort des Servers, auf den das Glücksspielangebot bzw. die Glücksspielwerbung betreffende Daten geladen werden.568 Beim Halten eines Glücksspiels (§ 284 Abs. 1 Var. 2 StGB) hingegen dürfte zumindest im Falle bloßer Überwachungshandlungen lediglich ein Handlungsort am Ort der körperlichen Anwesenheit anzunehmen sein. Automatisierte Speicherungen der das Glücksspielangebot bzw. die Glücksspielwerbung betreffenden Daten blieben für die Handlungsortbestimmung außer Betracht. Im Bereich der Offshore-Glücksspielangebote gelangt man damit nur in solchen – praktisch eher seltenen – Fällen zu vom klassischen Verständnis des Handlungsortes abweichenden Ergebnissen, in denen der Glücksspielanbieter Daten kontrolliert auf einen in Deutschland stehenden Server lädt.569 Der auf die virtuelle Anwesenheit des Täters am Serverstandort abstellende Ansatz ist zwar in seinem grundlegenden Bestreben nachvollziehbar, den Handlungsort in der virtuellen Welt des Internets nicht ausschließlich anhand des Kriteriums der körperlichen Anwesenheit des Täters zu bestimmen. Die These, der Täter einer via Internet begangenen Tat handle i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB sowohl an dem Ort, an dem er durch Eingabe von Befehlen körperlich tätig wird als auch an dem Ort, an dem infolgedessen Daten auf einem Server gespeichert werden, bedeutet allerdings nichts anderes als eine Einbeziehung von Wirkungen in den Handlungsbegriff.570 Die Datenspeicherung ist die automatisiert ablaufende Wirkung der Eingabe entsprechender Befehle via Maus und Tastatur.571 Im Gegensatz zur Handlungswirkungen mit einbeziehenden Handlungsortbestimmung im Wege der Anknüpfung an die tatbestandsmäßige Handlungsumschreibung (siehe B. II. 2.) führt der auf die virtuelle Anwesenheit am Serverstandort rekurrierende Ansatz zwar zu einer begrenzteren Reichweite des deutschen Strafanspruchs, da er nur kontrollierte und beeinflussbare Datenspeicherungen auf Servern in Bezug nimmt. Ihm stehen auch nicht die dogmatischen Einwände entgegen, die gegen die Handlungswirkungen mit einbeziehende Handlungsortbestimmung im Wege der Handlungszurechnung (siehe B. II. 1.) erhoben wurden. Gleichwohl sieht sich der auf die virtuelle Anwesenheit rekurrierende Ansatz nach derzeitiger Rechtslage den gleichen systematischen und 567

Cornils, JZ 1999, S. 394 ff. (397). Vgl. Feldmann, S. 75. 569 Vgl. Klengel/Heckler, CR 2001, S. 243 ff. (244, Fn. 13); Mintas, S. 157. 570 Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (272); Feldmann, S. 79; Volk, S. 203; vgl. auch BGH NStZ 2015, 81, 82. 571 Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (272); Feldmann, S. 79, 80; Volk, S. 203. 568

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semantischen Einwänden ausgesetzt, mit denen die Handlungsortbestimmung im Wege der Anknüpfung an die tatbestandsmäßige Handlungsumschreibung abgelehnt wurde [siehe B. II. 2. e) aa) und bb)]. So ist es – um nur auf den semantischen Einwand einzugehen – bereits begrifflich nicht möglich, Wirkungen einer Körperbewegung dem willensgetragene Körperbewegungen umfassenden572 Handlungsbegriff zuzuordnen.573 Ebenso wenig kann ein und dieselbe Person in mehreren Staaten – z. B. am TäterPC in Gibraltar und am ServerPC in Deutschland – gleichzeitig eine Körperbewegung i.S.d. Handlungsdefinition vornehmen.574 Abgesehen davon erweist sich der Ansatz auch in sich als unschlüssig. Inkonsequent ist vor allem die bloße Herausnahme von Zwischenspeicherungen und Spiegelungen auf verschiedenen Servern aus der Handlungsortbestimmung. Auch außerhalb dieser Fälle verlaufen Datenspeicherungen auf Servern oftmals ohne Kontrolle und Einflussmöglichkeit des Täters, zumal dieser häufig überhaupt nicht steuern kann, auf welchem Server seine Daten gespeichert werden.575 Blendete man diese Fälle allerdings konsequenterweise ebenfalls bei der Handlungsortbestimmung aus, gelangte man zu dem wertungswidersprüchlichen Ergebnis, dass einem Täter, der Daten kontrollierbar auf einen ganz bestimmten Server lädt, zwei – potenziell Strafgewalt auslösende – Handlungsorte zugeordnet würden, während einem in Bezug auf Datenspeicherungsvorgänge unreflektiert handelnden „Durchschnittstäter“ lediglich ein Handlungsort am Ort seiner körperlichen Anwesenheit zugeordnet würde. Unklar bleibt, wie der Handlungsort bei Datenübertragungen mittels nicht serverbasiert arbeitender Technologien wie z. B. einem Telefonnetz bestimmt werden soll.576 Einen virtuellen Aufenthalt des Täters in Telefonnetzen zu begründen, erscheint abwegig. Entsprechende Wirkungen würden vom Täter auch selten willensgesteuert herbeigeführt. Letztlich müsste es daher im Falle des Einsatzes nichtserverbasierter Technologien ausschließlich auf die körperliche Anwesenheit des Täters ankommen. Damit aber würden zum einen serverbasierte Technologien zielgerichtet nutzende Täter wertungswidersprüchlich benachteiligt, indem man ihnen mehrere potenziell Strafgewalt auslösende Handlungsorte zuordnete. Zum anderen hinge die an §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB gebundene Zuständigkeit der deutschen Strafjustiz sowie die Reichweite deutscher Verhaltensanforderungen wertungswidersprüchlich von der Tatsache ab, welche Technologie der Täter verwendet.577 572

Siehe oben B. II. 2. e) bb). So schon Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (272); ebenso Falk, S. 227, 229; vgl. auch Mintas, S. 158. 574 Vgl. Mintas, S. 159. 575 Vgl. Dombrowski, S. 37; Feldmann, S. 79; Heinrich, in: FS Weber, S. 91 ff. (99); Hilgendorf, ZStW 113 (2001), S. 650 ff. (666); Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 80. 576 Vgl. zu diesem Aspekt Lagodny, JZ 2001, S. 1198 ff. (1198 f.). 577 Hilgendorf, ZStW 113 (2001), S. 650 ff. (666), und Leupold/Bachmann/Pelz, MMR 2000, S. 648 ff. (653), weisen überdies zutreffend auf Wertungswidersprüchlichkeiten im 573

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Im Schrifttum wird überdies zutreffend darauf hingewiesen, der Standort eines Servers stelle insofern kein adäquates Kriterium zur Bestimmung der Strafverfolgungszuständigkeit und des Geltungsbereichs von Strafnormen dar, als es häufig von Zufälligkeiten abhänge, auf welchen Server Inhalte geladen werden.578 Zudem führte insb. die Tatsache, dass sich der für die Handlungsortbestimmung maßgebliche Standort desjenigen Servers, auf den Inhalte kontrolliert und steuerbar geladen wurden, oft nur schwer ermitteln lässt, zu Ermittlungsproblemen und fehlender Vorhersehbarkeit einer Strafgewaltproklamation.579 Zu Recht wird darüber hinaus eingewendet, der Ansatz führe auch in seinen praktischen Konsequenzen keine wünschenswerten Ergebnisse herbei. Ein im Ausland anwesender Nutzer könne seine Daten bewusst zielgerichtet auf einen in einem solchen Staat stehenden Server laden, der eine für ihn vorteilhafte Rechtslage aufweist. Auf diese Weise würde es Tätern ermöglicht, einen deutschen Handlungsort im Wege des „forum shoppings“ zu vermeiden.580 Der auf die virtuelle Anwesenheit am Serverstandort abstellende Ansatz ist nach alledem abzulehnen. 4. Ergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass vom klassischen Verständnis der Handlungsortsklausel § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB abweichende Ansätze nicht überzeugen. Es bleibt damit – auch bei Internetsachverhalten – dabei: Handlungsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB ist ausschließlich der Ort, an dem der Täter körperlich in dem Moment anwesend ist, in dem er die tatbestandsmäßige Ausführungshandlung vornimmt.

C. Inländischer Erfolgsort, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB Ist damit ein inländischer Handlungsort i.S.d § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB eines im Ausland handelnden Anbieters virtueller Glücksspiele abzulehnen, fragt sich, ob bzw. in welchen Sachverhaltskonstellationen virtueller Offshore-Glücksspielangebote ein inländischer Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB gegeben ist, der § 284 StGB gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB zur Anwendung bringt. Die Beantwortung dieser Frage ist in Anbetracht der Deliktsnatur des § 284 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt (siehe oben 3. Teil C.) problematisch. Fraglich ist, ob abstrakte Hinblick auf Postzusendungen (Handlungsort nur am Ort der körperlichen Anwesenheit des Absenders) einerseits und elektronische Postzusendungen (Handlungsort zusätzlich am Serverstandort) andererseits hin. 578 Heinrich, in: FS Weber, S. 91 ff. (99); Hilgendorf, ZStW 113 (2001), S. 650 ff. (666); Koch, GA 2002, S. 703 ff. (711); Mintas, S. 158. 579 Mintas, S. 159. 580 Dombrowski, S. 37.

C. Inländischer Erfolgsort, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB

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Gefährdungsdelikte einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB aufweisen. I. Klassisches Verständnis: Kein Erfolgsort bei abstrakten Gefährdungsdelikten Klassischerweise wird davon ausgegangen, abstrakte Gefährdungsdelikte wiesen keinen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB auf.581 Als Begründung wird überwiegend angeführt, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB beziehe sich ausschließlich auf Delikte, die eine vom Handlungsvollzug abtrennbare Außenweltveränderung in Form einer Verletzung oder konkreten Gefährdung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts voraussetzten.582 Abstrakte Gefährdungsdelikte setzten eine derartige Außenweltveränderung nicht voraus.583 Dem abstrakten Gefährdungsdelikt § 284 StGB wäre damit mangels tatbestandlich vorausgesetzter Verletzung oder konkreter Gefährdung der geschützten Rechtsgüter Vermögen und Gesundheit ein Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB abzusprechen.584 Insbesondere tatbestandlich vorausgesetzte Handlungswirkungen in Form des Bestehens von Spielbeteiligungsmöglichkeiten (§ 284 Abs. 1 Var. 1 StGB), des Bereitstehens einer Einrichtung (§ 284 Abs. 1 Var. 3 StGB) oder der Wahrnehmbarkeit werbender Inhalte (§ 284 Abs. 4 StGB)585 blieben für die Bestimmung des „zum Tatbestand gehörenden Erfolges“ i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB außer Betracht. Lange Zeit wurde das klassische Verständnis der Erfolgsortsklausel vorwiegend im Schrifttum vertreten. Da dem BGH seit seiner Gründung im Jahr 1950 lange kein Fall vorlag, in dem darüber zu entscheiden war, ob abstrakte Gefährdungsdelikte einen Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB aufweisen, war lange Zeit unklar, ob auch die höchstrichterliche Rechtsprechung die klassische Position einnehmen würde. Im Jahr 2000 hatte der 1. Strafsenat des BGH lediglich in dem berühmten

581 BGH NStZ 2015, 81, 82; BGH NStZ-RR 2013, 253, 253; KG NJW 1999, 3500, 3502; Barton/Gercke/Janssen, wistra 2004, S. 321 ff. (322); Cornils, JZ 1999, S. 394 ff. (395); Dombrowski, S. 100; Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (273); Eser, in: Schönke/Schröder, § 9 Rn. 6a; Heghmanns, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Rn. 21 ff.; ders., JA 2001, S. 276 ff. (278 ff.); Klengel/Heckler, CR 2001, S. 243 ff. (248); Leupold/Bachmann/Pelz, MMR 2000, S. 648 ff. (653); Pelz, ZUM 1998, S. 530 ff. (531); Satzger, NStZ 1998, S. 112 ff. (114 f.). 582 Cornils, JZ 1999, S. 394 ff. (395); Dombrowski, S. 100; Klengel/Heckler, CR 2001, S. 243 ff. (248); Leupold/Bachmann/Pelz, MMR 2000, S. 648 ff. (653); Pelz, ZUM 1998, S. 530 ff. (531); Satzger, NStZ 1998, S. 112 ff. (114 f.). 583 Cornils, JZ 1999, S. 394 ff. (395); Dombrowski, S. 100; Klengel/Heckler, CR 2001, S. 243 ff. (248); Leupold/Bachmann/Pelz, MMR 2000, S. 648 ff. (653); Pelz, ZUM 1998, S. 530 ff. (531); Satzger, NStZ 1998, S. 112 ff. (114 f.). 584 Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (273). 585 Siehe hierzu 3. Teil B III., V. und VII.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Toeben-Fall586 darüber zu entscheiden, ob ein „zum Tatbestand gehörender Erfolg“ des abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikts § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 StGB587 in Deutschland eintritt, wenn ein im Ausland handelnder Täter volksverhetzende Inhalte in Deutschland via Internet abrufbar macht. Der Senat bejahte diese Frage. Er verwies u. a. auf einen – in Anbetracht der auf nationalsozialistische Verbrechen im Dritten Reich bezogenen Inhalte – spezifischen, engen Tatbezug zu Deutschland.588 Im Schrifttum wurde daraufhin kontrovers diskutiert, ob der BGH wohl auch bei abstrakten Gefährdungsdelikten einen Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB bejahen würde.589 Im Jahr 2013 hatte der 2. Strafsenat des BGH schließlich über einen entsprechenden Fall zu entscheiden.590 Zu befinden war darüber, ob das abstrakte Gefährdungsdelikt § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB auf eine in Spanien begangene Geldwäsche mit einer in Deutschland verwirklichten Vortat anwendbar ist. Der Senat stellte – ohne nähere Begründung und ohne große Aufmerksamkeit im Schrifttum erlangt zu haben – fest: „§ 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB weist als abstraktes Gefährdungsdelikt keinen inländischen Erfolgsort im Sinne von § 9 Abs. 1 Alt. 2 StGB auf. Tatort ist daher allein der Ort im Ausland, an dem der Beschuldigte gehandelt hat (§ 9 Abs. 1 Alt. 1 StGB)“591. Im August 2014 entschied der 3. Strafsenat im gleichen Sinne.592 Im Falle von aus Tschechien ins Internet eingespeisten Bildern von Hakenkreuzen (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, § 86a StGB) fehle es trotz inländischer Abrufbarkeit der Inhalte an einem inländischen Erfolgsort, da das abstrakte Gefährdungsdelikt § 86a StGB593 keinen zum Tatbestand gehörenden Erfolg umschreibe.594 II. Abweichende Verständnisse Im Folgenden wird untersucht, ob die Erfolgsortsklausel § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB abweichend vom klassischen Verständnis extensiver dahingehend auszulegen ist, dass auch abstrakte Gefährdungsdelikte einen Erfolgsort aufweisen können. Vor allem drei grundlegend verschiedene Anknüpfungsansätze zur Bestimmung eines „zum Tatbestand gehörenden Erfolges“ abstrakter Gefährdungsdelikte kom586

BGHSt 46, 212. BGHSt 46, 212, 218; Schäfer, in: MK-StGB, § 130 Rn. 9; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 130 Rn. 1a; vgl. auch Krauß, in: LK-StGB, § 130 Rn. 15; Lackner/Kühl, § 130 Rn. 1; Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2067); a.A. (abstraktes Gefährdungsdelikt): Fischer, § 130 Rn. 2a; Junge, S. 78 ff. 588 BGHSt 46, 212, 212. 589 Siehe z. B. Feldmann, S. 93 m.w.N.; Hecker/Schmitt, ZfWG 2006, S. 301 ff. (306). 590 BGH NStZ-RR 2013, 253, 253. 591 BGH NStZ-RR 2013, 253, 253. 592 BGH NStZ 2015, 81, 82. 593 BGHSt 23, 267, 268; BGH NStZ 2015, 81, 82; Paeffgen, in: NK-StGB, § 86a Rn. 2; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 86a Rn. 1. 594 BGH NStZ 2015, 81, 82. 587

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men dabei in Betracht: In Erwägung zu ziehen ist zunächst, einen Erfolgsort an dem Ort zu sehen, an dem die „abstrakte Gefahr“ besteht, die den Gesetzgeber zur Pönalisierung der tatbestandlich umschriebenen Handlung bewogen hat (hierzu 1.). Denkbar wäre zudem, einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ an dem Ort anzunehmen, an dem eine vom Tatbestand des abstrakten Gefährdungsdelikts vorausgesetzte Wirkung eintritt (hierzu 2.). Schließlich könnte man erwägen, den Ort, an dem die „abstrakte Gefahr“ in eine konkrete Gefährdung oder Verletzung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts „umschlägt“, als Erfolgsort abstrakter Gefährdungsdelikte anzusehen (hierzu 3.). 1. Abstrakter Gefährdungsort als Erfolgsort Eine verbreitete Auffassung im Schrifttum vertritt den erstgenannten Ansatz. Bei abstrakten Gefährdungsdelikten liege ein Erfolg i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB in der abstrakten Gefährlichkeit der pönalisierten Tathandlung für das tatbestandlich geschützte Rechtsgut.595 Ein Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB befinde sich an dem Ort, an dem sich die abstrakte Gefahr realisieren könnte.596 Begründet wird diese Auffassung u. a. mit der Ratio abstrakter Gefährdungsdelikte. Der Gesetzgeber habe sich in Fällen, in denen er abstrakte Gefährdungsdelikte schafft, dazu entschieden, die Strafbarkeit zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes weit auszudehnen.597 Diese gesetzgeberische Intention dürfe nicht durch eine enge Auslegung des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB unterlaufen werden.598 Um der abstrakten Gefährdungsdelikten zugrunde liegenden gesetzgeberischen Intention Rechnung zu tragen, bedürfe es vielmehr einer weiten Auslegung des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB dahingehend, dass Fälle, in denen das durch den abstrakten Gefährdungstatbestand missbilligte Risiko eines Rechtsgutsschadens – die „abstrakte Gefahr“ – in Deutschland eintritt, der deutschen Strafgewalt unterfallen.599 In systematischer 595 Hecker, ZStW 115 (2003) S. 880 ff. (886); Heinrich, GA 1999, S. 72 ff. (82); Hoyer, in: SK-StGB, 29. Lfg. Juli 1997, § 9 Rn. 7; Jofer, S. 109; Klam, S. 55 ff.; Lehle, S. 104, 165; Martin, ZRP 1992, S. 19 ff. (20); Mintas, S. 154 f.; Volk, S. 215. 596 Hecker, ZStW 115 (2003) S. 880 ff. (887 f.); Heinrich, GA 1999, S. 72 ff. (82); Martin, ZRP 1992, S. 19 ff. (20); Mintas, S. 154 f. 597 Vgl. Hecker, ZStW 115 (2003), S. 880 ff. (888); Heinrich, GA 1999, S. 72 ff. (81); Martin, ZRP 1992, S. 19 ff. (20); Volk, S. 215. 598 Hecker, ZStW 115 (2003), S. 880 ff. (888); Heinrich, GA 1999, S. 72 ff. (81); Martin, ZRP 1992, S. 19 ff. (20); Volk, S. 215. Für eine Auslegung des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der einschlägigen Strafnorm auch BGHSt 42, 235, 242. 599 Hecker, ZStW 115 (2003), S. 880 ff. (888); Heinrich, GA 1999, S. 72 ff. (81); Martin, ZRP 1992, S. 19 ff. (20); Volk, S. 215. In ähnlicher Weise argumentierte der BGH in der Toeben-Entscheidung in Bezug auf den Erfolgsort des abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikts § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 StGB. Der Erfolgsort abstrakt-konkreter Gefährdungsdelikte liege an demjenigen Ort, an dem die „konkrete Tat ihre Gefährlichkeit im Hinblick auf das im Tatbestand umschriebene Rechtsgut entfalten kann“, BGHSt 46, 212, 221. Bei § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB sei das „die konkrete Eignung zur Friedensstörung in der Bundesrepublik Deutschland“, BGHSt 46, 212, 221. Deutsches Strafrecht solle nach §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Hinsicht spreche § 13 StGB für die Einordnung einer „abstrakten Gefahr“ als „zum Tatbestand gehörender Erfolg“ i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB.600 Die Norm setze voraus, dass der Täter „es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört“. Da abstrakte Gefährdungsdelikte i.S.d. § 13 StGB durch Unterlassen begangen werden könnten,601 sei davon auszugehen, dass diese einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ aufweisen.602 In Bezug auf die Anwendbarkeit des § 284 StGB auf virtuelle OffshoreGlücksspielangebote hätte die Lehre vom Erfolgsort der abstrakten Gefahr603 folgende Konsequenzen: Der „abstrakte Gefährdungsort“ läge jedenfalls an jedem Ort, an dem sich Spieler via Internet am virtuellen Glücksspiel beteiligen könnten, da sich die „abstrakte Gefahr“ von spielmanipulationsbedingten Vermögensschäden der Spielteilnehmer sowie von Vermögens- und Gesundheitsschäden nicht freiverantwortlich handelnder minderjähriger und spielsüchtiger Personen an diesem Ort möglicherweise realisieren könnte.604 Damit wäre § 284 StGB gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB auf alle von § 284 StGB erfassten Aktivitäten virtueller OffshoreGlücksspielanbieter anwendbar, die sich auf ein in Deutschland spielbares virtuelles Glücksspiel beziehen.605 Da nahezu alle via Internet angebotenen virtuellen Glücksspiele auch in Deutschland angeboten werden, unterlägen nahezu alle virtuellen Online-Glücksspielangebote weltweit der deutschen Strafgewalt.606 Neben Glücksspielangeboten würden auch alle sonstigen via Internet in Deutschland abrufbaren Inhalte, deren Veröffentlichung von abstrakten Gefährdungsdelikten des deutschen Strafrechts pönalisiert wird (z. B. volksverhetzende Inhalte, § 130 StGB, oder bestimmte pornografische Inhalte, §§ 184 ff. StGB607), von der deutschen Strafgewalt erfasst.608 „Anwendung finden, sofern es im Inland zu der Schädigung von Rechtsgütern oder zu Gefährdungen kommt, deren Vermeidung Zweck der jeweiligen Strafvorschrift ist“, BGHSt 46, 212, 220. 600 Hecker, ZStW 115 (2003), S. 880 ff. (886 f.); Heinrich, GA 1999, S. 72 ff. (78); Lehle, S. 78 ff.; Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2068). 601 So die h.M., BGHSt 46, 212, 222; Lackner/Kühl, § 13 Rn. 6; Stree/Bosch, in: Schönke/ Schröder, § 13 Rn. 3 m.w.N.; a.A. Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, 119. Lfg. September 2009, § 13 Rn. 14; Weigend, in: LK-StGB, § 13 Rn. 14 ff. 602 Heinrich, GA 1999, S. 72 ff. (78); Lehle, S. 78 ff.; Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2068). 603 Begrifflichkeit nach Heghmanns, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Rn. 22. 604 Bertrand, S. 290; Feldmann, S. 87; i.E. ebenso auch Falk, S. 237, der allerdings auf „eine mögliche abstrakte Gefährdung der von § 284 I StGB verfolgten Regelungszwecke“, die u. a. in der Wahrung fiskalischer Interessen des Staates bestünden, anstatt auf eine „abstrakte Gefährdung“ der von § 284 Abs. 1 StGB geschützten Rechtsgüter abstellt. 605 Vgl. Bertrand, S. 290; Feldmann, S. 87; a.A. Mintas, S. 155: „Möglichkeit der Abrufbarkeit der entsprechenden Internetseiten durch deutsche Internetnutzer“. 606 Ähnlich Feldmann, S. 87; vgl. auch Mintas, S. 145. 607 §§ 184a, 184b Abs. 1 und 2 sowie § 184c Abs. 1 und 2, jeweils auch in Verbindung mit § 184d Abs. 1 S. 1 finden zumindest dem gesetzgeberischen Willen nach ohnehin über § 6 Nr. 6 StGB tatort- und tatortstrafbarkeitsunabhängig weltweite Anwendung.

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Die damit einhergehende Proklamation eines weltweiten Verhaltensbewertungsanspruchs im Bereich der Internetverbreitungskriminalität und einer entsprechenden Zuständigkeit der deutschen Strafjustiz wird auch von den Vertretern eines Erfolgsortes der abstrakten Gefahr überwiegend als zu weitgehend erachtet.609 Die völkerrechtlichen, individualfreiheitsrechtlichen und ressourcenökonomischen Mängel einer derart weiten Strafgewaltproklamation wurden bereits im Rahmen der Diskussion einer extensiven Interpretation der Handlungsortsklausel dargelegt [siehe oben B. II. 2. e) cc)]. Überwiegend610 halten Vertreter einer extensiven Interpretation der Erfolgsortsklausel daher eine teleologische, völkerrechtskonforme Reduktion des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB im Bereich der Internetverbreitungskriminalität für erforderlich. a) Objektive Einschränkung Diskutiert wird zum einen eine Einschränkung des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB anhand objektiver Kriterien. Gefordert wird ein spezifischer territorialer Bezug der Tat zur Bundesrepublik Deutschland.611 Ein solcher wird bei strafbaren Internetpublikationen beispielsweise in der Abfassung in deutscher Sprache612 oder dem Bezug der Publikation zu deutschen Sachverhalten613 gesehen. Im Hinblick auf Internetglücksspielangebote wird konkret vorgeschlagen, indiziell darauf abzustellen, ob die Angebote in deutscher Sprache abgefasst sind, Bezüge der angebotenen Spiele zu Deutschland bestehen (Bsp.: Wetten auf deutsche Sportveranstaltungen), ob das Glücksspiel in Deutschland beworben wird und/oder ob das Angebot von Spielern aus Deutschland vergleichsweise hoch frequentiert ist.614 Teilweise wird auch danach 608

Vgl. Ambos, in: MK-StGB, § 9 Rn. 31; Bertrand, S. 290; Cornils, JZ 1999, S. 394 ff. (395); Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (273); Heghmanns, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Rn. 21; Klengel/Heckler, CR 2001, S. 243 ff. (247); Leupold/Bachmann/Pelz, MMR 2000, S. 648 ff. (654); Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2067). 609 Vgl. statt vieler Conradi/Schlömer, NStZ 1996, S. 36 ff. (369); Klam, S. 57. 610 Nur ausnahmsweise wird eine Allzuständigkeit der deutschen Strafjustiz für Internetsachverhalte unter Verzicht auf eine Reduktion des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB bejaht, so z. B. Flechsig/Gabel, CR 1998, S. 351 ff. (352). 611 Fritzemeyer/Rinderle, CR 2003, S. 599 ff. (601); Spindler, MMR 2000, S. 279 ff. (280). Auch der BGH verlangte in der Toeben-Entscheidung in Bezug auf das abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikt § 130 Abs. 1, 3 StGB einen spezifischen Inlandsbezug der Inhalte. Einen besonderen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland bejahte der Senat aufgrund der „Einzigartigkeit der unter der Herrschaft des Nationalsozialismus an den Juden begangenen Verbrechen“, BGHSt 46, 212, 224. 612 Fritzemeyer/Rinderle, CR 2003, S. 599 ff. (601). Demgegenüber bejahte das OLG Hamburg MMR 2000, 92, 94 einen hinreichenden Inlandsbezug auch bei englischsprachigen Glücksspielangeboten. 613 Postel, WRP 2006, S. 703 ff. (706). 614 Vgl. Dietlein/Woesler, K&R 2003, S. 458 ff. (462); Hecker/Schmitt, ZfWG 2006, S. 301 ff. (306); Stögmüller, K&R 2002, S. 27 ff. (32).

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

geschaut, ob eine deutsche Domain verwendet wird615 oder der Anbieter eine deutsche Bankverbindung angibt616. b) Subjektive Einschränkung Andere Autoren617 plädieren für eine Reduktion des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB anhand subjektiver Kriterien. Eine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB sei nur zu bejahen, sofern der Täter ein „finales Interesse“ i.S.v. direktem Vorsatz daran habe, die Wirkungen seiner Handlung in Deutschland herbeizuführen.618 „Nur der Täter, der wirklich über das Internet in Deutschland wirken will“, sei „dem deutschen Strafrecht zu unterstellen“619. Hinsichtlich OffshoreGlücksspielangeboten führte dieser Ansatz i. d. R. zu keiner Einschränkung, da der Glücksspielanbieter i. d. R. die Absicht hat, das Glücksspiel in jedem Land der Welt, also auch in Deutschland, anzubieten.620 c) Würdigung aa) „der zum Tatbestand gehörende Erfolg“ Der Gesetzgeber bedroht abstrakte Gefährdungsdelikte mit Strafe, weil er eine bestimmte Handlung für das durch den Straftatbestand geschützte Rechtsgut als so risikoreich einstuft, dass er bereits ihre bloße Vornahme unabhängig vom Eintritt einer konkreten Rechtsgutsgefährdung oder -verletzung zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes für pönalisierungsbedürftig hält.621 Die Rechtsanwendung wird dabei insofern erleichtert, als es eines oft schwierig zu führenden622 Nachweises einer konkreten Gefährdungssituation nicht bedarf.623 Der tatbestandsmäßigen Handlung 615 Fischer, S. 56; Hecker/Schmitt, ZfWG 2006, S. 301 ff. (306); Postel, WRP 2006, S. 703 ff. (706). 616 Fischer, S. 56; Postel, WRP 2006, S. 703 ff. (706). 617 Collardin, CR 1995, S. 618 ff. (621); Conradi/Schlömer, NStZ 1996, S. 366 ff. (369); Engel, AfP 1996, S. 220 ff. (226). 618 Collardin, CR 1995, S. 618 ff. (621); Conradi/Schlömer, NStZ 1996, S. 366 ff. (369); Engel, AfP 1996, S. 220 ff. (226). 619 Collardin, CR 1995, S. 618 ff. (621). 620 Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (273); Klam, S. 67; a.A. wohl Mintas, S. 165: „Nach dieser subjektiven Abgrenzung wären nur solche Glücksspielangebote strafrechtlich relevant, deren Anbieter gerade darauf abzielen, deutsche Staatsangehörige als Kunden zu gewinnen.“ (Hervorhebung nur hier). 621 Vgl. Heghmanns, Straftatbestände zum Schutz von Verwaltungsrecht oder Verwaltungshandeln, S. 167; ders., in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Rn. 21; Jescheck/Weigend, § 26 II 2; Roxin, AT I, § 11 Rn. 153. 622 Heghmanns, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Rn. 21. 623 Vgl. Feldmann, S. 98; Heghmanns, Straftatbestände zum Schutz von Verwaltungsrecht oder Verwaltungshandeln, S. 161; ders., in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Rn. 21; Wessels/ Beulke/Satzger, AT, Rn. 43.

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ist immanent, dass sie möglicherweise eine Verletzung des geschützten Rechtsguts herbeiführen kann.624 Diese – gemeinhin als „abstrakte Gefahr“ bezeichnete – Möglichkeit ist ein Charakteristikum der tatbestandsmäßigen Handlung.625 Sie stellt aber keine äußerlich abtrennbare Wirkung dieser Handlung i.S.e. Erfolgs dar.626 Ordnete man die Rechtsgutsverletzungsmöglichkeit der Erfolgsortsklausel § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB zu, setzte man sich nicht nur über den auf den Eintritt eines Erfolges rekurrierenden Wortlaut des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB und die eine klare Trennung zwischen Handlung und Wirkung implizierende Systematik des § 9 Abs. 1 StGB hinweg.627 Ein derartiges Verständnis führte auch dazu, dass sich ein Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB bei abstrakten Gefährdungsdelikten, bei denen sich die Rechtsgutsverletzungsmöglichkeit nicht auf einen umgrenzten Raum beschränkt, gar nicht i.S.e. abgrenzbaren Tatortbestimmung lokalisieren ließe.628 bb) Arg. e. § 13 StGB Das von einigen Vertretern der Lehre vom Erfolgsort der abstrakten Gefahr vorgebrachte Argument, aus § 13 StGB folge, dass abstrakte Gefährdungsdelikte einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ aufweisen und daher unter §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB fallen, lässt – ganz abgesehen von der Frage, ob abstrakte Gefährdungsdelikte überhaupt durch Unterlassen begangen werden können629 – die fehlende Vergleichbarkeit der §§ 13 StGB und 9 Abs. 1 Var. 3 StGB außer Acht. Im Rahmen des § 13 StGB besteht die Notwendigkeit einer klaren, die Lokalisierbarkeit eines Erfolges ermöglichenden, Differenzierung zwischen Handlung bzw. Unterlassen und Erfolg nicht im gleichen Maße wie es bei der besondere Vorhersehbarkeit für den Normadressaten und Praktikabilität für den Rechtsanwender erfordernden strafverfolgungszuständigkeitsrelevanten Tatortbestimmungsnorm § 9 Abs. 1 Var. 3 624

Feldmann, S. 98; Satzger, NStZ 1998, S. 112 ff. (116). Ebenso Falk, S. 239; Feldmann, S. 98; Satzger, NStZ 1998, S. 112 ff. (114). 626 Ebenso Falk, S. 239; Feldmann, S. 98. 627 Siehe hierzu bereits oben B. II. 2. e) aa); ebenso Heghmanns, in: Achenbach/Ransiek/ Rönnau, Rn. 24. 628 In diese Richtung auch Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2068). Wenn Feldmann, S. 98, darüber hinaus einwendet, eine „abstrakte Gefahr“ lasse sich dem Wortlaut nach nicht als i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB „zum Tatbestand“ des in Bezug genommenen Delikts „gehörend“ ansehen, vermag das allerdings nicht zu überzeugen. Zwar gehört eine „abstrakte Gefahr“ nicht i.S.e. Tatbestandsmerkmals zum Tatbestand abstrakter Gefährdungsdelikte. In der gesetzlichen Konzeption kommt das etwa darin zum Ausdruck, dass sich der Tätervorsatz bei abstrakten Gefährdungsdelikten nicht auf die „abstrakte Gefährlichkeit“ der Handlung beziehen muss, so auch Fischer, GA 1989, S. 445 ff. (447); Klengel/Heckler, CR 2001, S. 243 ff. (248, Fn. 62), und abstrakte Gefährdungsdelikte keinen Kausalzusammenhang zwischen Handlung und „abstrakter Gefährlichkeit“ voraussetzen. Unter den Passus „zum Tatbestand gehörend“ lassen sich allerdings – aus semantischer Sicht – nicht zwingend nur Tatbestandsmerkmale fassen. Auch den Unrechtstatbestand charakterisierende Eigenschaften – wie bei abstrakten Gefährdungsdelikten die „abstrakte Gefährlichkeit“ der Tathandlung – können dem Wortsinn nach als „zum Tatbestand gehörend“ angesehen werden. 629 Siehe hierzu Fn. 601. 625

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

StGB der Fall ist.630 Da sich in § 13 StGB – anders als in § 9 Abs. 1 StGB – die Begriffe Unterlassen und Erfolg nicht ausdrücklich gegenüberstehen, ist eine solche Differenzierung zudem im Wortlaut des § 13 StGB nicht gleichermaßen deutlich angelegt.631 Im Regelungskontext des § 13 StGB gewonnene Erkenntnisse zum Erfolg abstrakter Gefährdungsdelikte lassen sich daher nicht auf § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB übertragen.632 cc) Korrelation zwischen Schutzzweck des Straftatbestands und § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB Auch das vorgebrachte Argument, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB müsse extensiv ausgelegt werden, um der abstrakten Gefährdungsdelikten zugrunde liegenden gesetzgeberischen Intention, die Strafbarkeit auf die Vornahme einer „abstrakt gefährlichen“ Handlung vorzuverlagern, bei grenzüberschreitenden Taten Rechnung tragen zu können, sieht sich Kritik ausgesetzt. Hinge die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts unter Ausblendung der in § 9 Abs. 1 StGB genannten Voraussetzungen maßgeblich davon ab, welche Intention der Gesetzgeber mit der Schaffung eines Straftatbestandes verfolgt, würde das §§ 3 ff. StGB zugrunde liegende, differenzierte, auf völkerrechtliche Vorgaben zur Achtung der Souveränität anderer von der Tat betroffener Staaten633 ausgerichtete Regelungssystem unterlaufen. Sind die im Normtext der §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB genannten Voraussetzungen nicht erfüllbar, werden sie aber gleichwohl unter Berufung auf die hinter dem betreffenden Straftatbestand stehende gesetzgeberische Intention zur Anknüpfung deutscher Strafgewalt herangezogen, bedeutet dies eine täterbelastende Rechtsfortbildung. Diese wäre – je nachdem ob man §§ 3 ff. StGB am Grundsatz „nulla poena sine lege“ misst634 – entweder nach Art. 103 Abs. 2 GG635 und Art. 7 Abs. 1 EMRK oder jedenfalls mangels planwidriger Regelungslücke und vergleichbarer Interessenlage nach dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG verboten636. Sofern der Gesetzgeber den Anwendungsbereich einer Strafnorm mit dem Ziel des universalen Schutzes des tatbestandlich geschützten Rechtsguts tatortunabhängig weltweit erstrecken möchte, hat er in begrenzten Fällen unter engen Voraussetzungen ggf. die Möglichkeit, die Norm in § 5 oder § 6 StGB aufzunehmen.637

630

Ähnlich Brugger, S. 112. Ebenso Heghmanns, JA 2001, S. 276 ff. (279). 632 Ebenso Brugger, S. 112; Heghmanns, JA 2001, S. 276 ff. (279). 633 Vgl. zu diesem Aspekt BGH NStZ 2015, 81, 82; Roegele, S. 53 ff., 132 ff. 634 Siehe hierzu E. II. 1. a). 635 So z. B. Feldmann, S. 103; Heghmanns, JA 2001, S. 276 ff. (280); Kienle, S. 130 ff. 636 Zur die Rechtsanwendung begrenzenden Funktion des allgemeinen Rechtsstaatsprinzips siehe auch E. II. 1. a) und b). 637 Vgl. Feldmann, S. 103. 631

C. Inländischer Erfolgsort, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB

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dd) Arg. e. § 5 StGB Eine Aufnahme abstrakter Gefährdungsdelikte in § 5 oder § 6 StGB wäre im Regelungssystem der §§ 3 ff. StGB kein Novum. Derzeit sind beispielsweise die abstrakten Gefährdungsdelikte §§ 153 ff. StGB638 in § 5 Nr. 10 StGB genannt. §§ 153 ff. StGB finden demnach auf Fälle Anwendung, bei denen innerhalb eines vor einem inländischen Gericht oder einer anderen inländischen Stelle anhängigen Verfahrens eine den Tatbestand der §§ 153 ff. StGB verwirklichende Aussage im Ausland getätigt wird. Im Schrifttum639 wird zutreffend darauf hingewiesen, dass es einer Aufnahme der §§ 153 ff. StGB in § 5 StGB nicht bedurft hätte, wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen wäre, dass abstrakte Gefährdungsdelikte einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB aufweisen. In den von § 5 Nr. 10 StGB in Bezug genommenen Fällen, in denen eine Falschaussage vor einer im Ausland befindlichen „Stelle“640 im Rahmen eines bei einer inländischen „Stelle“ anhängigen Verfahrens getätigt wird,641 ist nämlich aufgrund des Bezuges der Falschaussage auf ein Verfahren vor einer deutschen Behörde immer eine „abstrakte Gefahr“ für die durch §§ 153 ff. StGB geschützte Funktionsfähigkeit der deutschen Rechtspflege im Inland gegeben.642 Unter Zugrundelegung der Lehre vom Erfolgsort der abstrakten Gefahr handelte es sich damit immer (auch) um eine Inlandstat. §§ 153 ff. StGB kämen deshalb ohnehin immer nach §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB zur Anwendung.643 Entsprechendes gilt beispielsweise für das in § 5 Nr. 3 lit. a StGB genannte abstrakte Gefährdungsdelikt § 89 StGB (Verfassungsfeindliche Einwirkung auf Bundeswehr und öffentliche Sicherheitsorgane)644, da auch hier immer eine „abstrakte Gefahr“ für das geschützte Rechtsgut „Bestand und Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sowie deren verfassungsmäßige Ordnung iS des § 92 Abs. 2“645 und damit nach der Lehre vom Erfolgsort der abstrakten Gefahr eine Inlandstat gegeben ist. In § 5 Nr. 10 StGB und § 5 Nr. 3 lit. a StGB kommt damit die Wertung zum Ausdruck, dass eine „abstrakte Gefahr“ keinen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB darstellt.646 638 BGH NJW 1999, 2380, 2380; Lenckner/Bosch, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 153 ff., Rn. 2a; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 75 Rn. 9; Müller, in: MK-StGB, Vor §§ 153 ff. Rn. 18. 639 Falk, S. 243; Feldmann, S. 98; Satzger, NStZ 1998, S. 112 ff. (116). 640 Beispielsweise einem ausländischen Gericht oder Konsulat, vgl. Eser, in: Schönke/ Schröder, § 5 Rn. 18. 641 Vgl. Eser, in: Schönke/Schröder, § 5 Rn. 18. Den Hauptanwendungsfall bilden Falschaussagen im Rahmen deutscher Rechtshilfeverfahren, die vor einer ausländischen Stelle getätigt werden, Eser, ebd. 642 Feldmann, S. 98; Satzger, NStZ 1998, S. 112 ff. (116). 643 Feldmann, S. 98; Satzger, NStZ 1998, S. 112 ff. (116). 644 Paeffgen, in: NK-StGB, § 89 Rn. 5; Steinmetz, in: MK-StGB, § 89 Rn. 2. 645 Steinmetz, in: MK-StGB, § 89 Rn. 1; siehe auch Paeffgen, in: NK-StGB, § 89 Rn. 2. 646 So auch – in Bezug auf § 5 Nr. 10 StGB – Feldmann, S. 98; Satzger, NStZ 1998, S. 112 ff. (116).

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

ee) Reduktion des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB? Die von den meisten Vertretern der Lehre vom Erfolgsort der abstrakten Gefahr vorgenommene Reduktion des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB ist ausgehend von der ihr zugrunde liegenden Prämisse, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB nehme abstrakte Gefährdungen als „zum Tatbestand gehörender Erfolg“ in Bezug, konsequent. Vor allem ist sie geboten, um die deutsche Strafgewaltproklamation mit Rücksicht auf die Souveränität anderer Staaten nicht als weltweite Strafgewaltanmaßung für Internetdelikte erscheinen zu lassen, die mangels spezifischen Tatbezuges zur BRD gegen das Interventionsverbot verstieße [siehe hierzu oben B. II. 2. e) cc)]. Auch gelangen einige Reduktionsansätze insoweit zu rechtspolitisch erstrebenswerten Ergebnissen, als sie einerseits eine Inanspruchnahme weltweiter Strafgewalt hinsichtlich weltweit „abstrakt gefährlicher“ Verhaltensweisen vermeiden, andererseits aber deutsches Strafrecht zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes auf inländischem Territorium zur Anwendung kommen lassen, wenn die Tat einen engen Bezug zu Deutschland aufweist.647 Auf Basis der oben gewonnenen Erkenntnisse stellt sich die Prämisse, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB nehme abstrakte Gefährdungen als „zum Tatbestand gehörender Erfolg“ in Bezug, allerdings als unzutreffend dar. Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, schließt der Normtext des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB „abstrakte Gefahren“ vielmehr als „zum Tatbestand gehörender Erfolg“ aus. Ein so verstandener § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB steht in Einklang mit seinem – eine klare, abgrenzbare Lokalisierbarkeit des Tatortes erfordernden – Regelungszweck und dem völkerrechtlichen Interventionsverbot. Ausgehend von dieser Ansicht bedarf es keiner Korrektur im Wege der Normreduktion.648 Abgesehen davon wird im Schrifttum zutreffenderweise darauf hingewiesen, dass viele Reduktionsvorschläge auch ohnehin nicht geeignet sind, eine adäquate Anknüpfung deutscher Strafgewalt zu statuieren.649 So ist etwa eine Anknüpfung an deutschsprachige Inhalte insofern ungeeignet, als auch in Österreich und der Schweiz deutsch gesprochen wird.650 Zudem können z. B. auch englischsprachige Inhalte einen engen, spezifischen Bezug zu Deutschland aufweisen.651 Ohnehin vermag die Angebotssprache insofern häufig keinen spezifischen Bezug des Glücksspielangebotes zum Inland zu begründen, als viele Online-Glücksspiele in zahlreichen Sprachen angeboten werden. Dem Reduktionsansatz, der auf ein finales Interesse des Täters abstellt, rechtswidrige Inhalte in Deutschland abrufbar zu ma647

Vgl. auch Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2068). So i.E. auch Hilgendorf, NJW 1997, S. 1873 ff. (1876); ders., ZStW 113 (2001), S. 650 ff. (661). 649 Vgl. z. B. Bertrand, S. 296; Breuer, MMR 1998, S. 141 ff. (144); Hilgendorf, ZStW 113 (2001), S. 650 ff. (661); Leupold/Bachmann/Pelz, MMR 2000, S. 648 ff. (654); Mintas, S. 162 ff. 650 Bertrand, S. 296; Breuer, MMR 1998, S. 141 ff. (144); Klam, S. 68. 651 Vgl. Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 49. 648

C. Inländischer Erfolgsort, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB

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chen, fehlt es aufgrund schwieriger Nachweisbarkeit eines solchen Interesses an Praktikabilität.652 Wie die Anwendung des Ansatzes auf virtuelle OffshoreGlücksspielangebote gezeigt hat, führt insbesondere dieser Ansatz außerdem häufig auch gar keine Einschränkung der deutschen Strafgewalt herbei, weshalb er eine völkerrechtskonforme Korrektur oftmals gar nicht gewährleisten kann.653 Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich eine weite Strafgewaltproklamation für via Internet verwirklichte abstrakte Gefährdungsdelikte über §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB auch nicht im Wege einer Verfahrenseinstellung nach § 153c Abs. 3 StPO adäquat korrigieren ließe.654 Zwar nimmt § 153c Abs. 3 StPO Fälle in Bezug, in denen Straftaten vom Ausland aus im Inland „begangen“ werden und hat damit § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB unterfallende Fälle im Blick. Würden allerdings zunächst sämtliche abstrakte Gefährdungsdelikte verwirklichende in Deutschland abrufbaren Internetinhalte dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts unterfallen, dann aber in der Mehrzahl der Fälle der deutschen Strafgewalt auf prozessualer Ebene wieder entzogen werden, würde die Verfahrenseinstellung nach § 153c Abs. 3 StPO hier zum Regelfall. Mit der gesetzlichen Regelung des § 153c Abs. 3 StPO, wonach nur solche eng umgrenzten Fälle der deutschen Strafgewalt entzogen werden sollen, in denen „die Durchführung des Verfahrens die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde“ oder „der Verfolgung sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen“ ließe sich eine derart extensive Handhabung der Norm nicht vereinbaren.655 Abgesehen davon wäre eine prozessuale Korrektur über § 153c Abs. 3 StPO ohnehin nicht in der Lage, die den Freiheitsrechten der Betroffenen sowie den Souveränitätsinteressen ausländischer Staaten zuwiderlaufende Konsequenz zu verhindern, dass die Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Internetverbreitungskriminalität zunächst über §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB im Wege der regelmäßigen Erstreckung deutscher Verhaltensanforderungen weitläufige Regelungsgewalt in Anspruch nähme. Ob auf eine Durchsetzung der anwendbaren Verhaltensanforderungen im Einzelfall verzichtet würde, hinge regelmäßig von einer für den Beschuldigten nicht sicher vorhersehbaren Ermessensentscheidung der Staatsanwaltschaft ab. ff) Ergebnis Der Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB bestimmt sich bei abstrakten Gefährdungsdelikten nicht danach, wo eine „abstrakte Gefahr“ für das tatbestandlich

652 Bertrand, S. 293, 296; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), S. 650 ff. (661); Klam, S. 66 f.; Leupold/Bachmann/Pelz, MMR 2000, S. 648 ff. (654); Mintas, S. 167; Volk, S. 223. 653 Vgl. Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (273). 654 Für eine Einschränkung über § 153c StPO hingegen Jofer, S. 118 f.; siehe auch – u. a. in Bezug auf die Rechtslage in Österreich und der Schweiz – Schwarzenegger, Sic! 2001, S. 240 ff. (247 ff., insb. Fn. 21). 655 I. E. ebenso Dombrowski, S. 99.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

geschützte Rechtsgut besteht. Ein Erfolgsort des abstrakten Gefährdungsdelikts § 284 StGB kann über diesen Begründungsansatz also nicht hergeleitet werden. 2. Anknüpfung an die Tatbestandsumschreibung Näher als eine Bestimmung des Erfolgsortes in Anknüpfung an den Eintritt einer „abstrakten Gefahr“ liegt es, zur Bestimmung des Erfolgsortes abstrakter Gefährdungsdelikte – im eingangs zweitgenannten Sinne – darauf abzustellen, ob in der Tatbestandsumschreibung der Eintritt einer Wirkung vorausgesetzt wird und bejahendenfalls diese Wirkung als einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ einzuordnen. Dort, wo eine solche Wirkung eintritt, läge dann ein Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB. Seinem grundlegenden Gehalt nach entspricht diese Vorgehensweise der von Sieber entwickelten Lehre vom Tathandlungserfolg656. Demnach fallen auch sog. Tathandlungserfolge unter den in § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB enthaltenen Erfolgsbegriff.657 Tathandlungserfolg i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB sei jede „vom Täter verursachte, ihm zurechenbare und im einschlägigen Tatbestand genannte Folge seiner Handlung“658. Liege ein solcher Tathandlungserfolg im Inland, sei ein inländischer Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB auch in Fällen zu bejahen, in denen „der Täter zwar im Ausland handelt, die Tathandlung sich jedoch im Inland realisiert“659. Siebers Lehre vom Tathandlungserfolg wurde ursprünglich für die Ermittlung des Erfolgsortes bei dem abstrakten Gefährdungsdelikt660 § 130 Abs. 2 StGB (Verbreitung volksverhetzender Schriften) entwickelt. Die in dieser Norm enthaltenen Begriffe „zugänglich machen“ und „verbreiten“ bezeichneten sowohl eine Handlung, beispielsweise die Eingabe bestimmter Befehle zwecks Publikation volksverhetzender „Schriften“ im Internet, als auch deren Wirkung, etwa in Form des Zugangs beim Adressaten bzw. der öffentlichen Abrufbarkeit der volksverhetzenden „Schriften“ im Internet.661 In ihrer uneingeschränkten Ausgangsform führte die Lehre vom Tathandlungserfolg damit zur Anwendbarkeit des § 130 Abs. 2 StGB gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB, sobald die genannte Wirkung in Deutschland eintritt. Auch § 284 StGB normiert ein abstraktes Gefährdungsdelikt, dessen Tatbestandsumschreibung in den meisten Begehungsmodalitäten einen Eintritt von Wir-

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Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2068 f.). 658 Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2070). 659 Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2068). 660 Fischer, § 130 Rn. 2a; Krauß, in: LK-StGB, § 130 Rn. 15, 73; Rackow, in: BeckOKStGB, § 130 Rn. 8; Schäfer, in: MK-StGB, § 130 Rn. 12. 661 Vgl. Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2071). 657

C. Inländischer Erfolgsort, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB

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kungen voraussetzt.662 So bedarf es zur Verwirklichung der Begehungsmodalität des Veranstaltens eines Glücksspiels i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB eines Bestehens von Spielbeteiligungsmöglichkeiten als Folge des Handlungsvollzugs, der z. B. in einer Eingabe von auf das Laden eines Online-Glücksspielangebots auf einen Server gerichteter Befehle liegen kann (siehe oben 3. Teil B. III.). Ein inländischer Erfolgsort des Veranstaltens wäre demnach zu bejahen, sofern in Deutschland eine Spielbeteiligungsmöglichkeit besteht.663 Da das bei nahezu sämtlichen Internetglücksspielen weltweit der Fall ist, fände deutsches Glücksspielstrafrecht auf nahezu sämtliche Internetglücksspielveranstaltungen weltweit Anwendung.664 Entsprechendes würde für das Bereitstellen von Einrichtungen wie z. B. der Glücksspielwebseite und -software (§ 284 Abs. 1 Var. 3 StGB) gelten, welches den Eintritt einer Wirkung in Form des Bereitstehens der Einrichtung voraussetzt (siehe oben 3. Teil B. V.). Diese Wirkung läge an jedem Ort, an dem das Glücksspiel im Wege des Abrufs der Glücksspielwebseite und -software bzw. einer Applikation spielbar ist. Ein inländischer Erfolgsort des Werbens für ein illegales Glücksspiel i.S.d. § 284 Abs. 4 StGB mit der tatbestandlich vorausgesetzten Wirkung der Wahrnehmbarkeit der werbenden Inhalte (siehe hierzu oben 3. Teil B. VII.) wäre zu bejahen, sofern die § 284 Abs. 4 StGB verwirklichende Glücksspielwerbung in Deutschland wahrnehmbar wäre. Ein im Ausland ablaufendes Halten des Glücksspiels (§ 284 Abs. 1 Var. 2 StGB) hingegen würde von §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB mangels tatbestandlich vorausgesetzter Außenweltveränderung nicht erfasst. Zur Tatbestandsverwirklichung genügt eine eigenverantwortliche Spielüberwachung ohne jegliche Auswirkung (siehe hierzu oben 3. Teil B. IV.). Siebers Lehre vom Tathandlungserfolg führt damit bei uneingeschränkter Anwendung in Bezug auf § 284 StGB ähnliche Konsequenzen herbei wie die soeben diskutierte Lehre vom Erfolgsort der abstrakten Gefahr sowie die Ansicht, die einen Handlungsort einer Glücksspielveranstaltung an jedem Ort der Spielbeteiligungsmöglichkeit annimmt. Dem letztgenannten Ansatz ähnelt sie zudem in ihrer grundlegenden dogmatischen Konzeption, Handlungswirkungen in Anknüpfung an die tatbestandsmäßige Verhaltensumschreibung als tatortbegründend einzustufen.665 662

A.A. Falk, S. 254: § 284 I verbiete „(nur) die genannten Handlungen, ohne zu vermeidende Folgen zu benennen“. 663 Dieser Gedankengang scheint vereinzelten Entscheidungen der – ansonsten eher zur Annahme eines Handlungsortes des Glücksspielveranstalters am Ort der Spielbeteiligungsmöglichkeitseröffnung tendierenden [siehe hierzu oben B. II. 2. a), b) und c)] – Rechtsprechung zugrunde zu liegen, vgl. z. B. OLG Köln Urt. v. 14. 9. 2007, 6 U 61/06, juris, KORE201242011, Rn. 10; Sächsisches OVG Beschl. v. 12. 12. 2007, 3 BS 311/06, juris, MWRE080000184, Rn. 13 f.; VG Chemnitz Beschl. v. 9. 1. 2008, 3 K 995/07, juris, JURE080007152, Rn. 15. 664 Ähnlich Feldmann, S. 87; a.A. Falk, S. 254: „Auch mittels der Konstruktion eines „Tathandlungserfolges“ ist dementsprechend hinsichtlich des § 284 I StGB kein Erfolgsort gem. § 9 I Var. 3 StGB begründbar“. 665 Das deutet auch Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2070), selbst an, wenn er feststellt: „Das vorliegende Ergebnis ließe sich – in Anlehnung an die obengenannte RG-Rechtsprechung – zwar auch mit einer extensiven Interpretation des „Tathandlungsortes“ i.S. von § 9 I Alt. 1 StGB

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Im Vergleich zur Lehre vom Erfolgsort der abstrakten Gefahr ist der vorliegende Ansatz insb. insofern vorzugswürdig, als er sich mit dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB in Einklang bringen lässt.666 Der Begriff Erfolg lässt verschiedene Deutungen zu. Rückt man z. B. das tatbestandlich geschützte Rechtsgut in den Vordergrund der Betrachtung, kann man ihn etwa als „vom Handlungsvollzug trennbare Außenweltveränderung in Form einer Rechtsgutsverletzung oder konkreten Rechtsgutsgefährdung“ definieren.667 Geht man demgegenüber von einer formalen Betrachtung aus, lassen sich dem Begriff jegliche vom Handlungsvollzug trennbare Außenweltveränderungen zuordnen.668 Auf Basis des letztgenannten Verständnisses bilden das Bestehen von Spielbeteiligungsmöglichkeiten, das Bereitstehen von Spieleinrichtungen und die Wahrnehmbarkeit werbender Inhalte Erfolge i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB. Da der Eintritt dieser Wirkungen eine notwendige Voraussetzung der Tatbestandsverwirklichung ist, können sie auch als i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB „zum Tatbestand gehörend“ angesehen werden. Gegenüber dem von der Rechtsprechung favorisierten Ansatz, einen Handlungsort am Ort der Spielbeteiligungsmöglichkeitseröffnung anzunehmen, ist die Bejahung eines Erfolgsortes insofern von Vorteil, als damit entsprechend der in § 9 Abs. 1 StGB angelegten Differenzierung zwischen Handlung (Var. 1) und Wirkung (Var. 3) Wirkungen der dritten Variante zugeordnet werden. Gleichwohl sieht sich die Lehre vom Tathandlungserfolg in ihrer uneingeschränkten Grundform vielen der gleichen Einwände ausgesetzt, mit denen oben die Annahme eines Handlungsortes am Ort der Spielbeteiligungsmöglichkeit abgelehnt wurde. So hinge auch hier die Reichweite deutscher Strafgewalt von Formulierungen im BT ab, die der Gesetzgeber i. d. R. nicht mit Blick auf den räumlichen Geltungsbereich der Strafnorm, sondern zum Zwecke der adäquaten Unrechtsbeschreibung gewählt haben wird.669 Kritik entzündet sich zudem auch hier an der uferlosen weltweiten Ausdehnung deutscher Strafgewalt. Oben670 wurde gezeigt, dass eine Proklamation eines globalen Verhaltensbewertungsanspruchs in Bezug auf via Internet verbreitete Inhalte samt entsprechender Strafverfolgungszuständigkeit gegen das völkerrechtliche Interventionsverbot verstieße, Internetnutzern weltweit deutsche Verhaltensanforderungen aufbürdete und einen nicht realisierbaren Strafverfolgungsbedarf nach sich zöge. statt mit der hier dargelegten Auslegung des „Taterfolgsortes“ i.S. von § 9 I Alt. 3 StGB begründen“. 666 A.A. Hilgendorf, ZStW 113 (2001), S. 650 ff. (667). 667 Ein solches Begriffsverständnis wird z. B. von Feldmann, S. 84; Pelz, ZUM 1998, S. 530 ff. (531), und Roxin, AT I, § 10 Rn. 102, vertreten; ähnlich Jescheck/Weigend, § 26 II 2; wohl auch Fischer, Vor § 13 Rn. 18 f. 668 So z. B. Rengier, AT, § 10 Rn. 3; Rönnau, JuS 2010, S. 961 ff. (961); Wessels/Beulke/ Satzger, AT, Rn. 37; wohl auch Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 251. 669 Ebenso Eser, in: Leipold (Hrsg.), S. 303 ff. (320); ders., in: Schönke/Schröder, § 9 Rn. 7c; Valerius, S. 234; Weigend, in: Hohloch (Hrsg.), S. 85 ff. (90). 670 B. II. 2. e) cc).

C. Inländischer Erfolgsort, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB

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In ihrer uneingeschränkten Grundform kann der Lehre vom Tathandlungserfolg daher nicht gefolgt werden. In Betracht zu ziehen wäre allenfalls eine eingeschränkte Version des Ansatzes. Insofern ließe sich zunächst erwägen, die ursprünglich zur Einschränkung der Lehre vom Erfolgsort der abstrakten Gefahr entwickelten Einschränkungsansätze671 heranzuziehen, welche die Annahme eines Erfolgsortes von einem besonderen Tatbezug zur Bundesrepublik Deutschland abhängig machen. Sieber selbst plädiert in Bezug auf Internetsachverhalte für eine Einschränkung seines Ansatzes in Anknüpfung an technische Kriterien. Um die deutsche Strafgewalt auf Basis seiner Lehre vom Tathandlungserfolg nicht ausufern zu lassen, sei ein inländischer Tathandlungserfolg in den von Sieber beispielhaft in Bezug genommenen Fällen, in denen volksverhetzende Inhalte i.S.d. § 130 StGB via Internet zugänglich gemacht werden, nur zu bejahen, sofern Daten „aktiv auf Computersysteme in Deutschland übermittelt werden“ (sog. „Push-Technologie“).672 Das sei etwa bei Datenspeicherungen auf in Deutschland befindlichen Servern der Fall.673 Der Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB liege dann am Ort des „in Deutschland befindlichen Computer(s)“674. Ein inländischer Tathandlungserfolg sei demgegenüber zu verneinen, sofern Daten auf einen ausländischen Server geladen und von Personen im Inland abgerufen würden (sog. Pull-Technologie).675 In diesen Fällen liege ein Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB am Standort des Servers im Ausland.676 Beim Angebot virtueller Glücksspiele werden Daten nicht aktiv an Rechner bestimmter Nutzer „gepusht“. Regelmäßig „pusht“ der Glücksspielanbieter sein Spielangebot betreffende Daten vielmehr auf einen Server, von dem Spielinteressenten die Daten dann abrufen („pullen“) können. Ein inländischer Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB wäre daher regelmäßig nur zu bejahen, wenn der Glücksspielanbieter Daten auf einen in Deutschland stehenden Server übermittelt.677 Da dies allerdings praktisch selten der Fall ist,678 hätte Siebers Einschränkungsansatz in Konstellationen virtueller Offshore-Glücksspielangebote eine weit reichende Einschränkung der Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts zur Folge. Ausgehend von Siebers Normverständnis wären sämtliche Einschränkungsansätze methodisch als eine teleologische, völkerrechtskonforme Reduktion des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB einzuordnen. Eine solche setzt voraus, dass der Regelungszweck der Norm oder höherrangige Normen ein engeres Normverständnis verlangen, als es 671 672 673 674 675 676 677 678

Siehe hiezu oben B. II. 1. a) und b). Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2071). Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2071). Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2071). Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2071). Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2071). Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (273); Feldmann, S. 91; Volk, S. 208. Vgl. Brugger, S. 107; Klengel/Heckler, CR 2001, S. 243 ff. (244, Fn. 13).

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

der Gesetzestext vorgibt.679 Vom Wortlaut her betrachtet lässt der Terminus „zum Tatbestand gehörender Erfolg“ in § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB allerdings – wie gezeigt – mehrere Deutungen zu. Entweder man sieht einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ in jeder im Tatbestand angelegten Außenweltveränderung oder nur in einer Außenweltveränderung in Form einer Rechtsgutsverletzung oder konkreten Rechtsgutsgefährdung. Der Ratio der §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB, eine uferlose Strafgewaltausdehnung zu verhindern sowie höherrangigem Recht in Form des als allgemeine Regel des Völkerrechts anerkannten Interventionsverbots wird – wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben – allein die letztgenannte Sichtweise gerecht. Ausgehend von dieser, die deutsche Strafgewalt bereits hinreichend einschränkenden Deutung bedarf es keiner Korrekturen im Wege der Normreduktion.680 Abgesehen davon sehen sich die Reduktionsvorschläge ohnehin erheblicher Kritik ausgesetzt. Oben wurde gezeigt, dass eine Beschränkung anhand der Kriterien, die ursprünglich zur Beschränkung der Lehre vom Erfolgsort der abstrakten Gefahr in Betracht gezogen wurden, nicht geeignet ist, eine für Normadressaten und Rechtsanwender klare, aus dem Gesetz ableitbare, vorhersehbare und praktikable Regelung der Reichweite deutscher Strafnormen und der Zuständigkeit der deutschen Strafjustiz herbeizuführen. Gegen Siebers auf die verwendete Technologie rekurrierenden Beschränkungsansatz wird zutreffend eingewendet, weder in § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB noch in anderen Normen komme zum Ausdruck, dass sich der Tatort abhängig von der verwendeten Technologie bestimme.681 Darüber hinaus führte ein Abstellen auf die verwendete Technologie insofern zu unangemessenen und unpraktikablen Ergebnissen, als die an §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB gebundene Zuständigkeit der deutschen Strafjustiz sowie die Reichweite deutscher Verhaltensanforderungen von dem oftmals zufälligen und häufig nicht steuerbaren Umstand abhinge, wo der Server steht, auf den der Täter Daten „pusht“.682 Darüber hinaus ist einzuwenden, dass Daten in aller Regel sowohl vom Verbreitenden auf einen Server „hochgeladen“ („gepusht“) als auch vom Abrufenden vom Server „heruntergeladen“ („gepullt“) werden.683 Eine Tatortbestimmung im Wege der Differenzierung zwischen Push- und Pulltechnologien erweist sich daher als ungeeignet. Scheidet nach alledem auch eine eingeschränkte Version der in ihrer uneingeschränkten Ursprungsversion abzulehnenden Lehre vom Tathandlungserfolg aus, ist als Ergebnis festzuhalten: Der „zum Tatbestand gehörende Erfolg“ i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB bestimmt sich bei abstrakten Gefährdungsdelikten nicht danach, wo eine im Deliktstatbestand umschriebene Wirkung eintritt. Ein Erfolgsort des abstrakten 679

Schwacke, S. 140. I. E. ebenso Feldmann, S. 102; Hilgendorf, NJW 1997, S. 1873 ff. (1876). 681 Feldmann, S. 102; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), S. 651 ff. (668). 682 Ebenso BGH CR 2002, 45, 46; Feldmann, S. 102; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), S. 650 ff. (666); Koch, GA 2002, S. 703 ff. (711). 683 In diese Richtung wohl auch BGH CR 2002, 45, 46. 680

C. Inländischer Erfolgsort, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB

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Gefährdungsdelikts § 284 StGB kann daher auch über diesen Ansatz nicht hergeleitet werden. 3. Umschlagen der „abstrakten Gefahr“ in eine konkrete Rechtsgutsgefährdung oder -verletzung Schließlich kommt – im eingangs drittgenannten Sinne – als Erfolgsort abstrakter Gefährdungsdelikte der Ort in Betracht, an dem die „abstrakte Gefahr“ in eine konkrete Gefährdung oder Verletzung des geschützten Rechtsguts umschlägt.684 Ein inländischer Erfolgsort abstrakter Gefährdungsdelikte läge demnach an jedem Ort, an dem das geschützte Rechtsgut beinahe geschädigt685 bzw. geschädigt wird. Für das abstrakte Gefährdungsdelikt § 284 StGB hätte ein Abstellen auf ein Umschlagen der abstrakten in eine konkrete Gefahr hinsichtlich sämtlicher Begehungsmodalitäten zur Folge, dass ein Erfolgsort an dem Ort läge, an dem das Vermögen der Spielteilnehmer beinahe infolge von Spielmanipulationen geschädigt oder das Vermögen nicht freiverantwortlich handelnder minderjähriger und spielsüchtiger Personen beinahe ausgebeutet oder deren Gesundheit beinahe geschädigt worden wäre. Ein Erfolgsort läge demnach z. B. an demjenigen Ort, an dem sich Spieler an einem Glücksspiel beteiligen, welches der Glücksspielanbieter regelmäßig manipuliert. In diesen Fällen hängt es i. d. R. nur noch vom Zufall ab, ob Spielteilnehmer spielmanipulationsbedingte Vermögensschäden erleiden. Eine konkrete Gefahr für die Gesundheit und das Vermögen unfrei handelnder Spielsüchtiger und Minderjähriger bestünde, sobald sich diese bei einem Anbieter entgeltlicher Glücksspiele registrieren, der keinen Mechanismus vorsieht, der sie von vornherein vom Spielbetrieb ausschließt. In diesen Fällen bestünde die konkrete Gefahr, dass der Spielsüchtige bzw. Minderjährige durch Hervorrufen, Steigern oder Perpetuieren von Spielsucht in seiner Gesundheit beeinträchtigt bzw. infolge einer entgeltlichen Spielteilnahme in seinem Vermögen ausgebeutet wird. Am Ort, an dem sich der Spielsüchtige bzw. Minderjährige am Spiel beteiligt, läge dann ein Erfolgsort. Stellt man auf ein Umschlagen der „abstrakten Gefahr“ in eine Verletzung des geschützten Rechtsguts ab, läge ein Erfolgsort an jedem Ort, an dem das Vermögen der Spielteilnehmer infolge von Spielmanipulationen geschädigt, an dem das Vermögen nicht freiverantwortlich handelnder minderjähriger oder spielsüchtiger Personen infolge einer entgeltlichen Spielteilnahme ausgebeutet sowie an dem die Gesundheit dieser Personen geschädigt würde.

684 So in Bezug auf das Umschlagen der „abstrakten Gefahr“ in eine konkrete Gefahr Beisel/ Heinrich, JR 1996, S. 95 ff. (96); Gercke, S. 22 f. 685 Zum umstrittenen Begriff der konkreten Gefahr und dessen umstrittener Konturierung vgl. Kindhäuser, in: FS Krey, S. 249 ff. (258 ff.); König, in: LK-StGB, § 315 Rn. 51, jeweils m.w.N.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Für eine Bestimmung des Erfolgsortes in Abhängigkeit von einem Umschlagen der „abstrakten Gefahr“ in eine konkrete Gefährdung bzw. Verletzung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts spricht, dass auf diese Weise der Strafanspruch der Bundesrepublik Deutschland angemessen begrenzt wird, indem die deutsche Strafgewalt an einen spezifischen Tatbezug zum Inland geknüpft wird. Der Ansatz sieht sich damit nicht dem gegen die uneingeschränkten Grundformen der beiden zuvor diskutierten Ansichten erhobenen Vorwurf ausgesetzt, er führe zu einer uferlosen Ausdehnung deutscher Strafgewalt. Anders als eine „abstrakte Gefahr“ ließe sich eine konkrete Gefahr bzw. – noch deutlicher – eine Rechtsgutsverletzung auch von der eigentlichen Handlungsvornahme differenzieren686 und vergleichsweise besser lokalisieren. Gegen ein Abstellen auf das Umschlagen der „abstrakten Gefahr“ in eine konkrete Gefährdung bzw. Verletzung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts ist allerdings einzuwenden, dass § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB einen Erfolg in Bezug nimmt, der „zum Tatbestand“ gehört. Konkrete Rechtsgutsgefährdungen und -verletzungen lassen sich zwar als infolge eines Handlungsvollzugs eintretende, wahrnehmbare Auswirkungen unter den Erfolgsbegriff subsumieren. Allerdings gehört ein solcher Erfolg nicht zum Tatbestand abstrakter Gefährdungsdelikte, sondern allenfalls zum Tatbestand anderer – als konkrete Gefährdungsdelikte bzw. Verletzungsdelikte ausgestalteter – Delikte.687 Etwa im Falle einer Trunkenheitsfahrt, durch die eine konkrete Gefährdungssituation für das Vermögen oder die Gesundheit Dritter herbeigeführt wird, lässt sich die konkrete Gefährdungssituation als tatbestandsmäßiger Erfolg des konkreten Gefährdungsdelikts § 315c StGB einordnen. Kommt es im Rahmen der Trunkenheitsfahrt zu einem Unfall mit Personen- und/oder Sachschäden, sind Körperverletzungs- und/oder Sachbeschädigungsdelikte einschlägig, die einen tatbestandsmäßigen Erfolg in Form einer Verletzung der körperlichen Unversehrtheit bzw. des Eigentums voraussetzen. Für die Verwirklichung des abstrakten Gefährdungsdelikts § 316 StGB688 hingegen genügt die bloße Trunkenheitsfahrt, unabhängig vom Eintritt einer konkreten Rechtsgutsgefährdung oder -verletzung. Ähnliches gilt in Bezug auf § 284 StGB: Allein die Veranstaltung eines illegalen Glücksspiels, das Halten, das Bereitstellen von Einrichtungen bzw. das Werben begründet aufgrund ihrer „abstrakten Gefährlichkeit“ für das Vermögen (potenzieller) Spielteilnehmer und die Gesundheit nicht freiverantwortlich handelnder Spielsüchtiger und Minderjähriger eine Strafbarkeit. Tatsächlich eintretende Vermögens- oder Gesundheitsschäden werden von § 284 StGB nicht vorausgesetzt. Vielmehr greift in diesen Fällen ggf. § 263 StGB, der den Eintritt eines Vermögensschadens als tatbestandsmäßigen Erfolg voraussetzt bzw. ggf. §§ 223 ff. StGB, 686

Ebenso Feldmann, S. 99. Ebenso Feldmann, S. 99. 688 Geppert, Jura 2001, S. 559 ff. (561); Pegel, in: MK-StGB, § 316 Rn. 1; SternbergLieben/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 316 Rn. 1. 687

C. Inländischer Erfolgsort, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB

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die den Eintritt einer Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens bzw. eines pathologischen Zustandes als tatbestandsmäßigen Erfolg voraussetzen. Werden die Rechtsgüter Vermögen bzw. Gesundheit konkret gefährdet, existiert zwar kein konkretes Gefährdungsdelikt, das die Herbeiführung der konkreten Gefährdung pönalisiert. Sofern aber eine konkrete Gefährdungssituation dadurch entsteht, dass der Glücksspielanbieter unmittelbar zur Verwirklichung einer täuschenden vermögensschädigenden Spielmanipulation oder einer vorsätzlichen Körperverletzung ansetzt, greifen ggf. §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22 StGB bzw. §§ 223 Abs. 1, Abs. 2 (ggf. 224 Abs. 1, Abs. 2), 22 StGB. Der auf das Umschlagen der „abstrakten Gefahr“ in eine konkrete Rechtsgutsgefährdung bzw. -verletzung rekurrierende Ansatz missachtet diese Umstände und setzt sich damit über den – insofern eindeutigen – Wortlaut des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB „zum Tatbestand gehörender Erfolg“689 hinweg.690 Aus entstehungsgeschichtlicher Sicht ist anzumerken, dass es bis 1975 in § 3 Abs. 3 StGB hieß: „Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln sollen oder an dem der Erfolg eingetreten ist“691. Mit dem 2. Strafrechtsreformgesetz692 wurde die Norm in § 9 Abs. 1 StGB verschoben und um die Worte „zum Tatbestand gehörende“ ergänzt. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Ergänzung zum Ausdruck bringen, dass nicht jegliche Wirkungen einer Handlung tatortbegründend sind, sondern „nur ein tatbestandlicher und nicht auch ein darüber hinausgehender möglicher weiterer Erfolg für die Bestimmung des Tatorts Bedeutung hat“693. Da der Eintritt einer konkreten Gefährdung bzw. Verletzung des geschützten Rechtsguts – wie gezeigt – keine tatbestandlich vorausgesetzte Wirkung abstrakter Gefährdungsdelikte darstellt, können diese also auch dem gesetzgeberischen Willen nach nicht als zum Tatbestand dieser Delikte gehörende Erfolge i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB angesehen werden. Sieber694 und ihm folgend Teile des Schrifttums695 sind der Meinung, ein allein auf den tatbestandlichen Erfolg rekurrierendes Verständnis des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB lasse sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Der Gesetzgeber habe mit dem Einschub „zum Tatbestand gehörender“ ausweislich der Gesetzesmaterialien lediglich klarstellen wollen, dass „der Eintritt des Erfolges in eine enge Beziehung zum Straftatbestand gebracht wird“696. Ausgehend von einem derart offenen Verständnis 689

Hervorhebung nur hier. Vgl. auch Feldmann, S. 99. 691 Hervorhebung nur hier. 692 BGBl. I 1969, S. 717 ff.; I 1973, S. 909; BT-Drs. V/4095, S. 7; IV/650, S. 113; siehe hierzu E. II. 2. 693 Niederschriften der Großen Strafrechtskommission, Bd. 4 (38. bis 52. Sitzung), Bonn 1958, S. 20. 694 Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2069). 695 Brandl, S. 98; Mintas, S. 153. 696 Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2069); auf Sieber Bezug nehmend BGHSt 46, 212, 223. 690

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB erschiene ein Abstellen auf ein Umschlagen der „abstrakten Gefahr“ in eine konkrete Gefährdung oder Verletzung des geschützten Rechtsguts prinzipiell möglich. Sieber und dem BGH ist allerdings mit Feldmann entgegen zu halten, dass „der Bezug“ des Erfolgseintritts „zu dem jeweils einschlägigen Tatbestand in Abgrenzung etwa zu sonstigen, weiteren Tatbeständen eine Selbstverständlichkeit“ darstellt, „die keiner gesetzesändernden Klarstellung bedurft hätte“697. Die Argumentation vermag zudem insofern nicht zu überzeugen, als sie die entscheidende Passage der Gesetzesmaterialien unerwähnt lässt, in der es heißt: „Es soll zum Ausdruck kommen, daß nur ein tatbestandlicher und nicht ein darüber hinausgehender möglicher weiterer Erfolg für die Bestimmung des Tatorts Bedeutung hat“698, und stattdessen nur auf den diese Passage einleitenden Satz: „Eine weitere Klarstellung liegt darin, daß der Eintritt des Erfolgs in eine enge Beziehung zum Tatbestand gebracht wird“699 Bezug nimmt.700 Als Ergebnis ist nach alledem festzuhalten, dass ein „zum Tatbestand gehörender Erfolg“ abstrakter Gefährdungsdelikte i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB auch nicht an dem Ort angenommen werden kann, an dem die „abstrakte Gefahr“ in eine konkrete Gefährdung oder Verletzung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts umschlägt. 4. Ergebnis Da sämtliche in Betracht kommenden Anknüpfungspunkte für einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ abstrakter Gefährdungsdelikte ausscheiden, muss es bei dem Ergebnis bleiben, zu dem das eingangs dargestellte klassische Verständnis des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB gelangt: Abstrakten Gefährdungsdelikten fehlt es an einem „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB. Das abstrakte Gefährdungsdelikt § 284 StGB weist daher keinen Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB auf.

D. Schlussfolgerungen In Sachverhaltskonstellationen, in denen ein Glücksspielanbieter zur Spielbeteiligungseröffnung führende Daten vom Ausland aus ins Internet lädt, fehlt es an einem inländischen Tatort des Veranstaltens eines illegalen öffentlichen Glücksspiels i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB sowie des Bereitstellens von Einrichtungen hierzu i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 3 StGB. Betreut er das Spiel vom Ausland aus, fehlt es an 697

Feldmann, S. 97. Niederschriften der Großen Strafrechtskommission, Bd. 4 (38. bis 52. Sitzung), Bonn 1958, S. 20. 699 Niederschriften der Großen Strafrechtskommission, Bd. 4 (38. bis 52. Sitzung), Bonn 1958, S. 20. 700 Vgl. auch Feldmann, S. 97. 698

D. Schlussfolgerungen

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einem inländischen Tatort des Haltens eines Glücksspiels i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 2 StGB. Schaltet er Glücksspielwerbung vom Ausland aus, fehlt es an einem inländischen Tatort des Werbens i.S.d. § 284 Abs. 4 StGB. Bislang wurde konsentiert davon ausgegangen, die einschlägige Strafnorm (hier: § 284 Abs. 1 Var. 1, § 284 Abs. 1 Var. 2, § 284 Abs. 1 Var. 3, jeweils i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 StGB („gewerbsmäßig“) bzw. § 284 Abs. 4 StGB) fände über §§ 3, 9 Abs. 1 StGB keine Anwendung, sofern sie keinen inländischen Tatort i.S.d. § 9 StGB aufweise.701 Da eine Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts – wie im 2., 3., 4. und 5. Abschnitt gezeigt – in diesen Fällen auch über §§ 5, 6 und 7 StGB regelmäßig nicht begründet werden kann, unterläge das Verhalten des Glücksspielanbieters dann regelmäßig nicht der deutschen Strafgewalt. Der eingangs702 geschilderte Konflikt zwischen weitem und engem Geltungsbedürfnis deutschen Glücksspielstrafrechts wäre damit zugunsten einer äußerst engen Geltung entschieden. Spielte sich sowohl das Veranstalten und Bereitstellen von Einrichtungen als auch das Halten im Ausland ab, könnte der durch § 284 Abs. 1 StGB bezweckte Schutz vor Vermögens- und Gesundheitsschäden im Bereich der im Hinblick auf Spielmanipulationen und Spielsucht besonders riskanten703 virtuellen Offshore-Glücksspielangebote nicht gewährt werden. Täter könnten die Strafnormen umgehen, indem sie sich zum Zwecke der Glücksspielveranstaltung und -betreuung in ausländische Rechtsoasen begeben. Liefe auch ein etwaiges Schalten von Glücksspielwerbung im Ausland ab, käme deutsches Glücksspielstrafrecht gänzlich nicht zur Anwendung. Liefe es im Inland ab, unterläge wenigstens das gegenüber § 284 Abs. 1 StGB i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 StGB („gewerbsmäßig“) mit einem geringeren Strafrahmen versehene Werben (§ 284 Abs. 4 StGB) der deutschen Strafgewalt. Diesen Folgerungen ist zuzustimmen, sofern sich das fragliche Verhalten, beispielsweise das Veranstalten eines illegalen virtuellen Glücksspiels i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB, innerhalb eines Lebenssachverhaltes abspielt, in dessen Rahmen die Tatorte sämtlicher Deliktsverwirklichungen ausschließlich im Ausland liegen. In diesen Fällen kommt die einschlägige Strafnorm – im Beispiel § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 StGB – nicht zur Anwendung. Außer der risikoreichen Spieleröffnung in Deutschland, die nach dem hier vertretenen klassischen Verständnis des § 9 Abs. 1 StGB keinen Tatort begründet, besteht hier keinerlei territorialer Bezug der Tat zur Bundesrepublik Deutschland. Es handelt sich daher auf Basis des hier eingenommenen Standpunktes offenkundig nicht um eine von §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB in Bezug genommene „Tat, die im Inland begangen wurde“.

701

Vgl. nur Barton/Gercke/Janssen, wistra 2004, S. 321 ff. (323 f.); Bertrand, S. 297; Falk, S. 256; Feldmann, S. 82, 102 f.; Klengel/Heckler, CR 2001, S. 243 ff. (248 f.); Leupold/ Bachmann/Pelz, MMR 2000, S. 648 ff. (654); Thumm, S. 80. 702 Siehe 1. Teil A. und 5. Teil, S. 56 f. 703 Siehe hierzu oben 2. Teil B.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Weitaus komplexer als bislang unter Berufung auf die pauschale These „Ein abstraktes Gefährdungsdelikt findet keine Anwendung, wenn der Täter dessen tatbestandsmäßige Handlung im Ausland vornimmt“ angenommen, gestaltet sich die Untersuchung der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB hingegen, wenn der Täter die tatbestandsmäßige Handlung eines abstrakten Gefährdungsdelikts zwar unter körperlicher Anwesenheit im Ausland vornimmt, im Rahmen desselben einheitlichen Lebenssachverhaltes allerdings ein weiteres Delikt begangen wird, das einen inländischen Begehungsort aufweist. Damit sind z. B. Fälle angesprochen, in denen ein Glücksspielanbieter im Rahmen ein und desselben einheitlichen „Glücksspielangebotsgeschehens“ ein Glücksspiel vom Ausland aus veranstaltet (§ 284 Abs. 1 Var. 1 StGB) und eine andere Begehungsmodalität des § 284 StGB im Inland verwirklicht oder neben dem im Ausland ablaufenden Veranstalten einen Tatbestand außerhalb § 284 StGB im Inland verwirklicht.704 In der Glücksspielbranche sind derartige Sachverhaltskonstellationen äußerst häufig anzutreffen. Wie eingangs705 erwähnt, versuchen deutsche Glücksspielanbieter z. B. nicht selten, die für sie nachteilhafte deutsche Rechtslage zu umgehen, indem sie nach Costa Rica, Gibraltar, die Isle of Man oder eine sonstige Rechtsoase reisen, um ihr Glücksspielangebot von dort aus weltweit abrufbar auf einen Server zu laden (gewerbsmäßiges Veranstalten eines Glücksspiels, § 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 StGB). Vor- und/oder nachgelagerte Handlungsschritte des Glücksspielanbieters, die ebenfalls den einheitlichen Prozess des Anbietens eines virtuellen Glücksspiels betreffen, z. B. die Schaltung von Glücksspielwerbung i.S.d. § 284 Abs. 4 StGB und/ oder die Spielbetreuung i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 2 StGB laufen hingegen im Inland ab. Praktisch häufig ist auch das – bereits oben unter dem Gesichtspunkt des Tatortstrafbarkeitserfordernisses in § 7 StGB angesprochene – Phänomen zu beobachten, dass § 284 StGB verwirklichende Handlungen in engem Zusammenhang mit spielmanipulierenden Handlungen des Glücksspielanbieters (siehe hierzu E. IV. 3.) stehen, durch die auch Spielteilnehmer in Deutschland geschädigt werden.706 Der tatbestandsmäßige Erfolg des hinsichtlich der vermögensschädigenden Spielmanipulationen in Rede stehenden Betruges (§ 263 StGB)707 tritt dann in Deutschland ein. Beispielhaft seien die oben708 geschilderten Fallkonstellationen genannt, in denen im Ausland agierende Glücksspielanbieter die Glücksspielsoftware vor Eröffnung ihres Spielangebots (§ 284 Abs. 1 Var. 1, 3 StGB) dahingehend manipulieren, dass Spielteilnehmer häufiger als normal verlieren oder Glücksspielanbieter im Rahmen der Spielbetreuung (§ 284 Abs. 1 Var. 2 StGB) Quoten manipulieren. 704

Der Frage, ob derartige Sachverhalte untrennbar zusammengehörige Geschehen (d. h.: eine prozessuale Tat) bilden, wird ausführlich unter E. IV. nachgegangen. 705 1. Teil A. und 2. Teil C. 706 Vgl. Grünbuch „Online-Gewinnspiele im Binnenmarkt“, KOM(2011) 128 endg., S. 28 f. 707 Siehe hierzu E. IV. 3. 708 2. Teil B.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

149

In derartigen Fällen, von denen sich noch zahlreiche weitere praxisrelevante Beispiele709 anführen ließen, stellt sich die Frage, in welchem Umfang der in Deutschland verortete Begehungsort einer Straftat, z. B. eine hierzulande ausgeführte tatbestandsmäßige Handlung oder ein hierzulande eingetretener tatbestandsmäßiger Erfolg, deutsches Strafrecht gem. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB zur Anwendung bringt. Bei oberflächlicher Betrachtung sind im Grunde genommen drei Möglichkeiten denkbar: Zum einen könnte deutsches Strafrecht über §§ 3, 9 Abs. 1 StGB nur auf die i.S.d. § 9 Abs. 1 StGB in Deutschland begangenen nach deutschem Recht strafbaren Teile aus dem einheitlichen Lebenssachverhalt anwendbar sein. Zum anderen kommt in Betracht, deutsches Strafrecht vollumfänglich auf den gesamten einheitlichen Lebenssachverhalt, d. h. im Hinblick auf sämtliche innerhalb des Lebenssachverhaltes liegenden Deliktsverwirklichungen, anzuwenden, wenn der Begehungsort einer Deliktsverwirklichung aus diesem Lebenssachverhalt in Deutschland liegt. Schließlich könnte man die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auch davon abhängig machen, ob der Schwerpunkt des einheitlichen Lebenssachverhaltes oder einzelner Deliktsverwirklichungen in Deutschland liegt.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB Welche Regelung §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB zugrunde liegt, hängt von dem Verständnis des Begriffes „Tat“ in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB ab. Gem. § 3 StGB gilt deutsches Strafrecht für Taten, die im Inland begangen werden. Nach § 9 Abs. 1 StGB ist eine Tat an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte. I. Verständnismöglichkeiten 1. Prozessualer Tatbegriff Die bisherige Auseinandersetzung mit dem Tatbegriff der §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB in Rechtsprechung und Schrifttum ist dürftig.710 Eine in Rechtsprechung711 und

709 Man denke beispielsweise an Geldwäschedelikte oder Steuerstraftaten, die im Zusammenhang mit dem Anbieten virtueller Glücksspiele begangen werden, vgl. Grünbuch „Online-Gewinnspiele im Binnenmarkt“, KOM(2011) 128 endg., S. 28 ff.; Duesberg/Rübenstahl, ZfWG 2016, S. 292 ff. 710 Exemplarisch kommt die unzureichende Auseinandersetzung mit dem Tatbegriff der §§ 3 ff. StGB in der Äußerung von Ambos, in: MK-StGB, § 5 Rn. 7, zum Ausdruck: „strafanwendungsrechtliche(r) Tatbegriff – wie weit man ihn auch immer ziehen mag“. 711 OLG München NJW 2007, 788, 788 f.; i.E. auch BGH NStZ 1986, 415, 415.

