Der Babel-Bibel-Streit Und Die Wissenschaft Des Judentums: Beitrage Einer Internationalen Konferenz Vom 4. Bis 6. November 2019 in Berlin (Investigatio Orientis, 6) 3963270985, 9783963270987

Vor 100 Jahren erschien "Die grosse Tauschung" aus der Feder des Assyriologen Friedrich Delitzsch. Diese Publi

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Der Babel-Bibel-Streit Und Die Wissenschaft Des Judentums: Beitrage Einer Internationalen Konferenz Vom 4. Bis 6. November 2019 in Berlin (Investigatio Orientis, 6)
 3963270985, 9783963270987

Table of contents :
Umschlag
Titelseite
Inhalt
Vorwort
Lehmann:
Friedrich Delitzsch im Ausklang des langen 19. Jahrhunderts
Arnold: A Centennial Review of Die Große Täuschung.
Friedrich Delitzsch’s Final Reflections on the Babel-Bibel Controversy
Neumann: Die Berliner Keilschriftforschung im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert
im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik
Smend: Der Vater: Franz Delitzsch (1813–1890).
Bibelforscher und Judenmissionar
Markschies: Der Kaiser als Hobbywissenschaftler.
Wilhelm II. – Frömmigkeit – Kommunikation – Wissenschaftspolitik
Mangold-Will: Kaiser Wilhelm II. und der Babel-Bibel-Streit. Wissenschaft, Offenbarung, Antisemitismus
und die Legitimation des Monarchen
Matthes: „Also strecken wir immer wieder unsere Flügel aus!“
Juden als Förderer altorientalischer Wissenschaften in Deutschland
Puschner:
Babel, Bibel und die Völkischen
Hiepel: Der Jesuit, Astronom und Assyriologe Franz Xaver Kugler (1862–1929). Sein Leben, Werk und Denken in der Zeit
des Babel-Bibel-Streits und des Panbabylonismus
Kratz:
Die babylonische Gola: Wiege des Judentums?
Liwak: Der sogenannte Sündenfall-Zylinder. Ein Beispiel für theologische und religionsgeschichtliche Einfalt
Treß: Gesetz, Gnade und Ahndung. Das Alte Testament im Widerstreit zwischen
akademischem Antijudaismus und Wissenschaft des Judentums
Schipper: „Auf das literarkritische ist das vorderorientalische Zeitalter gefolgt.“ Hugo Greßmann, die „Zeitschrift für die alttestamentliche
Wissenschaft“ und der Babel-Bibel-Streit
Shavit:
The Paradoxical After-life of the Babel-Bible Controversy
Cholidis et al.: Der Babel-Bibel-Streit: Politik, Theologie und Wissenschaft um 1900. Eine Sonderausstellung des Vorderasiatischen Museums
im Pergamonmuseum
Bildnachweise
Abkürzungsverzeichnis
Bibliographie
Register

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Der Babel-Bibel-Streit und die Wissenschaft des Judentums

Investigatio Orientis 6

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Investigatio Orientis

Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte der Orientalistik

www.zaphon.de

Der Babel-Bibel-Streit und die Wissenschaft des Judentums Beiträge einer internationalen Konferenz vom 4. bis 6. November 2019 in Berlin

Herausgegeben von Eva Cancik-Kirschbaum und Thomas L. Gertzen

Zaphon

14.09.2021 15:33:57

Der Babel-Bibel-Streit und die Wissenschaft des Judentums Beiträge einer internationalen Konferenz vom 4. bis 6. November 2019 in Berlin

Herausgegeben von Eva Cancik-Kirschbaum und Thomas L. Gertzen

Investigatio Orientis Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte der Orientalistik

Band 6

Herausgegeben von Thomas L. Gertzen, Peter Heine, Ludger Hiepel und Hans Neumann

Der Babel-Bibel-Streit und die Wissenschaft des Judentums Beiträge einer internationalen Konferenz vom 4. bis 6. November 2019 in Berlin

Herausgegeben von Eva Cancik-Kirschbaum und Thomas L. Gertzen

Zaphon Münster 2021

Cover-Illustration : Delitzsch vom Babylonischen Stier gegen die Kirchenwand gequetscht, Karikatur von Franz Albert Jüttner, Lustige Blätter, XVIII. Jahrgang, Nr. 44, 4. März 1903, Seite 13.

Die Tagung „Der Babel-Bibel-Streit und die Wissenschaft des Judentums“ vom 4. bis 6. Nov. 2019 in Berlin wurde gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung. Die Drucklegung des Tagungsbandes wurde ermöglicht durch die Unterstützung der Moses Mendelssohn Stiftung.

Der Babel-Bibel-Streit und die Wissenschaft des Judentums. Beiträge einer internationalen Konferenz vom 4. bis 6. November 2019 in Berlin Herausgegeben von Eva Cancik-Kirschbaum und Thomas L. Gertzen Investigatio Orientis 6

© 2021 Zaphon, Enkingweg 36, Münster (www.zaphon.de) All rights reserved. Printed in Germany. Printed on acid-free paper.

ISBN 978-3-96327-098-7 (Buch) ISBN 978-3-96327-099-4 (E-Book)

ISSN 2698-1904

Inhalt Vorwort ................................................................................................................. 7 Friedrich Delitzsch und der Babel-Bibel-Streit Friedrich Delitzsch im Ausklang des langen 19. Jahrhunderts Reinhard G. Lehmann (Mainz) ...................................................................... 19 A Centennial Review of Die Große Täuschung. Friedrich Delitzsch’s Final Reflections on the Babel-Bibel Controversy Bill T. Arnold (Wilmore)................................................................................ 45 Die Berliner Keilschriftforschung im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik Hans Neumann (Münster) ............................................................................. 63 Der Vater: Franz Delitzsch (1813–1890). Bibelforscher und Judenmissionar Rudolf Smend (Göttingen) ............................................................................. 81 Der politische und gesellschaftliche Rahmen Der Kaiser als Hobbywissenschaftler. Wilhelm II. – Frömmigkeit – Kommunikation – Wissenschaftspolitik Christoph Markschies (Berlin) ...................................................................... 89 Kaiser Wilhelm II. und der Babel-Bibel-Streit. Wissenschaft, Offenbarung, Antisemitismus und die Legitimation des Monarchen Sabine Mangold-Will (Wuppertal) .............................................................. 107 „Also strecken wir immer wieder unsere Flügel aus!“ Juden als Förderer altorientalischer Wissenschaften in Deutschland Olaf Matthes (Hamburg) ............................................................................. 129 Babel, Bibel und die Völkischen Uwe Puschner (Berlin) ................................................................................ 143 Theologie und Wissenschaft des Judentums Der Jesuit, Astronom und Assyriologe Franz Xaver Kugler (1862–1929). Sein Leben, Werk und Denken in der Zeit des Babel-Bibel-Streits und des Panbabylonismus Ludger Hiepel (Münster) ............................................................................. 163

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Inhalt

Die babylonische Gola: Wiege des Judentums? Reinhard G. Kratz (Göttingen) .................................................................... 181 Der sogenannte Sündenfall-Zylinder. Ein Beispiel für theologische und religionsgeschichtliche Einfalt Rüdiger Liwak (Potsdam) ............................................................................ 191 Gesetz, Gnade und Ahndung. Das Alte Testament im Widerstreit zwischen akademischem Antijudaismus und Wissenschaft des Judentums Werner Treß (Potsdam) ............................................................................... 207 „Auf das literarkritische ist das vorderorientalische Zeitalter gefolgt.“ Hugo Greßmann, die „Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft“ und der Babel-Bibel-Streit Bernd U. Schipper (Berlin).......................................................................... 227 The Paradoxical After-life of the Babel-Bible Controversy Yaacov Shavit (Tel Aviv) ............................................................................. 241 Der Babel-Bibel-Streit: Politik, Theologie und Wissenschaft um 1900. Eine Sonderausstellung des Vorderasiatischen Museums im Pergamonmuseum Nadja Cholidis, Youssef El Khoury, Juliane Eule, Helen Gries, Barbara Helwing, Christine Kainert und Lutz Martin (Berlin)................... 249 Bildnachweise .................................................................................................. 285 Abkürzungsverzeichnis .................................................................................. 289 Bibliographie ................................................................................................... 293 Register ............................................................................................................ 331

Vorwort Vor 100 Jahren erschien Die grosse Täuschung aus der Feder des Berliner Assyriologen Friedrich Delitzsch (1850–1922), in der er, wie schon der Untertitel verrät, „Kritische Betrachtungen zu den alttestamentlichen Berichten“ veröffentlichte.1 Diese Publikation markiert den Endpunkt eines weit über die Grenzen der Wissenschaft hinausweisenden Konflikts zwischen Vertretern der noch jungen Disziplin der Assyriologie und der Theologie, der alttestamentlichen Studien bzw. der Bibelwissenschaft.2 Die von der amerikanischen Historikerin Suzanne Marchand als „furious“3 charakterisierten deutschen Orientalisten wollten sich, zum Ende des 19. Jahrhunderts, nicht länger auf die Rolle der Vertreter einer alttestamentlichen Hilfswissenschaft reduziert sehen. Zu deutlich zeichnete sich ab, in welchem Umfang Stoffe, Textsorten, Sprachlichkeit und Metaphorik der hebräischen Bibel den Traditionen des Zweistromlandes verpflichtet waren. Die philologische Erschließung der keilschriftlichen Überlieferung führte zu einer stetig wachsenden Kenntnis von Mythen, Epen, Rechtssammlungen, Königsinschriften, Ritualen, Klageliedern, Hymnen und Gebeten, Briefen und Chroniken aus Babylonien, Assyrien, Sumer und Akkade. Damit gewannen Geschichte und Kulturgeschichte des benachbarten Zweistromlands an Kontur, die Wissenschaft konnte nunmehr auf autochthone Zeugnisse zugreifen. Neben die historischen Angaben der hebräischen Texte und die Berichte und Mutmaßungen der griechischen und lateinischen Historiker traten Quellen für die Geschichte des Vorderen Orients, die in Vielfalt und zeitlicher Tiefe ganz neue Dimensionen eröffneten. Und, mehr noch, sie stellten das Paradigma der Einzigartigkeit der hebräischen Überlieferung in gewisser Weise in Frage. Die akkadische Erzählung von der großen Flut, die 1873 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, ist nur eines von vielen Beispielen für den jahrhundertelangen, intensiven Austausch zwischen den Gesellschaften des Zweistromlandes und der Levante. Und es war nicht länger zu leugnen, dass Vieles von dem, was wir in den hebräischen Texten lesen, schon Jahrhunderte zuvor von den Gelehrten des Zweistromlandes formuliert und niedergeschrieben worden war. Öffentliche Aufmerksamkeit erfuhr das Emanzipationsbemühen einer bis dahin vornehmlich wenigen Experten vertrauten neuen wissenschaftlichen Disziplin in Deutschland vor allem durch eine Reihe von öffentlichen Vorträgen, die Friedrich Delitzsch ab dem Jahr 1902 für die Deutsche Orient-Gesellschaft (DOG)4 hielt. Ein explizites Ziel der wenige Jahre zuvor, am 24. Januar 1898 – dem Geburtstag Friedrichs des Großen –, in Berlin gegründeten gelehrten Gesellschaft 1

Delitzsch 1920a; 1921b. Johanning 1988; Lehmann 1994. 3 Marchand 2009, 212–251; bes. 220–221 und 244–249. 4 Matthes, 1998; Wilhelm 1998a. 2

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Vorwort

war die Finanzierung deutscher Ausgrabungen im Vorderen Orient und Ägypten. Entscheidend zum Erfolg dieses Unterfangens beigetragen hat der Textilgroßhändler und Kunstsammler James Simon (1851–1932), der wohl prominenteste Vertreter einer Gruppe jüdischer Unternehmer, die sich um die Berliner Museen und die Förderung der Vorderasiatischen Archäologie eminentes Verdienst erworben haben.5 Seinen Kontakten und seinem Einfluss ist es auch zu verdanken, dass die DOG bald schon führende Industrielle und Politiker zu ihren Mitgliedern zählte und dass überdies Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1901 die Schirmherrschaft für die Gesellschaft übernahm. Dabei handelte der Monarch nicht nur aus Pflichtbewusstsein, sondern aufgrund eines genuinen Interesses an Archäologie und der Geschichte des Alten Orients.6 Wilhelm II. war ganz offensichtlich sehr beeindruckt, nachdem er den Vortrag Delitzschs im Rahmen der DOG, veranstaltet in den Räumlichkeiten der Berliner Singakademie, die heute das Gorki-Theater beherbergen, gehört hatte. Er lud den Assyriologen zu einer Wiederholung in das Stadtschloss. Das danach auch öffentlich bekundete Wohlwollen des Kaisers für die von Delitzsch vorgetragenen Ansichten entwickelte sich in der Folge jedoch zu einem Politikum. Zwar waren die Thesen des Assyriologen bezüglich der ‚Originalität‘ biblischer Texte nicht neu, aber das ausdrückliche Lob des summus episcopus, des Oberhaupts der protestantischen Landeskirche in Preußen, verlieh diesen eine ganz andere Schlagkraft. Bald schon regte sich Widerstand. Führende Vertreter der protestantischen Kirchen wie auch Katholiken äußerten Kritik an Delitzschs Thesen. – Der BabelBibel-Streit nahm seinen Lauf.7 Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzungen geriet der Assyriologe Delitzsch zunehmend in die Defensive. Zwar versuchte er, ein Jahr später, in einem zweiten Vortrag, beflügelt von dem kaiserlichen Wohlwollen, auf seine Kritiker zuzugehen, konnte sie aber nicht überzeugen. Auch Wilhelm II. wurde von seinem höfischen Umfeld zunehmend gedrängt, sich von Delitzschs Thesen zu distanzieren. In einem veröffentlichten Brief und einem persönlichen Gespräch entzog der Kaiser dem Forscher seine Unterstützung.8 Ein von Delitzsch im Jahr 1904 gehaltener dritter Vortrag stellte de facto eine Art Rückzugsgefecht dar, in dem er sich auch bemühte, seine ‚kritische‘ Bibellektüre auf das Alte Testament zu fokussieren, um seinen christlichen Kritikern weniger Angriffsfläche zu bieten.

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Matthes 2017; zu Simon: Matthes 2000 und zu den nicht wenigen jüdischen Vertretern der altorientalischen Wissenschaften: Hanisch 2001; Renger, 2001 und Gertzen 2017. 6 Mangold/Beigel 2017. 7 Lehmann 2018. 8 Zur literarischen Verarbeitung dieser Situation vgl. Cancik-Kirschbaum 2008, 99–103.

Vorwort

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Abb. 1: Karikatur aus der satirischen Zeitschrift Simplicissmus: „Da ich in meiner letzten Arbeit über die Substanz des assyrischen Brotes mich des weiteren verbreiten mußte, habe ich mich bemüßigt gesehen, mich über die Zusammensetzung des heutigen zu informieren, und ich habe dabei gefunden, daß dieses Hauptnahrungsmittel des Menschengeschlechts aus dem sogenannten Mehl bereitet ist.“

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Vorwort

Abb. 2: Der Textilgroßhändler und Mäzen James Simon um 1895.

Abb. 3: Der Assyriologe Friedrich Delitzsch im Jahr 1903.

Vorwort

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Damit ist nun ein bislang eher vernachlässigter Aspekt der Babel-Bibel-Kontroverse benannt: Durch die zunehmende Konzentration auf die hebräischen Grundlagen des Christentums fühlten sich insbesondere Vertreter des deutschen Judentums von Delitzsch angegriffen.9 Dieser wiederum sah sich v.a. der stärker werdenden Opposition protestantischer Theologen gegenüber und entschied sich, angesichts des erfolgten Positionswechsels des Kaisers und Schirmherrn der DOG, seine wissenschaftlichen Thesen zu verteidigen, ohne die Sensibilitäten der christlichen Mehrheitsgesellschaft zu verletzen.10 An seinem ursprünglichen Ziel, die Assyriologie als respektierte und vollwertige wissenschaftliche Disziplin zu etablieren und öffentliche Aufmerksamkeit für ihre Forschungsergebnisse zu erhalten, hielt er fest. Hierzu instrumentalisierte er eine Kritik des Alten Testamentes, die zunehmend zu einer Kritik am Judentum geriet. Im Zuge der gesellschaftspolitischen Verwerfungen infolge der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg, radikalisierte sich Delitzsch im Rahmen des immer weiter um sich greifenden völkisch-antisemitischen Zeitgeistes. Dieser Prozess ist in den Kontext einer völkischen Neuorientierung der altorientalistischen Wissenschaften in Deutschland insgesamt11 und vor dem Hintergrund mittlerweile noch radikalerer Thesen zu Babel und Bibel einzuordnen.12 Nun war der Babel-Bibel-Streit durchaus schon mehrfach Gegenstand forschungsgeschichtlicher und fachgeschichtlicher Auseinandersetzung. Mit einer gewissen zeitlichen Distanz zu dem eigentlichen Ereignis schien es uns wünschenswert, die Situation im frühen 20. Jahrhundert noch einmal zu betrachten, denn: Wie unter einem Brennglas treten hier die Kämpfe um Deutungshoheit und wissenschaftliche Paradigmenbildung zutage, wird sichtbar, in welchem Umfang Wissenschaft politisch, religiös und ideologisch instrumentalisiert werden kann. Die Rückwirkungen dieser Rahmenbedingungen auf die einzelnen Wissenschaften, auf die Fragen, die sie stellt(e), die Muster, die sie in den Befunden zu erkennen glaubt(e), die Interpretationen, die sie entwickelt(e), die Konzepte, die sie nutzt(e) – all dies ist nicht nur Forschungsgeschichte, sondern Gegenstand der Wissenschaftsgeschichte.

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Shavit und Eran 2007; Gertzen 2019. Dabei kam ihm vermutlich auch der Umstand zugute, dass sich eine Reihe von Orientalisten, Altertumswissenschaftlern und Theologen von den jüdischen Grundlagen abendländischer Kultur distanzierten. Gertzen 2020. 11 Für die Ägyptologie vgl. Voss 2016. 12 Vgl. etwa das Machwerk von Döllinger [Weinländer] 1920. 10

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Vorwort

Abb. 4: Titelbild der Lustigen Blätter, Karikatur von Lyonel Feininger: Delitzsch (2.v.r.) als Staatsanwalt Moses anklagend: „ ‚Der angeklagte Moses behauptet, die hier vorliegenden Tafeln oben auf dem Berge Sinai erhalten zu haben; während ich doch unumstößlich nachgewiesen habe, daß eben diese Tafeln in der königlichen Bibliothek zu Babylon fehlen, mithin dort entwendet sind.‘ Der Vertheidiger: ‚Ich behalte mir die Ladung eines wichtigen Entlastungszeugen [Gott] vor.‘ “

Vorwort

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Abb. 5: Antisemitische Karikatur aus den Lustigen Blättern: „Der Drache von Babylon“ als ‚jüdischer Geldverleiher‘, mit Wechsel, Hakennase und Schläfenlocken. Das Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam und die DFG Kolleg-Forschungsgruppe 2615 – „Rethinking Governance in the Ancient Near East“ am Institut für Altorientalistik der Freien Universität Berlin haben deshalb vom 4. bis 6. November 2019 eine Tagung mit dem Titel „Der Babel-Bibel-Streit und die Wissenschaft des Judentums“ in der „Heilig-GeistKapelle“ der Humboldt Universität ausgerichtet. Der hier vorgelegte Band versammelt einen großen Teil der während der Tagung gehaltenen Vorträge. Er versteht sich keinesfalls als eine umfassende oder gar erschöpfende Darstellung und Auseinandersetzung zu der Thematik, sondern mag Grundlage und Anregung zu weiteren Forschungen und Diskussionen geben. Die versammelten Beiträge werden in drei Abschnitten präsentiert, wovon der erste die Hintergründe zu Friedrich Delitzsch und der Babel-Bibel-Streit erhellt und dabei die wissenschaftsgeschichtlichen Grundlagen der Auseinandersetzung vorstellt: Reinhard G. Lehmann verdeutlicht gleich zu Anfang die Notwendigkeit zur Beachtung einer historischen Entwicklung und gewissenhaften Prüfung der Quellen. Bill T. Arnold rekapituliert in seinem Beitrag die Voraussetzungen und den Verlauf des Streites und bietet sowohl einen Rückblick auf die bisherige Forschung als auch einen Ausblick auf zukünftige Forschungsfragestellungen. Rudolf Smend beschließt diese Grundlegung mit einem Blick auf Leben und Werk des Theologen Franz Delitzsch, dem Vater des Assyriologen und nam-

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Vorwort

haften Vertreters der protestantischen Judenmission und erhellt so biographische Hintergründe, ohne die die späteren Auseinandersetzungen und Konflikte wohl kaum richtig eingeordnet werden könnten. Daraufhin bietet Hans Neumann in seinem Beitrag einen historischen Abriss der Entwicklung der Wissenschaft der Altorientalistik, oder – wie sie zu Delitzschs Zeiten genannt wurde – der Assyriologie, mit einem Schwerpunkt auf den Berliner Raum. Im Zweiten Abschnitt werden Der politische und gesellschaftliche Rahmen der Kontroverse behandelt. Christoph Markschies liefert zunächst eine ‚Charakterstudie‘ des Kaisers als „Hobbywissenschaftler“, bevor Sabine Mangold-Will in ihrem Beitrag sowohl den sehr persönlichen Bezug Kaiser Wilhelms II. zum Thema als auch dessen weitreichende politische Implikationen beschreibt. Olaf Matthes widmet sich daraufhin dem Beitrag jüdischer Mäzene für die altorientalischen Wissenschaften in Deutschland und Uwe Puschner zeigt die ideologischweltanschauliche Dimension des Babel-Bibel-Streits im Kontext des völkischen Zeitgeists auf. Der dritte Abschnitt beleuchtet das schwierige Verhältnis von Theologie und Wissenschaft des Judentums. Darin verdeutlicht Ludger Hiepel mit seiner Studie über den Jesuiten Franz Xaver Kugler zunächst einmal, dass auch Katholiken im Kontext eines solchen Sammelbandes Berücksichtigung verdienen. Reinhard Kratz und Rüdiger Liwak hinterfragen daraufhin etablierte theologische Lesarten biblischer Texte. Werner Treß wirft ein Schlaglicht auf das Verhältnis alttestamentlicher Studien und der Wissenschaft des Judentums, vor dem Hintergrund des ‚akademischen‘ Antisemitismus. Bernd Schipper beleuchtet in seinem Beitrag die Auswirkungen des Babel-Bibel-Streits auf wissenschaftliche Publizistik. Yaacov Shavit verdeutlicht schließlich die Aktualität von Babel und Bibel und das lange Nachwirken der Kämpfe darum. Die parallel zu der Tagung ausgerichtete Sonderausstellung „Der BabelBibel-Streit. Politik, Theologie und Wissenschaft um 1900“ des Vorderasiatischen Museums Berlin ist in diesem Sammelband gleichfalls mit einem eigenen Beitrag vertreten und lässt, durch die Bezugnahme auf Objekte und Zeitdokumente, die in der Ausstellung gezeigt wurden, den Babel-Bibel Streit gewissermaßen ‚greifbar‘ werden. Viele haben zum Gelingen der Tagung und zu dem hier nun vorgelegten Sammelband beigetragen – Ihnen allen sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt: Der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung und dem Einstein Center Chronoi für die finanzielle Unterstützung der Tagung; Der Humboldt-Universität zu Berlin für die Gastfreundschaft und die organisatorische Unterstützung; Den studentischen Hilfskräften J. Elharar, S. Quaijtaal, D. Grundauer und V. Alt, die sich um so Vieles gekümmert haben;