150

5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Schrifttum712 vertretene Meinung versteht den Begriff „Tat“ in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB weit als Tat im prozessualen Sinne. Eine Tat im prozessualen Sinne liegt vor, wenn nach der allgemeinen Lebensanschauung zwischen den einzelnen Verhaltensweisen des Täters eine so enge Verknüpfung besteht, dass ihre getrennte Würdigung und Aburteilung in verschiedenen Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Vorgangs empfunden werden würde.713 Die prozessuale Tat umfasst m.a.W. einen nach der allgemeinen Lebensanschauung einheitlichen, zusammengehörigen Tatsachenkomplex.714 Ausgehend von einem derartigen Begriffsverständnis gilt hinsichtlich des nach §§ 3, 9 Abs. 1 StGB bestimmten Umfangs deutscher Strafgewalt: Liegt ein Tatort i.S.d. § 9 Abs. 1 StGB, z. B. ein Handlungsoder Erfolgsort, aus einem einheitlichen Tatsachenkomplex in Deutschland, so unterfällt das gesamte einheitliche Vorkommnis der deutschen Strafgewalt. Sämtliche nach deutschem Recht strafbaren Verhaltensweisen, die im Rahmen des Gesamtgeschehens vorgenommen werden, könnten – die Erreichbarkeit des Täters vorausgesetzt – in Deutschland abgeurteilt werden, selbst wenn einige von ihnen – isoliert betrachtet – keinen inländischen Tatort i.S.d. § 9 Abs. 1 StGB aufweisen. Bezogen auf das Anbieten eines virtuellen Glücksspiels bedeutet das: Liegt ein Tatort einer Unrechtsverwirklichung (z. B. des gewerbsmäßigen Veranstaltens eines illegalen Glücksspiels, § 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB, des Werbens für ein illegales Glücksspiel, § 284 Abs. 4, des Betruges, § 263 StGB, der irreführenden Werbung durch unwahre Angaben, § 16 UWG etc.) im Rahmen eines einheitlichen „Glücksspielangebotsgeschehens“ in Deutschland, käme deutsches Strafrecht gem. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB vollumfänglich auf das Gesamtgeschehen zur Anwendung. Beispielsweise im Falle einer zusammengehörigen sukzessiven Glücksspielveranstaltung und -bewerbung, die einerseits im Ausland und andererseits im Inland vorgenommen wird, könnte in Deutschland – die Untrennbarkeit des Geschehens unterstellt – aufgrund der inländischen tatbestandsmäßigen Handlung der Glücksspielwerbung sowohl wegen der Glücksspielwerbung nach § 284 Abs. 4 StGB als auch wegen des – mit einem deutlich höheren Strafrahmen versehenen – gewerbsmäßigen Veranstaltens eines Glücksspiels nach §§ 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB bestraft werden. Selbst wenn ein Glücksspielanbieter im Rahmen eines einheitlichen grenzüberschreitenden Geschehens ausschließlich im Ausland handelte, 712 Ambos, IntStR, § 1 Rn. 23; ders., in: MK-StGB, § 3 Rn. 6, § 9 Rn. 6; Lackner/Kühl, § 9 Rn. 4; Satzger, § 5 Rn. 8; ders., in: ders./Schluckebier/Widmaier, § 3 Rn. 2; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 317 ff. 713 BGHSt 41, 385, 388; 49, 359, 362; BGH wistra 2008, 22, 22; BGH NStZ 2014, 102, 103; Julius, in: HK-StPO, § 264 Rn. 2. 714 BGHSt 22, 375, 385; 29, 341, 342; 49, 359, 362; BGH NStZ 2014, 46, 47; Beulke, StrPrR, Rn. 513; Kühne, in: LR-StPO, Einl. Abschn. K Rn. 60 f.; Neuefeind, JA 2000, S. 791 ff. (792); Pfeiffer, § 264 StPO Rn. 2; kritisch z. B. Bauer, NStZ 2003, S. 174 ff. (174); Stuckenberg, in: KMR-StPO, 29. Lfg. September 2001, § 264 Rn. 28; zu abweichenden Definitionsvorschlägen im Schrifttum siehe Maatz, in: FS Meyer-Goßner, S. 257 ff.; Paeffgen, in: GS Heinze, S. 615 ff.; Radtke, in: Radtke/Hohmann, § 264 StPO Rn. 5 ff., 16 ff.; ausführlich zum prozessualen Tatbegriff unten E. III.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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führte ein inländischer Erfolgsort eines innerhalb des einheitlichen Geschehens verwirklichten Delikts zur vollumfänglichen Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf das Gesamtgeschehen gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB. Veranstaltete ein Glücksspielanbieter beispielsweise ein manipuliertes Glücksspiel vom Ausland aus und träten infolgedessen Vermögensschäden bei Spielteilnehmern in Deutschland ein, könnte in Deutschland – die Untrennbarkeit der Glücksspielveranstaltung und -manipulation sowie die Verwirklichung des Betrugstatbestandes (§ 263 StGB) unterstellt715 – sowohl wegen § 284 StGB als auch wegen § 263 StGB716 verurteilt werden. 2. Tatbestandsbezogener Tatbegriff Die Gegenansicht717 legt den Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB eng aus. Der Begriff beziehe sich auf den jeweils einschlägigen gesetzlichen Tatbestand.718 „Tat“ meine eine materiell-rechtliche, tatbestandsmäßige Unrechtsverwirklichung.719 Der Tatbegriff ließe sich demnach mit den Begriffen „Straftatbestand“ oder „Tatbestandsverwirklichung“ umschreiben. Ausgehend von einem derartigen Begriffsverständnis werden über §§ 3, 9 Abs. 1 StGB einzelne materielle Straftatbestände gesondert zur Anwendung gebracht. Voraussetzung für die Anwendbarkeit einer Strafnorm ist demnach, dass deren tatbestandsmäßige Handlung bzw. tatbestandsmäßiges Unterlassen oder (nach Vorstellung des Täters) ihr tatbestandsmäßiger Erfolg in Deutschland liegt. Hinsichtlich im Rahmen eines einheitlichen Gesamtgeschehens – der prozessualen Tat – liegender anderer Tatbestandsverwirklichungen ist der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts nicht eröffnet, sofern ihr Begehungsort nicht im Inland liegt. Bezogen auf das Anbieten virtueller Glücksspiele hätte diese Auffassung zur Konsequenz, dass im Falle verschiedener Tatbestandsverwirklichungen (z. B. gewerbsmäßiges Veranstalten eines illegalen Glücksspiels, § 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB, Werben für ein illegales Glücksspiel, § 284 Abs. 4 StGB, Betrug, § 263 StGB, irreführende Werbung durch unwahre Angaben, § 16 UWG etc.) im Rahmen eines zusammengehörigen „Glücksspielangebotsgeschehens“ nur derjenige Geschehensteil in Deutschland abgeurteilt werden könnte, der einer Tatbestandsverwirklichung mit inländischem Begehungsort i.S.d. § 9 StGB zugrunde liegt. Im 715

Siehe hierzu unten E. IV. 3. Zum Konkurrenzverhältnis siehe unten E. IV. 3. 717 Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 53, § 3 Rn. 2; anders (prozessualer Tatbegriff) noch ders., EWS 2007, S. 202 ff. (208): „Ist die Tat – zumindest auch – im Inland begangen worden (§§ 3, 9 StGB), so ist den deutschen Gerichten eine umfassende Würdigung des Sachverhalts – der Tat im prozessualen Sinne – eröffnet“; Namavicius, S. 37 f.; Rotsch, ZIS 2006, S. 17 ff. (18); Walther, JuS 2012, S. 203 ff.; Zöller; in: AnwK-StGB, § 3 Rn. 4; neuerdings ausdrücklich auch Hecker, EuStR, 2 Rn. 12. 718 Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 53. 719 Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 53; Zöller, in: AnwK-StGB, § 3 Rn. 4. 716

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

obigen Beispiel des einheitlichen gewerbsmäßigen Veranstaltens eines illegalen Glücksspiels im Ausland (§ 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB) und Bewerbens im Inland (§ 284 Abs. 4 StGB) fände nur § 284 Abs. 4 StGB Anwendung. Der mit einer deutlich höheren Strafdrohung versehene § 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB käme mangels inländischen Tatortes nicht zur Geltung. Veranstaltete ein Glücksspielanbieter im Rahmen eines zusammengehörigen Geschehens ein manipuliertes Glücksspiel vom Ausland aus und träten infolgedessen Vermögensschäden bei Spielteilnehmern in Deutschland ein, könnte in Deutschland – dessen Tatbestandsmäßigkeit unterstellt – nur wegen Betruges (§ 263 StGB) verurteilt werden. § 284 StGB fände mangels inländischen Tatortes keine Anwendung. Unklar bleibt unter Zugrundelegung eines tatbestandsbezogenen Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB insb., wie Konstellationen zu behandeln sind, in denen mehrere natürliche Handlungen zu einer – in den Einzelheiten äußerst umstrittenen720 – sog. rechtlichen Handlungseinheit verbunden und damit als „dieselbe Handlung“ i.S.d. § 52 Abs. 1 StGB angesehen werden. Die Thematik wird in solchen Fällen relevant, in denen die einzelnen im Rahmen der Handlungseinheit vorgenommenen natürlichen Handlungen nur teilweise i.S.d. § 9 StGB im Inland begangen werden. Hier fragt sich, ob der inländische Tatort einer natürlichen Handlung dazu führt, dass die gesamte Handlungseinheit dem deutschen Strafrecht unterfällt.721 Im Hinblick auf § 284 StGB wird die Fragestellung in Konstellationen relevant, in denen ein Glücksspielanbieter eine oder mehrere in § 284 Abs. 1 StGB normierte Begehungsmodalitäten im Inland und andere im Ausland verwirklicht – z. B. ein illegales Glücksspiel in einer ausländischen Rechtsoase i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1, 3, Abs. 3 Nr. 1 StGB veranstaltet sowie die Einrichtungen hierzu bereitstellt und in Deutschland i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 2, Abs. 3 Nr. 1 StGB hält. Bejahte man in diesen Fällen eine Handlungseinheit – etwa unter Betonung eines einheitlichen Willensentschlusses des Glücksspielanbieters, eines engen Zusammenhangs der Einzelhandlungen und der einheitlichen „abstrakten Gefährlichkeit“ der Einzelhandlungen für Spielervermögen und -gesundheit722 – könnte man einerseits der Meinung sein, 720

Gestritten wird vor allem über die Existenzberechtigung der Rechtsfigur, die heranzuziehenden Kriterien und die Bezeichnung einzelner Fallgruppen. Ein Überblick zum Meinungsstand und divergierenden Terminologien findet sich z. B. bei Roxin, AT II, § 33 Rn. 14 ff. 721 Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 53, Fn. 6, § 9 Rn. 6, ist der Meinung, auch im Ausland liegende Teile „derselben (materiellen) Tat“ unterlägen dem deutschen Strafrecht, sofern ein Teil dieser Straftat in Deutschland verwirklicht werde. So begründe bei Dauer- und mehraktigen Delikten jeder in Deutschland verortete Teilakt einen hiesigen Tatort, der dann gem. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB zur vollumfänglichen Anwendbarkeit des einschlägigen Straftatbestandes führe; ebenso in Bezug auf mehraktige Delikte KG NJW 1999, 3500, 3502; Eser, in: Schönke/ Schröder, § 9 Rn. 4; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 21; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 65; Zöller, in: AnwK-StGB, § 9 Rn. 5. 722 Vor allem die Rechtsprechung bejaht anhand der Kriterien „einheitlicher Willensentschluss“, „gleichartige Handlungsweisen“ und „räumlich-zeitlicher Zusammenhang der Einzelhandlungen“ eine Handlungseinheit in Form der sog. natürlichen Handlungseinheit, vgl. z. B. BGHSt 43, 312, 315; 43, 381, 386 f.; BGH NStZ-RR 2007, 235, 235; zu erheblichen

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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die gesamte Handlungseinheit sei aufgrund des inländischen Haltens in Deutschland begangen. Sowohl § 284 Abs. 1 Var. 2, Abs. 3 Nr. 1 StGB als auch § 284 Abs. 1 Var. 1 und 3, Abs. 3 Nr. 1 StGB fänden dann über §§ 3, 9 Abs. 1 StGB Anwendung. Insofern gelangte man auf Basis eines tatbestandsbezogenen Tatbegriffs zu den gleichen Ergebnissen wie unter Zugrundelegung eines das einheitliche Gesamtgeschehen erfassenden prozessualen Tatbegriffs. Bestimmte man den Tatort hingegen isoliert für die einzelnen § 284 Abs 1 Var. 1, 3 und Var. 2 (jeweils i.V.m. Abs. 3 Nr. 1) StGB verwirklichenden natürlichen Handlungen aus der Handlungseinheit, fände nur § 284 Abs. 1 Var. 2, Abs. 3 Nr. 1 StGB Anwendung. Da in beiden Fällen nach dem mit einem einheitlichen Strafmaß versehenen § 284 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB bestraft werden könnte und damit in beiden Fällen der Schutzzweck des Glücksspielstrafrechts zum Tragen käme, ist die Thematik im Hinblick auf § 284 StGB allerdings ohne größere Relevanz.723 Ihr soll daher an dieser Stelle nicht näher nachgegangen werden. 3. Normativer Tatbegriff In Betracht kommt zudem, den Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB wertungsoffen i.S.v. „schwerpunktmäßig die Bundesrepublik Deutschland betreffende prozessuale Tat bzw. materielle Straftat“ zu interpretieren. Deutsches Strafrecht käme Divergenzen innerhalb der Rechtsprechung bzgl. Voraussetzungen und Folgen einer natürlichen Handlungseinheit vgl. Rissing-van Saan, in: LK-StGB, Vor § 52 Rn. 10 ff.; Warda, in: FS Oehler, S. 241 ff. In weiten Teilen des Schrifttums wird die Rechtsprechung als uferlos, konturlos, willkürlich und unvorhersehbar kritisiert, vgl. statt vieler Warda, in: FS Oehler, S. 241 ff. (252); Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 1071. Jakobs, AT, S. 900 f. plädiert für ein gänzliches Abrücken von der Rechtsfigur der natürlichen Handlungseinheit. Eine extensive Handhabung der Rechtsfigur ist in der Tat vor allem insofern bedenklich, als sie in einer dem Wortlaut des Gesetzes (insb. §§ 52 f. StGB) und dem gesetzlichen Leitbild (strafzumessungsbedeutsame Differenzierung zwischen Ideal- und Realkonkurrenz) nicht zu entnehmenden Weise die Realkonkurrenz anhand faktisch naturalistischer Kriterien zugunsten der Idealkonkurrenz einschränkt, vgl. Roxin, AT II, § 33 Rn. 55. Vor diesem Hintergrund geht es jedenfalls zu weit, verschiedene Tatbestandsverwirklichungen mit differierendem Unrechtsgehalt und/oder verschiedenartige Handlungsweisen zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammenzufassen, vgl. auch Roxin, AT II, § 33 Rn. 53 ff. Im Bereich des Glücksspielstrafrechts können damit jedenfalls das § 284 Abs. 1 StGB verwirklichende Eröffnen und Betreuen des Spielbetriebs und das in § 284 Abs. 4 StGB gesondert unter Strafe gestellte Werben für ein illegales Glücksspiel nicht zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden. Zwar besteht zwischen dem Werben und dem Veranstalten samt Halten insb. insofern eine enge Verknüpfung, als die Werbung potenzielle Spielteilnehmer zur Teilnahme am veranstalteten illegalen Glücksspiel bewegen soll und der Glücksspielanbieter sowohl beim Werben als auch beim Veranstalten und Halten i. d. R. mit einer einheitlichen Gewinnerzielungsabsicht handelt. Diesen Gesichtspunkten ist konkurrenzrechtlich allerdings nicht durch die Annahme eines „einheitlichen Tuns“, sondern im Rahmen der Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen § 284 Abs. 1 und § 284 Abs. 4 StGB (mitbestrafte Vor- oder Nachtat, siehe hierzu unten E. IV. 1.) Rechnung zu tragen. 723 Allenfalls im Rahmen der Stafzumessung kann es einen Unterschied machen, ob wegen Haltens oder Veranstaltens bestraft wird.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

nach der auf den Schwerpunkt der prozessualen Tat rekurrierenden Lesart auf die prozessuale Tat i.S.e. faktisch untrennbar zusammengehörigen Geschehens zur Anwendung, sofern dieses schwerpunktmäßig das Inland betrifft.724 Beträfe die prozessuale Tat schwerpunktmäßig das Ausland, gelangte deutsches Strafrecht nicht zur Anwendung. Nach der auf den Schwerpunkt der materiellen Straftat abstellenden Variante würde ein deutscher Straftatbestand – isoliert betrachtet – nur unter der Voraussetzung zur Anwendung kommen, dass dieser schwerpunktmäßig im Inland verwirklicht wurde. Beträfe eine materielle Straftat schwerpunktmäßig das Ausland, fände der entsprechende deutsche Straftatbestand keine Anwendung. Da die Bestimmung des Schwerpunktes der prozessualen Tat bzw. der materiellen Straftat eine wertende Beurteilung durch den Rechtsanwender voraussetzt, könnte man einen so verstandenen Tatbegriff als „normativen Tatbegriff“ bezeichnen oder – unter Betonung der Abweichung von herkömmlichen Verständnissen des strafrechtlichen Tatbegriffs – als spezifisch „strafanwendungsrechtlichen Tatbegriff“. Zur Bestimmung des Schwerpunktes der prozessualen Tat bzw. der materiellrechtlichen Straftat kämen verschiedene Kriterien in Betracht. Erwägenswert wäre zunächst ein Abstellen auf das Gewicht des verwirklichten Unrechts. Deutsches Strafrecht gelangte demnach zur Anwendung, sofern der gewichtigste Unrechtsgehalt der prozessualen Tat bzw. der materiell-rechtlichen Straftat in Deutschland verwirklicht wurde. In Anlehnung an die gesetzgeberische Entscheidung für das Ubiquitätsprinzip (§ 9 Abs. 1 StGB) könnte man insofern auf die Schwere des Handlungs- und Erfolgsunrechts abstellen. Maßgeblich wären dann z. B. die Gefährlichkeit der Handlung für das geschützte Rechtsgut oder die Schwere eingetretener Rechtsgutsschäden. Stellte man entsprechend der Wertung des § 9 Abs. 1 StGB, wonach Handlungs- und Erfolgsunrechtsverwirklichung gleichermaßen tatortbegründend sind, gleichwertig auf beide Elemente ab, wiesen Handlungs- und Erfolgsunrecht verwirklichende Taten zwei Schwerpunkte auf – einen Handlungsunrechtsschwerpunkt und einen Erfolgsunrechtsschwerpunkt. Für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB könnte man es dann genügen lassen, dass einer der beiden Schwerpunkte in Deutschland liegt. Andererseits könnte man in Betracht ziehen, die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts über §§ 3, 9 Abs. 1 StGB davon abhängig zu machen, dass das zentrale Unrecht i.S.e. Unrechtskerns der materiellen Straftat bzw. der prozessualen Tat in Deutschland verortet ist. Maßgeblich wäre insofern – angelehnt an die aus dem Internationalen Privatrecht be724 In diese Richtung weist eine von Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 91, im Kontext des „interlokalen Strafanwendungsrechts“ geäußerte Auffassung: Sofern sich „ein Tatgeschehen über mehrere Tatorte“ erstrecke und damit „mehrere Teilstrafrechte“ berühre, „sollte der Täter nach dem Recht desjenigen Tatorts abgeurteilt werden, an dem sein Verhalten schwerpunktmäßig stattgefunden hat“; siehe auch RGSt 75, 104, 107; kritisch hierzu Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 73 („mit der gesetzlichen Regelung zur Bestimmung des Tatortes (§ 9) nicht vereinbar“); Eser, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 3 – 9 Rn. 71, sowie Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 427, die stattdessen für die Anwendung des strengsten Landesrechts plädieren.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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kannte „charakteristische Leistung“ (vgl. z. B. Art. 4 Abs. 2 ROM I725) – das „charakteristische Unrecht“726 der prozessualen Tat bzw. der materiellen Straftat. Alternativ ließe sich in Erwägung ziehen, den Tatschwerpunkt anhand quantitativer Kriterien zu bestimmen. Der Schwerpunkt läge demnach etwa in Deutschland, wenn hierzulande die überwiegende Anzahl von strafbaren Handlungen bzw. Unterlassungen oder (vom Täter vorgestellten) Erfolgen verortet wäre. In Betracht käme des Weiteren, den Tatschwerpunkt besonders wertungsoffen nach der natürlichen Lebensanschauung zu ermitteln. In die Bewertung der konkreten Einzelfallumstände könnten dann etwa auch außertatbestandliche Kriterien wie z. B. die Tätermotivation einfließen. Bezogen auf das Anbieten virtueller Glücksspiele hätte ein „normativer Tatbegriff“ folgende Konsequenzen: Unter Zugrundelegung eines auf den Schwerpunkt der prozessualen Tat rekurrierenden normativen Tatbegriffs in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB fände deutsches Glücksspielstrafrecht gem. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB nur Anwendung, sofern das einheitliche „Glücksspielangebotsgeschehen“, in dessen Rahmen die Glücksspielstraftat begangen wurde, schwerpunktmäßig Deutschland beträfe. Wäre das der Fall, käme deutsches (Glücksspiel-)Strafrecht auf das gesamte einheitliche „Glücksspielangebotsgeschehen“ zur Anwendung. Ausgehend von einem auf den Schwerpunkt der materiellen Straftat abstellenden normativen Tatbegriff käme § 284 StGB nur zur Anwendung, sofern das Veranstalten des illegalen Glücksspiels, das Bereitstellen von Einrichtungen hierzu, das Halten des illegalen Glücksspiels bzw. das Werben für das illegale Glücksspiel schwerpunktmäßig Deutschland beträfe. In die Schwerpunktbestimmung könnten – abhängig von den als maßgeblich erachteten Kriterien – etwa folgende Gesichtspunkte einfließen: Ausrichtung des Glücksspielangebots auf den deutschen Markt (Indizien: deutsche Sprache, deutsche Inhalte – z. B.: Angebot von Wetten auf deutsche Fußballspiele, Pferderennen oder weitere Ereignisse mit Bezug zu Deutschland, auf deutsche Kunden zugeschnittene Werbung etc.); Frequentierung des Angebots von Deutschland aus; Umsatz in Deutschland; Grad des Risikos von Spielsucht und Vermögensschäden in Deutschland, Aufenthalt des Glücksspielanbieters während der Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlungen.727

725 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17. 6. 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. L 177 v. 4. 7. 2008, S. 6 ff. 726 Der Begriff „charakteristisches Unrecht“ wurde von Thomas, S. 152 ff., in Anlehnung an Art. 4 Abs. 2 EuGVÜ a.F. geprägt, der den Begriff als Kriterium zur Ermittlung eines Rangverhältnisses zwischen konkurrierenden Strafgewalten mit dem Ziel einer Vermeidung von Jurisdiktionskonflikten heranzieht. 727 Viele dieser Kriterien werden von denjenigen Autoren angeführt, die einen inländischen Erfolgsort im Falle von im Inland spielbaren Offshore-Glücksspielveranstaltungen bejahen, um die Erfolgsortklausel § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB unter Heranziehung des Erfordernisses einer „territorialen Spezifizierung“ einzuschränken, siehe hierzu oben C. II. 1. a).

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

II. Auslegung Soweit die vorgenannten Verständnismöglichkeiten des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB überhaupt vertreten werden, finden sich kaum Begründungen728 für den jeweils eingenommenen Standpunkt.729 Möglicherweise gibt eine Auslegung der §§ 3, 9 Abs. 1 StGB Aufschluss darüber, welcher Tatbegriff den Normen zugrunde liegt. Im Ausgangspunkt ist zu konstatieren, dass der Begriff „Tat“ ebenso wie der Begriff „Straftat“ im deutschen Strafrecht keine einheitliche Bedeutung aufweist.730 Je nachdem, in welchem Zusammenhang die Begriffe verwendet werden, können ihnen unterschiedliche Bedeutungen zukommen.731 So ist beispielsweise der in § 32 Abs. 1 StGB enthaltene Begriff „Tat“ im Sinne von „Straftat“ zu verstehen, da die Rechtswidrigkeit unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 StGB in Bezug auf bestimmte Straftaten und nicht in Bezug auf die gesamte, möglicherweise mehrere Straftaten beinhaltende prozessuale Tat entfällt.732 Demgegenüber liegt z. B. § 51 Abs. 3 StGB ein prozessualer Tatbegriff zugrunde.733 Verstünde man den Passus „Bestrafung wegen derselben Tat im Ausland“ in tatbestandsbezogener Auslegung des Tatbegriffes i.S.v. „Bestrafung wegen desselben Straftatbestandes im Ausland“, liefe § 51 Abs. 3 StGB leer, weil ausländische Gerichte nicht befugt sind, nach deutschen Straftatbeständen zu verurteilen.734

728

Mit Ausnahme von Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 53, und Walther, JuS 2012, S. 203 ff., siehe hierzu insb. E. II. 1. c) und d) sowie E. II. 6. a) bb) (1). Siehe zudem die kursorischen Begründungen von Ambos, IntStR, § 1 Rn. 23, und Werle/Jeßberger, in: LKStGB, Vor § 3 Rn. 314 ff., siehe hierzu E. II. 3. c). 729 Zu den Ausführungen bzgl. der Auffassung, §§ 3, 9 StGB liege ein prozessualer Tatbegriff zugrunde, siehe BGH NStZ 1986, 415, 415; OLG München NJW 2007, 788, 788 f.; Lackner/Kühl, § 9 Rn. 4; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 8a; ders., in: ders./Schluckebier/Widmaier, § 3 Rn. 2; zu den Ausführungen bzgl. der Auffassung, §§ 3, 9 StGB liege ein tatbestandsbezogener Tatbegriff zugrunde siehe Hecker, EuStR, 2 Rn. 12; Rotsch, ZIS 2006, S. 17 ff. (18); Zöller, in: AnwK-StGB, § 3 Rn. 4. 730 Gribbohm, in: LK-StGB, § 11 Rn. 86, Vor § 3 Rn. 198; Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (204). 731 Streng, in: MK-StGB, § 20 Rn. 134; Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (204). 732 Vgl. Erb, in: MK-StGB, § 32 Rn. 1. 733 BGHSt 29, 63, 64; Maier, in: MK-StGB, § 51 Rn. 47. 734 Siehe oben 4. Teil. Ein weiteres Beispiel für eine prozessuale Verwendung des Tatbegriffes im StGB bildet die formelle Subsidiaritätsklausel § 265 Abs. 1 StGB a.E. („wenn die Tat nicht in § 263 mit Strafe bedroht ist“). „Tat“ meint hier die prozessuale Tat und nicht die den Tatbestand des § 265 StGB verwirklichende Handlung. Anderenfalls liefe die formelle Subsidiaritätsklausel leer, da sich die Tathandlung des § 265 Abs. 1 StGB, das Manipulieren einer Sache, nicht mit der Tathandlung des § 263 Abs. 1 StGB, dem Täuschen einer Person, deckt, vgl. Hellmann, in: NK-StGB, § 265 Rn. 43; a.A. Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 656. Die Beispiele haben gezeigt, dass eine Auffassung wie sie z. B. von Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 8a, geäußert wird, der Tatbegriff im StGB werde „ansonsten im StGB“ (außerhalb der §§ 3 ff. StGB) eng interpretiert, nicht zutrifft.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Teilweise wird der Begriff „Tat“ auch losgelöst von herkömmlichen Begriffsverständnissen definiert. So beschreibt beispielsweise der in § 31 Nr. 1 BtMG enthaltene Tatbegriff einen „geschichtlichen Vorgang, der das strafbare Verhalten des Angeklagten als einen Tatbeitrag und strafrechtlich relevante Beiträge anderer Personen umfasst“ und geht damit über den allein auf den Angeklagten abstellenden prozessualen Tatbegriff hinaus.735 Die in § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB enthaltene Legaldefinition des Begriffes „rechtswidrige Tat“ als eine „solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht“, kann für §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB nicht herangezogen werden,736 weil hier – anders als z. B. in §§ 12 Abs. 1, 26, 27 Abs. 1, 35, 140, 145d, 258, 259, 323a StGB – nicht von einer rechtswidrigen Tat die Rede ist.737 Der Bedeutungsgehalt des Begriffes „Tat“ ist nach alledem jeweils normspezifisch zu ermitteln.738 1. Wortlaut a) Äußerster Wortsinn als Auslegungsgrenze Grenze jeder Auslegung ist der äußerste Wortsinn der Norm.739 Sofern eine der eingangs geschilderten Verständnismöglichkeiten des Tatbegriffes nicht mit dem Wortlaut der §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB in Einklang zu bringen wäre, würde eine derartige Auslegung also ausscheiden. Es handelte sich dann vielmehr um Rechts735 Vgl. BGH NJW 1991, 1840, 1841; Maier, in: MK-StGB, § 31 BtMG Rn. 63, 107 f.; a.A. Weider, NStZ 1984, S. 391 ff. (393). In zahlreichen weiteren Bereichen herrscht Streit über die Definition des Tatbegriffs. Beispielhaft sei die umstrittene Auslegung des Tatbegriffes in § 24 StGB (Stichwort: Einzelakttheorie oder Gesamtbetrachtungslehre, siehe hierzu Rengier, AT, § 37 Rn. 41 ff.) und in § 20 StGB (Stichwort: Ausdehnungsmodell, siehe hierzu Streng, in: MKStGB, § 20 Rn. 128 ff.) genannt. 736 So i.E. auch Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (204). 737 A.A. Basak, in: MR-StGB, § 3 Rn. 4: „Der Begriff der Tat verweist auf die rechtswidrige Tat iS des § 11 Nr. 5, bzw. bezüglich prozessualer Fragen auf § 264 StPO“. 738 Vgl. Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 11 Rn. 40; Gribbohm, in: LK-StGB (11. Aufl.), § 11 Rn. 86; Hilgendorf, in: LK-StGB, § 11 Rn. 80; Streng, in: MK-StGB, § 20 Rn. 134; Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (204); Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 315. 739 BVerfGE 73, 206, 235; 92, 1, 12; BVerfG NJW 1995, 1141, 1141; 2003, 1030, 1030; Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 1 Rn. 37; Rengier, AT, § 5 Rn. 5; Roxin, AT I, § 5 Rn. 28. Der Wortsinn bestimmt sich nach dem allgemeinen sowie dem juristischen Sprachgebrauch, vgl. BVerfG NJW 2007, 1666, 1667; BGHSt 22, 13, 52, 89; Dannecker, in: LK-StGB, § 1 Rn. 302 ff.; Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 1 Rn. 37; Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 68. Teilweise wird eine Bindung des Rechtsanwenders an den Wortlaut des Gesetzes bestritten. Maßgeblich sei vielmehr der wahre Sinn des Gesetzes, so Jakobs, AT, S. 85 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 3 Rn. 32. Diese Auffassung wird zu Recht unter Hinweis auf die damit verbundene Aushebelung des im Gesetzlichkeitsprinzip verankerten Verbotes von Analogien in malam partem überwiegend abgelehnt, vgl. nur Eser/Hecker, in: Schönke/ Schröder, § 1 Rn. 38; Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 77.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

fortbildung. Im Strafrecht ist eine solche – sofern sie die Voraussetzungen der Strafbarkeit betrifft – in malam partem durch den Grundsatz „nulla poena sine lege“ (Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 7 Abs. 1 EMRK, sog. Gesetzlichkeitsprinzip) verboten.740 Ob strafanwendungsrechtliche Regelungen wie §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB dem Anwendungsbereich des Gesetzlichkeitsprinzips unterfallen, ist umstritten.741 Betonte man den materiell-rechtlichen Charakter der §§ 3 ff. StGB als die Reichweite deutscher Strafnormen festlegende Geltungsbereichsregelungen742, wären §§ 3 ff. StGB am Gesetzlichkeitsprinzip zu messen.743 Ein die Wortsinngrenze in täterbelastender Weise überschreitendes Verständnis des Begriffes „Tat“ in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB wäre dann durch das in Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 7 Abs. 1 EMRK744 enthaltene Analogieverbot verboten. Beriefe man sich demgegenüber auf den prozessualen Charakter der §§ 3 ff. StGB als Strafverfolgungszuständigkeitsregelungen745, kämen Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 7 Abs. 1 EMRK nicht zum Tragen.746 Gleiches gilt, sofern man das betreffende Normverständnis als täterbegünstigend einstufte. Eine über den Wortsinn hinausgehende Rechtsfindung müsste sich dann aber am allgemeinen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) messen lassen.747 Für 740 Zu Art. 103 Abs. 2 GG: BVerfGE 92, 1, 12; BVerfG NJW 1995, 1141; 2003, 1030; Eser/ Hecker, in: Schönke/Schröder, § 1 Rn. 37; Rengier, AT, § 4 Rn. 31; Roxin, AT I, § 5 Rn. 28. Zu Art. 7 Abs. 1 EMRK vgl. EGMR Urt. v. 17. 2. 2005, 42758/98 und 45558/99, K.A. u. A.D./ Belgien, Rn. 51; Urt. v. 12. 7. 2007, 74613/01, Jorgic/Deutschland, NJOZ 2008, 3605, Rn. 100 ff.; Meyer-Ladewig, Art. 7 EMRK Rn. 5. 741 Eingehend zur Rechtsnatur der §§ 3 ff. StGB Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff.; aus normentheoretischer Perspektive Neumann, in: FS Müller-Dietz, S. 598 ff.; Schneider, S. 281 f. 742 Zum materiellen Charakter der §§ 3 ff. StGB siehe oben 4. Teil sowie unten E. II. 3. a) aa). 743 So die herrschende Meinung in Bezug auf Art. 103 Abs. 2 GG, vgl. BVerfG wistra 2003, 255, 257; Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 1; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 268 m.w.N. 744 Zum Verhältnis der EMRK zu nationalem Recht siehe oben Fn. 344. 745 Siehe hierzu oben 4. Teil sowie unten E. II. 3. a) bb). 746 Im Strafverfahrensrecht gilt das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG nicht, vgl. BVerfGE 29, 183, 197; Dannecker, in: LK-StGB, § 1 Rn. 272 ff. m.w.N. Entsprechendes gilt in Bezug auf Art. 7 Abs. 1 EMRK, vgl. Meyer-Ladewig, Art. 7 EMRK Rn. 6. Ein ausschließlich prozessualer Charakter der §§ 3 ff. StGB führte also zur Nichtanwendbarkeit des Gesetzlichkeitsprinzips in diesem Bereich. Für einen ausschließlich prozessualen Charakter der §§ 3 ff. StGB: Schroeder, GA 1968, S. 353 ff. (354). Eine rein prozessuale Einordnung strafanwendungsrechtlicher Regelungen ist auch international weit verbreitet, vgl. Ambos, IntStR, § 1 Rn. 11. Differenzierend beurteilt wird die Anwendbarkeit des Gesetzlichkeitsprinzips i.R.d. §§ 3 ff. StGB z. B. von Ambos, IntStR, § 1 Rn. 11, und Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 45 (grundsätzliche Anwendbarkeit des Art. 103 Abs. 2 GG mit Ausnahme des dem Verfahrensrecht zuzuordnenden § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB). 747 Neben der Frage nach der Anwendbarkeit des Gesetzlichkeitsprinzips wird teilweise in Anbetracht der prozessualen Funktion der §§ 3 ff. StGB als Zuständigkeitsregeln die Frage diskutiert, ob strafanwendungsrechtliche Normen an der Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) zu messen sind; bejahend Rotsch, ZIS 2010, S. 168 ff. (170); ders., ZIS 2006, S. 17 ff. (19 f.); i.E. verneinend Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 50. Auch insofern gilt, dass sich die verfassungsrechtlichen Grenzen einer über den Wortlaut hinausgehenden

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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den Normadressaten muss demnach erkennbar sein, in welchen Fällen die deutsche Rechtsordnung welche Verhaltensanforderungen an ihn stellt. Nur so kann er sein Verhalten an deutschen Rechtsnormen ausrichten. Eine Rechtsfindung, die dem Gesetz eine Bedeutung beimisst, welche seinem Wortlaut nicht mehr zu entnehmen ist, wird diesen Anforderungen grundsätzlich748 nicht gerecht. Letztlich ersetzte dann der Rechtsanwender im Wege der Rechtsfortbildung die grundsätzlich dem Gesetzgeber obliegende Entscheidung. Im Hinblick auf ein prozessuales und tatbestandsbezogenes Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ist zu konstatieren, dass es mit dem Wortlaut der §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB sowohl vereinbar ist, deutsches Strafrecht hinsichtlich prozessualer Taten zur Geltung zu bringen, sofern eine tatbestandsmäßige Handlung, ein tatbestandsmäßiges Unterlassen oder ein (vom Täter vorgestellter) tatbestandsmäßiger Erfolg in Deutschland liegt. § 9 Abs. 1 StGB wäre dann dahingehend zu verstehen, dass die gesamte grenzüberschreitende prozessuale Tat „an jedem Ort begangen [ist], an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen [usw.]“749. Ebenso ist es mit dem Wortlaut der §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB in Einklang zu bringen, dass deutsches Strafrecht bzgl. bestimmter „Straftaten“ oder „Tatbestandsverwirklichungen“ gilt, sofern eine tatbestandsmäßige Handlung etc. in Deutschland liegt. Sowohl ein prozessuales als auch ein tatbestandsbezogenes Verständnis des Tatbegriffes wird den oben genannten rechtsstaatlichen Vorgaben also gerecht. Demgegenüber entfernt sich ein auf den Schwerpunkt der prozessualen Tat bzw. der materiellen Straftat rekurrierendes normatives Tatverständnis insofern weit vom Gesetzeswortlaut, als sich §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB keine Anhaltspunkte entnehmen lassen, die auf eine Anknüpfung deutscher Strafgewalt an einen Tatschwerpunkt hindeuten. § 9 Abs. 1 StGB stellt zur Tatortbegründung nicht etwa darauf ab, ob inländische Handlungen, Unterlassungen oder (vorgestellte) inländische Erfolge schwerpunktmäßig die Bundesrepublik Deutschland betreffen. Ein Tatort liegt demnach vielmehr schlicht an jedem Ort, an dem der Täter gehandelt hat, unterlassen hat oder an dem (nach Tätervorstellung) ein zum Tatbestand gehörender Erfolg eingetreten ist. Andererseits ist der Begriff „Tat“ in hohem Maße auf eine inhaltliche Ausfüllung durch den Rechtsanwender angewiesen. Im Allgemeinen wie im juristischen Sprachgebrauch wird der Begriff seit jeher differierend in Abhängigkeit vom jeRechtsfindung jedenfalls aus dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergeben. 748 Allenfalls ausnahmsweise käme eine dem Gesetz nicht zu entnehmende Rechtsfindung unter den engen anerkannten dogmatischen Voraussetzungen der Rechtsfortbildung in Betracht. So wäre etwa eine Analogie bei Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke und einer Vergleichbarkeit der Interessenlagen zwischen nicht geregeltem und einem geregelten Fall denkbar, vgl. Dannecker, in: LK-StGB, § 1 Rn. 282 f.; Schwacke, S. 130 ff. 749 Hervorhebung nur hier.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

weiligen (Regelungs-)Kontext beurteilt.750 Im Regelungskontext der §§ 3 ff. StGB kommt es vor allem auf eine völkerrechtskonforme Strafgewaltanknüpfung unter Berücksichtigung der Souveränität anderer Staaten an.751 Diesem Aspekt trägt ein auf den Tatschwerpunkt rekurrierender normativer Tatbegriff insofern Rechnung, als er der deutschen Strafgewalt im Gegensatz zu einer „statischen“ Auslegung der §§ 3, 9 Abs. 1 StGB von vornherein solche Fälle entzieht, in denen eine Inanspruchnahme deutscher Strafgewalt mangels hinreichenden territorialen Tatbezugs zur Bundesrepublik Deutschland die Souveränitätsinteressen anderer primär von der Tat betroffener Staaten unangemessen beeinträchtigte. Liest man §§ 3, 9 Abs. 1 StGB in diesem Kontext, erscheint es vertretbar – beispielsweise im Falle eines zusammengehörigen Geschehens, in dessen Rahmen der Täter einen Totschlag vorbereitet, bevor er ihn ausführt –, die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts allein davon abhängig zu machen, ob die Tötung einen primären Bezug zur Bundesrepublik Deutschland aufweist. Nachvollziehbar ist es dann insb. auch, die Begriffe Handlung, Unterlassen und (vom Täter vorgestellter) Erfolg in § 9 StGB im Kontext der Fragestellung: „An welchem Ort liegt der Schwerpunkt der prozessualen Tat bzw. materiellen Straftat?“ zu lesen und als „die prozessuale Tat bzw. materielle Straftat schwerpunktmäßig betreffende tatbestandsmäßige Handlung usw.“ zu verstehen. Ein normatives Tatverständnis stößt damit zwar an die äußersten Grenzen des noch möglichen Wortsinns der §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, überschreitet diese aber nicht. b) Dekonturierung des Tatbegriffs? Eine mit der Frage nach dem äußersten Wortsinn der Norm im Hinblick auf den rechtsstaatlichen Aspekt der Erkennbarkeit der gesetzlichen Verhaltensanforderungen verwandte – hiervon aber abzuschichtende – Frage ist, ob eine innerhalb der Wortlautgrenzen liegende Auslegung des Tatbegriffs eine verfassungswidrige Normdekonturierung herbeiführt. Die grundsätzliche Anwendbarkeit des Gesetzlichkeitsprinzips im Bereich des Strafanwendungsrechts unterstellt, geriete eine derartige Auslegung möglicherweise in Konflikt mit dem in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommenden Bestimmtheitsgebot.752 Zwar bindet dieses nach traditio750 Zum mehrdeutigen juristischen Sprachgebrauch siehe oben E. II., S. 158 f.; zum mehrdeutigen allgemeinen Sprachgebrauch vgl. http://www.duden.de/rechtschreibung/Tat. 751 Vgl. hierzu oben 4. Teil sowie unten E. II. 8. a). 752 Vgl. BVerfGE 71, 108, 121; 92, 1, 19; BVerfG NJW 2010, 3209, 3211; sympathisierend Roxin, AT I, § 5 Rn. 79 („hat […] viel für sich“); kritisch Kuhlen, in: FS Otto, S. 89 ff. (103); Radtke/Hagemeier, in: BeckOK-GG, Art. 103 Rn. 37 („Rechtsfortbildung“). Art. 7 Abs. 1 EMRK stellt an die „Bestimmtheit der Auslegung“ vergleichsweise weniger strenge Anforderungen als es Art. 103 Abs. 2 GG tut. Das lässt sich darauf zurückführen, dass vor allem im – dem Common Law Rechtskreis zuzuordnenden – Vereinigten Königreich (England, Schottland, Wales und Nordirland) eine flexible, insb. an gesellschaftliche Entwicklungen angepasste Auslegung von Strafnormen sowie die Setzung von Richterrecht im Bereich des Strafrechts als legitim erachtet wird, vgl. hierzu Ambos, KritV 2003, S. 31 ff. Art. 7

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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nellem Verständnis des Art. 103 Abs. 2 GG („gesetzlich bestimmt“753) unmittelbar den Gesetzgeber.754 Führt man sich allerdings den auf Vorhersehbarkeit des Normgehalts und Gewaltenteilung zwischen Legislative und Judikative rekurrierenden Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips vor Augen, spricht vieles dafür, auch den Rechtsanwender bei der Normauslegung an das Bestimmtheitsgebot zu binden (sog. Auslegungsbestimmtheitsgebot755). Das BVerfG hat in diesem Sinne festgestellt, dass eine zur Konturlosigkeit eines gesetzlichen Begriffes führende Auslegung „bestehende Unsicherheiten über den Anwendungsbereich einer Norm“ erhöhe und damit gerade jene Wirkungen erzeuge, die Art. 103 Abs. 2 GG zu verhüten bezweckt.756 Aufgabe der Rechtsprechung sei es, „Unklarheiten über den Anwendungsbereich von Strafnormen durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen (Präzisierungsgebot)“757. Werde der Gehalt einer Strafnorm derart dekonturiert, dass ihn der Normadressat nicht mehr erfassen könne, würde „die Strafbarkeit nicht mehr vor der Tat generell und abstrakt vom Gesetzgeber, sondern nach der Tat im konkreten Fall vom Richter“ bestimmt.758 Eine derartige Rechtsfindung verstieße laut BVerfG gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG. Erachtete man Art. 103 Abs. 2 GG nicht für einschlägig – sei es, weil man der Norm ein Auslegungsbestimmtheitsgebot nicht entnimmt, sei es, weil man ihren Anwendungsbereich nicht auf §§ 3 ff. StGB erstreckt –, müsste sich eine innerhalb der Wortlautgrenzen liegende Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB unter dem Gesichtspunkt der Auslegungsbestimmtheit am allgemeinen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) messen lassen.759 Vor allem in Anbetracht des mit einer Strafgewaltproklamation über §§ 3, 9 Abs. 1 StGB einhergehenden Eingriffs in

Abs. 1 EMRK verlangt hier vergleichsweise weniger streng, dass die richterrechtliche Rechtsentwicklung „im Ergebnis mit dem Wesen des Straftatbestandes vereinbar und ausreichend vorhersehbar“ ist, EGMR Urt. v. 12. 7. 2007, 74613/01, Jorgic/Deutschland, NJOZ 2008, 3605, Rn. 101; vgl. auch EGMR Urt. v. 22. 3. 2001, 34044/96, Streletz, Kessler und Krenz/ Deutschland, NJW 2001, 3035, Rn. 50, 82; Meyer-Ladewig, Art. 7 EMRK Rn. 8. 753 Hervorhebung nur hier. 754 Vgl. nur BVerfGE 75, 329, 342; Bülte/Becker, ZIS 2012, S. 61 ff. (66); Rengier, AT, § 4 Rn. 26. 755 Terminologie nach Radtke/Hagemeier, in: BeckOK-GG, Art. 103 Rn. 37. 756 BVerfG NJW 1995, 1141, 1143; 2010, 3209, 3211. 757 BVerfG NJW 2010, 3209, 3209. 758 BVerfG NJW 1995, 1141, 1143. 759 Neben der Frage nach der Geltung des Art. 103 Abs. 2 GG steht überdies wiederum die Frage im Raum, ob eine „schwammige“ Gesetzesauslegung des Tatbegriffes in den Schutzbereich der Garantie des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG fällt, dessen Gewährleistungsumfang für den Normadressaten vorhersehbare Zuständigkeitsregelungen umfasst. Auch insofern gilt: Selbst wenn man den Schutzbereich des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG als nicht eröffnet erachtet, ergeben sich die Grenzen jedenfalls aus dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip Art. 20 Abs. 3 GG.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Freiheitsrechte der Betroffenen760 sind auch unter dem Maßstab des Art. 20 Abs. 3 GG hohe Anforderungen an die Erkennbarkeit des Normgehaltes für den Normadressaten und damit an die Auslegungsbestimmtheit zu stellen.761 Eine den Normgehalt zur Unerkennbarkeit dekonturierende Auslegung des Tatbegriffes wäre daher auch unter dem Maßstab des allgemeinen Rechtsstaatsprinzips verfassungswidrig. Ob sich eine Auslegung des Tatbegriffes der §§ 3, 9 Abs. 1 StGB noch im Rahmen dieser rechtsstaatlichen Maßstäbe hält, ist eine Abwägungsfrage, die sich zwischen den Polen zulässiger flexibler Ausfüllung ausfüllungsbedürftiger gesetzlicher Begriffe einerseits und unzulässiger Entgrenzung der gesetzlichen Regelung andererseits bewegt. aa) Normativer Tatbegriff In diesem Spannungsfeld liegt das eingangs in Erwägung gezogene auf den Schwerpunkt der prozessualen Tat bzw. der materiellen Straftat rekurrierende normative Verständnis des Tatbegriffs in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB. Vor allem in seiner besonders wertungsoffen auf die natürliche Lebensanschauung rekurrierenden Variante762 ermöglicht es dem Rechtsanwender einerseits flexible, dem Einzelfall angemessene Bestimmungen des Geltungsbereichs deutscher Strafnormen sowie der Zuständigkeit der deutschen Strafjustiz. Ein immenser Vorteil eines normativen Tatbegriffs liegt dabei – wie gezeigt – insb. darin, dass er den Souveränitätsinteressen anderer von der Tat betroffener Staaten im Einzelfall Rechnung trägt. Andererseits haftet normativ wertenden Interpretationen gesetzlicher Begriffe typischerweise das Risiko fehlender Vorhersehbarkeit für den Normadressaten und Einzelfallwillkür an. Läge §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ein dem Rechtsanwender weitgehend freie, individuelle einzelfallspezifische Bewertungen überlassender normativer Tatbegriff zugrunde, würde der strafgewaltkonstituierende Tatschwerpunkt erst nach Tatbegehung durch die Staatsanwaltschaft763 bzw. das Gericht764 bestimmt. Für den 760

Siehe hierzu oben B. II. 2. e) cc) sowie unten E. II. 9. Auf dieser Linie liegt es, wenn das BVerfG bei strafprozessualen Vorschriften, die als Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe in Freiheitsrechte des Beschuldigten fungieren, einen strengen Gesetzesvorbehalt annimmt, der ähnliche Anforderungen wie Art. 103 Abs. 2 GG stellt, vgl. z. B. BVerfG NStZ-RR 2007, 379, 379; Bülte, ZStW 121 (2009), S. 377 ff. (389); Dannecker, in: LK-StGB, § 1 Rn. 272 ff. 762 Siehe oben E. I. 3. 763 Zu einer staatsanwaltlichen Bestimmung des Tatschwerpunktes käme es im Rahmen der Entscheidung über die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und die Erhebung einer Anklage. Fehlte es an einem inländischen Tatschwerpunkt und damit an der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB, läge – sofern die Anwendbarkeit deutschen Stafrechts auch nicht über andere Anknüpfungspunkte der §§ 3 ff. StGB begründet werden könnte – ein Verfahrenshinernis vor, siehe hierzu oben 4. Teil. 764 Gerichtlich müsste der Tatschwerpunkt im Rahmen der Prüfung von Verfahrenshindernissen im Zwischen- und Hauptverfahren bestimmt werden. 761

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Normadressaten werden derartige Bestimmungen vor Tatbegehung oft nicht sicher antizipierbar sein. Ob er sein Verhalten einschneidend freiheitsbeschränkend am deutschen Strafrecht auszurichten hat, ist für ihn daher regelmäßig nicht eindeutig vorhersehbar. Angesichts dieser Unklarheiten käme möglicherweise die Berufung auf einen schuldausschließenden unvermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 StGB) in Betracht (zur von der Strafanwendungsfrage abzuschichtenden Thematik schuldausschließender normativer Geltungsbereichsirrtümer siehe 7. Abschnitt B.). Rechtsstaatlich legitimierbar wäre eine normative Auslegung des Tatbegriffs vor diesem Hintergrund allenfalls, wenn die Bestimmung des Tatschwerpunktes im Wege der Kriterien-, Fallgruppen- und/oder Indizienbildung vorhersehbar gemacht und das Risiko von willkürlicher Rechtsanwendung reduziert würde. (1) Konturierung anhand der Schwere des Handlungs- bzw. Erfolgsunrechts? Insofern käme – wie eingangs erwogen – in Betracht, zur Schwerpunktbestimmung auf die Schwere des verwirklichten Handlungs- und/oder Erfolgsunrechts abzustellen. Damit aber ist für eine Konturierung des Tatbegriffes noch nicht allzu viel gewonnen. Denn auch die Feststellung der Schwere des Handlungs- und Erfolgsunrechts setzt wertende Entscheidungen im Einzelfall voraus. So wäre der Rechtsanwender auf Basis eines auf den Schwerpunkt der prozessualen Tat rekurrierenden normativen Tatbegriffs zur Beurteilung des Schwerpunktes einer mehrere Deliktsverwirklichungen umfassenden grenzüberschreitenden prozessualen Tat etwa darauf angewiesen, die Wertigkeit mehrerer verletzter bzw. gefährdeter Rechtsgüter abzustufen und über den Schweregrad ihrer Verletzung bzw. Gefährdung zu entscheiden. Derartige Feststellungen mögen eindeutig zu treffen sein, wenn Kapital- und Bagatelldelikte zusammentreffen. Unklar bliebe allerdings, wie zu entscheiden wäre, wenn z. B. verschiedene höchstpersönliche Rechtsgüter betroffen sind: Wiegt der Unrechtsgehalt einer Beraubung der persönlichen Freiheit in den Niederlanden oder der Unrechtsgehalt einer mit dieser faktisch untrennbar verbundenen vorangegangenen Körperverletzung in Deutschland schwerer? Bildet ein Diebstahl z.N.d. A in Deutschland oder ein im Rahmen desselben Diebeszuges begangener Diebstahl z.N.d. B in Frankreich das überwiegende Unrecht? Eine einigermaßen rechtssichere Methode zur Bestimmung eines Unrechtsschwerpunktes könnte eine Orientierung am Strafrahmen der einschlägigen Straftatbestände bieten. In Anknüpfung an den Rechtsgedanken des § 12 StGB ließe sich die Schwere einer Rechtsgutsverletzung bzw. -gefährdung etwa anhand der Mindeststrafdrohung der einschlägigen Straftatbestände bestimmen. Ein derartiges Vorgehen führte allerdings insofern zu unangemessenen Ergebnissen, als die Schwere der Rechtsgutsbetroffenheit von tat- und täterbezogenen Einzelfallumständen statt von einer pauschalen gesetzlichen Mindeststrafdrohung abhängt. So wiegt beispielsweise ein am unteren Ende eines Strafrahmens mit hoher Mindest- und niedriger Höchststrafdrohung einzuordnendes Delikt weniger schwer als ein Delikt, das am oberen Ende eines

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höheren Strafrahmens mit niedriger Mindest- und hoher Höchststrafdrohung einzuordnen ist. Problematisch würde eine Bestimmung des Schwerpunktes der prozessualen Tat in Anknüpfung an das verwirklichte Handlungs- und/oder Erfolgsunrecht zudem immer dann, wenn Handlungs- und/oder Erfolgsunrecht in verschiedenen Staaten gleichermaßen verwirklicht wird. Man denke z. B. an einen Internetbetrug, der zu Vermögensschäden ähnlichen Ausmaßes bei in verschiedenen Staaten aufhältigen Internetnutzern führt. In solchen Fällen kumulative Geschehensschwerpunkte in sämtlichen gleichermaßen territorial betroffenen Staaten anzunehmen, liefe darauf hinaus, einem Geschehen zahlreiche Schwerpunkte zuzumessen. Von einem Schwerpunkt i.S.v. Hauptgeschehen oder Mittelpunkt kann dann keine Rede mehr sein. Darüber hinaus sähe sich der Rechtsanwender auf Basis eines auf den Schwerpunkt der prozessualen Tat abstellenden normativen Tatbegriffs generell in solchen Fällen vor Probleme gestellt, in denen der Unrechtsschwerpunkt einer prozessualen Tat zwar im Ausland liegt, bedeutsame strafbare Tatteile allerdings auch eng mit dem deutschen Territorium verknüpft sind. Wendete man den normativen Tatbegriff in solchen Fällen konsequent an, wären die auf deutschem Territorium verwirklichten bedeutsamen Tatteile mangels inländischen Tatschwerpunktes der deutschen Strafgewalt entzogen. Sie blieben gänzlich unbestraft, wenn auch ausländische Staaten diesbezüglich keine Strafgewalt in Anspruch nähmen. In diesen Fällen käme es zu gravierenden Rechtsgüterschutzeinbußen im Hinblick auf die Gebietshoheit der Bundesrepublik Deutschland betreffende Tatteile. Die Sicherheit und der Rechtsfrieden auf deutschem Territorium würden hierdurch negativ beeinflusst (siehe hierzu E. II. 7.). Um dem zu entgehen, müsste ein auf den Schwerpunkt der prozessualen Tat rekurrierender normativer Tatbegriff in derartigen Fällen wiederum normativ dahingehend korrigiert werden, dass deutsche Strafgewalt ausnahmsweise auch ohne einen inländischen Tatschwerpunkt zum Tragen käme. Eine solche Korrektur aber führte zu einer Intensivierung der ohnehin bestehenden Vorhersehbarkeitsprobleme. Ausgehend von einem auf den Schwerpunkt der materiellen Straftat rekurrierenden normativen Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB würde der Rechtsanwender beispielsweise in Fällen grenzüberschreitender Deliktsverwirklichungen, die tatbestandlich mehrere – zur tatbestandlichen Bewertungseinheit zusammengezogene765 – Einzelhandlungen voraussetzen, mit Problemen konfrontiert. Beispielhaft seien Fälle von Zuhälterei (§ 181a StGB) oder Förderung der Prostitution (§ 180a StGB) in verschiedenen Staaten genannt. Verwirklichte der Täter Handlungs- und Erfolgsunrecht in derartigen Fällen gleichermaßen in den verschiedenen Staaten, ließe sich ein Schwerpunkt der Straftat nicht ermitteln.

765 Vgl. hierzu Jäger, in: SK-StGB, 136. Lfg. Oktober 2012, Vor § 52 Rn. 36 ff., sowie oben Fn. 722.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Auch in den typischen Fällen, in denen ein Straftatbestand die Vornahme nur einer Handlung und den Eintritt nur eines Erfolges voraussetzt, wäre die Schwerpunktbestimmung problematisch. Verlangte man hier – wie eingangs in Betracht gezogen – die Ermittlung eines einzigen Schwerpunktes der Straftat, ließe sich ein Schwerpunkt bei gleichwertigen Handlungs- und Erfolgsunrechtsverwirklichungen gar nicht feststellen. Ginge man – wie eingangs alternativ in Erwägung gezogen – von der Existenz eines Handlungs- und eines Erfolgsunrechtsschwerpunkts aus, wäre ein inländischer Schwerpunkt der Straftat im Falle einer inländischen tatbestandsmäßigen Handlung, Unterlassung oder eines (vorgestellten) Eintritts eines zum Tatbestand gehörenden Erfolges im Inland in diesen Fällen stets zu bejahen. Man gelangte hier zu keinen anderen Ergebnissen als auf Basis eines – von vornherein klarer umgrenzten [siehe hierzu E. II. 1. b) cc)] – tatbestandsbezogenen Tatverständnisses. (2) Konturierung anhand quantitativer Kriterien? Das Problem, die Wertigkeit verschiedener Rechtsgüter und den Schweregrad ihrer Betroffenheit im Einzelfall festlegen zu müssen, ließe sich umgehen, indem man – wie eingangs alternativ in Erwägung gezogen – schlicht quantitativ auf die Anzahl in Deutschland verorteter tatbestandsmäßiger Handlungen, Unterlassungen und/oder (vom Täter vorgestellter) zum Tatbestand gehörender Erfolge abstellte. Die sonstigen gegen eine Schwerpunktbestimmung anhand der Schwere des Handlungsund Erfolgsunrechts erhobenen Einwände greifen allerdings auch hier entsprechend. Darüber hinaus führte eine quantitative Bestimmung des Schwerpunktes der prozessualen Tat insofern zu unangemessenen Ergebnissen, als prozessuale Taten, innerhalb derer viele vergleichsweise unbedeutende Handlungen und/oder Erfolge im Ausland und wenige bedeutsame Handlungen und/oder Erfolge in Deutschland liegen, der deutschen Strafgewalt entzogen würden. Deutsches Strafrecht käme dann nicht zum Tragen, obgleich das Geschehen aufgrund der im Inland verorteten bedeutsamen Handlungen bzw. Erfolge eine enge Verbindung zum der deutschen Gebietshoheit unterliegenden deutschen Territorium aufweist und eine Strafgewalterstreckung zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes auf deutschem Territorium geboten sein kann (siehe hierzu E. II. 7.). Unter Zugrundelegung eines auf den Schwerpunkt der materiellen Straftat rekurrierenden normativen Tatverständnisses versagte eine quantitative Schwerpunktbestimmung in den meisten Fällen schon deshalb, weil eine materielle Straftatbestandsverwirklichung typischerweise die Vornahme nur einer Handlung und den Eintritt nur eines Erfolges voraussetzt. (3) Natürliche Betrachtungsweise? Die eingangs in Erwägung gezogene äußerst wertungsoffene, auch außertatbestandliche Kriterien in Bezug nehmende Betrachtungsweise nach der natürlichen Lebensanschauung eröffnete dem Rechtsanwender die weitesten Beurteilungsspielräume und führte damit ein Höchstmaß an Unvorhersehbarkeit herbei. Sie

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entfernte sich in Puncto fehlender Vorhersehbarkeit nicht weit von dem in Machtstreben und Rassismus verwurzelten nationalsozialistischen Vorgehen, den Umfang deutscher Strafgewalt bei „Inlandsdistanzdelikten mit einem ausländischen Erfolgsort“766 und bei „Inlandsteilnahme an ausländischer Haupttat“767 analog § 3 Abs. 2 RStGB768 in Anknüpfung daran zu ermitteln, was „nach dem gesunden Empfinden des deutschen Volkes wegen der besonderen Verhältnisse am Tatort“ als strafwürdiges Unrecht angesehen wurde769. (4) Ergebnis Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass einem normativen Verständnis des in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB enthaltenen Tatbegriffes eine rechtsstaatlichen Erfordernissen zuwiderlaufende Konturlosigkeit unabdingbar anhaftet. Ein normatives Tatverständnis scheidet daher infolge eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG bzw. Art. 20 Abs. 3 GG als verfassungswidrig aus. bb) Prozessualer Tatbegriff Auch ein prozessuales Tatverständnis ist auf einzelfallspezifische wertende Beurteilungen durch den Rechtsanwender angewiesen, wenn es zu bestimmen gilt, ob bestimmte Begebenheiten ein untrennbar einheitliches Geschehen bilden. Die Bestimmung einer Geschehenseinheitlichkeit kann allerdings ohne die soeben geschilderten mit einer Bestimmung eines Geschehensschwerpunktes einhergehenden Probleme in weiten Teilen von einem vergleichsweise neutraleren Blickwinkel aus erfolgen. In Rechtsprechung770 und Schrifttum771 werden zur Beurteilung der Geschehenseinheitlichkeit auf Basis einer im Grundsatz überwiegend konsentierten faktischen Betrachtungsweise772 vor allem die Kriterien Tatzeit, Tatort, Tatobjekt und 766

Obermüller, S. 163. Obermüller, S. 163. 768 § 3 Abs. 2 RStGB lautete: „Für eine im Ausland begangene Tat, die nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist, gilt das deutsche Strafrecht nicht, wenn die Tat wegen der besonderen Verhältnisse am Tatort kein strafwürdiges Unrecht ist“. 769 So Schröder, ZStW 61 (1942), S. 57 ff. (110, 116). § 3 Abs. 2 RStGB wurde als verfassungswidrig (Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG) aus dem StGB entfernt, vgl. Niederschriften der Großen Strafrechtskommission, Bd. 4 (38. bis 52. Sitzung), Bonn 1958, S. 24 f.; Obermüller, S. 163. 770 BGHSt 22, 375, 385; 29, 341, 342; 49, 359, 362; BGH NJW 1992, 2838, 2838; BGH NStZ 2014, 46, 47. 771 Beulke, StrPrR, Rn. 513; Kühne, in: LR-StPO, Einl. Abschn. K Rn. 60 f.; Neuefeind, JA 2000, S. 791 ff. (793); Pfeiffer, § 264 StPO Rn. 2; weitere Nachweise bei Stuckenberg, in: KMR-StPO, 29. Lfg. September 2001, § 264 Rn. 15, 17, 25. 772 Vgl. nur BGH NStZ-RR 2003, 82, 83; Eschelbach, in: BeckOK-StPO, § 264 Rn. 5; Radtke, in: Radtke/Hohmann, § 264 StPO Rn. 15. Zu abweichenden Ansichten (Heranziehung materiell-rechtlicher Kriterien) siehe Maatz, in: FS Meyer-Goßner, S. 257 ff.; Paeffgen, in: GS Heinze, S. 615 ff.; Radtke, in: Radtke/Hohmann, § 264 StPO Rn. 5 ff., 16 ff.; Stuckenberg, in: 767

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Tatbild herangezogen.773 Eine materiell-rechtliche Betrachtung des Konkurrenzverhältnisses der in Rede stehenden Straftatbestände dient als optional heranziehbares Indiz für die allein maßgebliche tatsächliche Geschehenseinheitlichkeit.774 Diese Kriterien verleihen dem prozessualen Tatbegriff Kontur. Sie führen in weiten Teilen zur Vorhersehbarkeit einzelfallspezifischer Entscheidungen und minimieren das Risiko willkürlicher Rechtsanwendung. Gleichwohl verbleibt eine nicht unbedeutende Anzahl von Zweifelsfällen.775 Etwa im Bereich der Dauer- und Organisationsdelikte (z. B. der Betäubungsmittelkriminalität, der Straßenverkehrskriminalität oder der organisierten Kriminalität) sorgt immer wieder die Frage für Unsicherheit, ob Dauer- bzw. Organisationsdelikte und zuvor, währenddessen oder anschließend verwirklichte Delikte innerhalb einer prozessualen Tat liegen (zu einem Beispiel siehe E. III. 2.).776 Derartige Grenzfälle stellen sich angesichts der Vielschichtigkeit der Einzelfälle als unausweichlich dar. Eine rechtsstaatlichen Vorgaben zuwiderlaufende generelle Dekonturierung des prozessualen Tatbegriffs führen sie nicht herbei. Vielmehr ist die Rechtsprechung gefordert, durch klare und einheitliche konkretisierende Entscheidungen für Rechtssicherheit zu sorgen.777 Im Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass ein prozessualer Tatbegriff rechtsstaatlichen Vorgaben unter dem Gesichtspunkt der Auslegungsbestimmtheit gerecht wird. cc) Tatbestandsbezogener Tatbegriff Ein auf den konkreten Straftatbestand rekurrierender tatbestandsbezogener Tatbegriff ist in einem geringeren Maße auf ausfüllende Bestimmungen durch den Rechtsanwender angewiesen als ein prozessualer Tatbegriff. Zu beurteilen gilt es hier lediglich, ob eine tatbestandsmäßige Handlung, ein tatbestandsmäßiges Unterlassen LR-StPO, § 264 Rn. 29 ff.; zu normativierenden Tendenzen in der Rechtsprechung siehe unten E. III. 1. 773 Vgl. BGHSt 36, 151, 153 ff.; 43, 96, 98; BGH NStZ 2000, 216; Eschelbach, in: BeckOKStPO, § 264 Rn. 6; Volk/Engländer, Grundkurs StPO, § 13 Rn. 3; eingehend zu maßgeblichen Kriterien Stuckenberg, in: KMR-StPO, 29. Lfg. September 2001, § 264 Rn. 28 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 774 Vgl. BVerfGE 45, 434, 435; BGHSt 26, 284, 285; BGH NStZ 1984, 171, 172; Beulke, StrPrR, Rn. 514 ff.; Engelhardt, in: KK-StPO, § 264 Rn. 4 ff. m.w.N.; siehe im Einzelnen auch unten E. III. 1. 775 Auch der BGH räumt ein, dass die Bestimmung der Einheitlichkeit eines Geschehens nicht in jedem Fall eindeutig sei. Es sei einzelfallspezifisch zu hinterfragen, ob die Ergebnisse gerecht sind, vgl. BGHSt 43, 252, 255; ebenso Beulke, StrPrR, Rn. 513. 776 Vgl. exemplarisch BGHSt 29, 288; 36, 151; 43, 252; OLG Braunschweig, SVR 2015, 189; eingehend Cording, passim; Kuckein, in: KK-StPO, § 264 Rn. 8; Stuckenberg, in: LRStPO, § 264 Rn. 83 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 777 Die derzeitige Rechtsprechung ist teilweise uneinheitlich. Etwa im Bereich der Dauerdeliktsverwirklichungen wird eine das Dauerdelikt und Zustandsdelikt umfassende prozessuale Tat – entgegen der grundsätzlich propagierten naturalistischen Betrachtungsweise – zum Teil nur dann angenommen, wenn das Dauerdelikt schwerer wiegt als das Zustandsdelikt, so z. B. in Bezug auf unerlaubten Waffenbesitz und den Einsatz der Waffe BGH NJW 1989, 1810, 1810; zu normativierenden Tendenzen in der Rechtsprechung siehe auch unten E. III. 1.

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oder ein (vorgestellter) tatbestandsmäßiger Erfolg auf inländischem Territorium liegt. Zwar führt auch ein tatbestandsbezogener Tatbegriff nicht ausnahmslos zu vorhersehbaren Ergebnissen – man denke etwa an die oben778 geschilderten Unsicherheiten bei grenzüberschreitenden Handlungseinheiten. Eine rechtsstaatlichen Vorgaben zuwiderlaufende Dekonturierung der gesetzlichen Regelung vermögen derartige bereichsspezifische Unsicherheiten in bestimmten Ausnahmefällen allerdings wiederum nicht zu begründen. Auch sie können durch konkretisierende Rechtsprechung beseitigt werden. Auch ein tatbestandsbezogener Tatbegriff ist daher unter dem Gesichtspunkt der Auslegungsbestimmtheit mit Verfassungsrecht vereinbar. c) „Taten, die im Inland begangen werden“ Lassen sich demnach von den eingangs in Betracht gezogenen Verständnismöglichkeiten des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB nur ein prozessuales und ein tatbestandsbezogenes Verständnis mit rechtsstaatlichen Vorgaben in Einklang bringen, fragt sich, ob sich dem Wortlaut der §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB Hinweise entnehmen lassen, welches der beiden Tatverständnisse den Normen zugrunde liegt. Walther779 stellt sich auf den Standpunkt, der Wortlaut des § 3 StGB spreche für ein tatbestandsbezogenes Verständnis des Tatbegriffs. Würde § 3 StGB eine Tat im prozessualen Sinne in Bezug nehmen, müsse die Norm abweichend vom tatsächlichen Wortlaut „Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Inland begangen werden“ wie folgt gelesen werden: „Das deutsche Strafrecht gilt – unabhängig von der Einschlägigkeit bestimmter Tatbestände – für alle zusammenhängenden Lebenssachverhalte, die im Inland begangen werden“780. Dieses Argument überzeugt nicht. Ebenso gut ließe sich argumentieren, § 3 StGB liege ein prozessuales Tatverständnis zugrunde, da nicht von einer Straftat oder einem Straftatbestand, sondern allgemeiner von einer Tat die Rede ist, weshalb der in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB verwendete Begriff „Tat“ dem allgemeinen Sprachverständnis entsprechend ein generelleres, allgemeineres Begriffsverständnis i.S.v. „einheitlicher Lebenssachverhalt“ impliziere. d) „der zum Tatbestand gehörende Erfolg“ Darüber hinaus argumentiert Walther781, auch die in § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB enthaltene Formulierung, eine Tat sei an dem Ort begangen, an dem „der zum Tatbestand gehörende Erfolg“782 eintrete, spreche für einen tatbestandsbezogenen 778 779 780 781 782

Siehe E. I. 2. Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (204). Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (204). Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (204 f.). Hervorhebung nur hier.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Tatbegriff. § 9 Abs. 1 StGB rekurriere an dieser Stelle auf einen bestimmten Straftatbestand, der einen bestimmten Erfolg voraussetzt. Damit korrespondiere ein tatbestandsbezogenes Verständnis des Tatbegriffes.783 Ähnlich argumentiert Böse784. Da die Bestimmung des Tatortes von der Bestimmung „der Tatbestandsmäßigkeit v. Handlung bzw. Erfolg“ abhänge, sei die Prüfung, ob eine Inlandstat vorliege, „für jeden einzelnen Tatbestand getrennt vorzunehmen“785. Konsequenterweise müsse daher i.R.d. §§ 3 und 4 StGB ein materieller tatbestandsbezogener Tatbegriff gelten.786 Zuzustimmen ist Böse und Walther in der ihrer Argumentation zugrunde liegenden Prämisse, die Ermittlung eines Handlungs-, Unterlassungs- und (vorgestellten) Erfolgsortes müsse an einen ganz bestimmten Tatbestand anknüpfen. Sähe man das anders, fehlte es an einem Anknüpfungspunkt für einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ usw. Die daraus hergeleitete Schlussfolgerung, § 9 StGB liege ein tatbestandsbezogener Tatbegriff zugrunde, ist allerdings nicht zwingend. Sie überzeugte, wenn es in § 9 StGB etwa „der zum Tatbestand dieser (Straf-)Tat gehörende Erfolg“ oder „der zu ihrem Tatbestand gehörende Erfolg“ hieße. Die § 9 StGB tatsächlich zugrunde liegende Formulierung „der zum Tatbestand gehörende Erfolg“ lässt sich hingegen ebenso gut auch dahingehend verstehen, dass der zu einem im Rahmen einer prozessualen Tat verwirklichten Straftatbestand gehörende Erfolg tatortbegründend hinsichtlich der gesamten prozessualen Tat ist. §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB wären demnach wie folgt zu lesen: „Das deutsche Strafrecht gilt für prozessuale Taten, die im Inland begangen werden.“ „Eine prozessuale Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter tatbestandsmäßig gehandelt hat [usw.].“ Walthers auf den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB rekurrierendes Argument lässt sich darüber hinaus auch mit Blick auf die Entstehungsgeschichte des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB entkräften: Der Gesetzgeber wollte mit der Erweiterung des § 9 StGB um die Worte „zum Tatbestand gehörende“ im Zuge des 2. Strafrechtsreformgesetzes vom 4. 7. 1969787 verdeutlichen, dass nicht jegliche Wirkung einer Handlung tatortbegründend ist, sondern „nur ein tatbestandlicher und nicht auch ein darüber hinausgehender möglicher weiterer Erfolg für die Bestimmung des Tatorts Bedeutung hat“788. Auswirkungen auf den Tatbegriff bezweckte er hiermit nicht.

783

Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (204). Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 53; zustimmend Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (204 f.). 785 Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 53. 786 Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 53. 787 BGBl. I 1969, S. 717 ff.; in Kraft getreten am 1. 1. 1975. 788 Niederschriften der Großen Strafrechtskommission, Bd. 4 (38. bis 52. Sitzung), Bonn 1958, S. 20. 784

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

e) Ergebnis Als Ergebnis der Wortlautauslegung ist festzuhalten, dass sowohl ein prozessuales als auch ein tatbestandsbezogenes Tatverständnis mit dem Wortlaut der §§ 3, 9 Abs. 1 StGB in Einklang stehen. Ein normatives Tatverständnis lässt sich zwar noch unter den äußersten Wortsinn der Normen fassen, dekonturiert die gesetzliche Regelung allerdings in einem so hohen Maße, dass es rechtsstaatlichen Vorgaben nicht mehr gerecht werden kann. 2. Entstehungsgeschichte Die Entstehungsgeschichte der §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB geht auf das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 zurück.789 Dem deutschen Strafanwendungsrecht lag damals in § 3 RStGB das Territorialitätsprinzip als tragender Grundsatz zugrunde. § 3 RStGB lautete: „Die Strafgesetze des Deutschen Reichs finden Anwendung auf alle im Gebiete desselben begangenen strafbaren Handlungen, auch wenn der Täter ein Ausländer ist“790. Mit der nationalsozialistischen Geltungsbereichsverordnung vom 6. 5. 1940791 wurde der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts ausgedehnt. Tragender Grundsatz wurde in § 3 Abs. 1 RStGB das aktive Personalitätsprinzip.792 Das deutsche Strafrecht galt fortan „für die Tat eines deutschen Staatsangehörigen, einerlei, ob er sie im Inland oder im Ausland begeht“. § 3 Abs. 3 RStGB normierte den für andere Anknüpfungspunkte deutscher Strafgewalt relevanten Begehungsort mit den Worten: „Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln sollen oder an dem der Erfolg eingetreten ist oder eintreten sollte“. Mit dem 2. Strafrechtsreformgesetz vom 4. 7. 1969793, auf das die heutige Regelung der §§ 3 ff. StGB zurückgeht, wurde das Territorialitätsprinzip wieder zum tragenden Grundsatz des deutschen Strafanwendungsrechts. Seinem grundlegenden Regelungsgehalt nach entspricht der heutige § 3 StGB damit dem ursprünglichen § 3 RStGB von 1871.794 Die gesetzgeberische Formulierung lehnt sich hingegen an § 3 RStGB i. d. F. der nationalsozialistischen Geltungsbereichsverordnung an: Aus § 3 Abs. 1 RStGB wurde die Formulierung „Das deutsche Strafrecht gilt für Taten“795 übernommen; § 3 Abs. 3 RStGB wurde nahezu wörtlich in § 9 Abs. 1 StGB überführt. Die Frage, wie der aus dem RStGB adaptierte Begriff „Tat“ in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB zu verstehen ist, wurde im Gesetzgebungsverfahren zum 2. Strafrechtsre789 Eingehend zur historischen Entwicklung des Territorialitätsprinzips Eser, in: FS Jescheck, Bd. 2, S. 1353 ff. (1362 ff.); Jeßberger, S. 42 ff.; Zieher, S. 97 ff. 790 RGBl. I 1871, S. 127 f. 791 RGBl. I 1940, S. 754. 792 Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Entstehungsgeschichte. 793 BGBl. I 1969, S. 717 ff. 794 Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 3 Entstehungsgeschichte. 795 Hervorhebung nur hier.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

171

formgesetz nicht erörtert. Weder im Rahmen der ausführlichen Vorarbeiten der Großen Strafrechtskommission796 noch im Sonderausschuss für die Strafrechtsreform zum 2. Strafrechtsreformgesetz797 wurde der Frage nachgegangen.798 Den Gesetzesmaterialien zum 2. Strafrechtsreformgesetz lassen sich lediglich generelle Aussagen zur Verwendung des Begriffes „Tat“ im StGB entnehmen. So heißt es zur Begründung eines letztlich nicht Gesetz gewordenen Vorschlags des E 1962, eine Legaldefinition des Begriffes „Straftat“ in § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB einzuführen799, „zuweilen“ lasse das Gesetz keinen Zweifel darüber aufkommen, dass es eine Bestimmung in Bezug nehme, bei der „eine rechtswidrige und schuldhafte Handlung, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, die Voraussetzung für die Rechtsfolge bildet“800. In diesen Fällen werde der Begriff Straftat oft „durch den einfacheren Begriff „Tat“ ersetzt“801. Ganz abgesehen davon, dass durch die Verwendung der Attribute „zuweilen“ und „oft“ zum Ausdruck kommt, dass sich die mit der Entwicklung des E 1962 befasste Große Strafrechtskommission außerstande sah, allgemeingültige Aussagen zu einem stringenten Gebrauch des Begriffes „Tat“ im StGB zu treffen, wären die im E 1962 genannten Voraussetzungen einer synonymen Verwendung der Begriffe „Tat“ und „Straftat“ jedenfalls im Hinblick auf §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB nicht erfüllt. Wie bereits die grammatische Auslegung gezeigt hat, lässt das Gesetz mit seiner insofern nicht eindeutigen Formulierung nämlich durchaus Zweifel daran aufkommen, ob es in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB eine Bestimmung in Bezug nimmt, „bei der eine rechtswidrige und schuldhafte Handlung, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, die Voraussetzung für die Rechtsfolge bildet“ oder nicht eher auf ein tatsächliches einheitliches Gesamtgeschehen rekurriert. Lassen sich den Gesetzesmaterialien damit unmittelbar keine fruchtbaren Aussagen zur Bedeutung des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB entnehmen, fragt sich, ob sich diesbezügliche Erkenntnisse zumindest mittelbar aus den Motiven ziehen lassen, die den Gesetzgeber des 2. Strafrechtsreformgesetzes zur Umge796 Niederschriften der Großen Strafrechtskommission, Bd. 4 (38. bis 52. Sitzung), Bonn 1958, vgl. insb. S. 11 ff. Die Vorarbeiten mündeten in den Entwurf eines Strafgesetzbuchs (E 1962), BT-Drs. IV/650, auf dem das 2. Strafrechtsreformgesetz wesentlich beruht. 797 Siehe BT-Drs. V/4095, S. 1 ff. 798 Lediglich der Tatbegriff in § 6 E 1962 (entspricht § 7 StGB) wurde unter dem Gesichtspunkt diskutiert, ob es als „Tat“ anzusehen sei, wenn ausländische Interessen beeinträchtigt werden, etwa, wenn ein Deutscher vor einem ausländischen Gericht einen Meineid begeht, vgl. Niederschriften der Großen Strafrechtskommission, Bd. 4 (38. bis 52. Sitzung), Bonn 1958, S. 13; vgl. auch Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, 2. Aufl., Tübingen 1969, S. 33. Es handelt sich dabei um eine – von der Geltungsbereichsfrage abzuschichtende – Frage nach der Eröffnung des Schutzbereichs deutscher Straftatbestände (siehe hierzu oben 4. Teil). 799 Der Sonderausschuss für die Strafrechtsreform lehnte den Vorschlag mit der Begründung ab, es könne nicht zweifelhaft sein, was mit dem Begriff „Straftat“ gemeint sei, BT-Drs. V/4095, S. 7. 800 BT-Drs. IV/650, S. 119. 801 BT-Drs. IV/650, S. 119; beispielhaft werden §§ 52, 60, 85 und 149 StGB angeführt.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

staltung des deutschen Strafanwendungsrechts bewogen haben. Die Umgestaltung zielte darauf ab, das deutsche Strafanwendungsrecht von nationalsozialistisch ideologischen, durch Rassismus und Streben nach Macht geprägten, Grundgedanken zu befreien.802 Die §§ 3 ff. RStGB zugrunde liegenden nationalsozialistischen Zielsetzungen, deutsches Strafrecht basierend auf dem Treupflichtgedanken803 extensiv zur Geltung zu bringen, um etwa auch die „im Ausland begangene Rassenschande“804 erfassen zu können und die „Wahrung des deutschen Ansehens in der Welt“805 – verstanden als die Verfestigung der deutschen Machtposition in der Welt – zu gewährleisten, bedurften der Entfernung aus dem StGB.806 Ausweislich der Begründung des in weiten Teilen Gesetz gewordenen E 1962 sollte der unter Berufung auf derartige Ziele – insbesondere durch das aktive Personalitätsprinzip – weit ausgedehnte Geltungsbereich des deutschen Strafrechts unter Betonung des Ausnahmecharakters extraterritorialer Strafgewalterstreckungen in Anbetracht des „gegenwärtige(n) Verhältnis der Kulturstaaten zueinander“ und der internationalen Rechtsentwicklung wieder eingeengt werden.807 In den Beratungen der Großen Strafrechtskommission betonte allen voran Jescheck, dass einer extensiven Ausdehnung deutscher Strafgewalt über §§ 3 ff. StGB künftig das Gebot der Rücksichtnahme auf andere souveräne Staaten entgegenstünde.808 Diesen Ansprüchen wird ein restriktives tatbestandsbezogenes Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB eher gerecht als ein die Strafgewalt auf die gesamte prozessuale Tat ausdehnendes extensiveres prozessuales Tatverständnis. Bei näherer Betrachtung des Diskussions- und Abstimmungsganges in der Großen Strafrechtskommission zeichnet sich allerdings ein die in der Begründung des E 1962 propagierte Prämisse der rücksichtsvollen Eingrenzung von Strafgewalt relativierendes Bild. Zwar war unter den Mitgliedern der Großen Strafrechtskommission im Grundsatz konsentiert, dass es eine weltumfassend ausufernde Strafgewaltproklamation über das Territorialitätsprinzip mit Rücksicht auf die Souveränität anderer von der Tat betroffener Staaten zu vermeiden gilt. Viele Mitglieder machten eine Zurückdrängung des aktiven Personalitätsprinzips allerdings von der Bedingung abhängig, dass die damit einhergehenden Lücken deutscher Strafgewalt weitgehend durch Ausweitung anderer Anknüpfungspunkte deutscher Strafgewalt geschlossen 802

Vgl. E 1962, BT-Drs. IV/650, S. 105; vgl. insb. die entsprechende Forderung Jeschecks, in: Niederschriften der Großen Strafrechtskommission, Bd. 4 (38. bis 52. Sitzung), Bonn 1958, S. 12 ff. 803 Vgl. Maurach, DStrR 1938, S. 1 ff. 804 Rietzsch, DJ 1940, S. 563 ff. (564); vgl. hierzu Eser, in: FS Jescheck, Bd. 2, S. 1353 ff. (1364). 805 Mezger, DStrR 1941, S. 18 ff. (20); vgl. hierzu Eser, in: FS Jescheck, Bd. 2, S. 1353 ff. (1364). 806 Vgl. Eser, in: FS Jescheck, S. 1353 ff. (1364). 807 BT-Drs. IV/650, S. 105. 808 Niederschriften der Großen Strafrechtskommission, Bd. 4 (38. bis 52. Sitzung), Bonn 1958, S. 14, Umdruck R64, S. 409; vgl. hierzu Eser, in: FS Jescheck, Bd. 2, S. 1353 ff. (1365).

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

173

werden.809 Dieser Haltung entspräche eher ein extensiveres prozessuales Verständnis des Tatbegriffs in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB. Das 2. Strafrechtsreformgesetz stellte sich damit letztlich in vielen Punkten als ein Kompromiss zwischen den im Gesetzgebungsverfahren vertretenen reformorientierten und konservativen Positionen dar.810 Eine entstehungsgeschichtliche Tendenz zu einer extensiven oder restriktiven Auslegung des Tatbegriffes lässt sich aus einer derartigen Kompromisslösung nicht herleiten. Aus der Entstehungsgeschichte lassen sich nach alledem keine Rückschlüsse auf die Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB ziehen. 3. Systematik a) Rechtsnatur der §§ 3 ff. StGB In systematischer Hinsicht liegt zunächst der Gedanke nahe, die Frage, ob §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ein prozessuales oder materielles, tatbestandsbezogenes Tatverständnis zugrunde liegt, mit Blick darauf zu beantworten, welche Rechtsnatur §§ 3 ff. StGB, in deren Regelungskomplex §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB verortet sind, aufweisen. Eine verfahrensrechtliche Natur der §§ 3 ff. StGB als Zuständigkeitsregelung könnte für die Annahme sprechen, den Normen liege grundsätzlich811 ein prozessuales Tatverständnis zugrunde. Hierfür spräche insbesondere, dass Zuständigkeitsregelungen i. d. R. weniger von materiell-rechtlichen Wertungen als vielmehr von tatsächlichen Sachverhalten ausgehen und dass im Prozessrecht überwiegend der tatsächliche einheitliche Lebenssachverhalt, d. h. die prozessuale Tat, im Vordergrund steht, der gem. § 264 StPO Gegenstand der Urteilsfindung ist. Eine materiell-rechtliche Rechtsnatur der §§ 3 ff. StGB könnte hingegen für ein materiell-rechtliches, tatbestandsbezogenes Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB sprechen, da das materielle Strafrecht die Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Straftaten regelt812.

809 So Lange, Schmidt, Welzel (Niederschriften der Großen Strafrechtskommission, Bd. 4 (38. Bis 52. Sitzung), Bonn 1958, S. 22), Voll, Fritz (ebd., S. 24) und Schäfer (ebd., S. 31). Gegen eine Abkehr vom aktiven Personalitätsprinzip als Leitprinzip der §§ 3 ff. StGB Baldus (ebd., S. 22) und Gallas (ebd., S. 23, 30), vgl. Eser, in: FS Jescheck, Bd. 2, S. 1353 ff. (1366 f.). Der Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, 2. Aufl., Tübingen 1969, S. 31, kritisierte die damit einhergehende uferlose Ausweitung des Geltungsbereichs deutschen Strafrechts. 810 Eser, in: FS Jescheck, Bd. 2, S. 1353 ff. (1369), bezeichnet das Ergebnis des 2. Strafrechtsreformgesetzes als eine Verunklarung und Verwässerung des Reformkonzepts Jeschecks, der im Gesetzgebungsverfahren für eine deutliche Eingrenzung des Geltungsbereichs deutschen Strafrechts eintrat. 811 Zu Ausnahmen i.R.d. §§ 5 f. StGB siehe sogleich unter E. II. 3. c). 812 Frister, AT, 1. Kapitel, Rn. 18.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

§§ 3 ff. StGB weisen einerseits – wie es ihre Verortung im StGB auf den ersten Blick suggerieren mag813 – eine materiell-rechtliche Rechtsnatur auf, weil sie den Geltungsumfang materieller Strafnormen bestimmen.814 Fehlen die Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB, scheidet eine Strafbarkeit nach deutschem Recht aus. Da eine Geltung deutscher Verhaltensanforderungen, ohne diese durchsetzen zu können, keinen Sinn ergäbe,815 legen §§ 3 ff. StGB andererseits – verfahrensrechtlich – die internationale Zuständigkeit der deutschen Strafjustiz fest.816 Soweit deutsche Strafnormen nicht gelten, ist einem Strafverfahren die Grundlage entzogen.817 Sofern ein Strafverfahren eingeleitet wurde und sich dann herausstellt, dass die Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB hinsichtlich der gesamten verfahrensgegenständlichen prozessualen Tat nicht vorliegen, wird das Verfahren infolge eines Verfahrenshindernisses eingestellt.818 Wären §§ 3 ff. StGB rein materiell-rechtlicher Natur, müsste im Hauptverfahren konsequenterweise ein Freispruch und keine Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses erfolgen.819 Weisen §§ 3 ff. StGB damit sowohl eine materielle als auch eine prozessuale Rechtsnatur auf,820 hilft ein Abstellen auf die Rechtsnatur der §§ 3 ff. StGB zur Bestimmung des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB direkt nicht weiter. Möglicherweise lassen sich allerdings bei näherer Betrachtung der materiellen Seite [hierzu aa)] und der prozessualen Seite [hierzu bb)] Rückschlüsse auf den Tatbegriff ziehen. aa) Materielle Rechtsnatur Hinsichtlich der materiellen, den Geltungsumfang deutscher Strafnormen konstituierenden Seite der §§ 3 ff. StGB ist umstritten, ob §§ 3 ff. StGB der Charakter von unrechtsneutralen objektiven (Vor-)Bedingungen der Strafbarkeit821 oder von unrechtskonstitutiven Merkmalen des objektiven Tatbestandes822 zukommt. 813

Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff. (63), und Zieher, S. 35, weisen allerdings zutreffend darauf hin, dass einem Rückschluss von der systematischen Stellung im StGB auf die Rechtsnatur insofern nur geringes Gewicht zukommt, als auch im StGB – etwa im Bereich der §§ 77 ff. StGB (Strafantragsrecht) – verfahrensrechtliche Regelungen getroffen werden. 814 Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff. (63); vgl. auch Mankowski/Bock, JZ 2008, S. 555 ff. (559). 815 Vgl. Kreß, ZStW 114 (2002), S. 818 ff. (831). 816 Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 12; Mankowski/Bock, JZ 2008, S. 555 ff. (559). 817 Mankowski/Bock, JZ 2008, S. 555 ff. (558); Schneider, S. 343; Werle/Jeßberger, in: LKStGB, Vor § 3 Rn. 7, 10. Deutsche Strafgerichte wenden ausschließlich deutsches Recht an, siehe oben 4. Teil. 818 Vgl. hierzu im Einzelnen oben 4. Teil. 819 Ebenso Mankowski/Bock, JZ 2008, S. 555 ff. (556). 820 Ambos, IntStR, § 1 Rn. 4; Mankowski/Bock, JZ 2008, S. 555 ff. (559); Safferling, IntStR, § 3 Rn. 5. 821 So BGHSt 27, 30, 34; Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 3; Eser, in: Schönke/ Schröder, Vor §§ 3 – 9 Rn. 79; Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 30; Hecker, EuStR, 2 Rn. 3; Jescheck/

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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(1) Objektive Tatbestandsmerkmale Ordnete man §§ 3 ff. StGB als Tatbestandsmerkmale ein, wären sie Teil des Verbotstatbestands selbst. Ausgehend von einer derartigen Sichtweise könnte man der Meinung sein, § 3 und § 9 Abs. 1 StGB rekurrierten mit dem Begriff „Tat“ jeweils auf denjenigen Straftatbestand, dessen Tatbestandsmerkmal sie darstellen. Damit korrespondierte ein tatbestandsbezogener Tatbegriff. Diese Meinung scheint Namavicius823 zu vertreten, wenn er feststellt: „Eine weitere wichtige Folgerung aus dem Verständnis des Tatorts als tatbestandlicher Umstand besteht darin, dass der Tatbegriff der Territorialität nicht […] ein prozessualer, sondern ein materieller ist.“ Eine Strafbarkeitsprüfung müsste demnach – am Beispiel des § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB – im objektiven Tatbestand wie folgt ablaufen: 1. Öffentliche Veranstaltung eines Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis; 2. im Inland (§ 3 StGB), d. h.: ein Tatort der Glücksspielveranstaltung müsste in Deutschland liegen (§ 9 Abs. 1 StGB).824 Der Rückschluss von einer Einordnung der §§ 3 ff. StGB als Tatbestandsmerkmale auf einen tatbestandsbezogenen Tatbegriff überzeugte, wenn ein prozessuales Tatverständnis – bei unterstellter Einordnung der §§ 3 ff. StGB als objektive Tatbestandsmerkmale – nicht mit der gesetzlichen Regelung in Einklang stünde. Ob das der Fall ist, offenbart sich, wenn man sich vor Augen führt, wie eine entsprechende Strafbarkeitsprüfung abliefe. Am Beispiel des § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB wäre hier im objektiven Tatbestand wie folgt zu prüfen: 1. Öffentliche Veranstaltung eines Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis; 2. im Rahmen einer prozessualen Tat, die einen Tatort i.S.d. § 9 Abs. 1 StGB im Inland aufweist (§§ 3, 9 Abs. 1 StGB). Unter 2. wäre zunächst dasselbe zu prüfen wie beim zweiten Prüfungspunkt im erstgenannten Prüfungsschema: Liegt ein Tatort der Glücksspielveranstaltung im Inland? Wäre das der Fall, käme § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB zur Anwendung. Anderenfalls wäre unter 2. weiter zu prüfen, ob die Glücksspielveranstaltung innerhalb einer prozessualen Tat liegt, in deren Rahmen ein anderer Straftatbestand verwirkWeigend, § 18 V; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), S. 379 ff. (414); Satzger, in: ders./ Schluckebier/Widmaier, Vor §§ 3 – 7 Rn. 3; Scholten, S. 100; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 452. 822 So Basak, in: MR-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 2; Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff. (69 ff.) sowie in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 51 mit Ausnahme der „in § 7 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StGB genannten Voraussetzungen (Staatsangehörigkeit des Täters, Nichtauslieferung)“ (Prozessrecht); Namavicius, S. 104 ff.; Neumann, in: FS Müller-Dietz, S. 589 ff. (604); Pawlik, in: FS Schroeder, S. 357 ff. (373). 823 Namavicius, S. 37 f. 824 Anders als überwiegend angenommen, ist eine Prüfung der §§ 3, 9 Abs. 1 StGB nach Prüfung der in der BT-Norm genannten Tatbestandsmerkmale vorzuziehen, da auf diese im Rahmen der Tatortermittlung Bezug zu nehmen ist. So muss etwa in § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland liegen; ebenso Schneider, S. 344.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

licht wurde, der einen inländischen Handlungs-, Unterlassungs- oder (vorgestellten) Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 StGB aufweist. Der Rechtsanwender wäre damit – anders als unter Zugrundelegung des erstgenannten Prüfungsschemas – darauf angewiesen, im Rahmen der Prüfung eines Straftatbestandes inzident die in Rede stehende prozessuale Tat und andere Straftatbestände in den Blick zu nehmen. Derartige Inzidentprüfungen sind dem StGB allerdings nicht fremd. So ist beispielsweise bei den formellen Subsidiaritätsklauseln §§ 246 Abs. 1 StGB a.E., 265 Abs. 1 StGB a.E. und 316 Abs. 1 StGB a.E. zu prüfen, ob die prozessuale Tat825 „in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist“. Die Mordmerkmale Verdeckungs- und Ermöglichungsabsicht (§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Var. 8 und 9 StGB) setzen eine Prüfung voraus, ob das Geschehen, das der Täter verdecken bzw. ermöglichen will, einen Straftatbestand verwirklicht hat bzw. verwirklichen würde.826 Auf den ersten Blick mag man der Meinung sein, die erforderlichen Inzidentprüfungen der prozessualen Tat und anderer Straftatbestände im Rahmen der Prüfung eines Straftatbestandes erschwerten die Rechtsanwendung in einem vom Gesetzgeber nicht bezweckten Maße. Dem lässt sich allerdings entgegenhalten, dass sich das Problem komplexer Inzidentprüfungen dadurch entschärfen ließe, dass dasjenige Delikt aus der in Rede stehenden prozessualen Tat, welches einen inländischen Tatort i.S.d. § 9 Abs. 1 StGB aufweist, zuerst geprüft und bei der folgenden Prüfung weiterer einschlägiger Straftatbestände auf die vorangegangene Prüfung Bezug genommen wird. Letztlich gelangt man damit im Falle einer Einordnung der §§ 3 ff. StGB als Tatbestandsmerkmale also auch unter Zugrundelegung eines prozessualen Tatverständnisses zu mit der gesetzlichen Regelung in Einklang stehenden Ergebnissen. Ein Rückschluss von einer Einordnung der §§ 3 ff. StGB als Tatbestandsmerkmale auf einen tatbestandsbezogenen Tatbegriff ist daher nicht zwingend. (2) Objektive Strafbarkeitsbedingungen Ordnete man §§ 3 ff. StGB als objektive (Vor-)Bedingung der Strafbarkeit ein, stünden sie außerhalb des Unrechtstatbestandes.827 Sind die Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB nicht erfüllt, scheiterte eine Strafbarkeit nach deutschem Recht un825 „Tat“ meint beispielsweise in § 265 Abs. 1 a.E. StGB („wenn die Tat nicht in § 263 mit Strafe bedroht ist“) die prozessuale Tat und nicht etwa die den Tatbestand des § 265 StGB verwirklichende Handlung, BGHSt 45, 211, 215; BGH NStZ 2012, 39, 40; Hellmann, in: NKStGB, § 265 Rn. 43; Perron, in: Schönke/Schröder, § 265 Rn. 16. Anderenfalls liefe die formelle Subsidiaritätsklausel leer, da sich die Tathandlung des § 265 Abs. 1 StGB (das Manipulieren einer Sache) nicht mit der Tathandlung des § 263 Abs. 1 StGB (dem Täuschen einer Person) deckt, Hellmann, in: NK-StGB, § 265 Rn. 43; a.A. Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 656. 826 Vgl. Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 211 Rn. 32; Lackner/Kühl, § 211 Rn. 12. 827 Vgl. Jescheck/Weigend, § 53 I 2 a; Eisele, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 13 ff. Rn. 125 m.w.N.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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abhängig von der Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit des Täterverhaltens an der fehlenden Anwendbarkeit deutschen Strafrechts. Ausgehend von einem tatbestandsbezogenen Tatbegriff in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB könnte eine Strafbarkeitsprüfung am Beispiel des § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB wie folgt ablaufen: I.

Objektiver Tatbestand: Öffentliche Veranstaltung eines Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis;

II. subjektiver Tatbestand: Vorsatz bzgl. I.; III. Rechtswidrigkeit; IV. Schuld; V. objektive Bedingung der Strafbarkeit: Veranstaltung des Glücksspiels im Inland (§ 3 StGB), d. h.: ein Tatort der Glücksspielveranstaltung müsste in Deutschland liegen (§ 9 Abs. 1 StGB).828 Legte man §§ 3, 9 Abs. 1 StGB einen prozessualen Tatbegriff zugrunde, könnte etwa wie folgt geprüft werden: I.

wie oben;

II. wie oben; III. wie oben; IV. wie oben; V. objektive Bedingung der Strafbarkeit: Veranstaltung des Glücksspiels im Rahmen einer prozessualen Tat, die einen Tatort i.S.d. § 9 Abs. 1 StGB im Inland aufweist (§§ 3, 9 Abs. 1 StGB). Beide Wege sind gangbar. Ausgehend von einem prozessualen Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB würden zwar wieder Inzidentprüfungen der in Rede stehenden prozessualen Tat und anderer Straftatbestände erforderlich. Aus den o.g. Gründen stellen sich diese allerdings auch hier nicht als systemwidrig dar. Letztlich lassen sich also auch im Falle einer Einordnung der §§ 3 ff. StGB als objektive Strafbarkeitsbedingungen keine zwingenden Rückschlüsse auf einen tatbestandsbezogenen oder prozessualen Tatbegriff in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ziehen.

828 Anders als überwiegend unter Modifizierung der üblicherweise verwendeten Terminologie „Objektive Bedingung der Strafbarkeit“ zur „Objektiven Vorbedingung der Strafbarkeit“ angenommen, ist wiederum eine Prüfung der §§ 3, 9 Abs. 1 StGB nach Prüfung der in der BT-Norm genannten Tatbestandsmerkmale vorzugswürdig, da auf diese im Rahmen der Tatortbestimmung Bezug zu nehmen ist; ebenso Schneider, S. 344. Prüfungspunkt V. könnte i.Ü. ebensogut als Prüfungspunkt III. geprüft werden.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

(3) Ergebnis Sämtliche denkbaren Kombinationen von materieller Einordnung der §§ 3 ff. StGB und Verständnis des in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB enthaltenen Tatbegriffs sind mit der gesetzlichen Regelung vereinbar. Ganz gleich, ob man §§ 3 ff. StGB den Charakter einer objektiven Strafbarkeitsbedingung oder von Tatbestandsmerkmalen beimisst, lassen sich daher aus der materiell-rechtlichen Seite der §§ 3 ff. StGB keine zwingenden Schlüsse auf den Tatbegriff in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB herleiten. bb) Prozessuale Rechtsnatur Im Hinblick auf die prozessuale Seite der §§ 3 ff. StGB stellt sich die Frage, ob sowohl ein tatbestandsbezogenes als auch ein prozessuales Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ein systemkonformes Verfahrenshindernis statuieren kann. Läge §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ein prozessuales Tatverständnis zugrunde, wäre deutsches Strafrecht entweder auf die gesamte prozessuale Tat anwendbar oder gar nicht. Letzterenfalls stünde der gesamten prozessualen Tat das Verfahrenshindernis der fehlenden Anwendbarkeit deutschen Strafrechts entgegen. Folge dessen wäre, dass ein eingeleitetes Strafverfahren hinsichtlich der betreffenden prozessualen Tat einzustellen wäre.829 Ginge man von einem tatbestandsbezogenen Tatverständnis aus, würden demgegenüber statt der gesamten prozessualen Tat oftmals nur einzelne innerhalb einer prozessualen Tat verwirklichte Delikte vom deutschen Strafrecht erfasst. Eine teilweise erwogene830 Lückenfüllung über § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB (Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege) scheiterte – ganz abgesehen von der Kritikwürdigkeit einer derart extensiven Auslegung der Norm – teilweise am Erfordernis der Tatortstrafbarkeit (siehe hierzu oben 3. Abschnitt A.). Den nach §§ 3 ff. StGB unanwendbaren Delikten stünde das Hindernis der fehlenden Anwendbarkeit deutschen Strafrechts entgegen, sog. deliktsbezogenes Verfahrenshindernis831. Im Hinblick auf die Folge eines solchen Verfahrenshindernisses sieht man sich dem ersten Anschein nach vor das Problem gestellt, dass die Systematik der StPO eine Verfahrenseinstellung grundsätzlich nur in Bezug auf die gesamte prozessuale Tat und nicht bzgl. bestimmter materieller Tatteile vorzusehen scheint. Hierfür spricht z. B. ein Umkehrschluss aus § 154a StPO, wonach einzelne materielle Straftaten nur ausnahmsweise – sofern sie „nicht beträchtlich ins Gewicht fallen“ – von der Strafverfolgung aus-

829 BGHSt 34, 1, 3; BGH NStZ 1986, 320, 320; OLG Saarbrücken NJW 1975, 506, 509; Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt, Einl. Rn. 145; Satzger, IntEuStR, § 3 Rn. 2. 830 Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 53; Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (205); siehe hierzu auch E. II. 6. a) bb) (1). 831 Vgl. Radtke, in: Radtke/Hohmann, Einleitung Rn. 67; Rieß, in: LR-StPO, Einl. Abschn. J Rn. 51.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

179

geklammert werden können.832 Würde das Strafverfahren allerdings in Bezug auf die gesamte prozessuale Tat eingestellt, könnten auch solche im Rahmen der prozessualen Tat verwirklichten Delikte nicht abgeurteilt werden, die nach §§ 3 ff. StGB Anwendung finden. Ein auf ein bestimmtes – möglicherweise vergleichsweise unbedeutendes – Delikt aus der prozessualen Tat bezogenes Verfahrenshindernis hätte dann zur Folge, dass die gesamte prozessuale Tat der deutschen Strafgewalt entzogen wäre. Derartige Konsequenzen wurden vom Gesetzgeber allerdings angesichts des i. d. R. fortbestehenden Strafverfolgungsbedürfnisses hinsichtlich der verfolgbaren Delikte aus der prozessualen Tat offenkundig nicht bezweckt. Verfahrenshindernisse, die sich ausschließlich auf einzelne Straftaten beziehen (Bsp.: fehlender Strafantrag, Verjährung) können daher in teleologischer Auslegung der betreffenden Normen lediglich die fehlende Aburteilbarkeit dieser materiellen Straftat zur Folge haben.833 Eine Verfahrenseinstellung hinsichtlich der gesamten prozessualen Tat kommt hier also – entgegen der Systematik der StPO – nicht in Betracht.834 In Fällen, in denen unter Zugrundelegung eines tatbestandsbezogenen Verständnisses des Tatbegriffs in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB nur einzelne innerhalb einer prozessualen Tat verwirklichte Delikte vom deutschen Strafrecht erfasst werden, befasste sich das Gericht also nur mit den gem. §§ 3 ff. StGB anwendbaren Straftatbeständen aus der prozessualen Tat. Hinsichtlich derjenigen Straftatbestände, die nach §§ 3 ff. StGB keine Anwendung finden, bestünde keine Jurisdiktionsbefugnis. Sowohl ein prozessuales als auch ein tatbestandsbezogenes Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB sind demnach in der Lage, (deliktsbezogene) Verfahrenshindernisse systemkonform zu statuieren. Ein Argument für oder gegen einen der Tatbegriffe lässt sich also auch aus diesem Gesichtspunkt nicht herleiten. cc) Ergebnis Aus der Rechtsnatur der §§ 3 ff. StGB können nach alledem keine Rückschlüsse auf die Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB gezogen werden.

832

Rn. 7. 833

Vgl. z. B. Julius, in: HK-StPO, § 206a Rn. 6, § 260 Rn. 18; Zöller, in: HK-StPO, § 170

So die einhellige Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum, vgl. nur BGHSt 7, 256, 261; Radtke, in: Radtke/Hohmann, Einleitung Rn. 67; Kühne, in: LR-StPO, Einl. Abschn. K Rn. 43: „Betrifft das Verfahrenshindernis nur einen von mehreren Straftatbeständen einer einheitlichen prozessualen Tat, so bleibt lediglich dieser bei der weiteren Rechtsanwendung unberücksichtigt“. Fehlt beispielsweise bezüglich eines von mehreren im Rahmen einer prozessualen Tat verwirklichten Antragsdelikten ein erforderlicher Strafantrag oder ist Verjährung eingetreten, wird nicht eingestellt, sondern es werden ausschließlich die nicht verjährten bzw. die Delikte abgeurteilt, hinsichtlich derer ein Strafantrag gestellt wurde (bzw. ein öffentliches Strafverfolgungsinteresse bejaht wurde) oder gar kein Strafantragserfordernis besteht. 834 Julius, in: HK-StPO, § 206a Rn. 6, § 260 Rn. 18; Meyer-Goßner/Schmitt, § 260 StPO Rn. 43; Zöller, in: HK-StPO, § 170 Rn. 7.

180

5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

b) Implikationen durch § 9 Abs. 2 StGB In sämtlichen Normen der §§ 3 ff. StGB ist von „Taten“ die Rede. Liegt einer Norm eindeutig ein tatbestandsbezogener Tatbegriff oder eindeutig ein prozessualer Tatbegriff zugrunde, könnte das als Indiz dafür sprechen, den Tatbegriff – da es sich um denselben Begriff innerhalb desselben Regelungskomplexes handelt – auch in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB einheitlich auf diese Weise auszulegen. § 9 Abs. 2 StGB könnte insofern in Richtung eines einheitlich tatbestandsbezogenen Tatverständnisses innerhalb der §§ 3 ff. StGB weisen. Verstünde man den Begriff „Tat“ in § 9 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 StGB prozessual (d. h. i.S.v.: „Die Teilnahme ist an jedem Ort begangen, an dem die prozessuale Tat des Haupttäters begangen ist“835), läge ein Begehungsort des Teilnehmers zum einen an dem Ort, an dem der Begehungsort der materiell-rechtlichen Haupttat liegt, zu der er angestiftet bzw. Hilfe geleistet hat. Darüber hinaus wäre ein Begehungsort des Teilnehmers auch an den Orten anzunehmen, an denen die Begehungsorte anderer unabhängig von der Teilnahmehandlung innerhalb derselben prozessualen Tat verwirklichter Delikte des Haupttäters liegen. Eine derartige Interpretation widerspräche der § 9 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 StGB zugrunde liegenden Ratio, einen Begehungsort des Teilnehmers dort zu begründen, wo die Wirkungen seiner Anstiftungs- bzw. Gehilfenhandlung in Form der Haupttatverwirklichung eintreten.836 Darüber hinaus wäre eine entsprechende Strafgewalterstreckung mangels hinreichenden Bezuges der unabhängig von der Teilnahmehandlung verwirklichten Delikte des Haupttäters zum Teilnehmer auch nicht mit dem völkerrechtlichen Interventionsverbot vereinbar. § 9 Abs. 2 StGB liegt demnach in teleologischer und völkerrechtskonformer Auslegung ein tatbestandsbezogener Tatbegriff zugrunde. Tat ist hier i.S.v. materiell-rechtliche „Haupttat“ zu verstehen. Allein diese wird für den Teilnehmer als begehungsortbegründend in Bezug genommen. Mit dieser teilnahmespezifischen Argumentation wird allerdings gleichzeitig deutlich, dass sich § 9 Abs. 2 S. 2 StGB keine allgemeingültigen Schlüsse auf das Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3 ff. StGB entnehmen lassen. Da die tatbestandsbezogene Auslegung des Tatbegriffes in § 9 Abs. 2 StGB der speziellen Regelungsmaterie Teilnahme geschuldet ist, kann sie nicht auf §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB übertragen werden.

835

Hervorhebung nur hier. Eser, in: Schönke/Schröder, § 9 Rn. 11; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 31; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 43. 836

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

181

c) Implikationen durch §§ 5 und 6 StGB Gem. §§ 5 und 6 StGB gilt deutsches Strafrecht für „folgende Taten“. Anschließend werden bestimmte Straftatbestände oder Deliktsgruppen genannt.837 So gilt deutsches Strafrecht z. B. gem. § 5 Nr. 1 StGB für die Tat der Vorbereitung eines Angriffskrieges (§ 80 StGB). Hier ist mit „Tat“ also ein bestimmter deutscher Straftatbestand gemeint. §§ 5 und 6 StGB liegt damit ein tatbestandsbezogener Tatbegriff zugrunde.838 Auf den ersten Blick könnte man nun wieder erwägen, den Normen die Bedeutung beizumessen, sie konkretisierten den Begriff „Taten“ im gesamten Regelungskomplex der §§ 3 ff. StGB – also auch in Bezug auf § 3 StGB – dahingehend, dass er bestimmte materielle Straftaten in Bezug nimmt. Ebenso gut könnte man allerdings auch im Wege eines Umkehrschlusses davon ausgehen, § 3 StGB, der statt auf „folgende“ im einzelnen benannte „Taten“ allgemeiner auf „Taten“ rekurriert, liege ein allgemeineres, umfassenderes Verständnis des Begriffes „Tat“ als in §§ 5 und 6 StGB zugrunde.839 Allein aus einem schlichten Vergleich der Wortfassungen der §§ 5 und 6 StGB einerseits und § 3 StGB andererseits kann daher – anders als wohl teilweise angenommen840 – kein überzeugender Rückschluss auf das Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB hergeleitet werden. Welcher der vorgenannten Interpretationswege vorzugswürdig ist, offenbart sich allerdings, wenn man den Regelungszweck der §§ 5 und 6 StGB einerseits sowie § 3 StGB andererseits mit in den Blick nimmt. §§ 5 und 6 StGB wurzeln in dem gesetzgeberischen Bestreben, bestimmte Straftatbestände tatortunabhängig zur An-

837 Auch § 5 Nr. 12 bis 14 StGB, die teilweise ihrem Wortlaut nach sämtliche durch oder gegen Amtsträger begangene Delikte in Bezug nehmen, betreffen – in völkerrechtskonformer Reduktion – nur Amtsdelikte bzw. Delikte zum Schutz der Amtstätigkeit. Anderenfalls erstreckte sich die deutsche Strafgewalt beispielsweise im Falle der Nr. 13 undifferenziert auf sämtliche von ausländischen Amtrsträgern verwirklichten Delikte weltweit. Eine entsprechende Strafgewalterstreckung verstieße oftmals mangels hinreichenden Anknüpfungspunktes deutscher Strafgewalt gegen das völkerrechtliche Interventionsverbot. 838 Ambos, IntStR, § 1 Rn. 24; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 8a; Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (204); Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 316. Entsprechend heißt es im E 1962, auf dem das den Territorialitätsgrundsatz wiedereinführende 2. Strafrechtsreformgesetz im Wesentlichen basiert: „Die Auslandstaten, für die das deutsche Strafrecht ausnahmsweise gelten soll, sind tatbestandlich bestimmt und abschließend geregelt“, BT-Drs. IV/650, S. 105. Diese Aussage ist insofern unpräzise, als § 6 des E 1962 (entspricht § 7 StGB), der sich ebenfalls auf Auslandstaten bezieht, keine Straftatbestände nennt. 839 So i.E. Ambos, IntStR, § 1 Rn. 23 f.; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 8a; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 319. 840 Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 8a und Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 319 schließen wohl aus dem Gesetzeswortlaut („Tat“ ohne Aufführung konkreter Straftatbestände einerseits und „Tat“ mit Aufführung konkreter Straftatbestände andererseits) darauf, dass §§ 5 und 6 StGB ein tatbestandsbezogener und § 3 StGB ein prozessualer Tatbegriff zugrunde liegt.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

wendung zu bringen, um bestimmte Rechtsgüter universal schützen zu können.841 Nach Vorstellung des Gesetzgebers tragen §§ 5 und 6 StGB dabei der souveränitätsgetragenen Gebietshoheit des ausländischen Tatortstaates dadurch Rechnung, dass sie extraterritoriale Strafgewalterstreckungen nur ausnahmsweise punktuell unter bestimmten engen Voraussetzungen ermöglichen.842 Mit diesen Regelungszwecken korrespondiert ein enger, auf bestimmte Straftatbestände rekurrierender Tatbegriff.843 Demgegenüber steht bei dem in § 3 StGB normierten Territorialitätsprinzip nicht der Schutz bestimmter Rechtsgüter durch bestimmte Straftatbestände in Rede. In Bezug genommen werden hier kriminelle Lebenssachverhalte, die einen territorialen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland aufweisen.844 Die Strafgewaltanknüpfung an das der souveränitätsgetragenen Gebietshoheit unterliegende inländische Territorium verleiht dem Territorialitätsprinzip dabei eine deutlich höhere Legitimationskraft als es bei den in §§ 5 – 7 StGB normierten extraterritorialen Anknüpfungspunkten der Fall ist. Im Regelungskonzept der §§ 3 ff. StGB bildet das Territorialitätsprinzip daher – gegenüber den Auslandstaten betreffenden speziellen Ausnahmetatbeständen der §§ 5 – 7 StGB – den Regelfall.845 Hiermit korrespondiert ein weiter, auf den tatsächlichen zusammengehörigen Lebenssachverhalt rekurrierender prozessualer Tatbegriff.846 Der Vergleich zwischen § 3 und §§ 5, 6 StGB suggeriert demnach, dass von den eingangs in Erwägung gezogenen systematischen Interpretationswegen dem zweitgenannten der Vorzug einzuräumen ist, wonach § 3 StGB ein prozessualer Tatbegriff, §§ 5 und 6 StGB hingegen ein tatbestandsbezogener Tatbegriff zugrunde liegt.

841

BT-Drs. IV/650, S. 109; Ambos, IntStR, § 1 Rn. 24; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 64; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 5 Rn. 4. Einige in §§ 5 und 6 StGB normierte Anknüpfungspunkte gehen auf internationale deliktsspezifische Abkommen zurück, die dem nationalen Gesetzgeber eine extraterritoriale Strafgewalterstreckung vorschreiben, vgl. Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (204). Exemplarisch sei § 5 Nr. 11 StGB genannt, der die Vorgaben des UN-Seerechtsübereinkommens umsetzt; siehe das Ausführungsgesetz zum Seerechtsübereinkommen 1982/1984 vom 6. 6. 1995, BGBl. I 1995, S. 778; vgl. hierzu Böse, in: NK-StGB, § 5 Rn. 20. § 6 Nr. 9 StGB erstreckt den Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts auf Auslandstaten, die die Bundesrepublik Deutschland aufgrund eines verbindlichen zwischenstaatlichen Abkommens zu verfolgen verpflichtet ist. 842 Siehe hierzu oben 2. Abschnitt. 843 I. E. ebenso Ambos, IntStR, § 1 Rn. 24. 844 Ähnlich Ambos, IntStR, § 1 Rn. 23. 845 Vgl. nur Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 4, der die Grundlinie der §§ 3 ff. StGB als „partiell erweitertes Territorialitätsprinzip“ bezeichnet. 846 I. E. ebenso Ambos, IntStR, § 1 Rn. 23.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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d) Regel-Ausnahme-Konzeption der §§ 3 ff. StGB Auf den ersten Blick mag man gegen dieses Vergleichsergebnis einwenden, es liefe der zwischen In- und Auslandstaten differenzierenden Regel-AusnahmeKonzeption der §§ 3 ff. StGB847 insofern zuwider, als damit auch ausschließlich im Ausland verwirklichte Delikte aus einer prozessualen Tat von § 3 StGB anstatt von den auf ausschließlich im Ausland verwirklichte Delikte zugeschnittenen konzeptionell vergleichsweise enger gefassten §§ 5 – 7 StGB erfasst würden. In systematischer Hinsicht lässt sich dieser Einwand allerdings entkräften, wenn man die von §§ 5 – 7 StGB in Bezug genommenen Auslandstaten als Taten versteht, die keine Inlandstaten i.S.d. § 3 StGB darstellen. §§ 5 – 7 StGB beträfen dann ausschließlich die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts in Bezug auf reine Auslandstaten, d. h. in Bezug auf innerhalb solcher prozessualer Taten verwirklichte Delikte, die keinerlei territorialen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland in Form eines inländischen Tatorts aufweisen. Abgesehen davon stellte sich eine Erfassung von in- und ausländischen Tatelementen über § 3 StGB im Regelungssystem der §§ 3 ff. StGB nicht als Fremdkörper dar. So führen §§ 3, 9 Abs. 1 StGB – ganz gleich welchen Tatbegriff man den Normen zugrunde legt – bei (Straf-)Taten, die verschiedene in- und ausländische Tatorte aufweisen, aufgrund des inländischen Tatorts unausweichlich zur Einstufung der grenzüberschreitenden Tat als Inlandstat i.S.d. § 3 StGB.848 Hat der Täter beispielsweise im Ausland gehandelt und ist der Erfolg im Inland eingetreten (oder umgekehrt, sog. Distanzdelikte), wird die (Straf-)Tat durch §§ 3, 9 Abs. 1 StGB strafanwendungsrechtlich als Inlandstat betrachtet, obwohl sie auch das Ausland berührt. Dass über §§ 3, 9 Abs. 1 StGB auch ausschließlich im Ausland verwirklichte Delikte aus einer prozessualen Tat von § 3 StGB erfasst werden, stellt sich vor diesem Hintergrund zumindest nicht als systemfremd dar. Auf einem anderen Blatt steht die noch zu erörternde Frage, ob derartige Ergebnisse mit dem völkerrechtlichen Interventionsverbot zu vereinbaren sind (siehe hierzu E. II. 8.). e) Implikationen durch § 9 IRG Gem. § 9 IRG ist eine Auslieferung im vertragslosen Auslieferungsverkehr (vgl. § 1 Abs. 3 IRG) u. a. unzulässig, sofern „für die Tat auch die deutsche Gerichtsbarkeit begründet“ ist und „wegen der Tat ein Urteil oder eine Entscheidung mit entspre847

Faktisch betrachtet ist das der gesetzlichen Konzeption zugrunde liegende Regel-Ausnahme-Verhältnis zu bezweifeln, zumal die Erstreckung deutscher Strafgewalt auf Auslandstaten durch §§ 4 – 7 StGB so weit geht, dass von Ausnahmefällen nicht mehr die Rede sein kann. In diesem Sinne auch Ambos, in: MK-StGB, § 3 Rn. 2 („bloßes Lippenbekenntnis“); Vogler, in: FS Grützner, S. 149 ff. (155). 848 Vgl. Ambos, in: MK-StGB, § 9 Rn. 42; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 55.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

chender Rechtswirkung erlassen“ wurde. In § 9 IRG ist mit „Tat“ nach einhelliger Auffassung die prozessuale Tat gemeint.849 Materiell-rechtlich kann der Tatbegriff schon deshalb nicht zu verstehen sein, weil sich der Bezugspunkt der Auslieferung anhand staatenspezifisch divergierender Strafbarkeitsbeurteilungen nicht adäquat bestimmen lässt. Das IRG bezieht die Auslieferungsvoraussetzungen daher auf konkrete faktisch einheitliche Lebenssachverhalte. Unklar ist, ob § 9 IRG mit dem Passus „für die Tat auch die deutsche Gerichtsbarkeit begründet ist“ nur Fälle in Bezug nimmt, in denen sich die Jurisdiktionsbefugnis der deutschen Justiz vollumfänglich auf die gesamte prozessuale Tat bezieht oder ob es genügt, wenn sich die deutsche Strafgewalt nur auf einen Gesichtspunkt einer mehrere Teilakte umfassenden einheitlichen prozessualen Tat erstreckt. Die letztgenannte Deutung hätte zur Konsequenz, dass die deutsche Justiz den Täter im vertragslosen Auslieferungsverkehr bereits dann pauschal nicht mehr ausliefern dürfte, wenn in Deutschland nur ein Teil der betreffenden prozessualen Tat gewürdigt wurde. Einen solchen Regelungsgehalt des § 9 IRG unterstellt, dürfte der Gesetzgeber davon ausgegangen sein, dass sich die deutsche Jurisdiktionsbefugnis gem. §§ 3 ff. StGB auf die gesamte prozessuale Tat erstreckt. Anderenfalls hätte § 9 IRG zur Folge, dass nicht in Deutschland abgeurteilte Teile einer prozessualen Tat weltweit ungewürdigt blieben, sofern nicht der vergleichsweise unwahrscheinliche Fall eintritt, dass ein diesbezüglich Strafgewalt proklamierender Staat etwa durch eigenes Ergreifen des Täters im Inland oder nach Auslieferung durch einen anderen Staaten Zugriff auf den Täter erhält. In Bezug auf §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB fehlte es bei Zugrundelegung eines tatbestandsbezogenen Tatbegriffs an vollumfänglicher Jurisdiktionsbefugnis hinsichtlich der gesamten prozessualen Tat, wenn nur einzelne Delikte einer mehrere Deliktsverwirklichungen umfassenden prozessualen Tat einen inländischen Tatort aufweisen und hinsichtlich der sonstigen Tatteile keine weiteren Anknüpfungspunkte der §§ 3 ff. StGB greifen. Eine Lückenschließung über das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB entspräche zwar prinzipiell der Ratio der Norm, Täter infolge eines Auslieferungshindernisses nicht straflos zu stellen. Nach den obigen Erkenntnissen scheiterte eine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts über § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB allerdings teilweise an der gebotenen restriktiven Norminterpretation, insbesondere dem eng auszulegenden Tatortstrafbarkeitserfordernis.850 Ausgehend von einem prozessualen Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB erstreckte sich die deutsche Strafgewalt demgegenüber zwar vollumfänglich auf prozessuale Taten, die einen Tatort i.S.d. § 9 Abs. 1 StGB im Inland aufweisen. Doch auch hier eröffneten sich Jurisdiktionslücken, wenn der Täter im Rahmen der prozessualen Tat vom deutschen Strafrecht nicht geschützte ausländische Kollektiv849 Kubiciel, in: Ambos/König/Rackow, § 3 IRG Rn. 23; Vogel/Burchard, in: Grützner/ Pötz/Kreß, 10. Lfg. Mai 2009, § 3 IRG Rn. 23, § 9 IRG Rn. 28. 850 Siehe hierzu oben 4. Abschnitt sowie unten E. II. 6. a) bb) (1).

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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rechtsgüter schädigte.851 Außerhalb der §§ 3, 9 Abs. 1 StGB könnte die prozessuale Tat in Fällen, in denen sich der deutsche Strafanspruch auf tatbestandsbezogene Anknüpfungspunkte wie §§ 5, 6 StGB852 stützt, nicht vollumfänglich gewürdigt werden, soweit eine Lückenschließung über andere Anknüpfungspunkte, insb. den restriktiv zu interpretierenden § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, scheiterte. Um in solchen Fällen zu verhindern, dass die prozessuale Tat weltweit nur teilweise gewürdigt wird, verbliebe nur ein gänzliches Absehen von Strafgewalt, das allerdings regelmäßig ausscheiden wird, wenn in Deutschland etwa aufgrund eines engen Inlandsbezugs der Tat bedeutsame Strafverfolgungsinteressen bestehen. Angesichts dieser Konsequenzen mehren sich Zweifel an der eingangs zweitgenannten Deutung des § 9 IRG, wonach eine Auslieferung im vertragslosen Auslieferungsverkehr auch bereits dann pauschal ausscheidet, wenn sich die deutsche Strafgewalt nur auf einen Gesichtspunkt einer mehrere Teilakte umfassenden einheitlichen prozessualen Tat erstreckt. Den Freiheitsrechten in Deutschland ergriffener Beschuldigter wird ein derartiges Normverständnis zwar insofern in hohem Maße gerecht, als diese auslieferungsrechtlich ausnahmslos davor geschützt würden, sich nach einer in § 9 IRG genannten verfahrensbeendenden Entscheidung wegen desselben einheitlichen Vorkommnisses noch einmal freiheitsbeschränkend in einem um Auslieferung des Täters ersuchenden Staat verantworten zu müssen. Allerdings führte ein pauschal auch nach bloßen Teilaburteilungen der prozessualen Tat eingreifendes auslieferungsrechtliches Doppelbestrafungsverbot zu erheblichen Beschränkungen der souveränitätsgetragenen Strafansprüche solcher Staaten, die in Bezug auf nicht gewürdigte, möglicherweise schwerwiegende Tatteile Strafgewalt proklamieren. Nicht nur die dortige, sondern auch die hiesige Effektivität der Rechtspflege würde erheblich beschränkt, wenn der Beschuldigte aufgrund fehlender Aburteilung wesentlicher Tatteile einer schuldangemessenen Bestrafung dauerhaft entginge. Im vertragslosen Auslieferungsverkehr wiegen die darin liegenden Souveränitätseingriffe insofern schwer, als dem ausländischen Staat solche Konsequenzen ohne sein Einverständnis einseitig seitens der Bundesrepublik Deutschland oktroyiert würden. Zwar wird man dem Ergreifungsstaat im nichtvertraglichen Auslieferungsrecht angesichts des i. d. R. fehlenden wechselseitigen Vertrauens in die nationale Strafrechtspflege einen weiten Entscheidungsspielraum über den Umgang mit dem Beschuldigten zubilligen müssen. Dementsprechend sind erhebliche Souveränitätsbeschränkungen beispielsweise in Form des – auch in biund multilateralen Auslieferungsverträgen regelmäßig vorgesehenen853 – Erfordernisses der beiderseitigen Strafbarkeit (vgl. § 3 Abs. 1 IRG) oder des ordre public851

Vgl. hierzu oben 4. Teil sowie unten E. II. 6. b) aa). Siehe oben 2. Abschnitt und unten E. II. 3. c). 853 Exemplarisch genannt seien Art. 2 Abs. 1 des Vertrags vom 14. 4. 1987 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Australien über die Auslieferung, BGBl. II 1990, S. 111, sowie Art. 2 Abs. 1 des Vertrags vom 19. 7. 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über die Auslieferung und die Rechtshilfe in Strafsachen, BGBl. II 1969, S. 1160. 852

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Vorbehalts (vgl. § 73 IRG) legitim.854 Ein pauschal zwingendes Auslieferungshindernis, das dem ersuchenden Staat – ganz gleich wie schwer seine Strafverfolgungsinteressen wiegen – sogar das Recht nimmt, gravierende Angriffe auf seine Sicherheit einer dauerhaften Straflosigkeit zu entziehen, geht allerdings zu weit. In Fällen, in denen die prozessuale Tat in Deutschland nicht vollumfänglich abgeurteilt wurde, ist daher im Rahmen des Auslieferungsermessens eine, die Beschuldigtenrechte und Strafverfolgungsinteressen des ersuchenden Staates berücksichtigende einzelfallspezifische Entscheidung zu treffen. Festzuhalten ist demnach, dass § 9 IRG nur in solchen Fällen ein zwingendes Auslieferungshindernis statuiert, in denen sich die Jurisdiktionsbefugnis der deutschen Strafjustiz vollumfänglich auf die gesamte prozessuale Tat bezieht. Implikationen in Bezug auf die Auslegung des Tatbegriffs in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB ergeben sich aus einem so verstandenen § 9 IRG nicht. f) Ergebnis Als Ergebnis der systematischen Auslegung ist festzuhalten, dass der Vergleich des § 3 StGB mit §§ 5 und 6 StGB für ein prozessuales Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB spricht. 4. Verfahrensdienlichkeit Unter dem Gesichtspunkt der teleologischen Auslegung ist zunächst855 zu konstatieren, dass dem in § 3 StGB normierten Territorialitätsprinzip die verfahrensökonomische Erwägung zugrunde liegt, dass die Verfolgung einer Tat am Tatortstaat i. d. R. am effektivsten durchführbar ist, weil Beweise dort am besten erlangt werden können, der Beschuldigte am ehesten erreichbar ist und nationale Strafverfolgungsbehörden und Gerichte mit den „sozialen und kulturellen Gegebenheiten“ am Tatortstaat am besten vertraut sind.856 Darüber hinaus basiert das Territorialitätsprinzip auf der Vorstellung, die Anknüpfung von Strafgewalt an das Territorium ermögliche gerechte Bewertungen des Beschuldigtenverhaltens, da ein „tatortkundiges“ Gericht unter Heranziehung „tatortnaher“ Beweise entscheidet.857 854

Vgl. hierzu Kubiciel, in: Ambos/König/Rackow, § 3 IRG Rn. 23 f.; Vogel/Burchard, in: Grützner/Pötz/Kreß, 10. Lfg. Mai 2009, § 3 IRG Rn. 18 bzw. Ambos/Poschadel, in: Ambos/ König/Rackow, § 73 IRG Rn. 77. 855 Zu weiteren teleologischen Aspekten siehe sogleich unter 5. und 7. 856 Jeßberger, S. 229; Jescheck/Weigend, § 18 II 1; Oehler, IntStR, Rn. 125, 161. Im deutschen Strafverfahrensrecht kommt diese Prämisse generell etwa in § 7 StPO zum Ausdruck; siehe auch Nr. 2 Abs. 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV): „Die Ermittlungen führt grundsätzlich der Staatsanwalt, in dessen Bezirk die Tat begangen ist“, vgl. Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, S. 206 ff. (212). 857 Dombrowski, S. 17; Jeßberger, S. 229; Lehle, S. 40; Oehler, IntStR, Rn. 161; Zieher, S. 76. Teilweise wird darüber hinaus vertreten, das Territorialitätsprinzip ermögliche gerechte

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Beide Erwägungen sähen sich in Frage gestellt, wenn man die deutsche Strafgewalt unter Zugrundelegung eines prozessualen Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB auch auf ausländische Sachverhaltsteile einer im In- und Ausland begangenen grenzüberschreitenden prozessualen Tat ausdehnte. Selbst wenn sich der Täter ausschließlich im Ausland aufhielte, führte dann bereits ein (vom Täter vorgestellter) inländischer Erfolgsort zur Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB auf die gesamte prozessuale Tat. Das Legalitätsprinzip verlangt auch in solchen Fällen grundsätzlich858 eine vollumfängliche Strafverfolgung, siehe § 152 Abs. 2 StPO.859 Vor allem außerhalb der EU860 birgt eine grenzüberschreitende Strafverfolgung allerdings erhebliche Schwierigkeiten.861 Da nationale Behörden aufgrund der territorialen Souveränität der Staaten nicht eigenmächtig auf fremdem Territorium ermitteln dürfen,862 ist die Staatsanwaltschaft hier auf oftmals wenig erfolgversprechende bzw. schwerfällig verlaufende, verfahrensverzögernde Rechtshilfe angewiesen.863 Rechtshilfeersuchen dürften vor allem in solchen Fällen Entscheidungen auch insofern, als der Täter mit den rechtlichen Verhältnissen am Tatort i. d. R. am engsten verbunden sei. Die Kenntnis der Normen, der Sprache und der Verteidigungsmöglichkeiten ermöglichten insb. eine effektive Verteidigung, so z. B. Ligeti, S. 71 f.; Scholten, S. 37, und Zieher, S. 76. Dieser Ansicht wäre in Bezug auf ein ausschließlich auf die körperliche Anwesenheit eines wenig mobilen Täters abstellendes Territorialitätsprinzip zuzustimmen. In Anbetracht der grenzüberschreitenden Dimension von Kriminalität, insb. Internetkriminalität, und der Regelung des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB, die eine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts im Falle eines inländischen Erfolgseintritts auch dann statuiert, wenn der Täter im Ausland handelte, ist sie allerdings abzulehnen; ähnlich Walther, in: FS Eser, S. 925 ff. (940 f.). 858 Zu Opportunitätsregelungen siehe C. II. 1. ee) sowie 4. Teil. 859 Vgl. auch Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (204), der allerdings fälschlicherweise davon ausgeht, auch nicht tatbestandsmäßige Handlungen, die im Rahmen eines einheitlichen Geschehens in Deutschland vorgenommen werden, führten unter Zugrundelegung eines prozessualen Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB zur umfassenden Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf die prozessuale Tat. Richtigerweise können nur tatbestandsmäßige Handlungen oder Erfolge einen tauglichen Anknüpfungspunkt deutscher Strafgewalt bilden und damit auf Basis eines prozessualen Tatbegriffs in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf die prozessuale Tat begründen, im Rahmen derer sie liegen, siehe oben B. I. 860 Innerhalb der EU als „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ (Art. 3 Abs. 2, 67 Abs. 1 AEUV) erleichtert ein – stetig anwachsendes – Instrumentarium zur kooperierenden Strafverfolgung die grenzüberschreitende Strafverfolgung, vgl. hierzu Hecker, EuStR, 12 Rn. 5 ff.; Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 61 ff. Exemplarisch genannt seien der Europäische Haftbefehl, Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. L 190 v. 18. 7. 2002, S. 1 ff., die Europäische Beweisanordnung, Rahmenbeschluss 2008/978/JI des Rates v. 18. 12. 2008 über die Europäische Beweisanordnung zur Erlangung von Sachen, Schriftstücken und Daten zur Verwendung in Strafsachen, ABl. L 350 v. 30. 12. 2008, S. 72 ff. und die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen, Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 3. 4. 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen, ABl. L 130 v. 1. 5. 2014, S. 1 ff. 861 Eingehend hierzu Dombrowski, S. 131 ff. 862 Vgl. Dombrowski, S. 132 ff.; Gleß, NStZ 2000, S. 57 ff. (57); Nagel, S. 18 f. 863 Vgl. Beukelmann, NJW 2012, S. 2617 ff. (2619).

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

abgelehnt werden, in denen der um Rechtshilfe ersuchte Staat das nach deutschem Recht strafbare Täterverhalten nicht unter Strafe stellt oder sogar als verfassungsrechtlich – etwa von der Meinungsfreiheit – geschützt einordnet. Insb. wird ein um Auslieferung des Beschuldigten ersuchter Staat in diesen Fällen regelmäßig eine Auslieferung verweigern. Im Hinblick auf Staaten, mit denen keine Rechtshilfevereinbarungen bestehen, dürfte Rechtshilfe (insb. eine Auslieferung des Täters) zudem häufig an der im Rechtshilfeverkehr üblichen Voraussetzung der Gegenseitigkeit864 scheitern, wonach Rechtshilfe nur geleistet wird, wenn der ersuchende Staat im Falle eines vergleichbaren Rechtshilfeersuchens dem ersuchten Staat ebenfalls Rechtshilfe leisten würde. Selbst wenn der Beschuldigte im Inland erreichbar sein sollte und die Ermittlungen zu einem hinreichenden Tatverdacht führten, wäre das Risiko von Fehlentscheidungen infolge fehlender bzw. geringer Vertrautheit des Gerichts mit den Verhältnissen im Ausland potenziell höher, als es bei rein innerdeutschen Sachverhalten der Fall wäre. Ausgehend von einem tatbestandsbezogenen Tatbegriff in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB sähen sich nationale Strafverfolgungsbehörden und Gerichte vor ähnliche Probleme gestellt. Hier wären beispielsweise sog. Distanzdelikte, bei denen der Täter (nach seiner Vorstellung) einen im Inland eintretenden Erfolg i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 bzw. 4 StGB vom Ausland aus herbeiführt, in die Strafverfolgung einzubeziehen. Anders als unter Zugrundelegung eines prozessualen Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB müsste allerdings nur in Bezug auf solche grenzüberschreitend verwirklichten Straftatbestände ermittelt werden, die einen inländischen Tatort aufweisen. Einer Verfolgung im Rahmen derselben prozessualen Tat ausschließlich im Ausland verwirklichter Delikte stünde von vornherein das deliktsbezogene Verfahrenshindernis der fehlenden Anwendbarkeit deutschen Strafrechts entgegen [siehe hierzu oben E. II. 3. a) bb)]. Zumindest problematische Auslandsermittlungen würden damit unter Zugrundelegung eines tatbestandsbezogenen Tatbegriffs in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB in geringerem Maße erforderlich, als es unter Zugrundelegung eines prozessualen Tatbegriffes der Fall wäre. De lege lata müssen die mit einer Ausweitung der deutschen Strafgewalt auf ausländische Sachverhaltsteile einhergehenden Probleme im Bereich der Verfahrensdienlichkeit auf prozessualer Ebene angegangen werden. In Betracht kommt vor allem eine Verfahrenseinstellung nach § 153c StPO. Die dort enthaltenen Opportunitätsregelungen sind auf Konstellationen zugeschnitten, in denen infolge weiter Ausdehnung der deutschen Strafgewalt durch §§ 3 ff. StGB Strafverfolgungsprobleme entstehen können.865 Hinsichtlich §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ist insb. die Distanz864 Vgl. hierzu Lagodny, in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, § 5 IRG; Popp, Rn. 428 ff. 865 Beulke, in: LR-StPO, § 153c Rn. 2; Knaup, S. 116 f. Näher zur prozessualen Flankierung der §§ 3 ff. StGB Knaup, S. 116 ff.; Krapp, S. 165; Obermüller, S. 162; vgl. auch Jescheck, Niederschriften der Großen Strafrechtskommission, Bd. 4 (38. bis 52. Sitzung), Bonn 1958, S. 11. Den in §§ 153c ff. StPO normierten Opportunitätsregelungen haftet prinzipiell der Mangel fehlender Vorhersehbarkeit der staatsanwaltschaftlichen Ermessensentscheidung an,

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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delikte mit inländischem Erfolgsort betreffende Vorschrift § 153c Abs. 3 StPO von Relevanz [siehe hierzu bereits oben C. II. 1. c) ee)]. Sollte ein im Inland ergriffener Täter an einen ausländischen Staat ausgeliefert werden, kann das Verfahren gem. § 154b Abs. 1 StPO eingestellt werden. Deutsche Strafverfolgungsbehörden können des Weiteren, etwa gestützt auf § 160 StPO866, versuchen, mit ausländischen Behörden einzelfallspezifische Strafverfolgungsvereinbarungen, z. B. in Form der Vereinbarung einer Verfahrenskonzentration in einem Staat, zu erzielen. Entsprechende Vereinbarungen können etwa i.R.d. bei kumulativen Strafverfolgungszuständigkeiten mehrerer EU-Mitgliedstaaten nach Art. 10 Abs. 1 des EU-Rahmenbeschlusses 2009/948/JI des Rates vom 30. 11. 2009 zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren867 obligatorischen Konsultation zwischen den zuständigen nationalen Strafverfolgungsbehörden getroffen werden.868 Auch in verschiedenen bereichsspezifischen bi- und multilateralen Abkommen sind zwischenstaatliche Konsultationen zum Zwecke einer Strafverfolgungszuständigkeitsbestimmung vorgesehen, vgl. z. B. die Ergänzungsverträge zu Art. 21 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen869 sowie Art. 22 Abs. 5 des Europarats-Übereinkommens über die Datennetzkriminalität vom 23. 11. 2001 (Cybercrime-Convention)870 hinsichtlich der nach der Konvention umschriebenen Straftaten.871 Einigungen werden allerdings vor allem in solchen Fällen nur selten zustande kommen, in denen die betroffenen Staaten das Beschuldigtenverhalten unterschiedlich bewerten. der angesichts der freiheitsrechtlichen Implikationen der §§ 3 ff. StGB (siehe hierzu B. II. 2. e) cc) sowie E. II. 9.) schwer wiegt. Letztlich hängt es nämlich von einer konkret individuellen Ermessensentscheidung der Strafverfolgungsbehörden nach Tatbegehung ab, ob ein Täter dem deutschen Strafrecht unterfällt. Auf der anderen Seite kann die Opportunitätsregelung für sich beanspruchen, flexible Einzelfallgerechtigkeit erzeugen zu können. Eingehend zur Kritik an der prozessualen Korrektur des materiellen Rechts durch §§ 153c ff. StGB Jung, JZ 1979, S. 325 ff. (330); Knaup, S. 117 ff. 866 Vgl. Schneider, in: Grützner/Pötz/Kreß, 34. Lfg. Dezember 2013, III A 3.17, RB Kompetenzkonflikte, Rn. 33. 867 ABl. L 328 v. 15. 12. 2009, S. 46; siehe hierzu oben 4. Teil. 868 Vgl. hierzu Schneider, in: Grützner/Pötz/Kreß, 34. Lfg. Dezember 2013, III A 3.17, RB Kompetenzkonflikte. 869 ETS Nr. 30. Exemplarisch seien Art. 12 deutsch-schweizerischer Ergänzungsvertrag, BGBl. II 1975, S. 1171; II 1976, S. 1818 und Art. 14 Abs. 4 deutsch-israelischer Ergänzungsvertrag, BGBl. II 1980, S. 1334; II 1981, S. 94 genannt, vgl. Ambos, GA 2011, S. 95 ff. (98). Das Europäische Übereinkommen über die Übertragung der Strafverfolgung vom 15. 5. 1972 (ETS Nr. 73), das in Art. 6 ff. Strafverfolgungsübertragungen infolge Strafverfolgungsersuchen regelt, wurde von Deutschland nicht ratifiziert, siehe http://conventions.coe.int. 870 ETS Nr. 185, nebst Zusatzprotokoll zur Kriminalisierung von Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art begangen durch Computersysteme vom 28. 1. 2003, ETS Nr. 189. 36 Mitgliedstaaten des Europarates haben das Abkommen ratifiziert. Eine Ratifikation erfolgte auch in den USA und Japan, siehe http://conventions.coe.int. 871 Zur im Schrifttum erhobenen Kritik an zwischenstaatlichen Zuständigkeitsvereinbarungen im Hinblick auf rechtsstaatliche Vorgaben aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 und Art. 103 Abs. 2 GG siehe Lagodny, Gutachten Strafgewaltskonflikte, S. 84 ff.; Pappas, S. 135 ff.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Kommt es zu einer Einigung dahingehend, dass das Verfahren allein in einem ausländischen Staat geführt werden soll, endet das in Erfüllung der grundsätzlichen Ermittlungspflicht aus § 152 Abs. 2 StPO zunächst eingeleitete deutsche Strafverfahren – anders als wohl teilweise angenommen872 – nicht etwa automatisch infolge eines qua zwischenstaatlicher Einigung erfolgenden Verfahrenstransfers auf den ausländischen Staat.873 Da das deutsche Strafverfahrensrecht das Instrument des Verfahrenstransfers derzeit nicht vorsieht, ist das deutsche Strafverfahren vielmehr einzustellen – etwa nach den oben erwähnten §§ 153c StPO oder § 154b Abs. 1 StPO.874 Sind beide Normen nicht einschlägig und kommt auch keine endgültige Einstellung nach anderen Normen in Betracht, kann das deutsche Strafverfahren nach derzeitiger Rechtslage etwa gem. § 154 f StPO (ggf. analog) vorläufig unterbrochen werden.875 Wird die Strafverfolgung von einem Vertragsstaat der Art. 50 GRC, 54 SDÜ durchgeführt, läge ein endgültiger Einstellungsgrund gem. § 170 Abs. 2 StPO vor,876 sobald die Tat dort rechtskräftig abgeurteilt und ggf. eine Sanktion vollstreckt wird. Entscheidungen in Staaten außerhalb des Geltungsbereichs der Art. 50 GRC, 54 SDÜ können etwa zu einer endgültigen Einstellung gem. § 153c Abs. 2 StPO berechtigen. Kommt es zu keinem Strafgewaltverzicht und wird das Verfahren in Deutschland zu führen versucht, bestehen die geschilderten Probleme im Bereich „effektive Strafverfolgung“ und „gerechte Entscheidungen“ fort. Da diese Probleme unter Zugrundelegung eines tatbestandsbezogenen Verständnisses des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB infolge des niedrigeren Strafgewaltumfangs insgesamt in geringerem Ausmaß auftreten als es bei einem prozessualen Tatverständnis der Fall wäre, spricht der Gesichtspunkt „Verfahrensdienlichkeit“ letztlich eher für ein tatbestandsbezogenes Tatverständnis.

872 Schomburg/Suominen-Picht, NJW 2012, S. 1190 ff. (1193 f.) sind der Meinung, eine einzelfallbezogene zwischenstaatliche Vereinbarung führe zur Verfahrensübertragung auf einen anderen Staat. Einer besonderen Rechtsgrundlage bedürfe es hierfür nicht, ebd., S. 1193. 873 Vgl. Schneider, in: Grützner/Pötz/Kreß, 34. Lfg. Dezember 2013, III A 3.17, RB Kompetenzkonflikte, Rn. 23. 874 Schneider, in: Grützner/Pötz/Kreß, 34. Lfg. Dezember 2013, III A 3.17, RB Kompetenzkonflikte, Rn. 23. Das Europäische Übereinkommen über die Übertragung der Strafverfolgung vom 15. 5. 1972 (ETS Nr. 73), das in Art. 6 ff. Strafverfolgungsübertragungen infolge Strafverfolgungsersuchen regelt, wurde von Deutschland nicht ratifiziert, siehe http://conven tions.coe.int. 875 Inhofer, in: BeckOK-StPO, Art. 54 SDÜ Rn. 45 hält in Bezug auf den Geltungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ betreffende Fälle eine vorläufige Verfahrenseinstellung entsprechend § 154 f StPO sowie eine Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO für möglich. 876 Siehe hierzu oben 4. Teil.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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5. Vermeidung von Jurisdiktionskonflikten durch klare Zuständigkeitsgrenzen In Teilen des Schrifttums877 wird die Meinung vertreten, das Territorialitätsprinzip wurzele zudem in dem Grundgedanken, die Strafverfolgungszuständigkeit der deutschen Justiz eindeutig regeln zu können, indem es die deutsche Strafgewalt an feststehenden Staatsgrenzen enden lasse. Mit dieser Erwägung wird das Territorialitätsprinzip bis heute als „in der Anwendung einfach“ und „zuverlässig“ bezeichnet.878 Teilweise wird dabei davon ausgegangen, durch die Beschränkung der Strafgewalt auf innerstaatliches Territorium vermeide das Territorialitätsprinzip Jurisdiktionskonflikte zwischen verschiedenen Strafrechtsordnungen.879 Dem Aspekt „Vermeidung von Jurisdiktionskonflikten“ kommt i.R.d. §§ 3 ff. StGB eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Ließen sich Jurisdiktionskonflikte vermeiden, wären Parallelverfahren verfahrensökonomisch ausgeschlossen.880 Vor allem aber würde den Freiheitsrechten der Betroffenen Rechnung getragen.881 Das individuelle Verhalten müsste sich nicht freiheitsbeschränkend an u. U. stark voneinander abweichenden Verhaltensanforderungen verschiedener Rechtsordnungen messen lassen.882 Gelangte nur eine Rechtsordnung zur Anwendung, könnte es 877

Jeßberger, S. 229; Oehler, IntStR, Rn. 125. Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 25; Jeßberger, S. 229; Oehler, IntStR, Rn. 125. 879 So etwa Ambos, IntStR, § 3 Rn. 4; ders., in. MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 17. A.A. insb. im Hinblick auf über das Territorialitätsprinzip in Bezug genommene Handlungswirkungen (§ 9 Abs. 1 Var. 3 StGB) z. B. Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 223. Mit dem Gesichtspunkt „Vermeidung von Jurisdiktionskonflikten“ ist ein Themenkomplex angesprochen, der typischerweise im Fokus kollisionsrechtlicher Normen steht. So bezwecken etwa Kollisionsnormen des Internationalen Privatrechts, Konflikte zwischen konkurrierenden Rechtsordnungen durch eine Bestimmung der anwendbaren Rechtsordnung zu lösen, siehe hierzu oben 4. Teil. sowie Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff. (67) m.w.N. §§ 3 ff. StGB können demgegenüber – angesichts ihrer Konzeption als allein die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts normierenden Strafanwendungsrechts – Konflikte mit anderen Rechtsordnungen nicht lösen. Davon geht auch der Gesetzgeber aus, wenn er etwa in § 51 Abs. 3 StGB die Existenz von Mehrfachverurteilungen wegen ein und derselben Tat im In- und Ausland voraussetzt, indem er die Anrechnung einer im Ausland wegen derselben Tat verhängten Strafe auf eine durch ein deutsches Gericht verhängte Strafe vorsieht, vgl. Heghmanns, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Rn. 17. Nichtsdestotrotz lassen sich §§ 3 ff. StGB an einigen Stellen konfliktbegrenzende Zielsetzungen entnehmen. Man denke etwa an die – jedenfalls der gesetzgeberischen Konzeption nach – eingeschränkte Strafgewaltausdehnung auf Auslandstaten in §§ 5 und 6 StGB (siehe 2. Abschnitt) oder das Tatortstrafbarkeitserfordernis in § 7 StGB (siehe 3. Abschnitt A., 4. Abschnitt und 5. Abschnitt), ebenso Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff. (67). 880 Vgl. Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 45. 881 Ausführlich zu diesem Aspekt Walther, in: FS Eser, S. 925 ff.; siehe auch Böse/Meyer, ZIS 2011, S. 336 ff. 882 Vgl. Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 45. Die Regelung der §§ 3 ff. StGB zeigt an einigen Stellen Problembewusstsein im Hinblick auf die mit konkurrierenden Strafgewalten einhergehenden Restriktionen für die Normadressaten. Beispielhaft sei das Tatortstrafbarkeitserfordernis in § 7 StGB genannt, wonach deutsche Strafgewalt nur dann zum Tragen kommt, wenn auch am Tatort mit einer Sanktion zu rechnen ist, vgl. zu diesem indi878

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

insb. nicht zu der Situation kommen, dass sich der Betroffene nach dem anwendbaren Recht eines Staates auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten hätte, die nach dem ebenfalls anwendbaren Recht eines anderen Staates verboten ist und damit unausweichlich gegen eine Verhaltenspflicht verstieße883. Da der Betroffene keine Mehrfachverfolgungen und -bestrafungen zu befürchten hätte, würden außerdem transnationale Doppelbestrafungsverbote obsolet, denen typischerweise das Risiko von Unvorhersehbarkeit anhaftet, welcher Staat zuerst eine transnationalen Strafklageverbrauch auslösende Entscheidung herbeiführt, wenn sie nicht durch verbindliche zwischenstaatliche Strafverfolgungszuständigkeitsvereinbarungen flankiert werden (Stichwort: Prioritätsprinzip884). Im Zeitalter von Globalisierung, zunehmender Tätermobilität und dem Einfluss neuer Medien sieht sich die Verwirklichung sämtlicher der vorgenannten Zwecke in Frage gestellt. So betreffen beispielsweise (via Internet verwirklichte) Distanzdelikte das Territorium mehrerer Staaten – einerseits in Form des Handlungsvollzuges, andererseits in Form des Eintritts der Handlungswirkung. In Deutschland – wie auch in den meisten anderen Staaten weltweit – begründen sowohl tatbestandsmäßige inländische Handlungen als auch (vom Täter vorgestellte) tatbestandsmäßige inländische Handlungswirkungen eine Strafverfolgungszuständigkeit.885 Jurisdiktionskonflikte zwischen dem Staat, in dem die Handlung vorgenommen wird und dem Staat bzw. den Staaten, in dem bzw. denen die Handlungswirkung eintritt, sind in diesen Fällen die Regel. Ein sowohl Handlungen als auch Handlungswirkungen umfassendes Territorialitätsprinzip ist damit nicht in der Lage, klare, einfach zu handhabende zwischenstaatliche Zuständigkeitsgrenzen zu ziehen. Jurisdiktionskonflikte werden darüber hinaus noch dadurch potenziert, dass die meisten Staaten weltweit ihre Strafgewalt über andere Anknüpfungspunkte als die Territorialität auf Auslandssachverhalte erstrecken.886 Eine klare, Jurisdiktionskonflikte verhindernde, Abgrenzung von Strafverfolgungszuständigkeiten wäre etwa erreichbar, wenn alle Staaten weltweit Strafgewalt nur dann in Anspruch nähmen, wenn die Tathandlung auf ihrem Territorium vorgenommen wurde.887 Eine derart radikale Beschränkung nationaler Strafgewalt wird man allerdings – da sie zu weit reichenden Rechtsgüterschutzeinbußen führte – von keinem Staat der Welt im Alleingang erwarten können. Selbst wenn ein Staat eine vidualschützenden Aspekt des Erfordernisses der Tatortstrafbarkeit in § 7 StGB oben 3. Abschnitt A. 883 Vgl. zu diesem Aspekt Schneider, S. 282; Valerius, NStZ 2008, S. 121 ff. (124 f.). 884 Siehe hierzu 6. Abschnitt E. II. 6. a) bb) (1). 885 Vgl. Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 25. 886 Vgl. Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 19; Blakesley/Stigall, GWILR 39 (2007), S. 1 ff. (15). 887 Deiters, ZRP 2003, S. 359 ff. (362), und Koch, GA 2002, S. 703 ff. (713), plädieren im Hinblick auf den Bereich der Internetkriminalität de lege ferenda für eine Beschränkung des § 9 StGB auf den Handlungsort.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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derartige „Selbstbeschränkung“888 vornehmen wollte, stünden seinem Vorhaben ggf. völkervertrags- oder unionsrechtliche Verpflichtungen entgegen, die eine Strafgewalterstreckung über die nationalen Grenzen hinaus vorschreiben.889 Klare, vorhersehbare Zuständigkeitsabgrenzungen sind vor diesem Hintergrund realistischerweise nur im Wege verbindlicher zwischenstaatlicher Strafverfolgungszuständigkeitsvereinbarungen realisierbar. Wie derartige Regelungen de lege ferenda ausgestaltet sein könnten, steht derzeit im Fokus der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem internationalen Strafrecht.890 Solange eine solche Koordinierung nicht erfolgt ist, muss im Interesse des Beschuldigten versucht werden, die Strafverfolgung etwa im Wege einzelfallspezifischer zwischenstaatlicher Zuständigkeitsvereinbarungen in einem einzigen Staat zu konzentrieren (siehe hierzu oben E. II. 4.).891 Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen könnte man aus dem in Rede stehenden Zweck des Territorialitätsprinzips, Jurisdiktionskonflikte durch klare Zuständigkeitsgrenzen vermeiden zu können, allenfalls das Gebot einer restriktiven Auslegung des § 3 StGB zum Zwecke der Minimierung von Jurisdiktionskonflikten ableiten. Mit Jeschecks Worten, auf den die Rückkehr zum Territorialitätsprinzip durch das 2. Strafrechtsreformgesetz maßgeblich zurückgeht, bedürfte es insofern einer „freiwilligen Selbstbeschränkung im Interesse einer gerechten und zweckmäßigen zwischenstaatlichen Verteilung der Aufgaben auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung“892.

888 Begrifflichkeit nach Jescheck, Niederschriften der Großen Strafrechtskommission, Bd. 4 (38. bis 52. Sitzung), Bonn 1958, S. 14. 889 Vgl. Böse/Meyer, ZIS 2011, S. 336 ff. (337); Eisele, ZStW 125 (2013), S. 1 ff. (4). Derartigen Vorgaben liegt oftmals ein sog. „Netzgedanke“ (Eisele, ebd.) zugrunde, wonach durch weite Ausdehnung der nationalen Verbotsnormen grenzüberschreitendes kriminelles Verhalten möglichst lückenlos erfasst werden soll. Kritisch hierzu Jeßberger, S. 168 ff.; Lagodny, Gutachten Strafgewaltskonflikte, S. 101 ff.; Vogel, in: FS Schroeder, S. 877 ff. (891 ff.). 890 Vgl. z. B. Böse/Meyer, ZIS 2011, S. 336 ff.; dies./Schneider, Conflicts of Jurisdiction, Vol. I und II; dies., GA 2014, S. 572 ff.; Hecker, ZIS 2011, S. 60 ff.; Rekate, S. 307 ff.; Schomburg/Suominen-Picht, NJW 2012, S. 1190 ff. (1193); Sinn, ZIS 2013, S. 1 ff.; Zimmermann, S. 320 ff.; siehe auch 6. Teil C. II. 1. 891 Vor allem innerhalb der EU als einheitlicher Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Art. 3 Abs. 2 EUV, 67 Abs. 1 AEUV) ist es angezeigt, die Verfolgung eines untrennbar zusammengehörigen Geschehens in einem Staat zu bündeln, statt es darauf ankommen zu lassen, welcher Staat am schnellsten eine rechtskräftige Aburteilung und ggf. Vollstreckung und infolgedessen unionsweiten Strafklageverbrauch gem. Art. 50 GRC, 54 SDÜ herbeiführt. Eine Vereinbarung einer Verfahrenskonzentration in einem Staat kann zwischen Mitgliedstaaten der EU im Rahmen einer nach Art. 10 Abs. 1 des EU-Rahmenbeschlusses 2009/948/JI des Rates vom 30. 11. 2009 zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren (ABl. L 328 v. 15. 12. 2009, S. 46) obligatorischen Konsulation der nach nationalem Recht zur Strafverfolgung berufenen Mitgliedstaaten erfolgen. 892 Niederschriften der Großen Strafrechtskommission, Bd. 4 (38. Bis 52. Sitzung), Bonn 1958, S. 14 (Hervorhebung nur hier).

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Unter diesem Gesichtspunkt fällt die Beurteilung ähnlich aus, wie es bei dem oben diskutierten Zweck der „Verfahrensdienlichkeit“ der Fall war: Sowohl eine tatbestandsbezogene als auch eine prozessuale Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB provozieren Jurisdiktionskonflikte. Da ein tatbestandsbezogenes Tatverständnis insgesamt zu einem geringeren Strafgewaltumfang führt als ein prozessuales spricht der Gesichtspunkt „Minimierung von Jurisdiktionskonflikten“ allerdings eher für eine tatbestandsbezogene Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB. 6. Verbot, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen Entscheidende Bedeutung kommt der Frage zu, ob der Tatbegriff in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB zur Vermeidung eines Verstoßes gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts völkerrechtskonform tatbestandsbezogen oder prozessual ausgelegt werden muss. Nach Art. 25 S. 2 Hs. 2 GG gehen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts den einfachen Gesetzen im Rang vor. Die einfachgesetzlichen Normen der §§ 3 ff. StGB sind daher durch den nationalen Gesetzgeber so auszugestalten bzw. – sofern die betreffende Norm und das sie umgebende Regelungsgefüge ein entsprechendes Verständnis zulässt – durch den Rechtsanwander völkerrechtskonform so auszulegen, dass sie allgemeinen Regeln des Völkerrechts nicht widersprechen.893 Anderenfalls wäre die betreffende Norm im Umfang ihrer Unvereinbarkeit mit der allgemeinen Regel des Völkerrechts im konkreten Konfliktfall unanwendbar (Anwendungsvorrang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts).894 Ein Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts infolge prozessualer oder tatbestandsbezogener Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB kommt unter zwei Gesichtspunkten in Betracht: dem Verbot, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen (hierzu sogleich) und dem Interventionsverbot (hierzu E. II. 8.). Das Verbot, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen, geht weiter als das Interventionsverbot – hier geht es um einen Ausschluss fremder Strafansprüche, dort um eine Einmischung i.S.e. „Anmaßung nationaler Strafgewalt über extraterritoriale Sachverhalte“895 zusätzlich zu einem (fort-)bestehenden Strafanspruch eines anderen Staates. Wie das Interventionsverbot wurzelt auch das Verbot, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen, in dem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten. Es folgt aus dem Recht der Staaten, souverän festgeschriebene strafbewehrte Verbote durchsetzen zu können, d. h. Straftaten

893

Vgl. BVerfGE 64, 1, 20; 109, 1, 26.; Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 14; Jeßberger, S. 215; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 30. 894 BVerfGE 36, 32, 365; Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 14; Koenig, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 25 GG Rn. 49; siehe auch oben 4. Teil. 895 Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 11.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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verfolgen und bestrafen zu können896. Die Gleichheit der souveränen Staaten bedingt, dass kein Staat einem anderen Staat dieses Recht ungerechtfertigt entziehen darf.897 Als Ausdruck des Prinzips der souveränen Gleichheit der Staaten stellt das Verbot, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen – im Vergleich zum Interventionsverbot erst Recht – eine allgemeine Regel des Völkerrechts dar.898 Soweit nur ein – prozessuales oder tatbestandsbezogenes – Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB zu einem ungerechtfertigten Ausschluss eines fremden Strafanspruchs führte, bedürfte es insoweit zum Zwecke der Vermeidung einer Kollision mit einer allgemeinen Regel des Völkerrechts einer völkerrechtskonformen Auslegung des Tatbegriffes in die andere Richtung.899 a) Vorgaben durch Art. 50 GRC, 54 SDÜ Zu Ausschlüssen der Strafansprüche anderer Staaten führt nationales Strafanwendungsrecht, wenn auf dessen Basis rechtskräftige Entscheidungen nach nationalem Recht ergehen, die Strafklageverbrauch in anderen Staaten nach sich ziehen. Strafklageverbrauch in anderen Staaten bewirken rechtskräftige nationale Entscheidungen im Geltungsbereich zwischenstaatlicher Doppelbestrafungsverbote. Auf europäischer Ebene ist ein Doppelbestrafungsverbot seit dem Vertrag von Lissabon als Justizgrundrecht im Rang von EU-Primärrecht in Art. 50 GRC kodifiziert, vgl. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 EUV. Auch Art. 54 SDÜ normiert ein europäisches Doppelbestrafungsverbot, das seit dem Vertrag von Amsterdam innerhalb der EU mit Rang von EU-Sekundärrecht gilt900 und damit grundsätzlich901 alle EU-Mitglied-

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(882). 897

Vgl. Thomas, S. 155; vgl. zu diesem Aspekt auch Vogel, in: FS Schroeder, S. 877 ff.