Vorwort

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Der Berliner Polizei, die den wissenschaftlichen Austausch zu diesem Thema begleiten musste. Der Moses Mendelssohn Stiftung für die Finanzierung der Publikation. Und – last but not least – danken wir Kai Metzler und dem Verlag Zaphon für die angenehme Zusammenarbeit. Berlin, 2021

Eva Cancik-Kirschbaum & Thomas L. Gertzen

Friedrich Delitzsch und der Babel-Bibel-Streit

Friedrich Delitzsch im Ausklang des langen 19. Jahrhunderts Reinhard G. Lehmann

Im März 1903 veröffentlichte der damals grade 30-jährige Karikaturist und Buchillustrator Olaf Gulbransson (1873–1958) in der satirischen Wochenzeitung Simplicissimus einen Cartoon mit der Überschrift „Das Unerforschliche“, welcher auf recht hintergründige Weise eine zeithistorische Einordnung und Aspekte des Verlaufs, der öffentlichen Wahrnehmung des Babel-Bibel-Streits und des öffentlichen Umgangs mit seinem Protagonisten Friedrich Delitzsch veranschaulicht (Abb.)1. Dies gelang ihm gänzlich ohne expliziten Bezug auf Delitzsch oder den BabelBibel-Streit – im Gegenteil: die Verfremdung lenkt mit ‚Zeus‘ thematisch weit von Bibel, Kirche, Synagoge oder Altem Orient ab, und die Physiognomie des ‚Forschers‘ kann m.W. mit keinem der damaligen Protagonisten von Orientalistik oder liberaler Theologie in expliziten Zusammenhang gebracht werden. Was war geschehen? Es ist hier kaum der Ort, die historia des Babel-BibelStreits en detail zu rekapitulieren. Die Fakten liegen seit nunmehr bald 30 Jahren in zwei ausführlichen Monographien und in einem Dutzend weiterführender oder Einzelaspekte beleuchtender Studien auf dem Tisch. Es kann daher eigentlich und immer wieder nur darum gehen, wie diese Fakten zu werten oder gegebenenfalls neu zu bewerten sind. Denn es scheint mir, dass die Wirkungs- und Wertungsgeschichte schon in den wenigen Jahre des Streites selbst (1902 bis ca. 1904) am Ausklang des langen 19. Jahrhunderts und in ihrer Deformation durch die und nach der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts (1914–1918) für die heutige Wahrnehmung immer noch allzu bestimmend ist, und dass deren Strahlkraft und Kontaminationswirkung noch immer nicht abgeklungen ist. Oder sollte es nur reiner Zufall sein, dass eine Konferenz zum Babel-BibelStreit und eine Ausstellung dazu in demjenigen Museum, dessen Direktor Friedrich Delitzsch einst gewesen war, im Herbst 2019 stattfindet, also knapp zum hundertsten Jahrestag des Erscheinens der Großen Täuschung (1920) – und nicht etwa zum Zentenarium von Babel und Bibel (1902)? Wie sehr und wie lange also wirkt in unserer heutigen Wahrnehmung eines wissenschaftspolitischen und massen 1

„Die Priester schlossen den Tempel und riefen, daß in demselben der allmächtige Zeus wohnte, und daß niemand außer ihnen sein Antlitz schauen dürfe. Das Volk schlich in frommer Scheu um den Tempel und glaubte und betete. Zu Zeiten versuchten es vorwitzige Menschen, den großen Zeus zu sehen; aber die Priester hatten das Schlüsselloch verstopft. Da kam einer, der an nichts glaubte, was er nicht sehen konnte. Der dachte lange darüber nach. Dann riß er plötzlich die Thore auf, und jeder konnte sehen, daß der Tempel leer war. Die Priester aber sagten, der große Zeus sei im Zorne davon geflogen und komme erst wieder, wenn der Frevel gesühnt sei. Da schlug das Volk den Forscher tot.“

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R.G. Lehmann

Abb.: Olaf Gulbransson, Das Unerforschliche: Simplicissimus 7.52, 1903, 41.

Friedrich Delitzsch im Ausklang des langen 19. Jahrhunderts

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medialen Ereignisses am Ausklang des langen 19. Jahrhunderts eine erst 1920, also nach dem ersten Weltkrieg, erschienene Spätschrift des aus dem 19. Jh. kommenden, in seinen Werten erschütterten und verbitterten 70-jährigen Gelehrten auch in uns noch nach? – Aber zunächst ein Schritt zurück. 1. „Die Priester schlossen den Tempel und riefen, daß in demselben der allmächtige Zeus wohnte, und daß niemand außer ihnen sein Antlitz schauen dürfe. Das Volk schlich in frommer Scheu um den Tempel und glaubte und betete.“ (Gulbransson 1903) Die in den Jahren 1902 und 1903 den Babel-Bibel-Streit auslösenden beziehungsweise befeuernden Vorträge des Assyriologen Friedrich Delitzsch ereigneten sich in einer kirchlichen und gesellschaftlichen Konstellation, die vom 19. Jahrhundert aus gesehen werden muss. Nur in Stichworten braucht hier an Konfessionalismus und Nationalismus oder an ein breit angelegtes Entweder-Oder von im staatlich kontrollierten Religionsunterricht vermittelter Bibel-Buchstabengläubigkeit und protestantischer wie jüdischer Orthodoxie einerseits und religionsindifferenten, gleichgültigen oder gar ablehnenden Massen in Arbeiterschaft und sozialdemokratischen Redaktionsbüros (und mitunter auch klammheimlich ebenso bis hoch hinauf in die gesellschaftlich führenden Kreise) andererseits erinnert zu werden. Auch hatten die Analysen von Karl Marx (1818–1883) mit seinem Hauptwerk Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie (1867; 1885; 1894) mit den politischen Mechanismen, die es unter der zunehmenden Industrialisierung auslöste, zur Verunsicherung traditioneller Werte-, Stände- und Gesellschaftsbilder in der bürgerlichen Gesellschaft geführt; das Werk Charles Darwins (On the Origin of Species, 1859) hatte das gewohnte Menschen- und Weltbild erschüttert, aber war in den traditionellen, biblisch basierten religiösen Sinnstiftungssystemen, sei es Protestantismus, Katholizismus oder Judentum, noch längst nicht hinreichend angekommen, geschweige denn akzeptiert, und unter der Entdeckung einer älteren babylonischen Sintfluterzählung als Teil des Gilgamesh-Epos durch den ‚Darwin der Archäologie‘ George Smith (1840–1876) im November 18722 und nachfolgend weiteren Entdeckungen biblisch relevanter, aber älterer Erzählstoffe aus den Grabungsstätten des Vorderen Orients hatte nun auch das scheinbar sichere Fundament der ‘Offenbarungsurkunde’ des – vor allem Alten – Testaments vernehmliche Risse bekommen. 2

Bericht in The Times Nr. 27551 (4. Dezember 1872) 7b–c: „Chaldean History of the Deluge“ und The Times Nr. 27552 (5. Dezember 1872) 9c: „The Chaldean Story of the Deluge“, George Smith (1873) und Cregan-Reid (2013). Unter Bezug besonders auf die Sintflutüberlieferung(en) wäre hier auch Eduard Suess, Das Antlitz der Erde, 1883ff und seine naturalistische Deutung der Flut als Zyklon und Tsunami zu nennen, vgl. auch Cregan-Reid (2013, 191–214) sowie die Erwähnung von Suess bei Delitzsch im Ersten Vortrag über Babel und Bibel (Lehmann 1994, 85) und die Korrespondenz zwischen Delitzsch und Suess (Lehmann 1994, 331–332).

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R.G. Lehmann

Jenes „Jetzt auf einmal …“ Friedrich Delitzschs am 13. Januar 1902 in Babel und Bibel (s.u.) war daher – in einem öffentlichen Vortrag und nicht etwa im gelehrten Kreise einer wissenschaftlichen Gesellschaft geäußert – tatsächlich weit weniger mit Pathos aufgeladen, als dies oft und gerne tituliert wurde. Denn trotz einer sich vernehmlich artikulierenden liberalen Theologie – allzu oft aber eben durch kirchliche und staatliche Maßnahmen gezähmt, man denke nur an die sogenannten ‚orthodoxen‘ Strafprofessuren oder an die causa Wellhausen:3 Die „bejammernswerte Entfremdung der evangelischen Kirche von der evangelischen Wissenschaft“, wie Hermann Gunkel es nannte,4 war virulent, und konservative Gegenkräfte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt: im Volk kam dergleichen nicht an. Das Auseinanderklaffen von Theologie und Kirchenwesen, die Entfremdung von Kirche und Teilen der Gesellschaft und auch von Kirche und Wissenschaft gleichermaßen hatte ein Ausmaß angenommen, das in dem berühmten, vielzitierten Notschrei des Alttestamentlers Hermann Gunkel seinen Ausdruck findet: Wollte Gott, ich hätte eine Stimme, die an die Herzen und Gewissen der theologischen Forscher dringt, so wollte ich Tag und Nacht nichts Anderes rufen, als dies: Vergeßt nicht eure heilige Pflicht an eurem Volk! Schreibt für die Gebildeten! Redet nicht so viel über Litterarkritik, Textkritik, Archäologie und alle anderen gelehrten Dinge, sondern redet über Religion! Denkt an die Hauptsache! Unser Volk dürstet nach euren Worten über die Relig ion und ihre Gesch ich te! Seid ja nicht zu ängstlich und glaubt ja nicht, das, was ihr erkannt habt, dem Laien verschweigen zu müssen! Wie wollt ihr Vertrauen haben, wenn ihr bei den letzten Fragen ausweicht? Jetzt ist es noch Zeit. Bald ist es zu spät. Wenn ihr aber schweigt, dann reden die Schwätzer.5 Und auch rückblickend ist 1913 der Zustand in einem auf Aufbruch und Wandel im Religionsunterricht hin hoffend formulierten Artikel der Religion in Geschichte und Gegenwart anschaulich zusammengefasst: Da von den starken Umwälzungen auf pädagogisch-didaktischem Gebiet […] der R[eligionsunterricht] verhältnismäßig wenig gespürt hat und die Kirchenregierungen den von der modernen Theologie ausgehenden Anregungen keine Sympathie entgegenbrachten, ist er – von Ausnahmen abgesehen – im Großen und Ganzen methodisch und theologisch rückständig geworden und hat auch die Berührung mit den geistigen Strömungen der Zeit verloren. Die Mitteilung einer bestimmten Summe von religiösen Kenntnissen stößt daher namentlich bei der städtischen Schuljugend auf

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Smend 1989, 99–113. Gunkel 1903, 3. 5 Gunkel 1900, 60. 4

Friedrich Delitzsch im Ausklang des langen 19. Jahrhunderts

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passiven Widerstand […].6 Dennoch – und vielleicht gerade auch deshalb – zeichnete sich aber etwa um 1900 in vielen Lebensbereichen ein Trend ab, wie Christopher König eine scharfsinnige Beobachtung des damaligen Publizisten Martin Rade zusammenfasst, „weltanschauliche und religiöse Fragen als Konflikte auszutragen und mit einem hohen Bedürfnis nach Deutung und Positionierung zu verbinden“ (König 69). 2. „Zu Zeiten versuchten es vorwitzige Menschen, den großen Zeus zu sehen; aber die Priester hatten das Schlüsselloch verstopft.“ (Gulbransson 1903) … und das mochten, je nach Wahrnehmungsperspektive, David Friedrich Strauß (1808–1874) oder der frühere Julius Wellhausen (1844–1918) gewesen sein, Heinrich Ewald (1803–1875), der als einer der Göttinger Sieben seinen Lehrstuhl verloren hatte, oder Wilhelm Vatke (1806–1882), gegen den sich in Berlin Ernst Wilhelm Hengstenberg (1802–1869) als ‚Strafprofessor‘ profilierte, und viele andere mehr – ich brauche die großen Namen der mehr oder minder radikalen Bibel(und mitunter auch Kirchen- und Christentums-) Kritik des 19. Jahrhunderts hier nicht aufzuzählen. Sie alle haben auch ihre Spuren in der historischen Theologie bis heute hinterlassen. Eines aber blieb ihnen allen verwehrt: sie drangen weder nach oben in die politisch und gesellschaftlich maßgebenden Schichten der Gesellschaft,7 noch – trotz etwa auch Straußens ‚Volksausgabe‘ des Leben Jesu – nach unten in breitere Volksschichten durch. Ihnen fehlte auch weitgehend die Möglichkeit der greifbaren, materialisierbaren Veranschaulichung, die aus ihren Vorstößen in der Breitenwahrnehmung mehr als ‚vorwitzige‘ Spekulation gemacht hätten. Die wohlfeilen und vielfach selbstgerechten Vorwürfe, die den Genannten und vielen anderen ihren Ruf, ihre Reputation oder gar ihren Lehrstuhl gekostet hatten, sind hinreichend bekannt. Denn machen wir uns eines klar: Dem 19. Jahrhundert war die Bibel des Alten Testaments lange noch die älteste quasi-historische Menschheitsquelle, jedenfalls dem Inhalt und dem unter dem Ansturm der historischen Bibelkritik allmählich bröckelnden Anspruch nach. Darüber hinausgehendes oder flankierendes, originales oder Originalität wenigstens beanspruchendes Schrifttum aus dem unmittelbaren orientalischen Umfeld der hebräischen Bibel war bis weit in das 19. Jahrhundert hinein unbekannt. So war man denn für eine irgendwie geartete externe Evidenz und Zeugenschaft für die in der Bibel berichtete historia auf die Klassiker angewiesen, auf Herodot, auf Flavius Josephus und vor allem auf die in Josephus’ Werken und in 6

RGG1 1913, s.v. „Religionsunterricht“. S. etwa Delitzschs Bemühen im Zuge seiner eigenen ‚wellhausenianischen‘ Wendung (Lehmann 1994, 257–261), Wellhausens Israelitische und Jüdische Geschichte 1914 in Hofkreise hinein zu vermitteln (Lehmann 1994, 85. 295). 7

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des Eusebius von Caesarea preaparatio evangelica eingebetteten, sonsthin meist verlorengegangenen griechischen und gelegentlich auch echten oder vermeintlichen orientalischen Historiker – Sanchuniathon, Philon Byblios, Berossos, Eupolemos, Dios, Menander, Megasthenes und Abydenus, und viele andere mehr, deren Quellenwert man sich Mangels anderer Quellen als reichlich hoch einzuschätzen angewöhnt hatte und die solcherart zum Curriculum der humanistischen Ausbildung gehörten. Und manchmal, sehr selten, gelang hier ja auch Bemerkenswertes. Ich erinnere nur an das Bravourstück des assyriologischen Lehrers von Friedrich Delitzsch, des Berliner Theologen und Semitisten Eberhard Schrader (1836– 1908), der 1881 in scharfsinniger Deduktion aus Abydenus in der praeparatio und einer Notiz Herodots vermutet hatte, dass mit der im Danielbuch überlieferten Sage vom ‘Wahnsinn Nebukadnezars’ eigentlich und ursprünglich nur der letzte (neu)babylonische König Nabonid gemeint gewesen sein könne.8 Die damals verlachte These Schraders konnte allerdings 70 Jahre später durch die Entdeckung des aramäischen Nabonid-Fragments 4QOrNab (4Q242) aus Qumran auch materialiter bestätigt werden. Das phönizische Schrifttum hingegen als erste der auch sprachlich nächstverwandten Quellen zum Alten Testament konnte zwar schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts als hinreichend entziffert und erschlossen gelten, war aber in historischer Hinsicht enttäuschend unergiebig. So blieb denn selbst nach Wilhem Gesenius’ grundlegendem Monumentalwerk Scripturae linguaeque phoeniciae monumenta von 1837 und selbst unter Philologen der zu erwartende ‘phoenician turn’ aus bzw. stellte sich erst im 20. Jh. nach erheblicher Verzögerung allmählich und schleppend – und selbst dann ohne große Innovationskraft – ein.9 Ägypten hingegen hatte immer schon einen enormen Reiz ausgeübt, und es schien ja auch durch die Schilderungen der Bibel mit der Frühgeschichte Israels verbunden. Noch von Johann G. Herder gegen Ende des 18. Jh. als Phantasterei verspottet („Vergebens suchet ihr Geheimnisse unter den Pyramiden oder verborgene Weisheit an den Obelisken.“),10 war es 1822/24 durch Champollions großen Entwurf der Entzifferung prinzipiell zugänglich und damit etwa zeitgleich mit der Etablierung einer wissenschaftlichen Phönizistik bis zur Mitte des 19. Jh. wissenschaftlich hoffähig geworden – blieb aber in seiner öffentlichen Wirkung lang noch und teilweise bis in das 20. Jh. hinein mit der Hypothek einer aus dem 18. Jh. stammenten spekulativen Ägyptomanie in allerlei esoterischen Vereinigungen

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Schrader 1881. S. Lehmann 2013. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach Paul Schröder, Die phönizische Sprache (1869), erschien Zellig Harris, Grammar of the Phoenician Language (1936), dessen Bedeutung forschungsgeschichtlich kaum überschätzt werden kann (Gzella 2008) und ihren historischen Platz als erstes Referenzwerk zur phönizischen Grammatik im 20. Jahrhundert behauptet. 10 Herder 1784, 3, XII.5. 9

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(Illuminaten, Freimaurer) belastet.11 Und flankierende Erkenntnisse zum Verständnis des Biblischen erbrachte Ägypten nicht in dem erhofften Maße. Insofern könnte man Herder sogar nachträglich noch ein wenig Recht geben: Die verborgenen Weisheiten auf den Obelisken – bei allem Erfolg und Triumph der Ägyptologie, welche selbstverständlich nicht in Abrede gestellt werden – blieben weitgehend aus oder waren weiterhin hoch spekulationsanfällig. Einer der wirkungsmächtigsten Beiträge der Ägyptologie für die (Früh-)Geschichte Israels war noch der Fund der Amarna-Korrespondenz (1887/88) – und gerade diese aber wies wiederum durch Schrift und Sprache über sich hinaus in die junge, aufstrebende und sich gerade eben erst etabliert habende Assyriologie. Dagegen bot unter den drei Bibel-affinen historischen orientalischen Quellenkorpora das zunächst Assyrisch genannte Akkadische als die jüngste Neuerschließung des 19. Jh. anderes und mehr. Anders auch als das Phönizisch-Punische mit den pseudo-phoenicea seit dem 16. und besonders dem 18. und 19. Jh. (s. dazu Lehmann 2013) und das Ägyptische mit der fast immerwährenden Aegyptomania gab es hier auch kaum die Hypothek einer spekulativen Vorgeschichte. Nach den überhaupt erst im 19. Jh. selbst einsetzenden altertumswissenschaftlichen Zugriffen auf das alte Mesopotamien, ersten wissenschaftlichen Ausgrabungen und der grundsätzlichen Entzifferung der syllabischen Keilschrift 1857 konnte in den 70er Jahren das Assyrische in einer beispiellosen ‚Karriere‘ immerhin als so weit erschlossen gelten, dass ein allgemeiner Zugriff ohne allzu spekulative Kontamination möglich schien. Mit anderen Worten: das assyrisch-babylonische, akkadisch-mesopotamische Altertum – und mit ihm eben Nebukadnezar und die anderen, in Friedrich Delitzschs Eröffnung des ersten Vortrags über Babel und Bibel benannten biblischen Zeitgenossen selbst – trat plötzlich und unvermittelt und als bereits hinreichend wissenschaftlich fundiert in die öffentliche Wahrnehmung! Und es war Friedrich Delitzsch selbst gewesen, der seit seiner schicksalhaften Wendung hin zur Assyriologie12 in rastlosem Schaffen binnen zweier Jahrzehnte die philologisch-wissenschaftliche Grundlegung der Assyriologie in Grammatologie, Lexik und Grammatik geschaffen hatte. 3. „Da kam einer, der an nichts glaubte, was er nicht sehen konnte. Der dachte lange darüber nach.“ (Gulbransson 1903) Nein, Friedrich Delitzsch war mitnichten einer, der an nichts glaubte, was er nicht sehen konnte, … wenngleich er wohl vielfach so wahrgenommen wurde: als Tribun derjenigen, die mit dem konfessionellen Kirchentum und Religionswesen ihrer Zeit nicht mehr so recht etwas anzufangen wussten.

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Vgl. hierzu exemplarisch Ebeling 2018, 29–124. Lehmann 1994, 65–67.