Ähnlich Thomas, S. 155; vgl. auch Vogel, in: FS Schroeder, S. 877 ff. (882). Das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten wird unumstritten als allgemeine Regel des Völkerrechts angesehen, vgl. nur BGHSt 53, 238, 253 f.; Schneider, S. 164; siehe auch Art. 2 Nr. 1 UN-Charta. 899 Vorausgesetzt, auch diese ist mit Völkerrecht vereinbar, was ggf. unter dem Gesichtspunkt des Interventionsverbotes in Frage stehen könnte, siehe hierzu E. II. 8. 900 Vgl. Protokoll zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union v. 2. 10. 1997, ABl. C 340 v. 10. 11. 1997, S. 93 sowie die Beschlüsse des Rates 1999/435/EG, 1999/436/EG v. 20. 5. 1999, ABl. L 176 v. 10. 7. 1999, S. 1 und 17. Siehe auch BVerfG NJW 2012, 1202, 1204; Burchard/Brodowski, StraFo 2010, S. 179 ff. (181, Fn. 13); Walther, ZJS 2013, S. 16 ff. (17); Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 123. 901 In Irland und dem Vereinigten Königreich ist die Geltung des Art. 54 SDÜ nach Maßgabe des Schengen-Protokolls Nr. 19 zum Vertrag von Lissabon, ABl. C 83 v. 30. 3. 2010, S. 290 ff. beschränkt, vgl. Radtke, in: Böse (Hrsg.), EnzEur, § 12 Rn. 33; Weißer, in: Schulze/ Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Fn. 32. Bulgarien, Rumänien, Kroatien und Zypern wenden Schengen-Recht noch nicht vollständig bzw. – im Falle Kroatiens – noch gar nicht an, vgl. Esser, EuIntStR, § 4 Rn. 17; Röben, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, 53. Lfg. Mai 2014, Art. 67 AEUV Rn. 151; Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Fn. 32. 898

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

staaten erfasst. Der räumliche Anwendungsbereich der Art. 50 GRC und 54 SDÜ deckt sich weitestgehend902. Im Hinblick auf Art. 50 GRC könnte man dem ersten Anschein nach in Anbetracht der Regelung des Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRC bezweifeln, ob die Norm im zwischenstaatlichen Bereich Anwendung findet. Gem. Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRC gilt die GRC „für die Organe und Einrichtungen der Union […] und für die Mitgliedstaaten […] bei der Durchführung des Rechts der Union“. Da der Eintritt von transnationalem Strafklageverbrauch nationale Gerichte daran hindert, ein nationales Strafverfahren zu führen, könnte man auf den ersten Blick annehmen, statt einer Durchführung von Unionsrecht stünden hier vielmehr rein innerstaatliche Angelegenheiten in Rede. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass nationale Strafverfolgungsbehörden und Gerichte, die ein Verfahrenshindernis infolge einer vorangegangenen rechtskräftigen Entscheidung eines anderen Mitgliedstaates bejahen, mit Art. 54 SDÜ sekundärrechtliches Unionsrecht durchführen.903 Selbst wenn man eine Durchführung des Art. 54 SDÜ durch die Mitgliedstaaten verneinte, praktizierten sie jedenfalls das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung (vgl. Art. 82 I AEUV)904 und/oder das – im Falle einer mehrfachen Strafverfolgung innerhalb der EU beschränkte – Freizügigkeitsrecht (Art. 21 AEUV)905. Eine Durchführung von 902

Ausnahmsweise gilt Art. 54 SDÜ auch in den von Art. 50 GRC nicht erfassten NichtEU-Staaten Island, Norwegen (Übereinkommen vom 18. 5. 1999 über die Assoziierung der Republik Island und des Königreichs Norwegen, ABl. L 176 v. 10. 7. 1999, S. 36), Liechtenstein und der Schweiz (Übereinkommen vom 26. 10. 2004 über die Assoziierung der Schweiz, nebst Protokoll zur Assoziierung Liechtensteins v. 28. 2. 2008, ABl. L 53 v. 27. 2. 2008, S. 50 ff.). Die EU-Mitgliedstaaten Bulgarien, Rumänien, Kroatien und Zypern sind als EU-Mitgliedstaaten an Art. 50 GRC gebunden, wenden Schengen-Recht allerdings noch nicht vollständig bzw. – im Falle Kroatiens – noch gar nicht an (siehe Fn. 901). Im Vereinigten Königreich und Irland gilt das SDÜ derzeit nur teilweise (siehe Fn. 901). An Art. 54 – 58 SDÜ sind das Vereinigte Königreich und Irland jedoch grundsätzlich gebunden, siehe hinsichtlich des Vereinigten Königreichs: Art. 1 lit. a, lit. i des Beschlusses 2000/365/EG des Rates v. 29. 5. 2000 zum Antrag des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, einzelne Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf sie anzuwenden, ABl. L 131 v. 1. 6. 2000, S. 44 i. d. F. des Beschlusses 2014/857/EU des Rates v. 1. 12. 2014, ABl. L 345 v. 1. 12. 2014, S. 3; Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2004/926/EG des Rates v. 22. 12. 2004 über das Inkraftsetzen von Teilen des Schengen-Besitzstands durch das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland, ABl. L 395 v. 31. 12. 2004, S. 70; hinsichtlich Irland: Art. 1 lit. a, lit i Beschluss 2002/192/EG des Rates v. 28. 2. 2002 zum Antrag Irlands auf Anwendung einzelner Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf Irland, ABl. L 64 v. 7. 3. 2002, S. 21. Als derzeitige EU-Mitgliedstaaten sind sie auch an Art. 50 GRC gebunden. Die Rechtslage wird sich bei Vollziehung des votierten EU-Austritts ändern. Zum räumlichen Anwendungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ vgl. auch Radtke, in: Böse (Hrsg.), EnzEuR, § 12 Rn. 33; Weißer, ZJS 2014, S. 589 ff. (589 f.). 903 Vgl. BGHSt 56, 11, 15; Burchard/Brodowski, StraFo 2010, S. 179 ff. (181 f.); Merkel/ Scheinfeld, ZIS 2012, S. 206 ff. (208). 904 So z. B. Satzger, IntEuStR, § 10 Rn. 56; vgl. auch Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 126. 905 So z. B. Böse, in: FS Kühne, S. 519 ff. (525); ders., GA 2011, S. 504 ff. (505); Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 126; vgl. auch BGH NJW 2014, 1025, 1027.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Unionsrecht i.S.d. Art. 51 GRC ist damit zu bejahen. Die Mitgliedstaaten sind demnach auch im zwischenstaatlichen Bereich an Art. 50 GRC gebunden.906 aa) Verhältnis des Art. 50 GRC zu Art. 54 SDÜ Das Verhältnis des Art. 50 GRC zu Art. 54 SDÜ ist umstritten und bislang nicht endgültig geklärt.907 Man könnte sich einerseits auf den Standpunkt stellen, Art. 50 GRC statuiere ein gegenüber Art. 54 SDÜ vorrangiges zwischenstaatliches Doppelbestrafungsverbot908. Andererseits könnte man der Meinung sein, Art. 54 SDÜ beschränke den Gewährleistungsumfang des Art. 50 GRC909. Auf den ersten Blick spricht der höhere Rang des primärrechtlichen Justizgrundrechts Art. 50 GRC gegenüber dem in den Rang von Sekundärrecht einzuordnenden Art. 54 SDÜ dafür, Art. 54 SDÜ entsprechend des erstgenannten Standpunktes hinter Art. 50 GRC zurücktreten zu lassen (lex superior derogat legi inferiori).910 Eine auf das Rangverhältnis rekurrierende Argumentation übersieht 906 So i.E. auch BGHSt 56, 11, 15; Böse, in: FS Kühne, S. 519 ff. (525); Brodowski, StV 2013, S. 339 ff. (343); Burchard/Brodowski, StraFo 2010, S. 179 ff. (181 f.); Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, S. 206 ff. (208); Walther, ZJS 2013, S. 16 ff. (18 f.); Weißer, in: Schulze/Zuleeg/ Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 126; vgl. auch die weite Auslegung des Merkmals der „Durchführung von Unionsrecht“ durch den EuGH Urt. v. 26. 2. 2013, Rs. C-617/10, Akerberg Fransson, NJW 2013, 1415. 907 Der Streit entzündet sich vor allem an der Frage, ob ein Vollstreckungselement, wie es nur Art. 54 SDÜ normiert („und wurde das Urteil im Falle einer Verurteilung bereits vollstreckt, wird es gerade vollstreckt oder kann es nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden“), Voraussetzung des „europäischen“ zwischenstaatlichen Strafklageverbrauchs ist. 908 So i.E. in Bezug auf die Frage, ob das von Art. 54 SDÜ vorausgesetzte Vollstreckungselement unter der Regelung des Art. 50 GRC fortgilt, Anagnostopoulos, in: FS Hassemer, S. 1121 ff. (1137); Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, S. 206 ff. (208 ff.); Schomburg/Suominen-Picht, NJW 2012, S. 1190 ff. (1191); Zöller, in: FS Krey, S. 501 ff. (518); in Bezug auf die Frage, ob Art. 55 SDÜ fortgilt, wohl Schomburg, in: ders./Lagodny/Gleß/Hackner, Art. 55 SDÜ Rn. 5; ders./Suominen-Picht, NJW 2012, S. 1190 ff. (1191). 909 So in Bezug auf die Frage, ob das von Art. 54 SDÜ vorausgesetzte Vollstreckungselement unter der Regelung des Art. 50 GRC fortgilt, EuGH Urt. v. 27. 5. 2014, Rs. C-129/14, Spasic, NJW 2014, 3007; BGHSt 56, 11, 14 f.; Burchard/Brodowski, StraFo 2010, S. 179 ff. (184); Hecker, EuStR, 13 Rn. 38; Weißer, ZJS 2014, S. 589 ff. Der 1. Strafsenat des BGH bezeichnet diese Einschätzung als unzweifelhaft, wohl um unter Berufung auf die acte-claireDoktrin einer Vorlagepflicht beim EuGH zu entgehen, BGHSt 56, 11, 14. Das insofern auf eine Willkürprüfung beschränkte BVerfG sah in dieser Vorgehensweise keinen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, BVerfG NJW 2012, 1202, 1203 f.; vgl. hierzu Walther, ZJS 2013, S. 16 ff. (21 f.) 910 Ebenso Walther, ZJS 2013, S. 16 ff. (17), der i.Ü. überzeugend darauf hinweist, dass eine Berufung auf den Grundsatz „lex posterior derogat legi priori“ vorliegend ausscheidet, da sich die zeitliche Geltung von Unionsrecht vielmehr nach Art. 9 des Protokolls Nr. 36 über die Übergangsbestimmungen zum Vertrag von Lissabon v. 13. 12. 2007, ABl. C 115 v. 9. 5. 2008, S. 322, richte, Walther, ZJS 2013, S. 16 ff. (18). Demnach sind „Übereinkommen, die auf Grundlage des Vertrags über die Europäische Union zwischen Mitgliedstaaten“ vor Inkrafttreten des Lissaboner Vertrages geschlossen wurden, solange gültig, „bis sie in Anwendung der Verträge aufgehoben, für nichtig erklärt oder geändert werden“.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

allerdings vor allem die Regelung des Art. 52 GRC. Demnach kann Art. 50 GRC durch einfache Gesetze eingeschränkt werden, die sich wiederum an „SchrankenSchranken“ (z. B. Verhältnismäßigkeit, Wesensgehaltsgarantie) messen lassen müssen, vgl. Art. 52 Abs. 1 S. 1, 2 GRC. Die Grundrechte-Charta folgt damit dem aus der nationalen Grundrechtsdogmatik bekannten System, weiten Schutzbereichsumschreibungen Einschränkungsmöglichkeiten entgegenzusetzen.911 Laut der gem. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 7 GRC als Auslegungshilfe der Charta heranzuziehenden Erläuterungen zur Grundrechte-Charta stellen Art. 54 – 58 SDÜ einfachgesetzliche Beschränkungen des Art. 50 GRC dar.912 Da sich Art. 54 SDÜ zumindest grundsätzlich913 auch innerhalb der Schranken-Schranken des Art. 52 Abs. 1 S. 1, 2 hält, ist demnach mit der letztgenannten Auffassung davon auszugehen, dass Art. 54 SDÜ den Gewährleistungsumfang des Art. 50 GRC im Konkurrenzfall beschränkt. In Anbetracht der Ratio des Art. 50 GRC, Beschuldigtenrechte auszubauen und den gegenwärtigen europäischen ne bis in idem-Standard im zwischenstaatlichen transnationalen Bereich nicht zu unterbieten914, kann gleichzeitig davon ausgegangen werden, dass das zwischenstaatliche Doppelbestrafungsverbot in Art. 50 GRC

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Vgl. Hußung, S. 134; Satzger, IntEuStR, § 10 Rn. 57b. Erläuterungen des Präsidiums des Konvents zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 v. 14. 12. 2007, S. 31; EuGH Urt. v. 27. 5. 2014, Rs. C-129/14, Spasic, NJW 2014, 3007, Rn. 55 f.; BVerfG NJW 2012, 1202, 1204; Böse, in: FS Kühne, S. 519 ff. (526); Satzger, IntEuStR, § 10 Rn. 57b; kritisch Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, S. 206 ff. (208 ff.); Weißer, in: Schulze/Zuleeg/ Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 132. 913 Insb. ist das Erfordernis eines Vollstreckungselementes angesichts möglicher Vollstreckungslücken bei fehlendem Erfordernis eines Vollstreckungselementes nicht per se unverhältnismäßig, siehe EuGH Urt. v. 27. 5. 2014, Rs. C-129/14, Spasic, NJW 2014, 3007, Rn. 63; a.A. Böse, GA 2011, S. 504 ff. (508 ff.); Meyer, HRRS 2014, S. 269 ff. (275); Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 132 f.; dies., ZJS 2014, S. 589 ff. (593). Allerdings wird die Verhältnismäßigkeit und damit das Erfordernis eines Vollstreckungselementes im Einzelfall häufig zu verneinen sein, wenn das nach der Ratio der Art. 50 GRC, 54 SDÜ hoch anzusiedelnde Beschuldigteninteresse an einmaliger Strafverfolgung das Interesse an der Vermeidung von Vollstreckungslücken überwiegt bzw. ein Verzicht auf das Vollstreckungselement keine Vollstreckungslücken herbeiführte. Dementsprechend wird ein Vollstreckungselement in Bezug auf Aburteilungen in Mitgliedstaaten der EU i. d. R. nicht zu prüfen sein, weil eine Strafvollstreckung im Aburteilungsstaat durch Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls regelmäßig (zu diesbezüglichen Grenzen in Deutschland siehe aber z. B. § 81 Nr. 4 IRG) sichergestellt werden kann, vgl. Böse, GA 2011, S. 504 ff. (508, 511); Meyer, HRRS 2014, S. 269 ff. (275); Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 132 f.; dies., ZJS 2014, S. 589 ff. (593). Für eine vermittelnde Auslegung: Duesberg, Das Vollstreckungselement des Art. 54 SDÜ im Spannungsfeld zwischen Europäisierung und nationalen Sicherheitsinteressen, Publikation in Vorbereitung für die ZIS. 914 Vgl. den Hinweis in den Erläuterungen zu Art. 50 GRC, wonach die horizontal transnationale Geltung der Regel „ne bis in idem“ dem „Rechtsbesitzstand der Union; siehe die Artikel 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens“ entspricht, Erläuterungen des Präsidiums des Konvents zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 v. 14. 12. 2007, S. 31; vgl. auch Liebau, S. 249. 912

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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seinem sachlichen Gewährleistungsumfang nach nicht hinter dem Gewährleistungsumfang des Art. 54 SDÜ zurückbleibt. Maßgeblich ist damit letztlich die Schnittmenge zwischen Art. 50 GRC und Art. 54 SDÜ in Form des Gewährleistungsumfangs des Art. 54 SDÜ.915 Demnach gilt: Wird ein Element einer „Tat“ in einem Vertragsstaat „abgeurteilt“ und wurde das „Urteil“ im Falle einer Verurteilung bereits vollstreckt, wird es gerade vollstreckt oder kann es nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden (sog. Vollstreckungselement916), tritt in den Vertragsstaaten Strafklageverbrauch für diese „Tat“ ein.917 bb) Der Tatbegriff in Art. 54 SDÜ (1) Vorgaben des EuGH Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH liegt Art. 54 SDÜ ein autonom unionsrechtlich auszulegender Tatbegriff zugrunde, der beschuldigtenfreundlich weit verstanden wird als „Komplex […] unlösbar miteinander verbundener Tatsachen […], unabhängig von der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen oder von dem geschützten rechtlichen Interesse“918.

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I. E. ebenso – speziell in Bezug auf den Tatbegriff – Hußung, S. 134 f., Fn. 654: Art. 54 SDÜ fungiere auch hinsichtlich seines Tatbegriffes als Schranke des Art. 50 GRC; in diesem Sinne auch Radtke, in: Böse (Hrsg.), EnzEuR, § 12 Rn. 50; siehe auch Satzger, IntEuStR, § 10 Rn. 57b. 916 Vgl. statt vieler Böse, GA 2011, S. 504 ff. (504). 917 In den seltenen Fällen, in denen sich der räumliche Anwendungsbereich der Art. 54 SDÜ und 50 GRC nicht überschneidet, weil ausschließlich Art. 54 SDÜ anwendbar ist (so im Falle von Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz, siehe oben Fn. 902), gelangt man damit zu gleichen Ergebnissen wie in den Fällen, in denen Art. 50 GRC und 54 SDÜ einschlägig sind. Sofern ausschließlich Art. 50 GRC anwendbar ist (siehe hierzu oben Fn. 902), dürfte in Bezug auf den Umfang des eintretenden Strafklageverbrauchs angesichts der gleichen individualschützenden Ratio des Art. 50 GRC und Art. 54 SDÜ davon auszugehen sein, dass Art. 50 GRC der gleiche Gewährleistungsgehalt wie Art. 54 SDÜ zugrunde liegt. 918 EuGH Urt. v. 9. 3. 2006, Rs. C-436/04, van Esbroeck, Slg. 2006, I-2333, Rn. 42; Urt. v. 28. 9. 2006, Rs. C-150/05, van Straaten, Slg. 2006, I-9327, Rn. 53; Urt. v. 18. 7. 2007, Rs. C-288/ 05, Kretzinger, Slg. 2007, I-6441, Rn. 37; Urt. v. 18. 7. 2007, Rs. C-367/05, Kraaijenbrink, Slg. 2007, I-6619, Rn. 36; vgl. auch Urt. v. 16. 11. 2010, Rs. C-261/09, Mantello, Slg. 2010, I-11477, Rn. 39. In den deutschsprachigen Urteilsgründen der EuGH-Entscheidungen findet sich die missverständliche Formulierung „Identität der materiellen Tat“, siehe nur EuGH Urt. v. 9. 3. 2006, Rs. C-436/04, van Esbroeck, Slg. 2006, I-2333, Rn. 36. Sie mag auf den ersten Blick einen materiell-rechtlichen Tatbegriff suggerieren. Der darauf folgende Halbsatz („verstanden als das Vorhandensein eines Komplexes unlösbar miteinander verbundener Tatsachen […] unabhängig von der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen oder von dem geschützten rechtlichen Interesse“, EuGH, ebd.) zeigt allerdings, dass der EuGH den Begriff nicht materiellrechtlich definieren wollte, sondern auf den tatsächlichen Lebenssachverhalt abstellt, ebenso Hußung, S. 176; Radtke, in: Böse (Hrsg.), EnzEuR, § 12 Rn. 48.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Diese Definition des Tatbegriffs entspricht ihrem Grundgehalt nach dem im deutschen Recht geläufigen Begriff der prozessualen Tat.919 Auch dieser setzt, wie gesehen920, voraus, dass einzelne Vorgänge derart miteinander verknüpft sind, dass ihre getrennte Aburteilung zu einer unnatürlichen Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhaltes führte, was nichts anderes bedeutet als „Komplex […] unlösbar miteinander verbundener Tatsachen“. In der deutschen Terminologie ausgedrückt, normieren Art. 50 GRC, 54 SDÜ also Folgendes: Wer durch eine Vertragspartei hinsichtlich einer prozessualen Tat rechtskräftig abgeurteilt worden ist, darf durch eine andere Vertragspartei wegen derselben prozessualen Tat nicht noch einmal verfolgt und abgeurteilt werden, sofern im Falle einer Sanktionierung im Erstaburteilungsstaat grundsätzlich die Voraussetzungen des Vollstreckungselementes921 erfüllt sind. Ein derartiges Verständnis der Art. 50 GRC, 54 SDÜ hat erhebliche Auswirkungen auf den in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB enthaltenen Tatbegriff. Verstünde man den Tatbegriff hier tatbestandsbezogen, könnte u. U. nur ein Teil einer grenzüberschreitenden prozessualen Tat in Deutschland abgeurteilt werden. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn nur eines von mehreren im Rahmen einer prozessualen Tat verwirklichten Delikten einen inländischen Tatort i.S.d. § 9 Abs. 1 StGB aufweist und hinsichtlich der im Ausland verwirklichten Delikte kein Anknüpfungspunkt außerhalb des § 3 StGB zum Tragen käme. Eine entsprechende Teilaburteilung der prozessualen Tat führte dann in den Vertragsstaaten der Art. 50 GRC, 54 SDÜ transnationalen Strafklageverbrauch in Bezug auf die gesamte prozessuale Tat herbei, ohne dass deutsche Strafgerichte überhaupt die Möglichkeit gehabt hätten, sämtliche im Rahmen der prozessualen Tat verwirklichte Delikte abzuurteilen.922 Im Extremfall hätte die „Aburteilung“ eines vergleichsweise unbedeutenden Delikts zur Konsequenz, dass innerhalb der prozessualen Tat verwirklichte schwerwiegendere Delikte in den Vertragsstaaten der Art. 50 GRC, 54 SDÜ unbestraft bleiben müssten. Ein berechnend vorgehender Täter einer grenzüberschreitenden prozessualen Tat könnte seine Tat- und Aufenthaltsorte so wählen, dass er in einem nur in Bezug auf einen Tatteil jurisdiktionsbefugten Vertragsstaat abgeurteilt wird, um einer Strafbarkeit hinsichtlich weiterer Tatteile zu entgehen.923 Die Problematik sei an folgendem Beispiel erläutert: Der nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung überdurchschnittlich reife 16-jährige Niederländer A befindet sich nach einem Fußballspiel auf dem Weg von einer Kneipe in 919 Kretschmer, ZAR 2011, S. 384 ff. (388); Kühne, JZ 2006, S. 1019 ff. (1020); Rübenstahl, NJW 2008, S. 2934; Satzger, IntEuStR, § 10 Rn. 68; Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (205). 920 Siehe oben E. I. 1.; vgl. auch E. III. 1. 921 Vgl. hierzu Fn. 913. 922 Auf das Problem nicht hinreichender Jurisdiktionsbefugnis in der Vertragsstaaten weisen auch Kühne, JZ 2006, S. 1019 ff. (1020), und Radtke, in: FS Seebode, S. 297 ff. (315), hin. 923 Vgl. Kühne, JZ 2006, S. 1019 ff. (1020).

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Enschede (Niederlande) zu seiner in Gronau (Deutschland) wohnenden Freundin. Kurz vor der deutsch-niederländischen Grenze gerät er mit dem rivalisierenden niederländischen Fußballfan B in Streit, in dessen Rahmen er diesem – aus Wut über die vorangegangene Niederlage seines Vereins – mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzt. B erleidet infolgedessen – seine Geistestätigkeit akut beeinträchtigende – Hirnschäden, die allerdings nach fünf Wochen komplett ausheilen. Kurz nach dem Streit mit B legt er sich – geleitet von seiner andauernden Wut über die Niederlage – in Gronau mit zwei weiteren niederländischen Fußballfans, C und D, an, die er derart schwer mit einer Bierflasche verletzt, dass sie ihr Leben lang erheblich entstellt bleiben.924

Die Körperverletzungen z.N.d. drei niederländischen Fußballfans bilden aufgrund der einheitlichen Begehungsweise, der einheitlichen Beweggründe und der engen zeitlichen Verbundenheit eine einheitliche prozessuale Tat. Eine Aburteilung der in Deutschland begangenen Körperverletzungen z.N.d. C und D vor einem deutschen Gericht samt Strafvollstreckung hätte hier zur Konsequenz, dass infolge transnationalen Strafklageverbrauchs hinsichtlich des einheitlichen Gesamtgeschehens die in den Niederlanden begangene Körperverletzung z.N.d. B unbestraft bliebe. Die Niederlande könnten ihren Strafanspruch nicht mehr zur Geltung bringen. Völkerrechtlich ist ein derartiger Ausschluss des Strafanspruchs eines anderen souveränen Staates grundsätzlich nur gerechtfertigt, soweit sich der betroffene Staat mit der darin liegenden Strafgewalteinbuße einverstanden erklärt.925 Ein solches Einverständnis kann grundsätzlich in der europäischen Einigung auf ein transnationales Doppelbestrafungsverbot erblickt werden, im Rahmen derer sich die Vertragsstaaten auf wechselseitige Strafgewaltbeschränkungen zum Zwecke einer Vermeidung von Doppel- und Mehrfachbestrafungen verständigten.926 Die in der Einigung liegende gegenseitige Anerkennung nationaler „Aburteilungen“ basierte auf der Prämisse, dass der „aburteilende“ Vertragsstaat hinreichenden Rechtsgüterschutz bzgl. der Tat gewährleistet, hinsichtlich derer transnationaler Strafklageverbrauch eintritt, wenn dieser auch teilweise vom nationalen Rechtsgüterschutzniveau abweichen mag.927 Kann der aburteilende Vertragsstaat in Fällen wie dem Beispielsfall wesentliche Tatteile nicht aburteilen, fehlt es an hinreichendem Rechtsgüterschutz. Führten entsprechende Teilaburteilungen der Tat transnationalen Strafklageverbrauch hinsichtlich der gesamten Tat herbei, würde die Effektivität und Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege innerhalb der EU entgegen dem in Art. 3 924 Zu einem weiteren Beispiel (prozessuale Tat im Falle eines Banküberfalls in der Schweiz mit anschließender Flucht über die deutsch-schweizerische Grenze durch Fahren ohne Fahrerlaubnis) vgl. BGH NStZ 1996, 41; Hecker, StV 2001, S. 306 ff. (309), und Walther, JuS 2013, S. 203 ff. (203 f.). 925 Vgl. Thomas, S. 155. 926 EuGH Urt. v. 11. 2. 2003, verb. Rs. C 187/01 und C-385/01, Gözütok und Brügge, Slg. 2003, I-1345, Rn. 33; Böse, GA 2003, S. 744 ff. (752 f., 760). 927 EuGH Urt. v. 11. 2. 2003, verb. Rs. C-187/01 und 385/01, Gözütok und Brügge, Slg. 2003, I-1345, Rn. 33; Böse, GA 2003, S. 744 ff. (752, 760); vgl. auch Ambos, IntStR, § 10 Rn. 129.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Abs. 2 EUV, 67 Abs. 1 AEUV formulierten Leitbild eines einheitlichen Raums der Sicherheit erheblich beschränkt. Derartige Konsequenzen sind von dem in der europäischen Einigung auf ein transnationales Doppelbestrafungsverbot liegenden Einverständnis in die Beschränkung nationaler Strafgewalt nicht gedeckt. Für den Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB bedeutete das: Unter Zugrundelegung eines tatbestandsbezogenen Tatbegriffs verstießen §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB in den Geltungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ betreffenden Konstellationen wie dem Beispielsfall gegen die allgemeine Regel des Völkerrechts, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt auszuschließen, sofern die betreffende prozessuale Tat infolgedessen nur partiell der deutschen Strafgewalt unterfiele. Vorbehaltlich ihrer Umsetzbarkeit in §§ 3 ff. StGB [siehe hierzu unten E. II. 6. b)] bedürfte es hier einer die deutsche Strafgewalt auf die gesamte prozessuale Tat erstreckenden prozessualen Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB.928 Man mag gegen die vorangegangene Argumentation mit Böse929 und – ihm folgend – Walther930 einwenden, „der Sorge, dass die proz. Tat v. der deutschen Justiz“ unter Zugrundelegung eines tatbestandsbezogenen Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB „nur unvollständig gewürdigt wird“ könne „begegnet werden, indem über § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB die Zuständigkeit der deutschen Strafjustiz auch auf die übrigen, innerhalb ders. prozessualen Tat begangenen Straftaten erstreckt wird“931. Einer Begründung vollumfänglicher Jurisdiktionsbefugnis hinsichtlich einer prozessualen Tat über § 3 StGB bedürfe es daher gar nicht. § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB fungierte dieser Ansicht nach als Strafgewaltergänzungsnorm für alle Fälle, in denen eine Begründung vollumfänglicher Jurisdiktionsbefugnis hinsichtlich einer prozessualen Tat zwar geboten ist, über §§ 3 – 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB allerdings nicht begründet werden kann. Eine derartige Handhabung liefe der gebotenen restriktiven Norminterpretation des gegenüber § 3 StGB als Ausnahmetatbestand ausgestalteten932 § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB zuwider. Davon abgesehen wäre § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB in Anbetracht des auf das Stellvertretungsprinzip rekurrierenden Normzwecks933 ohnehin oftmals auch gar nicht in der Lage, „die Zuständigkeit der deutschen Justiz auch auf die übrigen, innerhalb ders. prozessualen Tat begangenen Straftaten“ zu erstrecken. Nach den obigen Erkenntnissen934 kann von einer stellvertretenden Wahrnehmung eines fremden Strafanspruchs im Namen des Tatortstaates nämlich allenfalls die Rede sein, sofern man insb. das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit restriktiv dahingehend aus928 Für eine Ausweitung der Jurisdiktionsbefugnis des aburteilenden Vertragsstaates zum Zwecke der Schließung von Jurisdiktionslücken plädiert generell auch Heger, in: Hochmayr (Hrsg.), S. 65 ff. (85 ff.); vgl. auch Kühne, JZ 2006, S. 1019 ff. (1020). 929 Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 53. 930 Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (205). 931 Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 53. 932 Siehe hierzu oben E. II. 3. c). 933 Siehe oben 5. Teil 4. Abschnitt. 934 Siehe oben 5. Teil 4. Abschnitt.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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legt, dass nur solche deutschen Strafnormen zur Anwendung gebracht werden, denen die gleiche Schutzrichtung wie den einschlägigen Tatortnormen zugrunde liegt und die eine entsprechende Tatbewertung zum Ausdruck bringen wie sie im Tatortstaat erfolgen würde.935 Im obigen Beispielsfall wären diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Niederlande pönalisieren die Herbeiführung schwerwiegender Körperverletzungserfolge in Form einer Störung der geistigen Fähigkeiten des Opfers, die länger als vier Wochen andauern, gem. Art. 302 Abs. 1 i.V.m. Art. 82 Abs. 2 wetboek van strafrecht936 als schwere Körperverletzung. In Deutschland wäre das Verhalten – sofern man eine lebensgefährdende Behandlung bejahte – aufgrund der Vornahme einer besonders gefährlichen Körperverletzungshandlung wegen gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu bestrafen. In den Niederlanden würde angesichts der Schwere der Tat und der Persönlichkeit des A Erwachsenenstrafrecht angewendet, während die Tat in Deutschland zwingend nach – vor allem von erzieherischen Gesichtspunkten geleiteten (vgl. § 2 Abs. 1 JGG) – Jugendstrafrecht zu beurteilen wäre, siehe § 1 JGG.937 Scheitert eine auf § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB gestützte Strafgewalterstreckung auf von §§ 3, 9 Abs. 1 StGB nicht erfasste Teile der prozessualen Tat damit am Tatortstrafbarkeitserfordernis, besteht die „Sorge, dass die proz. Tat v. der deutschen Justiz nur unvollständig gewürdigt wird“938 fort. Gegen die obige Argumentation könnte man weiterhin einwenden, die nach der hier vertretenen Auffassung gebotene Strafgewalterstreckung auf die prozessuale Tat widerspräche der individualschützenden Ratio des Art. 54 SDÜ und des als Justizgrundrecht ausgestalteten Art. 50 GRC insofern, als Vertragsstaaten dazu verleitetet würden, Strafgewalt möglicherweise umfassender auf das Täterverhalten zu erstrecken, als sie es ohne Geltung der Art. 50 GRC, 54 SDÜ getan hätten. Beschuldigte würden damit möglicherweise mit umfangreicherer nationaler Strafgewalt belastet, als es ohne Geltung der Art. 50 GRC, 54 SDÜ der Fall gewesen wäre. Diesem Einwand ist allerdings – neben den vorangegangenen Ausführungen zur europäischen Einigung auf ein transnationales Doppelbestrafungsverbot – entgegenzuhalten, dass im Geltungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ statt einer potenziell kumulativen Realisierbarkeit von Strafansprüchen einer Vielzahl von Staaten nunmehr lediglich ein – und zwar der erstaburteilende – Staat seinen Strafanspruch gegenüber dem Beschuldigten zur Durchsetzung bringen kann. Nach rechtskräftiger „Aburteilung“ und etwaiger Vollstreckung einer Verurteilung in einem Vertragsstaat der Art. 50 GRC, 54 SDÜ hat der Beschuldigte im Geltungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ keine Strafverfolgung und Bestrafung mehr zu befürchten. Er wird damit 935 Böse, in: NK-StGB, § 7 Rn. 14, selbst verlangt, dass „der ausländische und der deutsche Tatbestand eine parallele Schutzrichtung aufweisen und eine vergleichbare rechtliche Bewertung der Tat zum Ausdruck bringen“. 936 Abrufbar unter http://www.wetboek-online.nl/wet/Wetboek-van-Strafrecht.html. 937 Zu erheblichen Unterschieden im niederländischen und deutschen Jugendstrafrecht vgl. Morelli/Wolthuis, in: Bendit/Erler/Nieborg/Schäfer (Hrsg.), S. 147 ff. 938 Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 53.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

insgesamt mit weniger gravierenden Freiheitseingriffen belastet, als es ohne ein transnationales Doppelbestrafungsverbot der Fall wäre. Zwar steigt im Falle einer umfangreichen Aburteilungsbefugnis der einzelnen Vertragsstaaten das Risiko, zunächst – vor Eintritt von transnationalem Strafklageverbrauch infolge rechtskräftiger Aburteilung und ggf. Vollstreckung durch einen Vertragsstaat – von mehreren Staaten strafrechtlich verfolgt zu werden. Die damit einhergehenden Restriktionen für den Beschuldigten werden allerdings zunächst dadurch abgemildert, dass jedenfalls die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgrund des Loyalitätsgebotes aus Art. 4 Abs. 3 EUV, das auch Rücksichtnahme- und Solidaritätspflichten der Mitgliedstaaten untereinander erfordert,939 i. d. R. gehalten sind, zumindest zugunsten eines offensichtlich primär territorial von der Tat betroffenen Mitgliedstaates auf die Inanspruchnahme von Strafgewalt zu verzichten940. Auch solange noch keine verbindliche Strafverfolgungszuständigkeitskoordinierung innerhalb der EU existiert,941 wird den Mitgliedstaaten in einem von kooperativer Strafverfolgung geprägten einheitlichen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Art. 3 Abs. 2 EUV, 67 Abs. 1 AEUV) generell daran gelegen sein, die Strafverfolgung von vornherein in einem einzigen Staat zu konzentrieren, anstatt es darauf ankommen zu lassen, welcher Staat am schnellsten eine rechtskräftige Aburteilung und ggf. Vollstreckung herbeiführt. Eine entsprechende Vereinbarung kann im Rahmen einer nach Art. 10 Abs. 1 des EU-Rahmenbeschlusses 2009/948/JI des Rates v. 30. 11. 2009 zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren942 obligatorischen Konsulation der nach nationalem Recht zur Strafverfolgung berufenen Mitgliedstaaten getroffen werden. Dass einzelne Staaten ggf. eine umfangreichere Jurisdiktionsbefugnis begründen als es ohne Geltung der Art. 50 GRC, 54 SDÜ der Fall gewesen wäre, ist vor diesem Hintergrund hinnehmbar. Es bleibt damit bei der obigen Feststellung: Sofern man den Tatbegriff in Art. 54 SDÜ unter Zugrundelegung der EuGH-Vorgaben – entsprechend dem prozessualen Tatbegriff im deutschen Recht – prozessual versteht, kann es unter Zugrundelegung eines tatbestandsbezogenen Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB zu Verstößen gegen die allgemeine Regel des Völkerrechts kommen, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt auszuschließen. Vorbehaltlich ihrer Umsetzbarkeit in §§ 3 ff. StGB [siehe hierzu E. II. 6. b)] bedürfte es im Konfliktfall einer die nationale Strafgewalt

939

Vgl. EuGH Urt. v. 22. 3. 1983, Rs. C-42/82, Kommission/Frankreich, Slg. 1983, 1013, Rn. 36; Urt. v. 11. 6. 1991, Rs. C-251/89, Athanasopoulos u. a., Slg. 1991, I-2797, Rn. 57; Hatje, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, Art. 4 EUV Rn. 78 f.; Kahl, in: Callies/Ruffert, Art. 4 EUV Rn. 111, der auch auf die spezialgesetzlichen Ausprägungen der Loyalität zwischen den Mitgliedstaaten untereinander in Art. 121 Abs. 1, 156 UAbs. 1, 165 Abs. 1 S. 1, 167 Abs. 2, 197, 222 AEUV hinweist. 940 Zu prozessualen Strafgewaltverzichten siehe oben unter E. II. 4. 941 Zur derzeitigen Rechtslage siehe oben 4. Teil. 942 ABl. L 328 v. 15. 12. 2009, S. 46; siehe hierzu oben 4. Teil.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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auf die gesamte prozessuale Tat erstreckenden prozessualen Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB. (2) Abweichende Auslegung Die Vorgabe des EuGH, Art. 54 SDÜ liege ein – nach deutscher Terminologie – prozessualer Tatbegriff zugrunde, gilt es auf ihre Tragfähigkeit zu überprüfen. Verstünde man Art. 50 GRC, 54 SDÜ dahingehend, dass Teilaburteilungen einer prozessualen Tat gar keinen Strafklageverbrauch hinsichtlich der gesamten prozessualen Tat auslösten, sondern nur bezüglich des abgeurteilten Teilgeschehens, wäre das vorangegangene Ergebnis zu revidieren. Auch unter Zugrundelegung eines tatbestandsbezogenen Tatbegriffs in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB verstießen die Normen dann in Konstellationen wie dem oben gebildeten Beispielsfall nicht gegen das völkerrechtliche Verbot, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen. Einer die Aburteilungsbefugnis auf die gesamte prozessuale Tat erstreckenden prozessualen Auslegung des Tatbegriffes zum Zwecke der Vermeidung eines Verstoßes gegen die allgemeine Regel des Völkerrechts, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt auszuschließen, bedürfte es dann nicht. (a) Materieller Tatbegriff in Art. 54 SDÜ Das wäre zunächst der Fall, wenn man mit Teilen des Schrifttums den Umfang des transnationalen Strafklageverbrauchs nach Art. 50 GRC, 54 SDÜ im Wege einer materiellen Auslegung des Tatbegriffes in Art. 54 SDÜ auf die im Erstaburteilungsstaat abgeurteilte materielle Straftat943 oder das abgeurteilte Unrecht944 beschränkte. Sofern ein Vertragsstaat die im Rahmen eines zusammengehörigen Geschehens verwirklichten materiellen Straftaten bzw. das Geschehensunrecht nur unvollständig abgelten konnte, blieben die Vertragsstaaten für die nicht abgeurteilten Straftaten bzw. das nicht abgeurteilte Unrecht jurisdiktionsbefugt.945 Das Beschuldigteninteresse an einmaliger Strafverfolgung trete in diesen Fällen zugunsten einer

943 Specht, S. 160; Thomas, S. 225; siehe auch van den Wyngaert/Stessens, ICLQ 48 (1999), S. 779 ff. (792 f.), die sich aber wohl auf den Soll-Zustand beziehen. 944 Böse, GA 2003, S. 744 ff. (762); Liebau, S. 256; Ligeti, S. 105 ff. In diese Richtung weisen auch Entscheidungen des EuGH und des EuG zum Strafklageverbrauch bei Kartellverstößen, vgl. EuGH Urt. v. 7. 1. 2004, verb. Rs. C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C 217/00 P, C-219/00 P, Aalborg Portland u. a., Slg. 2004, I-123, Rn. 338: Der Grundsatz ne bis in idem verbiete es, „dieselbe Person mehr als einmal wegen desselben rechtswidrigen Verhaltens zum Schutz desselben Rechtsguts mit einer Sanktion zu belegen.“; EuG Urt. v. 29. 4. 2004, verb. Rs. T-236/01, T-239/01, T-244/01 bis T-246/01, T-251/01 und T-252/01, Tokai Carbon u. a., Slg. 2004, II-1181, Rn. 134: „Die Anwendung des Grundsatzes ne bis in idem setzt nämlich nicht nur die Übereinstimmung des Sachverhalts der Zuwiderhandlung und der zur Rechenschaft gezogenen Personen voraus, sondern es muss sich auch um ein einziges geschütztes Rechtsgut handeln.“ Eingehend zu diesen Entscheidungen Liebau, S. 252 ff. 945 Liebau, S. 256; Thomas, S. 219 f.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

lückenlosen europaweiten Strafverfolgung zurück.946 Im obigen Beispielsfall könnten demnach die in den Niederlanden begangenen schweren Körperverletzungen auch dann abgeurteilt werden, wenn der Täter zuvor wegen der in Deutschland begangenen Körperverletzungen vor einem deutschen Gericht verurteilt wurde. (b) Normative Durchbrechung des Doppelbestrafungsverbots Ein dem materiellen Tatbegriff ähnelnder Ansatz will den Umfang des Strafklageverbrauchs über eine „normative Durchbrechung […] des transnationalen ne bis in idem“ auf den Umfang der Jurisdiktionsbefugnis im Erstentscheidungsstaat beschränken.947 Sofern ein nationales Gericht einen Lebenssachverhalt nur teilweise aburteilen konnte, beziehe sich der transnationale Strafklageverbrauch nur auf diejenigen Gesichtspunkte, die das Gericht zu würdigen imstande war.948 Das Beschuldigteninteresse, nicht mit doppelter Strafverfolgung bzgl. eines einheitlichen kriminellen Vorfalls belastet zu werden, wiege in diesen Fällen nicht so schwer wie das Allgemeininteresse an einer lückenlosen, effektiven Kriminalitätsbekämpfung in Europa.949 Auch nach dieser Auffassung führte die Aburteilung eines Teils einer einheitlichen prozessualen Tat nur bzgl. des abgeurteilten Tatteils transnationalen Strafklageverbrauch herbei. Nicht abgeurteilte Teile der einheitlichen prozessualen Tat könnten in den Vertragsstaaten der Art. 50 GRC, 54 SDÜ weiterhin abgeurteilt werden. Im obigen Beispiel könnten also auch dieser Ansicht nach die in den Niederlanden begangenen schweren Körperverletzungen trotz vorangegangener Aburteilung der dieselbe prozessuale Tat umfassenden Körperverletzungen in Deutschland abgeurteilt werden. (c) Stellungnahme Die vorgenannten Ansätze sind zwar in ihrer grundlegenden Zielrichtung nachvollziehbar, durch Vermeidung von extensivem transnationalem Strafklageverbrauch mit der möglichen Folge einer faktischen Straflosstellung solcher Sachverhaltsteile, für die der erstaburteilende Staat nicht jurisdiktionsbefugt ist, ein hohes Maß an materieller Gerechtigkeit zu erzeugen.950 Sie sehen sich allerdings vor allem951 schwerwiegenden teleologischen Einwänden ausgesetzt. 946 Böse, GA 2003, S. 744 ff. (762). Die Vertreter eines materiellen Tatbegriffs plädieren überwiegend für eine strenge Anwendung des Anrechnungsprinzips (in Deutschland: § 51 Abs. 3 StGB), vgl. z. B. Böse, GA 2003, S. 744 ff. (762); siehe auch van den Wyngaert/Stessens, ICLQ 48 (1999), S. 779 ff. (793). Hußung, S. 194 f., und Stalberg, S. 200 f., weisen allerdings zutreffend darauf hin, dass die Anrechnung einer vorangegangenen Bestrafung den Beschuldigten belastende mehrfache Strafverfahren nicht zu verhindern vermag. 947 Kühne, JZ 2006, S. 1019 ff. (1020); Vogel, in: FS Schroeder, S. 877 ff. (890); Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (206). 948 Kühne, JZ 2006, S. 1019 ff. (1020); Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (206). 949 Kühne, JZ 2006, S. 1019 ff. (1020 f.). 950 So auch Radtke, in: FS Seebode, S. 297 ff. (311).

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Art. 50 GRC und 54 SDÜ liegt die grundsätzliche952 Erwägung zugrunde, dass sich eine in einem Vertragsstaat rechtskräftig „abgeurteilte“ Person darauf verlassen können soll, dass sie sich wegen desselben einheitlichen Tatvorfalls nicht noch einmal – auch nicht nur teilweise – in einem anderen Vertragsstaat strafrechtlich verantworten muss.953 Die abgeurteilte Person soll sich, ohne weitere Strafverfolgung und Bestrafung befürchten zu müssen, in anderen Vertragsstaaten aufhalten können.954 In Bezug auf die Mitgliedstaaten der EU soll auf diese Weise das Recht auf Freizügigkeit (Art. 21 AEUV) innerhalb der Union als einheitlicher Raum der Freiheit (Art. 3 Abs. 2 EUV, 67 Abs. 1 AEUV) effektiv gewährleistet werden.955 Dieser Zweck würde konterkariert, wenn man unter Zugrundelegung eines materiellen Tatbegriffes in Art. 54 SDÜ oder im Wege einer „normativen Durchbrechung“ des transnationalen Doppelbestrafungsverbotes nach einer rechtskräftigen Aburteilung eines einheitlichen kriminellen Vorfalls weitere diesbezügliche Strafverfahren und Aburteilungen zuließe. In diesem Fall würde nicht nur das geschützte Vertrauen der Unionsbürger unterlaufen, sich ohne erneute Strafverfolgung befürchten zu müssen, innerhalb der EU bewegen zu können.956 Auch die Vorhersehbarkeit, ob noch weitere Strafverfahren in anderen Mitgliedstaaten gegen den Täter geführt werden könnten, sähe sich in Frage gestellt: Beschränkte sich der Umfang des Strafklageverbrauchs infolge einer normativen Durchbrechung des Doppelbestrafungsverbotes auf den Umfang der Jurisdiktionsbefugnis im Erstentscheidungsstaat, müsste sich der Täter zunächst Kenntnis von der Jurisdiktionsbefugnis des erstaburteilenden Staates verschaffen, um ausschließen zu können, dass weitere Strafverfahren wegen desselben einheitlichen Tatgeschehens in anderen Vertragsstaaten gegen ihn geführt werden. Sofern der erstaburteilende Staat bzgl. der 951

Zu weiteren Kritikpunkten siehe Hußung, S. 193 ff; Radtke, in: FS Seebode, S. 297 ff. (311 f.); Specht, S. 160 ff. Aus dem Wortlaut der verschiedenen Sprachfassungen des Art. 54 SDÜ lassen sich keine Rückschlüsse auf den Inhalt des Tatbegriffes ziehen. Die englische („the same acts“), französische („mêmes faits“) und niederländische Fassung („dezelbe faiten“) stellen zwar auf Tatsachen ab und scheinen damit gegen einen „materiellen Tatbegriff“ zu sprechen, vgl. Böse, GA 2003, S. 744 ff. (758 f.); eingehend zum Wortlaut des Art. 54 SDÜ Hußung, S. 182 ff. Beispielsweise die dänische Fassung („de samme strafbare handlinger“) weist allerdings in die entgegengesetzte Richtung, vgl. Böse, GA 2003, S. 744 ff. (759). 952 Ausnahmen gelten in Bezug auf Fälle, in denen eine auf Art. 55 SDÜ gestützte vertragsstaatliche Vorbehaltserklärung greift, siehe hierzu E II. 6. b) aa) (1) und E. II. 6. b) bb) (1). 953 EuGH Urt. v. 9. 3. 2006, Rs. C-436/04, van Esbroeck, Slg. 2006, I-2333, Rn. 34. 954 EuGH Urt. v. 9. 3. 2006, Rs. C-436/04, van Esbroeck, Slg. 2006, I-2333, Rn. 34; Böse, GA 2003, S. 744 ff. (751); Hußung, S. 195 f. 955 EuGH Urt. v. 11. 2. 2003, verb. Rs. C-187/01 und 385/01, Gözütok und Brügge, Slg. 2003, I-1345, Rn. 38; Urt. v. 9. 3. 2006, Rs. C-436/04, van Esbroeck, Slg. 2006, I-2333, Rn. 34; Böse/Meyer, ZIS 2011, S. 336 ff. (337); Eisele, ZStW 125 (2013), S. 1 ff. (10); Hußung, S. 195 f. 956 So auch in Bezug auf eine u. a. von Hecker, StV 2001, S. 306 ff. (309 f.), vertretene Ansicht, der Umfang des transnationalen Strafklageverbrauchs nach Art. 54 SDÜ bestimme sich nach dem Umfang des nationalen Strafklageverbrauchs im Erstentscheidungsstaat Hußung, S. 200, 202; Radtke, NStZ 2008, S. 162 ff. (164).

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Gesamttat nicht vollumfänglich jurisdiktionsbefugt wäre, benötigte man die Kenntnis der Jurisdiktionsbefugnis sämtlicher Vertragsstaaten der Art. 50 GRC, 54 SDÜ, um sicher ausschließen zu können, dass nicht möglicherweise ein weiterer Staat die Strafverfolgung aufnimmt.957 Ein derartiges Wissen wird man aber selbst von Juristen nur in Ausnahmefällen verlangen können.958 Bestimmte man den Umfang des transnationalen Strafklageverbrauchs ausgehend von einem materiellen Tatbegriff in Art. 54 SDÜ anhand der abgeurteilten materiellen Straftat oder des abgeurteilten Unrechts, hätte der Täter weitere Strafverfahren bzgl. eines kriminellen Vorfalls zu befürchten, je nachdem, ob sämtliche im Rahmen des Vorfalls verwirklichten materiellen Straftaten bzw. das gesamte Unrecht im Erstentscheidungsstaat abgeurteilt wurde. Um das beurteilen zu können, bedürfte es ebenfalls spezieller Rechtskenntnisse. Die damit ohnehin bereits geringe Vorhersehbarkeit würde mit einem materiellen Tatbegriff in Art. 54 SDÜ sowie mit einer normativen Durchbrechung der Art. 50 GRC, 54 SDÜ noch dadurch verschärft, dass es in vielen Fällen von den häufig zufallsabhängigen Umständen der Lage des Tatortes und der Schnelligkeit nationaler Strafverfolgungsbehörden, Gerichte bzw. ggf. Strafvollstreckungsbehörden abhinge, ob gegen den Täter weitere Strafverfahren in anderen Vertragsstaaten geführt werden könnten.959 Würde der kriminelle Vorgang zuerst in einem Staat abgeurteilt, in dem sämtliche materielle Straftaten bzw. das gesamte Unrecht abgegolten wird, müsste der Täter nur ein Strafverfahren über sich ergehen lassen. Anderenfalls hätte er mit weiteren Verfahren zu rechnen. Ein Schritt über die Grenze zur Vornahme einer tatbestandsmäßigen Handlung oder der Eintritt eines tatbestandsmäßigen Erfolges aus der Gesamttat in einem bestimmten Staat könnte dann darüber entscheiden, ob der Täter im Geltungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ wegen ein und derselben prozessualen Tat mehrere oder nur ein Strafverfahren zu befürchten hätte. Neben den dargestellten Nachteilen für den Täter widersprechen die genannten Ansätze, indem sie eine Vielzahl an Strafverfolgungen, Aburteilungen und Strafvollstreckungen in verschiedenen Staaten in Bezug auf eine einheitliche Gesamttat ermöglichen, zudem dem objektiv-rechtlichen Zweck des transnationalen Doppelbestrafungsverbotes960, durch gegenseitige Anerkennung nationaler Entscheidungen die Verfolgung einer grenzüberschreitenden zusammengehörigen Tat ressourcenökonomisch effektiv in einem Staat zu konzentrieren, statt verschiedene Aburteilungen dieser Tat in verschiedenen Staaten zu provozieren.961 957 Hußung, S. 202, zieht ein entsprechendes Argument zur Ablehnung der Ansicht heran, der Tatbegriff des Art. 54 SDÜ bestimme sich nach dem Umfang des nationalen Strafklageverbrauchs im Zweitverfolgungsstaat. 958 So auch Hußung, S. 202. 959 In dieselbe Richtung argumentiert auch Radtke, in: FS Seebode, S. 297 ff. (310); vgl. auch Hußung, S. 199. 960 Vgl. Böse, GA 2003, S. 744 ff. (751); Hußung, S. 197. 961 In diesem Sinne auch Specht, S. 148 f.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Der Ratio der Art. 50 GRC, 54 SDÜ kann nach alledem nur Rechnung getragen werden, wenn transnationaler Strafklageverbrauch hinsichtlich des einheitlichen kriminellen Vorgangs eintritt, und zwar auch dann, wenn nur ein Geschehensteil im Erstaburteilungsstaat abgeurteilt wurde. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich eine „normative Durchbrechung“ des transnationalen Doppelbestrafungsverbots auch methodischer Kritik ausgesetzt sieht. Voraussetzung einer „normativen Durchbrechung“ einer Norm ist, dass ihr Regelungszweck ein anderes Ergebnis verlangt, als es der Normtext vorgibt.962 In diesen Fällen kommt in Betracht, den Anwendungsbereich der Regelung teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass der tatsächlich verfolgte Zweck erfüllt wird.963 Sinn und Zweck der Art. 50 GRC, 54 SDÜ ist es allerdings, wie gezeigt, individualschützend und verfahrensökonomisch Mehrfachbestrafungen und -verfolgungen zu vermeiden.964 Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, wird dieser Zweck erreicht, wenn man den Tatbegriff in Art. 54 SDÜ weit versteht, hingegen konterkariert, wenn man ihn eingrenzt. Die Ratio der Art. 50 GRC, 54 SDÜ verbietet daher eine „normative Durchbrechung“ der Norm im Wege der Berücksichtigung der Jurisdiktionsbefugnis des erstaburteilenden Staates.965 (3) Zwischenergebnis Von der ständigen Rechtsprechung des EuGH, wonach Art. 54 SDÜ ein – nach deutscher Terminologie – prozessualer Tatbegriff zugrunde liegt, abweichende Konstruktionen vermögen nach alledem nicht zu überzeugen. Auch in Fällen, in denen ein aburteilender Vertragsstaat der Art. 50 GRC, 54 SDÜ hinsichtlich einer prozessualen Tat nur beschränkt aburteilungsbefugt ist, tritt Strafklageverbrauch gem. Art. 50 GRC, 54 SDÜ ein. Es bleibt damit bei dem obigen Ergebnis, dass es unter Zugrundelegung eines tatbestandsbezogenen Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB zu Verstößen gegen die allgemeine Regel des Völkerrechts kommen kann, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt auszuschließen, und es in diesen Fällen einer die Aburteilungsbefugnis auf die gesamte prozessuale Tat erstreckenden prozessualen Auslegung des Tatbegriffes bedarf.

962

Vgl. Böse, GA 2003, S. 744 ff. (754); Schwacke, S. 140; Auch im Unionsrecht ist eine teleologische Reduktion anerkannt, vgl. Böse, GA 2003, S. 744 ff. (754, Fn. 83). 963 Böse, GA 2003, S. 744 ff. (754). 964 Böse, GA 2003, S. 744 ff. (754 f.). 965 Auch Böse, GA 2003, S. 744 ff. (754 f.), spricht sich mit entsprechenden Argumenten gegen eine teleologische Reduktion des Art. 54 SDÜ aus.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

b) Umsetzbarkeit in §§ 3 ff. StGB? aa) § 3 StGB bei Beeinträchtigung ausländischer Kollektivrechtsgüter I.R.d. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB kann eine umfassende Jurisdiktionsbefugnis hinsichtlich der prozessualen Tat – vorbehaltlich der folgenden Ausführungen zum Selbstschutz des Tatortstaates (hierzu E. II. 7.) und dem Interventionsverbot (hierzu E. II. 8.) – in den typischen Fällen grenzüberschreitender Kriminalität durch eine prozessuale Auslegung des Tatbegriffes systemkonform gewährleistet werden.966 Wie die vorangegangenen Auslegungsergebnisse gezeigt haben, legt der systematische Vergleich des § 3 mit §§ 5 und 6 StGB [siehe hierzu oben unter E. II. 3. c)] eine derartige Auslegung sogar nahe. Die oben diskutierte Ratio des Territorialitätsprinzips „Verfahrensdienlichkeit“ und „Minimierung von Jurisdiktionskonflikten“ steht einer prozessualen Auslegung nicht unausweichlich entgegen. Die insofern mit einem prozessualen Tatbegriff einhergehenden Probleme müssten nach derzeitiger Rechtslage nach Möglichkeit auf prozessualer Ebene durch eine Verfahrenskonzentration in einem einzigen Staat (siehe hierzu oben E. II. 4.) gelöst werden. Eine Begründung vollumfänglicher Jurisdiktionsbefugnis hinsichtlich der prozessualen Tat über §§ 3, 9 Abs. 1 StGB sieht sich allerdings ausnahmsweise in solchen speziellen Fällen grenzüberschreitender Kriminalität in Frage gestellt, in denen im Rahmen einer grenzüberschreitenden prozessualen Tat liegende Verletzungen oder Gefährdungen ausländischer Rechtsgüter vom Schutzbereich deutscher Straftatbestände nicht erfasst werden. Namentlich kann das der Fall sein, wenn i.R.d. prozessualen Tat ausländische Kollektivrechtsgüter gefährdet oder verletzt wer-

966 Neben ummittelbar täterschaftlichen Tatbegehungen trifft dies auch auf die – von §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ebenfalls erfassten – Fälle mittelbar täterschaftlicher und mittäterschaftlicher Tatbegehung zu. Denn sobald ein Tatort eines Mittäters bzw. mittelbaren Täters i.S.d. § 9 Abs. 1 StGB in Deutschland liegt, kommt deutsches Strafrecht unter Zugrundelegung eines prozessualen Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB gem. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB vollumfänglich auf die gesamte prozessuale Tat dieses Täters zur Anwendung. Die deutsche Justiz ist dann für die Aburteilung der gesamten prozessualen Tat dieses Täters jurisdiktionsbefugt. Es kann daher nicht zu der Situation kommen, dass infolge „rechtskräftiger Aburteilung“ durch ein deutsches Gericht Strafklageverbrauch hinsichtlich der prozessualen Tat eintritt, ohne dass mittäterschaftlich bzw. mittelbar täterschaftlich verwirklichte Delikte aus dieser Tat abgeurteilt werden konnten. Auch Fälle, in denen nur einer von mehreren Mittätern in Deutschland abgeurteilt wird, ließen sich mit dem Verbot, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt ausschließen zu dürfen, in Einklang bringen. Da sich der Strafklageverbrauch gem. Art. 50 GRC, 54 SDÜ immer nur auf eine einzige in einem Vertragsstaat „rechtskräftig abgeurteilte“ Person bezieht (vgl. nur EuGH Urt. v. 28. 9. 2006, Rs. C-467/04, Gasparini u. a., Slg. 2006, I-9199, Rn. 27 f.; Inhofer, in: BeckOK-StPO, Art. 54 SDÜ, Rn. 41), führte eine solche Aburteilung nicht etwa dazu, dass transnationaler Strafklageverbrauch auch hinsichtlich solcher Mittäter eintritt, die noch gar nicht abgeurteilt wurden. Der von dem – in der Einigung auf ein transnationales Doppelbestrafungsverbot liegenden – vertragsstaatlichen Einverständnis in die Beschränkung seiner Strafgewalt vorausgesetzten Maßgabe, wesentliche Tatteile nicht unbestraft zu lassen, wird damit Rechnung getragen.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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den.967 So unterliegen beispielsweise Angriffe auf die Sicherheit anderer Staaten grundsätzlich968 nicht dem Schutzbereich der Staatsschutzdelikte des StGB. Der Schutzbereich dieser Straftatbestände lässt sich überwiegend969 – angesichts der eindeutig auf den Schutz rein nationaler Kollektivrechtsgüter rekurrierenden Schutzrichtung und des ebenso eindeutigen Wortlauts (vgl. z. B. §§ 80 f., 81 ff. StGB: „Bundesrepublik Deutschland“) – auch nicht im Wege der Auslegung auf den Schutz ausländischer Kollektivrechtsgüter ausdehnen. Auch über das Konstrukt einer stellvertretenden Strafrechtspflege könnte der Schutz ausländischer Kollektivrechtsgüter de lege lata schon insofern nicht gewährt werden, als eine „Stellvertretung“ nach dem einschlägigen § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB nur unter Heranziehung deutscher Straftatbestände erfolgen kann,970 die den Schutz der o.g. ausländischen Kollektivrechtsgüter ja grundsätzlich nicht gewähren. Die Bundesrepublik Deutschland ist in diesen Fällen also nicht in der Lage, die prozessuale Tat vollumfänglich abzuurteilen. Eine inländische Aburteilung eines Teils der prozessualen Tat, im Rahmen derer ein in Deutschland nicht pönalisiertes, gegen ein ausländisches Kollektivrechtsgut gerichtetes Delikt verwirklicht wurde, führte dann scheinbar dazu, dass dieses Delikt infolge transnationalen Strafklageverbrauchs hinsichtlich der gesamten prozessualen Tat im Geltungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ unbestraft bliebe. Handelte es sich bei dem ausländischen Kollektivrechtsgut um ein Rechtsgut eines Vertragsstaates der Art. 50 GRC, 54 SDÜ, bliebe diesem ein diesbezüglicher Schutz durch sein Strafrecht verwehrt. Im Hinblick auf Staatsschutzdelikte würde das völkerrechtlich anerkannte Recht des betroffenen Vertragsstaates ausgeschlossen, sich mittels nationalen Strafrechts gegen Angriffe auf seine Sicherheit zur Wehr zu setzen971. Derart gravierende Beeinträchtigungen nationaler Sicherheitsinteressen sind von der Einigung auf ein europäisches Doppelbestrafungsverbot nicht gedeckt. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB müssten demnach dem ersten Anschein nach im konkreten Konfliktfall infolge Verstoßes gegen die allgemeine Regel des Völkerrechts, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt ausschließen zu dürfen, unangewendet bleiben. Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB hinge dann von dem der gesetzlichen Regelung in §§ 3 ff. StGB nicht zu entnehmenden Umstand ab, ob im Rahmen einer prozessualen Tat ein vom deutschen Strafrecht nicht geschütztes ausländisches Kollektivrechtsgut eines Vertragsstaates der Art. 50 GRC, 54 SDÜ beeinträchtigt 967

Zur von der Geltungsbereichsfrage abzuschichtenden Frage nach der Eröffnung des Schutzbereichs eines Straftatbestands siehe oben 4. Teil; vgl. auch Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 82 Rn. 22. 968 Ausnahmen, in denen deutsche Straftatbestände neben der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auch die Sicherheit ausländischer Staaten schützen, bilden z. B. §§ 89a ff. und § 129a Abs. 2 StGB, vgl. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 91 Rn. 1; zum Schutz von NATO-Vertragsstaaten vgl. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 82 Rn. 23. 969 Zu Ausnahmen – etwa betreffend § 132 StGB – siehe Satzger, IntEuStR, § 9 Rn. 97 ff. 970 Siehe hierzu oben 4. Abschnitt. 971 Vgl. hierzu Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 32; Hecker, EuStR, 2 Rn. 46.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

wurde. Eine prozessuale Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB sähe sich damit generell in Frage gestellt. (1) Implikationen durch die Vorbehaltsregelung in Art. 55 SDÜ Möglicherweise impliziert allerdings die Ausnahmeregelung des Art. 55 SDÜ, dass völkerrechtliche Vorgaben in derartigen Fällen, anders als auf den ersten Blick angenommen, gar keine vollumfängliche Strafgewaltbegründung hinsichtlich der prozessualen Gesamttat verlangen. Art. 55 Abs. 1 lit. b SDÜ erlaubt den Vertragsstaaten, sich „bei der Ratifikation, der Annahme oder der Genehmigung“ des SDÜ in solchen Fällen für durch Art. 54 SDÜ ungebunden zu erklären, in denen „die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrunde lag, eine gegen die Sicherheit des Staates oder andere gleichermaßen wesentliche Interessen dieser Vertragspartei gerichtete Straftat darstellt“. Art. 55 Abs. 1 lit. c SDÜ sieht derartige Vorbehaltserklärungen zudem für Fälle vor, in denen „die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrunde lag, von einem Bediensteten dieser Vertragspartei unter Verletzung seiner Amtspflichten begangen wurde“. Einige Staaten – unter anderem auch die Bundesrepublik Deutschland – haben entsprechende Vorbehalte erklärt.972 Sie sind damit in der Lage, die in der Vorbehaltserklärung genannten, vom Erstentscheidungsstaat nicht erfassten Delikte trotz ausländischer Aburteilung (eines Teils) der prozessualen Tat, im Rahmen derer sie verwirklicht wurden, abzuurteilen. 972 So beispielsweise die EU-Mitgliedstaaten Dänemark, Finnland, Griechenland, Österreich, Vereinigtes Königreich, Schweden und die assoziierten Schengen-Staaten Schweiz und Norwegen, vgl. Böse, in: FS Kühne, S. 519 ff. (520). Die Texte der Vorbehaltserklärungen finden sich bei Grotz, in: Grützner/Pötz/Kreß, 29. Lfg. Oktober 2012, Vorbemerkungen zu A 3.3. Rn. 61 ff. Zur Vorbehaltserklärung der Bundesrepublik Deutschland siehe die Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen vom 20. 4. 1994, BGBl. II 1994, S. 631: „Die Bundesrepublik Deutschland ist durch Artikel 54 des Übereinkommens nicht gebunden, […] b) wenn die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrunde lag, eine der folgenden Strafvorschriften erfüllt hat: aa) Vorbereitung eines Angriffskrieges (§ 80 StGB) und Aufstacheln zum Angriffskrieg (§ 80a StGB); bb) Hochverrat (§§ 81 bis 83 StGB); cc) Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (§§ 84 bis 90b StGB); dd) Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 100a StGB); ee) Straftaten gegen die Landesverteidigung (§§ 109 bis 109k StGB); ff) Straftaten nach §§ 129, 129a StGB; gg) die in § 129a Abs. 1 Nr. 1 – 3 StGB aufgeführten Straftaten, sofern durch die Tat die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet worden ist; hh) Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz; ii) Straftaten nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen. Als Tat wird in Anwendung des Artikels 54 seitens der Bundesrepublik Deutschland derjenige geschichtliche Vorgang verstanden, wie er in dem anzuerkennenden Urteil aufgeführt ist.“

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Die Regelung des Art. 55 Abs. 1 lit. b und c SDÜ gründet in der Erkenntnis der Vertragsstaaten, dass der Erstaburteilungsstaat im Falle einer Beeinträchtigung ausländischer Kollektivrechtsgüter möglicherweise nicht in der Lage ist, umfassende Jurisdiktionsbefugnis hinsichtlich der Gesamttat zu begründen.973 Da das Strafverfolgungsinteresse des von der Beeinträchtigung der Kollektivrechtsgüter betroffenen Staates in diesen Fällen durch Anerkennung der ausländischen Aburteilung nicht gänzlich befriedigt werden kann, wird den Vertragsstaaten hier ausnahmsweise die Möglichkeit eröffnet, das Doppelbestrafungsverbot abzugelten.974 Nach rechtskräftiger Aburteilung einer prozessualen Tat und einer etwaigen Erfüllung der Voraussetzungen des Vollstreckungselements aus Art. 54 SDÜ werden Strafverfahren ausnahmsweise zugunsten der Strafverfolgungsinteressen der Vertragsstaaten im Hinblick auf wichtige Kollektivrechtsgüter zugelassen. Das Beschuldigteninteresse an einmaliger Strafverfolgung soll hier zurücktreten.975 In Bezug auf §§ 3, 9 Abs. 1 StGB hat die Regelung des Art. 55 Abs. 1 lit. b und c SDÜ folgende Konsequenzen: Werden ausländische Kollektivrechtsgüter, hinsichtlich derer ein Vertragsstaat einen Vorbehalt i.S.d. Art. 55 Abs.1 lit. b bzw. c SDÜ erklärt hat, im Rahmen einer prozessualen Tat beeinträchtigt, zieht eine Aburteilung eines Teils dieser Tat durch ein nach §§ 3, 9 Abs. 1 StGB zuständiges deutsches Gericht in diesem Staat keinen Strafklageverbrauch in Bezug auf die Beeinträchtigung der ausländischen Kollektivrechtsgüter nach sich. Ein Verstoß gegen die allgemeine Regel des Völkerrechts, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt auszuschließen, scheidet insofern aus. Sollte der ausländische Staat, dessen Kollektivrechtsgüter beeinträchtigt werden, einen Vorbehalt nicht erklärt haben976 und sollten sich die deutschen Behörden mit den Behörden dieses Staates auch nicht im Einzelfall auf eine Verfahrenskonzentration geeinigt haben, führte eine Aburteilung eines Teils der prozessualen Tat durch ein deutsches Gericht auch im Hinblick auf die Beeinträchtigung der ausländischen Kollektivrechtsgüter zum Strafklageverbrauch. Der Strafanspruch des ausländischen Staates würde dann auch hinsichtlich der Beeinträchtigung der ausländischen Kol973

Böse, in: FS Kühne, S. 519 ff. (527); ders., EWS 2007, S. 202 ff. (208). Böse, in: FS Kühne, S. 519 ff. (527); ders., EWS 2007, S. 202 ff. (208). Diese Erwägung liegt wohl auch der Denkschrift der Bundesregierung zum Schengener Durchführungsübereinkommen zugrunde, wenn es dort heißt, die Bundesregierung beabsichtige eine Vorbehaltserklärung i.S.d. Art. 55 Abs. 1 SDÜ, um „den deutschen rechtspolitischen und rechtsdogmatischen Belangen Rechnung zu tragen“, BT-Drs. 12/2453, S. 93. 975 Die damit verbundenen Nachteile für den Beschuldigten werden durch Art. 56 SDÜ reduziert, der eine obligatorische Anrechnung „erlittener Freiheitsentziehungen auf eine etwa zu verhängende Sanktion“ bzw. eine Berücksichtigung „andere(r) als freiheitsentziehende Sanktionen“ vorsieht. In Deutschland wird den Vorgaben des Art. 56 SDÜ durch die Regelung des § 51 Abs. 3 StGB Rechnung getragen, vgl. Inhofer, in: BeckOK-StPO, Art. 56 SDÜ Rn. 1; Schomburg, in: ders./Lagodny/Gleß/Hackner, Art. 56 SDÜ Rn. 3. 976 So z. B. Spanien und Portugal, vgl. Grotz, in: Grützner/Pötz/Kreß, 29. Lfg. Oktober 2012, Vorbemerkungen zu A 3.3. Rn. 61 ff. Deutschland und Schweden haben keinen Vorbehalt auf Basis des Art. 55 Abs. 1 lit. c SDÜ erklärt, vgl. Grotz, ebd., Rn. 59, 68 f. 974

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

lektivrechtsgüter ausgeschlossen, die im Rahmen der Aburteilung der prozessualen Tat nicht bestraft wurde. Mit dem Verzicht auf eine Vorbehaltserklärung nimmt der ausgeschlossene Staat allerdings eine Schutzlosstellung der Kollektivrechtsgüter in Kauf. Hätte er seine diesbezüglichen Strafverfolgungsinteressen zur Geltung bringen wollen, hätte er die Möglichkeit gehabt, den europäischen Strafklageverbrauch durch eine Vorbehaltserklärung abzubedingen. In dem Vorbehaltserklärungsverzicht ist daher ein Strafgewaltverzicht zu sehen, der den Ausschluss des Strafanspruchs infolge Aburteilung eines Teiles der prozessualen Tat durch einen Vertragsstaat rechtfertigt. Auch in diesen Fällen liegt damit kein Verstoß gegen die allgemeine Regel des Völkerrechts, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt ausschließen zu dürfen, vor. Hinsichtlich solcher vergleichsweise weniger bedeutsamer ausländischer Kollektivrechtsgüter, auf die sich Art. 55 SDÜ nicht bezieht, kann der transnationale Strafklageverbrauch nicht abgegolten werden. Die fehlende Vereinbarung einer Vorbehaltserklärungsmöglichkeit zeigt, dass die Vertragsstaaten eine Schutzlosstellung dieser Rechtsgüter zugunsten des Beschuldigteninteresses an einmaliger Bestrafung in Kauf nehmen. Eine transnationalen Strafklageverbrauch bzgl. der prozessualen Tat bewirkende Aburteilung durch einen Vertragsstaat, der die Beeinträchtigung derartiger ausländischer Kollektivrechtsgüter nicht bestrafen kann, stellt sich daher ebenfalls nicht als völkerrechtswidrig dar. Auf Basis der vorangegangenen Argumentation kann nach alledem festgehalten werden, dass völkerrechtliche Vorgaben keine Begründung einer Jurisdiktionsbefugnis hinsichtlich ausländischer Kollektivrechtsgüter erfordern, die im Rahmen einer prozessualen Gesamttat beeinträchtigt wurden. Dass die deutsche Justiz in solchen Fällen hinsichtlich der prozessualen Tat keine vollumfängliche Jurisdiktionsbefugnis begründen kann, ist daher unschädlich. (2) Wegfall der Vorbehaltsregelung im Zuge der Verträge von Amsterdam und Lissabon? Der vorangegangenen Argumentation lässt sich möglicherweise entgegenhalten, dass die auf Art. 55 SDÜ basierenden Vorbehaltserklärungen und die Möglichkeit, derartige Vorbehalte zu erklären, mittlerweile infolge einer Änderung des europäischen Rechtsrahmens im Zuge der Verträge von Amsterdam bzw. Lissabon weggefallen sind. Wäre das der Fall und zöge man daraus den Schluss, den Vertragsstaaten werde nunmehr ausnahmslos die Begründung von Jurisdiktionsbefugnis hinsichtlich der gesamten prozessualen Tat abverlangt, wäre doch wieder eine vollumfängliche Erfassung der gesamten prozessualen Tat von Nöten, die in den in Rede stehenden Fällen mangels Schutzbereichseröffnung der deutschen Straftatbestände nicht gewährleistet werden könnte.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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(a) Vertrag von Amsterdam Teilweise wird davon ausgegangen, die auf Art. 55 SDÜ basierenden Vorbehalte und die Möglichkeit, zukünftig Vorbehalte zu erklären, seien bereits mit Überführung des Schengen-Besitzstandes in die damalige dritte Säule der EU977 im Zuge des Vertrages von Amsterdam978 (Inkrafttreten: 1. 5. 1999) weggefallen.979 Im Anhang des Schengen-Protokolls werde aufgeführt, welche Rechtsakte in den Rechtsrahmen der EU überführt wurden. Hier werde das SDÜ mit den dazugehörigen gemeinsamen Erklärungen und alle Erklärungen zu Beitrittsprotokollen und Beitrittsübereinkommen genannt.980 Erklärungen zur Ratifikation eines Beitrittsübereinkommens – wozu Vorbehaltserklärungen nach Art. 55 SDÜ zählen – fielen nicht darunter.981 Zudem seien Vorbehaltserklärungen nach Art. 55 SDÜ nicht in der detaillierten Aufzählung der zum Schengen-Besitzstand gehörenden Rechtsakte im Anhang des Ratsbeschlusses 1999/435/EG zur Bestimmung des Schengen-Besitzstands982 genannt.983 Die vorbehaltlose Geltung des europäischen Doppelbestrafungsverbots fördere den mit der Überführung des Schengen-Besitzstandes in den Rechtsrahmen der EU verfolgten Zweck, die Entwicklung der EU zu einem von Freizügigkeit geprägten „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ (Art. 3 Abs. 2 EUV, 67 Abs. 1 AEUV) voranzutreiben.984 Eine derartige Argumentation überzeugte, wenn sich die Rechtslage nach Inkrafttreten der Regelung des Art. 55 SDÜ dahingehend geändert hätte, dass die Vertragsstaaten nunmehr auch die in Art. 55 SDÜ genannten ausländischen Kollektivrechtsgüter aburteilen könnten. In diesem Fall ließe sich mit guten Gründen aus der bloßen Nichtnennung der Vorbehaltserklärungen in den vorgenannten Rechtsakten auf einen Willen der Mitgliedstaaten schließen, das Doppelbestrafungsverbot 977 Vgl. Protokoll zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union v. 2. 10. 1997, ABl. C 340 v. 10. 11. 1997, S. 93, sowie die Beschlüsse des Rates 1999/435/EG, 1999/436/EG v. 20. 5. 1999, ABl. L 176 v. 10. 7. 1999, S. 1 und 17. 978 Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABl. C 340 v. 10. 11. 1997, S. 1 ff. 979 Anagnostopoulos, in: FS Hassemer, S. 1121 ff. (1128); Hecker, EuStR, 13 Rn. 67; Leidenmühler, ELF 2003, S. 253 ff. (255); Plöckinger/Leidenmühler, wistra 2003, S. 81 ff. (82 f.); Schomburg, in: ders./Lagodny/Gleß/Hackner, Art. 55 SDÜ Rn. 5. 980 Plöckinger/Leidenmühler, wistra 2003, S. 81 ff. (82). 981 Hecker, EuStR, 13 Rn. 67; Plöckinger/Leidenmühler, wistra 2003, S. 81 ff. (82 f.). 982 Beschluss 1999/435/EG des Rates v. 20. 5. 1999 zur Bestimmung des Schengen-Besitzstands zwecks Festlegung der Rechtsgrundlagen für jede Bestimmung und jeden Beschluss, die diesen Besitzstand bilden, nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Vertrags über die Europäische Union, ABl. L 176 v. 10. 7. 1999, S. 1 ff. 983 Hecker, EuStR, 13 Rn. 67; Leidenmühler, ELF 2003, S. 253 ff. (255); Plöckinger/Leidenmühler, wistra 2003, S. 81 ff. (83). 984 Hecker, EuStR, 13 Rn. 67; Leidenmühler, ELF 2003, S. 253 ff. (255); Plöckinger/Leidenmühler, wistra 2003, S. 81 ff. (83).

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

fortan vorbehaltlos gelten zu lassen. Die Rechtslage hat sich allerdings nicht grundlegend geändert. In Art. 55 SDÜ genannte ausländische Kollektivrechtsgüter blieben auch im Jahr 1999 in weiten Teilen985 von den innerstaatlichen Strafrechtsordnungen ungeschützt. Von einem Willen der Mitgliedstaaten, nunmehr ein vorbehaltloses Doppelbestrafungsverbot gelten zu lassen, kann daher nicht ausgegangen werden. Zudem sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Ziel der Entwicklung eines „Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ im Zuge des Amsterdamer Vertrages (vgl. ex Art. 61 EGV) um den Preis einer teilweisen Schutzlosstellung staatlicher Kerninteressen gefördert und damit der Aspekt der Sicherheit in diesem Bereich unterlaufen werden sollte. Es ist daher davon auszugehen, dass der Schengen-Besitzstand mit dem Vertrag von Amsterdam im Hinblick auf die erklärten Vorbehalte unverändert in den Rechtsrahmen der EU überführt wurde.986 Die Restriktionen für den Beschuldigten, der in den von Art. 55 SDÜ genannten Fällen weiterhin mit doppelter Strafverfolgung und Bestrafung zu rechnen hat, werden durch Art. 56 SDÜ, der eine obligatorische Anrechnung „erlittener Freiheitsentziehungen auf eine etwa zu verhängende Sanktion“ bzw. eine Berücksichtigung „andere(r) als freiheitsentziehende Sanktionen“ vorsieht, zumindest abgemildert.987 (b) Vertrag von Lissabon Fragwürdig ist des Weiteren, ob die Regelung des Art. 55 SDÜ und die auf ihr basierenden Vorbehaltserklärungen durch den ranghöheren Art. 50 GRC verdrängt wurden, als die Grundrechte-Charta im Zuge des Lissaboner Vertrages988 (Inkraft985 Eine Ausnahme gilt im Hinblick auf den von Art. 55 Abs. 1 lit. c SDÜ in Bezug genommenen Bereich der Amtspflichtverletzungen. Hier schrieb das Übereinkommen v. 26. 5. 1997 über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (ABl. C 195 v. 25. 6. 1997, S. 1 ff.) den Mitgliedstaaten vor, auch die Bestechung und Bestechlichkeit von Amtsträgern, die in einem anderen Mitgliedstaat tätig sind, zu pönalisieren. Seit Umsetzung dieser Vorgaben (in Deutschland: § 1 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Nr. 2 lit. a EU-BestG, §§ 332, 334 StGB) können sich Vertragsstaaten insoweit nicht mehr auf nach Art. 55 Abs. 1 lit. c SDÜ erklärte Vorbehalte stützen, vgl. Böse, in: FS Kühne, S. 519 ff. (528 f.). 986 So i.E. auch Böse, EWS 2007, S. 202 ff. (208); Liebau, S. 127. Böse, ebd., Fn. 70 sowie in FS Kühne, S. 519 ff. (523), weist darauf hin, dass auch verschiedene EU-Institutionen von einer Fortgeltung der auf Art. 55 SDÜ basierenden Vorbehaltserklärungen ausgehen. Beispielhaft genannt wird die entsprechende Auffassung der Kommission im Grünbuch über Kompetenzkonflikte und den Grundsatz ne bis in idem in Strafverfahren, KOM(2005) 696 endg., Annex, S. 47, die Auffassung der Generalanwältin Sharpston in den Schlussanträgen vom 5. 12. 2006 zu den Rs. C-367/05, Kraaijenbrink, Rn. 63, 65 und C-288/05, Kretzinger, Rn. 72 sowie die Entscheidung EuGH Urt. v. 22. 12. 2008, Rs. C-491/07, Turansky´, Slg. 2008, I-11039, Rn. 29. 987 In Deutschland wird den Vorgaben des Art. 56 SDÜ durch die Regelung des § 51 Abs. 3 StGB Rechnung getragen, vgl. Inhofer, in: BeckOK-StPO, Art. 56 SDÜ Rn. 1; Schomburg, in: ders./Lagodny/Gleß/Hackner, Art. 56 SDÜ Rn. 3. 988 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ABl. C 306 v. 17. 12. 2007, S. 1 ff.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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treten 1. 12. 2009) durch Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 EUV in den Rang von EU-Primärrecht überführt wurde.989 Oben wurde gezeigt, dass Art. 54 SDÜ als Schrankenbestimmung des Art. 50 GRC grundsätzlich fort gilt.990 Gleiches gilt mit entsprechender Argumentation für Art. 55 – 58 SDÜ. Eine Beschränkung des Art. 50 GRC durch das SDÜ setzt dabei allerdings – wie oben gezeigt – voraus, dass sich die beschränkende Norm im Rahmen der in Art. 52 Abs. 1 und 2 GRC normierten „Schranken-Schranken“, insb. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, hält.991 Daran ließe sich zweifeln, wenn sich nunmehr die Interessengewichtung zwischen dem Beschuldigteninteresse, nicht mehrfach wegen derselben prozessualen Tat verfolgt und ggf. bestraft zu werden, und den entgegenstehenden staatlichen Strafverfolgungsinteressen dahingehend geändert hätte, dass nunmehr in den in Art. 55 SDÜ genannten Fällen das Beschuldigteninteresse überwiegt. Hierfür spricht zum einen die gesteigerte Bedeutung des Beschuldigteninteresses an einmaliger Strafverfolgung für die mit dem Vertrag von Lissabon forcierte Entwicklung eines von Freizügigkeit geprägten einheitlichen Raumes der Freiheit i.S.d. Art. 3 Abs. 2 EUV, 67 Abs. 1 AEUV. Auch die Tatsache, dass das transnationale Doppelbestrafungsverbot mit Art. 50 GRC nunmehr zum individualschützenden Justizgrundrecht erhoben wurde, impliziert ein hohes Gewicht des Beschuldigteninteresses. Gleichwohl ist nicht ersichtlich, dass mit der Überführung der Grundrechtecharta in EU-Primärrecht plötzlich wesentliche staatliche Kollektivrechtsgüter schutzlos gestellt und insofern der in Art. 67 Abs. 1 AEUV, 3 Abs. 2 EUV genannte Aspekt der Sicherheit unterlaufen werden sollte. Auch nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon muss die Fortgeltung der Vorbehalte und die Möglichkeit, Vorbehalte zu erklären daher davon abhängen, ob sich die Rechtslage dahingehend geändert hat, dass die Vertragsstaaten nunmehr Jurisdiktionsbefugnis hinsichtlich der durch Art. 55 SDÜ in Bezug genommenen Rechtsgüter gewährleisten können.992 Das aber ist – wie oben gezeigt – bis heute mit einigen Ausnahmen993 nicht der Fall. Entsprechende Vorbehalte sind 989 Bejahend: Oberster Gerichtshof Griechenlands Areopag, Urt. v. 9. 6. 2011, Rs. 1/2011; Tribunale di Milano, Urt. v. 6. 7. 2011, N. 12396/92 RG N.R. N. 3531/94 RG G.I.P., Walz, zitiert nach Böse, in: FS Kühne, S. 519 ff. (519, Fn. 6); Anagnostopoulos, in: FS Hassemer, S. 1121 ff. (1128); Hecker, EuStR, 13 Rn. 67; Plöckinger/Leidenmühler, wistra 2003, S. 81 ff. (82 f.); grunsätzlich verneinend: Böse, in: FS Kühne, S. 519 ff. (529). 990 Siehe E. II. 6. a) aa). 991 Siehe E. II. 6. a) aa); vgl. auch Hecker, EuStR, 13 Rn. 39; Satzger, IntEuStR, § 10 Rn. 57b. 992 I. E. ebenso Böse, in: FS Kühne, S. 519 ff. (527 f.). 993 Eine Ausnahme gilt z. B. in Bezug auf die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB). Art. 9 Abs. 4 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates v. 13. 6. 2002 zur Terrorismusbekämpfung, ABl. L 164 v. 22. 6. 2002, S. 3 ff. i. d. F. des Rahmenbeschlusses 2008/919/JI des Rates v. 28. 11. 2008, ABl. L 330 v. 8. 12. 2008, S. 21 ff., verlangt eine Erstreckung nationaler Strafnormen der Mitgliedstaaten auf ausländische Vereinigungen in der EU. In Deutschland ist diese Vorgabe in § 129b Abs. 1 S. 1 StGB umgesetzt, kritisch zu § 129b StGB sowie der weiten Vorverlagerung des terrorismusstrafrechtlichen Schutzes generell z. B. Stein, GA 2005, S. 433 ff.; Valerius, GA 2011, S. 696 ff.; Weißer, JZ 2008, S. 388 ff.; dies., ZStW 121 (2009), S. 131 ff. Auf Art. 55 Abs. 1 lit. b gestützte Vorbehaltserklärungen in diesem

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

daher grundsätzlich verhältnismäßig und gelten als legitime Beschränkungen des Art. 50 GRC auch nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon derzeit fort.994 Auch die Möglichkeit, Vorbehalte zu erklären, bleibt bestehen.995 Die Beschuldigteninteressen können in diesen Fällen derzeit – wie soeben unter (a) festgestellt – weiterhin wenigstens über die Anrechnungsregelung des Art. 56 SDÜ berücksichtigt werden. (3) Ergebnis Es bleibt damit bei der obigen Annahme, dass völkerrechtliche Vorgaben keine Begründung einer Jurisdiktionsbefugnis hinsichtlich ausländischer Kollektivrechtsgüter erfordern, die im Rahmen einer prozessualen Gesamttat beeinträchtigt wurden. Die fehlende vollumfängliche Jurisdiktionsbefugnis der deutschen Justiz in Fällen, in denen i.R.e. prozessualen Tat auch ausländische Kollektivrechtsgüter beeinträchtigt werden, ist daher unschädlich. Eine in den eingangs geschilderten Konfliktfällen nach der allgemeinen Regel des Völkerrechts, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt auszuschließen, gebotene Begründung einer vollumfänglichen Jurisdiktionsbefugnis hinsichtlich der gesamten prozessualen Tat mittels einer prozessualen Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB sieht sich insofern also nicht in Frage gestellt. bb) §§ 5, 6 StGB Möglicherweise steht die im Konfliktfall gebotene prozessuale Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB allerdings wegen außerhalb des § 3 StGB auftretenden Problemen in Frage. So sieht man sich im Hinblick auf §§ 5 und 6 StGB mit dem Problem konfrontiert, dass den Normen nach den obigen Erkenntnissen [siehe E. II. 3. c)] ein enger tatbestandsbezogener Tatbegriff zugrunde liegt, mit dem lediglich einzelne Deliktsverwirklichungen der deutschen Strafgewalt unterworfen werden, während eine alleinige Aburteilung einer Deliktsverwirklichung vor einem deutschen Gericht dem ersten Anschein nach gem. Art. 50 GRC, 54 SDÜ transnationalen Strafklageverbrauch hinsichtlich der gesamten, möglicherweise weitere Deliktsverwirklichungen mit umfassenden, prozessualen Tat nach sich zöge. Würde Bereich sind insofern unverhältnismäßig und damit unwirksam, vgl. Böse, in: FS Kühne, S. 519 ff. (528). 994 So i.E. auch Böse, in: FS Kühne, S. 519 ff. (529); wohl auch Hußung, S. 134 f.; a.A. wohl Schomburg, in: ders./Lagodny/Gleß/Hackner, Art. 55 SDÜ Rn. 5; ders./Suominen-Picht, NJW 2012, S. 1190 ff. (1191 f.). 995 Das gilt auch in Bezug auf Mitgliedstaaten, die der EU nach Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam beigetreten sind bzw. möglicherweise beitreten werden. Zwar schreibt Art. 8 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstandes in den vertraglichen Rahmen der EU eine vollständige Übernahme des Schengen-Besitzstandes durch Beitrittsstaaten vor, ABl. C 340 v. 10. 11. 1997, S. 93. Da zum Schengen-Besitzstand allerdings auch Art. 55 SDÜ gehört, ist die Möglichkeit eines Vorbehaltserklärungsverzichts nach Art. 55 SDÜ nicht entfallen; ebenso Böse, in: FS Kühne, S. 519 ff. (523); a.A. (Wegfall der Möglichkeit, einen Vorbehalt zu erklären): Anagnostopoulos, in: FS Hassemer, S. 1121 ff. (1128).

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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beispielsweise ein italienischer Geschäftsführer eines in Spanien agierenden Unternehmens unter alleiniger Berufung auf § 5 Nr. 14a StGB wegen einer in Frankreich vorgenommenen Bestechung eines deutschen Mandatsträgers (§ 108e Abs. 2 StGB) vor einem deutschen Gericht abgeurteilt, scheint im Geltungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ transnationaler Strafklageverbrauch auch hinsichtlich einer im Rahmen derselben prozessualen Tat verwirklichten Untreue (§ 266 StGB) einzutreten. Derartige Konsequenzen wären scheinbar nur dadurch zu vermeiden, dass die durch §§ 5, 6 StGB eröffneten Zuständigkeitslücken bzgl. der prozessualen Tat über andere Anknüpfungspunkte der §§ 3 ff. StGB geschlossen würden. In Fällen wie dem Beispielsfall käme allein eine Lückenfüllung durch § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB in Betracht [siehe hierzu bereits oben unter E. II. 6. a) bb) (1)]. Zöge man § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB allerdings zur Lückenfüllung heran, löste ein in § 5 bzw. § 6 StGB normierter Anknüpfungspunkt die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf in §§ 5 und 6 StGB nicht genannte, von einem Ausländer im Ausland gegen einen Ausländer begangene Straftaten aus. Derartige Ergebnisse liefen auf eine nach den obigen Erkenntnissen bedenkliche Annexkompetenz zu den in § 5 und 6 StGB abschließend aufgelisteten deliktsbezogenen Anknüpfungspunkten hinaus (siehe hierzu oben 2. Abschnitt). Davon abgesehen ließe sich eine Jurisdiktionsbefugnis hinsichtlich der prozessualen Tat über § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB ohnehin auch insofern gar nicht ausnahmslos begründen, als über das eng zu interpretierende Tatortstrafbarkeitserfordernis nur bestimmte, den Strafnormen des Tatortstaates weitgehend entsprechende Strafnormen Anwendung finden können (siehe hierzu oben 4. Abschnitt). Damit gelangte man auf den ersten Blick zu der paradoxen Konsequenz, dass §§ 5 und 6 StGB einerseits mit einer Strafgewaltbeschränkung auf ganz bestimmte materielle Straftaten völkerrechtlichen Vorgaben in Form des Interventionsverbotes Rechnung tragen sollen,996 andererseits aber gerade aus diesem Grund durch den Einfluss der Art. 50 GRC, 54 SDÜ völkerrechtswidrige Strafanspruchsausschlüsse erzeugen können. §§ 5 und 6 StGB müssten im Konfliktfall wegen Verstoßes gegen die allgemeine Regel des Völkerrechts, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt ausschließen zu dürfen, unangewendet bleiben. (1) Implikationen durch die Vorbehaltsregelung in Art. 55 SDÜ Möglicherweise muss dieses auf den ersten Blick erlangte Ergebnis aber in Anbetracht des Art. 55 SDÜ revidiert werden. Art. 55 Abs. 1 lit. a SDÜ statuiert die Möglichkeit der Vertragsstaaten, sich für durch Art. 54 SDÜ ungebunden zu erklären, „wenn die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrunde lag, ganz oder teilweise in ihrem Hoheitsgebiet begangen wurde; im letzteren Fall gilt diese Ausnahme jedoch nicht, wenn diese Tat teilweise im Hoheitsgebiet der Vertragspartei begangen 996

Siehe hierzu oben 2. Abschnitt.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

wurde, in dem das Urteil ergangen ist“997. Diese Regelung soll – wie Art. 55 Abs. 1 lit. b und c SDÜ – der Tatsache Rechnung tragen, dass der Aburteilungsstaat keine umfassende Jurisdiktionsbefugnis bzgl. der gesamten prozessualen Tat zu gewährleisten imstande ist, wenn sich die Tat für ihn als ausschließliche998 Auslandstat darstellt, hinsichtlich derer er aufgrund des Interventionsverbotes allenfalls in engen Grenzen Strafgewalt proklamieren darf.999 Für §§ 5 und 6 StGB bedeutet die Regelung des Art. 55 Abs. 1 lit. a SDÜ Folgendes: Soweit der Tatortstaat einen Vorbehalt erklärt hat, greift das europäische Doppelbestrafungsverbot ihm gegenüber nicht. Wird also in Deutschland auf Basis der §§ 5 oder 6 StGB eine in einem Vertragsstaat der Art. 50 GRC, 54 SDÜ verwirklichte Straftat rechtskräftig abgeurteilt, kann dieser Staat seinen Strafanspruch weiterhin ausüben. Hat der Tatortstaat auf eine Vorbehaltserklärung verzichtet, liegt darin ein Einverständnis in den Ausschluss seines Strafanspruchs infolge Strafklageverbrauchs nach Aburteilung durch ein nach §§ 5 bzw. 6 StGB hinsichtlich der prozessualen Tat ggf. nur partiell jurisdiktionsbefugtes deutsches Gericht. Der Ausschluss des Strafanspruchs des Tatortstaates ist dann gerechtfertigt. Gleichwohl sollte in der Mehrzahl der den Geltungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ betreffenden Fälle, vor allem zwischen Mitgliedstaaten der EU, auf eine Inanspruchnahme von Strafgewalt gem. §§ 5 bzw. 6 StGB verzichtet werden. In einem auf Kooperation der Mitgliedstaaten und grundsätzlichem gegenseitigem Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der nationalen Strafrechtsordnungen und der nationalen Strafjustiz aufbauenden Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Art. 3 Abs. 2 EUV, 67 Abs. 1 AEUV) stellen sich extraterritoriale tatortstrafbarkeitsunabhängige Strafgewalterstreckungen als Fremdkörper dar.1000 I.d.R. ist hier daher 997

Die Bundesrepublik Deutschland hat folgenden Vorbehalt erklärt: „Die Bundesrepublik Deutschland ist durch Art. 54 des Übereinkommens nicht gebunden, a) wenn die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrunde lag, ganz oder teilweise in ihrem Hoheitsgebiet begangen wurde“, BGBl. II 1994, S. 631. Mit dieser Vorbehaltserklärung missachtet die Bundesrepublik Deutschland den letzten Halbsatz des Art. 55 Abs. 1 lit. a, wonach die Vorbehaltsregelung nicht gilt, wenn die Tat teilweise im aburteilenden Staat begangen wurde, vgl. Inhofer, in: BeckOKStPO, Art. 55 SDÜ Rn. 3; Schomburg, in: ders./Lagodny/Gleß/Hackner, Art. 55 SDÜ Rn. 3. In Rechtsprechung und Schrifttum wird davon ausgegangen, dass die Einschränkung für Deutschland in dem nach Art. 55 Abs 1 lit. a zulässigen Umfang gilt, da nicht davon auszugehen sei, „dass sich Deutschland seinen europarechtlichen Bindungen entziehen wollte oder konnte“, Inhofer, in: BeckOK-StPO, Art. 55 SDÜ Rn. 3 m.w.N. Wurde die prozessuale Tat also (teilweise) im Aburteilungsstaat begangen, vermag der deutsche Vorbehalt Art. 54 SDÜ nicht auzuhebeln. 998 Vgl. den letzten Halbsatz des Art. 55 Abs. 1 lit. a SDÜ, wonach die Vorbehaltsregelung nicht gilt, wenn die Tat teilweise im aburteilenden Staat begangen wurde, vgl. Böse, EWS 2007, S. 202 ff. (208); ders., in: FS Kühne, S. 519 ff. (527). 999 Böse, EWS 2007, S. 202 ff. (208); ders., in: FS Kühne, S. 519 ff. (527). 1000 Vgl. Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 134; siehe auch – in Bezug auf das passive Personalitätsprinzip – Vogel, in: FS Schroeder, S. 877 ff. (893); Weißer, ZJS 2014, S. 589 ff. (593); vgl. auch EuGH Urt. v. 11. 2. 2003, verb. Rs. C-187/01 und 385/01, Gözütok und Brügge, Slg. 2003, I-1345, Rn. 33.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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eine Verfahrensübertragung und ggf. Überstellung des Täters an den (primär) territorial betroffenen Mitgliedstaat (siehe hierzu §§ 79 ff. IRG) angezeigt. In offensichtlichen Fällen verpflichtet das Loyalitätsgebot aus Art. 4 Abs. 3 EUV zum Strafgewaltverzicht.1001 Im Gegensatz zu Tatortstaaten haben solche Vertragsstaaten der Art. 50 GRC, 54 SDÜ, für die sich die Tat als Auslandstat darstellt, keine Möglichkeit, den Strafklageverbrauch über Art. 55 Abs. 1 lit. a SDÜ abzuwenden. Die fehlende Abgeltungsmöglichkeit gründet zum einen in der Überlegung, dass der Strafanspruch eines nicht territorial von einer Tat betroffenen Staates mangels Verwurzelung in seiner souveränitätsgetragenen Gebietshoheit geringwertiger ist als ein gebietshoheitsgestützter Strafanspruch. Zum anderen ist es dem Beschuldigten grundsätzlich nicht zumutbar, dass sich auch solche Staaten pauschal von der Geltung des Doppelbestrafungsverbotes freisprechen können, zu denen die Tat keinen territorialen Bezug aufweist. Diese Rechtslage birgt zwischenstaatliches Konfliktpotenzial, sofern mehrere Vertragsstaaten der Art. 50 GRC, 54 SDÜ jeweils extraterritoriale Strafgewalt hinsichtlich einer außerhalb des Geltungsbereichs der Art. 50 GRC, 54 SDÜ verorteten prozessualen Tat beanspruchen. Beispielhaft sei der Fall genannt, dass Deutschland und Frankreich Strafgewalt im Hinblick auf eine ausschließlich in den USA durch einen Franzosen begangene prozessuale Tat beanspruchen, die auch einen engen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland aufweist. Würde der Täter in Deutschland ergriffen und vor einem deutschen Gericht wegen (eines Teils) der prozessualen Tat unter Berufung auf §§ 5 oder 6 StGB abgeurteilt,1002 träte gem. Art. 50 GRC, 54 SDÜ Strafklageverbrauch auch in Frankreich ein. Der französische im aktiven Personalitätsprinzip wurzelnde Strafanspruch1003 würde damit ausgeschlossen. Bezöge sich die deutsche Aburteilung nicht auf denselben Tatteil, auf den Frankreich seine Strafgewalt erstreckt, bliebe das französische Strafverfolgungsinteresse durch die deutsche Aburteilung unbefriedigt. In diesen Fällen scheint es daher auf den ersten Blick erwägenswert, ob die deutsche Strafgewalt auf diejenigen Tatteile ausgeweitet

1001

Vgl. hierzu oben E. II. 6. a) bb) (1). Häufig wird es in solchen Fällen allerdings zu gar keinen inländischen Aburteilungen kommen. Oftmals wird mit Rücksicht auf die souveränitätsgetragene Gebietshoheit des Tatortstaates (im Beispiel: der USA) ein Strafgewaltverzicht zugunsten einer Auslieferung an den um Auslieferung ersuchenden Tatortstaat angezeigt sein, der aufgrund der territorialen Betroffenheit die stärksten Souveränitätsinteressen aufweist (vgl. § 154b Abs. 1 StGB). In Art. 50 GRC, 54 SDÜ wurzelnde Probleme stellen sich dann mangels Eintritt von transnationalem Strafklageverbrauch gem. Art. 50 GRC, 54 SDÜ gar nicht. Zur Zulässigkeit einer Auslieferung an Nicht-EU-Staaten im vertraglichen und vertragslosen (siehe hierzu §§ 2 ff. IRG) Auslieferungsverkehr im Einzelnen, insb. eines entsprechenden Ersuchens, Beiderseitigkeit der Strafbarkeit etc. vgl. Hackner/Schierholt, S. 56 ff.; siehe auch oben unter E. II. 3. e). 1003 Vgl. Art. 689 Code de procédure pénale i.V.m. Art. 113 – 6 code pénale, abrufbar unter http://www.legifrance.gouv.fr/initRechCodeArticle.do. 1002

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

werden müsste, derentwegen Frankreich Strafgewalt proklamiert. In Anbetracht der eng gefassten §§ 5 – 7 StGB1004 wird das allerdings oftmals nicht möglich sein. Nimmt man aber Art. 55 SDÜ mit in den Blick, zeichnet sich ein anderes Bild: Die fehlende Vereinbarung einer Abgeltungsmöglichkeit des transnationalen Strafklageverbrauchs in dem Bewusstsein, dass extraterritoriale Strafgewalterstreckungen möglicherweise nicht die gesamte prozessuale Tat erfassen können, zeigt, dass die Vertragsstaaten in diesen Fällen Strafanspruchsausschlüsse zugunsten des Beschuldigteninteresses an einmaliger Bestrafung hinnehmen. Auch wenn nur ein Teil einer extraterritorialen prozessualen Tat in Deutschland abgeurteilt werden kann, liegt darin also kein ungerechtfertigter Ausschluss des Strafanspruchs des anderen – extraterritoriale Strafgewalt proklamierenden – Vertragsstaates. Einer Begründung vollumfänglicher Jurisdiktionsbefugnis hinsichtlich der prozessualen Tat bedarf es hier also nicht. (2) Wegfall der Vorbehaltsregelung im Zuge der Verträge von Amsterdam und Lissabon? Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer Änderung des Rechtsrahmens durch Überführung des SDÜ-Besitzstandes in die damalige dritte Säule der EU im Zuge des Vertrages von Amsterdam bzw. Überführung des Art. 50 GRC in EUPrimärrecht im Zuge des Vertrages von Lissabon. Art. 55 Abs. 1 lit. a SDÜ und die darauf basierenden Vorbehalte bleiben hiervon – entsprechend der obigen Ausführungen unter E. II. 6. b) aa) (2) – unberührt. Eine Fortgeltung der Vorbehalte ist insb. deshalb legitim, weil der Tatortstaat auch nach den Verträgen von Amsterdam und Lissabon ein berechtigtes Interesse daran hat, dass die prozessuale Tat in den von Art. 55 Abs. 1 lit. a SDÜ erfassten Fällen einer vollumfänglichen Strafverfolgung unterzogen wird. (3) Ergebnis Es bleibt damit bei der obigen Annahme, dass völkerrechtliche Vorgaben keine Erfassung der gesamten prozessualen Tat über §§ 5 bzw. 6 StGB verlangen. Der Tatbegriff in §§ 5 und 6 StGB kann vielmehr – wie es die gesetzliche Regelung erfordert – tatbestandsbezogen ausgelegt werden. cc) § 7 StGB Parallele Fragestellungen wie sie soeben hinsichtlich §§ 5 und 6 StGB erörtert wurden ergeben sich im Hinblick auf § 7 StGB. Auch hier kann nach derzeitiger Rechtslage zum Teil keine vollumfängliche Jurisdiktionsbefugnis hinsichtlich einer im Ausland verorteten prozessualen Tat begründet werden, sofern man § 7 StGB

1004

Siehe E. II. 3. c).

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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nicht entgegen der gesetzlichen Systematik und den Souveränitätsinteressen der Tatortstaaten extensiv interpretieren will.1005 Man stelle sich beispielsweise einen Fall vor, in dem ein Portugiese im Rahmen einer in Griechenland verorteten prozessualen Tat ein Delikt gegen einen deutschen und zwei französische Urlauber begeht, anschließend in Deutschland ergriffen und vor einem deutschen Gericht unter Berufung auf § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB (passives Personalitätsprinzip) nur wegen des Delikts z.N.d. Deutschen verurteilt wird. Erstreckten neben Deutschland Griechenland, Frankreich und/oder Portugal ihren Strafanspruch auf die Tat, würden deren Strafansprüche ausgeschlossen, ohne den Ausschluss durch eine Aburteilung der Gesamttat mitsamt der z.N.d. zwei französischen Urlauber begangenen Delikte zu kompensieren. § 7 StGB scheint daher auf den ersten Blick infolge Verstoßes gegen die allgemeine Regel des Völkerrechts, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt auszuschließen, unangewendet bleiben zu müssen. Doch auch hier impliziert die Ausnahmeregelung Art. 55 Abs. 1 lit. a SDÜ, dass das europäische Doppelbestrafungsverbot im Falle der Aburteilung einer ausschließlichen Auslandstat auf Basis des § 7 StGB gegenüber einem Tatortstaat, der einen Vorbehalt erklärt hat, nicht greift. Der Strafanspruch dieses Staates – im Beispiel: Griechenland, dessen Regierung einen auf Art. 55 Abs. 1 lit. a SDÜ gestützten Vorbehalt erklärt hat1006 – wird also nicht infolge transnationalen Strafklageverbrauchs ausgeschlossen. Hat der Tatortstaat auf eine Vorbehaltserklärung verzichtet, liegt darin ein Einverständnis in den Ausschluss seines Strafanspruchs infolge Strafklageverbrauchs nach Aburteilung durch ein gem. § 7 StGB ggf. nur teilweise jurisdiktionsbefugtes Gericht. Der Ausschluss des Strafanspruchs des Tatortstaates wäre dann gerechtfertigt. Gleichwohl ist auch an dieser Stelle zu betonen, dass vor allem innerhalb der EU i. d. R. ein Verzicht auf extraterritoriale Strafgewaltausübung angezeigt ist. Die obigen Ausführungen zu §§ 5 und 6 StGB1007 gelten insofern entsprechend. Auch der Ausschluss des Strafanspruchs eines Nichttatortstaates, der keine Möglichkeit hat, den Strafklageverbrauch abzubedingen (im Beispiel: Frankreich und Portugal), ist entsprechend der unter E. II. 6. b) bb) (1) geschilderten Gründe von 1005 Zur gebotenen restriktiven Interpretation in Bezug auf das Tatortstrafbarkeitserfordernis und dem in § 7 Abs. 1 StGB enthaltenen Erfordernis einer „Tat gegen einen Deutschen“ siehe oben 3., 4. und 5. Abschnitt. 1006 Zitiert nach der Arbeitsübersetzung bei Grotz, in: Grützner/Pötz/Kreß, 29. Lfg. Oktober 2012, Vorbemerkungen zu A 3.3. Rn. 63: „Die Regierung der hellenischen Republik erklärt gemäß Art. 55 des Schengener Durchführungsübereinkommens, dass sie in folgenden Fällen nicht durch Art. 54 SDÜ des Übereinkommens gebunden ist: 1. Wenn die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrunde lag, ganz oder teilweise auf dem Hoheitsgebiet der hellenischen Republik begangen wurde. Diese Ausnahme gilt jedoch nicht, wenn die Tat teilweise im Hoheitsgebiet der Vertragspartei begangen wurde, in dem das Urteil ergangen ist.“ 1007 Siehe E. II. 6. b) bb) (1).

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

der Einigung auf ein transnationales Doppelbestrafungsverbot gedeckt und damit gerechtfertigt. Eine Erfassung der gesamten prozessualen Tat verlangen völkerrechtliche Vorgaben also auch nicht in den Fällen des § 7 StGB. dd) Nichtvertragsstaatliche Strafansprüche Beanspruchen neben der Bundesrepublik Deutschland ausschließlich solche Staaten hinsichtlich einer prozessualen Tat Strafgewalt, die nicht an Art. 50 GRC, 54 SDÜ gebunden sind, kommt eine Kollision der §§ 3, 9 Abs. 1 StGB mit der allgemeinen Regel des Völkerrechts, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt ausschließen zu dürfen, mangels Existenz eines fremden vertragsstaatlichen Strafanspruchs von vornherein nicht in Betracht. Einer prozessualen Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB bedarf es hier also zumindest nicht unter dem Gesichtspunkt des Verbotes, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt auszuschließen. Verstünde man den Tatbegriff in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB im Kontext dieser Fälle allerdings tatbestandsbezogen, gelangte man zu dem Ergebnis, dass einem in ein und derselben Norm verwendeten Begriff abhängig davon, ob ein Sachverhalt neben der Bundesrepublik Deutschland Vertragsstaaten der Art. 50 GRC, 54 SDÜ (d. h.: europäische Staaten) berührt oder sich in Deutschland und Nichtvertragsstaaten (d. h.: i. d. R. außereuropäischen Staaten) abspielt, unterschiedliche Bedeutung zugemessen würde. Im Hinblick auf in mehreren Vertragsstaaten der Art. 50 GRC, 54 SDÜ begangene prozessuale Taten (d. h. i. d. R.: innerhalb der EU begangene Taten) würde deutsche Strafgewalt über §§ 3, 9 Abs. 1 StGB durch Zugrundelegung eines prozessualen Tatbegriffes weitläufig proklamiert. Hinsichtlich prozessualer Taten, für die sich Deutschland und Nichtvertragsstaaten zuständig erklären (d. h. i. d. R.: Taten mit Bezug zum außereuropäischen Ausland) käme die deutsche Strafgewalt in geringerem Umfang zum Tragen. Eine solche Rechtslage mag man insofern als wertungswidersprüchlich erachten, als damit im Hinblick auf Taten mit Bezug zum außereuropäischen Ausland weniger Rechtsgüterschutz gewährt würde als es bei Taten der Fall wäre, die sich innerhalb der EU als von grundsätzlichem gegenseitigem Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der nationalen Strafrechtsordnungen und der nationalen Strafjustiz geprägten einheitlichen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Art. 3 Abs. 2 EUV, 67 Abs. 1 AEUV) abspielen. Auf den ersten Blick könnte man daher der Meinung sein, bei Taten mit Bezug zum außereuropäischen Ausland bedürfe es erst recht einer Strafgewalterstreckung auf die prozessuale Tat. Ein solcher Rückschluss liefe allerdings darauf hinaus, dass die europäische Einigung auf ein transnationales Doppelbestrafungsverbot eine Beschränkung der Souveränitätsrechte außereuropäischer Staaten zur Folge hätte, die an der Einigung gar nicht beteiligt waren, sich also gar nicht mit einer Souveränitätsbeschränkung einverstanden erklären konnten. Im Ergebnis scheidet ein Erst-Recht-Schluss daher in Anbetracht der Souveränitätsrechte außereuropäischer Staaten aus.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

225

Der skizzierte Wertungswiderspruch zwischen dem Strafgewaltumfang bei innerund außereuropäischen Taten bestünde allerdings ohnehin nicht, wenn der Tatbegriff in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB – wie es die systematische Auslegung bereits nahe gelegt hat – auch ohne Implikationen durch Art. 50 GRC, 54 SDÜ durchgängig prozessual zu verstehen wäre. 7. Selbstschutz des Tatortstaates Das § 3 StGB zugrunde liegende Territorialitätsprinzip basiert neben den bereits oben angesprochenen teleologischen Gesichtspunkten der Verfahrensdienlichkeit (siehe oben E. II. 4.) und der Minimierung von Jurisdiktionskonflikten (siehe oben E. II. 5.) – in seiner primären Bestimmung – auf der Annahme, die nationale Strafrechtsordnung müsse sich gegenüber jedem behaupten, der sich auf inländischem Territorium kriminell verhält oder kriminelle Wirkungen seines Verhaltens im Inland eintreten lässt1008. Diese Erwägung gründet in dem Selbstschutzinteresse der Bundesrepublik Deutschland, Sicherheit und Rechtsfrieden auf inländischem Territorium zu gewährleisten.1009 Vor allem die generalpräventive Wirkung der Strafe soll hierzu beitragen. Die Allgemeinheit soll zum einen durch Abschreckung (negative Generalprävention)1010, zum anderen durch „Erhaltung und Stärkung des Vertrauens in die Bestandskraft und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung“1011 (positive Generalprävention)1012 davon abgehalten werden, in deutschen Strafnormen pönalisierte gravierend sozialschädliche Verhaltensweisen auf deutschem Territorium vorzunehmen bzw. die Wirkungen solchen Verhaltens im Inland eintreten zu lassen. Diese Zielsetzungen bedingen eine gerechte, effektive Pönalisierung des Täterverhaltens. Legte man §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB einen tatbestandsbezogenen Tatbegriff zugrunde, scheiterte die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB aufgrund des Anwendungsvorrangs der allgemeinen Regel des Völkerrechts, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt auszuschließen, wenn nur Teile einer 1008

Oehler, IntStR, Rn. 157 ff.; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 222. Vgl. Dombrowski, S. 17; Eser, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 3 – 9 Rn. 27a; Oehler, IntStR, Rn. 153; Schneider, S. 104 f. 1010 Oehler, IntStR, Rn. 160; siehe in Bezug auf § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auch Knaup, S. 80 ff. Zur negativen Generalprävention im Allgemeinen vgl. nur BVerfGE 45, 187, 255 f.; Rengier, AT, § 3 Rn. 15; Roxin, AT I, § 3 Rn. 25. 1011 BVerfGE 45, 187, 256. 1012 Oehler, IntStR, Rn. 160; in Bezug auf § 9 Abs. 2 S. 2 StGB: Böse, in: NK-StGB, § 9 Rn. 21; Obermüller, S. 160; siehe auch Knaup, S. 80 ff. Zur positiven Generalprävention im Allgemeinen vgl. BVerfGE 45, 187, 256; Jakobs, AT, S. 6 ff.; Rengier, AT, § 3 Rn. 16; Roxin, AT I, § 3 Rn 26 ff. Kritisch zum Strafzweck der Generalprävention z. B. Pawlik, in: FS Rudolphi, S. 213 ff. (222 ff.). Zu fehlenden gesicherten empirischen Forschungserkenntnissen über die generalpräventive Wirkung von Strafe vgl. Bock, ZStW 103 (1991), S. 636 ff. (654); Knaup, S. 84 f.; Radtke, in: MK-StGB, Vor §§ 38 ff. Rn. 37. 1009

226

5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

prozessualen Tat der deutschen Strafgewalt unterlägen, obwohl Art. 50 GRC, 54 SDÜ die Begründung einer vollumfänglichen Jurisdiktionsbefugnis erfordern (siehe hierzu oben E. II. 6.). Der von §§ 3, 9 Abs. 1 StGB bezweckte Selbstschutz könnte in diesen Fällen seitens der Bundesrepublik Deutschland – selbst bei starker Verknüpfung des betreffenden einheitlichen Vorkommnisses mit dem deutschen Territorium – nicht gewährleistet werden. Da derartige Probleme unter Zugrundelegung eines prozessualen Tatbegriffs vermieden würden, gebietet der Gesichtspunkt des Selbstschutzes der Bundesrepublik Deutschland in diesen Konstellationen ein prozessuales Tatverständnis. In Fällen, in denen ein Teil einer prozessualen Tat in Deutschland abgeurteilt wird, hinsichtlich derer Art. 50 GRC, 54 SDÜ keine vollumfängliche Erfassung der prozessualen Tat implizieren [siehe hierzu oben E. II. 6. b) dd)], kommt die vorangegangene Argumentation nicht zum Tragen. Man mag daher auf den ersten Blick der Meinung sein, in derartigen Fällen bestünde unter dem Gesichtspunkt des Selbstschutzes keine Notwendigkeit, die gesamte prozessuale Tat der deutschen Strafgewalt zu unterwerfen. Das Selbstschutzinteresse der Bundesrepublik Deutschland mag man in diesen Fällen bereits als erfüllt ansehen, wenn sich die deutsche Rechtsordnung lediglich einzelner Straftaten erwehrte, deren Handlungs- oder Erfolgsunwert auf inländischem Territorium liegt. Mit einer solchen Sichtweise korrespondierte insoweit ein tatbestandsbezogenes Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB. Bei näherem Hinsehen sieht sich die vorangegangene Argumentation allerdings angesichts möglicher Gerechtigkeitslücken, die ein tatbestandsbezogenes Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB erzeugen kann, in Frage gestellt. Gerechtigkeitsdefizite offenbaren sich vor allem im Hinblick auf den Umfang der gerichtlichen Kognitionsbefugnis. Unter Zugrundelegung eines tatbestandsbezogenen Tatbegriffs unterlägen – im Falle fehlender Einschlägigkeit anderer Anknüpfungspunkte deutscher Strafgewalt außerhalb § 3 StGB – nur in Deutschland begangene Straftaten aus einer prozessualen Tat gem. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB der gerichtlichen Aburteilungsbefugnis. Alle weiteren, im Ausland begangenen Straftaten aus der prozessualen Tat würden ausgeblendet. Derartige Beschränkungen hinderten eine angemessene Würdigung des Täterverhaltens. Ausgeschlossen wäre insb. eine adäquate – materielle Gerechtigkeit bezweckende1013 – Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen den im Rahmen der prozessualen Tat im In- und Ausland verwirklichten Straftatbeständen. Würde beispielsweise in Deutschland eine Straftat verwirklicht, deren Unrechtsgehalt von einer darauf folgenden im Rahmen desselben einheitlichen Tatsachenkomplexes im Ausland begangenen Straftat vollumfänglich mitumfasst ist, könnte ausschließlich wegen der in Deutschland begangenen Straftat bestraft werden. Dass diese Straftat konkurrenzrechtlich eine mitbestrafte Vortat im Verhältnis zu dem im Ausland verwirklichten Delikt darstellt und daher hinter

1013

BVerfGE 56, 22, 30; BVerfG NJW 2004, 279, 279.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

227

diesem zurücktritt, ließe sich nicht berücksichtigen.1014 Der Unrechtsgehalt der Tat würde in derartigen Fällen im Schuldspruch und im Rechtsfolgenausspruch des Urteilstenors nicht adäquat zum Ausdruck gebracht. Derartige Verurteilungen liefen dem – gerechte Bestrafungen erfordernden – Selbstschutzinteresse der Bundesrepublik Deutschland, Sicherheit und Rechtsfrieden auf inländischem Territorium zu gewährleisten, zu wider. Ausgehend von einem prozessualen Tatbegriff ergeben sich solche Probleme nicht im gleichen Maße. Die Kognitionspflicht bezöge sich hier auf den gesamten einheitlichen Tatsachenkomplex inklusive der zu ihm gehörenden im Ausland verwirklichten Tatteile. Die für die Beurteilung des vollen Unrechts- und Schuldgehalts der Tat maßgeblichen Gesichtspunkte könnten in einer Gesamtschau gewürdigt werden. Zwar kann es auch unter Zugrundelegung eines prozessualen Tatbegriffs in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB bei der Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses verwirklichter Straftaten – ebenso wie auf Basis eines tatbestandsbezogenen Tatverständnisses – zu Problemen kommen, wenn die prozessuale Tat statt über § 3 StGB nur partiell über §§ 5 – 7 StGB erfasst wird oder verschiedene prozessuale Taten im Raum stehen, von denen nur eine der deutschen Strafgewalt unterfällt. In Bezug auf ein das deutsche Territorium berührendes einheitliches Vorkommnis wäre das Konkurrenzverhältnis einzelner innerhalb dieses Vorkommnisses verwirklichter Straftatbestände allerdings zu berücksichtigen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein tatbestandsbezogenes Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB unter dem Gesichtspunkt des Selbstschutzes der Bundesrepublik Deutschland – auch in Bezug auf Taten, hinsichtlich derer Art. 50 GRC, 54 SDÜ keine vollumfängliche Erfassung der prozessualen Tat implizieren – zu Ergebnissen gelangt, die dem Selbstschutzinteresse der Bundesrepublik Deutschland zuwiderlaufen. Eine prozessuale Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB kann dem staatlichen Selbstschutzinteresse demgegenüber besser Rechnung tragen. 8. Interventionsverbot In völkerrechtlicher Hinsicht verbleibt – neben dem oben unter E. II. 6. erörterten Aspekt des Verbotes, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen – die Frage, ob ein prozessuales bzw. tatbestandsbezogenes Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB mit dem als allgemeine Regel des Völkerrechts anerkannten1015 Interventionsverbot zu vereinbaren ist. Das Interventionsverbot verbietet in die souveränitätsgetragene Gebietshoheit anderer Staaten ungerechtfertigt ein-

1014

Ausführlich zur mitbestraften Vor- und Nachtat im internationalen Strafrecht Schnorr von Carolsfeld, in: FS Heinitz, S. 765 ff. 1015 BGHSt 27, 30, 31 f.; Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 16; Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 14; Hecker, EuStR, 2 Rn. 11; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 27.

228

5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

greifende Einmischungen.1016 Ebenso wie das Verbot, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen, basiert es auf den Gedanken der Souveränität und der Gleichheit der Staaten.1017 Jeder Staat hat das Recht, seine Hoheitsgewalt auf seinem Hoheitsgebiet souverän, d. h. ohne Abhängigkeit von anderen Staaten, auszuüben.1018 Die Gleichheit aller souveränen Staaten bedingt, dass jeder Staat die souveränitätsgetragenen inneren Angelegenheiten anderer Staaten achtet, sich also nicht ungerechtfertigt in diese einmischt.1019 Soweit nur ein – prozessuales oder tatbestandsbezogenes – Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB gegen das Interventionsverbot verstieße, bedürfte es zum Zwecke der Vermeidung eines Verstoßes gegen eine allgemeinen Regel des Völkerrechts einer völkerrechtskonformen Auslegung des Tatbegriffes in die entgegengesetzte Richtung. Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen zum gleichrangigen, ebenfalls als allgemeine Regel des Völkerrechts anerkannten und ebenfalls in der Souveränität und Gleichheit der Staaten verwurzelten Verbot, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen, besteht dabei für ein tatbestandsbezogenes Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB allerdings in solchen Fällen kein Raum, in denen es dazu führte, dass Deutschland eine prozessuale Tat nicht vollumfänglich aburteilen kann, während andere Vertragsstaaten der Art. 50 GRC, 54 SDÜ hinsichtlich dieser prozessualen Tat Strafgewalt proklamieren (siehe hierzu oben E. II. 6.). Im Folgenden wird zunächst der Frage nachgegangen, ob ein prozessuales Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB in den – im Rahmen dieser Untersuchung hauptsächlich interessierenden – Fällen mit dem Interventionsverbot vereinbar ist, in denen deutsche Strafgewalt aufgrund eines inländischen Handlungsoder Erfolgsortes gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 oder 3 StGB zum Tragen kommt. Anschließend werden solche Konstellationen in den Blick genommen, in denen deutsche Strafgewalt aufgrund eines vorgestellten inländischen Erfolgsortes gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 4 StGB [hierzu b)], eines inländischen Unterlassungsortes gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 2 StGB [hierzu c)] sowie eines inländischen Handlungsortes bei Mittäterschaft und mittelbarer Täterschaft gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB [hierzu d)] begründet wird. Sollte ein prozessualer Tatbegriff mit dem Interventionsverbot in Einklang zu bringen sein, wäre das angesichts des geringeren Maßes an Strafgewalterstreckung erst recht bei einem –außerhalb der aus Art. 50 GRC, 54 SDÜ resultierenden Konfliktfälle denkbaren – tatbestandsbezogenen Tatverständnis der Fall.

1016

StIGHE 5, 71, 90, Lotus; Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 19; Böse, in: NKStGB, Vor § 3 Rn. 12; siehe auch oben 4. Teil. 1017 Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 11; Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 12 f.; Schneider, S. 165; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, Rn. 522; siehe auch Art. 2 Nr. 1 UN-Charta. 1018 Schneider, S. 165; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, Rn. 522. 1019 Schneider, S. 165; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, Rn. 522.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

229

a) Inländischer Handlungs- bzw. Erfolgsort, §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 bzw. 3 StGB aa) Eingriff In die souveränitätsgetragene Gebietshoheit eines anderen Staates greifen §§ 3 ff. StGB ein, wenn sie Strafgewalt auf Sachverhalte erstrecken, die sich (auch) auf ausländischem Territorium, d. h. ausländischem Hoheitsgebiet, abspielen.1020 Das Recht des Tatortstaates, Hoheitsgewalt auf seinem Territorium frei von Einmischungen anderer Staaten auszuüben oder nicht auszuüben, wird hier dadurch beschränkt, dass in deutschen soziokulturell bedingten Moral- und Wertvorstellungen wurzelnde Verhaltensanforderungen auf sein Hoheitsgebiet betreffende Taten erstreckt und eine Zuständigkeit zur Durchsetzung dieser Verhaltensanforderungen durch die deutsche Strafjustiz beansprucht und ggf. realisiert wird.1021 Unter Zugrundelegung eines prozessualen Tatbegriffs in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB führten bereits tatbestandsmäßige Handlungen oder Erfolge mit vergleichsweise geringem Unrechtsgehalt, die im Rahmen eines einheitlichen in- und ausländischen Gesamtgeschehens in Deutschland vorgenommen werden bzw. eintreten, zu einer vollumfänglichen Erstreckung deutscher Strafgewalt auf dieses Geschehen.1022 Die Bundesrepublik Deutschland beanspruchte über §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 bzw. 3 StGB u. U. auch für nach deutschem Recht strafbare Teile des einheitlichen Geschehens Strafgewalt, die sich ausschließlich auf ausländischem Territorium abspielen. Der damit einhergehende Eingriff in fremde Gebietshoheit wiegt insb. dann besonders schwer, wenn das betreffende Täterverhalten durch den betroffenen ausländischen Tatortstaat nicht pönalisiert wird. Die deutsche Strafgewalterstreckung erschiene für diesen Staat in besonderem Maße als eine – seine gesetzgeberische Entscheidung für die Straflosigkeit aushebelnde – Oktroyierung deutscher Moral- und Wertvorstellungen. bb) Rechtfertigung Derartige Eingriffe in die souveränitätsgetragene Gebietshoheit anderer Staaten wären gerechtfertigt, wenn zwischen Deutschland und dem Sachverhalt, auf den deutsche Strafgewalt erstreckt werden soll, ein sinnvoller, spezifischer Bezug bestünde.1023 Die Rechtfertigungsprüfung erfolgt zweistufig1024 : Auf der ersten Stufe ist 1020 Vgl. Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 12; Jescheck, IRuD 1956, S. 75 ff. (84); Schneider, S. 165; Wang, S. 80. 1021 Vgl. Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 12; Jescheck, IRuD 1956, S. 75 ff. (84); Schneider, S. 165; Wang, S. 80; a.A. Ambos, IntStR, § 3 Rn. 24: „Der völkerrechtliche Nichteinmischungsgrundsatz wird durch das Territorialitätsprinzip nicht verletzt, ja nicht einmal berührt; auch nicht durch den Auswirkungsgrundsatz, wird danach doch mindestens ein zur Deliktsvollendung erforderliches Tatbestandsmerkmal im Inland verwirklicht.“ 1022 Vgl. Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (204). 1023 Vgl. StIGHE 5, 73, 94 f.; BVerfGE 63, 343, 369; BGHSt 27, 30, 32; 34, 334, 336; 44, 52, 57; Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 12; Jescheck/Weigend, § 18 II; Satzger, IntEuStR, § 4

230

5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

zu prüfen, ob eine „besondere Nähebeziehung“ zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Sachverhalt, hinsichtlich dessen Strafgewalt beansprucht wird, als Anknüpfungspunkt der deutschen Strafgewalt besteht.1025 Bejahendenfalls ist auf einer zweiten Stufe zu erörtern, ob die Strafgewalterstreckung gegen ein völkerrechtliches Verbot in Form des Willkür- oder Rechtsmissbrauchsverbots verstößt.1026 Auf dieser Stufe geht es darum, im Wege einer Abwägung und ggf. eines Ausgleichs der konfligierenden staatlichen (Souveränitäts-)Interessen festzustellen, ob der auf der ersten Stufe festgestellte Anknüpfungspunkt im konkreten Fall eine angemessene Strafgewalterstreckung statuieren kann.1027 Klare völkerrechtliche Vorgaben bestehen insofern nicht. In welchem Maße das Völkerrecht extraterritoriale Strafgewalterstreckungen im Einzelnen erlaubt, ist bislang nicht abschließend geklärt.1028 (1) Besondere Nähebeziehung Die auf der ersten Stufe der Rechtfertigungsprüfung festzustellende besondere Nähebeziehung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Sachverhalt, hinsichtlich dessen Strafgewalt beansprucht wird, ist im Hinblick auf §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 und 3 StGB in der in Deutschland vorgenommenen tatbestandsmäßigen Tathandlung oder dem hierzulande eingetretenen tatbestandsmäßigen Taterfolg zu sehen. Diese Handlung bzw. dieser Erfolg verbindet das gesamte untrennbare Geschehen, d. h. die gesamte prozessuale Tat, mit dem deutschen Territorium. Auch die Rn. 2; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 216 ff.; kritisch zum Kriterium eines sinnvollen, spezifischen Anknüpfungspunktes Dombrowski, S. 58 ff. 1024 Vgl. Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 13; Hecker, EuStR, 2 Rn. 10; Knaup, S. 25 f.; zu abweichenden Prüfungsansätzen vgl. Dombrowski, S. 55 ff. 1025 Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 13 m.w.N.; Hecker, EuStR, 2 Rn. 10; Knaup, S. 26. 1026 Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 14 m.w.N.; Hecker, EuStR, 2 Rn. 10; Knaup, S. 26. 1027 Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 14 f. m.w.N.; Hecker, EuStR, 2 Rn. 10; Knaup, S. 26. 1028 Ambos, IntStR, § 3 Rn. 5; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 23. Eine Ansicht geht davon aus, eine extraterritoriale Strafgewalterstreckung sei grundsätzlich unzulässig, es sei denn der extraterritoriale Strafgewalt in Anspruch nehmende Staat könne eine völkerrechtliche Erlaubnisnorm nachweisen. Demgegenüber hält die neuere Gegenansicht eine extraterritoriale Strafgewalterstreckung für grundsätzlich zulässig, es sei denn es bestehe kein sinnvoller Anknüpfungspunkt, der sie legitimiert. Vgl. zum Meinungsstand Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 23 ff. Da beide Herangehensweisen eine Legitimation extraterritorialer Strafgewalterstreckungen durch einen sinnvollen Anknüpfungspunkt verlangen, führen die Ansichten überwiegend zu gleichen Ergebnissen, vgl. Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 26. Sie unterscheiden sich allerdings insofern, als nach der zweitgenannten Auffassung derjenige Staat, der einen ungerechtfertigten Eingriff in seine souveränitätsgetragene Hoheitsgewalt geltend macht, die Darlegungslast hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Interventionsverbot trägt, wohingegen nach der erstgenannten Ansicht der extraterritoriale Strafgewalt beanspruchende Staat die diesbezügliche Darlegungslast trägt, vgl. Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 26.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

231

nicht in Deutschland liegenden strafbaren Teile des einheitlichen Gesamtgeschehens weisen aufgrund der untrennbaren Verbindung mit dem in Deutschland liegenden Geschehensteil eine besondere Nähebeziehung zur Bundesrepublik Deutschland auf. (2) Interessenabwägung und -ausgleich Im Rahmen der auf der zweiten Stufe in Abwägung zu stellenden und ggf. in Ausgleich zu bringenden konfligierenden Staateninteressen steht auf der einen Seite das Souveränitätsinteresse des ausländischen Tatortstaates, sein Hoheitsgebiet berührende Sachverhalte frei von Einmischungen Deutschlands allein der innerstaatlichen Strafgewalt zu unterwerfen. Auf der anderen Seite steht das wiederum in der souveränitätsgetragenen Gebietshoheit wurzelnde Interesse der Bundesrepublik Deutschland, im Falle einer Verwirklichung von Handlungs- oder Erfolgsunrecht auf deutschem Hoheitsgebiet Strafgewalt vor allem zum Zwecke des Selbstschutzes1029 zu beanspruchen. Dem Interesse des ausländischen Staates, Hoheitsgewalt frei von Einmischungen der Bundesrepublik Deutschland auszuüben, ließe sich aufgrund der geringeren Eingriffsintensität tendenziell besser durch ein tatbestandsbezogenes Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB Rechnung tragen als durch ein weites prozessuales Tatverständnis.1030 Wie unter 7. gezeigt, führte ein tatbestandsbezogenes Tatverständnis allerdings zu erheblichen Beschränkungen der in Anbetracht der innerterritorialen Sicherheit bedeutsamen Selbstschutzinteressen der Bundesrepublik Deutschland bzw. im Hinblick auf die oben erörterten Art. 50 GRC, 54 SDÜ betreffenden Fallkonstellationen aufgrund des Anwendungsvorrangs der allgemeinen Regel des Völkerrechts, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt ausschließen zu dürfen, sogar zu gänzlichen Ausschlüssen eines Selbstschutzes. Demgegenüber ist ein prozessuales Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB – wie gezeigt – überwiegend in der Lage, dem Selbstschutzinteresse der Bundesrepublik Deutschland effektiv Rechnung zu tragen. Die konfligierenden Staateninteressen sind dadurch in Ausgleich zu bringen, dass §§ 3, 9 Abs. 1 StGB zwar ein prozessualer Tatbegriff zugrunde gelegt wird, der Strafgewalterstreckung zum Zwecke des Selbstschutzes allerdings Grenzen gesetzt werden. Dieser Maßgabe wird zunächst dadurch Rechnung getragen, dass dem prozessualen Tatbegriff nur solche Lebenssachverhalte zugeordnet werden, deren einzelne Teile eine derartige Sinneinheit bilden, dass sie unnatürlich auseinandergerissen würden, wenn sie verschiedenen Verfahren unterlägen1031 (siehe hierzu, insb. zu 1029

Siehe hierzu oben E. II. 7. Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (204), plädiert wohl vor allem aus diesem Grund für eine tatbestandsbezogene Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB: „völkerrechtlich nicht unproblematische Konsequenz“. 1031 BGHSt 41, 385, 388; 49, 359, 362; BGH NStZ 2014, 102, 103; Julius, in: HK-StPO, § 264 Rn. 2. 1030

232

5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Beispielen aus der Rechtsprechung, E. III. 1.). Besteht die Möglichkeit, einzelne strafbare Vorkommnisse ohne unnatürliche Aufspaltung eines Gesamtgeschehens getrennt voneinander zu beurteilen, sind verschiedene prozessuale Taten anzunehmen, die nur dann nach §§ 3, 9 Abs. 1 StGB der deutschen Strafgewalt unterliegen, wenn sie jeweils mindestens einen inländischen Tatort aufweisen. Darüber hinaus sind Fälle, in denen das Selbstschutzinteresse der Bundesrepublik Deutschland hinter überwiegenden Souveränitätsinteressen ausländischer Tatortstaaten zurücktritt, der deutschen Strafgewalt auf prozessualer Ebene zu entziehen. Besteht das Selbstschutzbedürfnis Deutschlands im Vergleich zum Souveränitätsinteresse ausländischer Staaten lediglich in geringem Maße – wie es regelmäßig bei nur geringer Verknüpfung des betreffenden Sachverhalts mit dem deutschen Territorium der Fall ist –, bedarf es eines Strafgewaltverzichts. Hierzu folgender Beispielsfall:1032 Der australische Staatsbürger A verschickt von Australien aus eine betrügerische Aufforderung an australische Staatsbürger, sich bei einem kostenpflichtigen Internetdienst anzumelden. Hunderte Empfänger leisten der Aufforderung Folge und erleiden Vermögensschäden. Sämtliche Geschädigten halten sich in Australien auf, mit Ausnahme des in Deutschland befindlichen Australiers B. Der Fall sorgt für Aufruhr in ganz Australien.

Das Selbstschutzinteresse der Bundesrepublik Deutschland ist in diesem Fall aufgrund der nur schwachen Verknüpfung der sämtliche Betrügereien umfassenden einheitlichen prozessualen Tat zu Deutschland vergleichsweise geringwertig, während Australien ein – aufgrund enger Tatverbundenheit – gewichtiges Souveränitätsinteresse geltend machen kann. Eine vor einem deutschen Gericht erfolgende Aburteilung der hunderten Betrugsfälle in Australien und des einen Betrugsfalls in Deutschland unter Berufung auf §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB würde die Souveränitätsinteressen Australiens in einem unangemessenen Maße beschränken. Die Staatsanwaltschaft müsste hier gem. § 153c Abs. 3 StPO von einer Strafverfolgung absehen. Da die Durchsetzung deutscher Verhaltensanforderungen angesichts des unangemessenen Eingriffs in die Souveränität Australiens gegen Völkerrecht verstieße, wäre ein der Strafverfolgung entgegenstehendes überwiegendes öffentliches Interesse i.Sd. § 153c Abs. 3 StPO zu bejahen. Ohnehin wird das deutsche Strafverfolgungsinteresse insofern abgewertet sein, als die Tat einen vergleichsweise geringen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland aufweist, der das sowieso nur auf einen kleinen Tatteil bezogene Selbstschutzinteresse vor Rechtsgutsverletzungen auf deutschem Territorium (siehe hierzu oben E. II. 7.) angesichts (außenpolitisch) gebotener Rücksichtnahme auf gravierende Strafverfolgungsinteressen anderer souveräner Staaten und schlechter Sachverhaltsaufklärungschancen zurücktreten lässt. Der entscheidende Vorzug einer prozessualen Strafgewaltbeschränkung über § 153c StPO liegt in ihrer Flexibilität. § 153c StPO eröffnet deutschen Strafverfol1032

Angelehnt an Walther, JuS 2012, S. 203 ff. (204).

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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gungsbehörden die Möglichkeit, die Ausübung deutscher Strafgewalt mittels einer einzelfallspezifischen Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung konfligierender Staateninteressen zu steuern.1033 Ein Absehen von Strafverfolgung gem. § 153c StPO vermag zwar nicht zu verhindern, dass zunächst im Wege einer Inanspruchnahme von Regelungsgewalt das Souveränitätsinteresse des primär von der Tat betroffenen ausländischen Tatortstaates tangiert wird, Verhaltensanforderungen frei von Einmischungen der Bundesrepublik Deutschland aufzustellen. Durch den Verzicht auf die Durchsetzung der anwendbaren Verhaltensanforderungen ist allerdings auch die Regelungsgewaltproklamation aufgrund der fehlenden Durchsetzbarkeit der anwendbaren Verhaltensanforderungen in dem betreffenden Einzelfall von vergleichsweise geringer Eingriffsintensität. Der Verfahrenseinstellung kann eine Einigung mit dem ebenfalls zur Strafverfolgung berufenen Staat vorausgegangen sein, dass allein dieser die Strafverfolgung durchführt (siehe hierzu oben E. II. 4.). Im Hinblick auf Taten, hinsichtlich derer verschiedene EU-Mitgliedstaaten Strafgewalt proklamieren, kann eine derartige Vereinbarung i.R.d. bei kumulativen Strafverfolgungszuständigkeiten mehrerer EUMitgliedstaaten nach den Vorgaben des EU-Rahmenbeschlusses 2009/948/JI zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren1034 obligatorischen Konsultation zwischen den zuständigen nationalen Strafverfolgungsbehörden erfolgen. Ein Strafgewaltverzicht ist insb. auch dann geboten, wenn neben Deutschland solche Vertragsstaaten der Art. 50 GRC, 54 SDÜ in Bezug auf die prozessuale Tat Strafgewalt proklamieren, die einen deutlich engeren Bezug zur Tat aufweisen als Deutschland. Das wäre z. B. der Fall, wenn man den obigen Beispielsfall dahingehend abwandelt, dass der in Frankreich lebende Franzose F von Frankreich aus hunderte Franzosen in Frankreich und einen Franzosen in Deutschland betrügerisch schädigt. Der Verzicht auf Durchsetzungsgewalt in Form einer rechtskräftigen Aburteilung der prozessualen Tat vermag hier zu vermeiden, dass der aufgrund primärer Tatbetroffenheit höherwertige Strafanspruch des ausländischen Tatortstaates infolge transnationalen Strafklageverbrauchs ausgeschlossen wird.1035 Zwischen Mitglied1033 Beulke, in: LR-StPO, § 153c Rn. 2; Knaup, S. 116 f.; vgl. auch Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 63: Mit § 153c Abs. 3 StPO „bietet sich der Praxis ein ausreichender Ansatzpunkt, um problematische Ergebnisse verfahrensrechtlich zu korrigieren“. Zur Kritik an der prozessualen Korrektur des materiellen Rechts durch § 153c StPO – insbesondere zur geringen Vorhersehbarkeit der staatsanwaltlichen Ermessensentscheidung – siehe oben Fn. 865. Der Mangel geringer Vorhersehbarkeit wird zumindest dadurch abgemildert, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaft in Konstellationen wie dem Beispielsfall dadurch vorhersehbarer wird, dass das Einstellungsermessen auf Null reduziert ist. 1034 ABl. L 328 v. 15. 12. 2009, S. 42 ff.; siehe hierzu oben 4. Teil. 1035 Eine Einstellung nach § 153c StPO stellt keine „rechtskräftige Aburteilung“ i.S.d. Art. 50 GRC, 54 SDÜ dar, die transnationalen Strafklageverbrauch im Geltungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ nach sich zieht. Transnationaler Strafklageverbrauch gem. Art. 50 GRC, 54 SDÜ tritt erst bei verfahrensabschließenden Entscheidungen ein, die national die Strafklage verbrauchen, EuGH Urt. v. 11. 2. 2003, verb. Rs. C-187/01 und 385/01, Gözütok und Brügge,

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

staaten der Europäischen Union wird das Ermessen in offenkundigen Fällen wie dem Beispielsfall aufgrund des Loyalitätsgebotes aus Art. 4 Abs. 3 EUV, das auch Rücksichtnahme- und Solidaritätspflichten der Mitgliedstaaten untereinander erfordert,1036 auf null reduziert sein. Ein Strafgewaltverzicht gem. § 153c StPO scheidet aus, wenn im Rahmen einer prozessualen Tat eine tatbestandsmäßige Handlung in Deutschland vorgenommen wurde. Eine diesbezügliche Einstellungsmöglichkeit sieht § 153c StPO nicht vor [siehe oben B. II. 2. e) cc)]. In vielen dieser Fälle wird aufgrund der Verwirklichung von Handlungsunrecht auf deutschem Hoheitsgebiet ein derart enger Bezug der prozessualen Tat zur Bundesrepublik Deutschland bestehen, dass Souveränitätsinteressen ausländischer Tatortstaaten hinter dem Selbstschutzinteresse der Bundesrepublik Deutschland zurücktreten. Eines Verzichts auf Durchsetzungsgewalt bedarf es dann ohnehin nicht. Teilweise kann aber auch hier ein Strafgewaltverzicht aufgrund überwiegender Souveränitätsinteressen ausländischer Staaten erforderlich sein. Man denke beispielsweise an einen Fall, in dem ein französischer Drogenhändler auf einer Drogentransportfahrt von den Niederlanden nach Belgien für nur wenige Minuten deutsches Hoheitsgebiet durchquert. Zum Teil kann ein Strafgewaltverzicht in solchen Fällen im Wege einer Verfahrenseinstellung nach § 154b Abs. 1 StPO realisiert werden, wenn der Täter im Inland ergriffen und an einen ausländischen Staat ausgeliefert wird. Sieht das deutsche Strafverfahrensrecht keine endgültige Einstellungsmöglichkeit vor, verbleibt die Option einer zwischenstaatlichen Vereinbarung einer Verfahrenskonzentration im ausländischen Staat. Oben1037 wurde gezeigt, dass das deutsche Strafverfahren im Falle einer entsprechenden Einigung derzeit – mangels einer im deutschen Strafverfahrensrecht normierten Möglichkeit der Verfahrensübertragung – etwa gem. § 154 f StPO (ggf. analog) vorläufig unterbrochen werden kann, bis etwa infolge einer rechtskräftigen Aburteilung der Tat im Ausland nach § 170 Abs. 2 StPO oder etwa gem. 153c Abs. 2 StPO ein endgültiger Einstellungsgrund vorliegt. Ein Strafgewaltverzicht kann nach derzeitiger Rechtslage ausnahmsweise in solchen Fällen unmöglich sein, in denen ein im Inland ergriffener Täter nicht ausgeliefert werden darf, etwa weil er deutscher Staatsangehöriger ist (vgl. z. B. § 2 IRG Slg. 2003, I-1345, Rn. 30; Urt. v. 22. 12. 2008, Rs. C-491/07, Turansky´, Slg. 2008, I-11039, Rn. 32, 37; Urt. v. 16. 11. 2010, Rs. C-261/09, Mantello, Slg. 2010, I-11477, Rn. 45 ff.; Urt. v. 29. 6. 2016, Rs. C-486/14, Kossowski; Hecker, EuStR, 13 Rn. 35; eingehend zu den im Einzelnen ungeklärten Voraussetzung von Einstellungsentscheidungen Hecker, EuStR, 13 Rn. 23 ff.; Mansdörfer, S. 171 ff. Erst dann greift der von Art. 50 GRC, 54 SDÜ gewährte Vertrauensschutz, da der Täter zuvor ohnehin damit rechnen muss, dass das Verfahren (im Inland) noch einmal aufgenommen wird, vgl. EuGH Urt. v. 22. 12. 2008, Rs. C-491/07, Turansky´, Slg. 2008, I-11039, Rn. 40 ff.; Inhofer, in: BeckOK-StPO, Art. 54 SDÜ Rn. 24. Ein nach § 153c StPO eingestelltes Verfahren kann später erneut aufgenommen werden, Bock, GA 2010, S. 589 ff. (597); Meyer-Goßner/Schmitt, § 153c StPO Rn. 1; Plöd, in: KMR-StPO, 46. Lfg. April 2007, § 153c Rn. 13. 1036 Siehe oben Fn. 939. 1037 E. II. 4.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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sowie – in Bezug auf Auslieferungen an Mitgliedstaaten der EU – die weniger restriktiven Voraussetzungen in § 80 IRG) oder eine Auslieferung gegen den ordre public-Vorbehalt verstieße (vgl. z. B. § 73 IRG oder § 8 IRG in Bezug auf drohende Todesstrafe). Dass Deutschland in solchen Fällen Strafgewalt durchsetzt, kann ausnahmsweise in Anbetracht der die Souveränitätsinteressen des ausländischen Staates überwiegenden Beschuldigtenrechte, in den o.g. Beispielen etwa aus Art. 16 Abs. 2 GG bzw. – im Falle drohender Todesstrafe – aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 3 EMRK1038, legitim sein. Stehen einer Auslieferung keine Individualfreiheitsrechte entgegen, können Auslieferungshindernisse (z. B. in Form fehlender beiderseitiger Strafbarkeit, § 3 IRG, oder fehlender Gegenseitigkeit, § 5 IRG) im Einzelfall in Anbetracht der die Strafverfolgungsinteressen der Bundesrepublik Deutschland überwiegenden Souveränitätsinteressen des ausländischen Staates durch eine restriktive Auslegung der betreffenden rechtshilferechtlichen Normen bzw. einzelfallspezifische zwischenstaatliche Absprachen (z. B. in Form einer Zusicherung der Gegenseitigkeit) aufzulösen sein. Insgesamt lässt sich nach alledem Folgendes festhalten: Durch ein enges Verständnis des prozessualen Tatbegriffes, kombiniert mit einem einzelfallspezifischen Verzicht auf die Ausübung von Strafgewalt, lässt sich dem Souveränitätsinteresse des ausländischen Staates, auf eigenem Territorium verwirklichte Taten allein der innerstaatlichen Strafgewalt zu unterwerfen, auch auf Basis eines prozessualen Tatbegriffes hinreichend Rechnung tragen. Mit diesen Einschränkungen ist der mit einem prozessualen Tatbegriff in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB einhergehende Eingriff in die Souveränität ausländischer Tatortstaaten gerechtfertigt. cc) Ergebnis Ein prozessuales Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ist in Fällen, in denen deutsche Strafgewalt aufgrund eines inländischen Handlungs- oder Erfolgsortes gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 bzw. 3 StGB begründet wird, mit dem Interventionsverbot in Einklang zu bringen. Ein in den Grenzen des Verbots, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen, zulässiges tatbestandsbezogenes Tatverständnis ist damit – aufgrund des geringeren Umfangs an Strafgewaltproklamation – erst recht mit dem Interventionsverbot vereinbar.

1038 Nach EGMR Urt. v. 7. 7. 1989, 14038/88, Soering/Vereinigtes Königreich, NJW 1990, 2183 verstieße eine Auslieferung eines im Inland ergriffenen Täters an einen Staat, in dem die Todesstrafe droht, gegen das in Art. 3 EMRK normierte Folterverbot, da die zu erwartende Inhaftierung in einer Todeszelle insofern unmenschlich wäre, als der Inhaftierte mit der ständigen Unsicherheit darüber leben müsste, wann die Todesstrafe vollstreckt wird, vgl. hierzu Hecker, EuStR, 3 Rn. 40 ff.; Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 111.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

b) Vorgestellter inländischer Erfolgsort, §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 4 StGB Bedenklicher erscheint die Vereinbarkeit mit dem Interventionsverbot in Konstellationen, in denen die deutsche Strafgewalt an einen nach der Tätervorstellung in Deutschland eintretenden tatbestandsmäßigen Erfolg anknüpft (§§ 3, 9 Abs. 1 Var. 4 StGB). aa) Versuch Von § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB werden vor allem Fälle des Versuchs in Bezug genommen.1039 Läge §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ein prozessualer Tatbegriff zugrunde, erstreckte sich die deutsche Strafgewalt vollumfänglich auf ein Versuchsdelikt umfassende prozessuale Taten, sobald sich der Versuchstäter vorstellte, einen tatbestandsmäßigen Erfolg in Deutschland herbeizuführen. Hierzu folgender Beispielsfall: Ein von Spanien aus agierender Täter plant ohne Tötungsvorsatz die – eine prozessuale Tat bildende – Verletzung der in Frankreich wohnenden F und ihres in Deutschland lebenden Bruders D. Da er weiß, dass F und D gerne Süßigkeiten essen, schickt er ihnen jeweils eine Schachtel mit Glassplittern versetzter Pralinen. D schmeisst die ihm zugesandte Schachtel in den Müll. F hingegen probiert die Pralinen und erleidet erhebliche Schnittverletzungen im Mundraum.

Unter Zugrundelegung eines prozessualen Tatbegriffs in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB käme deutsches Strafrecht aufgrund des vom Täter vorgestellten Eintritts eines tatbestandsmäßigen Erfolges auf deutschem Territorium gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 4 StGB auf die gesamte prozessuale Tat zur Anwendung. Der Täter könnte in Deutschland sowohl wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 223, 224, 22, 23 Abs. 1 StGB als auch wegen gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 223, 224 StGB z.N.d. in Frankreich befindlichen F verurteilt werden. Im Hinblick auf die Souveränitätsinteressen der ebenfalls von der prozessualen Tat territorial betroffenen Staaten – im Beispiel: Spaniens und Frankreichs – erscheint eine derart weit gezogene Jurisdiktionsbefugnis dem ersten Anschein nach vor allem insofern bedenklich, als sich die Inanspruchnahme von Strafgewalt hinsichtlich der gesamten prozessualen Tat statt auf einen objektiven allein auf einen subjektiven, vom Täter vorgestellten, Tatbezug zum deutschen Territorium stützt.1040 (1) Tauglicher Versuch Bei näherer Betrachtung erweist sich diese Annahme allerdings als zu pauschal. In der im obigen Beispielsfall in Rede stehenden Konstellation des tauglichen 1039

Böse, in: NK-StGB, § 9 Rn. 16; Kindhäuser, LPK-StGB, § 9 Rn. 13; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 36. 1040 Oehler, IntStR, Rn. 259 f., steht der Regelung des § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB aus diesem Grund kritisch gegenüber.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Versuchs werden konkrete Rechtsgüter konkreter Rechtsgutsträger auf deutschem Territorium gefährdet.1041 Im Beispielsfall ist das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit des in Deutschland aufhältigen D gefährdet. Hier verknüpft nicht bloß eine subjektive Tätervorstellung, sondern eine objektive individualisierbare Gefahr einer Rechtsgutsverletzung das Geschehen mit dem deutschen Territorium.1042 Diese Gefahr begründet ein ähnlich gewichtiges Selbstschutzbedürfnis vor Rechtsgutsverletzungen auf deutschem Territorium wie es bei einem tatsächlichen Eintritt eines tatbestandsmäßigen Erfolges im Inland der Fall ist.1043 Im Hinblick auf die völkerrechtliche Legitimität einer Strafgewalterstreckung lassen sich die zu §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB gewonnenen Erkenntnisse daher im Wesentlichen auf §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 4 StGB übertragen: Die Strafgewalterstreckung ist also auch hier unter dem Gesichtspunkt des Interventionsverbotes mit den oben herausgearbeiteten Einschränkungen völkerrechtlich legitimierbar. Insb. ist auch hier im Einzelfall ein Strafgewaltverzicht im Wege der Verfahrenseinstellung erforderlich. (2) Untauglicher Versuch Anders zu beurteilen sind Fälle des untauglichen Versuchs1044, in denen der vom Täter vorgestellte Taterfolg objektiv gar nicht eintreten konnte. Hier fehlt es an einer konkreten Gefährdung von Rechtsgütern auf deutschem Territorium, die eine besondere Nähebeziehung der Tat zu Deutschland hätte statuieren können. Die objektiv ungefährliche rechtserschütternde „Betätigung des rechtsfeindlichen Willens“1045 im Ausland und die irrtümlich vorgestellte Verletzung von Rechtsgütern auf inländischem Territorium vermögen ein die Souveränitätsinteressen des ausländischen Tatortstaates überwiegendes Selbstschutzinteresse der Bundesrepublik Deutschland nicht auszulösen. In besonders offenkundiger Weise trifft diese These auf Fälle zu, in denen der Versuchstäter von Staaten wie Österreich oder Italien aus agiert, in denen untaugliche Versuche gem. § 15 Abs. 3 Österreichisches StGB1046 bzw. Art. 56 codice penale italiano1047 gar nicht unter Strafe stehen. Eine Erstreckung deutscher Strafgewalt stellte sich in diesen Fällen als besonders schwerwiegender, die Entscheidung des Tatortstaates für die Straflosigkeit des untauglichen Versuchs aushebelnder, Souveränitätseingriff dar. In Fällen des untauglichen Versuchs stellte sich 1041 1042 1043 1044

m.w.N. 1045

Vgl. Jescheck/Weigend, § 50 I 4. Ähnlich Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), S. 379 ff. (385, Fn. 27). Ähnlich Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), S. 379 ff. (385, Fn. 27). Allgemein zum untauglichen Versuch z. B. Zaczyk, in: NK-StGB, § 22 Rn. 34 ff.

Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 843. § 15 Abs. 3 Österreichisches StGB lautet: „Der Versuch und die Beteiligung daran sind nicht strafbar, wenn die Vollendung der Tat mangels persönlicher Eigenschaften oder Verhältnisse, die das Gesetz beim Handelnden voraussetzt, oder nach der Art der Handlung oder des Gegenstandes, an dem die Tat begangen wurde, unter keinen Umständen möglich war.“ 1047 Vgl. Maiwald, Italienisches Strafrecht, S. 128; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), S. 379 ff. (385, Fn. 27). 1046

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

eine auf §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 4 StGB gestützte Erstreckung deutscher Strafgewalt nach alledem also als völkerrechtswidrig dar. § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB ist deshalb völkerrechtskonform dahingehend zu reduzieren, dass von den in Bezug genommenen Versuchskonstellationen ausschließlich taugliche Versuche erfasst werden. bb) Vorbereitungshandlungen i.S.d. § 30 Abs. 2 StGB Neben Versuchskonstellationen erfasst § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB seinem Wortlaut nach auch strafbare Vorbereitungshandlungen i.S.d. § 30 Abs. 2 StGB.1048 Es geht hier z. B. um Fälle, in denen im Ausland die Begehung eines Verbrechens mit einem in Deutschland eintretenden tatbestandsmäßigen Erfolg i.S.d. § 30 Abs. 2 Var. 3 StGB verabredet wird, der Erfolg tatsächlich aber wider Erwarten nicht eintritt. In derartigen Fällen erscheint die völkerrechtliche Legitimität einer auf §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 4 StGB gestützten Strafgewaltproklamation ähnlich fragwürdig wie es bei den eben diskutierten Konstellationen untauglicher Versuche der Fall ist. Die Bedenken gründen in der Tatsache, dass sich die in § 30 Abs. 2 StGB genannten Handlungen vor Versuchsbeginn und i. d. R. sogar zu Beginn des Vorbereitungsstadiums abspielen. Eine objektive Gefährdung von Rechtsgütern auf inländischem Territorium ist in diesem Stadium allenfalls in einem geringen Maße gegeben.1049 Auch wenn ein hohes Schutzinteresse vor Verbrechensbegehungen auf inländischem Territorium besteht, vermag ein derart geringer objektiver Bezug zum deutschen Territorium den mit einer Strafgewalterstreckung einhergehenden Eingriff in die Souveränitätsinteressen ausländischer Tatortstaaten nicht zu legitimieren. Erst mit unmittelbarem Ansetzen zur Verbrechensverwirklichung intensiviert sich die objektive Gefahr des Eintritts von Rechtsgutsverletzungen auf deutschem Territorium so, dass eine Erstreckung deutscher Strafgewalt auch in Anbetracht der Souveränitätsinteressen ausländischer Tatortstaaten legitimiert sein kann. § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB ist vor diesem Hintergrund völkerrechtskonform dahingehend zu reduzieren, dass er Vorbereitungshandlungen i.S.d. § 30 Abs. 2 StGB nicht erfasst.1050 1048 Böse, in: NK-StGB, § 9 Rn. 16; Eser, in: Schönke/Schröder, § 9 Rn. 9; Kindhäuser, LPK-StGB, § 9 Rn. 13. § 30 Abs. 2 StGB ist kein selbstständiger Straftatbestand, sondern – entsprechend seiner systematischen Stellung im Allgemeinen Teil und der im Normtext festgeschriebenen Bezugnahme auf eine Haupttat – ein Strafausdehnungsgrund, der den Strafbarkeitsbeginn eines Verbrechens vom Versuchsbeginn auf die in § 30 Abs. 2 StGB genannten Vorbereitungshandlungen vorverlagert, Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 30 Rn. 2; Schünemann, in: LK-StGB, § 30 Rn. 1. Der „zum Tatbestand“ des § 30 Abs. 2 i.V.m. dem Verbrechen „gehörende Erfolg“ i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB ist dementsprechend der tatbestandsmäßige Erfolg des Verbrechens. Wird dessen Eintritt in Deutschland geplant, soll ein zum Tatbestand gehörender Erfolg i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB nach Tätervorstellung in Deutschland eintreten. 1049 Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 30 Rn. 1; Joecks, in: MK-StGB, § 30 Rn. 3; Zaczyk, in: NK-StGB, § 30 Rn. 7 f. Im Schrifttum wird daher für eine restriktive Auslegung des § 30 StGB plädiert, vgl. statt vieler Jakobs, AT, S. 767; Letzgus, S. 135. Zaczyk, in: NK-StGB, § 30 Rn. 31, 34, hält Teile des § 30 StGB sogar für verfassungswidrig. 1050 So i.E. auch Namavicius, S. 97.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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cc) Vollendungskonstellationen Vom Wortlaut des § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB werden überdies bestimmte Vollendungskonstellationen erfasst. Es handelt sich dabei um Fälle, in denen ein tatbestandsmäßiger Erfolg nach Tätervorstellung in Deutschland eintreten sollte, er tatsächlich aber im Ausland eintritt.1051 Fände deutsches Strafrecht in derartigen Fällen gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 4 StGB Anwendung und käme es zu einem Verfahren vor einem deutschen Gericht, wäre wegen Vollendungsdelikts zu verurteilen.1052 Für den Tatortstaat, in dem das Delikt tatsächlich vollendet wurde, erschiene eine entsprechende Bestrafung als besonders krasse Strafgewaltanmaßung, die sich weder mit der vom Täter vorgestellten Rechtsgutsverletzung auf inländischem Territorium noch mit einer etwaigen hiesigen objektiven Rechtsgutsgefährdung rechtfertigen ließe. § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB ist daher zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Interventionsverbot auch dahingehend zu reduzieren, dass er Vollendungskonstellationen nicht erfasst.1053 dd) Ergebnis Festgehalten werden kann nach alledem, dass § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB ausschließlich Konstellationen tauglicher Versuche erfasst. Eine Strafgewalterstreckung auf die prozessuale Tat ist in diesen Fällen bei strikter Einhaltung der oben herausgearbeiteten Strafgewaltbeschränkungserfordernisse völkerrechtlich legitimierbar. Ein prozessuales Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB lässt sich damit auch in Fällen mit dem Interventionsverbot vereinbaren, in denen sich die deutsche Strafgewalt gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 4 StGB auf die gesamte prozessuale Tat erstreckt. Ein in den Grenzen des Verbots, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen, zulässiges tatbestandsbezogenes Tatverständnis steht damit – aufgrund der weniger umfangreichen Strafgewaltausdehnung – erst recht mit dem Interventionsverbot in Einklang. c) Inländischer Unterlassungsort, §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 2 StGB In Bezug auf §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 2 StGB (inländischer Unterlassungsort) ergeben sich im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Interventionsverbot auf den ersten Blick ähnliche Zweifelsfragen wie sie im Rahmen der vorangegangenen Untersuchung der §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 4 StGB diskutiert wurden. Ginge man von einem prozessualen Tatbegriff in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB aus, erstreckte sich die deutsche 1051

Böse, in: NK-StGB, § 9 Rn. 16; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), S. 379 ff. (385); Namavicius, S. 92. 1052 Da die Straftat im Ausland vollendet wurde, schiede eine Bestrafung wegen Versuchs als unzulässige Fiktion einer Nichtvollendung aus. 1053 So i.E. auch Namavicius, S. 92 f.; Oehler, IntStR, Rn. 260.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Strafgewalt hier vollumfänglich auf die prozessuale Tat, sobald ein Unterlassungsort aus dieser Tat in Deutschland liegt. Hierzu folgender Beispielsfall: Der 22-jährige A und sein 14-jähriger Bruder B befinden sich auf einer gemeinsamen Mountainbiketour nahe der deutsch-französischen Grenze. Wie üblich soll A dabei auf seinen Bruder aufpassen. Als A und B kurz vor der Grenze auf französischem Territorium in Streit geraten, verliert A allerdings die Fassung und schubst seinen Bruder vom Rad. B zieht sich einige Platzwunden zu. A überquert daraufhin die Grenze und sieht von Deutschland aus, wie der sich noch in Frankreich befindliche B durch Zufall vom Weg abkommt und einen Abhang hinunter stürzt. A schreitet – getrieben von seiner anhaltenden Wut auf seinen Bruder – bewusst nicht ein, in der Hoffnung, B werde sich schwere bleibende Verletzungen zuziehen. B verletzt sich tatsächlich schwer und bleibt sein Leben lang halbseitig gelähmt. Hätte A mit seinem Handy Hilfe gerufen, wäre es zu den Verletzungen des B nicht gekommen.

Deutsches Strafrecht wäre aufgrund des inländischen Unterlassungsortes des A gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 2 StGB auf das gesamte – eine nach Tatzeit, -ort, -bild und -motivation einheitliche prozessuale Tat bildende – Geschehen anwendbar. A könnte in Deutschland gem. § 223 Abs. 1 (und ggf. § 224 Abs. 1) StGB wegen des Schubsens vom Rad und gem. §§ 226, 13 Abs. 1 StGB wegen des Unterlassens eines Notrufes verurteilt werden. Eine Nähebeziehung der prozessualen Tat zu Deutschland ist in solchen Fällen darin zu sehen, dass sich der Täter auf deutschem Territorium einer nach deutschem Recht bestehenden Handlungspflicht (hier: die Garantenpflicht des aufsichtspflichtigen A zur Rettung seines Bruders) entzieht. Der Täter nimmt – vergleichbar mit der Vornahme einer Handlung i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB – ein willensgesteuertes Verhalten auf deutschem Territorium vor (hier: bewusstes Nichtverständigen von Rettungsdiensten), mit dem er die Ursache für eine Rechtsgutsverletzung bzw. -gefährdung (hier: dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des B) setzt. Das Selbstschutzbedürfnis der Bundesrepublik Deutschland ist damit ähnlich stark ausgeprägt wie es in Konstellationen der Fall ist, in denen deutsche Strafgewalt gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB begründet wird. Eine Erstreckung deutscher Strafgewalt auf die prozessuale Tat ist daher aus entsprechenden Gründen und mit entsprechenden Einschränkungen mit dem Interventionsverbot vereinbar. Insbesondere sind auch im Falle einer Strafgewaltbegründung gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 2 StGB einzelfallspezifische Strafgewaltverzichte [siehe hierzu oben E. II. 8. a) bb) (2)] erforderlich, um entgegenstehenden Souveränitätsinteressen ausländischer Tatortstaaten Rechnung tragen zu können. Angesichts des besonders schwerwiegenden Souveränitätseingriffs ist ein Strafgewaltverzicht insbesondere in solchen Fällen angezeigt, in denen ein von der prozessualen Tat primär territorial betroffener ausländischer Tatortstaat das Unterlassen des Täters nicht unter Strafe stellt.1054 Da bei Taten, die einen inländischen Unterlassungsort i.S.d. § 9 Abs. 1 1054

Vgl. auch Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 17.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Var. 2 StGB aufweisen, häufig zugleich auch ein tatbestandsmäßiger Erfolg des Unterlassens i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB im Inland liegen wird, besteht in vielen Fällen allerdings eine so starke Legitimationsbasis, dass sowohl die Inanspruchnahme von Regelungs- als auch von Durchsetzungsgewalt völkerrechtlich legitimierbar ist. Problematischer als in Konstellationen wie dem oben gebildeten Beispielsfall stellt sich die Beurteilung der völkerrechtlichen Legitimität einer Inanspruchnahme von Strafgewalt nach §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 2 StGB dar, wenn man neben dem Ort der körperlichen Anwesenheit des Täters bei Bestehen seiner Handlungspflicht auch denjenigen Ort als Unterlassungsort ansieht, den der Täter hätte aufsuchen müssen, um die gebotene Rettungshandlung auszuführen.1055 Wenn sich A im Beispielsfall während des Sturzes seines Bruders B noch auf französischem Territorium befunden hätte, die Grenze zu Deutschland aber hätte überqueren müssen, um in einer dort befindlichen Gaststätte telefonisch Rettungskräfte benachrichtigen zu können, läge demnach ein Unterlassungsort auch in Deutschland, der deutsches Strafrecht über §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 2 StGB vollumfänglich auf die prozessuale Tat zur Anwendung brächte. Vom Wortlaut des § 9 Abs. 1 Var. 2 StGB werden derartige Fälle zwar erfasst: A hätte den rettenden Telefonanruf in Deutschland vornehmen müssen, er „hätte“ also auch in Deutschland i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 2 StGB „handeln müssen“ und nicht nur in Frankreich, von wo aus er sich hätte in Bewegung setzen müssen, den gebotenen Handlungsablauf also lediglich hätte beginnen müssen.1056 Allerdings verknüpfen weder eine tatsächliche Gefahr für ein Opfer auf deutschem Territorium noch eine inländische Anwesenheit des Unterlassenstäters während des Handlungspflichtverstoßes den Sachverhalt mit der Bundesrepublik Deutschland. Dass sich der Täter auf deutsches Territorium hätte begeben müssen und sich dort auf eine bestimmte Art und Weise hätte verhalten müssen, begründet keine tatsächliche, sondern nur eine hypothetische Betroffenheit des inländischen Territoriums. Eine solche Verhaltenserwartung1057 vermag den mit einer Strafgewalterstreckung einhergehenden Eingriff in die Souveränität des tatsächlich territorial betroffenen Tatortstaates – im Beispiel: Frankreichs – nicht zu rechtfertigen.1058 § 9 Abs. 1 Var. 2 StGB ist daher völkerrechtskonform dahingehend zu reduzieren, dass ausschließlich derjenige Ort als Unterlassungsort in Bezug genommen wird, an 1055 So Ambos, in: MK-StGB, § 9 Rn. 14; Eser, in: Schönke/Schröder, § 9 Rn. 5; Fischer, § 9 Rn. 3; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 19; a.A. (alleiniges Abstellen auf den Aufenthaltsort des Unterlassenden): Böse, in: NK-StGB, § 9 Rn. 7; Namavicius, S. 165 f.; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 17; Zöller, in: AnwK-StGB, § 9 Rn. 7. 1056 Vgl. Jakobs, AT, S. 119. 1057 Vgl. Böse, in: NK-StGB, § 9 Rn. 7. 1058 In besonders deutlicher Weise tritt diese Erkenntnis in Fällen hervor, in denen sich der mit der Strafgewalterstreckung einhergehende Souveränitätseingriff für den primär territorial betroffenen Staat als besonders schwerwiegend darstellt, weil das Unterlassen dort gar nicht unter Strafe steht, siehe hierzu Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 17.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

dem der Täter im Zeitpunkt des Bestehens seiner Handlungspflicht anwesend ist. Ausgehend von einem so reduzierten § 9 Abs. 1 Var. 2 StGB lässt sich ein prozessuales Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB bei strikter Einhaltung etwaiger Strafgewaltverzichtsgebote [siehe hierzu oben E. II. 8. a) bb) (2)] auch in solchen Fällen mit dem Interventionsverbot vereinbaren, in denen sich die deutsche Strafgewalt über einen in Deutschland verorteten Unterlassungsort gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 2 StGB auf die gesamte prozessuale Tat erstreckt. Ein in den Grenzen des Verbots, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen, zulässiges tatbestandsbezogenes Tatverständnis ist damit wiederum – aufgrund des geringeren Umfangs an Strafgewaltproklamation – erst recht mit dem Interventionsverbot vereinbar. d) §§ 3, 9 Abs. 1 StGB bei mittelbarer Täterschaft und Mittäterschaft Klärungsbedürftig ist des Weiteren, ob ein prozessualer Tatbegriff in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB in Fällen, in denen deutsche Strafgewalt bei mittäterschaftlicher bzw. mittelbar täterschaftlicher Tatbegehung gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 (inländischer Handlungsort) bzw. ggf. Var. 2 (inländischer Unterlassungsort1059) begründet wird, zu mit dem Interventionsverbot zu vereinbarenden Ergebnissen gelangt. Über die Bestimmung des Handlungsortes i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB bei Mittäterschaft und mittelbarer Täterschaft besteht Streit. Die Einzellösung1060 bestimmt den Handlungsort für jeden Mittäter bzw. für den mittelbaren Täter isoliert. Der Handlungsort eines Mittäters liegt demnach allein an dem Ort, an dem er seinen eigenen mittäterschaftlichen Tatbeitrag erbringt; der Handlungsort eines mittelbaren Täters allein dort, wo er den Tatmittler aus seinem Einflussbereich entlässt.1061 Die 1059 Zur umstrittenen mittelbaren Täterschaft und Mittäterschaft bei Unterlassungsdelikten vgl. Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 25 Rn. 56 ff., 86 m.w.N. sowie Fn. 1064 f. 1060 Heinrich, in: FS Weber, S. 91 ff. (107 f.); Hoyer, in: SK-StGB, 26. Lfg. Juni 1997, § 9 Rn. 5; ausschließlich auf Konstellationen der Mittäterschaft Bezug nehmend: Valerius, NStZ 2008, S. 121 ff. (123 f.). 1061 Heinrich, in: FS Weber, S. 91 ff. (107 f.), sieht die Tathandlung des Tatmittlers bzw. die Tatbeiträge der Komplizen allerdings als Zwischenerfolge der Einwirkungshandlung des mittelbaren Täters bzw. Mittäters an. Deutsches Strafrecht gelangte demnach gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB statt gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB auf einen im Ausland handelnden mittelbaren Täter bzw. Mittäter zur Anwendung, sobald sein Tatmittler bzw. Komplize im Inland agiert, und zwar auch dann, wenn eine tatbestandlich vorausgesetzte konkrete Rechtsgutsgefährdung oder -verletzung allein im Ausland eintritt. Diese Ansicht ist schon deshalb abzulehnen, weil sie zu einer strafanwendungsrechtlichen Ungleichbehandlung verschiedener Täterkategorien führte. Einem unmittelbaren Täter, der sich beispielsweise zum Zwecke der Herbeiführung einer Rechtsgutsverletzung im Ausland des Internets und eines Providers bedient, würde nur ein einziger Erfolgsort zugeschrieben (siehe hierzu oben C.), wohingegen mittelbaren Tätern bzw. Mittätern in solchen Fällen mindestens zwei, potenziell Strafgewalt auslösende, Erfolgsorte zugeordnet würden – zum einen am Ort, an dem der Tatmittler bzw. Komplize tätig wird und zum anderen am Ort, an dem der Rechtsgutsverlet-

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Zurechnungslösung1062 sieht demgegenüber einen Handlungsort des Mittäters bzw. mittelbaren Täters nicht nur an dem Ort, an dem er seine eigene Handlung vorgenommen hat, sondern – da ihm die Tathandlung seines Komplizen bzw. Tatmittlers gem. § 25 Abs. 2 bzw. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zugerechnet wird – auch an dem Ort, an dem sein Komplize bzw. Tatmittler gehandelt hat.1063 Hält man eine mittelbare Täterschaft durch einen unterlassenden Vordermann1064 bzw. eine Mittäterschaft durch Unterlassen1065 grundsätzlich für möglich, stellt sich zudem die Frage, ob ein gem. § 25 StGB zugerechnetes Unterlassen eines im Inland befindlichen Vordermanns bzw. Komplizen zur Begründung eines inländischen Unterlassungsortes (§ 9 Abs. 1 Var. 2 StGB) eines ausschließlich im Ausland agierenden mittelbaren Täters bzw. Mittäters führt. aa) Einzellösung Die Einzellösung hätte ausgehend von einem prozessualen Tatbegriff in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB zur Konsequenz, dass sich die deutsche Strafgewalt auf die prozessuale Tat eines mittelbaren Täters bzw. Mittäters erstreckte, sofern ein Tatort dieses mittelbaren Täters bzw. Mittäters aus der prozessualen Tat im Inland läge. Handlungs- bzw. ggf. Unterlassungsorte seines Tatmittlers bzw. seiner Mittäter blieben außer Betracht.

zungserfolg eintritt. Selbst im Bereich der abstrakten Gefährdungsdelikte, die nach den obigen Erkenntnissen keinen Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB aufweisen, könnte ein Erfolgsort über den Umweg eines „Zwischenerfolges“ in Form der Tathandlung des Tatmittlers bzw. Komplizen begründet werden. Das widerspräche dem systematisch, teleologisch und völkerrechtlich gebotenen restriktiven, allein tatbestandliche Rechtsgutsverletzungen und konkrete Rechtsgutsgefährdungen erfassenden Verständnis des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB (siehe hierzu oben C.). 1062 BGHSt 39, 88, 90; BGH NStZ-RR 2009, 197, 197; BGH NJW 1999, 2683, 2684; BGH NStZ 1997, 285, 286; Eser, in: Schönke/Schröder, § 9 Rn. 10; Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 19; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 13. 1063 Wenn teilweise davon die Rede ist, dem Mittäter bzw. mittelbaren Täter werde der Handlungsort seines Mittäters bzw. Tatmittlers zugerechnet [so z. B. Basak, in: MR-StGB, § 9 Rn. 5; Valerius, NStZ 2008, S. 121 ff. (123)], ist das insofern unpräzise, als über § 25 StGB Verhalten und nicht Orte zugerechnet werden. Die Zurechnungslösung nimmt die Verhaltenszurechnung zum Anlass, einen Handlungsort derjenigen Person, der das Verhalten zugerechnet wird, an dem Ort zu bejahen, an dem das zugerechnete Verhalten vollzogen wurde. 1064 Beispielhaft sei der Fall genannt, dass A den handlungswilligen garantenpflichtigen B dazu nötigt, eine gebotene Rettungshandlung zu unterlassen. Für unmittelbare Täterschaft in solchen Fällen: Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 25 Rn. 58; Roxin, TuT, S. 472; für mittelbare Täterschaft: Stein, S. 300 ff. 1065 Vgl. zu dieser Konstellation z. B. BGHSt, 37, 129; BGH NJW 1966, 1763. Überwiegend wird eine Mittäterschaft durch Unterlassen für möglich gehalten, vgl. BGHSt, 37, 129, 129; BGH NJW 1966, 1763, 1763; Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 25 Rn. 86 m.w.N.; ablehnend z. B. Haas, in: MR-StGB, § 13 Rn. 130.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Hierzu folgender Beispielsfall: Der zahlungsunfähige Geschäftsführer A bietet zur Verbesserung seiner finanziellen Situation Waren gegen Vorkasse an, ohne diese nach Zahlungseingang zu liefern. K1, K2 und K3 erleiden infolgedessen Vermögensschäden. Um seine Einnahmen weiter zu erhöhen, bittet A seine Freundin B und seinen Bruder C, ihren Bekannten in seinem Namen und zu seinen Gunsten Waren gegen Vorkasse anzubieten. B und C tun A den Gefallen in der irrigen Annahme, A werde die Waren ausliefern. B schließt mit K4, C mit K5 einen entsprechenden Vertrag ab. K4 und K5 erleiden infolgedessen Vermögensschäden. A agierte aus Frankreich. B hielt sich im Zeitpunkt der Unterbreitung des Angebots an K4 auf Geschäftsreise in Deutschland auf. C befand sich in der Schweiz. Die geschädigten K 1 – 5 hielten sich ebenfalls im Ausland auf. Sämtliche Personen sind ausländischer Staatsangehörigkeit.