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Der 1850 geborene Sohn eines strenggläubigen Lutheraners, des Leipziger Professors für Altes Testament und Hebraisten Franz Delitzsch (Smend infra, S. 81 ff.), studierte zunächst von 1868–1873 in Leipzig und 1872 in Berlin bei August Dillmann Indogermanistik und Semitistik, bevor er sich 1873 nach Promotion in Leipzig und einer schicksalhaften Begegnung mit dem Alttestamentler Eberhard Schrader in Jena der damals noch in statu nascendi befindlichen Assyriologie zuwandte. Delitzsch war philologisch so exzellent ausgebildet, dass es ihm gelang, sich in kürzester Zeit das neue Fach anzueignen, welches es eigentlich noch gar nicht gab, und sich schon ein Jahr später, 1874, in Leipzig dafür zu habilitieren. Mit einer assyriologischen Arbeit13 erwarb er die venia legendi für die semitischen Sprachen insbesondere Assyriologie, womit auch erstmals in Deutschland die Assyriologie als eigenes wissenschaftliches Fach dokumentiert war. 1877 wurde er, noch in Leipzig, außerordentlicher und 1885 ordentlicher Honorar-Professor für semitische Sprachen mit besonderer Berücksichtigung des Assyrischen. Nach einem nur kurzen Zwischenspiel auf einer Professur in Breslau 1893/94 wurde er 1899 und knapp fünfzigjährig zum ordentlichen Professor auf den dort neugegründeten Lehrstuhl für Assyriologie nach Berlin und kurz darauf zum Direktor der Vorderasiatischen Abteilung der Berliner Museen berufen.14 In diesen 25 Jahren einer bemerkenswerten Karriere hatte Friedrich Delitzsch eine Fülle von semitistisch-assyriologischen und, das wird oft vergessen, auch hebraistischen Publikationen vorgelegt, zahlreiche Schüler – Philologen, Historiker und Theologen, Protestanten, Katholiken und Juden – aus dem In- und Ausland ausgebildet und vor allem: er hatte mit alledem für das noch 30 Jahre zuvor praktisch unbekannte Fach der Assyriologie die lange Zeit gültigen methodischen, lexikalischen und grammatischen Grundlagen gelegt und dem Fach eine bis dato ungeahnte Strahlkraft verliehen. Es scheint daher ganz so, als ob Delitzsch, soweit greifbar, in den ersten 30 Jahren seines akademischen Schaffens zunächst dem ‚Programm‘ seiner Absolutorialrede vom August 1868 beharrlich treu geblieben war, in der es nach einem Bekenntnis zum doppelten Fortschritt der Aufklärung und der ‚academischen Freiheit‘ u.a. hieß: „Laszt uns nur hinausziehen in das academische Leben [...] voll freudiger Hoffnung, hinausschauend in die Zukunft, allezeit begeistert durch den erhabenen Wahlspruch des Fortschritts!“15 Überblickt man seine bis zu seiner Berufung nach Berlin in mehr als der Hälfte eines Lebensalters vorgelegten Publikationen, so beeindruckt nicht nur sein Fleiß und seine philologische Disziplin, sondern es überrascht bei seinen stets mitlaufenden hebraistisch-alttestamentlich orientierten Veröffentlichungen auch seine 13

Assyriologische Studien I. Einleitendes über Beschaffenheit und Erklärungsmethode der assyrischen Syllabare, besonders der Thiernamenlisten. Urkunde im Nachlass (Lehmann 1994, 65 n. 12). 14 Crüsemann 2000, 149–164. 15 Im Nachlass, s. Lehmann 1994, 60.

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theologische Zurückhaltung. Nur stellenweise ist, soweit überhaupt erkennbar, zunächst eine fast naiv zu nennende, unbefangen historisch-‚apologetische‘ Geschichtsschau auf die hebräische Bibel erkennbar, welche die Assyriologie kaum schon als Interpret, sondern vor allem noch als Illustrator und historischen Kronzeugen zu Rate zieht – und dabei sogar zunächst noch unbefangen das Itinerar Gen 11:31 und das Jesuswort von den schreienden Steinen (Luk 19:40) heranziehen konnte.16 Ein noch in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts geäußertes, derart direktes, biblizistisches und apologetisch funktionalisiertes Verständnis der Überlieferungsstränge von Babel nach Bibel hin gab Delitzsch zwar einer stärkeren Beschäftigung auch mit den neueren Pentateuchtheorien und einer (explizit freilich zunächst kaum zum Ausdruck gebrachten) Hinwendung zu Wellhausen zugunsten einer exilischen Übernahme tradierter Stoffe auf, und ein Rückzug in eine mehr philologische Phase in den 80er Jahren prägt das Bild. Immer aber bleibt seine literarische, philologische Liebe zum Text der hebräischen Bibel ungebrochen. Dies ist in seinen Publikationen durchgängig erkennbar,17 und auch aus Berichten über seine Kollegien ist mir nichts Gegenteiliges bekannt. Auch unveröffentlichtes Material, soweit mir bekannt, ändert das Bild nicht, und auch nach Babel und Bibel und bis an sein Lebensende, also auch noch zur Zeit der Großen Täuschung, bleibt die an der hebräischen Bibel orientierte hebraistische Neigung Delitzschs ungebrochen und, soweit man das nach Lage der Quellen sagen kann, auch substanziell unverändert. Ich habe dies in einer gesonderten Studie ausführlich dargelegt.18 Dies bezeugen seine Philologischen Forderungen an die Hebräische Lexikographie von 1915 [1917] sowie sein 1920 (also zeitgleich mit der Großen Täuschung!) erschienenes, wegweisendes und auf lange Zeit hin in der Althebraistik und in der alttestamentlichen Wissenschaft methodisch führendes ‘Hilfsbuch’ Die Lese- und Schreibfehler im Alten Testament. Mit besonderem Nachdruck sei in diesem Zusammenhang auch auf sein nie veröffentlichtes hebräisches Wörterbuchprojekt hingewiesen, welches ihn mindestens seit den 200-seitigen, methodisch klar strukturierten Prolegomena eines neuen Hebräisch-Aramäischen Wörterbuchs von 1886 über mehr als 30 Jahre seines Lebens begleitet hatte. Das bei seinem Tode abgeschlossene Manuskript, welches zuletzt 16

Ebd., 66. Delitzsch, Wo lag das Paradies? Eine biblisch-assyriologische Studie (1881); The Hebrew Language Viewed in the Light of Assyrian Research (1883); Prolegomena eines neuen Hebräisch-Aramäischen Wörterbuchs zum Alten Testament (1886); Das Buch Hiob neu übersetzt und kurz erklärt (1902). Friedrich Delitzschs Vorlesungen und Übungen mit ausgewiesenem Bezug auf das Alte Testament in Leipzig, Breslau und Berlin sind bei Lehmann 1994, 277–279, zusammengestellt. Dabei fällt auf, dass seine am häufigsten und nahezu regelmäßig angekündigten einschlägigen Kollegien „Hebräische Grammatik“, „Biblisches Aramäisch“ sowie „Erklärung der Psalmen“ waren. Hinzu kommen regelmäßige Lektüreübungen weiterer alttestamentlicher Schriften. 18 Lehmann 1990, 24–39. 17

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sein Schüler Johannes Hehn in Händen hatte, muss aber bislang und vermutlich für immer als verschollen gelten.19 Dabei war dies nicht nur eine „kritische Auseinandersetzung mit den Vertretern der […] Hebraistik“,20 die ihn trieb, sondern sein stets und bis an sein Lebensende anhaltendes wirkliches hebraistisches Interesse und eine wirkliche Neigung zum hebräischen Text. Auch das gehört zu den scheinbaren Widersprüchen des Menschen Friedrich Delitzsch. Lange nachgedacht hatte Delitzsch also – die Frage ist nur: worüber? Ob es nämlich Nachdenken über die An- oder Abwesenheit (eines) Gottes in einem Tempel war, darüber gibt es in seinen Publikationen und auch Berichten über seine Kollegien vor 1900 schlechterdings keine belastbaren Aussagen. Ich habe dies mit dem Versuch über eine religiöse Biographie in meinem Buch21 dargelegt, und mir sind keine Quellen bekannt, welche dieses Bild heute substanziell zu verändern vermögen. Was wirklich religiös in dem Menschen Friedrich Delitzsch vorging, entzieht sich immer noch unserer Kenntnis oder bleibt diffus-unbestimmt. Soviel ist aber deutlich: die ‚ernsten Fragen‘ des Lebens waren ihm offenbar zeitlebens auch religiöse Fragen, er scheint Zeit seines Lebens – im langen 19. Jahrhundert – ein stets religiöser, wenngleich möglicherweise wenig kirchlich-konfessionell orientierter, Mensch gewesen zu sein, dem das 1902 im ersten Vortrag über Babel und Bibel ausgesprochene „Ringen nach einer Vernunft wie Herz befriedigenden Weltanschauung“ (s.u.) auch sein zutiefst eigenes, persönliches Anliegen war. Sein wenig beachteter, philologisch dichter und methodisch strenger Hiob-Kommentar von 1902, im Frühjahr 1901 binnen weniger Wochen in Konstantinopel geschrieben, legt auch hierfür ein Zeugnis ab.22 19 Lehmann 1990. Darüber, inwieweit auch eine ‚kritische Auseinandersetzung‘ wenigstens zeitweise eine über das übliche Maß damaliger Wissenschaftskontroversen hinausgehende Rolle gespielt haben könnte, kann ohne Zugriff auf das verschollene Manuskript nur spekuliert werden. Es sei aber immerhin darauf hingewiesen, dass sein erbittert vielschreibender Gegner aus Babel-Bibel-Zeiten und ‚Hauptrufer im Streit‘, der Bonner Alttestamentler Eduard König, auch sein hebraistisch-lexikalischer Konkurrent gewesen war (vgl. König 1910, 51931, weiter Lehmann 1990, passim). 20 Vgl. Gertzen 2019, 247. 21 Lehmann 1994, 59–79. 22 Delitzsch 1902b. Er habe sich „in den Abendstunden gern in das Studium des Buches Iob“ versenkt, „auch weil die in ihm behandelten Fragen wohl angethan sind, auch jetzt noch, ja gerade jetzt jeden denkenden Menschen zu beschäftigen.“ (S. 1) Aufschlussreich für sein positives Verhältnis zum hebräischen Bibeltext ist eine weitere Bemerkung zum Ende der Einleitung: „ergab sich mir die Überzeugung, die ich nimmer geahnt und noch viel weniger gesucht, dass uns d e r T e x t d e s B u c h e s I o b i m A l t e n T e s t a m e n t e i n s e h r v e r l ä s s i g e r W e i s e e r h a l t e n i s t […], und so wage ich auch zu hoffen, dass es a l l m ä h l i c h gelingen werde, das stark erschütterte Vertrauen in die alttestamentliche Textüberlieferung, speziell in die des Buches Iob wieder zu befestigen und einer besonneneren Beurteilung zum Sieg zu verhelfen.“ (S. 3/4). Auch eine solche Aussage von 1901/02 macht, im Vergleich mit den Lese- und Schreibfehlern (Delitzsch 1920b), bei

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Im Sommer 1899 war Friedrich Delitzsch auf das nach einem Schlaganfall seines einstigen Jenaer, seit 1875 in Berlin tätigen assyriologischen Lehrers Eberhard Schrader geschaffene ‚Ersatz-Ordinariat für Orientalische Philologie‘ berufen worden;23 kurz darauf wurde er auch zum Direktor der neu gegründeten Vorderasiatischen Abteilung der Berliner Museen ernannt. Er hatte damit, knapp fünfzigjährig, die einflussreichste Position erreicht, die für das noch junge Fach der Assyriologie in Deutschland – und zunächst auch weit darüber hinaus – zu erreichen gewesen war. 4. „Dann riß er plötzlich die Thore auf, und jeder konnte sehen, daß der Tempel leer war.“ (Gulbransson 1903) Als die Deutsche Orient-Gesellschaft, die seit 1899 an der Stätte des antiken Babylon grub, einen Redner für eine Serie von jährlich zu haltenden öffentlichen Festvorträgen suchte, die der Gesellschaft neue Förderer zuführen sollte, fiel die Wahl auf Friedrich Delitzsch und den von ihm vorgeschlagenen, schon seit vielen Jahren in Vorlesungen praktizierten zugkräftigen Titel Babel und Bibel. Die Erwartung, dass der Sohn des strenggläubig-lutherischen Leipziger Theologieprofessors Franz Delitzsch die Ausgrabungen in Babylon als „Interpret und Illustrator der Bibel“24 und zur Unterstützung ihrer Autorität heranziehen würde, wird dabei eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben und mag – vielleicht – naiv gewesen sein, war aber, gemessen an seinen einschlägigen Publikationen und an seiner Vorlesungstätigkeit in Berlin und schon zuvor in Leipzig und Breslau,25 gewiss nicht unerwartet oder gar abwegig. Tatsächlich – unvoreingenommen betrachtet und genau gelesen – trat Delitzsch in diesem seinem ersten Vortrag am 13. Januar 1902 vor der Deutschen Orient-Gesellschaft in der Singakademie zu Berlin als noch vergleichsweise harmloser Biblizist auf, dem die Eierschalen eines konservativen Supranaturalismus seines Vaters und der Einfluss seines alttestamentlich-theologischen Lehrers August Dillmann26 noch unverkennbar anhafteten. Und anders, als dies immer wieder gleichbleibender philologischer Diligenz den nahezu diametralen Unterschied in seiner Haltung zur Textüberlieferung einerseits zur ‚Babel-Bibel-Zeit‘ und andrerseits nach dem Ersten Weltkrieg deutlich! 23 Lehmann 1994, 75. 24 Dies war die gewollte Wahrnehmung nach dem ersten Vortrag am 13. Januar vor der Deutschen Orient-Gesellschaft in der Singakademie, Berliner Tageblatt Nr. 24, 14. Januar 1902. 25 S. Lehmann 1994, 277–279 26 Der Orientalist und Theologe August Dillmann (1823–1894) war ab 1869 als Nachfolger von Ernst Wilhelm Hengstenberg Professor für Altes Testament und orientalische Sprachen an der Friedrich-Wilhelms-Universität (heute Humboldt-Universität) zu Berlin, Begründer der modernen äthiopischen Philologie und Verfasser zahlreicher äthiopistischer Werke sowie philologisch hochdifferenzierter, theologisch jedoch konservativer Kom-

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dargestellt wurde und wird, verfuhr Delitzsch hier, im Januar 1902, auch noch keineswegs probabylonisch. Dies zu erkennen, hätte es genügt, jenen Satz des ersten Vortrags mit etwas mehr Ernsthaftigkeit und weniger Vorurteilen zur Kenntnis zu nehmen, in welchem er den Gedanken eines Reinigungsprozesses „durch das Ausscheiden dieser zwar hochbegabten Völkern entstammenden, aber trotzdem rein menschlichen Vorstellungen und durch die Befreiung unseres Denkens von allerlei festgewurzelten Vorurteilen“ ins Spiel gebracht hatte.27 Das Programm, wenn man ihm denn überhaupt ein solches unterstellen wollte – ich halte dies allerdings für eine etwas unredliche petitio principii, weil ihm schlechterdings nichts Programmatisches nachgewiesen werden kann –, war ein letztlich zutiefst persönliches religiöses und theologisches, dabei weder antijudaistisch oder antisemitisch intendiert, noch das neuheidnische Konglomerat einer babylonisch-biblischen Religiosität. Das „Ringen nach einer Vernunft wie Herz befriedigenden Weltanschauung“ allerdings, ihm längst schon ureigenstes Anliegen, trat hier nun erstmals auch öffentlich deutlich zu Tage. Dies freilich, in so unmittelbarer Ehrlichkeit hervorgebracht, sollte der breiten Öffentlichkeit sehr bald unerträglich und dem Redner selbst schließlich zum Verhängnis werden. Es ist methodisch geboten, daran festzuhalten und sich vor Augen zu halten, dass Babel und Bibel von Anfang an als eine Trilogie gedacht und konzipiert war. Dass zwischen dem ersten Vortrag vom 13. Januar 1902 und dem genau ein Jahr darauf gehaltenen Zweiten Vortrag über Babel und Bibel vom Januar 1903 ein deutlicher Unterschied im theologischen Habitus besteht, ist allerdings ebenso richtig und schon früh wahrgenommen worden.28 Freilich ist dies in der Regel allein als ein Unterschied quasi zwischen Vorfeld- und Hauptangriff verstanden worden, als ob also – eben weil die Konzeption von Babel und Bibel als Vortragstrilogie ja außer Frage stand – der erste Vortrag nur die Lage für einen vermeintlich ‚großen Angriff‘ hätte klären und sondieren sollen. Dies würde allerdings eine strategische Kalkulation Delitzschs voraussetzen, die sich meines Wissens in den verfügbaren Quellen nicht verifizieren lässt. Ich sehe das daher entschieden anders. Die Unterschiede im theologischen Habitus zwischen Januar 1902 und Januar 1903 finden sich nämlich cum grano salis auch in der mit der ersten Druckfassung des Zweiten Vortrags über Babel und Bibel nahezu zeitgleich im Februar/März 1903 erschienenen Dritten durchgesehenen Ausgabe des ersten Vortrags.29 mentare zum Alten Testament. – Die theologisch-philologische Schülerschaft Friedrich Delitzschs bei Dillmann, wohl auch durch seinen Vater Franz Delitzsch vermittelt, ist ausführlich nachgewiesen in Lehmann 1994, 61–64. Zu den ebd. Anm. 118 angeführten Bekenntnissen seiner Dillmann-Schülerschaft sei noch ergänzt: Delitzsch 1883, wo er gleich auf der ersten Seite (v) seinen „esteemed teacher, Professor Dillmann“ erwähnt. 27 Vgl. Delitzsch 1902a, 44–45; Lehmann 1994, 88.185. 28 Arnold/Weisberg 2002b. 29 Dazu: Lehmann 1994, 185–191, 280–282; Delitzsch, Zweiter Vortrag über Babel und

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Fraglich ist daher auch, wie groß die Provokation im Januar 1902 eigentlich wirklich war, oder, genauer gefragt: Wie groß sie am Anfang von Delitzsch wirklich gewollt war. War es wirklich dies, was immer wieder behauptet wird, und wie auch Yaacov Shavit schreibt, „what he appears to have wanted to achieve right from the start: to cause provocation and spark a controversy“? Könnte es nicht sein, dass eher ein subjektives Gefühl von Provokation und eine Stimmung des Angegriffen-Seins eine derartige strategische Verortung auch schon des ersten Vortrags über Babel und Bibel induzierten? Den sachlichen, historisch belastbaren Nachweis einer gewollten Provokation jedenfalls bleibt, wie so viele andere, auch Shavit schuldig.30 Nein, aus meiner Sicht war es nicht Provokation oder gar eine ‚Lust am Skandal‘, die Delitzsch trieb. Die Aktenlage, soweit bekannt, spricht vielmehr direkt dagegen.31 Babel und Bibel war vielmehr der persönliche ‚turning point‘, an welchem eine schon seit mindestens 1899 sich ankündigende religiöse Unruhe und Unbehaustheit,32 durch extrinsische Faktoren befeuert33, nun dammbruchartig Raum gewann. Dabei ist diese Erscheinung nicht einmal isoliert zu sehen, sondern fügt sich in den gesamtgesellschaftlichen Horizont Deutschlands jener Jahre ein. Wie Christopher König mit weitem Horizont aus anderer kirchengeschichtlicher Perspektive blickend schreibt, ging es in jenen Jahren auch in anderen theologischen Kontroversen (Christusmythe, Arthur Bonus, etc.) stets „um die Klärung Bibel [1.–25. Tausend] lag am 19. Februar 1903 im Druck vor, Babel und Bibel. Ein Vortrag [Erster Vortrag]. Dritte durchgesehene Ausgabe [41.–50. Tausend] allerspätestens Mitte März gleichzeitig mit der Neuausgabe [26.–35. Tausend] des Zweiten Vortrags mit dem Vorwort „Zur Klärung“. 30 Shavit 2003, 266 und n. 12 verweist selbst vielmehr nur auf die Fülle von mindestens 1.500 Büchern, Pamphleten und Artikeln (in Wirklichkeit dürfen es sogar weit mehr gewesen sein) und auf die Fehleinschätzung (s. Lehmann 1994, 111–112) von Hans-Joachim Kraus. Ein ähnliches Fehl(Vor)urteil fällt Shavit, wenn er Delitzsch und Wellhausen als Bundesgenossen in der Bestreitung der mosaischen Verfasserschaft der Torah aufführt, „which is why Delitzsch thought that to strike a blow at its originality was to strike a blow at the very foundations of Judaism“ (273). Tatsächlich hatte Delitzsch sich seit etwa den 1890er Jahren vermehrt mit neuerer alttestamentlich-exegetischer Literatur und auch mit der neueren Urkundenhypothese befasst – ein derartig kurzschlüssiges Denken wird Delitzsch nicht gerecht. Julius Wellhausen selbst übrigens nahm von Delitzsch kaum und nur unwillig Notiz. 31 Vgl. Lehmann 1994, 243. 32 Dazu ebd., 75–79. 33 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die m.W. einzige Äußerung Julius Wellhausens über Delitzsch in einem Brief an Carl Bezold vom 22. Oktober 1903: „Seinen jüngsten Erfolg verdankt er dem, was er über das Alte Testament aus der Schule schwatzt. Gegenüber der Orthodoxie hat er da völlig Recht; wenn die Orthodoxie die histor. Entwicklung ignorirt, darf auch er es thun und sich ihr gegenüber auf den gleichen Boden stellen. Sonst ist er ein höchst unbedeutender Spatz. Man hat leider mit Kanonen auf ihn geschossen und dadurch eine ungeheure Reklame für ihn gemacht.“ (Smend 2013, 424–425).

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theologischer Grundsatzfragen in der Moderne, […] um die bleibende Relevanz der Frömmigkeitstraditionen […]“ und um die „Möglichkeit, sich selbst in den theologischen Modernisierungsschüben inhaltlich zu vergewissern“.34 Hier war Friedrich Delitzsch nur eine – durch eine Reihe von nicht kalkulierten und auch nicht kalkulierbaren Konstellationen freilich privilegierte und exponierte – Figur unter anderen auf einem Spielfeld am Ende des langen 19. Jahrhunderts, dessen Regeln und unerwarteten Zügen er letztlich nicht gewachsen war. Zu fragen wäre also zum einen nach dem Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Vortrag, und zum anderen dann auch danach, was Delitzsch in jener Zeit zwischen dem Ausbruch des Tumults ab ca. März/April 190235 und dem zweiten Vortrag im Januar 1903 selbst eigentlich getan hatte. Die zweite Frage lässt sich schnell und recht einfach beantworten: Nach der Wiederholung im königlichen Schloss am 1. Februar und dem vom Kaiser angeordneten – und daher zunächst jeder Kritik entzogenen! – Bericht im Reichsanzeiger am 22. Januar36 war Delitzsch ab dem 18. März bis in den September hinein auf Orientreise und folglich überhaupt nicht im Lande gewesen. Nach einer Audienz bei Sultan Abdul Hamid II am 21. März dürfte er allerspätestens nach dem Verlassen Konstantinopels und seiner Weiterreise über Smyrna (Izmir) und Iskenderun Anfang April auch von aktuellen Informationen aus Deutschland weitgehend abgeschnitten gewesen sein. Die Drucklegung des ersten Vortrags – auch dies geschah auf Wunsch des Kaisers37 – hatte er noch vor Abreise erledigen können. Babel und Bibel erschien am 10. März 1902. Den erst mit einiger Verzögerung danach ausgebrochenen Tumult kann Delitzsch also schlechterdings nicht mehr mitbekommen haben; auch das Reisetagebuch seiner Orientreise im Nachlass, das mir exklusiv vorliegt, lässt nichts davon erkennen, dass Delitzsch auf dem Weg über Konstantinopel-Istanbul bis an die Grabungsstätten des alten Assur und Babylon38 noch irgend eine aktuelle Nachricht aus Deutschland erhalten hätte, auch die Wochen davor wird er vor allem mit der Druckrevision und mit Reisevorbereitungen beschäftigt gewesen sein. Die erste Frage hingegen – was unterscheidet den ersten und den zweiten Vortrag wirklich? – verlangt einen anderen methodischen Zugang als nur den der Retrospektive entweder vom Zweiten Vortrag über Babel und Bibel oder gar von der Großen Täuschung her. Ich habe dies 1994 in meinem Buch mit einer textkritischen Analyse der verschiedenen Auslieferungen der Druckversionen von Babel 34

König 2018, 67. Vgl. Lehmann 1994, 108–123. 36 A.F., Kunst und Wissenschaft: Deutscher Reichsanzeiger und königlich-preussischer Staatsanzeiger Nr. 19, 22. Januar 1902, 2c–3b = Reichsbote 30: 20 (24. Januar 1902) 3. Beilage; s. Lehmann 1994, 105. 109 37 Vgl. Lehmann 1994, 105.288. 38 Lehmann 1994, 108 n. 89. 35

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und Bibel vorzuführen versucht und möchte dies hier nur in Auszügen noch einmal in Erinnerung rufen. Die so pathetisch klingende Einleitung des ersten Vortrags über Babel und Bibel ist in Auszügen oder einzelnen Abschnitten oft zitiert worden, mitunter sogar promiscue aus verschiedenen Ausgaben.39 Selten jedoch wurde der Gesamtzusammenhang erfasst, und fast nie wurde dabei berücksichtigt, aus welcher Ausgabe mit welchem Wortlaut – aus welcher aktuellen Situation des Babel-BibelStreites selbst also! – das jeweilige Zitat stammte. Wie also lautet(e) die Einleitung wirklich? Die einleitenden Abschnitte seien hier zunächst noch einmal in Gänze zitiert. Dass dies tatsächlich der authentische Wortlaut auch des vorgetragenen Texts am 13. Januar 1902 in der Singakademie und am 1. Februar im Berliner Schloss war, lässt sich ohne das originale Vortragsmanuskript oder ein Stenogramm nicht letztgültig beweisen. Es gibt aber andrerseits keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Delitzsch den Wortlaut für die vom Kaiser gewünschte, möglichst bald zu erfolgende Drucklegung noch verändert hätte, nachdem er den Vortrag binnen weniger Wochen mehrfach,40 davon mindestens zweimal vor dem Kaiser und einflussreichen Personen aus Hof und Gesellschaft, gehalten hatte.41 Da außerdem wohl schon zum Geburtstag des Kaisers am 27. Januar eine (nicht im Handel erhältliche) Luxusausgabe vorlag,42 wird zu einer Änderung des Wortlauts kaum Gelegenheit gewesen sein. Es spricht also alles dafür, dass mit der spätestens Anfang März im Handel ausgelieferten Druckfassung nicht nur der offizielle, sondern auch der Text des unveränderten Wortlautes vorliegt. Babel und Bibel. Ein Vortrag, 1902, 3–5 [1.–16. Tausend = erste Ausgabe]43: 39 Ein abschreckendes Beispiel hierfür, welches leider die Forschung in erheblichem Maße beeinflusst hat, weil kaum jemand sich die Mühe machte, die Originalzitate zu überprüfen, ist Kraus, Geschichte der historisch-kritischen Erforschung des Alten Testaments. Noch in der 2. überarbeiteten und erweiterten Auflage von 1969 zitiert Kraus auf den Seiten 309–314 ausführlich abwechselnd (und mit Fehlern!) aus der ersten und der fünften Ausgabe des ersten Vortrags, ohne dies kenntlich zu machen (die Referenzen S. 522 weisen als „A.a.O.“ nur auf eine nicht näher bezeichnete Ausgabe von Babel und Bibel), um dann in der Darstellung unter Auslassung des zweiten und dritten Vortrags direkt zur Großen Täuschung als den „Tiefpunkt einer im Pathos längst angelegten Entwicklung“ überzuleiten. 40 Am 13. Januar (Deutsche Orient-Gesellschaft, Singakademie Berlin), 1. Februar (Königliches Schloß Berlin), 5. Februar (Frankfurt a.M.), und 21. März (Deutsche Botschaft Konstantinopel), weiterhin im März in Nürnberg. 41 Lehmann 1994, 105–108. 42 Ebd., 107, s. auch ein Brief Delitzschs an Adele Baumann-Seyd vom 27. Januar 1902, zitiert bei Johanning 1988, 371–372. 43 Druckausgabe fertig vorliegend zum Geburtstag Kaiser Wilhelms II. am 27. Januar 1902, für den Buchhandel ausgeliefert am 10. März. Die Ausgabe ist in der im Anhang gegebenen, an Lehmann 1994, 280–281 angelehnten Übersicht mit dem Kürzel BB I bezeichnet.

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Wozu diese Mühen im fernen, unwirtlichen, gefahrvollen Lande? Wozu dieses kostspielige Umwühlen vieltausendjährigen Schuttes bis hinab auf das Grundwassser, wo doch kein Gold und kein Silber zu finden? Wozu der Wetteifer der Nationen, sich je mehr je lieber von diesen öden Hügeln für die Grabung zu sichern? Und woher andererseits das immer steigende opferfreudige Interesse, das diesseits und jenseits des Ozeans den Grabungen in Babylonien-Assyrien zuteil wird? Auf beide Fragen nennt Eine Antwort, wenn auch nicht erschöpfend, so doch zu einem guten Teil Ursache und Zweck: d i e B i b e l . Die Namen Nineve und Babylon, die Erzählungen von Belsazar und den Weisen aus dem Morgenland umwebt von unserer Jugend auf ein geheimnisvoller Zauber, und die langen Herrscherreihen, die wir zu neuem Leben erwecken, mögen noch so bedeutungsvoll sein für Geschichte und Kultur – sie würden nicht halb die Teilnahme wachrufen, wenn nicht Amraphel und Sanherib und Nebukadnezar unter ihnen wären, die uns schon aus der Schulzeit vertraut sind. Zu diesen Erinnerungen der Jugend gesellt sich aber im reiferen Alter das gerade in unserer Zeit jedem Denkenden sich aufdrängende Ringen nach einer Vernunft wie Herz befriedigenden Weltanschauung: dieses führt aber immer wieder hin zu der Bibel, in erster Linie zum Alten Testament, mit welchem das Neue ja doch historisch unlösbar verknüpft bleibt. Es ist erstaunlich, wie eben jetzt in Deutschland, England, Amerika – diesen drei Bibelländern, wie sie nicht mit Unrecht genannt worden – das Alte Testament, diese kleine Bibliothek mannigfaltigster Bücher, von einer kaum übersehbaren Zahl christlicher Gelehrter nach allen Richtungen hin durchforscht wird. Die Welt nimmt von dieser stillen Geistesarbeit noch immer erst wenig Notiz; aber soviel steht fest, dass, wenn erst die Summa der gewonnenen neuen Erkenntnisse, die Schranken der Studierzimmer durchbrechend, hinaustritt in das Leben: in die Kirchen und in die Schule, das Leben der Menschen und Völker tiefer erregt und bedeutsameren Fortschritten zugeführt werden wird, als durch alle modernen Entdeckungen der Naturwissenschaften zusammen. Hierbei aber bricht immer allgemeiner die Überzeugung sich Bahn, dass obenan die Ergebnisse der babylonisch-assyrischen Ausgrabungen berufen sind, eine neue Epoche, wie im Verständnis, so in der Beurteilung des Alten Testamentes herbeizuführen, und dass für alle Zukunft eng verbunden bleiben B a b e l u n d B i b e l . Wie haben sich doch die Zeiten geändert! David, Salomo 1000 vor Chr., Moses gar 1400 und noch 8 Jahr-hunderte früher Abraham, und von allen diesen Männern bis ins Einzelne gehende Nachricht – das erschien so einzigartig, so übernatürlich, dass man auch Erzählungen aus den Anfängen der Welt und der Menschheit gläubig mit hinnahm – selbst die grössten Geister standen, ja stehen noch zum Teile unter dem Bann des das 1. Buch Mosis umgebenden Mysteriums. Jetzt, da die Pyramiden sich geöffnet und

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die assyrischen Paläste sich aufgethan, erscheint das Volk Israel und sein Schrifttum als der jüngsten eines unter den Nachbarn. […] Jetzt auf einmal fallen die den alttestamentlichen Schauplatz vornehmlich nach rückwärts abschliessenden Wände, und ein frischer, belebender Wind aus dem Osten, gepaart mit einer Fülle von Licht, durchweht und durchleuchtet das ganze altehrwürdige Buch und zwar um so intensiver, als das hebräische Altertum von Anfang bis zu Ende gerade mit Babylonien und Assyrien verkettet ist. Ein paar Schlüsselsätze habe ich kursiv hervorgehoben. Es kommt indes darauf an, nicht nur diese Schlüsselsätze in ihrem Zusammenhang zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch darauf, zu beachten, wo und wann in der Folge an diesem Text Änderungen vorgenommen worden sind: Noch die im darauffolgenden Jahr etwa Mitte Januar 1903 – und damit zeitgleich mit der Präsentation des Zweiten Vortrags in der Singakademie am 12. Januar! – ausgelieferte zweite und mit Abstand auflagenstärkste Ausgabe44 enthielt, obwohl sie eindeutig kein einfacher Nachdruck der ersten Auslieferung war, noch keine polemische oder sonstwie per se ablehnende Positionierung dem Alten Testament oder dem Judentum gegenüber.45

44 Diese zweite, nur mit dem Titel-Zusatz Durch Anmerkungen erweitert als überhaupt verändert ausgewiesene Ausgabe erschien im Umfang von 24.000 Exemplaren. Zum Vergleich: die erste Auslieferung 1902 erfolgte im Umfang von 16.000 Exemplaren, die Dritte durchgesehene Ausgabe 1903 mit 10.000, die Vierte durchgesehene Ausgabe 1903 und die 1905 mit jeweils 5.000 und die sechste Neu bearbeitete Ausgabe von 1921 mit 3.000 Exemplaren (vgl. die Publikationstabelle im Anhang). 45 Im Gegenteil: Diese zweite Auslieferung enthielt eine Reihe von Änderungen im laufenden Vortragstext, welche ohne retrospektive Deutung vom Zweiten Vortrag oder gar von der Großen Täuschung her eigentlich nur als Präzisierungen, Entschärfungen oder Ausräumen von Missverständnissen verstanden werden können. Insbesondere ist hier die Zurücknahme der Formulierung zu nennen, wonach biblische Erzählungen „jetzt auf einmal in reinerer und ursprünglicherer Form aus der Nacht der babylonischen Schatzhügel ans Licht treten“ (S. 29). Dies war von dem Rabbiner Ludwig A. Rosenthal im April 1902 noch durchaus richtig verstanden (s. Lehmann 1994, 102), sodann aber von Eduard König gründlich zur Polemik verdreht worden (Lehmann 1994, 101), so dass Delitzsch sich genötigt sah, schon in der zweiten Auslieferung die Formulierung zu „jetzt auf einmal in ihrer ursprünglichen Gestalt“ zu ändern. Eine polemische Fassung dagegen erhielt dieser Passus tatsächlich erst 1921 in der sechsten Auflage. Die Neuformulierung („jetzt auf einmal als auf babylonische Originale zurückgehend und in ihrer ursprünglichen Gestalt enthüllt“) sekundierte nun den Titel der Großen Täuschung und suggerierte zugleich (fälschlich!), als ob Delitzsch dies so schon immer vertreten hätte. Dies mag zwar eine von Delitzsch 1921 billigend in Kauf genommene, wenn nicht gar beabsichtigte retrospektive Fehlwahrnehmung sein, war aber dennoch 1902/1903 von ihm so nicht gesagt worden. — Zu weiteren Präzisierungen oder Abfederungen der zweiten Ausgabe des ersten Vortrags über Babel und Bibel, welche Teils präzisierend, teils deeskalierend auf die Entgegnungen Rosenthals, Königs und anderer eingehen, vgl. Lehmann 1994, 80–91; 92–103

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Eine in ihrer Stoßrichtung deutliche, polemische und tendenziell anti-alttestamentliche Veränderung im Text des Ersten Vortrags geschah vielmehr erst ab dem 41. Tausend in der Dritten durchgesehenen Ausgabe im März 1903. Dieses Datum allerdings ist höchst signifikant. Das war nicht nur zwei ganze Monate nachdem schon am 12. Januar der Zweite Vortrag in der Singakademie vor der Deutschen Orient-Gesellschaft und ‚vor Kaiser und Reich‘ gehalten worden war, sondern auch erst gemeinsam mit dessen zweiter (!) Druckauslieferung. Diese zweite Ausgabe des Zweiten Vortrags war aber auch jene Ausgabe gewesen, welche zum einen erst nach dem Eingreifen des Kaisers mit dem sogenannten ‘Hollmanbrief’46 erschienen war und zum andern auch das polemische Vorwort „Zur Klärung“ enthielt, welches – nun bereits am Ausklang des Babel-Bibel-Streits47 – schließlich zu einem ‚Verzicht auf Verständigung‘ führte.48 Es kommt nun also darauf an, die zu diesem Zeitpunkt vollzogenen signifikanten Änderungen im Text auch des ersten Vortrags wahrzunehmen. In dem oben zitierten Text betraf dies letztlich nur eine allerdings höchst signifikante Formulierung (kursiv hervorgehoben): Zu diesen Erinnerungen der Jugend gesellt sich aber im reiferen Alter das gerade in unserer Zeit jeden Denkenden erfüllende Streben nach einer Vernunft wie Herz befriedigenden Weltanschauung: dieses führt aber immer wieder hin zu der Frage nach dem Ursprung und der Bedeutung der Bibel, in erster Linie des Alten Testaments, mit welchem das Neue ja doch historisch unlösbar verknüpft ist. (Babel und Bibel. Ein Vortrag. Dritte durchgesehene Ausgabe 1903 [41.–50. Tausend]) Der Schnitt, an dem Delitzsch selbst einer gewandelten Anschauung Ausdruck geben zu müssen vermeinte, lag also erst zwei Monate nach dem Zweiten Vortrag und nach dem Eingreifen Wilhelms II. mit dem ‚Hollmannbrief‘, dessen einziger Zweck nur der politische Akt der Beruhigung einer durch Babel und Bibel verstörten (protestantisch-)kirchlichen Öffentlichkeit war.49 Die Ablenkung war denn auch perfekt gelungen, und der ‚Hollmannbrief‘ des Kaisers tat seine Wirkung. Dessen auf Antisemitismus hin offener Schlusspassus war es gewesen, der 46

Lehmann 1994, 220–222. Während der Anfang des Babel-Bibel-Streits mit dem ersten Vortrag über Babel und Bibel am 13. Januar 1902 eindeutig gesetzt ist, ist eine Ansetzung seines Endes schwieriger, kann aber thematisch jedenfalls nicht weit über den am 27. Oktober 1904 gehaltenen und 1905 im Druck erschienenen Dritten (Schluss-)Vortrag hinausgeführt werden. Sachlich ist sein Ende sogar deutlich früher anzusetzen (Lehmann 1994, 35; 242–244). 48 Lehmann 1994, 242–250. 49 Dies übrigens, ohne dass Delitzsch damit (wie mehrfach mit gewisser Häme vermutet) in kaiserliche Ungnade gefallen wäre. Das Gegenteil scheint sogar eher der Fall zu sein: Delitzsch verkehrte weiterhin bei Hofe und mit dem Kaiser, schon am 17. April 1903 nahm das Kaiserpaar in der Singakademie an Delitzschs Reisebericht Im Lande des einstigen Paradieses im Rahmen der DOG teil, u.a.m., vgl. Lehmann 1994, 242. 47

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dem Babel-Bibel-Streit einen stärkeren antisemitischen Impuls gegeben hatte, als dies alle bis dato von Delitzsch selbst getätigten Äußerungen zusammen überhaupt vermocht hätten. Danach und bis hin zur Großen Täuschung von 1920 war viel geschehen. Nicht nur war der Babel-Bibel-Streit praktisch im Sande verlaufen50 und mit dem – weitgehend glanz- und wirkungslosen – Dritten (Schluss-) Vortrag über Babel und Bibel war nun 1905 auch die Weichenstellung in Richtung „Urteil über Wesen und Wert des althebräischen Schrifttums“51 offenkundig. Jedes einzelne Wort ist nun verräterisch. Die Einheit der Bibel ist ihm zerbrochen, ein ‚Altes Testament‘ gibt es für Delitzsch nicht mehr, sondern nur noch ein ‚althebräisches Schrifttum‘ – eine Terminologie, die er nun bis in Die Grosse Täuschung hinein beibehalten sollte. Dessen Wert aber stand nun a priori zur Disposition und gehörte – sofern überhaupt – erst noch ermittelt zu werden.52 Unzweifelhaft war Friedrich Delitzsch schließlich in den Sog des Rasse-Denkens geraten.53 Dennoch bedurfte es ungeachtet einiger wenig beachteter populärwissenschaftlicher Spät- und Kleinschriften wohl erst der Zäsur des Ersten Weltkriegs – und damit auch des Zusammenbruchs des persönlichen Wertesystems eines dem ‘langen 19. Jahrhundert’ verhaftet gebliebenen deutschen Gelehrten –, um aus Babel und Bibel, einer zunächst liberal (und je nach Sichtweise vielleicht auch theologisch zu kurz) gedachten Präsentation von ‚Babel als Interpret und Illustrator der Bibel‘54 schließlich eine antijudaistische, die Große Täuschung flankierende öffentliche Absage und Kampfschrift gegen den Verbleib der hebräischen Bibel im christlichen Kanon zu machen. Insofern sind die erste bis dritte Ausgabe 1902–1903 methodisch streng von der letzten, sechsten und neu bearbeiteten Ausgabe von 1921 zu unterscheiden: Zu diesen Erinnerungen der Jugend gesellt sich aber im reiferen Alter das gerade in unserer Zeit jeden Denkenden erfüllende Streben nach einer Vernunft wie Herz befriedigenden Weltanschauung: dieses führt aber immer wieder hin zu der Frage nach dem Ursprung und dem Werte der Bibel, in erster Linie des Alten Testaments, mit welchem das Neue nur allzusehr verquickt ist. (Babel und Bibel. Vortrag gehalten am 13. Januar 1902. Neu bearbeitete Ausgabe, 1921 [61.–63. Tausend]) Die Entwicklung geht also von „der Bibel“ (1902) über die „Frage nach dem Ursprung und der Bedeutung der Bibel“ (31903) zu der „Frage nach dem Ursprung und dem Werte der Bibel“ (61921), und vom Alten Testament, mit dem 50

Vgl. Lehmann 1994, 242–244; 2018, 65–66. Delitzsch 1905b, 3; vgl. Lehmann 1994, 251. 52 Lehmann 1994, 251–252. 53 Dazu ebd., 252–253. 54 Berliner Tageblatt Nr. 24, 14. Januar 1902; Babel und Bibel 2I, 1903, 53, Zweiter Vortrag über Babel und Bibel, 1903, 3, vgl. Lehmann 1994, 108; 174. 51

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das Neue „historisch unlösbar verknüpft bleibt“ (1902) über „historisch unlösbar verknüpft ist“ (31902) zu „nur allzusehr verquickt ist“ (61921).55 Nicht nur der Wandel ist klar erkennbar; deutlich ist auch, dass der entscheidende Bruch zwischen 31903 und 61921 liegt, mithin zwischen dem Ausgang des ‚langen 19.‘ und dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Es sind diese beiden kleinen, aber signifikante Änderungen, welche die gewandelte Anschauung nach dem Ersten Weltkrieg und nach oder gleichzeitig mit der Großen Täuschung deutlich machen. Erst hier ist – wohl unter dem Eindruck und Einfluss Adolf von Harnacks – der quasi ‚marcionitische‘ Schnitt vollzogen. Und dass Die Große Täuschung eine judenfeindlich-antisemitische Schrift ist, daran besteht kein Zweifel. Wenn aber Delitzsch selbst im Vorwort der Großen Täuschung den Zusammenhang mit Babel und Bibel herstellt, so ist dies gerade keine Kronzeugenschaft für einen schon von Anbeginn an antisemitischen Impetus von Babel und Bibel. Im Gegenteil! Für Delitzsch selbst war ja in der Zäsur des Ersten Weltkriegs die ‚Babel-BibelZeit‘ ausdrücklich vergangen.56 Ein suggerierter Zusammenhang von Babel und Bibel mit der Großen Täuschung beruht also vor allem auf einer Großen Selbsttäuschung oder, härter gesagt, auf einer eklatanten Lüge, denn: Die Behauptung in der ‚Vorbemerkung‘ zur Neu bearbeitete[n] Ausgabe des ersten Vortrags über Babel und Bibel von 1921, dass der Wortlaut des Vortrags unangetastet geblieben sei,57 ist nachweislich falsch!58 Die Selbstaussage Delitzschs fast 20 Jahre nach Babel und Bibel ist also eine ebenso retrospektive Fehleinschätzung von der Position der Großen Täuschung aus, wie sie hernach in der forschungsgeschichtlichen Sicht auf den Babel-BibelStreit noch hundertemale vollzogen worden ist angesichts des verständlichen Entsetzens, das die Große Täuschung und wiederum deren Nachgeschichte59 zweifellos und mit Recht auslösten. Dieses Entsetzen aber verstellte immer wieder den Blick darauf, dass Babel und Bibel ein eigengewichtiges Ereignis in der Biographie eines Forschers am Ausklang des (langen) 19. Jahrhunderts war, und was fast 55