Deutsches Strafrecht (§ 263 Abs. 1 StGB z.N.d. K 1 – 3, §§ 263 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB z.N.d. K4 und §§ 263 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB z.N.d. K5) käme hier mangels inländischen Tatortes des A nicht zur Anwendung. Die in Deutschland vorgenommene Handlung der unvorsätzlich handelnden Tatmittlerin B wird A zwar gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zugerechnet. Zur Begründung deutscher Strafgewalt gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB genügt das nach der Einzellösung allerdings nicht. Die auf Basis der Einzellösung erzielten Ergebnisse entsprechen damit dem Grunde nach den Ergebnissen, die man ausgehend von einem prozessualen Tatbegriff in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB im Falle einer unmittelbar täterschaftlichen Tatbegehung erzielt: Sobald ein qua tatsächlicher Anwesenheit auf deutschem Territorium begründeter Tatort des Täters i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB oder ein (vorgestellter) Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 bzw. 4 StGB in Deutschland liegt, kommt deutsches Strafrecht vollumfänglich auf die prozessuale Tat zur Anwendung. Die Kombination von prozessualem Tatbegriff und Einzellösung in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB führt daher aus entsprechenden Gründen und mit entsprechenden Einschränkungen zu mit dem Interventionsverbot zu vereinbarenden Ergebnissen. bb) Zurechnungslösung Problematischer zu beurteilen ist die Frage, ob die unter Zugrundelegung der Zurechnungslösung und eines prozessualen Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB erzielten Ergebnisse mit dem Interventionsverbot zu vereinbaren sind. Deutsche Strafgewalt käme hier hinsichtlich der gesamten prozessualen Tat des Mittäters bzw. mittelbaren Täters auch bereits dann zum Tragen, wenn ein qua Verhaltenszurechnung gem. § 25 StGB begründeter Handlungs- bzw. ggf. Unterlassungsort in Deutschland läge. Selbst wenn der Mittäter bzw. mittelbare Täter ausschließlich im Ausland agierte und auch Erfolgsorte aus der prozessualen Tat ausschließlich im Ausland lägen, unterfiele er der deutschen Strafgewalt, wenn sein Komplize bzw. Tatmittler im Inland handelte bzw. ggf. im Inland nicht handelte. Im obigen Beispielsfall könnten aufgrund des inländischen Handlungsortes der von A eingesetzten unvorsätzlich handelnden Tatmittlerin B sowohl der Betrug z.N.d. K 1 – 3 (§ 263 Abs. 1 StGB) als auch die mit diesem faktisch nach Tatmotivation und Tatbild verbundenen mittelbar täterschaftlich begangenen Betrügereien z.N.d. K4 und K5

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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(§§ 263 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) abgeurteilt werden. Die Vereinbarkeit einer derart weiten Ausdehnung deutscher Strafgewalt mit dem Interventionsverbot erscheint in Anbetracht der Souveränitätsinteressen ausländischer Tatortstaaten äußerst bedenklich. Die Frage, ob eine Kombination von Zurechnungslösung und prozessualem Tatverständnis in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB gegen das Interventionsverbot verstößt, wäre allerdings ohne Bedeutung, wenn §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ohnehin – unabhängig vom Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB – die nach den obigen Erkenntnissen durchgängig völkerrechtskonforme Einzellösung zugrunde zu legen wäre. Ob das der Fall ist, hängt von der Frage ab, ob ein qua Verhaltenszurechnung gem. § 25 StGB begründeter Tatort generell die Legitimationskraft aufweist, einen mittelbaren Täter bzw. Mittäter auch dann der deutschen Strafgewalt zu unterwerfen, wenn dieser selbst nicht im Inland agierte und auch Taterfolge nicht im Inland eingetreten sind. Für eine starke Legitimationskraft ließe sich auf der einen Seite anführen, dass sich an dem Ort, an dem der Mittäter bzw. Tatmittler handelt bzw. ggf. unterlässt, ein vom anderen Mittäter bzw. vom mittelbaren Täter tatbeherrschend in Gang gesetztes Handlungsunrecht verwirklicht. Die Einwirkungshandlung bzw. die gemeinsam mit dem Mittäter vorgenommene Tatplanung eines arbeitsteiligen Vorgehens realisiert sich hier in Form einer Handlung bzw. ggf. eines Unterlassens des Tatmittlers bzw. Mittäters auf deutschem Territorium.1066 Des Weiteren spricht der Gesichtspunkt der Vermeidung von Umgehungsmöglichkeiten für eine starke Legitimationskraft eines qua Verhaltenszurechnung gem. § 25 StGB begründeten Tatortes: Ließe man das Verhalten eines Mittäters bzw. Tatmittlers bei der Beurteilung der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf das Verhalten des anderen Mittäters bzw. des mittelbaren Täters außer Acht, könnte dieser dem deutschen Strafrecht entgehen. Er müsste nur selbst in einem Staat handeln, in dem sein Verhalten nicht unter Strafe steht, und einen Komplizen bzw. ein „menschliches Werkzeug“ das nach der Tatplanung in Deutschland vorzunehmende strafbare Verhalten in Deutschland vornehmen lassen.1067 Das Normbewusstsein der Bevölkerung in eine durchsetzungsstarke und bestandskräftige Rechtsordnung würde hierdurch – in einer dem Selbstschutzinteresse der Bundesrepublik Deutschland zuwiderlaufenden Weise – negativ beeinflusst.1068 Gegen eine starke Legitimationskraft eines qua Verhaltenszurechnung begründeten Tatortes spricht demgegenüber der Gesichtspunkt des räumlichen Tatbezuges zum inländischen Territorium. Ein Täter ist enger mit dem deutschen Territorium verbunden, wenn er tatsächlich selbst auf deutschem Hoheitsgebiet tätig wird oder – 1066 Ähnlich in Bezug auf einen qua Handlungszurechnung begründeten Handlungsort bei Mittäterschaft BGH NJW 1993, 1405, 1405. 1067 So auch Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), S. 379 ff. (412). 1068 So auch Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), S. 379 ff. (412).

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

wie im Falle des § 9 Abs. 1 Var. 3 und 4 StGB – eine tatsächliche Verletzung bzw. Gefährdung bestimmter Rechtsgüter auf deutschem Territorium eintreten lässt, als wenn sich sein Bezug zum deutschen Territorium – wie im Beispielsfall – in einem normativ zugerechneten Verhalten eines anderen erschöpft, das Rechtsgutsverletzungen oder -gefährdungen im Ausland herbeiführt.1069 Das soeben für eine starke Legitimationskraft eines qua Verhaltenszurechnung begründeten inländischen Tatortes angeführte Argument, in Deutschland verwirkliche sich das Handlungsunrecht, das der im Ausland agierende Täter durch seine Einwirkungshandlung bzw. seine gemeinsam mit dem Mittäter vorgenommene Planung eines arbeitsteiligen Tatvorgehens in Gang gesetzt hat, mag zwar in den klassischen Fällen der mittelbaren Täterschaft einleuchten, in denen ein im Ausland handelnder mittelbarer Täter einen strafrechtlich nicht voll verantwortlich handelnden Tatmittler zur Vornahme der Ausführungshandlung im Inland einsetzt. Der Hintermann steuert hier die Ausführungshandlung des Vordermanns auf deutschem Territorium – vergleichbar dem Einsatz eines mechanischen Werkzeugs – derart tatbeherrschend, dass man die Handlungsunrechtsverwirklichung des Tatmittlers auf deutschem Territorium als einer eigenen Handlungsunrechtssetzung des Hintermannes auf deutschem Territorium ähnelnd ansehen mag. In den atypischen Fällen mittelbarer Täterschaft, in denen der Tatmittler als strafrechtlich voll verantwortlich agiert,1070 trifft diese Argumentation allerdings nicht im gleichen Maße zu. Zwar mag der Hintermann den Vordermann auch hier in eng umgrenzten Fällen1071 in derart tatbeherrschender Weise zur Tatbegehung einsetzen, dass eine Verhaltenszurechnung gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB gerechtfertigt ist. Gleichwohl erscheint ein Tatmittler, dem sein Verhalten strafrechtlich zum Vorwurf gemacht wird, aufgrund der bestehenden Möglichkeit eines autonomen Entschlusses, das Ausführungsverhalten nicht vorzunehmen, nicht in der gleichen Deutlichkeit als ein – im Hinblick auf die Steuerbarkeit einem mechanischen Werkzeug vergleichbares – Instrument des Hintermannes wie es bei einem strafrechtlich nicht verantwortlichen Tatmittler der Fall ist. Ein im Ausland handelnder mittelbarer Täter, der einen strafrechtlich voll verantwortlichen Tatmittler im Inland einsetzt, weist daher auch einen geringeren Bezug zum deutschen Territorium auf. 1069

In diese Richtung auch Valerius, NStZ 2008, S. 121 ff. (123). Zu Konstellationen des Täters hinter dem Täter vgl. Roxin, in: FS Lange, S. 173 ff.; Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 25 Rn. 22 ff. m.w.N.; zum Teil wird eine mittelbare Täterschaft bei einem strafrechtlich vollverantwortlich handelnden Vordermann – unter strikter Berufung auf das Verantwortungsprinzip – abgelehnt, so z. B. Jakobs, AT, S. 632, 648 f.; Jescheck/Weigend, § 62 I 2. 1071 Man denke z. B. an das Hervorrufen von Irrtümern über den Grad der Unrechtsverwirklichung, vgl. hierzu Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 25 Rn. 23, oder das Hervorrufen eines vermeidbaren Verbotsirrtums, vgl. hierzu Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 25 Rn. 23. Zur umstrittenen Fallgruppe der Organisationsherrschaft vgl. Roxin, GA 1963, S. 193 ff.; ders., GA 2012, S. 395 ff.; BGHSt 40, 218; 40, 316; Heine/Weißer, in: Schönke/ Schröder, § 25 Rn. 26 ff.; Weißer, S. 277 ff. 1070

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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In Fällen mittäterschaftlicher Tatbegehung leuchtet die für eine starke Legitimationskraft eines qua Verhaltenszurechnung begründeten inländischen Tatortes vorgebrachte Argumentation noch weniger ein: Hier beherrschen alle Mittäter die Tat. Die Herrschaft des im Ausland befindlichen Mittäters über die Gesamttat, inklusive der im Inland durch den anderen Mittäter verwirklichten Tatteile, ergibt sich hier nicht aus einer beherrschenden Steuerung seines Komplizen wie ein Werkzeug. Seine Tatherrschaft folgt vielmehr aus seiner wesentlichen, tatplangemäßen Rolle bei der arbeitsteiligen Umsetzung des gemeinsamen Tatplans.1072 Der Tatbeitrag des im Inland befindlichen Mittäters stellt sich vor diesem Hintergrund als eigenständiger dar, als es bei der tatbeherrschenden Steuerung eines Tatmittlers der Fall ist. Allein die Arbeitsteiligkeit und Tatplankonformität vermögen ein im Inland vollzogenes Verhalten eines Mittäters nicht derart mit dem im Ausland befindlichen Mittäter zu verbinden, dass sie einem eigenen Verhalten dieses Mittäters auf deutschem Territorium gleich kommt. Besonders deutlich zeigt sich das in Fällen, in denen der eine Mittäter – einem gemeinsamen Tatplan entsprechend – eine Vorbereitungshandlung in Deutschland vornimmt und sein sich im Ausland aufhaltender Komplize die eigentliche Ausführungshandlung im Ausland vollzieht, wo auch der tatbestandsmäßige Erfolg eintritt. Sähe man die Vorbereitungshandlung als mittäterschaftlichen Tatbeitrag an,1073 führte die wechselseitige Zurechnung der vom gemeinsamen Tatplan getragenen Handlungen der Mittäter dazu, dass für sämtliche Mittäter ein Handlungsort in Deutschland läge,1074 obgleich sich der Tatbezug zu Deutschland in einer die Tatbestandsverwirklichung nur vorbereitenden – wenn auch 1072

Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, Vor § 25 Rn. 73. Ob im Vorbereitungsstadium der eigentlichen Tatausführung geleiste Beiträge in Abgrenzung zur Teilnahme überhaupt einen hinreichenden mittäterschaftlichen Tatbeitrag begründen können, ist umstritten. Verneinend z. B. Roxin, AT II, § 25 Rn. 198 ff.; Schünemann, in: LK-StGB, § 25 Rn. 182 ff. Die Rechtsprechung und die überweigende Meinung im Schrifttum hingegen lassen auch Vorbereitungshandlungen als mittäterschaftsbegründende Tatbeiträge genügen, sofern das Fehlen von Tatbeiträgen bei der Tatausführung durch ein besonderes Gewicht der Beiträge im Vorbereitungsstadium ausgeglichen werde, vgl. z. B. BGHSt 14, 123, 128; 37, 289, 292; Jakobs, AT, S. 621; Rengier, AT, § 41 Rn. 19. 1074 A.A. Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), S. 379 ff. (409 f.): Das „vorrangige […] Kernanliegen des § 25 Abs. 2 StGB“ liege darin, „tatbestandlich unmittelbar relevantes Verhalten solchen Personen zuzurechnen, die es nicht eigenhändig vorgenommen haben, um auf diese Weise Formen der Täterschaft jenseits der Handlungsherrschaft und der Willensherrschaft überhaupt tatbestandlich erfassen zu können“. Nur solchen Mittätern, deren Verhalten sich in der Vornahme einer Vorbereitungshandlung erschöpfe, seien daher die tatbestandsverwirklichenden Ausführungshandlungen der anderen Mittäter zuzurechnen. Eine Zurechnung von Vorbereitungshandlungen an einen Mittäter, der eigenhändig den Tatbestand verwirkliche, sei hingegen nicht erforderlich. Mangels Handlungszurechnung läge ein Handlungsort des unmittelbar tatausführenden Mittäters damit allein an dem Ort, an dem er selbst tätig wird. Eine solche Sichtweise widerspricht dem Prinzip der wechselseitigen Zurechnung aller ab Fassung des gemeinsamen Tatplans vorgenommenen Handlungen im Rahmen der Mittäterschaft. Etwa auf Strafzumessungsebene ist es – wie auch von Miller/Rackow eingeräumt wird – zur Erfassung des vollständigen Unrechtsgehalts der Tat erforderlich, sämtliche tatplangemäß vorgenommenen Tatbeiträge der Mittäter wechselseitig anzurechnen. 1073

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

für die Verwirklichung des Tatplans wesentlichen – Handlung eines Komplizen auf deutschem Territorium erschöpft. Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass einem aus einem Tatbezug zum inländischen Territorium hergeleiteten Strafverfolgungsinteresse der Bundesrepublik Deutschland in den in Rede stehenden Konstellationen mittelbar täterschaftlicher und mittäterschaftlicher Tatbegehung aufgrund der geringen Nähe des im Ausland agierenden Mittäters bzw. mittelbaren Täters zum inländischen Territorium vergleichsweise wenig Gewicht zuzumessen ist. Demgegenüber wiegt das Souveränitätsinteresse eines primär territorial von der Tat betroffenen ausländischen Tatortstaates aufgrund der engeren territorialen Verknüpfung vergleichsweise schwer. Vor allem in Fällen, in denen das Verhalten des Mittäters bzw. mittelbaren Täters im ausländischen Tatortstaat nicht unter Strafe steht,1075 stellte sich eine Inanspruchnahme von Strafgewalt als ein die souveränitätsgetragene Entscheidung des ausländischen Tatortstaates für die Straflosigkeit aushebelnder schwerwiegender Souveränitätseingriff dar. Auch das oben für eine starke Legitimationskraft eines qua Verhaltenszurechnung begründeten Tatortes angeführte Interesse der Bundesrepublik Deutschland, Strafgewalt zum Zwecke einer Vermeidung von Umgehungsmöglichkeiten deutschen Strafrechts zu proklamieren, vermag das Souveränitätsinteresse des ausländischen Tatortstaates vor diesem Hintergrund nicht zu überwiegen. Den diesbezüglichen Strafverfolgungsinteressen Deutschlands kann i.Ü. ohnehin in den meisten Fällen auch ohne einen qua Verhaltenszurechnung begründeten Tatort hinreichend Rechnung getragen werden. So findet deutsches Strafrecht beispielsweise auf den betreffenden Täter gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB Anwendung, sofern er sich zwar ausschließlich im Ausland aufhält, sein nach der Tatplanung erforderlicherweise im Inland handelnder Komplize oder Tatmittler den Taterfolg allerdings im Inland herbeiführt. Festgehalten werden kann nach alledem, dass ein qua Verhaltenszurechnung begründeter inländischer Tatort nicht die Legitimationskraft aufweist, den mit einer Inanspruchnahme deutscher Strafgewalt gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB einhergehenden Eingriff in fremde Gebietshoheit zu rechtfertigen. Auch wenn einem vom Ausland aus agierenden Mittäter bzw. mittelbaren Täter das Verhalten eines im Inland befindlichen Mittäters bzw. Tatmittlers gem. § 25 StGB zugerechnet wird, ist eine Erstreckung deutscher Strafgewalt auf den Ort des zugerechneten Verhaltens völkerrechtlich durch das Interventionsverbot verboten. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB ist damit – unabhängig vom Verständnis des Tatbegriffes – in völkerrechtskonformer Auslegung die Einzellösung zugrunde zu legen.

1075 Vgl. zu diesem Aspekt in Bezug auf grenzüberschreitende Stammzellenforschung Valerius, NStZ 2008, S. 121 ff. (123 f.).

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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cc) Ergebnis Auf Basis der vorzugswürdigen Einzellösung gelangt ein prozessualer Tatbegriff in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB auch dann zu mit dem Interventionsverbot zu vereinbarenden Ergebnissen, wenn deutsche Strafgewalt bei mittäterschaftlicher oder mittelbar täterschaftlicher Tatbegehung gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB begründet wird. Ein in den Grenzen des Verbots, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen, zulässiges tatbestandsbezogenes Tatverständnis steht damit – aufgrund der weniger umfangreichen Strafgewaltausdehnung – erst recht mit dem Interventionsverbot in Einklang. e) Ergebnis Das Interventionsverbot steht einer prozessualen Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB nicht entgegen. Erst recht ist ein in den Grenzen des Verbots, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen, zulässiges tatbestandsbezogenes Tatverständnis mit dem Interventionsverbot vereinbar. 9. Individualrechtliche Implikationen Da die deutsche Strafgewalt auf Basis eines tatbestandsbezogenen Verständnisses des Tatbegriffs in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB in einem geringeren Umfang zum Tragen kommt als es unter Zugrundelegung eines prozessualen Tatverständnisses der Fall ist, provoziert ein tatbestandsbezogenes Tatverständnis tendenziell weniger umfangreiche Beschränkungen individueller Freiheitsrechte (z. B. der im jeweiligen Einzelfall einschlägigen Gewährleistungen des Grundgesetzes1076, der EMRK1077 oder unionaler Grundfreiheiten1078) als ein prozessuales Tatverständnis. Anders als es auf Basis eines prozessualen Tatverständnisses der Fall wäre, sähen sich die Adressaten deutscher Strafgewalt hier insb. nicht mit der Lage konfrontiert, auch hinsichtlich ausschließlich das Ausland betreffender Teile einer prozessualen Tat zusätzlich zu im ausländischen Tatortstaat geltenden Verhaltensanforderungen mit – möglicherweise abweichenden – deutschen strafbewehrten Verhaltensanforderungen belastet zu werden.1079 Auch diesbezügliche einschneidend freiheitsbeschrän1076 Das Strafverfahren an sich greift zumindest in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG ein, Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 96 ff. 1077 Beispielhaft sei das Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 6 EMRK genannt, das etwa in solchen Fällen beschränkt wird, in denen sich mit der deutschen Rechtsordnung und -justiz nicht bekannte ausländische Beschuldigte vor einem deutschen Gericht verantworten müssen, vgl. Walther, in: FS Eser, S. 925 ff. (945 f.). 1078 Siehe hierzu oben 1. Abschnitt A. 1079 Zu den mit kumulativen Strafgewalterstreckungen verschiedener Staaten einhergehenden Eingriffen in Freiheitsrechte der Normadressaten siehe bereits oben E. II. 5.; ausführlich zur Beschuldigtenperspektive Walther, in: FS Eser, S. 925 ff.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

kende Strafverfahren und Bestrafungen in Deutschland wären damit insoweit nicht zu befürchten. Den Freiheitsinteressen der Betroffenen, hinsichtlich ausschließlich das Ausland betreffender Tatteile nicht mit Strafgewalt belastet zu werden, steht das öffentliche Interesse an einem effektiven Selbstschutz der Bundesrepublik Deutschland gegenüber. Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, verlangt das Selbstschutzinteresse Deutschlands nach einer prozessualen, auch ausländische Tatteile erfassenden, prozessualen Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB. Aufgrund seiner Bedeutung für die Sicherheit und den Rechtsfrieden auf deutschem Territorium wiegt es tendenziell schwer. Beiden Interessen kann Rechnung getragen werrden, wenn die Reichweite deutscher Strafgewalt gem. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB im Grundsatz unter Zugrundelegung eines prozessualen Tatbegriffs bestimmt wird, die Strafgewalt allerdings verschiedentlich beschränkt wird. Strafgewaltbeschränkungen werden dabei durch diejenigen Restriktionen herbeigeführt, die oben unter dem Gesichtspunkt des Interventionsverbots in Anbetracht der Souveränitätsinteressen ausländischer Tatortstaaten für erforderlich gehalten wurden. Namentlich geht es um eine restriktive Auslegung bzw. völkerrechtskonforme Reduktion des § 9 Abs. 1 Var. 1, 2, 3 und 4 StGB, ein enges, streng naturalistisches Verständnis des prozessualen Tatbegriffs und ein prozessuales Absehen von Strafgewalt im Einzelfall.1080 Ausschließlich im Ausland verwirklichte Teilakte einer einheitlichen prozessualen Tat werden damit nur dann freiheitsbeschränkend der deutschen Strafgewalt unterworfen, wenn diese mit dem der inländischen Deliktsverwirklichung zugrunde liegenden Sachverhalt untrennbar verknüpft sind (zu diesbezüglichen Beispielen siehe sogleich unter E. IV.). Sind die Selbstschutzinteressen der Bundesrepublik Deutschland an der Wahrung von Sicherheit und Rechtsfrieden auf deutschem Territorium mangels hinreichend engen Inlandsbezugs der prozessualen Tat im Vergleich zu den Freiheitsrechten der Betroffenen abgewertet, müssen freiheitsbeschränkende Strafgewaltdurchsetzungen unterbleiben, indem möglichst frühzeitig von Strafverfolgung abgesehen wird – z. B. gem. § 153c Abs. 3 StPO1081, im Falle einer Auslieferung eines im Inland ergriffenen Täters gem. § 154b Abs. 1 StPO oder nach einer vorangegangenen zwischenstaatlichen Einigung auf eine Verfahrenskonzentration im ausländischen Staat etwa gem. 1080

Zu etwaigen Einschränkungen durch §§ 16 und 17 StGB siehe den 7. Abschnitt. Problematisch an einer auf § 153c Abs. 3 StPO gestützten Verfahrenseinstellung zugunsten der Freiheitsrechte Beschuldigter erscheint zwar, dass die Norm ausweislich ihres eindeutig auf der Strafverfolgung entgegenstehende öffentliche Interessen rekurrierenden Wortlauts nicht unmittelbar dem Beschuldigteninteresse zu dienen bestimmt ist, vgl. z. B. Diemer, in: KK-StPO, § 153c Rn. 15; Pfeiffer, § 153c StPO Rn. 5. Gleichwohl trägt eine öffentlichen Interessen dienende Strafgewaltbeschränkung faktisch mittelbar auch den Freiheitsrechten des Beschuldigten Rechnung. Zudem können einer Verfahrenseinstellung vorausgehende zwischenstaatliche Zuständigkeitsvereinbarungen (siehe hierzu oben E. II. 4.) unmittelbar von der Erwägung getragen sein, dem Normadressaten freiheitsbeschränkende Strafverfahren in Deutschland zu ersparen. 1081

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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§ 170 Abs. 2 StPO oder § 153c Abs. 2 StPO [siehe hierzu oben E. II. 4. und 8. a) bb) (2)]. In dem oben unter dem Gesichtspunkt des Interventionsverbots aufgeworfenen Beispielsfall, in dem der in Frankreich lebende Franzose F von Frankreich aus hunderte Franzosen in Frankreich und einen Franzosen in Deutschland betrügerisch schädigt, wäre demnach ein Strafgewaltverzicht zugunsten einer Aburteilung der sämtliche Vermögensschädigungen umfassenden prozessualen Tat in Frankreich auch in Anbetracht der Freiheitsrechte des F erforderlich. Schon vor Eintritt von Strafklageverbrauch gem. Art. 50 GRC, 54 SDÜ könnte auf diese Weise etwa eine ungerechtfertigte Beschränkung der Freizügigkeit des F (Art. 21 AEUV) vermieden werden. Auch dem in Art. 6 EMRK gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren würde insofern Rechnung getragen, als F sich nicht im Rahmen eines im Ausland in ausländischer Sprache geführten Strafverfahren nach ihm nicht vertrautem deutschem Verfahrens- und materiellen Recht verantworten müsste. Zwar vermag ein prozessuales Absehen von Strafgewalt nicht zu vermeiden, dass der Normadressat vor einem Strafgewaltverzicht zunächst freiheitsbeschränkend mit deutschen Strafnormen konfrontiert wird. Die anfängliche Inanspruchnahme von Regelungsgewalt stellt sich allerdings – insofern gelten die unter dem Gesichtspunkt des Interventionsverbots gewonnenen Erkenntnisse entsprechend – als vergleichsweise wenig eingriffsintensiv dar, wenn von vornherein mit einem Strafgewaltverzicht zu rechnen ist. Im Beispielsfall wäre das in besonderem Maße der Fall, weil das Einstellungsermessen hier auf null reduziert ist [siehe hierzu oben E. II. 8. a) bb) (2)]. Festzuhalten ist nach alledem, dass sich die mit einem prozessualen Verständnis des Tatbegriffs in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB einhergehenden Strafgewaltbelastungen der Betroffenen ausgehend von den aufgezeigten Strafgewaltbeschränkungen in angemessenen Grenzen halten. Die mit einem prozessualen Tatbegriff typischerweise einhergehenden individuellen Mehrbelastungen mit deutscher Strafgewalt stellen sich daher als gerechtfertigt dar. 10. Auslegungsergebnis Die Wortlautauslegung hat gezeigt, dass ein normatives Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB die gesetzliche Regelung dekonturiert. Es scheidet daher infolge eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG bzw. – sofern man diesen nicht für einschlägig erachtet – Art. 20 Abs. 3 GG als verfassungswidrig aus. Hinsichtlich der damit allein relevanten Frage, ob §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB ein tatbestandsbezogenes oder prozessuales Tatverständnis zugrunde liegt, hat der systematische Vergleich zwischen den als Ausnahmeregelungen restriktiv zu interpretierenden tatbestandsbezogenen Anknüpfungspunkten in §§ 5, 6 StGB und dem auf im Inland ablaufende Sachverhalte rekurrierenden Regelanknüpfungspunkt § 3 StGB ein prozessuales Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB nahe gelegt. Die Betrachtung der vielschichtigen Ratio der §§ 3, 9 Abs. 1 StGB hat ergeben, dass ein tatbestandsbezogenes Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

StGB zwar den Zwecken „Verfahrensdienlichkeit“ und „Minimierung von Jurisdiktionskonflikten“ besser gerecht wird als eine prozessuale Auslegung des Tatbegriffes. Auch eine tatbestandsbezogene Auslegung trägt diesen Zwecken allerdings nicht vollumfänglich Rechnung. Angesichts der Konsequenzen, die ein tatbestandsbezogener Tatbegriff für die Sicherheit und den Rechtsfrieden auf deutschem Territorium nach sich ziehen kann, spricht dagegen der zentrale Zweck des staatlichen Selbstschutzes für eine prozessuale Auslegung des Tatbegriffes in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB. Die völkerrechtskonforme Auslegung hat ergeben, dass der Tatbegriff in den Geltungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ betreffenden Fallkonstellationen prozessual zu verstehen ist, wenn eine auf §§ 3, 9 Abs. 1 StGB gestützte Aburteilung vor einem deutschen Gericht anderenfalls zu einem ungerechtfertigten Ausschluss der Strafansprüche anderer Vertragsstaaten der Art. 50 GRC, 54 SDÜ infolge transnationalen Strafklageverbrauchs führte. Im Hinblick auf das völkerrechtliche Interventionsverbot wurde festgestellt, dass ein – in den Grenzen des Verbots, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen, zulässiges – tatbestandsbezogenes Tatverständnis den Souveränitätsrechten ausländischer Staaten, Strafgewalt frei von Einmischungen seitens der Bundesrepublik Deutschland auszuüben, aufgrund der weniger umfangreichen Ausdehnung deutscher Strafgewalt tendenziell besser Rechnung trägt als ein prozessuales Tatverständnis. Das Interventionsverbot steht einer prozessualen Auslegung des Tatbegriffs allerdings in Anbetracht der Selbstschutzinteressen der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegen. Den Souveränitätsinteressen ausländischer Staaten kann dadurch Rechnung getragen werden, dass man den prozessualen Tatbegriff auf faktisch untrennbar zusammengehörige Geschehen beschränkt, solche Fälle prozessual der deutschen Strafgewalt entzieht, in denen Souveränitätsinteressen ausländischer Staaten die Selbstschutzinteressen der Bundesrepublik Deutschland überwiegen und § 9 Abs. 1 Var.1, 2, 3 und 4 StGB restriktiv interpretiert. Ausgehend von einem so beschränkten Strafanspruch sind auch die mit einem prozessualen Tatbegriff einhergehenden vergleichsweise umfangreicheren Eingriffe in Freiheitsrechte der Adressaten deutscher Strafgewalt gerechtfertigt. Als Auslegungsergebnis ist damit festzuhalten, dass §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB ein prozessualer Tatbegriff zugrunde liegt. Ein einheitlicher, zusammengehöriger Lebenssachverhalt unterliegt demnach in jeder Hinsicht der deutschen Strafgewalt, wenn z. B. eine tatbestandsmäßige Handlung oder ein zum Tatbestand gehörender Erfolg aus dem untrennbaren Gesamtgeschehen in Deutschland verortet ist. Die deutsche Strafgewalt erstreckt sich dann gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 bzw. Var. 3 StGB vollumfänglich auf die gesamte Tat im prozessualen Sinne.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

253

III. Präzisierung 1. Herkömmliche Grundsätze zum prozessualen Tatbegriff Zur Bestimmung der prozessualen Tat i.S.e. nach der allgemeinen Lebensanschauung untrennbar zusammengehörigen Lebenssachverhaltes1082 sind nach den in der deutschen Rechtspraxis im Grundsatz überwiegend konsentierten1083 herkömmlichen Grundsätzen die konkreten tatsächlichen Umstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen.1084 Abzustellen ist auf Kriterien wie Tatobjekt, Tatbild, ggf. auch Tatort und Tatzeit.1085 Auf das Vorliegen einer prozessualen Tat kann beispielsweise eine sukzessive oder wiederholende Vornahme gleichartiger Handlungen hindeuten.1086 Auch ein Hinwirken auf ein von einem Gesamttatplan getragenes einheitliches Ziel kann für die Annahme einer prozessualen Tat sprechen.1087 Eindeutige Maßgaben, die für sämtliche denkbaren Fallkonstellationen zu einem eindeutigen Ergebnis führen, existieren angesichts der Vielfältigkeit der zu beurteilenden Fallkonstellationen nicht.1088 Die Rechtsprechung bejahte das Vorliegen einer prozessualen Tat beispielsweise im Falle einer Trunkenheitsfahrt zum Zwecke des Betäubungsmitteltransports.1089 Auch in einem Entfernen vom Unfallort und einer vorangegangenen Trunkenheitsfahrt sah der BGH eine einheitliche prozessuale Tat.1090 Die untrennbare Verknüpfung zwischen Unfallflucht und Trunkenheitsfahrt lag hier vor allem darin begründet, dass sich der Fahrzeugführer im Wege der Unfallflucht vor einer Aufdeckung der Trunkenheitsfahrt schützen wollte. Im Falle einer in Bereicherungsabsicht vorgenommenen Brandstiftung zum Zwecke eines anschließenden Versicherungsbetruges ging der BGH aufgrund der von einer einheitlichen Zielsetzung getragenen sukzessiven Vorgehensweise des Angeklagten von 1082 BGHSt 22, 375, 385; 29, 341, 342; 49, 359, 362; BGH NStZ 2014, 46, 47; Beulke, StrPrR, Rn. 513; Kühne, in: LR-StPO, Einl. Abschn. K Rn. 60 f.; Pfeiffer, § 264 StPO Rn. 2; kritisch z. B. Bauer, NStZ 2003, S. 174 ff. (174); Stuckenberg, in: KMR-StPO, 29. Lfg. September 2001, § 264 Rn. 28. 1083 Vgl. Stuckenberg, in: KMR-StPO, 29. Lfg. September 2001, § 264 Rn. 29. 1084 Vgl. nur BGH NStZ-RR 2003, 82, 83; Eschelbach, in: BeckOK-StPO, § 264 Rn. 5; Radtke, in: Radtke/Hohmann, § 264 StPO Rn. 15. Zu abweichenden Ansichten (Heranziehung materiell-rechtlicher Kriterien) siehe Maatz, in: FS Meyer-Goßner, S. 257 ff.; Paeffgen, in: GS Heinze, S. 615 ff.; Radtke, in: Radtke/Hohmann, § 264 StPO Rn. 5 ff., 16 ff.; Stuckenberg, in: LR-StPO, § 264 Rn. 29 ff. 1085 Vgl. BGHSt 36, 151, 153 ff.; 43, 96, 98; BGH NStZ 2000, 216; Eschelbach, in: BeckOK-StPO, § 264 Rn. 6; Volk/Engländer, Grundkurs StPO, § 13 Rn. 3; zum Meinungsstand siehe Stuckenberg, in: KMR-StPO, 29. Lfg. September 2001, § 264 Rn. 28 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 1086 Vgl. BGHSt 45, 211, 214. 1087 Vgl. BGH NStZ-RR 2002, 259; BGH NStZ 2006, 350. 1088 Vgl. BGHSt 43, 252, 255; Beulke, StrPrR, Rn. 513; Heghmanns, Strafverfahren, Rn. 168. 1089 BGH NStZ 2012, 709, 710. 1090 BGHSt 25, 72, 74 ff.

254

5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

einer prozessualen Tat aus.1091 Mit entsprechender Begründung wurde eine prozessuale Tat im Falle eines Banküberfalls mit anschließender Flucht durch Fahren ohne Fahrerlaubnis als einheitliche prozessuale Tat angesehen.1092 Strikt zu trennen ist der prozessuale Tatbegriff von materiell-rechtlichen Erwägungen.1093 Tat im prozessualen Sinne ist das „konkrete geschichtliche Vorkommnis“, nicht hingegen eine Straftat oder die konkurrenzrechtliche Einheit mehrerer Straftaten (§ 52 StGB).1094 Sähe man das anders, ließe sich die „Tat“ als Gegenstand der Urteilsfindung (vgl. § 264 Abs. 1 StPO) nicht adäquat umgrenzen. Stellte man insofern beispielsweise auf die der Anklage oder dem Eröffnungsbeschluss zugrunde liegende materiell-rechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes ab, setzte man sich über die aus §§ 155 Abs. 2, 264 Abs. 2, 207 Abs. 2 Nr. 3, 265 StPO folgende Regelung hinweg, wonach eine Veränderung der rechtlichen Bewertungen im Hauptverfahren keine neue Anklage voraussetzt, den Prozessgegenstand also unberührt lässt.1095 Bestimmte sich der Umfang der prozessualen Tat anhand komplexer materiell-rechtlicher Erwägungen, gelangte man zudem im Hinblick auf den auf die prozessuale Tat bezogenen1096 Strafklageverbrauch nach Art. 103 Abs. 3 GG zu unangemessenen Ergebnissen. Der Beschuldigte könnte nicht rechtssicher vorhersehen, in welchen Fällen ihm eine erneute Verfolgung und Bestrafung drohte. Setzte man den prozessualen Tatbegriff etwa mit dem Begriff der Tateinheit i.S.d. § 52 StGB gleich, könnte ein tatmehrheitlich verwirklichte Delikte umfassendes faktisch einheitliches Geschehen mehrfach abgeurteilt werden, wenn sich die erste rechtskräftige Aburteilung nur auf ein Delikt oder tateinheitlich verwirklichte Delikte aus diesem Geschehen bezog. Der Ratio des Art. 103 Abs. 3 GG, Beschuldigte wegen ein und desselben Vorfalls nicht mehrfach mit einschneidend freiheitsbeschränkender Strafverfolgung und Bestrafung zu belasten,1097 liefe eine derartige Rechtslage zuwider.1098 Unbeschadet der gebotenen strikten Trennung zwischen prozessualem und materiell-rechtlichem Tatbegriff können materiell-rechtliche Kriterien gleichwohl ein Indiz für das Vorliegen einer prozessualen Tat liefern. Stehen Delikte zueinander in einem Verhältnis materiell-rechtlicher Tateinheit (§ 52 StGB), wird nur ein Straf1091

BGHS 45, 211, 213 ff. BGH NStZ 1996, 41, 41. Zu zahlreichen weiteren Beispielen siehe Kuckein, in: KKStPO, § 264 Rn. 7a. 1093 Vgl. nur BVerfGE 45, 434, 435; 56, 22, 29 f.; Heghmanns, Strafverfahren, Rn. 168; Volk/Engländer, Grundkurs StPO, § 13 Rn. 1. 1094 Vgl. BGH NJW 1992, 1776, 1777; Volk/Engländer, Grundkurs StPO, § 13 Rn. 2. 1095 Radtke, in: Radtke/Hohmann, § 264 StPO Rn. 19; Stuckenberg, in: KMR-StPO, 29. Lfg. September 2001, § 264 Rn. 11, 30. 1096 Vgl. Beulke, StrPrR, Rn. 512; Stuckenberg, in: KMR-StPO, 29. Lfg. September 2001, § 264 Rn. 10. 1097 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, 30. Lfg. Dezember 1992, Art. 103 GG Rn. 271. 1098 Vgl. Stuckenberg, in: KMR-StPO, 29. Lfg. September 2001, § 264 Rn. 6, 11. 1092

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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tatbestand durch mehrere Teilhandlungen verwirklicht oder treten Straftatbestände hinter einem anderen Straftatbestand auf Ebene der Gesetzeskonkurrenzen zurück, liegt aufgrund des einheitlichen Täterverhaltens regelmäßig ein faktisch einheitliches Geschehen vor. Es ist dann regelmäßig von einer Tat im prozessualen Sinne auszugehen.1099 Stehen Delikte demgegenüber zueinander in einem Verhältnis materiell-rechtlicher Tatmehrheit (§ 53 StGB), werden die einzelnen, verschiedenen kriminellen Akte faktisch betrachtet oftmals nicht untrennbar miteinander verknüpft sein. Hier liegt die Annahme mehrerer prozessualer Taten nahe,1100 wenngleich auch tatmehrheitlich verwirklichte Delikte durchaus im Rahmen einer prozessualen Tat liegen, sofern sie faktisch betrachtet – etwa aufgrund einer in einem einheitlichen Tatplan wurzelnden sukzessiven Vorgehensweise – dasselbe untrennbare Geschehen betreffen1101. 2. Völker- und individualschutzrechtliche Implikationen Über die herkömmlichen nationalen Grundsätze zum prozessualen Tatbegriff hinaus hat die Bestimmung des prozessualen Tatbegriffs in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB vor allem unter der Prämisse ihrer Vereinbarkeit mit Völkerrecht und den Freiheitsrechten der Adressaten deutscher Strafgewalt zu erfolgen. Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, können §§ 3, 9 Abs. 1 StGB zum einen gegen das völkerrechtliche Verbot, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen, verstoßen, wenn der Tatbegriff in den Geltungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ betreffenden Fällen vom Umfang des erfassten Sachverhaltes her hinter dem in Art. 50 GRC, 54 SDÜ enthaltenen, auf den faktisch zusammengehörigen Lebenssachverhalt rekurrierenden, Tatbegriff zurückbleibt (siehe hierzu E. II. 6.). Zum anderen erfordern insb. das völkerrechtliche Interventionsverbot und die Freiheitsrechte der Betroffenen, dass dem prozessualen Tatbegriff allein untrennbar zusammengehörige Geschehen zugeordnet werden (siehe hierzu E. II. 8. und 9.). Wendet man die soeben geschilderten herkömmlichen rein naturalistischen Kriterien zur Bestimmung der prozessualen Tat strikt an, bleiben die erzielten Ergebnisse weder hinter dem Tatbegriff in Art. 50 GRC, 54 SDÜ zurück, noch reichen sie über das untrennbar Zusammengehörige hinaus.1102 Konflikte drohen demgegenüber immer dann, wenn man nach dem Vorbild nicht selten anzutreffender Gerichtsentscheidungen und Literaturmeinungen unter dem Deckmantel einer naturalistischen Betrachtungsweise materiell-rechtliche, normative Kriterien in die Bestimmung der prozessualen Tat einfließen lässt. Beispielhaft sei das Abstellen auf die 1099 BVerfGE 45, 434, 435; BGHSt 8, 92, 94, 95; 26, 284, 285; BGH NStZ 1984, 171, 172; Beulke, StrPrR, Rn. 514; Engelhardt, in: KK-StPO, § 264 Rn. 4 m.w.N.; Heghmanns, Strafverfahren, Rn. 169; zu Ausnahmen siehe z. B. BVerfGE 56, 22; BGHSt 29, 288. 1100 BGHSt 43, 96, 99; 44, 91, 94; Beulke, StrPrR, Rn. 516; Engelhardt, in: KK-StPO, § 264 Rn. 5 ff. m.w.N. 1101 Beulke, StrPrR, Rn. 516; Engelhardt, in: KK-StPO, § 264 Rn. 5 ff. m.w.N. 1102 Siehe oben E. II. 6. a) bb) (1) und E. II. 8. a) bb) (2).

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

„strafrechtliche Bedeutung“ des Vorgangs1103, den „rechtlichen Kern“1104, die Schwere der Straftat1105, die dem Geschehen das „rechtliche Gepräge“ verleihende „Angriffsrichtung“ 1106, die Verletzung bzw. Gefährdung eines (teil)identischen Rechtsguts1107 oder das maßgebliche Heranziehen des materiell-rechtlichen Konkurrenzverhältnisses verschiedener Delikte1108 genannt.1109 Ginge man beispielsweise im Falle eines Raubes mit einer unerlaubt geführten Waffe von materiell-rechtlicher Tateinheit zwischen dem Dauerdelikt des unerlaubten Waffenbesitzes und dem Zustandsdelikt des Raubes aus,1110 hätte ein maßgebliches Heranziehen des materiell-rechtlichen Konkurrenzverhältnisses die Annahme einer prozessualen Tat zur Folge.1111 Ein inländischer Begehungsort des unerlaubten Waffenbesitzes führte dann gem. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB zur Erstreckung der deutschen Strafgewalt auf einen sich ausschließlich im Ausland abspielenden Raubsachverhalt, obgleich sich der Waffenbesitz einerseits und der Raub andererseits nach Tatbild, Tatobjekt, Tatzeit und Tatort unterscheiden.1112 Eine entsprechende Strafgewaltproklamation widerspräche der – unter dem Gesichtspunkt des Interventionsverbotes und der Freiheitsrechte der Betroffenen – gebotenen Strafgewaltbeschränkung auf untrennbar zusammengehörige Geschehen. Entfernte sich beispielsweise ein in der deutsch-polnischen Grenzregion unkonzentriert fahrender Autofahrer, der in Deutschland Leib und Leben von Passanten infolge eines rücksichtslosen, grob verkehrswidrigen Überholvorgangs gefährdet und im Rahmen derselben ununterbrochenen Autofahrt kurz darauf in Polen einen Unfall ohne Personenschäden verursacht, unerlaubt vom Unfallort, führte das maßgebliche Heranziehen des materiell-rechtlichen Konkurrenzverhältnisses (hier:

1103 BGHSt 13, 21, 26; 49, 359, 362; BGH NStZ 2014, 102, 103; vgl. hierzu Radtke, in: Radtke/Hohmann, § 264 StPO Rn. 25, der zutreffend darauf hinweist, dass ein Abstellen auf die „strafrechtliche Bedeutung“ des Geschehens mit der von der Rechtsprechung propagierten naturalistischen Betrachtungsweise schwer zu vereinbaren sei. 1104 Hruschka, JZ 1966, S. 700 ff. (703); vgl. auch Barthel, S. 140 ff. 1105 BGH NJW 1989, 1810, 1810. 1106 Beulke, StrPrR, Rn. 519, 521; ders., in: FS 50 Jahre BGH, Bd. 4, S. 781 ff. (804 ff.). 1107 BGH StV 1981, 167, 168. 1108 Behrendt, ZStW 94 (1982), S. 888 ff. (910 ff.); Herzberg, JuS 1972, S. 113 ff. (117 ff.). 1109 Detailliert zu den genannten und weiteren normativierenden Ansätzen Stuckenberg, in: KMR-StPO, 29. Lfg. September 2001, § 264 Rn. 22 ff. m.w.N. 1110 Die Konkurrenzverhältnisse zwischen Dauer- und Zustandsdelikt sind in derartigen Konstellationen im Einzelnen höchst umstritten. Zum Meinungsstand siehe Fischer, Vor § 52 Rn. 60; Rissing-van Saan, in: LK-StGB, § 52 Rn. 23 ff.; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/ Schröder, Vor § 52 Rn. 88 ff., jeweils m.w.N. 1111 Im Schrifttum werden derartige Fälle vor allem unter dem Gesichtspunkt des Strafklageverbrauchs gem. Art. 103 Abs. 3 GG diskutiert, vgl. statt vieler Kindhäuser, StrPrR, § 25 Rn. 20 ff. 1112 Zur Trennbarkeit der einzelnen Sachverhaltsteile in ähnlichen Fällen vgl. z. B. BGHSt 35, 60; 36, 151.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Tatmehrheit zwischen § 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. b und § 142 StGB1113) zur Annahme zweier prozessualer Taten. Auch ein Heranziehen normativer Kriterien wie „ähnlicher Unrechtsgehalt“, gleiche, das rechtliche Geschehen prägende, Angriffsrichtung oder „Identität der tangierten Rechtsgüter“ legte die Annahme verschiedener prozessualer Taten nahe. Denn das unerlaubte Entfernen vom Unfallort beeinträchtigt die Beweisführung des Unfallbeteiligten im Hinblick auf zivilrechtliche Ansprüche,1114 wohingegen die Straßenverkehrsgefährdung durch das vorangegangene Unfallgeschehen die Sicherheit des Straßenverkehrs und die konkret in Gefahr gebrachten Individualrechtsgüter betrifft1115. Rein naturalistisch betrachtet bilden die Straßenverkehrsgefährdung und das Entfernen vom Unfallort allerdings insb. nach der Tatzeit und der kausalen Verknüpfung der Einzelakte einen einheitlichen zusammengehörigen Lebenssachverhalt.1116 Ginge man hier gleichwohl unter Berufung auf die o.g. materiellen Erwägungen von zwei prozessualen Taten aus, könnte gestützt auf §§ 3, 9 Abs. 1 StGB allein die Straßenverkehrsgefährdung in Deutschland abgeurteilt werden. Eine entsprechende Aburteilung hätte zur Folge, dass die in Polen verortete Unfallflucht aufgrund des Eintritts von transnationalem Strafklageverbrauch hinsichtlich der faktisch betrachteten Gesamttat nicht mehr abgeurteilt werden könnte. Der §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB zugrunde liegende Tatbegriff bliebe dann unter dem Gesichtspunkt des völkerrechtlichen Verbotes, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen (siehe hierzu oben E. II. 6.), völkerrechtswidrig hinter dem das gesamte faktisch einheitliche Geschehen in Bezug nehmenden Tatbegriff der Art. 50 GRC, 54 SDÜ zurück. Die Beispiele haben gezeigt, dass eine Heranziehung materiell-rechtlicher Kriterien nur solange unbedenklich sein kann, wie sie – der nach den herkömmlichen nationalen Grundsätzen zum prozessualen Tatbegriff gebotenen Trennung zwischen prozessualem und materiell-rechtlichem Tatbegriff Rechnung tragend – lediglich optional als bloßes Indiz i.S.e. unverbindlich heranziehbaren Orientierungsmarke zur Bestimmung der allein maßgeblichen faktisch-naturalistischen Einheitlichkeit des Geschehens aufgefasst werden.1117 Zu weit geht dagegen die Vorgehensweise, ma-

1113

Vgl. BGHSt 23, 141, 144; Kindhäuser, StrPrR, § 25 Rn. 26. Vgl. hierzu Fischer, § 142 Rn. 2; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 142 Rn. 1a, jeweils m.w.N. 1115 BGHSt 23, 261, 263; BGH NStZ 1989, 73, 74; Fischer, § 315c Rn. 2; Sternberg-Lieben/ Hecker, in: Schönke/Schröder, § 315c Rn. 2; a.A. (hauptsächlich bzw. ausschließlich Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs): BGHSt 27, 40, 41; König, in: LK-StGB, § 315c Rn. 3; Lackner/Kühl, § 315c Rn. 1. Wolters, in: SK-StGB, 131. Lfg. März 2012, § 315c Rn. 2, ist der Meinung, § 315c StGB schütze ausschließlich Individualrechtsgüter. 1116 Vgl. BGHSt 23, 141, 150; 24, 185, 186; Kindhäuser, StrPrR, § 25 Rn. 26; MeyerGoßner/Schmitt, § 264 StPO Rn. 6a. 1117 So etwa in Bezug auf das materiell-rechtliche Konkurrenzverhältnis BVerfGE 45, 434, 435; BGHSt 8, 92, 94, 95; 26, 284, 285; BGH NStZ 1984, 171, 172; Beulke, StrPrR, Rn. 514; Engelhardt, in: KK-StPO, § 264 Rn. 4 m.w.N. 1114

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

teriell-rechtlichen statt naturalistischen Kriterien maßgeblichen Ausschlag bei der Ermittlung des Umfangs der prozessualen Tat zukommen zu lassen.1118 IV. Anwendung Im Folgenden werden die bislang gewonnenen Erkenntnisse rund um den Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB auf einige der eingangs angesprochenen typischen Szenarien rund um das Anbieten virtueller Glücksspiele angewendet, im Rahmen derer der Tatort einer Deliktsverwirklichung in Deutschland liegt. 1. Erstes Szenario: „Glücksspielveranstaltungstourismus“ I Der Glücksspielanbieter bewirbt sein virtuelles Glücksspielangebot zunächst von Deutschland aus und veranstaltet es im Anschluss daran im Ausland.

Mit dem ersten Szenario sind Fälle angesprochen, in denen Glücksspielanbieter ihr weltweit zugängliches nach deutschem Recht illegales Glücksspielangebot von Deutschland aus z. B. durch das Schalten von reißerischen Werbebannern oder Popup-Werbefenstern mit einem direkten Link zur Glücksspielwebseite bewerben (Werbung für ein illegales Glücksspiel, § 284 Abs. 4 StGB1119). Anschließend reisen sie – wie von vornherein geplant – in Staaten, in denen sie eine Offshore-Lizenz erhalten werden, erhalten haben oder in denen eine Glücksspiellizenz gar nicht verlangt wird und stellen ihr Glücksspielangebot von dort aus ins Internet ein (gewerbsmäßiges Veranstalten eines Glücksspiels, § 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB und Bereitstellen von Einrichtungen hierzu, § 284 Abs. 1 Var. 3, Abs. 3 Nr. 1 StGB). Sowohl die Werbung als auch das Glücksspiel selbst sind dabei auch auf den deutschen Markt ausgerichtet. Zu dem als unverbindliche Hilfestellung heranzuziehenden materiell-rechtlichen Konkurrenzverhältnis der in Rede stehenden Delikte ist hier Folgendes zu sagen: § 284 Abs. 1 Var. 1 und 3, jeweils i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 StGB einerseits und § 284

1118 Radtke/Busch, EuGRZ 2000, S. 421 ff. (430), kommen in anderem Kontext zur gleichen Schlussfolgerung. Sie gehen davon aus, dass sich der Umfang des transnationalen Strafklageverbrauchs gem. Art. 54 SDÜ in Anknüpfung an die Rechtsnormen des Erstentscheidungsstaates bestimmt, mit denen die materielle Rechtskraftfähigkeit der Entscheidung festgelegt werde. Maßgeblich sei damit der Umfang des Verfahrensgegenstandes im Erstentscheidungsstaat, d. h. etwa in Bezug auf Deutschland: des prozessualen Tatbegriffs, vgl. § 264 StPO. Sofern man diesen anhand materiell-rechtlicher nationaler Besonderheiten bestimmte, käme es „auf international strafverfahrensrechtliche(r) Ebene zu einer Zersplitterung des Verfahrensgegenstandes“ und zu Gerechtigkeitsdefiziten infolge differierender Bestimmungen der Reichweite des transnationalen Strafklageverbrauchs. Die nationale Bestimmung des Verfahrensgegenstandes habe daher ohne materiell-rechtliche Bewertungen zu erfolgen. Ähnlich Plöckinger/Leidenmühler, wistra 2003, S. 81 ff. (87). 1119 Im Falle irreführender Werbung ist zudem § 16 UWG (strafbare Werbung) einschlägig.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Abs. 4 StGB andererseits werden durch verschiedene Handlungen verwirklicht.1120 Sowohl §§ 284 Abs. 1 Var. 1 und 3, Abs. 3 Nr. 1 StGB als auch § 284 Abs. 4 StGB bezwecken eine Eindämmung illegaler Glücksspiele zum Zwecke des Vermögensund Gesundheitsschutzes. Da die Werbung das illegale Glücksspielangebot lediglich anpreisend vorbereitet, wird deren Unrechtsgehalt durch die Bestrafung der zentralen Unrechtsverwirklichung in Form der tatsächlichen Ausrichtung des Glücksspiels nach § 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB mit abgegolten. § 284 Abs. 4 StGB tritt daher als mitbestrafte Vortat des nachfolgenden Veranstaltens des Glücksspiels hinter § 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB zurück.1121 § 284 Abs. 1 Var. 3 StGB (Bereitstellen von Einrichtungen) tritt aufgrund seines Charakters als Auffangnorm für Fälle, in denen sich die Verwirklichung des § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB nicht nachweisen lässt (siehe hierzu oben 3. Teil B. V.), subsidiär hinter § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB zurück.1122 Bestraft werden könnte daher nur nach § 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB. Das indizielle Konkurrenzverhältnis spricht damit für die Annahme einer einheitlichen prozessualen Tat. Für die Annahme einer einheitlichen prozessualen Tat spricht außerdem, dass sowohl das Werben als auch das Veranstalten ein und dasselbe illegale, im Hinblick auf Vermögen und Gesundheit der Spielteilnehmer risikoreiche Glücksspielangebot desselben Glücksspielanbieters betreffen. Sowohl das Werben als auch das Veranstalten ist von der Zielsetzung getragen, durch den Aufbau eines illegalen Spielbetriebs Gewinne zu erzielen.1123 Das Werben soll potenzielle Spielteilnehmer zur Teilnahme am sodann veranstalteten Glücksspiel bewegen. Diese – von einem einheitlichen Tatplan getragene – sukzessive Vorgehensweise lässt die Einzelhandlungen nach der allgemeinen Lebensanschauung als einen einheitlichen Prozess des „Anbietens eines virtuellen Glücksspiels“ erscheinen. Dass der Glücksspielanbieter die verschiedenen Einzelhandlungen möglicherweise an weit voneinander entfernten Orten vornimmt – etwa das Bewerben des virtuellen Glücksspiels in Deutschland und das Veranstalten in Gibraltar –, vermag an der Einheitlichkeit insofern nichts zu ändern, als sich räumliche Entfernungen im Zeitalter von Globalisierung und neuen Medien i. d. R. unproblematisch überwinden

1120 Zwischen den § 284 Abs. 1 und Abs. 4 StGB verwirklichenden Handlungen kann keine sog. natürliche Handlungseinheit angenommen werden, siehe hierzu oben Fn. 722. 1121 Vgl. Feilcke, in: BeckOK-StGB, § 284 Rn. 39; Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 36. 1122 Nimmt man etwa mit Hohmann, in: MK-StGB, § 284 Rn. 34, in diesen Fällen eine tatbestandliche Handlungseinheit an, handelt es sich von vornherein nur um eine Gesetzesverletzung. Es stellen sich dann keine Konkurrenzfragen. 1123 Das damit angesprochene Kriterium des „einheitlichen Zwecks“ nennt der EuGH als Kriterium zur Beurteilung, ob grenzüberschreitende Sachverhalte (insb. Betäubungsmitteltransportfahrten) ein einheitliches Geschehen bilden; vgl. z. B. EuGH Urt. v. 28. 9. 2006, Rs. C-467/04, Gasparini u. a., Slg. 2006, I-9199, Rn. 56; Urt. v. 18. 7. 2007, Rs. C-288/05, Kretzinger, Slg. 2007, I-6441, Rn. 24; siehe auch BGH NJW 2008, 2931, 2932 f.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

lassen.1124 Sowohl die Glücksspielwebseite bzw. Applikation als auch die Internetwerbung können – ganz gleich von welchem Standort aus sie ins Internet eingestellt werden – weltweit abgerufen werden. Für die Adressaten der Inhalte ist i. d. R. noch nicht einmal nachvollziehbar, an welchem Ort die Publikationshandlung vorgenommen wurde. Nach der allgemeinen Lebensanschauung begründet eine Überschreitung von Staatsgrenzen daher keine Geschehensaufspaltung. Auch zeitliche Unterbrechungen, etwa in Form von längeren Reisezeiten, führen aus entsprechenden Gründen nicht per se zu einer Durchbrechung des Prozesses „Anbieten eines virtuellen Glücksspiels“. Auch wenn die Einzelhandlungen längere Zeit auseinanderliegen, können sie – wie im vorliegenden Szenario – aufgrund eines auf ein und dasselbe Glücksspielangebot bezogenen, sukzessiv umgesetzten Tatplans nach der allgemeinen Lebensanschauung als untrennbar zusammengehörig erscheinen. Im Ergebnis bildet das Szenario des inländischen Bewerbens und ausländischen Veranstaltens eines virtuellen Glücksspiels daher eine einheitliche Tat im prozessualen Sinne. Deutsches Strafrecht ist aufgrund des in Deutschland liegenden Handlungsortes der Glücksspielwerbung (§ 284 Abs. 4 StGB) gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB auf den gesamten Tatkomplex anwendbar. Käme es zu einer Verurteilung des Glücksspielanbieters vor einem deutschen Gericht, würde – entsprechend der obigen Erkenntnisse zum Konkurrenzverhältnis der verwirklichten Delikte – nach § 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB bestraft. Da das Werben für das illegale Glücksspiel, auch wenn es auf Konkurrenzebene zurücktritt, seinen Charakter als Straftat behält, entfällt der Tatort dieses Delikts nicht etwa rückwirkend aufgrund der Tatsache, dass § 284 Abs. 4 StGB hinter § 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB zurücktritt.1125 Neben einer Bestrafung nach § 284 StGB wären etwaige Gewinne des Glücksspielanbieters – soweit möglich1126 und ggf. unter Inanspruchnahme von Vollstreckungshilfe (vgl. z. B. §§ 90, 48 ff. IRG)1127 – abzuschöpfen (§§ 286 Abs. 1, 73d StGB, erweiterter Verfall). Sollte neben Deutschland ein weiterer Vertragsstaat der Art. 50 GRC, 54 SDÜ die Strafverfolgung aufnehmen, kann es nach derzeitiger Rechtslage zu einem „Wettlauf der Strafverfolgungsbehörden“ kommen. Derjenige Staat, der die prozessuale Tat 1124 Dass räumliche Distanzen nicht notwendigerweise zur Aufspaltung eines Geschehens führen, wird z. B. betont von KG NJW 1957, 1935, 1935; Ambos, in: MK-StGB, § 9 Rn. 45; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 109. Auch der EuGH misst dem Kriterium des Tatortes im Rahmen der Beurteilung der Einheitlichkeit eines innerhalb der EU ablaufenden Geschehens kaum Bedeutung zu, vgl. z. B. EuGH Urt. v. 18. 7. 2007, Rs. C-288/05, Kretzinger, Slg. 2007, I-6441, Rn. 37. 1125 Vgl. Ambos, in: MK-StGB, § 9 Rn. 47; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 107. 1126 Oftmals wird praktisch nicht nachweisbar sein, dass sich Gewinne (noch) im Vermögen des Glücksspielanbieters befinden oder Einnahmen aus dem illegalen Glücksspielangebot stammen. 1127 Zu praktischen und rechtshilferechtlichen Grenzen der grenzüberschreitenden Gewinnabschöpfung vgl. Hackner/Schierholt, Rn. 238 ff.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

261

zuerst aburteilt und ggf. die Voraussetzungen des Vollstreckungselements aus Art. 54 SDÜ erfüllt, führt im Geltungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ Strafklageverbrauch herbei. Der Strafanspruch des langsameren Staates wird dadurch ausgeschlossen. Derartige Situationen gilt es derzeit im Wege einzelfallspezifischer zwischenstaatlicher Zuständigkeitsvereinbarungen mit dem Ziel einer Vermeidung von Parallelverfahren und eines Ausgleichs konfligierender Souveränitätsinteressen abzuwenden (siehe hierzu oben E. II. 4.). Inhalt solcher Vereinbarungen kann u. U. auch eine Einigung darüber sein, welchem Staat etwaige abgeschöpfte Gewinne des Glücksspielanbieters in welchem Umfang zustehen sollen. Im IRG ist die Möglichkeit zwischenstaatlicher „Vereinbarung(en) über die Verwertung, Herausgabe und Aufteilung des abgeschöpften Vermögens“ seit 2009 ausdrücklich vorgesehen, vgl. § 56b IRG1128. Auch in Fällen, in denen neben Deutschland außereuropäische Staaten von der Tat betroffen sind, bedarf es nach Möglichkeit entsprechender Absprachen. Da es in diesen Fällen an verbindlichen Regelungen zum transnationalen Strafklageverbrauch fehlt, sind Zuständigkeitsvereinbarungen hier vor allem im Interesse des Beschuldigten anzustreben, nicht mehrfach wegen ein und derselben Tat bestraft zu werden. Vor allem in Fällen divergierender Verhaltensbewertungen dürften entsprechende Einigungen allerdings nicht zustande kommen. Faktisch wird sich in derartigen Fällen die Rechtsordnung des Ergreifungsstaates durchsetzen, weil dieser den Täter regelmäßig nicht ausliefern wird. 2. Zweites Szenario: „Glücksspielveranstaltungstourismus“ II Der Glücksspielanbieter veranstaltet sein virtuelles Glücksspiel von einem ausländischen Staat aus und betreut es im Anschluss daran in Deutschland.

Ähnlich wie das erste Szenario ist das zweite Szenario aus dem Bereich „Glücksspielveranstaltungstourismus“ zu beurteilen, in welchem der Glücksspielanbieter im Anschluss an das im Ausland vorgenommene gewerbsmäßige Veranstalten eines auch auf den deutschen Markt ausgerichteten illegalen Glücksspiels (§ 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB) nach Deutschland zurückkehrt, wo er sein Online-Casino – wie von vornherein geplant – durch Überwachung und Leitung des Spielbetriebes betreut (Halten eines Glücksspiels, § 284 Abs. 1 Var. 2, Abs. 3 Nr. 1 StGB). Hinsichtlich des indiziellen materiell-rechtlichen Konkurrenzverhältnisses des § 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB zu § 284 Abs. 1 Var. 2, Abs. 3 Nr. 1 StGB gilt 1128 Vgl. hierzu Jakubetz, in: Ambos/König/Rackow, § 56b IRG; Schomburg/Hackner, in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, § 56b IRG. Die Norm basiert auf Art. 16 des Rahmenbeschlusses 2006/783/JI des Rates v. 6. 10. 2006 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Einziehungsentscheidungen, ABl. L 328 v. 23. 11. 2006, S. 66, geht allerdings insofern darüber hinaus, als sie auch außerhalb des Rechtshilfeverkehrs mit EUMitgliedstaaten gilt, vgl. Schomburg/Hackner, in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, § 56b IRG Rn. 1.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

hier Folgendes: Der Unrechtsgehalt, der beim Veranstalten in der Schaffung eines für Spielteilnehmer risikoreichen illegalen Spielbetriebes liegt, wird durch die anschließende Betreuung desselben Glücksspiels lediglich aufrechterhalten. Das Eröffnen von Spielmöglichkeiten (Veranstalten) stellt dabei eine notwendige Bedingung der darauf folgenden Leitung und Überwachung des Spielbetriebs (Halten) dar. Der zentrale Unrechtsgehalt liegt demnach im Veranstalten. Der Unrechtsgehalt des darauf folgenden Haltens fällt demgegenüber kaum mehr ins Gewicht und bedarf damit neben § 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB keiner Erwähnung im Schuldspruch. § 284 Abs. 1 Var. 2, Abs. 3 Nr. 1 StGB tritt daher auf Konkurrenzebene als mitbestrafte Nachtat bzw. – sofern man das Veranstalten und Halten als natürliche Handlungseinheit ansieht1129 – subsidiär hinter § 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB zurück. Auch § 284 Abs. 1 Var. 3, Abs. 3 Nr. 1 StGB (Bereitstellen von Einrichtungen) tritt – insofern gelten die Ausführungen zum ersten Szenario entsprechend – hinter § 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB zurück.1130 Das Konkurrenzverhältnis der Deliktsverwirklichungen spricht damit also auch im zweiten Szenario für das Vorliegen einer Tat im prozessualen Sinne. Der sukzessive Charakter einer von einem einheitlichen Ziel getragenen, von vornherein geplanten Vorgehensweise lässt die Einzelhandlungen auch nach der maßgeblichen tatsächlichen Betrachtung als einheitliches Geschehen erscheinen. Wie im ersten Szenario wird die Annahme einer Einheitlichkeit zudem dadurch gestützt, dass sämtliche Handlungen dasselbe virtuelle Glücksspiel desselben Anbieters betreffen. Überdies werden Spielteilnehmer sowohl durch die Eröffnung als auch durch die Aufrechterhaltung eines aus deutscher Sicht illegalen, unkontrollierten Spielbetriebs mit Vermögens- und Gesundheitsrisiken konfrontiert. Wie unter E. IV. 1. gezeigt, ändert an der Einheitlichkeit des Geschehens in Anbetracht des weltumfassenden Charakters des Internets auch die Tatsache nichts, dass die verschiedenen Einzelhandlungen an möglicherweise weit voneinander entfernten Orten vorgenommen werden. Auch zeitliche Unterbrechungen lassen ein dasselbe Kasino, denselben Anbieter und denselben Tatplan betreffendes Veranstalten und Halten nicht als zwei verschiedene Ereignisse erscheinen. Um ein einheitliches Geschehen handelt es sich daher beispielsweise auch dann, wenn das dem Veranstalten nachfolgende Halten zunächst automatisiert abläuft und der Glücksspielanbieter – wie von vornherein geplant – erst Wochen oder Monate nach dem Veranstalten leitend oder überwachend in das Spielgeschehen eingreift. Das ausländische Veranstalten und das inländische Halten eines Glücksspiels im zweiten Szenario bilden demnach eine einheitliche Tat im prozessualen Sinne. Deutsches Strafrecht findet damit aufgrund des in Deutschland liegenden Handlungsortes des Haltens (§ 284 Abs. 1 Var. 2 StGB) auch in diesem Szenario gem. 1129

Siehe hierzu oben E. I. 2. Auch hier gilt: Nimmt man in diesen Fällen eine tatbestandliche Bewertungseinheit an (vgl. z. B. Hohmann, in: MK-StGB, § 284 Rn. 34), stellen sich keine Konkurrenzfragen. Es handelt sich dann von vornherein nur um eine Gesetzesverletzung. 1130

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

263

§§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB auf den gesamten Tatkomplex Anwendung. In Betracht käme eine Bestrafung gem. § 284 Abs. 1 Var. 1, 2 und 3 StGB, jeweils i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 StGB („gewerbsmäßig“), wobei § 284 Abs. 1 Var. 2 und 3 StGB – wie gezeigt – auf Ebene der Gesetzeskonkurrenzen hinter § 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB zurücktreten.1131 Das Zurücktreten führt wiederum nicht zum (nachträglichen) Entfallen des Tatortes.1132 Etwaige Gewinne des Glücksspielanbieters sind auch im vorliegenden Szenario – soweit möglich, ggf. unter Inanspruchnahme von Vollstreckungshilfe (vgl. z. B. §§ 90, 48 ff. IRG) und ggf. in Aufteilung mit anderen von der Tat betroffenen Staaten (vgl. § 56b IRG)1133 – nach §§ 286 Abs. 1, 73d StGB (erweiterter Verfall) abzuschöpfen. Hinsichtlich paralleler Strafverfolgungen durch mehrere Staaten und zwischenstaatlicher Zuständigkeitsabsprachen gilt das zum ersten Szenario Gesagte entsprechend. 3. Drittes Szenario: Grenzüberschreitende Spielmanipulation I Der vom Ausland aus agierende Glücksspielanbieter veranstaltet ein manipuliertes Glücksspiel. Infolgedessen werden die Gewinnchancen von gegen Entgelt am Spielbetrieb teilnehmenden Spielern weltweit, u. a. in Deutschland, gemindert oder ausgeschlossen.

Im dritten Szenario verwirklicht sich das eingangs skizzierte1134 OffshoreGlücksspiel-spezifische Risiko der Spielmanipulation. Aus dem weiten Feld der praxisrelevanten Manipulationshandlungen seien hier beispielhaft Fälle in Bezug genommen, in denen im Ausland agierende Glücksspielanbieter nach deutschem Recht illegale Online-Glücksspiele auf den Markt bringen (§ 284 Abs. 1 Var. 1, Var. 3, jeweils i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 StGB), die durch eine entsprechende Programmierung der Glücksspielsoftware derart manipuliert sind, dass Spielteilnehmer nicht oder nicht in großer Höhe gewinnen können. In diesen Fällen gilt es zunächst die Frage zu beantworten, ob die Spielmanipulation eine Strafbarkeit des Glücksspielanbieters wegen Betruges gem. § 263 Abs. 1 StGB begründet. Die Strafbarkeit hängt zunächst davon ab, ob eine Täuschung über Tatsachen in Form einer Erklärung des Glücksspielanbieters vorliegt, 1131 Unter Zugrundelegung eines tatbestandsbezogenen Tatbegriffs in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB gelangte man in diesem Szenario zu gleichen bzw. ähnlichen Ergebnissen. Gleiche Ergebnisse würden erzielt, wenn man davon ausginge, das Veranstalten und Halten bildeten eine Handlungseinheit, die gänzlich dem deutschen Strafrecht unterfiele, weil eine natürliche Handlung aus der Handlungseinheit in Form des Haltens im Inland vorgenommen wurde. Ähnlich wären die Ergebnisse, wenn man eine Handlungseinheit verneinte oder eine Handlungseinheit bejahte, die Anwendbarkeit des § 284 Abs. 1 Var. 1, 2 und 3 StGB allerdings gleichwohl isoliert bestimmte. In diesen Fällen käme aufgrund des inländischen Handlungsortes des Haltens eine Bestrafung nach § 284 Abs. 1 Var. 2 StGB statt nach § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB in Betracht. 1132 Siehe hierzu oben E. IV. 1. 1133 Siehe hierzu oben E. IV. 1. 1134 Siehe oben D. sowie 2. Teil B.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

das Glücksspiel werde manipulationsfrei ablaufen. In den meisten Fällen wird das unproblematisch zu bejahen sein, da Glücksspielanbieter i. d. R. – etwa in Selbstverpflichtungserklärungen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf ihrer Webseite – ausdrücklich darauf hinweisen, das Spiel werde manipulationsfrei ablaufen. Fehlt es an einer ausdrücklichen Erklärung, ist durch Auslegung der Willenserklärungen des Glücksspielanbieters zu ermitteln, ob die Manipulationsfreiheit konkludent mit geäußert wurde. Maßgeblich ist dabei der Umstand, dass die Manipulationsfreiheit eines Glücksspiels das charakteristische Wesensmerkmal des Spielvertrages darstellt. Dass das Glücksspiel manipulationsfrei abläuft, d. h. auch tatsächlich als zufallsabhängiges Glücksspiel und nicht als ein Spiel einzustufen ist, über dessen Ausgang (auch) der Manipulierende entscheidet, gehört daher zur auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung des Glücksspielanbieters.1135 Die damit zu bejahende Täuschung über Tatsachen führt beim Spielteilnehmer, der – selbst wenn er nicht bewusst über die Manipulationsfreiheit reflektiert, jedenfalls mit sachgedanklichem Mitbewusstsein1136 – von einem unmanipulierten Glücksspiel ausgeht, zu einem Irrtum über die Manipulationsfreiheit des Spiels1137. Auf Basis dieses Irrtums schließt der Nutzer einen Spielvertrag mit dem Glücksspielanbieter ab und tätigt geldwerte Einsätze. Er verfügt damit über sein Vermögen. Eine Betrugsstrafbarkeit setzt des Weiteren voraus, dass infolge der Vermögensverfügung ein Vermögensschaden beim Nutzer des manipulierten Glücksspiels eintritt. Ob ein Vermögensschaden vorliegt, ergibt sich aus einem Vergleich der Vermögenslagen des Spielteilnehmers vor und nach der Vermögensverfügung.1138 Wird der in der Vermögensverfügung liegende Vermögensabfluss nicht durch einen äquivalenten Vermögenszufluss kompensiert, ist ein Vermögensschaden zu bejahen. Beim entgeltlichen Glücksspiel liegt ein Vermögensabfluss jedenfalls1139 in der 1135

Zu konkludenten Erklärungen der Manipulationsfreiheit eines Spiels vgl. BGHSt 51, 165, 167 ff.; BGH NJW 2013, 1017, 1018; Becker, JuS 2014, S. 307 ff.; Kindhäuser, in: NKStGB, § 263 Rn. 110; Rengier, BT I, § 13 Rn. 12; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 500. Schlösser, NStZ 2005, S. 423 ff. (428), plädiert für die Annahme einer Täuschung durch Unterlassen mit der Folge einer Anwendbarkeit des § 13 StGB; kritisch z. B. auch Jahn/Maier, JuS 2007, S. 215 ff. (217 f.); Kutzner, JZ 2006, S. 712 ff. (713 ff.); vgl. auch Bung, GA 2012, S. 354 ff. 1136 Bereits die Vorstellung des Täuschungsadressaten, alles sei in Ordnung, begründet einen Irrtum, vgl. nur BGHSt 2, 325, 326; Tiedemann, in: LK-StGB, § 263 Rn. 78 ff. 1137 Etwaige Zweifel lassen die Fehlvorstellung eines sich gleichwohl am Spielbetrieb beteiligenden Nutzers nicht entfallen, vgl. Becker/Ulbrich/Voß, MMR 2007, S. 149 ff. (152). 1138 Vgl. statt vieler BGHSt 53, 199, 201 f. m.w.N.; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 538. 1139 Unter dem Gesichtspunkt des Eingehungsbetruges (vgl. statt vieler BGHSt 51, 165, 177; 58, 205; Heghmanns, BT, Rn. 1250; Rengier, BT I, § 13 Rn. 183 ff.) wäre der Eintritt eines Vermögensschadens bereits in dem Zeitpunkt zu bejahen, in dem der Nutzer irrtumsbedingt die im Spielvertrag enthaltenen Verpflichtungen eingeht, ohne hierfür einen äquivalenten Gegenanspruch zu erhalten. Zu damit einhergehenden Problemen (weite Vorverlagerung des Vermögensschutzes mit der Folge mangelnder Rücktrittsmöglichkeit des Täters, Umdeutung des Verletzungsdelikts § 263 StGB in Richtung eines konkreten Gefährdungsdelikts etc.) und dem daraus folgenden Gebot der restriktiven Normauslegung und konkreten Schadensermitt-

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Leistung des Spieleinsatzes. Ein den Einsatz kompensierender Vermögenszufluss beschränkt sich nicht etwa darauf, dass dem Nutzer die bloße Möglichkeit eingeräumt wird, sich am virtuellen Spiel im virtuellen Kasino zu beteiligen. Als ein den Einsatz kompensierender Vermögenszufluss kommt beim entgeltlichen Glücksspiel vielmehr die Erlangung einer Gewinnchance in Betracht. Gewinnchancen stellen dabei nicht etwa bloß unsichere, wirtschaftlich wertlose Exspektanzen auf Vermögensmehrung dar. Für die Einräumung von Gewinnchancen werden in der Glücksspielbranche vielmehr Geldbeträge verlangt und gezahlt. Im Wirtschaftsverkehr werden Gewinnchancen – etwa verkörpert in Gewinnlosen, Lottoscheinen oder beispielsweise in Form einer Berechtigung, an Online-Poker-Turnieren teilnehmen zu dürfen – sogar gegen Entgelt an Dritte weiterveräußert.1140 Die Verkehrsauffassung misst Gewinnchancen daher einen konkreten und messbaren Vermögenswert zu.1141 Beteiligt sich ein Spieler gegen Entgelt an einem manipulierten Glücksspiel, erlangt er im Gegenzug für seinen Einsatz – abhängig von Art und Umfang der Spielmanipulation – entweder gar keine oder lediglich eine seinem Einsatz nicht entsprechende geminderte Gewinnchance. Sein Einsatz wird daher nicht durch einen äquivalenten Vermögenszufluss kompensiert. Der Vergleich der Vermögenslagen vor und nach der Vermögensverfügung ergibt daher, dass das Vermögen des Spielteilnehmers gemindert ist. Insoweit wäre ein Vermögensschaden zu bejahen. In Erwägung ziehen ließe sich allerdings, einen Vermögensschaden gleichwohl mit der Erwägung zu verneinen, der Spielteilnehmer habe den Spieleinsatz zu einem verbotenen Zweck in Form der illegalen Beteiligung am illegalen Glücksspiel (§ 285 StGB) geleistet. Im Schrifttum1142 wird eine Betrugsstrafbarkeit in ähnlich gelagerten lung vgl. BVerfGE 130, 1, 42 ff. Der BGH, NJW 2013, 883, nahm infolge der BVerfG-Entscheidung Abstand von seiner früheren in BGH NJW 2007, 782 geäußerten Auffassung, im Falle des Eingehungsbetruges bei Wettmanipulationen durch den Wettenden liege der Schaden in der Differenz zwischen der vom Wettanbieter angebotenen Quote und der infolge der Spielmanipulation abgewerteten tatsächlichen Quote (sog. Quotenschaden). 1140 Vgl. BGHSt 8, 289, 291; Tiedemann, in: LK-StGB, § 263 Rn. 135. Dass Gewinnen im Bereich des illegalen Glücksspiels durch § 762 BGB die Klagbarkeit abgesprochen wird, beeinflusst die Annahme eines Vermögensschadens nicht. Allein auf Basis des heutzutage nicht mehr vertretenen juristischen Vermögensbegriffs (zur Kritik siehe nur Krey/Hellmann/Heinrich, BT 2, § 11 Rn. 427) würde nicht klagbaren Gewinnchancen mangels rechtlichen Schutzes der Vermögenswert abgesprochen. Demgegenüber bejahen die Vertreter eines ökonomischen und juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs einen Vermögenswert trotz fehlender Klagbarkeit, vgl. Hoyer, in: SK-StGB, 60. Lfg. Februar 2004, § 263 Rn. 126; Tiedemann, in: LKStGB, § 263 Rn. 131 m.w.N. Zu dem in einem juristisch-ökonomischen Vermögensverständnis wurzelnden Einwand, eine Betrugsstrafbarkeit scheitere in Fällen, in denen Vermögen zu einem verbotenen Zweck eingesetzt werde, vgl. allerdings sogleich. 1141 Im Schrifttum wird teilweise die Meinung vertreten, Exspektanzen stellten keine betrugsrelevante Vermögensposition dar, da § 263 StGB das Vermögen vor Entwertung und nicht vor dem Nichterlangen von Vermögenszuwächsen schütze, so z. B. Gutmann, MDR 1963, S. 3 ff. (5); Schönfeld, JZ 1964, S. 206 ff. (208). Diese Argumentation trifft nicht zu, wenn der Exspektanz – wie hier – ein Vermögenswert zukommt; ebenso Kindhäuser, in: NK-StGB, § 263 Rn. 244. 1142 Hecker, JuS 2001, S. 228 ff. (231); Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 150.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Fällen teilweise mit der Erwägung verneint, der Vermögensinhaber sei in Bezug auf einen Vermögensverlust nicht schutzwürdig, wenn er sein Vermögen zu einem verbotenen Zweck einsetze. Das Geleistete könne nicht als strafrechtlich geschützt angesehen werden, da ansonsten Wertungswidersprüche zum Zivilrecht, insb. zu § 817 S. 2 BGB, entstünden, der in derartigen Fällen eine Rückforderung des Geleisteten ausschließt.1143 Ob diese Ansicht im vorliegenden dritten Szenario zum Ausschluss einer Betrugsstrafbarkeit führte, ist bereits insofern ungewiss, als erhebliche Zweifel an der Verfassungs-1144 und Unionsrechtskonformität1145 des § 285 StGB sowie dessen Tatbestandsmäßigkeit im Einzelfall1146 bestehen. Doch selbst wenn man von einer Strafbarkeit nach § 285 StGB, insb. einem Vorsatz des Spielteilnehmers, sich an einem illegalen Glücksspiel zu beteiligen1147, ausginge, würde die obige Argumentation nicht durchgreifen. Sie führte zu dem widersinnigen Ergebnis, dass sich manipulierende Anbieter illegaler Glücksspiele nicht wegen Betruges strafbar machen würden, während Spielmanipulationen durch Glücksspielanbieter, die ihr Spielangebot mit einer hinreichenden behördlichen Erlaubnis betreiben, pönalisiert würden. Die im Hinblick auf Spielmanipulationen besonders anfälligen1148 Anbieter illegaler Glücksspiele würden damit zu Spielmanipulationen eher animiert als abgeschreckt. Eine pauschale Übertragung bereicherungsrechtlicher – d. h. die zivilrechtliche Rückabwicklung des Geschäfts betreffender – Wertungen auf das Strafrecht kann angesichts dieser Konsequenz nicht richtig sein.1149 Ein Vermögensschaden des Spielteilnehmers wäre damit auch dann zu bejahen, wenn sich dieser nach § 285 StGB strafbar machte. Auch der subjektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB ist insb. mit der Absicht stoffgleicher Bereicherung erfüllt. Macht sich der spielmanipulierende Glücksspielanbieter im dritten Szenario damit auch wegen Betruges strafbar, stellt sich die Frage, ob § 263 StGB und § 284 Abs. 1 Var. 1, Var. 3, jeweils i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 StGB innerhalb einer prozessualen Tat liegen. Hinsichtlich des zur Beurteilung der Einheitlichkeit des Geschehens indiziellen Konkurrenzverhältnisses der Delikte gilt hier Folgendes: §§ 263 und 284 Abs. 1 Var. 1, 3, Abs. 3 Nr. 1 StGB werden durch dieselbe Handlung, das Laden des Glücksspielangebots ins Internet, verwirklicht. Diese Handlung beinhaltet sowohl die den Äußerungen auf der Webseite zu entnehmende (konkludente) Täuschung über die Manipulationsfreiheit des Glücksspiels als auch die Eröffnung des Spielangebotes. Die Delikte stehen deshalb nicht im Verhältnis der Tatmehrheit, was das Vorliegen mehrerer prozessualer Taten nahe gelegt hätte. Das Bereitstellen von 1143

Hecker, JuS 2001, S. 228 ff. (231 f.); vgl. auch Cramer, JuS 1966, S. 472 ff. (475). Vgl. hierzu Duesberg/Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (17 f.). 1145 Vgl. hierzu Duesberg/Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (18). 1146 Vgl. hierzu Duesberg, JA 2007, S. 280 ff. (280 ff.); ders./Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (18 ff.). 1147 Vgl. hierzu Duesberg/Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (20). 1148 Siehe hierzu oben 2. Teil B. 1149 Gegen eine Übertragbarkeit auch KG NJW 2001, 86, 86; Gröseling, NStZ 2001, 515 (517); Rengier, BT I, § 13 Rn. 145. 1144

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

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Einrichtungen (§ 284 Abs. 1 Var. 3, Abs. 3 Nr. 1 StGB) tritt – wie gezeigt1150 – hinter dem Veranstalten (§ 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB) zurück. Das indizielle Konkurrenzverhältnis der Delikte spricht folglich für das Vorliegen einer prozessualen Tat. Ausgehend von der für die Beurteilung der Einheitlichkeit des Geschehens maßgeblichen faktischen Betrachtungsweise ist zu konstatieren, dass sich das Veranstalten des Glücksspiels einerseits und die Spielmanipulation andererseits insofern unterscheiden, als beim Veranstalten die Eröffnung eines ohne (hinreichende) Lizenz ablaufenden Spielbetriebs mit dessen typischen Risiken für Vermögen und Gesundheit der Spielteilnehmer im Vordergrund steht. Beim Manipulieren des Spiels wird hingegen das Vermögen der Spielteilnehmer gezielt gemindert. Einerseits stehen damit also bloße Risiken, andererseits konkrete Vermögensminderungen individualisierbarer Personen im Raum. Allerdings sind das Manipulieren und das Veranstalten des Glücksspiels durch eine Mittel-Zweck-Relation miteinander verbunden: Erst die Veranstalterposition ermöglicht dem Glücksspielanbieter, die Glücksspielsoftware in der konkreten Art und Weise zu manipulieren. Seine Stellung nutzt er bewusst und planmäßig aus. Überdies besteht zwischen dem Veranstalten und Manipulieren des Glücksspiels insofern eine Verbindung, als die Gefährlichkeit des Veranstaltens eines illegalen Glücksspiels gerade in dem erhöhten Risiko von Spielmanipulationen liegt (siehe hierzu oben 2. Teil B.). In der Spielmanipulation realisiert sich demnach ein typisches Risiko der Glücksspielveranstaltung. Die Annahme eines einheitlichen Geschehens wird zudem dadurch gestützt, dass das Veranstalten und Manipulieren dieselben Spielteilnehmer in demselben OnlineKasino desselben Anbieters betrifft. Als Ergebnis ist demnach festzuhalten, dass das Veranstalten des Glücksspiels und die Spielmanipulation im dritten Szenario eine prozessuale Tat bilden. Erleiden Spielteilnehmer auf deutschem Territorium spielmanipulationsbedingte Vermögensschäden, liegen Tatorte aus dieser prozessualen Tat in Form von Erfolgsorten des Betruges in Deutschland. Nach §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB kommt deutsche Strafgewalt dann vollumfänglich auf den das Anbieten und Manipulieren umfassenden einheitlichen Tatsachenkomplex zur Anwendung. Käme es zu einer Verurteilung des Glücksspielanbieters vor einem deutschen Gericht, würde nach §§ 263 Abs. 1, 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1, 52 StGB bestraft. Etwaige aus der Tat erlangte Erträge des Glücksspielanbieters wären – soweit möglich, ggf. unter Inanspruchnahme von Vollstreckungshilfe (vgl. z. B. §§ 90, 48 ff. IRG) und ggf. in Aufteilung mit anderen von der Tat betroffenen Staaten (vgl. § 56b IRG)1151 – abzuschöpfen. Man mag gegen einen sowohl § 263 StGB als auch § 284 StGB beinhaltenden Schuldspruch auf den ersten Blick einwenden, § 284 StGB trete subsidiär hinter § 263 StGB zurück, zumal das Verletzungsdelikt § 263 StGB mit der Pönalisierung einer spielmanipulationsbedingten Vermögensschädigung genau diejenigen Fälle 1150 1151

Siehe oben unter E. IV. 1. Siehe hierzu bereits oben unter E. IV. 1.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

erfasst, die das abstrakte Gefährdungsdelikt § 284 StGB durch die Pönalisierung illegaler Glücksspielveranstaltungen zu vermeiden bezweckt. Eine Bestrafung der Vermögensschädigung infolge Spielmanipulation nach § 263 StGB bringe den verwirklichten Unrechtsgehalt der Tat daher hinreichend zum Ausdruck. Gegen diese Argumentation ist allerdings zum einen einzuwenden, dass § 284 StGB nicht nur einen Schutz vor spielmanipulationsbedingten Vermögensschäden bezweckt. Ebenso sollen nicht freiverantwortlich handelnde Minderjährige und Spielsüchtige vor Gesundheitsschäden und Vermögensausbeutungsschäden geschützt werden.1152 Zum anderen erfasst § 263 StGB die manipulationsbedingte Schädigung des Vermögens bestimmter individualisierbarer Spielteilnehmer. § 284 StGB hingegen schützt sämtliche (potenziellen) Spielteilnehmer vor spielmanipulationsbedingten Vermögensschäden. § 284 StGB geht damit über das von § 263 StGB in Bezug genommene Unrecht hinaus. Um den Unrechtsgehalt der prozessualen Tat vollumfänglich zum Ausdruck zu bringen, bedarf es daher einer Nennung von § 263 StGB und § 284 StGB im Urteilstenor.1153 § 284 tritt daher nicht hinter § 263 StGB zurück. In Szenario 3 ist es angesichts der weltweiten Dimension der Spielmanipulation wahrscheinlich, dass neben Deutschland weitere von der Spielmanipulation betroffene Staaten die Strafverfolgung aufnehmen. Auch glücksspielrechtliche Rechtsoasen, in denen vermögensschädigende Spielmanipulationen i. d. R. strafbar sind,1154 könnten die Tat unter dem Gesichtspunkt der Spielmanipulation verfolgen. Im Geltungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ führt derjenige Staat, der die Spielmanipulation zuerst aburteilt und ggf. die Voraussetzungen des Vollstreckungselements aus Art. 54 SDÜ erfüllt, transnationalen Strafklageverbrauch hinsichtlich der gesamten prozessualen Tat herbei. Von den Strafverfolgungsinteressen Deutschlands her betrachtet, stellt sich eine derartige Rechtslage als besonders problematisch dar, wenn eine den Art. 50 GRC, 54 SDÜ unterliegende innereuropäische Rechtsoase der deutschen Strafjustiz zuvorkommt und den Glücksspielanbieter allein wegen der Spielmanipulation verurteilt. Das nach deutschem Recht gem. § 284 StGB strafbare Veranstalten des Glücksspiels bliebe dann infolge des auf die gesamte prozessuale Tat bezogenen Strafklageverbrauchs nach Art. 50 GRC, 54 SDÜ1155 unbestraft. In derartigen Fällen verbleibt letztlich nur eine – angesichts der divergierenden 1152

Siehe oben 3. Teil A. III. und IV. Vgl. generell zum Konkurrenzverhältnis zwischen Verletzungs- und Gefährdungsdelikten BGHSt 8, 243, 244; von Heintschel-Heinegg, in: MK-StGB, Vor §§ 52 ff. Rn. 47; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 52 ff. Rn. 117. 1154 Siehe hierzu oben 3. Abschnitt A. mit Fn. 367. 1155 Der seitens der Bundesrepublik Deutschland auf Basis des Art. 55 Abs. 1 lit. a SDÜ erklärte Vorbehalt [siehe hierzu E. II. 6. b) bb) (1)] vermag den Eintritt von Strafklageverbrauch insofern nicht zu verhindern, als ein Vorbehalt nach Art. 55 Abs. 1 lit. a, 2. Hs. SDÜ nur zulässig ist, soweit die in Rede stehende prozessuale Tat nicht auch „teilweise im Hoheitsgebiet der Vertragspartei begangen wurde, in dem das Urteil ergangen ist“. Aufgrund des in der Rechtsoase verorteten Handlungsortes des Glücksspielanbieters fehlt es an dieser Voraussetzung. 1153

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

269

Rechtsauffassungen wenig erfolgversprechende – Verständigung über die Strafverfolgungszuständigkeit zwischen den zur Strafverfolgung berufenen Staaten,1156 ggf. unter Einschaltung von Eurojust, vgl. Art. 12 Abs. 2 des EU-Rahmenbeschlusses 2009/948/JI zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren1157. Auch mit strafverfolgungswilligen außereuropäischen Staaten sollten nach Möglichkeit Zuständigkeitsvereinbarungen getroffen werden, um die Strafverfolgung beschuldigtenfreundlich und verfahrensökonomisch in einem Staat ablaufen zu lassen. Sofern die prozessuale Tat nur einen vergleichsweise geringen Bezug zu Deutschland aufweist, müsste auf die Durchsetzung von Strafgewalt zugunsten des primär von der Tat betroffenen Staates verzichtet werden. Im vorliegenden dritten Szenario bedürfte es beispielsweise einer Verfahrenseinstellung nach § 153c Abs. 3 StPO bzw. – nach Auslieferung eines im Inland ergriffenen Täters – gem. § 154b Abs. 1 StPO, wenn nur ein oder wenige Spielteilnehmer auf deutschem Territorium Vermögensschäden erleiden, während in einem ausländischen Staat bei zahlreichen Spielteilnehmern Vermögensschäden eintreten und beide Staaten in ähnlicher Weise vom illegalen Glücksspielangebot betroffen sind. 4. Viertes Szenario: Grenzüberschreitende Spielmanipulation II Der vom Ausland aus agierende Glücksspielanbieter nimmt vermögensschädigende Spielmanipulationen unabhängig von der Glücksspielveranstaltung und -betreuung vor.

Anders als Szenario 3 sind solche Fälle zu beurteilen, in denen der Glücksspielanbieter vermögensschädigende Spielmanipulationen unabhängig von der Eröffnung und Betreuung seines Glücksspielangebots und ohne Ausnutzung seiner Anbieterstellung vornimmt. Beispielhaft sei der Fall genannt, dass sich ein Glücksspielanbieter bei einem konkurrierenden Online-Casino registriert und unter konkludenter Vortäuschung einer manipulationsfreien Spielteilnahme im Rahmen der Spielbeteiligung durch heimliche Spielabsprachen mit anderen Mitspielern überdurchschnittlich hohe Gewinne erzielt,1158 die ihm der konkurrierende Glücksspielanbieter sodann auszahlt. Das Verhalten des Glücksspielanbieters verwirklicht in diesen Fällen mit dem Eröffnen und Betreuen des eigenen Glücksspielangebots § 284 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB. Die Spielbeteiligung verwirklicht – bei unterstellter Verfassungs- und Unionsrechtskonformität sowie Tatbestandsmäßigkeit1159 – § 285 StGB. Hinsichtlich des manipulativen Eingriffs in das Glücksspielangebot des konkurrierenden Anbieters steht wie im dritten Szenario eine Strafbarkeit wegen Betruges (§ 263 Abs. 1, 1156

Siehe hierzu oben unter E. II. 4. ABl. L 328 v. 15. 12. 2009, S. 46; siehe hierzu 4. Teil. 1158 Vgl. hierzu Grünbuch „Online-Gewinnspiele im Binnenmarkt“, KOM(2011) 128 endg., S. 28 f. 1159 Vgl. zu diesen Aspekten Duesberg/Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (17 ff.). 1157

270

5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

ggf. i.V.m. § 25 Abs. 2 StGB) in Rede. In der Registrierung und Spielteilnahme liegt die konkludente Erklärung, manipulationsfrei am Spiel teilzunehmen, d. h. den Charakter des Spiels als Glücksspiel zu bewahren und nicht das Glückselement im Wege der Spielmanipulation auszuschließen bzw. zu mindern.1160 Der Anbieter des manipulierten Glücksspiels, der jedenfalls mit sachgedanklichem Mitbewusstsein von einer manipulationsfreien Spielteilnahme ausgeht, unterliegt infolgedessen einem Irrtum. Auf Basis des Irrtums kommt ein Spielvertrag zustande und Gewinne werden ausgezahlt. Der Glücksspielanbieter erleidet infolgedessen eine Vermögenseinbuße, die jedenfalls in der Differenz zwischen ausgezahltem Gewinn und eingezahltem Einsatz zu sehen ist. Sollte der von der Manipulation betroffene Glücksspielanbieter mit seinem Glücksspielangebot den Tatbestand des § 284 StGB verwirklichen, könnte man sich fragen, ob ein Vermögensschaden ungeachtet des vorgenannten Saldierungsergebnisses möglicherweise mit der Erwägung zu verneinen wäre, dass das zu einem illegalen Zweck eingesetzte Vermögen keinen strafrechtlichen Schutz verdiene.1161 Da sich manipulierende Spielteilnehmer damit allerdings nur dann wegen Betruges strafbar machen würden, wenn sie legal angebotene Glücksspiele manipulierten, ist eine derartige Erwägung als wertungswidersprüchlich abzulehnen. Da auch der subjektive Tatbestand verwirklicht ist, erfüllt die im vierten Szenario umschriebene Spielmanipulation den Tatbestand des Betruges. Zwischen dem Eröffnen und Betreuen des eigenen Glücksspiels und der manipulativen Teilnahme am Glücksspielangebot des konkurrierenden Anbieters besteht zwar insofern eine Verknüpfung, als sowohl das Anbieten des eigenen als auch die Manipulation des fremden Glücksspiels auf illegale Gewinnerzielung durch OnlineGlücksspiele gerichtet sind. Anders als etwa im dritten Szenario fehlt es hier allerdings insbesondere an einer das Eröffnen und Betreuen des eigenen Glücksspiels und die manipulative Spielteilnahme am fremden Glücksspiel verknüpfenden MittelZweck-Relation. Zudem betreffen die Spielmanipulation des fremden Glücksspiels einerseits und das Eröffnen und Betreuen des eigenen Glücksspiels andererseits nicht das gleiche virtuelle Glücksspiel und die gleichen Spielteilnehmer. Das vierte Szenario umfasst demnach zwei prozessuale Taten des Glücksspielanbieters – zum einen betreffend die manipulative Spielteilnahme am fremden Glücksspielangebot und zum anderen betreffend das Eröffnen und Betreuen des eigenen illegalen Glücksspiels. Nur sofern mindestens ein Tatort aus jeder prozessualen Tat im Inland liegt, käme deutsches Strafrecht gem. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB in Form des § 263 (ggf. i.V.m. § 25 Abs. 2) StGB auf das Manipulieren, ggf. in Form des § 285 StGB auf die Beteiligung am illegalen Glücksspiel des konkurrierenden Anbieters sowie in Form des § 284 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB auf das Ver-

1160 Zu gegenüber dem Glücksspielanbieter verübten konkludenten Täuschungen vgl. BGHSt 51, 165, 167 ff.; BGH NJW 2013, 1017, 1018. 1161 Vgl. zu dieser Erwägung oben E. IV. 3.

E. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB

271

anstalten des eigenen Glücksspiels, hinter dem § 284 Abs. 1 Var. 2, Abs. 3 Nr. 1 StGB zurücktritt (siehe oben E. IV. 2.), zur Anwendung. Liegt ein Tatort aus nur einer der beiden prozessualen Taten in Deutschland, kann es dazu kommen, dass die eine Tat in Deutschland und die andere im Ausland verfolgt – und bei entsprechender Erreichbarkeit des Täters – abgeurteilt wird. Käme es im Anschluss an eine Aburteilung der einen Tat im Ausland zu einer Aburteilung der anderen in Deutschland, stellt sich die Frage, inwiefern die vorangegangene ausländische Aburteilung i.R.d. auf die andere Tat bezogenen deutschen Strafverfahrens berücksichtigt werden muss. Ließe man die vorangegangene ausländische Aburteilung außer Acht, drohte der Täter im Vergleich zu einer inländischen Vorverurteilung insb. insofern schlechter gestellt zu werden, als das Verfahren im letzteren Fall nach § 154 StPO eingestellt werden kann, „wenn die Strafe […], zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe […], die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist […], nicht beträchtlich ins Gewicht fällt“ oder ein Urteil eines deutschen Gerichts bei geringem Präventionsbedürfnis „in angemessener Frist nicht zu erwarten ist“1162. Derartigen Schlechterstellungen vorzubeugen, bezweckt der EU-Rahmenbeschluss 2008/675/JI des Rates v. 24. 7. 2008 zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren1163. Gem. dessen Art. 3 Abs. 1 stellt jeder Mitgliedstaat sicher, dass frühere in anderen Mitgliedstaaten ergangene Verurteilungen wegen einer anderen Tat in dem gleichen Maße berücksichtigt und mit den gleichen Rechtswirkungen versehen werden wie im Inland ergangene frühere Verurteilungen. In Deutschland kann den Rahmenbeschlussvorgaben in Bezug auf § 154 Abs. 1 StPO dadurch Rechnung getragen werden, dass man auch vorangegangene Bestrafungen in EU-Mitgliedstaaten in unionsrechtskonformer Normauslegung dem Anwendungsbereich des § 154 Abs. 1 StPO unterwirft.1164 Für das vorliegende Szenario 4 bedeutet das: Sofern beispielsweise für die Spielmanipulation in einem EU-Mitgliedstaat eine rechtskräftige Sanktion verhängt wurde, die das Veranstalten des Glücksspiels als nicht mehr sanktionsbedürftig erscheinen lässt, hat die Staatsanwaltschaft gem. § 154 Abs. 1 StPO von dessen Verfolgung abzusehen. Handelt es sich um vorangegangene Bestrafungen in Staaten außerhalb der EU, ist ein entsprechendes Vorgehen jedenfalls durch den vorgenannten Rahmenbeschluss 2008/675/JI nicht vorgeschrieben. Da sich dem Wortlaut des § 154 StPO allerdings keine Beschränkung auf vorangegangene Bestrafungen innerhalb der EU entnehmen lässt1165 und es zudem der Ratio des § 154 StPO entspricht, „das Strafverfahren zu 1162

Vgl. Peters, NStZ 2012, S. 76 ff. (76 f.). ABl. L 220 v. 15. 8. 2008, S. 32 ff. 1164 Der Wortlaut des § 154 StPO („Strafe […], die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist“) steht einer Subsumtion ausländischer Strafen nicht entgegen, vgl. LG Aachen NStZ 1993, 505, 505; Peters, NStZ 2012, S. 76 ff. (78). 1165 So auch LG Aachen NStZ 1993, 505, 505; Peters, NStZ 2012, S. 76 ff. (78). 1163

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

vereinfachen, zu beschleunigen und klarer zu gestalten“1166, auch außerhalb der EU ergangene Bestrafungen zu erfassen,1167 ist § 154 Abs. 1 StPO auch auf diese Konstellationen anwendbar.1168 Alternativ käme in Betracht, den Täter zu verurteilen und die ausländische Strafe gem. § 51 Abs. 3 StGB anzurechnen.

F. Abschließende Bewertung Im Folgenden werden die zu §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB entwickelten Ergebnisse abschließend bewertet. Als Prüfungsmaßstab fungiert die Ausgangsfrage dieser Arbeit, ob und inwieweit sich der Konflikt zwischen einerseits weitem und andererseits engem Geltungsbedürfnis deutschen Glücksspielstrafrechts im Bereich virtueller Offshore-Glücksspielangebote angemessen auflösen lässt. Insofern sei kurz resümiert: Eine zu weite Ausdehnung des deutschen Glücksspielstrafrechts infolge extensiver Auslegung der §§ 3, 9 Abs. 1 StGB gerät in Konflikt mit der souveränitätsgetragenen Hoheitsgewalt anderer Tatortstaaten, potenziert Jurisdiktionskonflikte, bringt eine nicht realisierbare Verfolgungspflicht der deutschen Strafjustiz mit sich und bürdet Glücksspielanbietern auf der ganzen Welt deutsche Verhaltensanforderungen auf. Eine zu enge Eingrenzung infolge restriktiver Auslegung der §§ 3, 9 Abs. 1 StGB hätte zur Folge, dass Glücksspielanbieter glücksspiel(straf)rechtliche Verhaltensanforderungen durch schlichte Tatortverlagerung ins Ausland umgehen könnten.1169 Der vom deutschen Glücksspielstrafrecht bezweckte Vermögens- und Gesundheitsschutz würde dann trotz inländischer Spielbeteiligungsmöglichkeit ausgerechnet im Bereich der im Hinblick auf Vermögen und Gesundheit besonders risikoreichen virtuellen Offshore-Glücksspielangebote nicht gewährt. I. Gesetzeskonformer Mittelweg zwischen restriktiver und extensiver Strafrechtsgeltung? Während bislang entweder eine in Anbetracht der o.g. Nachteile rechtspolitisch unangemessen enge Lösung1170 vertreten, eine ebenso rechtspolitisch unangemessene und zudem mit gesetzlichen Vorgaben nicht in Einklang zu bringende weite Lösung1171 präferiert oder aber ein teilweise zwar angemessener, aber dem Gesetz

1166 1167 1168

Rn. 1a. 1169 1170 1171

BR-Drs. 180/60, S. 17; BGHSt 32, 84, 86. Vgl. auch LG Aachen NStZ 1993, 505, 505. So auch Peters, NStZ 2012, S. 76 ff. (78); a.A. Meyer-Goßner/Schmitt, § 154 StPO Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (273). Vgl. hierzu B. I. und C. I., jeweils i.V.m. D. Vgl. hierzu B. II. 1., 2. und 3. sowie C. II. 1. und 2.

F. Abschließende Bewertung

273

nicht zu entnehmender Mittelweg1172 eingeschlagen wurde, verspricht die hier entwickelte Lösung einen am Gesetz orientierten angemessenen Mittelweg, die Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts zu begründen. Indem im Ausgangspunkt der Handlungsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB klassisch anhand der körperlichen Anwesenheit des Täters bei Vornahme des tatbestandsmäßigen Ausführungsverhaltens ermittelt wird und die Erfolgsortsklausel bei abstrakten Gefährdungsdelikten, die keinen von § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB vorausgesetzten „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ aufweisen, unangewendet bleibt, orientiert sich der hier vertretene Lösungsweg insb. am Gesetzeswortlaut1173 und der Systematik1174 der §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB. Er sieht sich daher – anders als sämtliche vom klassischen Verständnis der §§ 3, 9 Abs. 1 StGB abweichenden Ansätze – nicht dem Vorwurf fehlender Vereinbarkeit mit der gesetzlichen Regelung des Ubiquitätsprinzips in § 9 StGB ausgesetzt. Die Einfallstür für die Beurteilung des durch §§ 3, 9 Abs. 1 StGB festgelegten Umfangs deutscher Strafgewalt bietet statt der nicht extensivierbaren Handlungs- und Erfolgsortsklausel vielmehr der in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB enthaltene Tatbegriff. Der hier entwickelte Lösungsweg dehnt den deutschen Strafanspruch über §§ 3, 9 Abs. 1 StGB nicht uferlos aus, sondern begrenzt ihn auf untrennbare Geschehenskomplexe, die einen inländischen Tatort aufweisen. Allein die bloße Möglichkeit, d. h.: die „abstrakte Gefahr“, dass es zu Vermögens- oder Gesundheitsschäden auf deutschem Territorium kommen könnte, reicht – entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 9 Abs. 1 StGB – für sich genommen als Anknüpfungspunkt deutscher Strafgewalt nicht aus. Erst ein inländischer Tatort aus dem einheitlichen „Glücksspielangebotsgeschehen“ verknüpft das gesamte Ereignis mit dem deutschen Territorium. Nur in diesen Fällen wird die Souveränität anderer Tatortstaaten beschränkt, müssen deutsche Strafverfolgungsbehörden (zunächst) ermitteln und wird der Glücksspielanbieter möglicherweise verschiedenen Verhaltensanforderungen und – in den Grenzen des transnationalen Doppelbestrafungsverbotes aus Art. 50 GRC, 54 SDÜ – Strafverfolgungen und ggf. Bestrafungen sowohl seitens der Bundesrepublik Deutschland als auch seitens anderer Staaten ausgesetzt. Fälle, in denen sich eine Inanspruchnahme deutscher Strafgewalt hinsichtlich des gesamten „Glücksspielangebotsgeschehens“ als ungerechtfertigte Anmaßung von Strafgewalt darstellte, weil das Geschehen einen nur geringen Bezug zu Deutschland aufweist, müssen auf prozessualer Ebene korrigiert werden.1175 Solange keine verbindlichen zwischenstaatlichen Regelungen zur Strafverfolgungszuständigkeit bestehen, sollte ohnehin versucht werden, die Strafverfolgung vor allem im Beschuldigteninteresse in einem Staat zu konzentrieren. Eine im Hinblick auf individuelle Freiheitsrechte 1172 1173 1174 1175

Vgl. C. II. 1. a) und b) sowie C. II. 3. Siehe hierzu B. II. 2. e) bb) sowie C. II. 1. c) aa). Siehe hierzu B. II. 2. e) aa) sowie C. II. 1. c) aa), bb) und dd). Siehe hierzu E. II. 8. a) bb) (2).

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

und die Souveränität anderer Tatortstaaten gebotene Beschränkung deutscher Strafgewalt erfolgt des Weiteren dadurch, dass die strafanwendungsrechtlichen Vorschriften der §§ 3 ff. StGB an verschiedenen Stellen restriktiv ausgelegt werden. Nach der hier vertretenen Ansicht sind sowohl § 9 Abs. 1 Var. 1 (Handlungsort) und Var. 3 StGB (Erfolgsort) als auch Var. 2 (Unterlassungsort) und Var. 4 (vorgestellter Erfolgsort) restriktiv auszulegen bzw. teleologisch und/oder völkerrechtskonform zu reduzieren. Bei der Tatortbestimmung im Falle von Mittäterschaft und mittelbarer Täterschaft ist mit der Einzellösung ein restriktiver Ansatz zugrunde zu legen. Kommt es zu einer inländischen Aburteilung eines Offshore-Glücksspielanbieters samt Anordnung des Verfalls durch das Glücksspielangebot erzielter Gewinne, können diese zwischen verschiedenen von der Tat betroffenen Staaten aufgeteilt werden (vgl. § 56b IRG), um die deutsche Strafgewaltproklamation nicht als fiskalisch motivierten Alleingang erscheinen zu lassen. Auf der anderen Seite engt der hier präsentierte Standpunkt den deutschen Strafanspruch nicht unangemessen stark ein. Bei fehlendem inländischem Tatort des Glücksspielangebots (z. B. bei alleinigem Bestehen einer „abstrakt gefährlichen“ Spielbeteiligungsmöglichkeit auf deutschem Territorium) wird § 284 StGB nicht pauschal die Geltung nach § 3 StGB abgesprochen. Steht die Deliktsverwirklichung in untrennbarem Zusammenhang mit der Verwirklichung einer anderen Straftat, die einen inländischen Tatort i.S.d. § 9 Abs. 1 StGB aufweist, kommt § 284 StGB – aufgrund seiner Verwurzelung in der auch das Inland betreffenden prozessualen Tat – über §§ 3, 9 Abs. 1 StGB mit zur Anwendung. II. Verbleibende Umgehungsmöglichkeiten deutscher Verhaltensanforderungen durch ausschließliche Tatbegehung im Ausland? Der damit eingeschlagene Mittelweg zwischen restriktiver und extensiver Strafrechtsgeltung stößt an seine Grenzen, wenn der Glücksspielanbieter ausschließlich tatbestandsmäßig im Ausland agiert und auch etwaige mit dem Glücksspielangebot zusammenhängende tatbestandsmäßige Erfolge anderer Straftaten nicht im Inland eintreten bzw. vom Täter vorgestellte tatbestandsmäßige Erfolge nicht im Inland eintreten sollen. In solchen Fällen fehlt es an einem die prozessuale Tat mit dem deutschen Territorium verknüpfenden inländischen Tatort. Die Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts kann daher nicht auf §§ 3, 9 Abs. 1 StGB gestützt werden. Wie im 2., 3., 4. und 5. Abschnitt gezeigt, scheiden auch andere Anknüpfungspunkte deutscher Strafgewalt im Bereich der OffshoreGlücksspielangebote regelmäßig aus. Die Tat ist nach deutschem Strafrecht nicht verfolgbar. Anbietern virtueller Glücksspiele wird damit die Möglichkeit eröffnet, deutsches Glücksspielstrafrecht zu umgehen, indem sie das vielschichtige Anbieten eines Online-Glücksspiels in einer ausländischen Rechtsoase vornehmen. Selbst auf in Deutschland befindliche Nutzer zugeschnittene Glücksspielangebote wären hier der deutschen Strafgewalt entzogen. In diesen Fällen ist auch der hier entwickelte

F. Abschließende Bewertung

275

Ansatz nicht in der Lage, den von § 284 StGB bezweckten Vermögens- und Gesundheitsschutz zu gewähren. Vor allem die Herausnahme spezifisch auf Deutschland ausgerichteter Glücksspiele könnte das Vertrauen der Allgemeinheit in die Bestandskraft und Durchsetzbarkeit des deutschen Glücksspielstrafrechts negativ beeinflussen. Im Hinblick auf in Deutschland lebende, allein handelnde Glücksspielanbieter, die deutsches Recht im Wege der Tatortverlagerung in eine ausländische Rechtsoase zu umgehen bezwecken, relativiert sich die geschilderte Problematik zumindest insofern, als eine ausschließliche Begehung der prozessualen Tat im Ausland praktisch kaum möglich sein dürfte. Insb. die – beispielsweise im Hinblick auf den Ausschluss von regelwidrig, z. B. manipulierend spielenden Nutzern gebotene – Spielbetreuung erfordert spontane Handlungen des Glücksspielanbieters. Ein in Deutschland weilender Glücksspielanbieter wird hierfür nicht jedes Mal eine Reise ins straflose Ausland antreten können, um von dort aus unter Umgehung deutschen Strafrechts zu handeln. Vielmehr verwirklicht er durch eine inländische Spielbetreuung die Begehungsmodalität des Haltens eines illegalen Glücksspiels (§ 284 Abs. 1 Var. 2 StGB) in Deutschland. Der inländische Handlungsort des Haltens führte i. d. R. zur auf §§ 3, 9 Abs. 1 StGB gestützten Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf das gesamte „Glücksspielangebotsgeschehen“. Außerhalb dieser Fälle verbleibt auf Basis der derzeitigen Rechtslage1176 die Option, das Verbot, Online-Glücksspiele ohne hinreichende behördliche Erlaubnis im Inland anzubieten durch außerstrafrechtliche Eindämmungsstrategien durchzusetzen. Die Erfahrungen mit dem Unlawful Internet Gambling Enforcement Act in den USA zeigen, dass insb. der Abbruch von Zahlungsströmen zwischen Anbietern illegaler Offshore-Glücksspiele und ihren Nutzern Erfolge verspricht.1177 Im deutschen Recht sind die Weichen insofern gestellt: Der GlStV 2012 ermächtigt die Glücksspielaufsicht in § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlStV 2012, Banken Finanztransaktionen zwischen Offshore-Glücksspielanbietern und Nutzern zu verbieten.1178 Das gem. § 9a Abs. 2 S. 2 GlStV 2012 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 5 Niedersächsisches Glücksspielgesetz1179 deutschlandweit zuständige Niedersächsische Ministe1176 Zu bestehendem gesetzgeberischem Handlungsbedarf und möglichen Reformen siehe unten 6. Teil B. und C. 1177 Siehe hierzu oben 2. Teil B. 1178 Eingehend hierzu, insb. zur Vereinbarkeit des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlStV 2012 mit Verfassungs- und Unionsrecht Brugger, passim. Eine Blockierung illegaler Online-Glücksspiel-Webseiten im Wege der Inanspruchnahme von Providern ist im neuen GlStV 2012 im Unterschied zur alten Rechtslage (siehe § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 GlStV 2008) nicht mehr vorgesehen. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 GlStV 2008 a.F. wird überwiegend als verfassungswidrig angesehen, vgl. Frey/Rudolph/Oster, MMR-Beilage 3/2012, S. 1 ff. (14 ff.) m.w.N. Zwei auf § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 GlStV 2008 gestützte Sperrverfügungen der Bezirksregierung Düsseldorf wurden gerichtlich aufgehoben, vgl. VG Düsseldorf, ZfWG 2012, 50; VG Köln, ZfWG 2012, 56. 1179 Nds. GVBl. 2007, S. 756.

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

rium für Inneres und Sport beabsichtigt, von diesem Instrument in Zukunft Gebrauch zu machen.1180 III. Verbleibende Umgehungsmöglichkeiten deutscher Verhaltensanforderungen durch Einschalten Dritter? Es fragt sich des Weiteren, ob der hier präsentierte Lösungsweg in Deutschland aufhältigen Glücksspielanbietern ermöglicht, deutsche Verhaltensanforderungen durch Einschaltung dritter Personen zu umgehen. In der Glücksspielbranche ist nicht selten zu beobachten, dass in Deutschland lebende Glücksspielbetreiber nach deutschem Glücksspielstrafrecht verbotene Handlungen, etwa das Laden des OnlineGlücksspielangebots auf einen Server oder die Betreuung des Spielbetriebs, von aus ausländischen Rechtsoasen agierenden Treuhändern vornehmen lassen. Die Glücksspielbetreiber versprechen sich von einer solchen Vorgehensweise, die strengen Vorgaben des deutschen Glücksspielrechts zu umgehen, ohne selbst im Ausland tätig werden zu müssen, gleichzeitig aber einen Großteil der Gewinne einzustreichen. Mittlerweile bieten Dienstleistungsagenturen die Abwicklung derartiger Umgehungsgeschäfte öffentlich an. Im Internet kursieren „Komplettpaketangebote“, die eine Offshore-Firmengründung, die Einholung einer OffshoreGlücksspiellizenz sowie die Eröffnung und Betreuung des Online-Casinos durch in Gibraltar, der Isle of Man oder anderen Rechtsoasen ansässige Treuhänder umfassen.1181 Wird ein virtuelles Offshore-Glücksspiel auf diese Weise angeboten, fragt sich, ob der im Hintergrund in Deutschland aufhältige hauptverantwortliche Glücksspielbetreiber nach dem hier entwickelten Ansatz gleichwohl dem deutschen Glücksspielstrafrecht unterliegt. Die Antwort fällt relativ eindeutig aus. Erfüllen die Tatbeiträge des „Hintermannes“ die Voraussetzung einer unmittelbar täterschaftlichen Verwirklichung des § 284 StGB, etwa weil seine Delegationshandlungen bereits als Veranstalten eines Glücksspiels i.S.e. tatherrschaftlich verantwortlichen Eröffnung von Spielbeteiligungsmöglichkeiten1182 einzustufen sind, findet deutsches Glücksspielstrafrecht aufgrund des in Deutschland liegenden Handlungsortes gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB Anwendung. Erfüllen die Tatbeiträge des „Hintermannes“ die Voraussetzungen der Mittäterschaft, kommt deutsches Glücksspielstrafrecht aufgrund des in Deutschland liegenden Handlungsortes des die Umgehung deutschen Rechts bezweckenden Mittäters ebenfalls gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB zur Anwendung. Auf die oben 1180

Vgl. Nds. LT-Drs. 17/3683, S. 2. Siehe z. B. http://www.etc-lowtax.net/lizenz_offshore.htm. 1182 BGH NStZ 2003, 372, 373; Falk, S. 44; Hambach/Liesching, in: Streinz/Liesching/ Hambach, § 284 StGB Rn. 63; Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 284 Rn. 15; Krehl, in: LK-StGB, § 284 Rn. 18; Volk, S. 62; Wohlers/Gaede, in: NK-StGB, § 284 Rn. 17; siehe auch oben 3. Teil B. III. 1181

F. Abschließende Bewertung

277

diskutierte1183 Frage, ob der Handlungsort nach der hier präferierten Einzellösung1184 für jeden Mittäter isoliert zu bestimmen ist oder ob infolge der wechselseitigen Zurechnung ihrer Handlungen ein Handlungsort für alle Mittäter an jedem Ort liegt, an dem auch nur einer von ihnen gehandelt hat (Zurechnungslösung1185), kommt es hier nicht an. Sowohl nach der Einzellösung als auch nach der Zurechnungslösung handelt der „Hintermann“ i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB in Deutschland. Dass der in einer ausländischen Rechtsoase handelnde Mittäter nach dortigem Recht legal handelt, steht einer Bestrafung des in Deutschland handelnden Mittäters nach deutschem Strafrecht nicht entgegen. Zwar wird diesem gem. § 25 Abs. 2 StGB ein am Tatortstaat strafloses Verhalten seines Komplizen zugerechnet,1186 weshalb man einen unrechtskonstituierenden Charakter dieses Verhaltens auf den ersten Blick auch in Bezug auf den in Deutschland agierenden Mittäter ablehnen mag. Sofern der in Deutschland handelnde Mittäter nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen in eigener Person verwirklichte, wäre seine Strafbarkeit also mit dieser Erwägung zu verneinen. Ginge man allerdings von einer Straflosigkeit des in Deutschland handelnden Mittäters aus, ließe man den Umstand außer Acht, dass dieser eigenes Handlungsunrecht auf deutschem Territorium verwirklicht, das es zum Zwecke des Selbstschutzes1187 zu unterbinden gilt. Mittäter würden gegenüber Alleintätern in einer dem – sämtliche Täterschaftsformen gleichrangig nebeneinander stellenden – Gesetz (vgl. § 25 StGB) nicht zu entnehmenden Weise privilegiert.1188 Innerhalb der Kategorie der Mittäterschaft unterlägen nur solche Mittäter dem deutschen Strafrecht, die ein Delikt zugleich auch unmittelbar täterschaftlich verwirklichen. Dass Bewertungen mittäterschaftlicher Tatbeiträge durch den ausländischen Tatortstaat zu berücksichtigen sind, kommt dementsprechend im Gesetz – mit Ausnahme des hier nicht in Rede stehenden § 7 StGB („Tat am Tatort mit Strafe bedroht“) – verständlicherweise nicht zum Ausdruck. Erfüllen die Tatbeiträge des „Hintermannes“ die Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft – was z. B. beim Hervorrufen oder Ausnutzen eines angesichts der unklaren glücksspielrechtlichen Rechtslage unvermeidbaren Verbotsirrtums (§ 17 StGB) über die Rechtmäßigkeit der Offshore-Glücksspielveranstaltung1189 der Fall sein könnte – kommt deutsches Glücksspielstrafrecht aufgrund des in Deutschland liegenden Handlungsortes des mittelbaren Täters gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB zur 1183

Siehe E. II. 8. d). Siehe hierzu oben E. II. 8. d) aa). 1185 Siehe hierzu oben E. II. 8. d) bb). 1186 Zum Problem abweichender Verhaltensbewertungen in Fällen grenzüberschreitender Mittäterschaft aus normentheoretischer Perspektive vgl. Schneider, S. 326 ff. 1187 Siehe hierzu oben E. II. 7. 1188 Auch Valerius, NStZ 2008, S. 121 ff. (122), ist der Meinung, es könne „einem Täter nicht zugute kommen, nicht allein, sondern mit der Unterstützung weiterer Personen gehandelt zu haben.“ 1189 Eingehend zum unvermeidbaren Verbotsirrtum eines Glücksspielanbieters Buchholz/ Rübenstahl, ZfWG 2015, S. 97 ff. 1184

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5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

Anwendung. Auch hier kommt es daher nicht auf die – auch im Rahmen der mittelbaren Täterschaft umstrittene1190 – Frage an, ob ein Handlungsort des mittelbaren Täters infolge Verhaltenszurechnung gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB auch an dem Ort liegt, an dem der Tatmittler handelt. Dass der in einer Rechtsoase agierende Tatmittler nach dortigem Recht legale Verhaltensweisen vornimmt und sich damit – auch wenn er strafrechtlich voll verantwortlich handeln würde – nicht strafbar machte,1191 steht einer Bestrafung des in Deutschland handelnden mittelbaren Täters nach deutschem Strafrecht nicht entgegen. Anderenfalls würden mittelbare Täter, die Tatmittler vom deutschen Territorium aus zum Zwecke der Umgehung deutschen Strafrechts im straflosen Ausland agieren ließen, in einer dem Selbstschutzinteresse der Bundesrepublik Deutschland zuwiderlaufenden und dem Gesetz nicht zu entnehmenden Weise privilegiert. Dass Verhaltensbewertungen des Tatmittlers am Tatortstaat zu berücksichtigen sind, kommt dementsprechend auch insofern verständlicherweise im Gesetz nicht zum Ausdruck. Begründen die in Deutschland vorgenommenen Beiträge des „Hintermannes“ keine täterschaftliche Begehungsweise, sondern sind sie als Teilnahme an der durch die im Ausland handelnde Person begangenen Haupttat § 284 StGB einzustufen, scheint deutsches Strafrecht nach §§ 3, 9 Abs. 2 StGB auf den ersten Blick in Anbetracht der (limitierten) Akzessorietät der Teilnahme1192 nicht zur Anwendung kommen zu können. Da die Haupttat nicht dem deutschen Strafrecht unterfällt, scheint streng akzessorisch auch die Teilnahme nicht nach deutschem Recht beurteilbar zu sein. Sollte die Haupttat – wie es typischerweise im Falle des Tätigwerdens eines Treuhänders in einer Rechtsoase der Fall ist – am Tatort straflos sein, scheint deutsches Strafrecht mangels strafbarer Haupttat auch auf den Teilnehmer nicht anwendbar zu sein. Um deutsches Strafrecht in derartigen Fällen gleichwohl zur Anwendung kommen zu lassen, normiert § 9 Abs. 2 S. 2 StGB allerdings ausdrücklich, dass deutsches Strafrecht auch dann auf einen im Inland handelnden Teilnehmer anwendbar ist, wenn die Haupttat am ausländischen Tatort nicht unter Strafe steht.1193 Deutsches Strafrecht gelangt damit auch auf eine inländische Teil1190

Siehe hierzu oben E. II. 8. d). Zum Problem abweichender Verhaltensbewertung in Fällen grenzüberschreitender mittelbarer Täterschaft aus normentheoretischer Perspektive vgl. Schneider, S. 330 ff. 1192 Vgl. hierzu Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 25 ff. Rn. 20 ff. m.w.N. 1193 § 9 Abs. 2 S. 2 StGB wird im Schrifttum kritisch betrachtet, vgl. z. B. Böse, in: NKStGB, § 9 Rn. 21 f.; Sieber, NJW 1999, S. 2065 ff. (2072); Zieher, S. 39; insb. zum möglichen Auseinanderfallen von Haupttäter- und Teilnehmerstrafbarkeit: Hoyer, in: SK-StGB, 26. Lfg. Juni 1997, § 9 Rn. 11 ff.; Knaup, S. 67 ff.; Oehler, IntStR, Rn. 267 ff.; Schneider, S. 334 ff.; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 52 ff. Umstritten ist insb. auch die dogmatische Einordnung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB. Gribbohm, JR 1998, S. 177 ff. (178); Hoyer, in: SK-StGB, 26. Lfg. Juni 1997, § 9 Rn. 10, und Lackner/Kühl, § 9 Rn. 3, sehen in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB eine Geltungsfiktion. Die Haupttat sei gem. § 9 Abs. 2 S. 2 StGB für die Beurteilung der Teilnehmerstrafbarkeit so zu beurteilen als würde für sie deutsches Strafrecht gelten. Demgegenüber ist Böse, in: NK-StGB, § 9 Rn. 21, der Meinung, § 9 Abs. 2 S. 2 StGB fingiere keine „dem 1191

F. Abschließende Bewertung

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nahme an der durch die im Ausland handelnde Person begangenen – nach deutschem Recht gem. § 284 StGB strafbare – Haupttat zur Anwendung. Festgehalten werden kann demnach: Handelt der die Umgehung deutschen Rechts durch den Einsatz Dritter bezweckende Hintermann in Deutschland, gelangt deutsches Glücksspielstrafrecht gem. §§ 3, 9 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB auf ihn zur Anwendung. Die einzige Möglichkeit eines in Deutschland weilenden Glücksspielanbieters, dem deutschen Glücksspielstrafrecht im Wege der Einschaltung Dritter aus dem Wege zu gehen, bestünde darin, einen ausschließlich im Ausland handelnden Treuhänder vom Ausland aus zu beauftragen. Er könnte beispielsweise das Glücksspielangebot vom Ausland aus ins Internet einstellen, von dort aus sämtliche Folgetätigkeiten (z. B. die Spielbetreuung) an einen in Gibraltar ansässigen Treuhänder delegieren und anschließend wieder nach Deutschland zurückreisen, von wo aus er keine strafbaren Handlungen mehr vornähme. In diesen Fällen besteht kein inländischer Tatort aus der prozessualen Tat, der deutsches Glücksspielstrafrecht gem. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB (mit) zur Anwendung bringt. Ein Blick auf die Praxis in der Glücksspielbranche zeigt allerdings, dass solche Fälle kaum vorkommen werden, da der in Deutschland weilende i. d. R. primär gewinnbeteiligte „Hintermann“ hierzulande zumindest organisatorisch letztverantwortlich in Kontakt mit den ausländischen Betreuern des Spiels steht. Entsprechende Verhaltensweisen sind in der Regel zumindest als Beihilfehandlungen gem. §§ 284, 27 Abs. 1 StGB strafbar und unterliegen gem. §§ 3, 9 Abs. 2 S. 1 Var. 2, S. 2 StGB der deutschen Strafgewalt selbst dann, wenn die Haupttat im ausländischen Tatortstaat nicht strafbar ist. IV. Praktische Umsetzbarkeit – bloßes symbolisches Straf(anwendungs)recht? Wie gezeigt, führt die im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Auffassung im Vergleich zu einem „abstrakte Gefahren“ mit einbeziehenden weiten Verständnis der §§ 3, 9 Abs. 1 StGB zu einer überschaubareren Ermittlungspflicht der deutschen Strafjustiz. Extremfälle müssen auf prozessualer Ebene korrigiert werden. Problematisch im Hinblick auf seine praktische Durchsetzbarkeit ist der hier entwickelte Ansatz gleichwohl insofern, als insb. diejenigen Teile der von §§ 3, 9 Abs. 1 StGB erfassten prozessualen Gesamttat, die im Ausland begangen wurden, häufig schwer zu ermitteln sind und der Zugriff auf den Beschuldigten bei sich im Ausland befindlichen Tätern von einer Auslieferung abhängt, die oftmals insb. von solchen Staaten verweigert werden dürfte, die das Täterverhalten als straflos ansehen bzw. an die Deutschland im Falle eines vergleichbaren Auslieferungsersuchens nicht ausdeutschen Strafrecht unterliegende Haupttat […], sondern die in den §§ 26, 27 enthaltenen Verbote“ würden „auch auf den Fall ausgedehnt, dass sich der Teilnehmer an einer Auslandstat beteiligt, die im Hinblick auf eine Bestrafung des Täters nicht dem deutschen Strafrecht unterliegt.“

280

5. Teil, 6. Abschn.: Territorialitätsprinzip

liefern würde. Im Ergebnis dürfte deshalb im Bereich der virtuellen OffshoreGlücksspielangebote derzeit mit einer geringen Aufklärungs- und Ahndungsquote in Deutschland zu rechnen sein. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB und die einschlägigen BT-Normen (hier: § 284 StGB) drohten damit in grenzüberschreitenden Fällen zu bloß symbolischem Straf(anwendungs)recht zu verkommen. Damit einhergehend steht eine Einbuße des Vertrauens der Bevölkerung in die Bestandskraft und Durchsetzbarkeit des deutschen Rechts sowie eine Einbuße an abschreckender Wirkung deutscher Verbotsnormen in grenzüberschreitenden Fällen zu befürchten. Der im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Ansatz sieht sich damit mit ähnlichen Problemen konfrontiert, wie sie auch in Fällen auftreten, in denen deutsche Strafgewalt nach §§ 5 – 7 StGB sowie – etwa bei Distanzdelikten1194 – nach § 3 StGB begründet wird. Hier wie dort vermögen derartige Durchsetzungsprobleme aber kein pauschales Absehen von Strafgewalt zu rechtfertigen. Auch bei bestehenden Durchsetzungsproblemen geht von einer drohenden Bestrafung samt drohender Abschöpfung möglicherweise millionenschwerer Taterträge in Deutschland zumindest solange ein gewisser Abschreckungseffekt aus, wie die Durchsetzungsprobleme nicht dazu führen, dass bestimmte Taten ausnahmslos nicht mehr verfolgt werden. Verzichtete Deutschland gänzlich auf Strafgewalt, würde – jedenfalls solange und soweit eine Strafverfolgung auch nicht effektiv seitens anderer Staaten gewährleistet wird – keinerlei Abschreckung vor der Begehung grenzüberschreitender Taten gewährt, die auch das deutsche Territorium betreffen. Zudem wäre eine ermittlungsproblembedingte vollständige Strafverfolgungsresignation geeignet, eine noch größere Erosion des Normbewusstseins der Bevölkerung herbeizuführen, als es bei einer ermittlungsproblembedingten partiellen Strafverfolgung der Fall wäre. Zum Zwecke der Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung in die Rechtsordnung sowie einer Forcierung der abschreckenden Wirkung von Strafe müssen die Ermittlungsprobleme vielmehr im Wege einer Effektivierung grenzüberschreitender kooperativer Strafverfolgung angegangen werden. Rein national können die Probleme nicht gelöst werden, da die Ermittlungsbefugnis nationaler Strafverfolgungsbehörden ohne entsprechende zwischenstaatliche Vereinbarungen aufgrund der territorialen Souveränität anderer Staaten an den Staatsgrenzen endet.1195 Gefragt ist eine Verbesserung grenzüberschreitender Ermittlungstätigkeit und Vereinfachung von Auslieferungen im Wege einer Intensivierung zwischenstaatlicher Zusammenarbeit. Auf unionaler Ebene steht insofern ein – zum Zwecke der Herstellung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Art. 67 Abs. 1 AEUV) stetig anwachsendes – Instrumentarium zur Verfügung.1196 In den gleichwohl – insb. im außereuropäischen Kontext – derzeit praxisrelevantesten Fällen, in denen der Täter nicht erreichbar ist und/oder der grenzüberschreitende Sachverhalt nicht hinreichend ausermittelt werden kann, sollte auf Basis 1194

Siehe hierzu oben E. II. 4. Vgl. Dombrowski, S. 132 ff.; Gleß, NStZ 2000, S. 57 ff. (57); Nagel, S. 18 f.; vgl. auch in Bezug auf Datenzugriffe Werkmeister/Steinbeck, wistra 2015, S. 209 ff. (213 f.). 1196 Siehe hierzu oben E. II. 4., Fn. 860. 1195

G. Ergebnis

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der derzeitigen Rechtslage vermehrt versucht werden, das Verbot, Online-Glücksspiele ohne hinreichende behördliche Erlaubnis im Inland anzubieten auch durch außerstrafrechtliche Eindämmungsstrategien durchzusetzen (siehe hierzu, insb. zu § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlStV 2012, bereits oben unter F. II.). V. Ergebnis Als Bewertungsergebnis ist festzuhalten, dass zwar auch der im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Lösungsweg an Grenzen stößt. De lege lata löst er den Konflikt zwischen einerseits engem und andererseits weitem Geltungsbedürfnis deutschen Glücksspielstrafrechts allerdings mit dem derzeit zur Verfügung stehenden rechtlichen Instrumentarium in weiten Teilen auf, ohne die Grenzen der gesetzlichen Regelung zu überschreiten.

G. Ergebnis Deutsches Glücksspielstrafrecht kommt auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote über §§ 3, 9 Abs. 1 StGB zur Anwendung, sofern ein Tatort i.S.d. § 9 Abs. 1 StGB aus der prozessualen Tat, im Rahmen derer eine Begehungsmodalität des § 284 StGB verwirklicht wurde, in Deutschland liegt. 7. Abschnitt

Irrtümer betreffend §§ 3 ff. StGB als Strafgewaltbegrenzung? An die vorangegangenen Ausführungen schließt sich die Frage an, ob sich an dem soeben erlangten Ergebnis und der Bewertung des entwickelten Lösungswegs in solchen Fällen etwas ändert, in denen der Täter einem Irrtum betreffend §§ 3 ff. StGB, hier: §§ 3, 9 Abs. 1 StGB, unterliegt. Es stellt sich die Frage, ob §§ 3 ff. StGB betreffende Fehlvorstellungen des Glücksspielanbieters den Geltungsumfang des deutschen Glücksspielstrafrechts beeinflussen. Diskussionswürdig ist diese Frage im Hinblick auf Offshore-Glücksspielangebote vor allem in den praxisrelevanten Fällen, in denen der Glücksspielanbieter irrtümlich annimmt, er verhalte sich legal, weil deutsches Glücksspielstrafrecht – etwa aufgrund eines fehlenden inländischen Handlungsortes des Veranstaltens – auf sein Verhalten keine Anwendung fände. Relevant sind auch beispielsweise Konstellationen, in denen der Glücksspielanbieter irrtümlich davon ausgeht, der „Erfolg“ seines Handelns, etwa in Form des Eintritts eines manipulationsbedingten Vermögensschadens, trete gar nicht in Deutschland ein.

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5. Teil, 7. Abschn.: Irrtümer betr. §§ 3 ff. StGB als Strafgewaltbegrenzung?

A. Tatbestandsirrtum, § 16 Abs. 1 S. 1 StGB Im Schrifttum wird in Bezug auf Konstellationen, in denen sich Täter über Umstände irren, die die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3 ff. StGB begründen, etwa einem „Tatortirrtum“1197 oder einem „Staatsangehörigkeitsirrtum“1198 unterliegen, über die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 S. 1 StGB diskutiert.1199 Die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 S. 1 StGB hängt in diesen Fällen davon ab, ob man §§ 3 ff. StGB in ihrer materiell-rechtlichen Funktion1200 als objektive Tatbestandsmerkmale1201 oder objektive Strafbarkeitsbedingung1202 einordnet. I. §§ 3 ff. StGB als objektive Tatbestandsmerkmale Ordnete man §§ 3 ff. StGB als objektive Tatbestandsmerkmale ein, wären Fehlvorstellungen des Täters über die Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB Irrtümer über einen „Umstand […], der zum gesetzlichen Tatbestand gehört“ i.S.d. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB wäre anwendbar.1203 Die Rechtsfolge eines derartigen Geltungsbereichsirrtums wird überwiegend in dem Entfallen des Tatbestandsvorsatzes gesehen.1204 Der Geltungsbereich der entsprechenden deutschen Verbotsnorm wäre demnach zwar eröffnet, allerdings entfiele die materielle Vorsatzstrafbarkeit des Täters. Für die Bestimmung der im Rahmen dieser Arbeit interessierenden Anwendbarkeit des deutschen Glücksspielstrafrechts nach §§ 3 ff. StGB wären Irrtümer über Umstände, die die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3 ff. StGB begründen, demnach unbeachtlich.1205 1197

Vgl. Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff. (72 ff.). Vgl. Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff. (74 ff.). 1199 Vgl. z. B. Basak, in: MR-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 2; Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff.; Kreis, S. 121 ff.; Namavicius, S. 104 ff.; Neumann, in: FS Müller-Dietz, S. 589 ff. 1200 Zur materiellen und prozessualen Seite der §§ 3 ff. StGB siehe bereits oben 6. Abschnitt E. II. 3. a). 1201 So Basak, in: MR-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 2; Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff. (69 ff.) sowie in NK-StGB, Vor § 3 Rn. 51 mit Ausnahme der „in § 7 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StGB genannten Voraussetzungen (Staatsangehörigkeit des Täters, Nichtauslieferung)“ (Prozessrecht); Namavicius, S. 104 ff.; Neumann, in: FS Müller-Dietz, S. 589 ff. (604); Pawlik, in: FS Schroeder, S. 357 ff. (373). 1202 BGHSt 27, 30, 34; Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 3; Eser, in: Schönke/ Schröder, Vor §§ 3 – 9 Rn. 79; Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 30; Hecker, EuStR, 2 Rn. 3; Jescheck/ Weigend, § 18 V; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), S. 379 ff. (414); Satzger, in: ders./ Schluckebier/Widmaier, Vor §§ 3 – 7 Rn. 3; Scholten, S. 100; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 452. 1203 So die in Fn. 1201 genannten Autoren. 1204 Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 51; Jeßberger, S. 133; Neumann, in: FS Müller-Dietz, S. 589 ff. (605). 1205 Vgl. Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 52: „nicht die Geltung der Strafnorm, sondern die Annahme vorsätzlichen Unrechts“ sei „von der Vorstellung des Täters abhängig“. 1198

A. Tatbestandsirrtum, § 16 Abs. 1 S. 1 StGB

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Teilweise wird wohl eine andere Rechtsfolge für richtig gehalten, wenn davon ausgegangen wird, Irrtümer über die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3 ff. StGB begründende Umstände führten – zumindest in Teilbereichen – zu einem Ausschluss der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nach §§ 3 ff. StGB.1206 Irrtümer begrenzten demnach den Geltungsumfang deutschen Strafrechts und die Strafverfolgungszuständigkeit der deutschen Justiz. Böse1207 konstatiert, § 16 StGB komme eine „Korrektivfunktion“ im Hinblick auf die „völkerrechtlichen Grenzen der Strafgewalt“ zu, „indem er dazu beiträgt, eine Überdehnung der deutschen Strafgewalt über den Erfolgsort (§ 9 Abs. 1 Var. 3 StGB, z. B. bei im Internet begangenen Äußerungsdelikten) zu verhindern“. II. §§ 3 ff. StGB als objektive Strafbarkeitsbedingungen Ordnete man §§ 3 ff. StGB als objektive Strafbarkeitsbedingungen ein, wären die dort normierten Voraussetzungen mangels Zugehörigkeit zum gesetzlichen Tatbestand i.S.d. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB nicht vom Vorsatzerfordernis umfasst. Ein Irrtum über die die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts begründenden Umstände, etwa ein Irrtum über den Tatort oder die Staatsangehörigkeit des Opfers, wäre demnach unbeachtlich. Er berührte nicht die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nach §§ 3 ff. StGB und wirkte sich auch nicht auf die materielle Strafbarkeit aus. III. Stellungnahme Allein nach der eingangs zweitgenannten Variante der §§ 3 ff. StGB als Tatbestandsmerkmale einordnenden Auffassung berührte ein Irrtum über die Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nach §§ 3 ff. StGB. Vom Ergebnis her betrachtet erscheint diese Ansicht begrüßenswert, da sie zu einer Beschränkung der durch §§ 3 ff. StGB konzeptionell weit ausgedehnten deutschen Strafgewalt mit Rücksicht auf die souveränitätsgetragenen Strafansprüche anderer Staaten führt. Auch dem Täter, der infolge eines Irrtums über die Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB sein Verhalten nicht an der deutschen Strafrechtsordnung ausgerichtet hat, käme eine solche Regelung zugute. Vor allem in Bezug auf die Auslandstaten betreffenden §§ 5 – 7 StGB würden sowohl Gebietshoheit proklamierende Tatortstaaten als auch mit deutschen Verhaltensanforderungen nicht ver-

1206 Vgl. Oehler, IntStR, Rn. 254; in Bezug auf das Angebot virtueller Offshore-Glücksspielangebote machen z. B. Stögmüller, K&R 2002, S. 27 ff. (32), und Spindler, MMR 2000, S. 278 ff. (280), die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts davon abhängig, dass der Täter gezielt Wirkungen im Inland herbeiführt, wobei offen bleibt, ob dieses Ergebnis auf § 16 StGB gestützt wird. Teilweise wird ein subjektiver Inlandsbezug ausdrücklich im Wege einer teleologischen Reduktion des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB angenommen, so z. B. Collardin, CR 1995, S. 618 ff. (621), siehe hierzu oben 6. Abschnitt C. II. 1. b). 1207 Vgl. Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff. (77).

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5. Teil, 7. Abschn.: Irrtümer betr. §§ 3 ff. StGB als Strafgewaltbegrenzung?

traute Täter bereits von deutscher Regelungsgewalt in Form einer Geltung deutscher Verhaltensanforderungen verschont.1208 Gegenüber der Geltungsbereichsirrtümer ausschließlich auf Ebene der materiellen Vorsatzstrafbarkeit berücksichtigenden Ansicht zeigt sich ein – bislang unbeachteter – Vorzug einer Einordnung des Irrtums als die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3 ff. StGB ausschließend zudem mit Blick auf das europäische transnationale Doppelbestrafungsverbot aus Art. 50 GRC, 54 SDÜ: Wird die an §§ 3 ff. StGB gekoppelte Strafverfolgungszuständigkeit der deutschen Justiz bei Geltungsbereichsirrtümern von vornherein verneint, kann es in Fällen, in denen sich in der Hauptverhandlung ein fehlender Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich §§ 3 ff. StGB herausstellt, nicht zu Strafklageverbrauch herbeiführenden Freisprüchen wegen fehlenden Vorsatzes des Täters hinsichtlich der Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB kommen. Das Hauptverfahren würde dann vielmehr wegen des Verfahrenshindernisses der fehlenden Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nach §§ 3 ff. StGB durch Prozessurteil gem. § 260 Abs. 3 StPO eingestellt. Unter Zugrundelegung der die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3 ff. StGB bejahenden aber die materielle Vorsatzstrafbarkeit verneinenden Ansichten gelangte man hingegen zu der unangemessenen Konsequenz, dass ein Freispruch des Täters infolge eines Irrtums über die Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB die in Rede stehende prozessuale Tat im Geltungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ1209, und damit ggf. auch in dem ebenfalls zur Strafverfolgung berufenen, vom Vorsatz des Täters umfassten Tatortstaat, straflos stellte. Der Rechtsanwender wäre hier darauf angewiesen, derartige Freisprüche zu umgehen, etwa indem das Strafverfahren in einer die Strafklage nicht verbrauchenden Weise – z. B. gem. § 153c StPO1210 – eingestellt würde. Eine Verneinung der anhand §§ 3 ff. StGB zu bestimmenden Geltung deutscher Verbotsnormen und der Strafverfolgungszuständigkeit der deutschen Justiz infolge eines Tatbestandsirrtums i.S.d. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB mutet allerdings dogmatisch inkonsequent an. Rechtsfolge eines Tatbestandsirrtums ist gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB das Entfallen der Vorsatzstrafbarkeit, nicht das Entfallen der Strafverfolgungszuständigkeit der deutschen Justiz und der Geltung der im deutschen materiellen Strafrecht festgeschriebenen Verbote.1211 Zöge man subjektive Kriterien zur Festlegung der nach §§ 3 ff. StGB zu beurteilenden Strafverfolgungszuständigkeit heran, wäre die Zuständigkeit der deutschen Strafjustiz häufig auch nur schwer ermittelbar. Strafverfolgungsbehörden wären – entsprechend der üblichen Praxis zur Feststellung subjektiver Tatbestandsvoraussetzungen – auf die Heranziehung objektiver Indizien, wie z. B. das Vorliegen eines inländischen Tatortes, angewiesen. Eine derartige Vorgehensweise ist fehleranfällig. 1208

Eingehend zu diesem Aspekt Böse, in: FS Maiwald, S. 61 ff. (76). Zum – nach deutscher Terminologie – prozessualen Tatbegriff der Art. 50 GRC, 54 SDÜ siehe oben 6. Abschnitt E. II. 6. a) bb) (1). 1210 Siehe hierzu oben Fn. 1035. 1211 Vgl. Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 52. 1209

A. Tatbestandsirrtum, § 16 Abs. 1 S. 1 StGB

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Klare, für andere Staaten, Normadressaten und nationale Strafverfolgungsbehörden vorhersehbare Umgrenzungen des Zuständigkeitsbereichs der deutschen Strafjustiz wären unmöglich.1212 Sowohl Zuständigkeitsregelungen im Öffentlichen Recht, Strafrecht wie auch im Zivilrecht verzichten aus entsprechenden Gründen überwiegend auf die Heranziehung subjektiver Kriterien. Durch § 9 Abs. 1 Var. 4 und Abs. 2 Var. 4 StGB wird die Strafverfolgungszuständigkeit der deutschen Justiz zwar ausnahmsweise an die Tätervorstellung geknüpft, weshalb man sich auf den ersten Blick auf den Standpunkt stellen könnte, i.R.d. §§ 3 ff. StGB sei die Heranziehung subjektiver Kriterien konzeptionell möglich. Ebenso gut ließe sich allerdings argumentieren, aus § 9 Abs. 1 Var. 4, Abs. 2 Var. 4 StGB folge im Umkehrschluss, dass §§ 3 ff. StGB ansonsten gerade keinen Vorsatz voraussetzen, da nur i.R.d. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 4 StGB auf die Tätervorstellung rekurriert werde.1213 Der erstgenannte Standpunkt übersieht zudem, dass die Anknüpfung an subjektive Kriterien i.R.d. § 9 Abs. 1 Var. 4, Abs. 2 Var. 4 StGB ihrem speziellen Bezug auf Versuchskonstellationen geschuldet ist [siehe 6. Abschnitt E. II. 8. b) aa)] und damit keine allgemeinverbindlichen Schlüsse hinsichtlich §§ 3 ff. StGB zulässt.1214 Aus § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB lässt sich überdies ein gewichtiges systematisches Argument hinsichtlich der generellen Frage nach der Einordnung der §§ 3 ff. StGB als dem Vorsatzerfordernis des § 16 Abs. 1 S. 1 StGB unterliegende objektive Tatbestandsmerkmale oder als vorsatzunabhängige objektive Strafbarkeitsbedingungen herleiten. Zur Erläuterung dient folgendes Beispiel: Der in den Niederlanden befindliche A schießt über die Grenze auf den in Deutschland befindlichen B. Er stellt sich vor, dass B in Deutschland zu Tode kommt. Tatsächlich überlebt B.

Verstünde man §§ 3 ff. StGB als objektive Tatbestandsmerkmale, müsste man in Versuchskonstellationen dogmatisch folgerichtig auch die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3 ff. StGB i.R.d. Prüfung des Tatentschlusses subjektiv bestimmen. Der Täter müsste nach seiner Vorstellung zur Verwirklichung der Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB unmittelbar ansetzen (§ 22 StGB). Im Beispiel wäre das der Fall: Indem A davon ausgeht, dass B in Deutschland sterben wird, stellt er sich Umstände vor, die die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB begründen und setzt mit der Schussabgabe zu deren Verwirklichung unmittelbar an. Deutsches Strafrecht in Form der §§ 212 Abs. 1 (ggf. 211), 22, 23 1212 Vgl. auch Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 3: „Der sachliche Anwendungs- bzw. Geltungsbereich des deutschen Strafrechts [ist] objektiv zu bestimmen. Er kann nicht vom Vorstellungsbild des Täters abhängig sein“. 1213 Vgl. in Bezug auf § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB Namavicius, S. 105, unter Hinweis auf Ambos, in: MK-StGB, § 9 Rn. 44, und Böse, Vorlesung in Bonn am 19. 5. 2008; vgl. auch Kreis, S. 119. 1214 Ähnlich Kreis, S. 119.

286

5. Teil, 7. Abschn.: Irrtümer betr. §§ 3 ff. StGB als Strafgewaltbegrenzung?

Abs. 1 StGB käme damit gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB zur Anwendung. § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB, der Versuchskonstellationen wie im Beispielsfall erfassen soll,1215 wäre damit überflüssig. Die Existenz des § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB spricht daher gegen eine Einordnung der §§ 3 ff. StGB als objektive Tatbestandsmerkmale. Gegen die damit nahe liegende Alternative, §§ 3 ff. StGB als vorsatzunabhängige objektive Strafbarkeitsbedingung einzuordnen, mag man zwar auf den ersten Blick einwenden, dass damit im Hinblick auf die Regelung der §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 4, Abs. 2 Var. 4 StGB subjektive Tätervorstellungen als objektive Strafbarkeitsbedingungen deklariert würden, bei denen es gerade nicht auf die Tätervorstellung ankommt. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 4, Abs. 2 Var. 4 StGB müsste man konsequenterweise statt als „Objektive Strafbarkeitsbedingungen“ ausnahmsweise als subjektive Bedingung der Strafbarkeit einordnen. Eine solche Einstufung mag auf den ersten Blick systemfremd anmuten. Führt man sich allerdings den Charakter der Strafbarkeitsbedingungen als „Merkmal[e] außerhalb des Unrechtstatbestandes, [die] für die rechtliche Missbilligung der Tat unerheblich [sind], von [denen] aber die Strafbarkeit der Handlung abhängt“1216 vor Augen, müssen konsequenterweise auch subjektive Kriterien, die vom Unrechtstatbestand ausgenommen sein sollen, als Strafbarkeitsbedingung deklarierbar sein. Gänzlich fremd ist dem StGB eine derartige Kategorie nicht. So fließen subjektive Tätervorstellungen beispielsweise in den – den objektiven Strafbarkeitsbedingungen vergleichbaren – persönlichen Strafaufhebungsgrund1217 des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch (§ 24 StGB) ein, wenn es beispielsweise zu beurteilen gilt, ob der Versuch unbeendet oder beendet ist.1218 Schwächen der §§ 3 ff. StGB als Tatbestandsmerkmale einordnenden Ansichten offenbaren sich zudem im Hinblick auf ihre Konsequenzen für die Strafbarkeit des Täters. Im Falle eines „Tatbestandsirrtums“ hinsichtlich der Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB verbliebe möglicherweise eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nach deutschem Recht, vgl. § 16 Abs. 1 S. 2 StGB1219 – beispielsweise eine Strafbarkeit nach § 222 StGB statt nach § 212 oder § 211 StGB. Die Strafbarkeit nach § 222 StGB bzw. die Anwendbarkeit des § 222 StGB gem. §§ 3 ff. StGB scheiterte mangels Tatbestandsvorsatzerfordernisses beim Fahrlässigkeitsdelikt nicht an einem Tatbestandsirrtum. Die deutsche Justiz wäre demnach ggf. für eine Verurteilung eines Täters nach § 222 StGB jurisdiktionsbefugt, obgleich dieser tatsächlich vorsätzlich gehandelt hat. Mit einem entsprechenden Urteil würde der tatsächlich verwirklichte Vorsatzunrechtsgehalt verfälscht. 1215

Siehe 6. Abschnitt E. II. 8. b) aa). http://www.rechtswoerterbuch.de/recht/o/objektive-strafbarkeitsbedingungen. 1217 Objektive Strafbarkeitsbedingungen und persönliche Strafaufhebungsgründe unterscheiden sich dadurch, dass das Fehlen einer objektiven Strafbarkeitsbedingung eine Straflosigkeit für jedermann zur Folge hat, während persönliche Strafaufhebungsgründe nur die Strafbarkeit desjenigen aufheben, „in dessen Person sie vorliegen“, Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 209. 1218 Vgl. statt vieler BGHSt 39, 221, 227; Rengier, AT, § 37 Rn. 31 f. 1219 Vgl. Scholten, S. 90, 96. 1216

B. Verbotsirrtum, § 17 StGB

287

Im Geltungsbereich des transnationalen Doppelbestrafungsverbots aus Art. 50 GRC, 54 SDÜ führte eine entsprechende Verurteilung wegen fahrlässiger Tatbegehung transnationalen Strafklageverbrauch hinsichtlich der prozessualen Tat herbei. Folge dessen wäre, dass eine unrechtsadäquate Aburteilung des Täters wegen vorsätzlicher Tatbegehung im gesamten Geltungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ ausgeschlossen wäre. Eine von der europäischen Einigung auf ein transnationales Doppelbestrafungsverbot vorausgesetzte Erfassung des wesentlichen Unrechtsgehalts der prozessualen Tat durch den aburteilenden Staat wäre damit nicht gewährleistet. Mangels Einverständnis der von der Tat betroffenen Staaten in den Ausschluss ihres Strafanspruchs verstieße eine derartige Rechtslage gegen die allgemeine Regel des Völkerrechts, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt auszuschließen.1220 Aufgrund des Anwendungsvorrangs der allgemeinen Regel des Völkerrechts, fremde Strafansprüche nicht ungerechtfertigt ausschließen zu dürfen1221, wäre eine Verurteilung wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts in den in Rede stehenden Fällen ausgeschlossen. Die Regelung des § 16 Abs. 1 S. 2 StGB würde damit in diesen Fällen obsolet. Die Ausgangsfrage, ob Fehlvorstellungen betreffend §§ 3 ff. StGB gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB zu einer Begrenzung des Geltungsbereich deutschen Strafrechts führen, ist nach alledem zu verneinen.

B. Verbotsirrtum, § 17 StGB Im Hinblick auf §§ 3 ff. StGB betreffende Irrtümer wird zudem über die Anwendbarkeit des § 17 StGB diskutiert.1222 Diskussionsgegenstand sind vor allem Fälle, in denen der Betroffene die Umstände, die die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3 ff. StGB begründen, zwar kennt, allerdings irrtümlich davon ausgeht, sein Verhalten stelle sich nicht als Unrecht dar, weil er sich nicht darüber im Klaren ist, dass sein Verhalten deutschen Verbotsnormen unterfällt. Im Bereich der virtuellen Offshore-Glücksspielangebote sind derartige Vorstellungen keine Seltenheit. Da insb. Dienstleistungsagenturen, Glücksspielunternehmen und -interessenvertretungen die Straflosigkeit von Offshore-Glücksspielangeboten aus Rechtsoasen i. d. R. unkritisch propagieren und bislang wohl öffentlich die Meinung vorherrscht, dass Offshore-Glücksspielanbieter in Deutschland strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden können, gehen Glücksspielanbieter oftmals davon aus, sich durch Rückzug in eine Rechtsoase der deutschen Strafgewalt zu entziehen und sich somit legal zu verhalten. 1220

Siehe hierzu oben 6. Abschnitt E. II. 6. a) bb) (1). Siehe hierzu oben 6. Abschnitt E. II. 6. und 4. Teil. 1222 Vgl. BGHSt 45, 97, 100 ff.; Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 3; Böse, in: NKStGB, Vor § 3 Rn. 52; Jeßberger, S. 151 ff., 162 f.; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), S. 379 ff. (413 ff.); Namavicius, S. 113 ff.; Neumann, in: FS Müller-Dietz, S. 589 ff. (605 ff.). 1221

288

5. Teil, 7. Abschn.: Irrtümer betr. §§ 3 ff. StGB als Strafgewaltbegrenzung?

Wie § 16 Abs. 1 S. 1 StGB berührt allerdings auch § 17 StGB nicht die im Rahmen dieser Arbeit interessierende Frage nach der anhand §§ 3 ff. StGB zu bestimmenden Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts. § 17 StGB betrifft vielmehr die von §§ 3 ff. StGB abzuschichtende Frage nach der individuellen Vorwerfbarkeit des Täterverhaltens. Allein durch die Bejahung der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nach §§ 3 ff. StGB wird dem Täter sein Verhalten noch nicht zum Vorwurf gemacht. Selbst wenn § 17 StGB einschlägig sein sollte1223 und ein entsprechender Irrtum als unvermeidbar einzustufen wäre, käme deutsches Strafrecht unter den Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB zur Anwendung. Ein nach §§ 3 ff. StGB zuständiges Gericht würde den Täter dann allerdings – sofern das Verfahren nicht ohnehin schon zuvor eingestellt wurde – freisprechen.1224

C. Ergebnis Irrtümer des Täters betreffend §§ 3 ff. StGB begrenzen die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nicht. Auch wenn der Täter einem Irrtum betreffend §§ 3, 9 Abs. 1 StGB unterliegt, bleibt es damit bei den oben gewonnenen Erkenntnissen: Deutsches Glücksspielstrafrecht kommt über §§ 3, 9 Abs. 1 StGB vollumfänglich auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote zur Anwendung, sofern ein Tatort i.S.d. § 9 Abs. 1 StGB aus der prozessualen Tat, im Rahmen derer eine Begehungsmodalität des § 284 StGB verwirklicht wurde, in Deutschland liegt. Der Frage, ob Irrtümer betreffend §§ 3 ff. StGB zum Entfallen der – von der Geltungsbereichs- und Strafverfolgungszuständigkeitsfrage abzuschichtenden – materiellen Strafbarkeit des Glücksspielanbieters aufgrund eines Tatbestandsirrtums 1223

Die h.M. hält eine Anwendbarkeit des § 17 StGB prinzipiell für möglich, wenn ein Täter irrtümlich davon ausgeht, die – in Deutschland pönalisierte – Rechtsgutsverletzung begründe kein Unrecht, etwa weil er meint, er unterfalle nicht den deutschen Verbotsnormen, vgl. BGHSt 45, 97, 101; Ambos, in: MK-StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 3; Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 52 (mit Ausnahme von Irrtümern in Bezug auf die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 StGB, die Böse als Prozessrecht einordnet); Eser, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 3 – 9 Rn. 79, § 9 Rn. 15; Henrich, S. 156 f.; Neumann, in: FS Müller-Dietz, S. 589 ff. (606); Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 453; a.A. Walter, JuS 2006, S. 870 ff. (871); differenzierend Basak, in: MR-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 2. Ausgehend von der h.M. käme es dann in Bezug auf Offshore-Glücksspielanbieter insb. auf die Frage an, wie sich die unklare Rechtslage hinsichtlich der Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote auf die Voraussetzungen des § 17 StGB auswirkt, vgl. hierzu, insb. zu Internetkonstellationen, Valerius, NStZ 2003, S. 341 ff.; generell zum unvermeidbaren Verbotsirrtum eines Glücksspielanbieters siehe Buchholz/Rübenstahl, ZfWG 2015, S. 97 ff.; Duesberg/Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (20 f.). 1224 Entsprechend der obigen Ausführungen zu § 16 Abs. 1 S. 1 StGB gilt auch hinsichtlich § 17 StGB: Auf Freisprüche eines Täters aufgrund eines unvermeidbaren Verbotsirrtums ist zu verzichten, wenn anderenfalls im Geltungsbereich der Art. 50 GRC, 54 SDÜ transnationaler Strafklageverbrauch hinsichtlich der prozessualen Tat eintreten würde. In derartigen Fällen ist das deutsche Strafverfahren – in einer die Strafklage nicht verbrauchenden Weise – einzustellen.

C. Ergebnis

289

i.S.d. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB bzw. eines unvermeidbaren Verbotsirrtums i.S.d. § 17 StGB führen können, soll mangels strafanwendungsrechtlicher Relevanz im Rahmen dieser Untersuchung nicht weiter nachgegangen werden. Ebensowenig soll es im Rahmen dieser Arbeit um Fälle gehen, in denen der Täter irrtümlich davon ausgeht, eine in einer Rechtsoase erlangte Glücksspiellizenz entfalte in Deutschland Legalisierungswirkung1225. Auch hierbei handelt es sich nicht um eine spezifisch strafanwendungsrechtliche Thematik.

1225 Zu diesbezüglichen Irrtümern vgl. Buchholz/Rübenstahl, ZfWG 2015, S. 97 ff.; Duesberg/Buchholz, NZWiSt 2015, S. 16 ff. (20 f.). Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals „ohne behördliche Erlaubnis“ siehe oben 3. Teil B. II.

6. Teil

Zusammenfassung und Ausblick A. Thesen Die Untersuchung ist hinsichtlich der Ausgangsfrage nach der Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote zu folgenden Ergebnissen gelangt: 1. Zunächst wurde festgestellt, dass es sich bei § 284 StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt. Die Norm bezweckt eine Eindämmung behördlich nicht erlaubter Glücksspiele, um das Risiko von Individualvermögensschäden infolge einer Teilnahme an manipulierten Glücksspielen zu minimieren. Zudem sollen Minderjährige und Spielsüchtige, deren Spielteilnahmeentscheidung nicht freiverantwortlich erfolgen würde, vor Vermögensausbeutungen und Gesundheitsbeeinträchtigungen geschützt werden. Ein Glücksspiel veranstaltet i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB, wer dem Publikum in organisatorisch tatherrschaftlich-verantwortlicher Weise Spielbeteiligungsmöglichkeiten eröffnet. Im Bereich der virtuellen Offshore-Glücksspielangebote sind diese Voraussetzungen erfüllt, sobald der für das Glücksspielangebot verantwortliche Anbieter sein Glücksspielangebot – d. h. die Glücksspielwebseite inklusive -software bzw. die mobile Anwendungssoftware – auf einen Server lädt und das Angebot abrufbar und spielbar im Internet steht. Mit diesem Verhalten verwirklicht der Glücksspielanbieter zudem die Begehungsmodalität des Bereitstellens von Einrichtungen zu einem illegalen Glücksspiel i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 3 StGB. Ein Glücksspiel hält i.S.d. § 284 Abs. 1 Var. 2 StGB, wer einen bereits in Gang gesetzten Spielbetrieb eigenverantwortlich überwacht oder leitet. Das Werben für ein illegales Glücksspiel i.S.d. § 284 Abs. 4 StGB erfasst in restriktiver Normauslegung nur solche Werbeformen, die eine konkrete Gefahr einer – im Hinblick auf Vermögen und Gesundheit der Spieler risikoreichen – Spielteilnahme begründen. Die Werbung muss insbesondere eine besondere Eignung aufweisen, Adressaten zur Spielteilnahme zu bewegen und diesen – etwa durch einen Hyperlink – die Möglichkeit eröffnen, das illegale Glücksspielangebot unmittelbar wahrzunehmen. 2. Aus dem Herkunftslandprinzip (Art. 3 Abs. 1, 2 EC-RL, umgesetzt in § 3 TMG), wonach Telemedienanbieter beim Angebot und der Erbringung grenzüberschreitender Telemediendienste innerhalb der EU allein dem Recht des Niederlassungsstaates unterliegen, ergeben sich keine Implikationen im Hinblick auf die Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts gem. §§ 3 ff. StGB. Das folgt

A. Thesen

291

bereits daraus, dass der vom deutschen Glücksspielstrafrecht erfasste Bereich des entgeltlichen Glücksspiels durch die missverständliche Art. 1 Abs. 5 lit. d, 3. Spiegelstrich EC-RL entsprechende Ausnahmeregelung § 3 Abs. 4 Nr. 4 TMG vom Herkunftslandprinzip ausgenommen ist. Auf die Frage, ob der Bereich des Strafrechts überhaupt vom Herkunftslandprinzip erfasst ist oder durch den Art. 3 Abs. 4 lit. a EC-RL entsprechenden § 3 Abs. 5 TMG ausgenommen wird, kommt es daher nicht an. 3. Da das Glücksspielstrafrecht nicht im Katalog der in §§ 5 und 6 StGB ausdrücklich und abschließend aufgeführten Straftaten enthalten ist und auch keine diesbezügliche Annexkompetenz konstruiert werden kann, scheidet eine Geltung deutschen Glücksspielstrafrechts gem. §§ 5, 6 StGB de lege lata aus. 4. Eine Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts gem. § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 oder Abs. 2 Nr. 2 StGB scheitert in den typischen Offshore-Konstellationen, in denen Glücksspielanbieter in einer ausländischen Rechtsoase tätig werden, am Erfordernis der Tatortstrafbarkeit, zumal der Glücksspielanbieter typischerweise über eine dort erlangte Glücksspiellizenz verfügt, die sein Verhalten in der Rechtsoase legalisiert oder das Recht der Rechtsoase eine § 284 StGB entsprechende Strafbarkeit gar nicht vorsieht. Zudem fehlt es im Falle des § 7 Abs. 1 StGB (passives Personalitätsprinzip) im Hinblick auf das abstrakte Gefährdungsdelikt § 284 StGB, das kein individualisierbares Opfer voraussetzt, am Erfordernis einer Tat „gegen einen Deutschen“. 5. Hinsichtlich der Anwendbarkeit deutschen Glücksspielstrafrechts über das in § 3 StGB normierte und in § 9 StGB konkretisierte Territorialitätsprinzip konnte zunächst festgehalten werden, dass die Regelung des § 3 Abs. 4 GlStV 2012, wonach ein Glücksspiel dort veranstaltet wird, „wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird“, die in §§ 3 ff. und § 284 StGB enthaltenen Regelungen nicht zu beeinflussen vermag. Es fehlt insofern an einer Gesetzgebungskompetenz zur Abänderung bzw. Konkretisierung bundesrechtlicher Vorschriften. 6. Handlungsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB ist – auch bei Internetsachverhalten – der Ort, an dem der Täter in dem Moment körperlich anwesend ist, in dem er eine tatbestandsmäßig umschriebene Körperbewegung vornimmt. Versuchen in Rechtsprechung und Schrifttum, die Handlungsortsklausel § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB extensiv – etwa durch Einbeziehung von Wirkungen der Handlung auf einem Server – auszulegen, liegt zwar überwiegend die im Grundsatz rechtspolitisch zumindest nachvollziehbare Zielsetzung zugrunde, den durch § 284 StGB bezweckten Schutz vor Vermögens- und Gesundheitsschäden auch bei in Deutschland spielbaren Offshore-Glücksspielen gewähren zu können. Insb. sollen Strafbarkeitslücken infolge einer Umgehung deutschen Strafrechts durch Tatortverlagerung ins Ausland vermieden werden. Mit der gesetzlichen Regelung des Ubiquitätsprinzips lassen sie sich allerdings nicht in Einklang bringen. Einigen Ansätzen zur extensiven Auslegung der Handlungsortsklausel steht überdies das völkerrechtliche Interventionsverbot entgegen.

292

6. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

7. Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB ist der Ort, an dem ein tatbestandsmäßiger Rechtsgutsverletzungs- oder konkreter Gefährdungserfolg eintritt. Dem abstrakten Gefährdungsdelikt § 284 StGB fehlt es an einem solchen Erfolg. Die wiederum überwiegend in dem Bestreben nach einer Ausdehnung des glücksspielstrafrechtlichen Schutzes auf in Deutschland spielbare Offshore-Glücksspiele wurzelnden Versuche im Schrifttum, die Erfolgsortsklausel § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB extensiv auszulegen, sind auch hier mangels Vereinbarkeit mit der gesetzlichen Regelung des Ubiquitätsprinzips, teilweise überdies insb. auch mangels Vereinbarkeit mit dem völkerrechtlichen Interventionsverbot, abzulehnen. 8. Für die anhand §§ 3, 9 Abs. 1 StGB bestimmte Anwendbarkeit des deutschen Glücksspielstrafrechts bedeutet das hier vertretene enge Verständnis der Handlungsund Erfolgsortsklausel – anders als bislang angenommen – gleichwohl nicht, dass § 284 StGB ausnahmslos unanwendbar ist, sofern ein Glücksspielanbieter die tatbestandsmäßige Handlung des Veranstaltens, Haltens etc. unter körperlicher Anwesenheit im Ausland vornimmt. Zur Bestimmung des Umfangs deutscher Strafgewalt ist vielmehr der in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB enthaltene Tatbegriff mit in den Blick zu nehmen. Die Untersuchung ist an dieser Stelle hinsichtlich der zentralen Erkenntnisfrage nach dem Verständnis des Tatbegriffes in §§ 3, 9 Abs. 1 StGB zu der allgemeinverbindlichen Erkenntnis gelangt, dass §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ein prozessualer Tatbegriff zugrunde liegt. „Tat“ i.S.d. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB meint demnach einen nach der allgemeinen Lebensanschauung faktisch untrennbar zusammengehörigen Tatsachenkomplex. Deutsches Strafrecht findet damit gem. §§ 3, 9 Abs. 1 StGB auf die gesamte prozessuale Tat Anwendung, im Rahmen derer ein inländischer Tatort liegt. Sobald beispielsweise ein Glücksspielanbieter im Rahmen eines einheitlichen „Glücksspielangebotsgeschehens“ zwar eine nach § 284 StGB tatbestandsmäßige Handlung ausschließlich im Ausland vornimmt, im Rahmen desselben Geschehens allerdings z. B. ein tatbestandsmäßiger Erfolg oder eine tatbestandsmäßige Handlung eines anderen Delikts im Inland liegt, erstreckt sich die deutsche Strafgewalt vollumfänglich auf die gesamte prozessuale Tat. Im Falle einer Erreichbarkeit des Täters kann in Deutschland dann auch wegen des nach § 284 StGB tatbestandsmäßigen Verhaltens bestraft werden, obgleich ein Tatort dieses Delikts isoliert betrachtet ausschließlich im Ausland liegt. Konkret unterliegen damit beispielsweise die folgenden praxisrelevanten Szenarien vollumfänglich der deutschen Strafgewalt: a) Der Glücksspielanbieter bewirbt sein virtuelles Glücksspielangebot zunächst von Deutschland aus und veranstaltet es im Anschluss daran im Ausland.1226

1226

Siehe hierzu 5. Teil 6. Abschnitt E. IV. 1.

B. Reformbedarf

293

b) Der Glücksspielanbieter veranstaltet sein virtuelles Glücksspiel von einem ausländischen Staat aus und betreut es im Anschluss daran in Deutschland.1227 c) Der vom Ausland aus agierende Glücksspielanbieter veranstaltet ein manipuliertes Glücksspiel. Infolgedessen werden die Gewinnchancen von gegen Entgelt am Spielbetrieb teilnehmenden Spielern weltweit, u. a. in Deutschland, gemindert oder ausgeschlossen.1228 Der hier präsentierte Lösungsweg bietet die angemessenste Möglichkeit, den eingangs1229 geschilderten Konflikt zwischen einerseits engem und andererseits weitem Geltungsbedürfnis deutschen Glücksspielstrafrechts auf Basis der derzeitigen strafanwendungsrechtlichen Rechtslage zu entschärfen, ohne die insb. durch das Völkerrecht gesetzten Auslegungsgrenzen zu überschreiten. Durch die Beschränkung deutscher Strafgewalt auf untrennbar zusammengehörige Geschehensabläufe, verbunden mit einzelfallspezifischen Verfahrenseinstellungen, führt er einerseits nicht zu uferlosem Ermittlungsaufwand der deutschen Strafjustiz, berücksichtigt die Souveränitätsinteressen anderer Tatortstaaten und stellt keine ausufernden Verhaltensanforderungen an die Betroffenen. Andererseits werden durch die Erfassung des gesamten zusammengehörigen Geschehens Umgehungsmöglichkeiten deutschen Glücksspielstrafrechts zumindest in weiten Teilen ausgeschlossen. Bei territorialem Bezug der zusammengehörigen Gesamttat zur Bundesrepublik Deutschland wird der durch § 284 StGB bezweckte Vermögens- und Gesundheitsschutz gewährt. 9. Irrtümer des Täters betreffend §§ 3 ff. StGB begrenzen den Geltungsumfang deutscher Strafnormen und die Strafverfolgungszuständigkeit der deutschen Strafjustiz nicht. Wenn überhaupt, betreffen sie die von der im Rahmen dieser Arbeit interessierenden Frage nach der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3 ff. StGB abzuschichtende Ebene des Tatbestandsvorsatzes hinsichtlich im Deliktstatbestand genannter Tatumstände (vgl. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB) bzw. der Schuld (vgl. § 17 StGB).