Hier interessanterweise auch unter Auslassung des Adjektivs ‚historisch‘! Vgl. Lehmann 1994, 258 und das (angeblich schon 1914 geschriebene) Vorwort zu Die Große Täuschung I (Delitzsch 1920a, 5). 57 Friedrich Delitzsch, Babel und Bibel. Vortrag gehalten am 13. Januar 1902. Neu bearbeitete Ausgabe 61.–63. Tausend. Mit 59 Abbildungen, Leipzig: Hinrichs 1921: „V o r b e m e r k u n g . Wie bereits zur fünften Neuausgabe (1905) dieses Vortrags bemerkt wurde, sehe ich mich trotz aller Gegenschriften und Kritiken, die wissenschaftlichen Wert leider nur zu einem sehr geringen Teile besitzen, zu tiefgreifenden Änderungen des Inhalts nicht veranlaßt, also daß der ursprünglich Wortlaut des Vortrags, der ein gewisses Anrecht auf historischen Wert wohl beanspruchen darf, möglichst unangetastet bleiben konnte. H a l e n s e e / B e r l i n , Juni 1921. Friedrich Delitzsch.“ 58 Der Nachweis ist hinreichend erbracht in der textkritischen Aufarbeitung bei Lehmann 1994, 81–91. 59 Vgl. Ludendorff 1936 mit ja einer unverkennbaren Anspielung an den Titel der Großen Täuschung. 56

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zwei Jahrzehnte darauf in der Großen Täuschung mündete, das Resultat einer persönlichen Entwicklung über die Zäsur der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts hinweg, das nicht aus dieser Geschichtlichkeit hinausgenommen werden kann – weder pro noch contra. Es ist daher ein verlegerischer Skandal und Symptom einer tief verwurzelten, ahistorischen Ignoranz, dass 2013 ausgerechnet diese von ihrem Autor selbst gefälschte (sic) 6. Ausgabe von 1921 als unkommentierter Nachdruck auf den Markt geworfen wurde,60 und es wäre ein grober wissenschaftlicher Fehlgriff, diese zum Ausgangspunkt einer Analyse zu nehmen. 5. „Die Priester aber sagten, der große Zeus sei im Zorne davon geflogen und komme erst wieder, wenn der Frevel gesühnt sei. Da schlug das Volk den Forscher tot.“ (Gulbransson 1903) Friedrich Delitzsch hatte in den wenigen Monaten des Babel-Bibel-Streits als der vermeintliche liberale Volkstribun, Tempelstürmer und Forscher im Dienste des Fortschrittes und einer diffusen Vorstellung von „Weiterbildung der Religion“ eine erstaunliche Berühmtheit erlangt. Nach dem gründlich gescheiterten Versuch „Zur Klärung“ Mitte März 1903 als Vorwort zur Neuauflage des Zweiten Vortrags trat allerdings ein allseitiger Verzicht auf Verständigung ein. Auch manche Hoffnungen auf Reform und Wandel in der kirchlichen Ausbildung und im Religionsunterricht waren damit vorerst und auf lange Sicht hin zunichte. Den im Ganzen glanzlosen, eigentlich aber als Abschluss der Vortragsserie geplanten Dritten Vortrag hielt Delitzsch nicht mehr in Berlin und nicht mehr vor der Deutschen Orient-Gesellschaft, sondern erst am 27. Oktober 1904 vor der Literarischen Gesellschaft Barmen. Er behandelte nicht, wie vielfach gerüchteweise erwartet, aber von Delitzsch mit höchster Wahrscheinlichkeit nie beabsichtigt, das Neue Testament. Die möglicherweise erst unter dem Einfluss seines Schülers Paul Haupt61 zustande gekommene Abkoppelung des Neuen vom Alten Testament und vom Judentum war dennoch unverkennbar. Dies war aber (noch) kein Akt des Antisemitismus, wenngleich auf dem Wege dahin; zunächst noch war es – wie auch bei Adolf von Harnack – moderner Marcionismus. Die schillernde Mehrdeutigkeit der Wahrnehmung seiner Person schon zu Zeiten von Babel und Bibel als einerseits Philosemit und Semitomane (so verhöhnte

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Friedrich Delitzsch, Babel und Bibel. 1. Auflage. Nachdruck des Originals von 1921, Paderborn: Salzwasser Verlag 2013 (ISBN 978-3-84604-563-3). Ein Nachdruck des Dritten Vortrags von 1905 ist 2018 von dem Bremer Musketier-Verlags unter dem Imprint ‚inktank-publishing‘ auf dem Markt gebracht worden (ISBN 978-3-7477-6384-1). 61 Der Orientalist Paul Haupt (1858–1926), als einer seiner frühesten Schüler 1878 bei Delitzsch promoviert, hatte 1909 die ‚Galiläer-These‘ zur Arisierung Jesu entwickelt (Haupt 1909; dazu Frahm 2017). Mit Haupt verband Delitzsch eine lebenslange Freundschaft, s. auch Lehmann 1990.

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ihn u.a. der Antisemit Houston St. Chamberlain!)62 und andrerseits als Antisemit (so meistenteils von seiner jüdischen Leserschaft und weiten Teilen der Rezeption bis heute), als Panbabylonist, oder aber als verkappter Materialist und Rationalist im Kielwasser der Sozialdemokratie macht die Schwierigkeit einer Deutung seiner Person in der damaligen preußisch-deutschen und Berliner Gesellschaft deutlich. Friedrich Delitzsch stand aber mit seinem eigenen Ringen um eine „Vernunft wie Herz befriedigende Weltanschauung“ angesichts der Keilschrift, über deren verdienstvollster Erforschung ihm alte Gewissheiten zerbrachen, für sich selbst, allein und abseits von alledem. Er hatte sich tatsächlich lange Zeit hindurch jedem Lagerdenken entziehen können, bis er mit zunehmender Nähe zu dem völkischen Schriftsteller und Verfasser der Germanenbibel, Wilhelm Schwaner, und zunächst stillschweigender, später auch offener Annäherung an das Gedankengut des ideologischen Rassisten und Antisemiten Chamberlain schließlich in der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts auch dem nationalen Rausch erlag und selbst zum literarischen Handlanger eines völkischen, biblisch motivierten Antijudaismus und Antisemitismus wurde. So mag Friedrich Delitzsch aus heutiger Sicht vielleicht ein Antisemit gewesen sein. Wer aber an Friedrich Delitzsch und Babel und Bibel als antisemitischem Angriff festhalten will, wird nachweisen müssen, wie weit Babel und Bibel 1902 als antisemitisches Programm ohne die Große Täuschung und auch ohne Kenntnis derselben gelesen werden kann, oder ob es nicht doch – ohne dass dies hier eine Verharmlosung sei! – schlechterdings ein Produkt des Zeitgeistes war. Mindestens subjektiv war der Friedrich Delitzsch des Babel-Bibel-Streits, also der Jahre 1902–1904, (noch) kein Antisemit. Dieses Paradoxon gilt es m.E. auszuhalten, will man dem historischen Phänomen des ‚Forschers, den das Volk totschlug‘, gerecht werden. Bei einer Analyse des Babel-Bibel-Streits, die ja fast zwangsläufig auf seine Person fokussieren muss, nach dem Prinzip ‚(irgendwann) einmal Antisemit – (schon) immer Antisemit‘ zu verfahren, könnte den historischen Bedingtheiten am Ende des langen 19. Jahrhunderts vielleicht doch nicht ganz gerecht werden. Zumindest wäre die Sichtweise ahistorisch, die Methode unhistorisch. Die – nota bene: originalen!63 – ersten beiden Vorträge über Babel und Bibel aber sind – mit gebührenden Abstrichen, was ihren sachlichen und mit Vorsicht, was ihren theologischen Gehalt betrifft – auch heute noch lesenswert als brillant formulierte Gedanken eines geistreichen Gelehrten und eines hochintegren, aber von Zweifeln getriebenen Menschen, der an der Indolenz seiner Zeit zerbrach und 62

Die Belege bei Lehmann 1994, 215–216, vgl. 101.268. Das heißt: Friedrich Delitzsch, Babel und Bibel. Ein Vortrag. Mit 50 Abbildungen, Leipzig: Hinrichs 1902 [1.–16. Tausend, 52 S.]; Zweiter Vortrag über Babel und Bibel. Mit 20 Abbildungen, Stuttgart: DVA 1903 [1.–25. Tausend, 48 S.]. Dies kann nicht genügend hervorgehoben werden. Zu dem modernen Nachdruck der 6. Ausgabe von 1921 siehe das oben Gesagte. 63

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sich in hohem Alter auf Abwege begab, die sein gesamtes Lebensbild bis heute nachhaltig trüben. Insofern war Friedrich Delitzsch der Typus des weltfremden Gelehrten, der uneingedenk einer ihn überraschend schnell überrollenden heterogenen Dynamik meinte, das, was er auslöste, auch im Griff behalten zu können. Publikationsübersicht Babel und Bibel64 1902 13. Jan.

Vortrag „Babel und Bibel“: DOG Berlin

27. Jan.

Babel und Bibel. Ein Vortrag. Mit 50 Abbildungen, Leipzig: Hinrichs 1902 [Luxusausgabe zum Geburtstag Wilhelms II., nicht im Buchhandel]

1. Febr.

Vortrag „Babel und Bibel“: Königl. Schloß Berlin

5. Febr.

Vortrag „Babel und Bibel“: Verein für Geographie und Statistik Frankfurt a.M.

?

Vortrag „Babel und Bibel“: Nürnberg

Febr./März

Babel und Bibel. Ein Vortrag. Mit 50 Abbildungen, Leipzig: Hinrichs 1902 [1.–16. Tausend, 52 S.]

21. März

Vortrag „Babel und Bibel“: Deutsche Botschaft Konstantinopel

1903 12. Jan.

„Zweiter Vortrag über Babel und Bibel“: DOG Berlin Babel und Bibel. Ein Vortrag. Mit 50 Abbildungen. Durch Anmerkungen erweitert, Leipzig 1903 [17.–40. Tausend, 78 S. (26 S. Anm.)]

31. Jan.

„Zweiter Vortrag über Babel und Bibel“: Vereinshaus Dresden

19. Febr.

Zweiter Vortrag über Babel und Bibel. Mit 20 Abbildungen, Stuttgart: DVA 1903 [1.–25.Tausend, 48 S. (8 S. Anm.)]

März

Babel und Bibel. Ein Vortrag. Mit 51 Abbildungen. Dritte durchgesehene Ausgabe, Leipzig 1903 [41.–50. Tausend, 78 S. (26 S. Anm.)]

64

Zweiter Vortrag über Babel und Bibel. Mit 20Abbildungen und einem Vorwort “Zur Klärung”, Stuttgart 1903 [26.–35.Tausend, 48 S. (10 S. Anm.)]

Verkürzter Auszug aus Lehmann 1994, 280–281.

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R.G. Lehmann

26./27. März

„Zweiter Vortrag über Babel und Bibel“: Liederhalle Stuttgart

30. März

„Zweiter Vortrag über Babel und Bibel“: Hannover

17. April

Vortrag „Im Lande des einstigen Paradieses“: DOG Berlin Im Lande des einstigen Paradieses, Ein Vortrag. Mit 52 Bildern, Karten und Plänen, Stuttgart: DVA 1903 [58 S.] Babel und Bibel. Ein Vortrag. Mit 52 Abbildungen. 51.–55. Tausend, Vierte durchgesehene Auflage, Leipzig 1903 [81 S. (29 S. Anm.)]

1904

Zweiter Vortrag über Babel und Bibel. 36.–40.Tausend. Mit 17 Abbildungen im Text und 3 farbigen Tafeln, Stuttgart 1903 [50 S. (13 S. Anm.)] Zweiter Vortrag über Babel und Bibel. 41.–45. Tausend. Mit 19 Abbildungen im Text und 3 farbigen Tafeln. Neue durchgesehene Ausgabe, Stuttgart 1904 [62 S. (20 S. Anm.)]

Jan./Febr.

Babel und Bibel Ein Rückblick und Ausblick, Stuttgart 1904 [1.– 9.Tausend, 75 S.]

27. Okt.

„Babel und Bibel. Dritter (Schluss-) Vortrag“: Literarische Gesellschaft Barmen

28. Okt.

„Babel und Bibel. Dritter (Schluss-) Vortrag“: Literarische Gesellschaft Köln

9. Nov.

„Babel und Bibel. Dritter (Schluss-) Vortrag“: Verein für Geographie und Statistik Frankfurt a.M.

1905

Babel und Bibel. Erster Vortrag. Mit 53 Abbildungen. 56. bis 60. Tausend. Fünfte neu durchgearbeitete Ausgabe [82 S. (27 S. Anm.)]

Friedrich Delitzsch im Ausklang des langen 19. Jahrhunderts

März/April

1920

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Babel und Bibel. Dritter (Schluss-) Vortrag. Mit 21 Abbildungen, Stuttgart: DVA 1905 [1.–6. + 7.–10. Tausend, 69 S. (16 S. Anm. + 5 S. Anhang)]

Die Lese- und Schreibfehler im Alten Testament nebst den dem Schrifttexte einverleibten Randnoten klassifiziert. Ein Hilfsbuch für Lexikon und Grammatik, Exegese und Lektüre, Berlin: VWV 1920 Die Grosse Täuschung. Kritische Betrachtungen zu den alttestamentlichen Berichten über Israels Eindringen in Kanaan, die Gottesoffenbarung vom Sinai und die Wirksamkeit der Propheten, Stuttgart / Berlin: DVA 1920

1921

Babel und Bibel. Vortrag gehalten am 13. Januar 1902. Neu bearbeitete Ausgabe. 61.–63. Tausend. Mit 59 Abbildungen, Leipzig: Hinrichs 1921 [80 S. (29 S. Anm.)] Die Grosse Täuschung. Zweiter (Schluss-) Teil. Fortgesetzte kritische Betrachtungen zum Alten Testament, vornehmlich den Prophetenschriften und Psalmen, nebst Schlußfolgerungen, Stuttgart: DVA 1921

A Centennial Review of Die Große Täuschung Friedrich Delitzsch’s Final Reflections on the Babel-Bibel Controversy* Bill T. Arnold In memoriam David B. Weisberg, ‫ז"ל‬ The marking of a full century after Friedrich Delitzsch’s initial “Babel und Bibel” lecture was a significant milestone and an opportune moment to reflect upon the significance of the three lectures for biblical studies and Assyriology.1 His final publication, Die große Täuschung, appeared in two volumes in 1920 and 1921 just a year before his death, and received less attention than the lectures.2 The tendentious tone of this work was apparent immediately, and much of what Delitzsch proposed regarding the field of Hebrew Bible research was almost immediately passé and unworthy of wider dissemination. Nevertheless, we have now arrived at another opportune moment, this time a century after Delitzsch’s final publication, providing once again an opportunity to reflect upon its significance for the wider discussion in the decades following the lectures and for its contribution to the final years of panbabylonianism generally. This investigation will take up the central themes of Die große Täuschung in order to consider its location in the early twentieth century, and to trace the suppositions and personal reflections of the author. The goal of the study is to gain insight, as far as possible, into the motives of one of the most influential scholars of the era and to explore the catalysts contributing to the panbabylonian movement. Introduction Over one hundred years ago, a conflict arose between two fields of research so intimately related to each other and yet so entirely different from each other that such conflict was almost unavoidable. Biblical Studies, of course, had gone through early stages of pre-critical and exclusively theological readings into the * I am grateful to Eva Cancik-Kirschbaum and Thomas L. Gertzen for the invitation to participate in the conference and to write on this topic again. I have learned much from them, and the participants of the conference. In particular, I am indebted to Reinhard G. Lehmann, Felix Wiedemann, and Christian W. Hess for their assistance on a number of technical questions. I also express here my gratitude to Brad Haggard for his assistance, and to Stephen B. Chapman for sharing his forthcoming piece on “Delitzsch’s Fourth Edition” (note 40 below). 1 Arnold/Weisberg 2002a and 2004. 2 Delitzsch, Friedrich 1920 (I) and 1921 (II). References to the work in this paper will note the volume number in Roman numerals, followed by page references.

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Enlightenment, giving birth to a long-standing tradition of critical investigation. The newly-birthed Assyriology, by contrast, had no such long history. Indeed, Delitzsch’s “Babel-Bibel” lectures may be said to mark a concerted attempt— unofficially since the process had begun decades earlier—to extract Assyriology from the shadows of the Bible and to establish it as a field of research in its own right.3 Properly speaking the lectures were not themselves to be identified simplistically with panbabylonianism, which was a more sustained agenda vigorously espoused by Hugo Winckler (1863–1913), Peter C.A. Jensen (1861–1936), Alfred Jeremias (1864–1943), and others.4 This effort was committed to the idea that the Assyro-Babylonian world view lay at the foundation of the entire ancient world, and that ancient myths originated with Babylonian astral religion. This approach was in some senses inspired by a more sophisticated version of hyperdiffusionism, which assumed in certain popular and non-scholarly speculations that civilization originated with a single originary culture (long since lost) and was spread to others.5 Thus at the end of the nineteenth and beginning of the twentieth century, a common view from a Europocentric perception was that the newly discovered Babylonian civilization was the cradle of Western culture, and that Mesopotamian culture generally was the universal stock from which all civilization emerged.6 But panbabylonianism was not singularly focused on the implications of its theory for the Hebrew Bible, which gives the Babel-Bibel lectures, therefore, a unique and distinct role within the movement. While it is possible to suggest that panbabylonianism officially ended with the death of Winckler in 1913,7 the struggle to find a balance between “parallelomania” and “parallelophobia” went on for years, with the famous essay by Benno Landsberger as the counter-point to Delitzsch, even if that brief article was far from programmatic.8 The impact of Delitzsch’s lectures was dramatic, but within a decade, he alone continued the struggle all the way through to the publication of Die große Täuschung the year before his death.9 3

Chavalas 2002, esp. 21–35. Shavit and Eran 2007, 214–215; Lehmann 1994, 39–49. 5 Lancaster Brown 1976, 265–267. 6 Shavit and Eran 2007, 214–217. 7 Lancaster Brown can aver that panbabylonism was dead by the outbreak of World War I, and was thereafter “banished for ever [sic] to the lunatic fringe of pseudo-scientific writings.” Lancaster Brown 1976, 267. 8 Landsberger 1926, 355–372; still so useful as to be translated years later into English: The Conceptual Autonomy of the Babylonian World, trans. T. Jacobsen, B.R. Foster and H. von Siebenthal, Sources and Monographs: Monographs on the Ancient Near East 1.4. Malibu, CA: Undena Publications, 1976. 9 It is hard for us today to imagine the international interest and heated debate of the BabelBibel controversy, played out publicly as it was among leading historians, biblical scholars, and theologians. One contemporary author noted after the second lecture in January of 1903, that the controversy had “absorbed almost the chief attention of Old Testament 4

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The central argument of Die große Täuschung is presented in the first volume in an assault on the historical reliability of the biblical account of the conquest of the promised land (I, 10–54),10 followed by an attempt to disavow Sinai’s claim to divine revelation owing to its reliance on fraud and deception (I, 54–82), the implication being that, because the Old Testament is unreliable in its historical presentation it therefore cannot be trusted in its theological claims. Cleverly, the title then presents the entire Hebrew Bible as a tricky delusion, a “grand deception” foisted upon humanity. Indeed, the whole enterprise that we now refer to as the “Old Testament” (a label we shall return to below) is “the crudest deception and most godless entanglement” ensnaring naïve and gullible readers of the Bible (I, 9). Essentially, however, this is the extent of what we may call an ‘argument’ since the remainder of the two volumes is far from anything like sustained, carefully reasoned argumentation. In the flow of Delitzsch’s work, he thought of this as leading naturally to the third portion of volume one, which is a similar invective against Israel’s prophets (I, 83–95). Here Delitzsch avers the otherwise noble work of the prophets was misguided and ill-informed by a wrong perception of deity and a reliance on the miraculous. The second volume has even less coherence, being held together essentially by the desire to represent the Hebrew Bible as suspect, owing to a number of problems presented in crescending effect. First, the Hebrew text is inadequately transmitted and full of errors (II, 5–7). Second, the name of God as YHWH has been corrupted by Jewish scribal practices, and misrepresented as ineffably holy (II, 8–12). Third and more serious is Delitzsch’s objection that the Israelite deity YHWH has been equated with the and Semitic scholars in Germany for the past eighteen months,” adding that “hundreds of thousands of copies of brochures, some of them running into several editions, from more than a score of writers” had fueled the ensuing debate. See Price 1904, here 144. One pastor, after praising Delitzsch as an Assyriologist, philologist, historian, etc., said nevertheless, that when it comes to the fields of religion and theology, Delitzsch proves himself to be “frankly an idiot” (geradezu als Idiot); Hübener 1903, 8. The venerated Julius Wellhausen, in a letter to the Assyriologist Carl Bezold dated 22 October 1903, praised Delitzsch as a gifted scholar, highlighting especially his contributions to ancient Near Eastern studies. But Wellhausen also averred that Delitzsch’s recent successes were owing to his “chattering away about the Old Testament out of school,” referred to the Babel-Bibel lectures as “Schützenreden” (impossible in translation, but something like “his lectures are cockalorum speeches,” having all the character of a stump speech at a county fair), and he called Delitzsch “a most insignificant sparrow” (ein höchst unbedeutender Spatz), which, Wellhausen continues, his adversaries shot down with cannons (something like English “cracked walnuts with a sledgehammer”), giving Delitzsch quite a boost; Smend 2013, 424–425, letter no. 645. 10 This portion of Delitzsch’s treatment was immediately made irrelevant by the more influential and compelling publication of Alt 1925; English Translation: Albrecht Alt, Essays on Old Testament History and Religion, trans. R.A. Wilson (Oxford: Blackwell, 1966), 172–221.

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living, universal, “world spirit” (Weltgeist) protecting all peoples and known as “God” (II, 12–22).11 This, claims Delitzsch, is the greatest deception of the world, which he believes he has exposed as a fraud in the first volume (II, 12). Here he reiterates that YHWH is not the God of Christendom, and that even the prophets and psalms no longer belong in a Christian book, except for certain passages that Delitzsch gathers into an appendix (II, 91–123; and cf. Anmerkung 5, II, 76–78 for explanation). Much of the rest of the second volume repetitiously explains how unfulfilled prophecies, and otherwise useful Psalms that are nonetheless based on a glorification of a Mosaic law, are no longer relevant for Christians, all of which belies the inspiration of the Hebrew Bible.12 Many of the details of Delitzsch’s presentation are, as I have said, passé in the field of biblical studies, and unworthy of further attention. However, the rather edgy style and defensive presentation in the work is interspersed with self-revealing protestations and self-aggrandizing pronouncements that reveal a great deal about Delitzsch himself, or his state-of-mind at the time of the writing. While Die große Täuschung came from his pen near the end of his life, it is instructive for our purposes to recount here an event that occurred at the beginning stages of his life’s work—an event that he himself has admitted served as a guiding principle, or simply “way of life” (Lebensführung) for his career. As a young student, probably sometime in the early 1870s, Delitzsch walked into a classroom where the topic was “Old Testament Introduction”.13 One day, he learned in the lectures that Deuteronomy was not entirely authored by Moses, but was rather composed centuries after Moses, perhaps six or seven centuries later, and that it therefore addressed circumstances well defined for a much later historical context. Having been raised in a strictly orthodox Lutheran family, as Delitzsch puts it, he was profoundly moved by what he heard, precisely because it was a persuasive argument. He therefore went to his professor later that same day during his office hours, and enquired whether Deuteronomy, in light of the lecture that day, might rather be called “a forgery” (eine Fälschung). The professor’s response: “Um Gottes willen! Das wird wohl wahr sein, aber so etwas darf man nicht sagen!” Delitzsch goes on to say those words—especially “For God’s sake!”—continue to ring in his ears even here at the conclusion of his career, and therefore serve as 11

Without saying as much, Delitzsch here alludes most likely to the Hegelian concept of Weltgeist, “world spirit/mind.” Here it must be admitted that he parted company with mainstream orthodox Christianity, and began to sound more and more like today’s new age religionists. 12 The second volume also turns to a rambling defense against Delitzsch’s critics of the first volume or quotations from his admirers, as a way of defending what he has written (II, 48–53). 13 This narrative follows closely his recounting of the event in I, 5–6. He fails to give the name of the renowned professor, but it seems likely to have been August Dillmann in Berlin in 1871 (based on private communication with Reinhard Lehmann).

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an epigraph for the work, although with a deeper meaning. As the guiding principle of his life’s work,14 Delitzsch implies that his professor’s words serve as a negative example for his own approach in Die große Täuschung, in which he, by contrast, will only be honest and forthright about the truth. For I have never understood why in such earnest matters the thing that is true is not to be expressed. I have spoken openly what I believe to have recognized as true in the most rigorous, ever renewed examination, and I can only ask forgiveness if I have made a wrong choice of this or that expression. (I, 6) Delitzsch goes on to say that the work has been written unemotionally, without anger or partiality,15 and only to serve a single purpose; that is, “the truth about God and his rule.” This claim to absolute objectivity and dispassionate honesty is, of course, naïve in our day. But this personal story from Delitzsch’s student days explains the origins of the work’s epigraph—Um Gottes Willen—and the account invites us to explore in more detail other similarly self-revealing statements sprinkled throughout the work as a means of analyzing afresh his motivations and personal subjective commitments, despite his claim to objectivity. The Suppositions When we read Die große Täuschung again after a full century in the light of this event as Delitzsch’s personal Lebensführung, at least four underlying principles emerge in certain unguarded moments in the flow of the work. The first surfaces in this personal account from his youth, just related, which provides the epigraph for the work and stands as a claim to be free of any equivocation or subterfuge. Delitzsch believes that he—unlike the intellectual duplicity of his professor—is simply being honest by exposing for the benefit of the world’s readership the grand deception imposed upon innocent readers by the Old Testament. Die große Täuschung is essentially, then, a claim to be genuinely objective, but not simply in a nineteenth-century form of scholarly positivism, which we might expect from any scholar writing during this period. Rather, we have here a claim to academic or scientific honesty, even moral integrity, that he implies is missing among those who disagree with him. He is simply a “scientific researcher” (wissenschaftlicher Forscher) presenting the results of his work, even though he knows he will have bitter opponents (I, 5). He is driven by means of this Lebensführung to speak against the fraud he believes is perpetrated by the Hebrew Scriptures, and only 14

The precise nuance of Delitzsch’s opening sentence to this narrative, “Jeder Mensch hat seine besondere Lebensführung” (I, 5), is somewhat obscure, but his use of “Lebensführung” seems to refer to one’s “life choices” as they determine an ethical mandate always to be honest about the results of one’s research. 15 A quote from Tacitus, sine ira et studio, “without rancor or favor.”

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Delitzsch himself seems honest enough and courageous enough to expose it while others are content to live in their compromised integrity. There is a certain absolutism in Delitzsch’s claims to objectivity that goes considerably beyond mere insistence on scholarly rigor. Flowing from this account of his own special Lebensführung, Delitzsch sees himself as driven by rigid honesty—an almost prophetic-like forthtelling of authoritative truth, because he believes he is rooted in unyielding scientific investigation. Delitzsch is convinced he is only placing before the reader the assured results of his rigorous investigations, whereas others are guilty of ambiguousness, evasion, or worse, deliberate prevarication. He returns to this theme in the Foreword to the second volume, in which he defends himself against the charge of both anti-Semitism and philo-Semitism, arguing instead that his investigations into the history of religion since 1902 have moved in a singularly consistent manner and that he is guided exclusively by “unbridled love of truth” (ausschließlich unbestechliche Wahrheitsliebe mich leitet, II, 4).16 Second, Delitzsch is here committed to the superiority of Christianity as a legitimate expression of religion over and against the primitive, even infantile religion of ancient Israel, and its continuation in early Judaism. At times, this comes to the surface in casual ways as he considers the various topics chosen for treatment in the work. To illustrate the point, consider Delitzsch’s dismissive comments about Israelite religion as part of his treatment of the conquest narratives. In one particularly value-laden passage, he avers that Joshua’s narrative of the capture of Jericho is extreme but nevertheless illustrates Israel’s simplistic fideism, its “miracle-religion” (Wunderglaube), implying that this is natural to the blindly-devout mind of the readers of the Old Testament (I, 24). Indeed, the use of “blindly-devout mind” (blindgläubigen Verstande) has overtones of condescending notions about the Israelite intellect. At other times, however, he makes baseless claims about Christianity in programmatic conclusions, whether citing Goethe to claim that Judaism is a pagan religion, or Schleiermacher to argue that Judaism and Christianity are separated by a high dividing wall (I, 96). As part of his “Final Reflection” in the first volume, Delitzsch refers to the “delusional idea” (Wahnidee) that God has given to ancient Israel a universal mission, and then proceeds to dismiss the threefold mission “which Judaism prides itself in having brought to humanity” (I, 99). The three are monotheism, the law of neighborly love, and Sabbath rest, all of which Delitzsch refutes in the strongest possible terms as inauthentic or inferior to similar conceptions in Babylonian literature (I, 99–102).17 16 For further critique of this historical positivism as an example of the classic error often known as the “Baconian fallacy,” see Arnold/Weisberg 2002a, 450. 17 The methods he uses in this passage are all dubious, but especially objectionable is the outrageous claim that the feminine divine was impossible in ancient Israel, and therefore also the belief in goddesses, only because the Hebrew tribalists, like Arab desert dwellers, held so low and despised a view of women. By contrast, says Delitzsch, the more egalitar-

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In a protracted, and by any account bizarre passage in the second volume, Delitzsch asserted that “Christianity is a completely independent, new religion” rather than a higher more evolved form of Judaism, nor had it evolved “from the soil of Judaism,” which is Delitzsch’s effort to disassociate Christianity (should we read Lutheranism?) from Jewish roots (II, 69–70). He states that he considered it something like a “betrayal of Jesus and Christianity” to claim, as one of his contemporaries had done, that the value of the Old Testament is evident as the book from which Jesus learned religion (II, 70). Instead, he surprisingly claimed that any Christian, including trained Christian theologians, can gain sufficient knowledge of Israelite and Jewish history and religion by reading textbooks about the Old Testament and using translations, without the need of learning Hebrew. Delitzsch’s vilification of Israelite religion takes a bizarre turn at the conclusion of the section on the Old Testament prophets (I, 83–95, and here esp. 92–95). This portion of the work critiques the morality and ethics of the ancient prophets generally, but especially in the way they propagated the prevarication that YHWH is God, when in fact, the portrait of God painted by the prophets, like the rest of the Old Testament, is really only an idol, “Israel’s fictitious national god” (Israels fingierter Nationalgott; I, 85), generated for political purposes out of national consciousness, which Delitzsch avers, is at home among other Semitic groups like the Arabs. Regrettably, unlike other fanciful delusions of ancient Semitic tribes, the Israelite conceptions of YHWH as God have been perpetuated and keep alive by a hypnotized Christendom. But Delitzsch saves his most severe opprobrium for the antiquated belief in miracles, propagated by the prophets, which he complains “has poisoned our religious thinking” more than anything else (I, 92). Then, in a truly dramatic twist, Delitzsch presumes that, if the many miracle stories of the Old Testament are true, one must wonder why God has discontinued similar miracles today, on either a small or grand scale (I, 94). At the conclusion of this portion on the Old Testament prophets, in perhaps the most outrageous contention of the work, Delitzsch compares the account of Jehoshaphat’s actions in the face of invasion from the Moabites, Ammonites, and Edomites to current events in his own day (2 Chron 20:1–30). Jehoshaphat and the Judahite army prayed and sang psalms of praise, while their three enemies destroyed each other. As a result, when the Judahites observed the outcome of the fighting from a watchtower, they saw the enemy nations as corpses lying in the field—no one having escaped—and they carried away tremendous amounts of plunder to Jerusalem amidst great rejoicing with harps, lyres, and trumpets (2 Chron 20:24–28). In a twist that defies logic, Delitzsch proceeds to complain that once again in his day, a people motivated by green envy races forth in a cowardly and diabolical fashion, suppressing the independence and freedom of all other peoples of the world, in order “to erect on a ian views of such an advanced human culture as the Sumerians happily left an influence on the ancient Babylonians, where male and female deities could both arise as honored equals (I, 99–100).

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world of corpses the tower of English world domination.”18 Then he concludes the unit on the prophets by extending this comparison with Jehoshaphat’s triumph over the enemy nations in this unexpected bit of German nationalism, blended with a spirit of religious hubris. [W]hy does no god descend from heaven to restore the inventory of individual nations ordained by God? We would certainly be justified in asking that question, given the hundreds of miracle tales in the Old Testament. We do not do it, because we live in the belief, that is, the confidence, set in stone, that the German genius is indestructible, and that God almighty over the life and death of every single man and each and every people will help the German people out of its present disgrace and slavery without a sudden “miracle,” and will bring us from darkest night to a bright new morning.19 (I, 94–95) Closely related to the concept of Christianity’s superiority is a third presupposition undergirding the presentation in the blatant racism, expressed in implicit and occasionally explicit pronouncements. In the Foreword to the first volume, Delitzsch again reveals that the majority of that work was written and ready for press in 1914 when war broke out, but that he hesitated because he was not quite freed from the prejudices and errors of nearly all the rest of Christendom— namely, that the Hebrew Bible is anything but a fraud—and that he would be able to free himself of such constraints only gradually and with the passing of time (I, 6–7). The Epilogue returns to this point, adding that even after the war, he hesitated to publish because he was aware his book would “incite the Jewish question anew,” at a time when, as he says it, “my poor homeland seemed sufficiently ransacked by ‘questions’ of all kinds” (I, 107). In an extended section of the “Final Reflection,” Delitzsch details in scathing tones, as we have seen above, the “supposed world mission” of ancient Israel (I, 103). He further alleges that the mission is propagated in Judaism, which he avers continued to exist only because the Jews refused to return from the exile, having renounced YHWH, and they preferred to stay in Babylon in order to take advantage of “unlimited possibilities of quick and easy acquisition of money in an immeasurably rich Babylonian land” (I, 103). This historical fact, according to Delitzsch, is Judaism’s utter dishonor, and constitutes “an indelible stain” (einen nicht abzu-

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“Über einer Welt von Leichen den Turmbau englischer Weltherrschaft aufzuführen.” It is not clear to me whether Delitzsch is complaining about the English alone in this peculiar passage, or the Jews and English together, in what is certainly a reference to the outcome of the Great War, since he is writing so soon after Armistice Day (November 11, 1918) and the Treaty of Versailles (June 28, 1919). I am grateful to Reinhard Lehmann and Felix Wiedemann for their help with this complicated passage. 19 On the nationalism prevalent in the lectures, see Arnold/Weisberg 2002a, 443–446.

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waschenden Schandfleck) on the history of the Jewish people,20 exposing undeniably for the whole world “their original character” (I, 103–104). Essentially, Delitzsch in the rest of this passage accuses Jews of abusing religion in the name of YHWH to preserve their race and in order to snatch up “all the riches of the peoples.” In this historical reconstruction, the Jews chose to remain isolated from other nations, using religion as a guise and pretense, in order to accrue the wealth of nations. And so, Delitzsch avers, it has remained to this day, making the Jews as dangerous to Germany as their predecessors, the Semitic Akkadians were to the highly advanced Sumerian civilization. In this conclusion to the first volume, Delitzsch draws a direct comparison between the Jews of his day and the invading hordes of Semites into southern Babylonia in the fourth millennium BCE. Predictably, then, the German people find a parallel in the advanced, peaceful, and “highly gifted” (hochbegabte) Sumerians (I, 105–106). The Jews are said to be just as dangerous to Germany as their predecessors were to the Sumerians, who were “comparable in their senses to the German people with respect to culture, appreciation of work, legal protection of property, sense of duty, equality of men and women, sacredness of the family, and depth of religious feeling, and the cultivation of art and science,” all of which was “drained and absorbed by the immigrant Semites” (I, 105–106).21 The implication is clear; German culture was comparable to Sumerian culture, and was in danger of being drained dry by the Jews of Delitzsch’s day just as Sumer was “drained and absorbed” by the Semites of their day. It is obvious that such a people—such an intentionally landless and international people—presents a great, a dreadful danger for all other peoples of the earth. (I, 105) In a rather twisted reading of the Book of Esther, Delitzsch turns Haman into a character simply warning the Persian king of these very dangers presented by the Jews living on Persian soil. When the plan to exterminate the Jews was thwarted by Mordecai and Esther, revenge was inflicted upon the Persians in the form of the “murder” of 75,800 throughout the Persian empire, an event commemorated still today in the Jewish observance of Purim, which Delitzsch calls a commemoration of “this great murder” (dieses große Morden; I, 106). Tracing this great threat through history, which is presumably propagated by the great deception of the Hebrew Bible itself, through Greek and Roman times to the present, Delitzsch concludes this portion of the work: “The German people will also, in time, need to rub the sleep out of their eyes, in order to realize that the Jewish question is 20

Perhaps better translated as “a permanent disgrace.” This graphic use of aussaugen and aufsaugen, “suck out” and “soak up” to describe the way the “immigrant Semites” threatened the high culture of the Sumerians is not only historically inaccurate, but reflects, of course, an appalling understanding of ethnic identity and politics. 21

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perhaps the one of all questions requiring the most serious treatment” (I, 107). We come now to one of the most extreme views expressed in Delitzsch’s final publication: that of the ethnic heritage of Jesus of Nazareth as stemming from a “stock of mixed race.” Some, even in more recent decades, have attempted to explain Delitzsch’s views on this matter in a less condemnatory tone, if not completely defending him from charges of extreme racism and bigotry.22 One might conceivably be able to make such a case, although not without stretching credulity, if one bases one’s investigation solely on the three Babel-Bibel lectures. Perhaps especially this could be done by limiting oneself to the first lecture, because clearly Delitzsch’s tone shifts in the second and third lectures. So, we could leave the matter open, in a sense, were we limited to the three lectures. But when one takes into account the fulsome expression of Delitzsch’s views in Die große Täuschung, we get an altogether different picture, and one that cannot deny the reality of his positions.23 In the Babel-Bibel lectures, Delitzsch had made rather outlandish claims about non-Semitic features of important Mesopotamian personages, such as a note on the blond hair of the Aryan princess of Assyria—the wife of Ashurbanipal, and the way Semitic prejudice has intentionally misrepresented the important role of non-Semitic peoples, such as the Indo-European Medes (Indogermanischen Meder).24 In particular, the non-Semitic Sumerians are credited with establishing the cultural and religious conceptions for their “immigrant Semitic” successors, resulting in a cultural heritage superior to the ethics and morality of the ancient Israelites. In the third lecture, Delitzsch argued that post-722 BCE Samaria and Galilee were essentially Babylonian, which were partly of Aryan ethnicity—two claims that are both wholly untenable today.25 In the third lecture, he first hints that Jesus was Aryan, claiming that the parable of the Good Samaritan reflects Babylonian ideals, averring that the Samaritan himself was Babylonian, and that the three wise men of the East were, in fact, Babylonian, who were the first to present their homage at the cradle of Christianity.26 It is here in Die große Täuschung that such outrageous views come to fullthroated articulation. In his “Final Reflection” (I, 95–107), Delitzsch claims that 22 Parpola 2004, esp. 242–244. One encounters from time to time similar attempts to soften the racism of Julius Wellhausen as simple animosity directed at religious institutions that “stifle the free and spontaneous expressions of the human spirit”; Blenkinsopp 1992, 12. 23 Lehmann includes a nuanced discussion of this topic, concluding that Delitzsch was likely not an extremist of the type of simple Gobinism, and that the clearest expressions of anti-Semitism are found in the “Final Reflections” of volume 1 suggesting these views may have been a concession of the time in which Delitzsch lived; Lehmann 1994, 35–37. 24 For discussion of some of these points, and references to the lectures themselves, see Arnold/Weisberg 2002a, 447–448. 25 For example, on the exaggerated claims that much changed in and around Samaria after 722 BCE, and that, in fact, the material culture remained essentially the same, cf. Knoppers 2013, 28–44. 26 Delitzsch, Friedrich 1905, 23 and 48 respectively, and see 56–57, n. 22.

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“everyone knows” that the historical value of Jesus’s genealogy in Matt 1:1–16 is exactly nil, and that Jesus’s parents were certainly not “of Jewish blood” but rather Galileans who converted to Judaism (I, 96).27 In an extended portion of the second volume (II, 58–68), Delitzsch explores Jesus’s heritage without equivocation. He begins by asserting that Jesus was “a Jewish proselyte” and therefore not necessarily of Jewish ethnicity, citing first historical evidence, and second, what he calls “even more objective reasons” (II, 59). For his historical evidence, Delitzsch emphasizes the Assyrian deportation policy of moving inhabitants from elsewhere in Assyria into the newly conquered Levantine regions, leaving Galileans and Samaritans in the eighth and seventh centuries BCE as a “mixed race,” which, avers Delitzsch, was to a certain degree Babylonian (II, 60).28 The fact that Jesus and Peter used a distinctive Galilean dialect (Matt 26:69,73; Mark 1:16; 14:70), in Delitzsch’s argumentation makes it impossible that he was a member of a Jewish diaspora living in Galilee, leaving only the possibility that Jesus was from the Iturean population who had been forcibly made Jewish proselytes, and thus Jesus’s community was the violently Judaized Galileans.29 These individuals, says Delitzsch, were not pure Semites but descendants of the Babylonians (fused with Sumerians and Akkadians). But then Delitzsch speculates that the Galileans may have even been descendants of “one of the Aryan peoples” incorporated into the Assyrian empire, although he admits this will likely never be proven (II, 61). For his “even more objective” evidence, Delitzsch turns to Jesus’s “state of mind” (Geistesverfassung) compared to that of the Jews, which of course, is in reality, an argument that is subjective in the extreme. Here Delitzsch states categorically that the “mind” of Jesus was diametrically opposed to the Jewish state-of-mind, and here quoting Adolf von Harnack, that “the religion of Jesus could not have taken root on Jewish soil (as little as on Semitic soil generally)” (II, 62).30 It is, in Delitzsch’s reconstruction, “this non-Jewish mental disposition” (dieser nichtjüdischen Geistesveranlagung) behind Jesus’s teachings about the Sidonian widow at Zarephath and the Syrian leper Naaman, which was met with indignation by the Jews of Nazareth, who tried to hurl Jesus off a cliff (Luke 4:25–29). It is this largess in Jesus’s teaching, says Delitzsch, which reflects his “non-Jewish, 27

The references to jüdischen Geblütes occur at II, 62–63. Not only was the material culture in and around Samaria essentially unchanged, as we have seen (note 25 above), but it also seems likely that so-called “Israelian Hebrew” survived in the north as a distinct dialect and is found in certain passages of the Hebrew Bible; Rendsburg, 1991, esp. 87–92; cf. also Rollston 2010, 109. 29 Appealing to the evidence of Josephus; Ant., 13.9.1. 30 Harnack 1902, 45. Delitzsch has the quotation slightly wrong, although the main idea is the same: “Kaum gibt es eine Tatsache, die das Nachdenkens so würdig ist, wie die, daß die Religion Jesu auf jüdischem Boden und – worauf man mit Recht hingewiesen hat – auf semitischem Boden überhaupt keine Wurzeln hat fassen können.” Von Harnack concludes, cited approvingly in Delitzsch’s footnote: “Es muß doch etwas in dieser Religion gelegen haben und liegen, was dem freieren griechischen Geiste verwandt ist.” 28

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even anti-Jewish mindset” (II, 63), and which reflects in countless ways that Jesus’s conception of God “towered over that of Judaism” (himmelhoch erhaben über jenen des Judentums; II, 63). Near the end of this passage, Delitzsch even avers that Jesus would not likely have been crucified if he had been Jewish, since he would not have been the object of “such limitless and inextinguishable hatred” (II, 67). On these two points—the supposed historical and “more objective” evidence for Jesus’s non-Jewish heritage—it hardly needs to be stated that the whole presentation is conjecture heaped upon baseless and questionable theories, which are uncoupled from anything we might take as evidence, and fused with amateurish pseudo-scholarship that is considerably beneath Delitzsch’s training and the other scholarly contributions he made, especially to Assyriology.31 The move to identify Jesus as an Aryan at the end of this passage is little more than a desperate attempt to make Jesus appear Teutonic. A fourth supposition emerging in the work is the superfluous nature of the Old Testament as Scripture for German Christians; it is wholly unnecessary for German flourishing in the academy, home, and Church. Delitzsch prepares for controversial statements later in the work in a one-page introduction (I, 9), in which he opines that the original (and thus presumably superior) sources of the Hebrew Bible have not survived, and what remnants have survived are “quite defectively transmitted,” and that furthermore the later redactors and tradents augmented the works without indicating they were doing so while later Hebrew texts, such as the Psalms, were often credited wrongly to authors who lived hundreds of years earlier.32 Such “misconduct” (Unfug, “nonsense”) done in the name of Moses is even more reprehensible, in Delitzsch’s view.33 Therefore, the purpose of Die große Täuschung is to enlighten educated lay readers about the degree to which they 31 By contrast, among Delitzsch’s contemporaries, one could look to Albrecht Alt who assiduously argued against “the darling thesis of the pro-Nazi ‘German Christian’ theologians that Jesus was not a Jew,” which Alt rejected by showing “the largely Jewish character of the Galilean population.” For references and discussion, see Smend 2007, 134. 32 He returns to the question of textual transmission in the opening portion of volume two, in which he misrepresents the text of the Hebrew Bible as “teeming with errors” and filled with glosses inserted because of the “idiotic piety” of later scribes and copyists. This discussion degenerated into complaints about the “hopeless confusion” caused by Jewish scribal practices, even complaining about the use of matres lectionis, and what Delitzsch considered to be less than scientific precision related to the spelling of Hebrew personal names, all as a justification for rejecting the Hebrew Bible as Christian scripture (II, 5–7). He concludes the passage with a play on the work’s title: “Täuschung über Täuschung schon in solchen Äußerlichkeiten.” 33 He credits Wellhausen, who had died only recently, in January 1918, with disentangling the knot of untruthful and unscrupulous traditions of the Old Testament (I, 9). For the gradual way in which Delitzsch eventually came to accept the Wellhausian theory of Pentateuchal composition, see Lehmann 1994, 257–259.