B. Reformbedarf Die vorangegangene Untersuchung hat an verschiedenen Stellen Mängel der derzeitigen strafanwendungsrechtlichen Rechtslage aufgezeigt. Die Kritik entzündet sich vor allem am fehlenden Zuschnitt des in § 9 StGB normierten Ubiquitätsprinzips auf via Internet begangene Verbreitungsdelikte. Diese Rechtslage hat – das zeigt schon der Blick auf die Vielzahl der vertretenen Auslegungsansätze des § 9 StGB – zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt, die bis heute andauert. Im Rahmen dieser Arbeit konnte zwar ein Weg aufgezeigt werden, mit dem deutsches Strafrecht ge1227 1228 1229

Siehe hierzu 5. Teil 6. Abschnitt E. IV. 2. Siehe hierzu 5. Teil 6. Abschnitt E. IV. 3. Siehe 1. Teil A. und 5. Teil, S. 56 f.

294

6. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

setzeskonform und im Hinblick auf den gebotenen Rechtsgüterschutz bei vom Ausland aus begangenen Straftaten mit risikoreichen Wirkungen im Inland zumindest in weiten Teilen sachgerecht zur Geltung gelangt. Auch der hier präsentierte Ansatz kann allerdings nicht restlos zu rechtspolitisch wünschenswerten Ergebnissen führen. In Bezug auf virtuelle Offshore-Glücksspielangebote gerät er vor allem dann an seine Grenzen, wenn Glücksspielanbieter ausschließlich tatbestandsmäßig im Ausland handeln und auch etwaige mit dem Glücksspielangebot zusammenhängende Tatorte anderer Straftaten nicht im Inland liegen (siehe hierzu oben 5. Teil 6. Abschnitt F. II.). Der durch § 284 StGB bezweckte Rechtsgüterschutz kann hier nicht gewährt werden. Um in Zukunft eine zufriedenstellende, bestehende Rechtsunsicherheit beseitigende Regelung zu schaffen, bedarf es eines legislativen Tätigwerdens.1230 Eine Reform sollte im Idealfall auch in Fällen, in denen von abstrakten Gefährdungsdelikten zu verhindern bezweckte Zustände (z. B. im Falle des § 284 Abs. 1 Var. 1 StGB das Bestehen von Spielbeteiligungsmöglichkeiten) im Inland eintreten, hinreichenden Rechtsgüterschutz gewähren können. Straftätern sollte es in Zukunft unmöglich sein, durch bloße Handlungsortverlagerung in eine ausländische Rechtsoase nach deutschem Strafrecht missbilligte Wirkungen straffrei im Inland eintreten zu lassen. Gleichzeitig darf es aber auch nicht dazu kommen, dass Deutschland unter Berufung auf eine bloße inländische Abrufbarkeit nach deutschem Recht strafbarer Internetinhalte seinen in spezifisch nationalen soziokulturell bedingten Wert- und Moralvorstellungen wurzelnden Strafanspruch im Bereich der Internetkriminalität uferlos ausdehnt. Ganz abgesehen davon, dass eine derart weitgehende Strafbarkeit insb. in Anbetracht des gebotenen Respekts vor der Souveränität anderer Staaten (außen-)politisch nicht erstrebenswert ist, verstieße sie mangels spezifischen Tatbezugs zu Deutschland gegen das völkerrechtliche Interventionsverbot sowie die Freiheitsrechte der Strafgewaltadressaten und liefe der Strafverfolgungsökonomie zuwider. Idealerweise sollte eine Neuregelung zudem das Problem von Jurisdiktionskonflikten im Blick haben. Insbesondere innerhalb des Geltungsbereichs des transnationalen Doppelbestrafungsverbots aus Art. 50 GRC, 54 SDÜ sollte es in Zukunft nicht von dem oft zufälligen Ereignis abhängen, welcher von mehreren zur Strafverfolgung berufenen Staaten am schnellsten eine rechtskräftige Entscheidung herbeiführt und damit andere Staaten infolge Strafklageverbrauchs ausschließt. Vor allem im Interesse des Beschuldigten, nicht mit kumulativen Strafansprüchen belastet zu werden, sind vorhersehbare, verbindliche zwischenstaatliche Zuständigkeitsregelungen erforderlich. Schließlich sollte eine ideale Neuregelung durch Strafverfolgungsbehörden durchsetzbar sein, um das Normbewusstsein zu stärken

1230 Hierfür plädieren z. B. Conradi/Schlömer, NStZ 1996, S. 366 ff. (369); Duesberg, JA 2008, S. 270 ff. (273); Falk, S. 256; Heghmanns, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Rn. 25; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), S. 650 ff. (674), und Koch, GA 2002, S. 703 ff. (713).

C. Mögliche Reformen

295

und die abschreckende Wirkung von Strafe effektiv zur Geltung kommen zu lassen.1231

C. Mögliche Reformen I. National 1. Änderung der §§ 3 ff. StGB Als mögliche Reform ließe sich eine Anpassung der §§ 3 ff. StGB an via Internet begangene Straftaten in Erwägung ziehen. Eine Neuregelung könnte den Regelungskomplex des deutschen Strafanwendungsrechts in §§ 3 ff. StGB in zwei jeweils eigenständige Teile aufspalten. Der erste Teil regelte den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts in Bezug auf Taten, die nicht via Internet begangen werden. Der zweite Teil regelte den Geltungsbereich deutschen Strafrechts für via Internet begangene Taten. Für den ersten Teil könnte es im Grundsatz bei den Regelungen der §§ 3 ff. StGB verbleiben. Hier passt die auf die Existenz von Staatsgrenzen aufbauende Differenzierung zwischen Inlandstaten (§ 3 StGB) und Auslandstaten (§§ 4 – 7 StGB). Da Staatsgrenzen demgegenüber im World Wide Web – wie gezeigt1232 – in Anbetracht der weltweiten virtuellen Interaktionsmöglichkeiten allenfalls eine geringe Bedeutung zukommt,1233 müsste der neu ins StGB einzufügende zweite Teil grundlegend anders konzipiert sein als §§ 3 – 7 und 9 StGB. Man könnte insofern in Erwägung ziehen, einen derjenigen im Schrifttum de lege lata unterbreiteten Interpretationsvorschläge des § 9 StGB gesetzlich zu normieren, die zwar mit dem völkerrechtlichen Interventionsverbot in Einklang stehen, allerdings mangels Vereinbarkeit mit der derzeitigen Regelung des § 9 StGB abgelehnt wurden. So könnte eine gesetzliche Neuregelung etwa entsprechend der Vorschläge Cornils1234 oder Kuners1235 maßgeblich auf die Belegenheit von Daten auf Servern abstellen. Die Nachteile derartiger Regelungen wurden allerdings bereits herausgearbeitet. Cornils und Kuners Ansatz steht vor allem die mangelnde praktische Handhabbarkeit entgegen, da Daten i. d. R. auf zahlreichen Servern (zwischen-)gespeichert werden.1236 Anbieten würde sich vielmehr, die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts im Bereich der Internetkriminalität in Zukunft in Bezug auf typische Szenarien oder – nach dem Vorbild des den §§ 5 und 6 StGB zugrunde liegenden Regelungssystems – bzgl. einzelner Delikte oder Deliktsgruppen einzeln zu normieren. Auf diese Weise 1231 1232 1233 1234 1235 1236

Vgl. zu diesem Aspekt Koch, GA 2002, S. 703 ff. (713). Siehe 5. Teil 6. Abschnitt E. II. 5. Vgl. Satzger, IntEuStR, § 5 Rn. 52; Valerius, S. 242. Cornils, JZ 1999, S. 394 ff.; dies., in: Hohloch (Hrsg.), S. 71 ff. (79 f.). Kuner, CR 1996, S. 453 ff. (454). Siehe oben 5. Teil 6. Abschnitt B. II. 3.

296

6. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

ließe sich dem deutschen Strafverfolgungsinteresse, entgegenstehenden Strafverfolgungsinteressen anderer Staaten, Freiheitsrechten der Betroffenen und Ermittlungschancen bereichsspezifisch Rechnung tragen. Um nur ein Beispiel zu nennen, könnte z. B. die Verbreitung volksverhetzender Inhalte via Internet (§ 130 StGB) der deutschen Strafgewalt unter der Voraussetzung unterworfen werden, dass die verbreiteten Inhalte – wie es z. B. bei einer Holocaust-Leugnung im Internet der Fall wäre – einen spezifischen Bezug zu Deutschland aufweisen.1237 Statt eines solchen eigenen Strafanwendungsrechts für Internetsachverhalte wurde im Schrifttum vorgeschlagen, den Tatort bei via Internet begangenen Taten eigenständig in einem neuen § 9 Abs. 3 StGB zu regeln. Deiters1238 und Koch1239 fordern, bei Internetdelikten ausschließlich den Handlungsort als tatortbegründend zu normieren. Lehle1240 plädiert im Bereich der Internetkriminalität für eine Beschränkung des Geltungsbereichs deutschen Strafrechts auf solche Internetdelikte, die „einen besonderen Bezug auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland“ aufweisen.1241 Erwägen ließe sich zudem, bestimmte via Internet verwirklichte Straftatbestände in den Katalog der §§ 5, 6 StGB aufzunehmen, um sie tatort- und tatortstrafbarkeitsunabhängig zur Anwendung gelangen zu lassen.1242 Eine Aufnahme in § 6 StGB, der die tatort(strafbarkeits)unabhängige Erstreckung deutscher Strafgewalt auf Auslandstaten durch das Weltrechtsprinzip zu legitimieren bezweckt, scheiterte allerdings regelmäßig am fehlenden Konsens der Staaten hinsichtlich der Strafwürdigkeit via Internet verbreiteter Inhalte. Eine extraterritoriale Erstreckung deutscher Strafgewalt ließe sich daher in diesen Fällen nicht mit der § 6 StGB zugrunde liegenden Erwägung legitimieren, Deutschland betreibe als Vertreter der Staatengemeinschaft Weltrechtspflege.1243 Im Hinblick auf das Glücksspielstrafrecht ließe sich daher allenfalls eine Einfügung einer Nr. 18 in § 5 StGB in Erwägung ziehen. Ein pauschaler Verweis auf §§ 284, 287 StGB ohne weitere Voraussetzungen genügte hierfür allerdings nicht. Die damit einhergehende tatort(strafbarkeits)unabhängige weltweite Ausdehnung deutscher Strafgewalt wäre unter dem Gesichts1237 Der BGH sah im Toeben-Fall einen besonderen Tatbezug zur Bundesrepublik Deutschland aufgrund der „Einzigartigkeit der unter der Herrschaft des Nationalsozialismus an den Juden begangenen Verbrechen“, BGHSt 46, 212, 224. 1238 Deiters, ZRP 2003, S. 359 ff. (362). 1239 Koch, GA 2002, S. 703 ff. (713). 1240 Lehle, S. 49. 1241 Lehle, S. 49, schlägt folgenden Wortlaut vor: „Der zum Tatbestand gehörende Erfolg begründet bei Taten in weltweiten Datennetzen (Internet) nur dann einen Tatort in Deutschland, wenn die Tat einen sachlichen Bezug zu Deutschland aufweist. Ein solcher sachlicher Bezug zu Deutschland ist insbesondere dann gegeben, wenn der Inhalt einer in ein Datennetz gegebenen Datei in deutscher Sprache verfasst ist oder sich speziell auf deutsche Sachverhalte oder Personen bezieht, oder wenn der Täter gerade auf eine Wirkung in Deutschland abzielt.“ 1242 Vgl. Koch, GA 2002, S. 703 ff. (709). 1243 Vgl. Böse, in: NK-StGB, Vor § 3 Rn. 21; Weißer, GA 2012, S. 416 ff. (418 ff.).

C. Mögliche Reformen

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punkt des Interventionsverbotes mangels spezifischen Tatbezuges zur Bundesrepublik Deutschland nicht legitimierbar.1244 Will man nicht auf Konstruktionen contra legem wie einen vom BGH1245 verlangten über die geschriebenen Voraussetzungen der §§ 5, 6 StGB hinausgehenden spezifischen Inlandsbezug im Einzelfall angewiesen sein, bedürfte es vielmehr einer ausdrücklichen Normierung eines besonderen, spezifischen Tatbezuges zur Bundesrepublik Deutschland. Ein neuer § 5 Nr. 18 StGB könnte nach diesen Maßgaben beispielsweise lauten: „Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels, einer Lotterie oder einer Ausspielung (§§ 284, 287 StGB), wenn die Veranstaltung auf in Deutschland befindliche Spielteilnehmer ausgerichtet ist.“

In welchen Fällen eine solche Ausrichtung besteht, müsste durch Nennung von Fallgruppen im Normtext („, namentlich…“) oder im Wege der Entwicklung fallgruppenspezifischer Rechtsprechung konkretisiert werden. Geeignete Kriterien wären z. B. deutsche Inhalte (Bsp.: Angebot von Sportwetten auf deutsche Sportveranstaltungen) sowie Werbung auf dem deutschen Markt und deren Umfang. Mögliche Indizien wären beispielsweise die Frequentierung des Angebots von Deutschland aus und die Höhe des in Deutschland erzielten Umsatzes.1246 Statt einer Regelung in § 5 Nr. 18 StGB ließe sich in Erwägung ziehen, eine entsprechende Regelung unter Abweichung von §§ 3 ff. StGB – etwa nach dem Vorbild der §§ 129b, 89a StGB – als besonderes Strafanwendungsrecht für Internetdelikte direkt im jeweiligen BT-Regelungskontext zu normieren. Kienle1247 schlägt demgegenüber vor, zur Wahrung der Völkerrechtskonformität der §§ 3 ff. StGB die Anwendbarkeit via Internet verwirklichter Delikte generell – also auch außerhalb des § 7 StGB – vom Erfordernis einer Tatortstrafbarkeit am Handlungsort abhängig zu machen. Abgesehen von der Kritikwürdigkeit der vorgenannten Reformansätze im Einzelnen sehen sich sämtliche Vorschläge dem Einwand ausgesetzt, den eingangs genannten idealtypischen Reformzielen allenfalls teilweise gerecht zu werden. Kein Ansatz vermag das Phänomen „forum shopping“ gänzlich zu beseitigen. Teilweise – so etwa der eben erwähnte Vorschlag Kienles, wonach deutsches Strafrecht bei Straflosigkeit der Tat am Tatort keine Anwendung finden soll – begünstigen sie Rechtsumgehungen sogar in einem noch größeren Ausmaß als es nach derzeitiger Rechtslage der Fall ist. Diejenigen Vorschläge, die den Geltungsbereich deutschen 1244

Vgl. hierzu auch oben 5. Teil 6. Abschnitt B. II. 2. e) cc). BGHSt 45, 64, 66; BGH NStZ 1994, 232, 233; kritisch z. B. Eser, in: Schönke/Schröder, § 6 Rn. 1 m.w.N.; zum Erfordernis eines maßgeblichen Inlandsbezugs im Auslieferungsrecht vgl. BVerfG NJW 2016, 1714, 1715 ff. 1246 Eine Heranziehung derartiger Kriterien wird de lege lata von Vertretern einer extensiven Interpretation der Erfolgsortsklausel § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB gefordert, um die Norm einzuschränken, siehe hierzu oben 5. Teil 6. Abschnitt C. II. 1. a) sowie zur Kritik an den einzelnen Kriterien 5. Teil 6. Abschnitt C. II. 1. c) ee). 1247 Kienle, S. 173 ff. 1245

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6. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

(Glücksspiel-)Strafrechts – etwa durch einen neuen § 5 Nr. 18 StGB oder eine entsprechende Regelung in einem eigenständigen Strafanwendungsrecht für via Internet begangene Taten – prinzipiell ausweiten und damit Rechtsumgehungen tendenziell eher Einhalt gebieten könnten, sehen sich insb. durch das einen spezifischen Tatbezug zur Bundesrepublik Deutschland erfordernde Interventionsverbot in ihre Schranken gewiesen. Den dargestellten rein nationalen Ansätzen ist es zudem immanent, Jurisdiktionskonflikte mit anderen ebenfalls zur Strafverfolgung berufenen Staaten herbeizuführen. Um Rechtsumgehungen entgegen zu wirken, ohne die deutsche Strafgewalt unangemessen auszuweiten, könnte man über die Aufnahme einer Missbrauchsklausel in §§ 3 ff. StGB nachdenken, wie sie etwa im Entwurf eines Preußischen StGB von 1846 und 1847 vorgeschlagen wurde1248. In einer solchen Klausel könnte geregelt werden, dass deutsches Strafrecht auch ohne einen in §§ 3 – 7 StGB normierten Anknüpfungspunkt deutscher Strafgewalt Anwendung findet, sofern eine Handlung bewusst im Ausland vorgenommen wird, um nach deutschem Strafrecht pönalisierte Handlungswirkungen straffrei in Deutschland eintreten lassen zu können. Eine derartige Regelung geriete allerdings insb. in Konflikt mit der unionsrechtlichen Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit (Art. 56 bzw. 49 AEUV). Sie erschiene außerdem insofern systemfremd, als §§ 3 ff. StGB grundsätzlich – mit Ausnahme des dem spezifischen Normbezug zum Versuchsdelikt geschuldeten1249 § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB – allein auf objektive Kriterien abstellen. Das Erfordernis einer Umgehungsabsicht wäre – insb. aufgrund schwieriger Nachweisbarkeit – auch kaum justiziabel. Die Reichweite deutscher Verhaltensanforderungen und die Strafverfolgungszuständigkeit der deutschen Justiz ließen sich regelmäßig nicht rechtssicher bestimmen. Zudem stünde die Vereinbarkeit einer derartigen Regelung mit dem Interventionsverbot in Frage, das zur Legitimation einer extraterritorialen Strafgewalterstreckung einen hinreichend spezifischen Tatbezug zu Deutschland statt eines pauschalen Verweises auf eine kaum nachzuweisende Umgehungsabsicht verlangt. 2. Änderung des deutschen Glücksspielstrafrechts Statt einer Änderung der §§ 3 ff. StGB wird teilweise für eine Änderung einzelner Strafnormen des Besonderen Teils eingetreten, um ihre Anwendbarkeit interessengerecht an § 9 Abs. 1 StGB anzupassen.1250 Das Glücksspielstrafrecht betreffend plädiert Berberich1251 für eine Umgestaltung der abstrakten Gefährdungsdelikte 1248 Dort war die Regelung vorgesehen, „daß wenn die von einem Inländer im Auslande begangenen Verbrechen dort straflos sind, alsdann dennoch das Preußische Strafgesetz darauf Anwendung finden solle, wenn die Handlung a) ein Verbrechen gegen den Preußischen Staat enthält, oder b) in der Absicht, das Preußische Gesetz zu umgehen, im Auslande vorgenommen ist“, Goltdammer, S. 61; vgl. auch Namavicius, S. 91, Fn. 293. 1249 Siehe hierzu oben 5. Teil 6. Abschnitt E. II. 8. b) aa). 1250 Berberich, S. 170; Brugger, S. 132. 1251 Berberich, S. 170.

C. Mögliche Reformen

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§§ 284, 287 StGB in abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte, um auf diese Weise unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH im Fall „Toeben“1252 einen inländischen Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB auch bei Offshore-Glücksspielangeboten begründen zu können. Konkret schlägt er folgende Formulierung vor: „Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt und dadurch die Absicherung eines ordnungsgemäßen Spielbetriebs gefährdet, wird […] bestraft“1253. Gegen Berberichs Vorschlag ist einzuwenden, dass auch abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte keinen Eintritt einer konkreten Gefahr für das geschützte Rechtsgut oder eine Rechtsgutsverletzung voraussetzen. Auch hier fehlt es deshalb nach der hier vertretenen Auffassung an einem – eine konkrete Rechtsgutsgefährdung oder -verletzung voraussetzenden – „zum Tatbestand gehörende(n) Erfolg“ i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB. Berberichs Vorschlag beinhaltet damit keinen Mehrwert gegenüber der bisherigen Rechtslage. In Fällen, in denen Glücksspiele zwar in Deutschland gespielt werden können, ansonsten aber keine besondere Verknüpfung der Tat zu Deutschland besteht, fehlte es an einem die Strafgewalterstreckung legitimierenden spezifischen Tatbezug.1254 Wenn Brugger1255 meint, § 284 StGB ließe sich zum Erfolgsdelikt umgestalten, für das § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB dann unproblematisch einschlägig wäre, indem er wie folgt gefasst würde: „Wer durch Entgegennahme persönlicher Daten oder eines Spieleinsatzes einem anderen die Teilnahme an einem unerlaubten Glücksspiel ermöglicht, wird mit Freiheitsstrafe …“, vermag das nicht zu überzeugen. Brugger geht wohl von einem Verständnis der Deliktskategorie „Erfolgsdelikt“ als Delikt aus, das eine vom Handlungsvollzug trennbare Außenweltveränderung voraussetzt, die nicht notwendigerweise in einer Verletzung oder konkreten Gefährdung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts liegen muss1256. Für einen „Erfolg“ i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB lässt sie den Eintritt einer solchen Außenweltveränderung in Form des Bestehens einer Spielbeteiligungsmöglichkeit genügen. Oben wurde allerdings dargelegt, dass von konkreten Gefährdungen oder Verletzungen der tatbestandlich geschützten Rechtsgüter unabhängige Außenweltveränderungen als pauschaler 1252

BGHSt 46, 212. Berberich, S. 170 (Hervorhebung nur hier). 1254 Berberich, S. 170, selbst weist auf diese Problematik hin. Er plädiert dafür, ein – dem Gesetzesvorschlag nicht zu entnehmendes – Erfordernis eines spezifischen Inlandsbezuges völkerrechtskonform in die gesetzliche Regelung hineinzulesen. 1255 Brugger, S. 132. 1256 Ebenso definieren beispielsweise Rönnau, JuS 2010, S. 961 ff. (961) und Wessels/ Beulke/Satzger, AT, Rn. 38. Demgegenüber gehen etwa Feldmann, S. 84; Pelz, ZUM 1998, S. 530 ff. (531), und Roxin, AT I, § 10 Rn. 102, davon aus, Erfolgsdelikte setzten einen Außenwelterfolg in Form einer Verletzung oder konkreten Gefährdung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts voraus; kritisch hierzu – mit Hinweis auf eine Vermengung der Deliktskategorien Verletzungs- und Erfolgsdelikt – Rönnau, JuS 2010, S. 961 ff. (962); Thumm, S. 109. 1253

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6. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

Anknüpfungspunkt deutscher Strafgewalt im Bereich des Glücksspielstrafrechts zu interventionsverbotswidrigen Strafgewalterstreckungen führen. Ernsthaft in Betracht käme damit lediglich eine Umgestaltung des § 284 StGB in ein Verletzungs- oder konkretes Gefährdungsdelikt. Eine entsprechende Umgestaltung des Glücksspielstrafrechts führte nicht nur zur Einschlägigkeit des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB bei im Inland eintretenden konkreten Gefährdungs- oder Verletzungserfolgen. Darüber hinaus hätte sie auch eine Entschärfung der oben aufgezeigten1257, mit der weiten Vorverlagerung des kriminalstrafrechtlichen Schutzes durch abstrakte Gefährdungsdelikte einhergehenden Legitimationsprobleme zur Folge. Konkret könnten §§ 284, 287 StGB um folgenden Einschub ergänzt werden: „[…] und dadurch das Vermögen der Spielteilnehmer in die Gefahr einer spielmanipulationsbedingten Schädigung bringt oder die Gesundheit oder das Vermögen nicht freiverantwortlich handelnder minderjähriger oder spielsüchtiger Personen gefährdet.“

Die Erforderlichkeit einer Pönalisierung der Herbeiführung einer konkreten Gefahr irregulärer Vermögensschäden mag man zwar insofern bezweifeln, als eine solche Gefahr regelmäßig erst dann zu bejahen wäre, wenn der Glücksspielanbieter tatsächlich manipulierend auf den Spielbetrieb einwirkt, ein solches Verhalten allerdings bereits in weiten Teilen von der (versuchten) Betrugsstrafbarkeit (§ 263 Abs. 1 (Abs. 2) StGB) erfasst wird.1258 Jedenfalls hinsichtlich der konkreten Gefahr von Schädigungen nicht freiverantwortlich handelnder minderjähriger oder spielsüchtiger Personen wäre ein Schutzbedürfnis hingegen zu bejahen (siehe hierzu oben 3. Teil A. III.). Alternativ könnte das Glücksspielstrafrecht durch gänzliches Abrücken vom System der Vorfeldkriminalisierung grundlegend umgestaltet werden. §§ 284, 287 müssten aus dem StGB gestrichen und beispielsweise zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft werden. Deren Geltungsbereich kann abweichend vom grundsätzlich geltenden Tatortprinzip (§§ 5, 7 OWiG) – etwa unter Anknüpfung an eine oben erwogene1259 Ausrichtung des Glücksspiels auf in Deutschland befindliche Nutzer – speziell bestimmt werden (vgl. § 5 OWiG: „Wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt“). An kriminalstrafrechtlichem Vermögensschutz der Spielteilnehmer vor Spielmanipulationen verbliebe die (versuchte) Betrugsstrafbarkeit. Im Hinblick auf den kriminalstrafrechtlichen Schutz nicht freiverantwortlich handelnder Spielsüchtiger und Minderjähriger blieben die – allerdings praktisch selten zu bejahenden (siehe 3. Teil A. III.) – Körperverletzungsdelikte sowie – in Bezug auf Minderjährige – die engen kriminalstrafbewehrten Verbote des JSchG (siehe hierzu 3. Teil A. III.). Da es sich bei § 263 StGB um ein Verletzungsdelikt handelt, käme die Norm – sofern ein (vom Täter vorgestellter) inländischer Vermögensschaden eintritt – gem. § 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 Var. 3 bzw. Var. 4 StGB zur Anwendung. Ebenso verhielte es sich 1257 1258 1259

Siehe 3. Teil A. III. und IV. Siehe hierzu oben 3. Teil A. IV. Siehe C. I. 1.

C. Mögliche Reformen

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bei den Körperverletzungsdelikten. Eine solche Reform, die auf einen der eigentlichen Vermögensschädigung vorgelagerten kriminalstrafrechtlichen Vermögensschutz – mit Ausnahme der versuchten Betrugsstrafbarkeit (§ 263 Abs. 1 und 2 StGB) – verzichtet, bedeutete einen generellen Strategiewechsel im Bereich der Bekämpfung des illegalen Glücksspiels. Will es der Gesetzgeber bei der derzeitigen §§ 284, 287 StGB zugrunde liegenden rechtspolitischen Entscheidung für einen vorverlagerten kriminalstrafrechtlichen Vermögensschutz belassen, scheidet eine solche Lösung aus. Festzuhalten ist nach alledem, dass rein nationale Lösungsansätze die eingangs aufgestellten Reformziele nicht vollständig erfüllen können. II. International Reformansätze sind daher (auch) auf internationaler Ebene zu suchen. 1. Zwischenstaatliche Strafverfolgungszuständigkeitsverteilung Im Hinblick auf die Reformziele, Jurisdiktionskonflikte zu vermeiden und Normadressaten nicht mit Verhaltensanforderungen verschiedener Staaten zu konfrontieren, erscheint auf den ersten Blick eine zukünftige Rechtslage erstrebenswert, wonach §§ 3 ff. StGB beispielsweise durch einen § 9 Abs. 3 StGB n.F. oder ein eigenständiges Strafanwendungsrecht für Mediendistanzkriminalität an die Begehungsform der Mediendistanzdelikte angepasst sind, Strafgewalt aber nur ausgeübt werden darf, wenn eine internationale Zuständigkeitsverteilungsregelung der Bundesrepublik Deutschland die Strafverfolgungszuständigkeit für den betreffenden Sachverhalt zuschreibt. Aussichtsreich sind Zuständigkeitsregelungen momentan am ehesten auf Ebene der EU als einheitlicher Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Art. 3 Abs. 2, 67 Abs. 1 AEUV). Mit dem Vertrag von Lissabon wurde der EU als eigene Rechtsperson eine originäre Kompetenz zugeschrieben, das Strafrecht betreffende Rechtsakte zu erlassen.1260 Hinsichtlich unionaler Maßnahmen zur Koordinierung der Strafverfolgungszuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten räumt Art. 82 Abs. 1 UAbs. 2 lit. b AEUV dem Europäischen Parlament und dem Rat die Kompetenz ein, Maßnahmen zu erlassen, um „Kompetenzkonflikte zwischen den Mitgliedstaaten zu verhindern und beizulegen“. Unter Berufung auf diese Kompetenznorm wurden jüngst Reformvorschläge zur zwischenstaatlichen Strafverfolgungskompetenzverteilung im Bereich grenzüberschreitender Kriminalität unterbreitet.1261 Derzeit existieren lediglich bereichsspezifische unionale Vorgaben zur Strafverfolgungszuständigkeit in bestimmten Deliktsbereichen. Vor allem 1260

Vgl. nur Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 7 ff. Vgl. z. B. Böse/Meyer, ZIS 2011, S. 336 ff.; dies./Schneider, Conflicts of Jurisdiction, Vol. I; dies., GA 2014, S. 572 ff.; Hecker, ZIS 2011, S. 60 ff.; Schomburg/Suominen-Picht, NJW 2012, S. 1190 ff. (1193); Sinn, ZIS 2013, S. 1 ff. 1261

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6. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

in Richtlinien, die eine bereichsspezifische Angleichung nationaler Strafnormen vorschreiben, finden sich an die Mitgliedstaaten gerichtete Vorgaben zur Strafverfolgungszuständigkeit.1262 Derartige Vorgaben sind momentan überwiegend von der Zielsetzung getragen, eine möglichst weit reichende Strafverfolgung innerhalb der Union zu gewährleisten.1263 Sie geraten damit – in den durch Art. 50 GRC, 54 SDÜ gesetzten Grenzen – vor allem in Konflikt mit dem Interesse der Normadressaten, nur der Strafgewalt eines einzigen Staates ausgesetzt zu sein, und laufen der Strafverfolgungsökonomie zuwider. Um den Beschuldigtenrechten und der Strafverfolgungsökonomie Rechnung zu tragen, käme im Bereich der virtuellen Offshore-Glücksspielangebote eine Zuständigkeitsverteilungsregelung in Betracht, die dem Herkunftsstaat, d. h. demjenigen Staat, in dem der Glücksspielanbieter niedergelassen ist, die Strafverfolgungszuständigkeit zuschreibt. Konkret könnte die eingangs angesprochene1264 ECRL dahingehend geändert bzw. klarstellend ergänzt werden, dass das Herkunftslandprinzip auch im Bereich des Strafanwendungsrechts gilt und – durch Streichung des ohnehin in vielen Sprachfassungen missglückten Art. 1 Abs. 5 lit. d, 3. Spiegelstrich1265 – der Bereich des Glücksspielrechts nicht länger vom Herkunftslandprinzip ausgenommen wird. Damit wäre nur der Anbieterstaat strafverfolgungsbefugt. Alle anderen Staaten wären von der Strafverfolgung ausgeschlossen. Deutschland wäre damit nur bzgl. solcher Glücksspielanbieter strafverfolgungsbefugt, die von Deutschland aus agieren. Der Beschuldigte hätte sich zumindest in Bezug auf die Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten nur an die Regeln desjenigen Mitgliedstaates zu halten, in dem er niedergelassen ist. Die Strafverfolgung kann hier i. d. R. auch am effektivsten betrieben werden, insb. weil der Glücksspielanbieter hier am ehesten zu erreichen ist. Die geschilderten Zuständigkeitsregelungen leiden allerdings zum einen an ihrer Beschränkung auf die EU. Mangels derzeitiger Konsensfähigkeit einer weltweiten Strafverfolgungszuständigkeitsregelung müsste es in Fällen, in denen ein Nicht-EUStaat und ein EU-Staat nach ihrem nationalen Strafanwendungsrecht zur Strafverfolgung berufen sind, bei unverbindlichen, unvorhersehbaren einzelfallspezifischen zwischenstaatlichen Zuständigkeitsabsprachen und Auslieferungsersuchen verbleiben, die vor allem in solchen Fällen wenig Erfolg versprechen, in denen die jeweiligen Verhaltensanforderungen und drohenden Sanktionen stark voneinander abweichen oder in denen es – z. B. mangels bestehender Rechtshilfevereinbarungen – 1262

Vgl. z. B. Art. 12 der Richtlinie 2013/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12. 8. 2013 über Angriffe auf Informationssysteme und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates, ABl. L 218 v. 14. 8. 2013, S. 13; Art. 10 der Richtlinie 2014/ 47/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16. 4. 2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation, ABl. L 173 v. 12. 6. 2014, S. 188. 1263 Vgl. Böse/Meyer, ZIS 2011, S. 336 ff. (337); Eisele, ZStW 125 (2013), S. 1 ff. (4); Lagodny, Gutachten Strafgewaltskonflikte, S. 101 ff.; Vogel, in: FS Schroeder, S. 877 ff. (891). 1264 Siehe 5. Teil 1. Abschnitt B. 1265 Siehe hierzu oben 5. Teil 1. Abschnitt B. III.

C. Mögliche Reformen

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an der Voraussetzung der Gegenseitigkeit fehlt.1266 Eine Zuständigkeitsregelung allein ist zudem nicht in der Lage, das Problem des „forum shoppings“ zu lösen, zumal sie Tätern die Möglichkeit eröffnete, ihren Tatort so zu wählen, dass ihr Verhalten dem Zuständigkeitsbereich einer Rechtsoase unterfiele. Etwa im Falle einer Geltung des Herkunftslandprinzips dürften sich viele Anbieter in Rechtsoasen niederlassen, um ausschließlich für sie vorteilhaftes Recht zur Anwendung kommen zu lassen. Eine etwaige Missbrauchsklausel, die zur (zusätzlichen) Strafverfolgungszuständigkeit desjenigen Staates führt, auf dessen Territorium in Umgehungsabsicht herbeigeführte nach dortigem Recht missbilligte Wirkungen eintreten, geriete insb. mit der primärrechtlichen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (Art. 56 und 49 AEUV) in Konflikt und wäre aufgrund schwieriger Nachweisbarkeit kaum justiziabel.1267 2. Angleichung nationalen Glücksspiel(straf)rechts Um „forum shopping“ effektiv vermeiden zu können, verbleibt damit schlussendlich nur eine Angleichung nationaler materieller Rechtsnormen. Bestünden in sämtlichen Staaten gleiche Verhaltensanforderungen, wäre es Tätern unmöglich, sich unvorteilhaften Verhaltensanforderungen durch Tatortverlagerung in Staaten zu entziehen, die für sie vorteilhafte Verhaltensanforderungen vorsehen. Um „forum shopping“ gänzlich auszuschließen, bedürfte es einer weltweiten Rechtsangleichung, etwa mittels einer UN-Konvention. Eine solche ist aber im Bereich des Glücksspielstrafrechts – in Anbetracht der zum Teil stark divergierenden Rechtsüberzeugungen und Politikstrategien autonomer Einzelstaaten im Bereich der Glücksspielregulierung – derzeit utopisch. Realisierbar scheint eine Angleichung des nationalen Glücksspielrechts am ehesten auf Ebene der EU als einheitlicher Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Art. 3 Abs. 2 EUV, 67 Abs. 1 AEUV).1268 Auf diese Weise könnte zukünftig jedenfalls ein Rückzug von Glücks-

1266

Siehe hierzu oben 5. Teil 6. Abschnitt E. II. 4. Siehe auch oben C. I. 1. 1268 Bislang wurden Rechtsangleichungsbestrebungen in Bezug auf Online-Glücksspiele auf EU-Ebene unter Verweis auf ein Bedürfnis nach länderspezifischen Bekämpfungsstrategien abgelehnt, vgl. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. 11. 2011 zu OnlineGlücksspielen im Binnenmarkt, 2011/2084(INI): „Das Europäische Parlament […] lehnt […] einen europäischen Rechtsakt mit dem Ziel einer einheitlichen Regulierung des gesamten Glücksspielsektors ab“. Derzeit existiert lediglich eine Empfehlung (2014/478/EU) der Kommission vom 14. 7. 2014 mit Grundsätzen für den Schutz von Verbrauchern und Nutzern von Online-Glücksspieldienstleistungen und für den Ausschluss Minderjähriger von OnlineGlücksspielen, ABl. L 214 v. 19. 7. 2014, S. 38 ff. Da das Bedürfnis nach internationalen Bekämpfungsstrategien angesichts der sich abzeichnenden weiteren Expansion spielerschädigender behördlich nicht kontrollierter Offshore-Glücksspielangebote zukünftig noch deutlicher als momentan zu Tage treten dürfte, dürfte die Attraktivität einer glücksspielrechtlichen Rechtsangleichung allerdings auf langfristige Sicht steigen. Es bleibt abzuwarten, ob sich ein Harmonisierungsbedürfnis zukünftig derart verdichten wird, dass sich eine entsprechende 1267

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6. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

spielanbietern in konzessionsrechtlich nachlässig agierende EU-Staaten wie z. B. Malta sowie – sofern ein entsprechender Rechtsakt trotz des votierten EU-Austritts Großbritanniens auf diese Staaten erstreckt würde – Gibraltar1269 und ggf. Isle of Man1270 vermieden werden. Im Bereich des grenzüberschreitenden virtuellen Glücksspiels könnte eine Rechtsangleichung konkret durch eine Online-Glücksspiel-Richtlinie erfolgen, die den Mitgliedstaaten vorschreibt, vom Inland aus angebotene Online-Glücksspiele zumindest unter den Vorbehalt einer behördlichen Erlaubnis zu stellen, die nur erteilt werden darf, sofern der Anbieter die unzweifelhafte Gewähr dafür bietet, Spielteilnehmer vor Spielmanipulationen zu schützen sowie Minderjährigen- und Suchtschutz zu gewährleisten. Darüber hinaus müsste eine effektive Aufsicht über Online-Glücksspiele durch nationale Aufsichtsbehörden und/oder eine europäische Aufsichtsbehörde samt effektiven Aufsichtsmaßnahmen sichergestellt werden. Erlaubnissen, die unter strengen Konzessionierungsvorgaben erteilt wurden, müsste jeder Mitgliedstaat inländische Legalisierungswirkung zumessen. Des Weiteren müssten die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, das vom Inland aus erfolgende Anbieten eines Online-Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis effektiv zu sanktionieren und etwaige Gewinne illegaler Glücksspielanbieter abzuschöpfen. Infolgedessen wäre mit einer Eindämmung des Angebotes nicht konzessionierter Spiele aus EU-Mitgliedstaaten zu rechnen.1271 Die Rechtsangleichungsreform müsste durch eine oben beschriebene Zuständigkeitsverteilungsregelung flankiert werden, die allein den Herkunftsstaat zur Sanktionierung und Gewinnabschöpfung berechtigt und verpflichtet.

Reform – auch gegen zu erwartenden Widerstand konzessionsrechtlich liberal agierender Mitgliedstaaten – durchsetzen wird. 1269 Gibraltar könnte derzeit – bis zum Vollzug des votierten EU-Austritts Großbritanniens – nach Art. 355 Abs. 3 AEUV als dem Anwendungsbereich des AEUV und des EUV unterliegende englische Kolonie erfasst werden. Ob gleichwohl ein politischer Konsens erzielt wird, steht auf einem anderen Blatt. 1270 Voraussetzung einer Einbeziehung der derzeit – bis zum Vollzug des votierten EUAustritts Großbritanniens – gem. Art. 355 Abs. 5 lit. c i.V.m. dem Protokoll Nr. 3 zur Beitrittsakte von 1972 (ABl. L 73 v. 27. 3. 1972, S. 5) nur teilweise EU-Recht unterliegenden Isle of Man in den Anwendungsbereich eines entsprechenden Rechtsaktes wäre, dass die Anwendbarkeit des Rechtsaktes auf der Isle of Man – im Einklang mit Protokoll Nr. 3 zur Beitrittsakte von 1972 – ausdrücklich geregelt würde, vgl. Becker, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, Art. 355 AEUV, Rn. 9. 1271 Zu den Wirkungen effektiv durchgesetzter grenzüberschreitender Online-Glücksspielregulierung vgl. die Ausführungen zum Unlawful Internet Gambling Enforcement Act in den USA unter 2. Teil B.

C. Mögliche Reformen

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a) Kriminalstrafrecht Während die konzessions- und aufsichtsrechtlichen Richtlinienvorgaben auf Art. 1141272 i.V.m. Art. 168 AEUV (Verbraucherschutz und Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen als Voraussetzung eines funktionierenden Binnenmarktes) und die Zuständigkeitsregelungen – entsprechend der obigen Erkenntnisse – (ggf. ergänzend) auf Art. 82 AEUV gestützt werden können, erscheint die Richtlinienkompetenz in Bezug auf eine Angleichung nationaler Sanktionsvorschriften problematischer. Als Kompetenzgrundlage für eine Angleichung des nationalen Kriminalstrafrechts käme allein Art. 83 Abs. 2 AEUV in Betracht.1273 Die Richtlinienkompetenz wird hier zunächst davon abhängig gemacht, dass auf dem betreffenden Gebiet bereits – außerstrafrechtliche – unionale Harmonisierungsmaßnahmen ergangen sind.1274 Diese Voraussetzung wäre erfüllt, sobald die mitgliedstaatliche Regulierung der Online-Glücksspiele im eingangs geschilderten 1272

Vgl. Brüning, NVwZ 2013, S. 23 ff. (28). Eine Angleichung nationaler Strafbarkeitsvoraussetzungen und Sanktionen unterfällt als Erlass von „Mindestvorschriften für die Festlegung von Straftaten und Strafen“ unproblematisch dem Anwendungsbereich der Norm. Ob neben einer Kriminalstrafe angeordnete Gewinnabschöpfungen dem in Art. 83 AEUV enthaltenen Begriff der „Strafen“ unterfallen, erscheint hingegen auf den ersten Blick zweifelhaft, wenn man diese eher als kondiktionsrechtlichen Ausgleich als eine klassische – von der Schuldhaftigkeit des Täterverhaltens abhängige – Strafe einordnete. Zu beachten ist allerdings, dass der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung ebenso wie der klassischen Strafe eine erhebliche generalpräventive Wirkung zukommt. Teilweise wird eine drohende Abschöpfung hoher Gewinne sogar abschreckender sein als die eigentlichen Strafdrohung. Ebenso wie die Verhängung einer klassischen Sanktion ist die Gewinnabschöpfung zudem von der Verwirklichung eines Straftatbestandes abhängig. Sie kommt insofern einer klassischen Strafe gleich. Da hinsichtlich der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung damit eine ähnliche von Art. 83 AEUV in Bezug genommene Konfliktsituation zwischen mitgliedstaatlichen Souveränitäts- und unionalen Rechtsangleichungsinteressen besteht, bildet Art. 83 Abs. 2 AEUV auch für die Harmonisierung nationaler Gewinnabschöpfungsvorschriften im Bereich des Kriminalstrafrechts die einschlägige Kompetenznorm; so i.E. auch Böse, in: ders. (Hrsg.), EnzEuR, § 4 Rn. 20 i.V.m. Rn. 15; Vogel/Eisele, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, 57. Lfg. August 2015, Art. 83 AEUV Rn. 37. Konkret könnte eine Harmonisierung durch einen Verweis auf die Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 3. 4. 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union, ABl. L 127 v. 29. 4. 2014, S. 39 ff., erfolgen, vgl. Art. 3 a.E. der Richtlinie. 1274 Im Schrifttum wird an der Kompetenznorm Art. 83 Abs. 2 AEUV kritisiert, sie führe zu einer uferlosen Ausweitung der kriminalstrafrechtlichen Harmonisierungskompetenz, was insb. dem – hinreichende demokratische Legitimation einer Rechtsangleichung erfordernden – Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung zuwider liefe, so Ambos/Rackow, ZIS 2009, S. 397 ff. (403); Weigend, in: FS Zoll, S. 205 ff. (209); ähnlich Zimmermann, Jura 2009, S. 844 ff. (847); Zöller, in: FS Schenke, S. 579 ff. (592); siehe auch BVerfGE 123, 267, 411. Diese Bedenken relativieren sich vor allem angesichts des restriktiv zu verstehenden Erfordernisses der Unerlässlichkeit einer Strafrechtsharmonisierung und des mit Richtlinien gewährten Umsetzungsspielraums der Mitgliedstaaten, so auch Mansdörfer, HRRS 2010, S. 11 ff. (16 f.); Vogel/Eisele, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, 57. Lfg. August 2015, Art. 83 AEUV Rn. 79. Böse, in: ders. (Hrsg.), EnzEuR, § 4 Rn. 16, entkräftet die Bedenken aufgrund der kompetenziellen Legitimation über die „in Bezug genommene […] Harmonisierungskompetenz“. 1273

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6. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

Sinne durch eine erste – auf Art. 114 i.V.m. Art. 168 AEUV basierende – OnlineGlücksspiel-Richtlinie unionsweit harmonisiert wäre. Eine auf Art. 83 Abs. 2 AEUV gestützte Rechtsangleichung setzt des Weiteren voraus, dass sich die Angleichung der kriminalstrafrechtlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten als unerlässlich für die wirksame Durchführung der betreffenden Unionspolitik erweist. Dieses Erfordernis trägt der Tatsache Rechnung, dass eine kriminalstrafrechtliche Rechtsangleichung einen Kernbereich nationaler Regelungsautonomie betrifft. Neben den in Art. 83 Abs. 1 AEUV normierten Voraussetzungen soll eine kriminalstrafrechtliche Harmonisierung daher nur ausnahmsweise zulässig sein, sofern sie das „einzig verbliebene aussichtsreiche Mittel“ zur Durchführung der betreffenden Politik darstellt.1275 Die unionale Rechtsetzungsgewalt im Bereich des Kriminalstrafrechts ist demnach zum einen dahingehend begrenzt, dass unionale Maßnahmen nur ergehen dürfen, soweit autonom ergriffene Maßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten das verfolgte Ziel nicht verwirklichen können.1276 Zum anderen setzt eine kriminalstrafrechtliche Rechtsangleichung voraus, dass mildere Mittel als eine kriminalstrafrechtliche Rechtsangleichung, namentlich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, mindestens Verwaltungssanktionen anzudrohen, das verfolgte Ziel nicht erreichen können.1277 Im Unerlässlichkeitserfordernis des Art. 83 Abs. 2 AEUV kommt damit sowohl das Subsidiaritätsprinzip als auch der aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip resultierende ultima ratio-Charakter der kriminalstrafrechtlichen Rechtsangleichung zum Ausdruck.1278 Im Hinblick auf das mit einer Unionspolitik zum Online-Glücksspiel verfolgte Ziel einer Eindämmung der insb. für Vermögen und Gesundheit der Spielteilnehmer risikoreichen illegalen Online-Glücksspielangebote ist die erstgenannte Voraussetzung zu bejahen. Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass eine der Autonomie der Mitgliedstaaten überlassene (strafrechtliche) Regulierung illegaler Online-Glücksspiele innerhalb der EU dem Phänomen des „forum shoppings“ 1275

Suhr, in: Callies/Ruffert, Art. 83 AEUV Rn. 24. Vgl. hierzu Hecker, EuStR, 8 Rn. 49 ff.; Ruhs, ZJS 2011, S. 13 ff. (16); siehe auch das Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. C 306 v. 17. 12. 2007, S. 150 ff., ABl. C 83 v. 30. 3. 2010, S. 206 ff. Was genau unter „unerlässlich“ zu verstehen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Das BVerfG legt das Merkmal dahingehend aus, dass „nachweisbar feststehen“ müsse, „dass ein gravierendes Vollzugsdefizit tatsächlich besteht und nur durch Strafdrohung beseitigt werden kann“, BVerfGE 123, 267, 412; ebenso Satzger, IntEuStR, § 9 Rn. 41. Demgegenüber sind etwa Vogel/Eisele, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, 57. Lfg. August 2015, Art. 83 AEUV Rn. 93, der Meinung, dem Erfordernis der Unerlässlichkeit sei genügt, „wenn Zuwiderhandlungen gegen unionsrechtlich harmonisierte Vorschriften zweifelsohne strafwürdiges und strafbedürftiges Unrecht beinhalten, das straflos zu lassen nicht mehr vertretbar wäre“. 1277 Böse, in: ders. (Hrsg.), EnzEuR, § 4 Rn. 19; Vogel, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, 57. Lfg. August 2015, Art. 83 AEUV Rn. 92. 1278 Vgl. in Bezug auf das Subsidiaritätsprinzip Hecker, EuStR, 8 Rn. 48; Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 16, sowie in Bezug auf das ultima ratio-Prinzip Böse, in: ders. (Hrsg.), EnzEuR, § 4 Rn. 19. 1276

C. Mögliche Reformen

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Vorschub leistet. Durch rein nationale Regelungen können illegale Glücksspiele innerhalb der EU daher nicht effektiv eingedämmt werden. Das Bedürfnis, national differierenden Besonderheiten, wie Spielverhalten und Suchtanfälligkeit der Bevölkerung, flexibel durch eine individuelle nationale Online-Glücksspiel-Regulierung Rechnung tragen zu können, verliert daher an Gewicht. Ob die Mitgliedstaaten, um illegale Online-Glücksspielangebote einzudämmen, allerdings zwingend dazu verpflichtet werden müssen, das illegale Anbieten von Online-Glücksspielen unter Kriminalstrafe zu stellen, erscheint fraglich. Zwar besteht angesichts der von unkonzessionierten Online-Glücksspielangeboten ausgehenden hohen Risiken von Spielmanipulationen und Spielsucht ein großes Bedürfnis nach effektiv abschreckender Sanktionierung, derer sich Glücksspielanbieter nicht entziehen können. Eine Kriminalstrafdrohung wäre hierfür insb. angesichts des ihr anhaftenden sozialethischen Unwerturteils, des drohenden Strafprozesses und drohender Freiheitsstrafe das probateste Mittel. Auf der anderen Seite hätten kriminalstrafrechtliche Richtlinienvorgaben allerdings zur Folge, dass die Mitgliedstaaten eine weit ins Vorfeld tatsächlich eingetretener Vermögens- oder Gesundheitsschäden vorverlagerte Kriminalstrafdrohung in ihr Rechtssystem implementieren müssten. Da die meisten Mitgliedstaaten derart weitreichende Vorfeldkriminalisierungen nur ausnahmsweise insb. in Fällen eines gravierenden Gefahrenpotenzials vorsehen1279, ginge mit einer entsprechenden Richtlinienvorgabe ein gravierender Eingriff in das nationale kriminalstrafrechtliche Regelungsgefüge einher.1280 Das Bedürfnis nach einer Angleichung des nationalen Kriminalstrafrechts verliert darüber hinaus an Gewicht, wenn man sich vor Augen führt, dass nicht nur von einer drohenden Sanktionierung im eigentlichen Sinne, sondern auch von Gewinnabschöpfungen eine erhebliche Abschreckungswirkung ausgeht. Online-Glücksspielanbieter dürften ihre Entscheidung, illegale Glücksspiele anzubieten, regelmäßig auch maßgeblich von der Erwägung abhängig machen, möglicherweise etwaige 1279

Vgl. hierzu – in Bezug auf Ungarn und Deutschland – Sinn/Gropp/Nagy (Hrsg.), Grenzen der Vorverlagerung in einem Tatstrafrecht, Eine rechtsvergleichende Analyse am Beispiel des deutschen und ungarischen Strafrechts, passim. Teilweise sind weitgehende Vorfeldkriminalisierungen, beispielsweise im Bereich des Terrorismusstrafrechts (vgl. Art. 2 ff. des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates v. 13. 6. 2002 zur Terrorismusbekämpfung, ABl. L 164 v. 22. 6. 2002, S. 3 ff. i. d. F. des Rahmenbeschlusses 2008/919/JI des Rates v. 28. 11. 2008, ABl. L 330 v. 19. 12. 2008, S. 21 ff.), unional vorgegeben, vgl. hierzu Weißer, in: Böse (Hrsg.), EnzEuR, § 9 Rn. 81 ff. m.w.N. 1280 Die Musterbestimmungen als Orientierungspunkte für die Verhandlungen des Rates im Bereich des Strafrechts, Ratsdokument 16542/09 v. 23. 11. 2009, sehen vor diesem Hintergrund vor: „Die Strafrechtsbestimmungen sollten vorrangig auf Handlungen ausgerichtet werden, die einen tatsächlichen Schaden verursachen oder die die zu schützenden Rechte oder wesentlichen Interessen ernsthaft gefährden; es gilt folglich zu vermeiden, dass eine Handlung unverhältnismäßig früh unter Strafe gestellt wird. Handlungen, die lediglich eine abstrakte Gefahr für die zu schützenden Rechte oder Interessen implizieren, sollten nur dann unter Strafe gestellt werden, wenn die besondere Bedeutung dieser Rechte und Interessen dies rechtfertigt.“

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6. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

durch den Spielbetrieb erzielte Gewinne zu verlieren. Da Gewinnabschöpfungen auch mit einer Verwaltungssanktion verbunden werden könnten, stellt sich eine kriminalstrafrechtliche Rechtsangleichungsreform unter dem Gesichtspunkt der Abschreckung jedenfalls nicht als zwingend dar. Der Gesichtspunkt des „forum shoppings“ vermag an der bisherigen Einschätzung nichts zu ändern. Würden die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, mindestens Verwaltungssanktionen vorzusehen, dürfte illegalen Online-Glücksspielanbietern zwar je nach Niederlassungsort entweder eine kriminalstrafrechtliche Sanktionierung oder eine Verhängung einer Verwaltungssanktion drohen. Hätten illegale Glücksspielanbieter allerdings in sämtlichen potenziellen Niederlassungsorten innerhalb der EU eine Gewinnabschöpfung zu befürchten und würden ihnen im eingangs vorgeschlagenen Sinne unionsweit strenge Konzessionsanforderungen abverlangt, erschiene ein Rückzug in vormalige Rechtsoasen nicht länger attraktiv. Eine Harmonisierungskompetenz zur Angleichung des nationalen Kriminalstrafrechts scheidet nach alledem aus. Aus EU-Mitgliedstaaten angebotene illegale Online-Glücksspiele könnten vielmehr auch durch eine – Verwaltungssanktionen mit einschließende – Vorgabe in einer Online-Glücksspiel-Richtlinie eingedämmt werden, aus dem Inland agierende Anbieter illegaler Online-Glücksspielanbieter effektiv, abschreckend und verhältnismäßig zu sanktionieren sowie etwaige Gewinne abzuschöpfen. b) Strafrecht i.w.S. Hinsichtlich der einschlägigen Kompetenzgrundlage für eine entsprechende Harmonisierung des nationalen Strafrechts i.w.S. ist zu bedenken, dass die in Art. 83 AEUV normierten restriktiven Voraussetzungen (Vetorecht der Mitgliedstaaten, Unerlässlichkeit einer Harmonisierung, Beschränkung auf Richtlinienkompetenz) in der Erkenntnis wurzeln, dass den Mitgliedstaaten im Bereich des durch nationale Traditionen und national differierende gesellschaftlich soziokulturell bedingte Wertvorstellungen geprägten Kriminalstrafrechts1281 Rechtsetzungsautonomie verbleiben muss1282. Im Hinblick auf Verwaltungssanktionen, deren Verhängung nicht im gleichen Maße eine sozialethische Verhaltensmissbilligung zum Ausdruck bringt, besteht diese Interessenlage nicht in demselben Ausmaß.1283 Der autonom unions-

1281

Rn. 23.

Vgl. BVerfGE 123, 267, 408 ff.; Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42

1282 Vgl. Hecker, EuStR, 8 Rn. 48 ff.; siehe auch Böse, in: ders. (Hrsg.), EnzEuR, § 4 Rn. 5, sowie die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. 5. 2012 zum EU-Ansatz zum Strafrecht, 2010/2310(INI), Erwägungsgrund E.: „in der Erwägung, dass die Strafrechts- und Strafprozessrechtssysteme der Mitgliedstaaten über Jahrhunderte gewachsen sind und jeder Staat seine ganz eigenen Ausprägungen und Besonderheiten hat, und in der Konsequenz Kerngebiete des Strafrechts den Mitgliedstaaten überlassen bleiben müssen“. 1283 Vgl. Böse, in: ders. (Hrsg.), EnzEuR, § 4 Rn. 5.

C. Mögliche Reformen

309

rechtlich auszulegende1284 Begriff „Strafe“ in Art. 83 Abs. 2 AEUV nimmt daher – ebenso wie in Art. 83 Abs. 1 AEUV („besonders schwere Kriminalität“)1285 – ausschließlich die Kriminalstrafe in Bezug.1286 Die Kompetenz zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten, aus dem Inland agierende Anbieter illegaler Online-Glücksspiele mindestens mit Verwaltungssanktionen samt Gewinnabschöpfungen zu belegen, richtet sich demnach nach der – an tendenziell weniger strenge Vorgaben geknüpften – allgemeinen Kompetenznorm aus Art. 114 AEUV i.V.m. Art. 169 AEUV (Verbraucherschutz und Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen als Voraussetzung eines funktionierenden Binnenmarktes).1287 Die obigen Erkenntnisse zur Erforderlichkeit unionsweit bestehender Sanktionsund Gewinnabschöpfungsvorschriften zum Zwecke der Eindämmung nicht konzessionierter Glücksspielangebote legen eine entsprechende Kompetenz nahe. Fragwürdig erscheint allerdings, ob eine an die Mitgliedstaaten gerichtete Verpflichtung, aus dem Inland agierende Anbieter illegaler Online-Glücksspiele mindestens mit Verwaltungssanktionen samt Gewinnabschöpfungen zu belegen, eine unangemessene Anpassung nationaler Rechtsnormen1288 erforderten. Unter diesem Gesichtspunkt ist vor allem die Frage zu erörtern, ob sich Online-Glücksspiel-spezifische Sanktionsvorgaben überhaupt ohne erheblichen Änderungsbedarf des gesamten nationalen Glücksspielrechts in das mitgliedstaatliche Recht integrieren ließen.1289 Um ein – vom EuGH1290 in ständiger Rechtsprechung zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (Art. 56 und 49 AEUV) der Glücksspielanbieter gefordertes – kohärentes (d. h. schlüssiges und gerechtes) nationales Glücksspielrecht zu wahren, müssten möglicherweise auch solche Vorschriften angepasst werden, die das Online-Glücksspiel gar nicht betreffen.1291 Damit ginge ein schwerwiegender Eingriff in nationale souveräne Regelungsautonomie auch außerhalb des zu harmonisierenden Bereichs der OnlineGlücksspiele einher.1292

1284

Böse, in: ders. (Hrsg.), EnzEuR, § 4 Rn. 5; Hecker, EuStR, 4 Rn. 60 ff. Böse, in: ders. (Hrsg.), EnzEuR, § 4 Rn. 5. 1286 Ebenso Böse, in: ders. (Hrsg.), EnzEuR, § 4 Rn. 5. 1287 Vgl. generell zum Verhältnis des Art. 83 AEUV zu auf bestimmte Sachgebiete bezogenen Kompetenznormen Böse, in: ders. (Hrsg.), EnzEuR, § 4 Rn. 26. 1288 Vgl. zu dem damit angesprochenen strafrechtlichen Schonungsgebot Art. 4 Abs. 2, Art. 5 EUV sowie Ambos, IntStR, § 11 Rn. 35; Hecker, EuStR, 8 Rn. 55; Satzger, IntEuStR, § 9 Rn. 9; Weißer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), § 42 Rn. 23; vgl. auch BVerfGE 123, 267, 360. 1289 Vgl. hierzu Brüning, NVwZ 2013, S. 23 ff. (27 f.). 1290 EuGH Urt. v. 6. 11. 2003, Rs. C-243/01, Gambelli, Slg. 2003, I-13031, Rn. 60 ff.; Urt. v. 8. 9. 2010, verb. Rs. C-316, 358, 359, 360, 409 und 410/07, Stoß u. a., Slg. 2010, I-8069, Rn. 113; Urt. v. 12. 6. 2014, Rs. C-156/13, Digibet u. a., NVwZ 2014, 1001, Rn. 23. 1291 So Brüning, NVwZ 2013, S. 23 ff. (28). 1292 So Brüning, NVwZ 2013, S. 23 ff. (28). 1285

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6. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

Zu weit ginge es vor diesem Hintergrund beispielsweise, den Mitgliedstaaten vorzuschreiben, auch aus Staaten außerhalb der EU angebotene Online-Glücksspiele ohne hinreichende behördliche Erlaubnis zu sanktionieren, sofern sich diese spezifisch auf inländische Spieler ausrichten. Abgesehen von der Frage, ob derartige Vorgaben überhaupt die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 114 AEUV erfüllen, provozierten sie gravierende Umsetzungsprobleme. Eine Implementierung derart enger Vorgaben dürfte insbesondere für solche Mitgliedstaaten als Fremdkörper erscheinen, welche die Vorgaben einer Online-Glücksspiel-Richtlinie im Wege der Implementierung von Verwaltungssanktionstatbeständen umsetzen möchten, die ihre Verwaltungssanktionsgewalt allerdings tendenziell zurückhaltend oder gar nicht auf extraterritoriale Sachverhalte erstrecken1293. Gegen die hier vorgeschlagene Vorgabe, vom Inland aus angebotene illegale Online-Glücksspiele zu sanktionieren, mag man mit Brüning einwenden, sie führe zu Wertungswidersprüchen, „wenn national strenge Regeln gelten und nunmehr auf Sekundärrechtsebene weniger restriktive Vorgaben gemacht werden.“1294 Dem ist entgegenzuhalten, dass der hier unterbreitete Harmonisierungsvorschlag den Mitgliedstaaten mindestens eine Pflicht zur verwaltungsrechtlichen Sanktionierung auferlegte, also auch (deren Primärrechtskonformität1295 vorausgesetzt) strengere Regelungen – wie z. B. ein komplettes mit Kriminalstrafe bewehrtes Internetglücksspielverbot – zuließe. Zwar büßen derart restriktive nationale Regelungen an Durchschlagskraft ein, wenn Glücksspielanbieter Online-Glücksspiele von anderen Mitgliedstaaten aus, in denen sie eine an die o.g. Vorgaben gebundene Konzession erlangt haben, unionsweit legal anbieten können. Derartige Einbußen sind allerdings zugunsten einer gegenüber autonomen nationalen Regulierungen in Puncto Vermögens-, Minderjährigen- und Suchtschutz aussichtsreicheren Mindestharmonisierung der Online-Glücksspielregulierung innerhalb der EU hinzunehmen.

1293 Exemplarisch sei § 2 Abs. 1 des österreichischen Verwaltungsstrafgesetzes (abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzes nummer=10005770) genannt, wonach grundsätzlich, d. h. „sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen“, „nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar“ sind. Auch in Deutschland wird Verwaltungssanktionsgewalt grundsätzlich (d. h.: „sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt“, vgl. § 5 OWiG) nur in Bezug auf im Inland begangene Ordnungswidrigkeiten sowie bzgl. auf einem Schiff oder in einem Luftfahrzeug begangene Ordnungswidrigkeiten beansprucht, das berechtigt ist, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen, vgl. §§ 5, 7 OWiG. 1294 Brüning, NVwZ 2013, S. 23 ff. (27). 1295 Zur Vereinbarkeit eines nationalen Internetglücksspielverbots mit der Niederlassungsbzw. Dienstleistungsfreiheit der Glücksspielanbieter vgl. EuGH Urt. v. 6. 11. 2003, Rs. C-243/ 01, Gambelli, Slg. 2003, I-13031, Rn. 60 ff.; Urt. v. 8. 9. 2010, Rs. C-316, 358, 359, 360, 409 und 410/07, Stoß u. a., Slg. 2010, I-8069, Rn. 113; Urt. v. 12. 6. 2014, Rs. C-156/13, Digibet u. a., NVwZ 2014, 1001, Rn. 23; Urt. v. 22. 1. 2015, C-463/13, Stanleybet, NVwZ 2015, 506, Rn. 48; Bertrand, S. 215 ff.; Dietlein/Peters, ZfWG 2013, S. 229 ff.; Hartmann, EuZW 2014, S. 814 ff.; Heger, ZIS 2012, S. 396 ff. (397 ff.); Heseler, S. 177 ff.; Windoffer, DÖV 2012, S. 265 ff.

C. Mögliche Reformen

311

Brüning wendet darüber hinaus ein, eine kohärente Implementierung unionaler Vorgaben zum Online-Glücksspiel setze bei nach Gefährdungsgraden differenzierenden glücksspielrechtlichen Regelungssystemen voraus, dass „weniger „gefährliche“ Spielarten leichteren Ausübungsvoraussetzungen unterworfen werden, während noch „gefährlichere“ Spielarten [als Online-Glücksspiele], sofern solche existieren sollten, strengerer Regulierung zu unterwerfen“ wären.1296 Dem ist zum einen entgegenzuhalten, dass Online-Glücksspiele bereits die riskanteste aller Glücksspielformen darstellen (siehe oben 2. Teil B.), weshalb es einer Verschärfung nationaler Regelungen hinsichtlich anderer Glücksspielformen über die Regelungen zu Online-Glücksspielen hinaus gar nicht bedürfte. Zudem relativiert sich der Einwand dadurch, dass sich dem Erfordernis einer kohärenten Einpassung der Richtlinienvorgaben im Rahmen eines den Mitgliedstaaten verbleibenden Umsetzungsspielraums – beispielsweise im Bereich der Sanktionshöhe – Rechnung tragen ließe. Über die Sanktionshöhe könnte zudem eine kohärente Anpassung an vergleichbares Unrecht in anderen Sanktionsbereichen erreicht werden. Hinsichtlich einer Implementierung der Vorgaben zur Gewinnabschöpfung ergeben sich ebenfalls keine die Harmonisierungskompetenz ausschließenden Bedenken. Da sämtliche EU-Mitgliedstaaten das Instrument der Gewinnabschöpfung – wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung, etwa in Form der Verhängung einer über den Gewinn hinausgehenden Sanktion – und unterschiedlicher Reichweite vorsehen,1297 kann auch diese Vorgabe umgesetzt werden, ohne die Rechtsangleichungsreform in Frage stellende Konflikte mit nationalen Regelungssystemen zu erzeugen. Lassen sich die vorgeschlagenen unionalen Vorgaben demnach in verhältnismäßiger Weise in die mitgliedstaatlichen Rechtssysteme implementieren, bestehen keine durchgreifenden kompetenziellen Bedenken gegen eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, vom Inland aus angebotene illegale Online-Glücksspielangebote mindestens mit Verwaltungssanktionen samt Gewinnabschöpfungen zu belegen. Festzuhalten ist demnach, dass die eingangs zur Diskussion gestellte unionale Online-Glücksspiel-Reform neben Vorgaben zu Konzessionierung, Aufsicht und zur Zuständigkeitsverteilung auch entsprechende sanktionsrechtliche Vorgaben umfassen könnte.

1296

Brüning, NVwZ 2013, S. 23 ff. (28). Vgl. hierzu http://ec.europa.eu/home-affairs/policies/crime/crime_confiscation_en.htm; Bericht der Kommission gemäß Artikel 6 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 24. Februar 2005 über die Einziehung von Erträgen, Tatwerkzeugen und Vermögensgegenständen aus Straftaten (2005/212/JI), KOM(2007) 805 endg. Die Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 3. 4. 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union, ABl. L 127 v. 29. 4. 2014, S. 39 ff., bezweckt eine Harmonisierung der mit einer Verhängung von Kriminalstrafe einhergehenden Gewinnabschöpfung hinsichtlich der in Art. 3 der Richtlinie genannten Deliktsbereiche. 1297

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6. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

Gemessen an den eingangs aufgestellten idealtypischen Zielvorgaben eines legislativen Tätigwerdens vermag eine derartige Reform im Hinblick auf aus EUMitgliedstaaten agierende Online-Glücksspielanbieter zu überzeugen: „Forum shopping“ innerhalb der EU wäre insoweit ausgeschlossen, als es Glücksspielanbietern künftig nicht mehr möglich wäre, ihr Online-Glücksspielangebot von einer innereuropäischen Rechtsoase aus ohne eine an hohe Spielerschutzerfordernisse geknüpfte Glücksspiellizenz sanktionsfrei anzubieten. Vor allem die in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten drohende Gewinnabschöpfung dürfte einen erheblichen Abschreckungseffekt entfalten. Da ausschließlich der Herkunftsstaat konsensual zur Verfolgung, Sanktionierung und Gewinnabschöpfung berechtigt und verpflichtet würde, gäbe es keine diesbezüglichen Kompetenzkonflikte innerhalb der EU. Innerhalb der EU agierende Anbieter illegaler Online-Glücksspiele würden nicht mit differierenden Verhaltensanforderungen und Parallelverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten konfrontiert.1298 Da Ermittlungen im Herkunftsstaat vergleichsweise erfolgversprechend sind, trägt die hier vorgeschlagene Reform auch der Strafverfolgungsökonomie Rechnung. Ein gravierender Nachteil einer solchen Reform liegt in ihrer Beschränkung auf aus EU-Mitgliedstaaten angebotene illegale Online-Glücksspiele. Schutz vor aus Rechtsoasen außerhalb der EU angebotenen illegalen Online-Glücksspielen kann hier – wenn überhaupt – nur durch individuelle Bekämpfungsstrategien der Einzelstaaten gewährt werden. Diese können z. B. versuchen, im Inland spielbare Offshore-Glücksspiele durch Unterbindung von Zahlungsströmen zwischen Offshore-Anbietern und inländischen Nutzern einzudämmen (siehe hierzu oben 5. Teil 6. Abschnitt F. II.). Individuelle nationale strafrechtliche Eindämmungsstrategien geraten demgegenüber – wie gezeigt – vor allem an völkerrechtliche und ermittlungsbedingte Grenzen. In Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland käme allenfalls in Betracht, die deutsche Strafgewalt etwa über einen neu eingefügten § 5 Nr. 18 StGB oder einen bei Internetstraftaten auf einen spezifischen Inlandsbezug rekurrierenden § 9 Abs. 3 StGB auf Fälle zu erstrecken, in denen das Anbieten eines Online-Glücksspiels zwar ausschließlich Tatorte im Ausland aufweist, das Spielangebot sich jedoch spezifisch auf Deutschland ausrichtet (siehe hierzu oben C. I. 1.). Die mit der Strafgewaltproklamation einhergehenden Kompetenzkonflikte mit weiteren zur Strafverfolgung berufenen Staaten müssten nach Möglichkeit im Wege zwischenstaatlicher Konsultationen beigelegt werden. Vor allem im Falle divergierender Rechtsauffassungen dürfte ein Konsens der betroffenen Staaten allerdings selten erreicht werden. Letztlich wird sich in diesen Fällen die Auffassung des Er-

1298 Regelungen zum Verbot der Doppelbestrafung in mehreren Mitgliedstaaten bedürfte es hier also gar nicht. Auf die Frage, ob das transnationale Doppelbestrafungsverbot aus Art. 50 GRC, 54 SDÜ auch im Falle verhängter Verwaltungssanktionen greift (vgl. hierzu Hecker, EuStR, 13 Rn. 23 ff. m.w.N.), kommt es hier also gar nicht an.

C. Mögliche Reformen

313

greifungsstaates durchsetzen, da dieser eine Auslieferung des Beschuldigten regelmäßig ablehnen wird.1299

1299 Insb. im Hinblick auf die Beschuldigtenrechte problematisch ist dabei die – wenn auch praktisch selten auftretende – Situation, dass der Beschuldigte nach einer rechtskräftigen Entscheidung im Erstergreifungsstaat wegen derselben Tat in einem anderen zur Strafverfolgung berufenen Staat ergriffen wird und es dort in der Folge – mangels Existenz eines transnationalen Doppelbestrafungsverbotes – zu einer nochmaligen oder – im Falle eines vorangegangenen Freispruchs – erstmaligen Bestrafung wegen derselben Tat kommt. In Deutschland wird ein zweites Strafverfahren häufig über die Opportunitätsregelung des § 153c Abs. 2 StPO abzuwenden sein. Sollte die prozessuale Tat ausnahmsweise nach einer vorangegangenen Bestrafung und Strafvollstreckung im ausländischen Staat vor einem deutschen Gericht abgeurteilt werden, erfolgt eine Anrechnung der vorausgegangenen ausländischen Bestrafung gem. § 51 Abs. 3 StGB.

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Sachverzeichnis Abbruch von Zahlungsströmen 27 f., 275, 312 Abgeleitete Strafgewalt 85 f., 94 – 97, 98 f. Allgemeine Regel des Völkerrechts 62, 194 f., 227 f. Analogieverbot 84, 134, 157 – 160 Annexkompetenz 83 – 85, 219 Anrechnungsprinzip 60, 156, 191, 206, 213, 216, 272, 313 Anwendungsvorrang – der allgemeinen Regeln des Völkerrechts 61 f., 194 – des Unionsrechts 67 Auslegungsbestimmtheitsgebot 160 – 168 Auslieferung 96, 183 – 186, 187 f., 234 f., 250, 261, 279 f., 302 f. Auslieferungshindernis 96, 183 – 186, 234 f.

E 1962 145 f., 169, 170 – 173, 181 E-Commerce-Richtlinie 69 – 83, 302 Eigenverantwortlichkeitsprinzip 32 – 40 Einstellung 57 f., 61, 137, 178 f., 188 – 190, 232 – 235, 250 f., 269 Einzellösung 243 f., 248 f., 276 f. Erfolgsbegriff 140 Erfolgsdelikt 140, 299 f. Erfolgsort – abstrakter Gefährdungsort 129 – 131 – Definition 127 – objektive Einschränkungen 131 f., 136 f. – subjektive Einschränkungen 132 f., 136 f. – vorgestellter 236 – 239 – zum Tatbestand gehörender Erfolg 132 f., 168 f. Erfolgstheorie 99 f.

Behördliche Erlaubnis 37 – 41, 42 – 45, 87, 276, 304 Bereitstellen von Einrichtungen 50 – 52 Besonderes Strafanwendungsrecht 122 f., 297 Bestimmtheitsgebot 160 – 168

Financial Blocking 27 f., 275, 312 Fiskalinteressen 27, 31, 81 f., 274 Forum shopping 80 – 82, 126, 258 – 263, 297 f., 303 f., 306 – 308, 312 Freizügigkeitsrecht 196, 207, 215, 217, 249 – 251 Fremdrechtsanwendung 58, 95

Cybercrime-Convention 189 Derivative Strafgewalt 85 f., 94 – 97, 98 f. Deutscher 92 – 94 Dienstleistungsfreiheit 31, 43 – 45, 52 – 55, 67 – 69, 70, 82, 249 – 251, 298, 303, 309 – 311 Distanzdelikt 183, 188 f., 192, 280, 301 Doppelbestrafungsverbot – Art. 50 GRC, 54 SDÜ, 59 f., 195 – 225, 226 f., 228, 231, 233 f., 255 – 258, 260 f., 268 f., 284, 287, 294 – Art. 103 Abs. 3 GG 59, 84, 254 Durchführung von Unionsrecht 196 f.

Gebietshoheit 62, 84, 99 f., 182, 221, 227 – 249 Gefährdungsdelikte – abstrakt-konkrete 128, 298 f. – abstrakte 55 f., 132 f., 135, 138, 144 – konkrete 55, 144, 300 Gegenseitige Anerkennung – Prinzip der 70, 196, 201 f., 208 Gegenseitigkeit – Rechtshilfe 188, 235, 302 f. Geltungsbereichsverordnung 91, 170 Generalprävention 225, 280, 305 Genuine Link 61 f., 94, 95, 118 f., 180, 229 – 249

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Sachverzeichnis

Gesetzeskonkurrenzen 152 f., 226 f., 254 f., 256 f., 262 f. Gesetzgebungskompetenz 100 – 103, 301, 305 – 311 Gesetzlichkeitsprinzip 58, 84, 134, 157 – 168 Gesundheitsschutz 31 – 39 Gewerbsmäßig 52 Gewinnabschöpfung 19, 38, 260, 263, 274, 304, 305, 307 – 312 Gewinnspielbegriff 74 – 83 Glücksspielbegriff 42, 74 – 83 Glücksspiellizenz 37 – 41, 42 – 45, 87, 276, 304 Glücksspielmonopol 36 – 38, 40, 44 Glücksspielstaatsvertrag 18, 37 f., 39 f., 44, 100 – 103, 275 Glücksspielveranstaltungstourismus 29, 258 – 263 Große Strafrechtskommission 145 f., 169, 170 – 173, 193 Grundrechte-Charta 59 f., 195 – 225, 225 – 227, 228, 231, 233, 255 – 257, 260 f., 268 f., 284, 287, 294 Halten – Glücksspiel 50 Handlungsbegriff 106, 114 – 116, 116 f., 124 f. Handlungseinheit 152 f., 262 f. Handlungsort – Dauerdelikte 104 – Definition 104 – Mittäterschaft 242 – 249, 276 f. – mittelbare Täterschaft 105 – 109, 242 – 249, 276 – 278 – Rechtsprechung 110 – 113 – Theorie der langen Hand 106 – Virtuelle Anwesenheit 123 – 126 – Vorbereitungshandlungen 104 Harmonisierung 303 – 313 Harmonisierungskompetenz 301, 305 – 311 Herkunftslandprinzip 69 – 83, 302 Internationales Privatrecht 154 f. Interventionsverbot 61 f., 84, 94, 95, 118 f., 180, 227 – 249, 296 f. Irrtümer – Tatbestandsirrtum 36, 282 – 287 – Verbotsirrtum 163, 277 f., 287 f.

Jurisdiktionskonflikte 17 f., 58 – 60, 118 f., 189 f., 191 – 194, 301 – 303, 312 f. Kohärenz 43 – 45, 82, 309 – 311 Kollektivrechtsgüter 64 f., 210 – 218 Kompetenz-Kompetenz 61 Kompetenzkonflikte 17 f., 58 – 60, 118 f., 189 f., 191 – 194, 301 – 303, 312 f. Kooperative Strafverfolgung 187, 280 Legalitätsprinzip 60 f.,117 f., 187 Loyalitätsgebot 204, 221, 233 f. Manipulationsschutz 39 – 41 Missbrauchsklausel 298, 303 Mittäterschaft 210, 242 – 249, 276 f. Mittelbare Täterschaft 105 – 109, 210, 242 – 249, 277 f. Ne bis in idem – Art. 50 GRC, 54 SDÜ 59 f., 195 – 225, 226 f., 228, 231, 233 f., 255 – 258, 260 f., 268 f., 284, 287, 294 – Art. 103 Abs. 3 GG 59, 84, 254 Netzgedanke 193, 302 Nichteinmischungsgrundsatz 61 f., 84, 94, 95, 118 f., 180, 227 – 249, 296 f. Niederlassungsfreiheit 31, 43 – 45, 67 – 69, 249 – 251, 298, 303, 309 – 311 Normativer Tatbegriff 153 – 155, 162 – 166 Nulla poena sine lege 58, 84, 134, 157 – 168 Objektive Strafbarkeitsbedingungen 58, 68 f., 108 f., 176 – 178, 283 – 287 Objektive Tatbestandsmerkmale 58, 68 f., 175 f., 282 – 287 Öffentliches Glücksspiel 42 Offshore-Firmengründung 276 – 279 Offshore-Glücksspielangebote – Ablauf 28 f. – Erscheinungsformen 23 f. – Glücksspielveranstaltungstourismus 29, 258 – 263 – Rechtsoasen 18, 87 f., 304 – Risiken und Schutzmaßnahmen 24 – 28 – Spielmanipulation 26, 88, 263 – 272 Online-Glücksspiel-Richtlinie 304 – 313

Sachverzeichnis Opportunitätsprinzip 61, 137, 188 – 190, 232 – 235, 250 f., 269 Ordnungswidrigkeit 38, 41, 53, 300, 308 – 313 Ordre public 96, 185 f., 235 Personalitätsprinzip – aktives 63, 98 f., 170 – 173, 222 – 224 – passives 63, 85 – 94, 222 – 224 Präzisierungsgebot 160 – 168 Prioriätsprinzip 192, 204, 208, 260 f., 268, 294 Provider 28, 107 – 109 Prozessualer Tatbegriff 149 – 151, 166 f., 199 f., 253 – 258 Push- und Pulltechnologien 141 f. Race to the bottom 80 – 82 Rechtsangleichung 303 – 313 Rechtsnatur der §§ 3 ff. StGB – materielle 57 f., 68 f., 108 f., 158, 174 – 178, 282 – 287 – prozessuale 57, 158, 178 f. Rechtsoasen 18, 87 f., 304 Reformbedarf 293 – 295 Reformvorschläge 295 – 313 Regel-Ausnahme-Konzeption der §§ 3 ff. StGB 91, 182, 183, 202 Reichsstrafgesetzbuch 106, 166, 170 – 173 Schengener Durchführungsübereinkommen 59 f., 195 – 225, 225 – 227, 228, 231, 233, 255 – 257, 260 f., 268 f., 284, 287, 294 Schutzbereichseröffnung 64 f. Schutzprinzip 63, 83 – 85, 135, 181 f., 218 – 222, 296 – 298 Schutzzweck – Glücksspielstrafrecht 30 – 41 Selbstbeschränkung, staatliche 192 – 194 Selbstschutz, staatlicher 118, 225 – 227, 231 – 235, 237 – 242, 249 – 251 Selbstverteidigung, staatliche 211 Sinnvoller Anknüpfungspunkt 61 f., 94, 95, 118 f., 180, 229 – 249 Souveränität 59 – 62, 86, 99 f. 118 f., 136 f., 182, 185, 194 f., 227 – 249, 273 f. Spezifischer Anknüpfungspunkt 61 f., 94, 95, 118 f., 180, 229 – 249 Spielmanipulation 26, 88, 263 – 272

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Spielsucht 25, 33, 79 f. Staatsschutzdelikte 210 f. Stellvertretende Strafrechtspflege 63 f., 94 – 97, 98 f., 178 f., 184, 202 f., 211, 219 Strafanwendungsrechtlicher Tatbegriff 153 – 155, 162 – 166 Strafgewaltverzicht 61, 137, 188 – 190, 232 – 235, 250 f., 269 Strafklageverbrauch – Art. 50 GRC, 54 SDÜ 59 f., 195 – 225, 226 f., 228, 231, 233 f., 255 – 258, 260 f., 268 f., 284, 287, 294 – Art. 103 Abs. 3 GG 59, 84, 254 Strafrechtsreformgesetz – Zweites 145 f., 169, 170 – 173, 193 – Sechstes 31, 33 f., 39, 42, 46, 47 f., 103, 113 f., 121, 122, 181 Strafverfolgungsvereinbarungen 59, 189 f., 193, 204, 220 f., 234, 301 – 303, 312 f. Strohmann 276 – 279 Subsidiaritätsprinzip 306 – 308 Symbolisches Straf(anwendungs)recht 117 f., 279 – 281

Tatbegriff – § 7 StGB 86 – 92 – § 9 Abs. 2 StGB 180 – § 9 IRG 184 – § 31 Nr. BtMG 157 – § 32 StGB 156 – § 51 Abs. 3 StGB 156 – § 265 Abs. 1 StGB 156 – §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB 149 – 281 – §§ 5 f. StGB 181 f., 218 – 222 – §§ 52 f. StGB 254 f. – Art. 54 SDÜ 199 – 209 – Art. 103 Abs. 3 GG 254 – Normativer Tatbegriff 153 – 155, 162 – 166 – Prozessualer Tatbegriff 149 – 151, 166 f., 199 f., 253 – 258 – Strafanwendungsrechtlicher Tatbegriff 153 – 155, 162 – 166 – Tatbestandsbezogener Tatbegriff 151 – 153, 167 f., 180 Tatbestandsirrtum 36, 282 – 287 Tathandlungserfolg 138 – 143 Tätigkeitstheorie 99

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Sachverzeichnis

Tatortstrafbarkeit 86 – 92, 95 – 97, 98 f., 178, 184, 202 f., 297 Teilnahme 180, 278 f. Telemediengesetz 69 – 83, 108 Territorialitätsprinzip 62, 99 f., 170 – 173, 186 – 190, 191 – 194, 225 – 227 Theorie der langen Hand 106 Toeben-Entscheidung 108, 119, 127 f., 129 f., 131, 296, 299 Treuhänder 276 – 279 Ubiquitätsprinzip 99 f., 154, 293 f. Ultima ratio – Kriminalstrafe 30 f., 38, 41, 53 – Kriminalstrafrechtliche Rechtsangleichung 306 – 308 Unerlässlichkeitserfordernis 306 – 308 Unlawful Internet Gambling Enforcement Act 27 f., 66, 275 Unterlassungsort 109, 239 – 242, 243 Veranstaltungsbegriff 45 – 49, 102 f., 110, 113 f., 121 f. Verbot, fremde Strafansprüche ungerechtfertigt auszuschließen 194 – 225, 228, 255 – 258 Verbotsirrtum 163, 277 f., 287 f. Verfahrensdienlichkeit 186 – 190, 210 Verfahrenseinstellung 57 f., 61, 137, 178 f., 188 – 190, 232 – 235, 250 f., 269

Verfahrensübertragung 59, 189 f., 193, 204, 220 f., 234, 301 – 303, 312 f. Verfall 19, 260, 263, 274 Verjährung 106, 179 Verletzungsdelikte 55, 300 Vermögensausbeutungsschutz 27 f., 31 – 39 Versuch – tauglicher 236 f. – untauglicher 237 f. Vertrag von Amsterdam 195, 215 f., 222 Vertrag von Lissabon 195, 216 – 218, 222, 301 Verwaltungsakzessorietät 42 – 45, 101 f., 308 – 313 Vollstreckungselement 198 Vollstreckungshilfe 260, 263, 267 Vorbehaltserklärungen 212 – 224 Vorbereitungshandlungen i.S.d. § 30 Abs. 2 StGB 238 Vorfeldstrafbarkeit 40 f., 48 f., 52 – 55, 300 f., 307 Vorsatz 36, 108, 132, 281 – 287

Weltrechtsprinzip 63, 83 – 85, 181 f., 218 – 222, 296 – 298 Werben 52 – 55

Zurechnungslösung 244 – 248, 276 – 278