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need to discard “religious notions” in order to form entirely new ones. Because the labels “Holy Scriptures of the Old Testament” and “Word of God” are entirely misleading, laity are unable to discern the truth about the ancient Israelites. Delitzsch identifies his goal, then, as one of saving the naïve and gullible readers of the Old Testament from their “religious notions” (Glaubensanschauungen) by exposing the Old Testament itself as a fraud. We shall see below that he has already identified his own journey as one of overturning the “religious notions” (religiösen Anschauungen) of his youth, so that now he hopes to do the same for others. In order to overturn the religious notions of the reader, Delitzsch asserted in the first main portion of the work, “Israel’s Entry into Canaan” (I, 10–54), that the details of Israel’s conquest of the land are relevant to the theme of the Zionism of his day concerning a return of the “chosen” people to the “promised” land (his evocative quotation marks). He then presents the Hexateuchal account as full of “literary defects” and “deficiencies” and claims that recent archaeological discoveries (the Amarna letters and Hugo Winckler’s recovery of Ḫattuša) make it possible to reconstruct the historical reality, which was contrary to the “free invention” (freie Erfindung) contained in the Hebrew sources (I, 11). In this way, Delitzsch believes he has undercut modern claims for establishing a Jewish state in Palestine. Apparently, for Delitzsch, the Old Testament is unnecessary for German Christians, while its countless flaws were sufficient to discount the aspirations of Zionism. Delitzsch had already taken a step in this direction as early as January 1903, when he delivered the second Babel-Bibel lecture.34 In the revised edition of the lecture published in March of that year, he included a preface in which he asserted that German Christians should immerse themselves in God’s revelation among Germany’s own people instead of elevating the “old Israelite oracles” to revelatory status, suggesting further that the failure to do so stems from “ignorance, apathy, or blindness” (Unkenntnis, Gleichgültigkeit oder Verblendung).35 He expresses this idea even more forcefully in the “Final Reflection” in the first volume (I, 95–107). Here he grants that the ancient Hebrew literature, which we customarily designate the ‘Old Testament,’ contains secular, cultural, literary, and even religious-historical value, much like all traditional writings, whether Babylonian, Arab, Persian, Indian, etc. He then states flatly, however, that “all these Old Testament books, from Genesis to Daniel, have absolutely no significance with regard to religion for us present-day moderns, especially for us Christians” (I, 95). Possibly, certain isolated psalms or portions of the prophets may serve as an exception, although Delitzsch says one must extract the Israelite Yahwism from even those passages so that they may breathe “true religious spirit” (wahrhaft religiösen Geist), and therefore be used for expressions of Christian perceptions 34 35

Arnold/Weisberg 2002a, 445–446. Lehmann 1994, 243–244.

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(I, 95–96). Delitzsch returns to this theme in the Foreword to volume two, when he acknowledges that most of the Christian theologians of his day simply cannot surrender their views of the Old Testament. But his hope is that Die große Täuschung will serve a younger generation in German schools and universities, so that students and scholars alike will read it free of prejudice, and will thereby aid both academy and Church “to say goodbye to the ‘Old Testament,’ and to convey only the form and teaching of Jesus, pure and unadulterated, to Christendom” (II, 4). Near the beginning of an untitled section in volume two (II, 58–73), Delitzsch returns to this topic in a contorted argument about Jesus’s understanding of, dependence upon, and dismissal of the Old Testament (II, 59). He avers that, by telling the parable of new wine in old wineskins (Luke 5:36–39), Jesus demonstrated irrefutably (unwidersprechbar) that his teaching is something completely new and that the Law and the Prophets are no longer useful. Delitzsch argues that Jesus used the Old Testament as an accommodation to the first-century context of his Jewish contemporaries, although Jesus himself was a Gentile proselyte (see above). Otherwise, Jesus took only a sharply opposing or antithetical position to the Old Testament, not simply modifying it but dismissing it altogether as unsuitable for issues of religion and ethics. Thus, Delitzsch declares, “as Christians following Jesus’s teaching, we are actually released from the Old Testament by Jesus himself” (II, 59).36 Returning to this topic toward the end of this portion (II, 58– 73), Delitzsch argues that Jesus was not only non-Jewish but actually anti-Jewish and that Christianity is a new and superior religion (see above for both), and for these reasons and others, the New Testament itself must be torn away from its artificial, tendentious embrace of the Old Testament, as Delitzsch says, for the good of the Church and all Christian leaders of the future (II, 71). In one chilling passage, these last suppositions—superiority of Christianity, racism, and the unnecessary role of the Old Testament—converge in a torrent of unsubstantiated conjectures stated as facts (I, 97). Delitzsch begins by complaining that Israelite literature expresses inferior conceptions of deity, and that the study of the Old Testament itself should therefore be separated and cease to serve as a branch of Christian theology, and should instead be placed in Semitic philology and the history of religion. Moreover, in Delitzsch’s mind, the elevation of the Hebrew Bible to a status of “revelation” or “Holy Scripture” is hurtful, even dangerous, because the acceptance of it as such only feeds “the boundless conceit of Judaism” with regard to its “universal mission.” Thoughtful Christian lay readers are threatened by the numerous questionable narratives, so that they at times transfer their aversion for the old Hebrew accounts onto the New Testament, and eventually to religion itself. (Is Delitzsch speaking autobiographically here?) 36

Most Christian readers would wonder at this passage whether Delitzsch had ever read the Sermon on the Mount (Matthew 5–7), which is conspicuous by its absence in his discussion (except, see II, 65).

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Then, Delitzsch turns to one of his most striking summary statements: “The socalled ‘Old Testament’ is altogether unnecessary for the Christian church and therefore also for the Christian family” (I, 97).37 It is perhaps striking, first, that he would use “sogenannte” almost ironically as though the Hebrew Scriptures were unjustifiably venerated as “Old Testament” in the Christian setting, and second, that he here makes reference to “the Christian family.” I cannot help but wonder if this important sentence reflects in some way upon his revealing comments about his father and his traditional Lutheran background, and does so somehow bitterly against that background, which brings us in the final portion of this paper to Delitzsch’s own personal reflections in Die große Täuschung. The Personal Reflections The suppositions discussed so far are woven together in an ideological tapestry as backdrop for the work—a work ostensibly presenting the author’s unprejudiced and dispassionate “Critical Reflections” upon the Old Testament (kritische Betrachtungen, as in the subtitle to both volumes). In addition, Die große Täuschung contains occasional self-reflections, which throw into relief against this tapestry Delitzsch’s inner world. The first and most obvious point to be observed here is Delitzsch’s insistence that he has not changed his mind since the Babel-Bibel lectures. In fact, he is at pains to explain at the outset of Die große Täuschung that the controversy created by the lectures has had no effect upon his views (I, 5). Stated thus frankly in the opening sentences, his determination to maintain his various ideas first expressed in the lectures arises elsewhere in the work in the number of times he simply quotes a line or an otherwise unsubstantiated point from one of the lectures in order to reassert the same point, only with more vigor and bluster than before. So, for example, in his insistence that Christianity remains “a truly new religion,” he simply quotes the third lecture to say that Christianity “if freed from various foreign features, which have wrongly been imposed upon the person and life of Jesus, is forever called to win the world” (II, 69–70).38 As we have seen, he presupposes that Christianity is not a higher developmental stage of Judaism, nor did it evolve “from the soil of Judaism,” which is part of a larger agenda to disassociate Chris37

“Das sogenannte ‘Alte Testament’ ist für die christliche Kirche und damit auch für die christliche Familie vollkommen entbehrlich.” Delitzsch further suggested here that German Christians should replace the Old Testament with Schwaner’s Germanen-Bibel, which collects the thoughts of Germany’s heroes of the past concerning God, eternity, and immortality, and which had just appeared in 1918 in a fourth edition; Schwaner 1918. He states further that only the creation account and the Joseph Story are worthy of German youth, so that German virtues should instead be impressed on German youth. In a note, Delitzsch pontificates further that “the German legends stand far higher than the legends of the Old Testament” (I, 121, n. 43). 38 Delitzsch, Friedrich 1905b, 48.

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tianity from Judaism altogether. In this and numerous instances, Delitzsch showed that he had not, in fact, changed his mind but only driven his arguments—really only baseless assertions—to ever more extreme claims. A second personal reflection has to do with his family background and education in home and academy, and especially his relationship with his father, the famous Lutheran conservative theologian, Franz Julius Delitzsch (1813–1890).39 At times in the discourse, Delitzsch makes mention of his early childhood education about the Bible, which he appears to resent considerably. These are often only passing glances, but they likely expose a deeper inner struggle. For example, in reference to what he learned in his youth about the Israelites as a festive procession of priests, traveling peacefully with a magnificent sanctuary of YHWH accompanied with golden altars and candlesticks, he has now learned from the ancient Near Eastern materials that, in reality, the “ancient Hebrews invading Canaan were not a holy people at all, but quite the opposite, robbing and murdering nomads” (I, 52–53). In the Foreword to the first volume, he had already observed how many years it took him to throw off the biases of the religious notions engrained in him by “home and school”—views which Delitzsch said continue to plague nearly all of Christendom (I, 7). It is revealing that he admits he was able to free himself of such notions “only quite gradually and with grave inner struggles.” In this way, Delitzsch claims to have overcome an inner psychological turmoil, which he clearly attributes to a devout training in home and academy. But finally, Delitzsch claims to have overturned traditional understandings of the ‘Old Testament,’ which now makes it possible for him to enrich the world and to advance Christianity by exposing the Hebrew Bible as the great fraud that it is. The third and final reflection to note here flows from this, although here we enter even further into speculation and innuendo because of a lack of information. The resentment that Delitzsch manifested toward his Lutheran upbringing, just noted, may reflect his reaction to gossip and public controversy regarding his father. The elder Delitzsch appears to have been named in honor of Franz Julius Hirsch, a Jewish friend of the family who lived in his parents’ home for a period of time, and eventually became Franz Delitzsch’s benefactor.40 During the elder Delitzsch’s lifetime, rumors persisted that Hirsch was, in fact, his biological father, and speculation about the matter continued well into the 1930s.41 Assuming such rumors swirled around Friedrich Delitzsch during his professional career, as I think it is safe to assume, the speculation about his father’s Jewish ancestry must have been an especially troubling source of irritation for him. Indeed, as Stephen Chapman has suggested recently, “It is difficult to imagine that this gossip did not play a role in the tragic anti-Semitism of Friedrich Delitzsch.”42 If so, the sugges39

Wagner 1978; Smend 2009, 347–365; Hayes 1999. Chapman forthcoming, manuscript pages 2–3. 41 Smend, 2009, 348. 42 Chapman forthcoming, manuscript page 3, n. 6. 40

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tion of Rudolf Smend in 2004 is certainly correct that the Babel-Bibel controversy may have been more of a father-son problem than any epoch-making debate in the field of biblical scholarship.43 Conclusion It goes without saying, perhaps, that much of Delitzsch’s argumentation is aprioristic throughout. Nevertheless, his work continues to raise at least the following three questions.44 (a) Is historical priority relevant to one’s assessment of the value of religious ideas contained in ancient cultures and literature? (b) Moreover, is it legitimate to compare and contrast the quality and importance of ancient religions? (c) Is it the proper role of contemporary scholarship to make such valuebased judgements? A full century after Delitzsch’s final publication, we can see clearly how he used his position as a respected scholar in the relatively new field of Assyriology to make value-laden and baseless claims in the fields of theology and the history of religion. He spoke from an assumed position of cultural and ethnic elitism, in order simply to defend and reinforce that elitist platform by wrapping biased and unsubstantiated claims in the garb of scientific factuality. He expected his claims to go unquestioned, because he had merely spoken scientific facts, in his opinion, in honesty and with high integrity. It is safe to say the platforms from which the scholars attending this conference speak, teach, and write will seldom reach the heights of Friedrich Delitzsch’s sphere of influence (we are rarely invited to presidential palaces or royal halls to deliver lectures that draw international press). And yet we too bear responsibility for the humility with which we speak, and the willingness to stand corrected by those with whom we disagree.

43

In a parenthetical statement, “dies wohl weniger ein Epochen- als ein Vater-Sohn-Problem!”; Smend 2004, 43. 44 For these questions, see Hays 2014, 28.

Die Berliner Keilschriftforschung im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik Hans Neumann

Im Rahmen eines redaktionellen Artikels hielt es der Königsberger Assyriologe Felix Peiser (1862–1921)1 im Dezember 1909 in der von ihm herausgegebenen Orientalistischen Literaturzeitung (OLZ) für angebracht, folgendes festzustellen: Als der Babel-Bibelstreit die Köpfe erhitzte, haben wir es nicht für nötig gehalten, vom Standpunkte fachmännischer Diskussion aus davon Notiz zu nehmen. Wie so manche Debatte im weiteren Kreise trug auch diese zu deutlich den Charakter des Dreschen leeren Strohes. Soweit Tatsächliches in Betracht kam, war es seit einem Menschenalter erledigt, soweit Parteipolitik – oder religiöses Empfinden – mitsprach, handelte es sich um einen Widerspruch, welcher das Tatsächliche nicht kannte oder die falschen Folgerungen nicht von den Tatsachen unterscheiden konnte. In der Hauptsache jedenfalls war der überzeugungsvollste Widerspruch niemals durch Kenntnis derjenigen Tatsachen getragen, welche uns hier angehen.2 Ohne diese harsche Einschätzung zum Babel-Bibel-Streit hier weiter kommentieren zu wollen, soll doch auf einen wesentlichen Punkt hingewiesen werden, der für den Assyriologen Peiser wichtig und damit auch Motivation für seine deutlichen Worte in der OLZ war: die Rolle der (noch jungen) Assyriologie als ernstzunehmende und erkenntnisorientierte Wissenschaftsdisziplin, gleichermaßen emanzipiert von der Theologie3 und der Arabistik wie auch von der klassischen

1

Zu Felix Peiser vgl. Borger 2003–2005; Tilitzki 2012, 597. Peiser 1909, 521. 3 Von Wiedemann 2020, 437 wird die gemeinhin postulierte Emanzipation der Orientwissenschaften von der Theologie ausdrücklich verneint, da „solche Aussagen […] von der Wirkmächtigkeit eines traditionellen Fortschritts- und Säkularisierungsnarrativs (zeugen), das in der allgemeinen Religions-, Ideen- und Wissenschaftsgeschichte aus guten Gründen längst hinterfragt worden und im Grunde obsolet geworden ist.“ Diese pauschale Entgegnung überzeugt in ihrem Absolutheitsanspruch im vorliegenden Zusammenhang allerdings nicht recht, da es in Bezug auf die „Assyriologie“ (bzw. „Altorientalistik“) im ausgehenden 19. Jahrhundert um den Prozess der Herausbildung einer neuen, eigenständigen Wissenschaftsdisziplin ging, die ein eigenes (philologisch-kulturhistorisches) Methodenund Erkenntnisinstrumentarium zu entwickeln begann. Die Ergebnisse werden dann vor allem in der sog. „Leipziger Schule“ der Assyriologie bzw. der Altorientalistik zunächst unter Heinrich Zimmern (1862–1931), später unter Benno Landsberger (1890–1968) deutlich sichtbar; vgl. dazu ausführlich (mit Literatur) Oelsner im Druck. 2

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Altertumswissenschaft.4 So wie er für den Assyriologen das Recht einforderte, „die Angriffe zurückzuweisen, welche übereifrige Alttestamentler auf die Ergebnisse seiner Wissenschaft richteten, weil diese nicht mit den Dogmen der ‚Schulen‘ übereinstimmen“,5 wusste er gleichsam zu vermelden, dass, „heutzutage wohl kein Verständiger leugnen (wird), dass der Assyriologe dem Arabisten mindestens gleichwertig dasteht“ und „dass bei der Besetzung von Professuren [...] das alleinseligmachende ‚Arabisch‘ nicht mehr das geduldete ‚Assyrisch‘ (wird) erdrücken können, wie es lange genug geschah“. Waren zudem die früheren „schüchterne(n) Versuche, den Inhalt des Begriffs [Altertum – H.N.] zu erweitern, [...] mit überlegenem Lächeln [seitens der Vertreter des klassischen Altertums – H.N.] abgetan (worden)“, so zeigen die assyriologischen Forschungen, „dass Beschäftigung mit griechischen und lateinischen Schriftstellern allein nicht mehr zum Vertreter der ‚Alten Geschichte‘ prädestiniert“.6 Ausgehend von diesen selbstbewussten Äußerungen eines zeitgenössischen Vertreters der Assyriologie scheint es im vorliegenden Zusammenhang vielleicht nicht verkehrt zu sein, sich noch einmal die konkreten wissenschaftlichen Leistungen der damaligen Altorientalistik bzw. Assyriologie oder Keilschriftforschung – zumindest ausschnittsweise – zu vergegenwärtigen, nicht zuletzt in ihrer nachhaltigen Bedeutung und Wirkung im Rahmen der Wissenschaftsgeschichte, für die der Babel-Bibel-Streit zwar eine im öffentlichen Bewusstsein zeitweise sehr präsente, aber eben doch nur eine befristete Episode war, in der Assyriologie zudem nur auf einen kleinen Personenkreis begrenzt.7 Mit Blick auf den entscheidenden Protagonisten dieses Streits, Friedrich Delitzsch, konzentrieren sich die folgenden Bemerkungen auf die Berliner Wissenschaftstradition (mit ihren Fachvertretern)8 und die entsprechend relevanten realpolitischen Rahmenbedingungen im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert. In Preußen erfuhren orientalistische Studien bereits in den 1840er und 1850er Jahren eine gewisse Förderung seitens des Königs Friedrich Wilhelm IV. (1795/ 1840–1861), was gewiss mit der diesem preußischen Herrscher eigenen romantischen Begeisterung für den Orient zusammenhing.9 In zunehmendem Maße gelangten Orientalia, wie insbesondere Siegel und vereinzelt Keilschriftdokumente, entweder zufällig oder gezielt durch Reisende bzw. durch Ankauf in das 4

Vgl. zu diesem Prozess den Überblick bei Renger 1999, 103–106 und Renger 2019, 54– 64; zum Aufschwung der orientalischen Studien insgesamt zu Beginn des 19. Jahrhunderts und zu der sich damit verbindenden Philologisierung der entsprechenden Wissenschaften vgl. Mangold 2004, 31–42 und 78–91. 5 Peiser 1904, 81. 6 Peiser 1906. 7 Zum Babel-Bibel-Streit vgl. Johanning 1988; Lehmann 1994; Lehmann 1999; zuletzt Hiepel 2018; Wiedemann 2020, 440–443. 8 Vgl. im vorliegenden Zusammenhang auch Renger 1979. 9 Vgl. in diesem Sinne Mangold 2004, 134–135; vgl. im vorliegenden Zusammenhang auch Polaschegg 2005, insbesondere 450–530.

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Berliner Antiquarium. Derartiges wurde vom preußischen König unterstützt, was sich auch in der Erwerbung assyrischer Monumente, wie der Sargon-Stele aus Kition auf Zypern10 und assyrischer Palastreliefs, niederschlug.11 Zu eigenen Aktivitäten vor Ort im Bereich des osmanisch beherrschten Mesopotamien kam es – im Unterschied zu den archäologischen Unternehmungen Frankreichs und Großbritanniens – jedoch nicht. Auch eine finanzielle Beteiligung Preußens an den Ausgrabungen in Mesopotamien im Rahmen des privaten „Assyrian Excavation Fund“ scheiterte, was wohl nicht zuletzt mit der die Franzosen und Engländer verärgernden strikten Neutralitätspolitik des preußischen Königs zusammenhing.12 Obgleich dieser Politik seines Bruders sehr skeptisch gegenüberstehend, hat Wilhelm I. (1797–1888), seit 1858 Prinzregent und seit 1861 König von Preußen, ab 1871 dann Deutscher Kaiser, während seiner Regentschaft gleichfalls keine nennenswerten eigenen Ambitionen in Bezug auf die sog. Orientalische Frage13 erkennen lassen. Dies hing wesentlich damit zusammen, dass mit der Berufung Otto von Bismarcks (1815–1898) 1862 zum preußischen Ministerpräsidenten, von 1871–1890 Kanzler des Deutschen Reiches, ein Mann an die Spitze des Staates geholt wurde, der zum einen mit den grundlegenden politischen Zielen des Königs zwar übereinstimmte, zum anderen aber auch in der Lage war, diese mit entsprechenden staatsmännischen und außenpolitischen Fähigkeiten sowie mit einem ausgeprägten Willen zur Sicherung und zum Ausbau preußisch-deutscher Machtinteressen – zum Teil auch im Widerstreit mit dem König – durchzusetzen.14 Bismarck war aus politischen Erwägungen heraus – bei aller Vorsicht und erklärter Indifferenz gegenüber dem Osmanischen Reich – als Ministerpräsident und Reichskanzler an orientalischen Fragen stets interessiert. Denn obgleich es zwischen 1862 und 1875 keine große Orientkrise mehr gab, so war Bismarck doch klar, dass das Osmanische Reich über die in der Diplomatensprache der europäischen Hauptstädte im 19. Jahrhundert allseits präsente Orientalische Frage für die Ordnung Europas und die Sicherung aktueller und zukünftiger preußisch-deutscher Interessen eine nicht geringe Bedeutung hatte.15 Es war diese politische Gemengelage mit ihren personellen Implikationen in Deutschland, die das Interesse an orientalischen Fragen insbesondere nach der 10

Zur Stele und zu ihrer Inschrift vgl. zuletzt Frame 2021, 402–409, Nr. 103 (mit Literatur). 11 Dazu ausführlich Crüsemann 2000, 18–32. 12 Vgl. Crüsemann 2000, 26–27; zu den innen- und außenpolitischen Gegebenheiten aus der Sicht Preußens in jener Zeit vgl. auch Barcley 1995, 373–383. 13 Zu Begriff und Inhalt der „Orientalischen Frage“ vgl. den Abriss bei Baumgart 2009 (mit weiterer Literatur); mit Blick auf die politische Rolle der Orientwissenschaften vgl. im vorliegenden Zusammenhang auch Neumann 2014. 14 Vgl. Börner 1984, 161–168; Crüsemann 2000, 41. 15 Vgl. dazu ausführlich Scherer 2001.

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Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 nunmehr auch in Berlin verstärken ließ. Hinzu kamen Entwicklungen in den orientbezogenen Wissenschaften selbst – und hier gerade auch bahnbrechend in den Keilschriftwissenschaften – wie auch die Popularisierung der von Franzosen und Engländern getätigten Funde im osmanisch beherrschten Mesopotamien, die dazu führten, dass man die 1874 an der Berliner Universität neu beantragte selbständige Professur für semitische Sprachen 1875 mit dem seinerzeit wichtigsten Protagonisten der frühen Keilschriftkunde besetzte, mit dem in Jena auf einem alttestamentlichen Lehrstuhl lehrenden16 Eberhard Schrader (1836–1908).17

Abb. 1: Eberhard Schrader (1836–1908). Dieser gilt zu Recht als Begründer der Assyriologie bzw. Altorientalistik in Deutschland, insbesondere durch seinen 1869 in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG) publizierten Beitrag „Die Basis der Entzifferung der assyrisch-babylonischen Keilinschriften“.18 Diesem „epochemachende(n) Artikel“ – so Carl Bezold später in einem Nachruf19 – folgte 1872 die 16

Vgl. Oelsner 2007, 71–74 mit Anm. 5; Iff 2011, 63–64. Vgl. Renger 1979, 153–154; zu Eberhard Schrader vgl. Cancik-Kirschbaum 2012 (mit Literatur); darüber hinaus auch Iff 2011, 282–300. 18 Schrader 1869. 19 Bezold 1909, 358. 17

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umfangreiche Studie „Die assyrisch-babylonischen Keilinschriften. Kritische Untersuchung der Grundlagen ihrer Entzifferung“, gleichfalls in der ZDMG publiziert20 und wegen ihrer Bedeutung nach Auskunft des Sekretärs der Generalversammlung der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (DMG) „durch eine auf Antrag des K. Preuss. Cultus-Ministeriums Allerhöchst erfolgte besondere Geldunterstützung gefördert“.21 Darüber hinaus festigte er – neben seinen alttestamentlich-semitistischen Studien – durch weitere spezifische Arbeiten zur keilschriftlichen Textüberlieferung, u.a. zur Dichtung Ištars Höllenfahrt (1874)22 und zu neuassyrischen Inschriften, ferner zum altorientalischen Kontext alttestamentlicher Tradition, z.B. in dem mehrfach aufgelegten Werk Die Keilinschriften und das Alte Testament von 1872, seinen Ruf als einen der wichtigsten Vertreter der jungen Keilschriftkunde jener Zeit.23 Schrader wurde am 14. Juni 1875 zum Ordinarius an der Berliner Universität und zugleich zum Ordentlichen Mitglied der Kgl. Preußischen Akademie der Wissenschaften ernannt.24 „Erst die[se] Doppelstellung als Professor und Akademiker in Berlin“ – so später 1909 Carl Bezold in der Rückschau – „brachte Schrader’s assyriologische Tätigkeit zur vollen Entfaltung.“25 Schraders Berliner Zeit erbrachte eine Vielzahl an mehr oder weniger umfangreichen Schriften zur keilschriftlichen Textüberlieferung sowie zu spezifischen grammatikalisch-lexikalischen, aber auch historisch-chronologischen Fragestellungen im Rahmen der zeitgenössischen assyriologischen Forschungen. Aus seiner Feder stammen auch die ersten Bearbeitungen der Sargon-Stele aus Kition (1881) und der AsarhaddonStele aus Sendschirli (1893)26 im Berliner Museum.27 Zudem war er u.a. auch Mitherausgeber der Zeitschrift für Assyriologie, „an deren Gründung er in erster Linie beteiligt war“28 und die bis heute eines der wichtigsten Fachorgane der in20 Schrader 1872a; vgl. im vorliegenden Zusammenhang auch Renger 1979, 151–152; Renger 2006, 49–52; Renger 2019, 51–52. 21 Zitiert nach Bezold 1909, 358–259; zu der sich mit diesen Arbeiten verbindenden Kontroverse mit Hermann Alfred von Gutschmid (1831–1887) vgl. zuletzt ausführlich Wiesehöfer 2014. 22 Zu diesem Mythos vgl. jetzt Lapinkivi 2010. 23 Vgl. im einzelnen Bezold 1909, 371–372; zur Bedeutung dieser Publikationen vgl. etwa Krebernik 2007, 507; Cancik-Kirschbaum 2012, 1147. 24 Vgl. Biermann/Dunken 1960, 105; Renger 1979, 153. Interessant ist im vorliegenden Zusammenhang die Bemerkung von Oelsner 2010, 21 Anm. 73, dass es „in der Forschung als wahrscheinlich (gilt), daß die Angriffe [von Gutschmid auf Schrader, s. oben Anm. 21 – H.N.] auch deshalb mit solcher Schärfe geführt wurden, weil auch von Gutschmid an der Berliner Akademie-Stelle, die Schrader erhalten hatte, interessiert gewesen war“; vgl. auch Oelsner 2007, 74–75; Wiesehöfer 2014, 733 (mit Anm. 22). 25 Bezold 1909, 361. 26 Zum Text der Stele vgl. zuletzt Leichty 2011, 181–186. 27 Vgl. im einzelnen Bezold 1909, 362–363 und 372–379. 28 Bezold 1909, 364.

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ternationalen Altorientalistik ist und seit vielen Jahren in München herausgegeben wird.29 1889 begründete er die Keilinschriftliche Bibliothek. Sammlung von assyrischen und babylonischen Texten in Umschrift und Übersetzung, die bis 1915 Bestand haben sollte.30 Schrader, der auf Grund gesundheitlicher Probleme seine Lehrtätigkeit an der Berliner Universität 1899 beenden musste, wurde seitens der preußischen Staatsregierung hoch geehrt: Er trug den Titel eines Geheimen Regierungsrats und wurde mit dem Königlichen Kronenorden II. Klasse ausgezeichnet.31 Als ordentliches Mitglied der Kgl. Preußischen Akademie genoss er eine hohe Wertschätzung. Mit seinem dortigen freiverhandelten Jahresgehalt von 4.000 Mark lag er, wie der Etat von 1900–1902 ausweist, in der Spitzengruppe der geisteswissenschaftlichen Professorenschaft.32 Es ist bis heute umstritten, inwieweit Schrader eine spezifische „Berliner Schule“ der Assyriologie begründet hat.33 Tatsache bleibt aber, dass eine ganze Reihe von jungen Semitisten und späteren Altorientalisten bei Schrader (und wenn auch nur für eine bestimmte Zeit) studierte und/oder von diesem promoviert wurde. Davon seien genannt: Ludwig Abel, Peter Jensen, Carl Lehmann, Bruno Meissner, Leopold Messerschmidt, Felix Peiser, Knut Tallquist und Hugo Winckler.34 Jedenfalls würdigte im Rückblick kurz nach dem Tod von Eberhard Schrader am 3. Juli 1908 der bereits erwähnte Felix Peiser den Verstorbenen mit den Worten: „Dass er [= Schrader – H.N.], der zuerst den Riesenkampf der sich durchsetzenden Assyriologie allein führen musste, noch die siegreiche Beendigung dieses Kampfes durch seine Schüler erleben konnte, war ein Glück, dass ihm wohl zu gönnen war.“35 Die politischen wie auch die wissenschaftsorganisatorischen Rahmenbedingungen hatten sich seit dem Amtsantritt von Eberhard Schrader 1875 in Berlin bis zur Jahrhundertwende abermals erheblich verändert und neue hochschul- sowie forschungspolitische Entwicklungen ausgelöst bzw. beeinflusst, nicht zuletzt auch und gerade in der Hauptstadt Berlin.36 War die Politik Bismarcks in Bezug auf die orientalischen Angelegenheiten bis in die 1870er Jahre hinein im Wesentlichen durch wohlkalkulierte politische Zurückhaltung gekennzeichnet, so änderte sich dies ab 1875 mit der großen Ori29

Vgl. Lundström 2013, 47–49. Vgl. Renger 1979, 157; Marzahn 1991, 34–35; zu den Bänden s. Borger 1967, 472. 31 Vgl. Renger 1979, 156. 32 Vgl. Hohlfeld/Kocka/Walther 1999, 422–423. 33 Nach Oelsner 2010, 21 wurde mit der Berufung Schraders nach Berlin „die Grundlage zu einer ,Berliner Schule‘ der […] ,Assyriologie‘ gelegt“. Vgl. andererseits aber auch Zimmern 1908, 203, wonach „sich eigentlich keine engere Schule um Schrader gebildet“ hatte. 34 Vgl. Renger 1979, 156–157. 35 Peiser 1908. 36 Vgl. Neumann 2009, 209–210. 30

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ent- bzw. Balkankrise und ihren Folgen. In Bismarcks Außenpolitik begann die Türkeipolitik zu einem wesentlichen Faktor zu werden.37 Im Rahmen dieser sich entwickelnden außenpolitischen Gemengelage sowie im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen und den in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts einsetzenden kolonialen Interessen Deutschlands in Asien und Afrika38 wurde am 27. Oktober 1887 in Berlin das Seminar für Orientalische Sprachen gegründet.39 Offensichtlich auf eine Anregung Bismarcks zurückgehend, war es vor allem der Referent im Preußischen Kultusministerium Friedrich Althoff (1839–1908),40 der die Seminargründung mit Erfolg betrieb. An der feierlichen Eröffnung des Seminars nahm als einer der Ehrengäste auch der Berliner Ordinarius für semitische Sprachen Eberhard Schrader teil.41 Direktor des Seminars wurde Eduard Sachau (1845–1930), der bereits 1875 an die Berliner Universität zum Professor für orientalische Sprachen berufen worden war42 – ein äußerst kenntnisreicher, sprachgewandter und vielseitiger Orientalist,43 in dem sich nach Peter Heine „das Philologische der Orientalistik mit dem Element der Politikberatung im weitesten Sinne (vereinigte)“.44 Unter der Leitung von Sachau45 – dem „Orientalisten des Kaisers“46 –, zunächst als kommissarischer, ab 1898 ordentlicher Direktor, kam dem Berliner Seminar für Orientalische Sprachen zunächst die Aufgabe zu, Orientalisten wie auch Juristen auf eine Laufbahn im Auswärtigen Dienst entweder als Diplomat oder als Dolmetscher vorzubereiten. Schon bald wurde das Seminar, das seinen Sitz ab 1904 in der Dorothenstraße 7 hatte,47 auch allen anderen am Erwerb orientalischer Sprachen interessierten Kreisen geöffnet. Auch Orientalisten ergänzten – trotz bestehender Ausschlussregelungen – ihre eigenen akademischen Studien durch entsprechende

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Vgl. dazu im einzelnen Scherer 2002, 14–65. Vgl. dazu Mommsen 1993, 56–77. 39 Zum Seminar vgl. ausführlich Mangold 2004, 226–250 (mit Literatur); Hanisch 2003, 40–45; Heine 2010, 527–529; zu den politischen Rahmenbedingungen vgl. auch Marchand 2009, 348–356. 40 Zu Friedrich Althoff vgl. Brocke 1987; vgl. auch die bei Tenorth 2010, 30 Anm. 13 zitierte Literatur (auch zum „System Althoff“). 41 Vgl. Hanisch 2003, 41. 42 Vgl. Mangold 2004, 228 Anm. 1195. 43 Dies kommt nicht zuletzt auch deutlich im Wahlvorschlag vom 29. Oktober 1886 für Eduard Sachau zum Ordentlichen Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften (Ordentliches Mitglied seit 24. Januar 1887; vgl. Biermann/Dunken 1960, 100) zum Ausdruck; vgl. Kirsten 1985, 101–102 (Dokument Nr. 25, unterzeichnet u.a. auch von [Eberhard] Schrader); vgl. im vorliegenden Zusammenhang auch Grau 1993, 189. 44 Heine 2010, 527. 45 Vgl. im vorliegenden Zusammenhang vor allem Mangold 2004, 238–242. 46 Heine 2010, 527. 47 Vgl. Sachau 1912, 23. 38

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Sprachkurse, nicht selten auch in Hinblick auf zukünftige Auslandsaufenthalte.48 In den 1890er Jahren entwickelte sich das Sprachenseminar seinem Wesen nach zu einer Einrichtung, die nach Sachau auch „Seminar für orientalische und koloniale Studien“ oder „Orientalische und Kolonial-Akademie“ hätte heißen können, gemäß den sich entwickelnden wirtschaftlichen und politischen Interessen des Reiches in der Welt. Im Lehrangebot waren zu den Sprachen nunmehr u.a. auch Geographie, jüngere Geschichte, Religion, Sitten und Gebräuche sowie Politik und Wirtschaft hinzugekommen.49 An dem Seminar war von 1901–1902 auch der in Halle an der Saale mit einer Arbeit zu „Alexander und Gilgamos“ habilitierte Schrader-Promovend (und spätere Nachfolger von Delitzsch an der Berliner Universität) Bruno Meissner (1868–1947)50 als Arabisch-Lektor tätig, dem hier 1902 zudem der Professorentitel zuerkannt wurde.51

Abb. 2: Bruno Meissner (1868–1947). Mit Wilhelm II. (1859–1941), seit 1888 Deutscher Kaiser, begann eine neue Ära preußisch-deutscher Orientpolitik, die ab den 1890er Jahren wesentlich durch das Streben nach direkter politischer Einflussnahme im Orient, verbunden mit einer Verstärkung des wirtschaftlichen Engagements, gekennzeichnet war.52 Vo48

Vgl. Hanisch 2003, 44. Vgl. Sachau 1912, 18–20. 50 Zu Bruno Meissner vgl. Weidner 1945–1951 sowie Kühne 1990 (mit Literatur). 51 Vgl. Renger 1979, 172. 52 Vgl. den Überblick bei Crüsemann 2000, 61–62. 49

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raus gingen dem die Entlassung Bismarcks im Jahre 1890 und die Ernennung von Leo Graf von Caprivi (1831–1899) zum Reichskanzler.53 Der Kaiser griff nun auch immer mehr selbst in die Politik ein, was nicht zuletzt auch in dem Begriff von der „Ära des ‚ungebremsten persönlichen Regiments‘ Wilhelms II.“ in der Außenpolitik des Deutschen Reiches nach dem Rücktritt des Reichskanzlers von Caprivi im Jahre 1894 seinen Niederschlag fand.54 Groß- und Weltmachtambitionen, das Streben nach Aufbau eines überseeischen Kolonialreiches sowie eine zunehmende Militarisierung, insbesondere im Bereich des Flottenbaus, waren Teil einer imperialistischen Idee, die in verstärktem Maße gerade auch bei dem akademisch gebildeten Bürgertum in Deutschland Zustimmung fand, ja sogar Begeisterung hervorrief.55 Zu erwähnen sind im vorliegenden Zusammenhang auch der zunehmende Einfluss des späteren Reichskanzlers Bernhard von Bülow (1849–1929)56 sowie die einmonatige Orientreise des Kaisers von 1898, die gewissermaßen für alle sichtbar eine neue Phase deutscher Orient-Politik markierte, mit der gerade in Bezug auf das Osmanische Reich die auf Distanz bedachte Außenpolitik Bismarcks – nicht zuletzt auch mit Blick auf die anderen europäischen Mächte – endgültig ausgedient hatte.57 Diese hier nur ganz kurz angerissenen politischen Rahmenbedingungen, das sich damit verbindende geistige Klima in Deutschland, ferner ein fast naiv zu nennendes persönliches Interesse des Kaisers an der Erforschung des Alten Orients sowie die zunehmende Bereitschaft eines gebildeten und in der Regel national gesinnten Bürgertums, mäzenatische Verantwortung zu übernehmen, kamen in ganz erheblichem Maße dem weiteren institutionellen Ausbau der Wissenschaften vom Alten Orient in Deutschland zugute und führten gerade auch in der Reichshauptstadt entsprechende wissenschafts- und forschungspolitische Aktivitäten insbesondere im letzten Jahrfünft des 19. Jahrhunderts – nach Johannes Renger die entscheidenden „Gründerjahre“ der Assyriologie in Berlin – zum Erfolg.58 So wurde 1896 unter maßgeblicher Beteiligung des Schrader-Schülers und Assyriologen Hugo Winckler (1863–1913)59 die Vorderasiatische Gesellschaft ge53 Zu den sich damit verbindenden außenpolitischen Intentionen preußisch-deutscher Außenpolitik vgl. Mommsen 1993, 107–123; Röhl 2001, 365–369; unter dem Gesichtspunkt der Diskussion und Verbreitung der sog. Weltreichslehre im Deutschen Reich seit 1876 mit ihrer Etablierung im öffentlichen Diskurs insbesondere in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts und weitergeführt bis 1914 vgl. Neitzel 2000, 81–210. 54 Vgl. Mommsen 1993, 123–139. 55 Vgl. Mommsen 1993, 139–161; vgl. im vorliegenden Zusammenhang auch Matthes 2000, 209–210. 56 Vgl. Fesser 2003, mit Blick auf die macht- und expansionspolitische Programmatik von Bülows und ihre Folgen insbesondere 52–81. 57 Dazu zuletzt Vieweger/Serr/Serr 2017 und Mangold-Will 2017a (mit Literatur, unter dem hier angesprochenen Gesichtspunkt vor allem 53 Anm. 2). 58 Vgl. Renger 1979, 157–162; Matthes 2000, 225–229. 59 Zu Hugo Winckler vgl. Renger 1979, 162–166; Streck 2016–2018b.

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gründet, die vor allem in Berlin aktiv war. Während in ihren „Mitteilungen“ in lockerer Folge wissenschaftliche Arbeiten auf altorientalistischem Gebiet veröffentlicht wurden, machte man mit der Reihe „Der alte Orient“ das breitere Publikum mit den Ergebnissen der entsprechenden Forschungen bekannt.60 Im Jahre 1898 gründete zudem der bereits mehrfach erwähnte Orientalist Felix Peiser die OLZ als ein orientalistisch übergreifendes Publikations- und Referateorgan,61 das „als zusammenhängendes Gebiet [...] die Geschichte, Kulturgeschichte, Sprachwissenschaft etc. Vorderasiens, nebst Einschluß der sachlich in enger Verbindung damit stehenden Länder wie Ägypten etc.“ im Blickfeld hat und womit in der Kommunikation die Nachteile einer ansonsten notwendigen Spezialisierung ausgeglichen werden sollten.62

Abb. 3: Felix Peiser, in der Mitte mit Stab (1862–1921). Zwar lehrte Peiser zu dieser Zeit bereits in Königsberg,63 jedoch erschien die Zeitschrift zunächst im Wolf-Peiser-Verlag in Berlin.64 Zudem verband Peiser eine enge Freundschaft mit Hugo Winckler, und aus den Meldungen und Mitteilungen in der Zeitschrift wird die nach wie vor bestehende enge Verbindung von 60

Vgl. Renger 1979, 162–163; Mangold 2004, 280–281. Vgl. Renger 1979, 166–167; Mangold 2004, 282–283. 62 Peiser 1898, 2–3. 63 Vgl. Tilitzki 2012, 131–132; zur Altertümersammlung von Peiser in Königsberg, darunter eine große Zahl an Tontafeln, die später in die Niederlande verkauft wurden, vgl. zuletzt Faensen 2011, 186–190. 64 Vgl. dazu Renger 1979, 166 mit Anm. 76. Ab Heft 12 (1909) erschien die OLZ dann in der J.C. Hinrichs’schen Buchhandlung; zur Geschichte der OLZ bis 1989 vgl. den personellen und institutionellen Abriss bei Geist 1991, 36–40. 61

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Peiser zu Berlin und sein Interesse an den dortigen Vorgängen immer wieder deutlich. Die heute in Münster herausgegebene OLZ befindet sich mittlerweile im 116. Jahrgang ihres Erscheinens und weiß sich im Kern den auf interdisziplinäre Kommunikation ausgerichteten Gründungsintentionen von Felix Peiser immer noch verpflichtet.65 Von größter Bedeutung sowohl für die archäologischen und die sich mit den Keilschriftquellen befassenden philologischen Wissenschaften im Bereich des Vorderen Orients als auch für die Belange der 1899 gegründeten Vorderasiatischen Abteilung der Königlichen Museen in Berlin66 waren die Planungen und Aktivitäten zur Förderung von eigenen deutschen Grabungen in Mesopotamien. Nach den nicht besonders zufriedenstellenden Ergebnissen der diesbezüglichen Aktivitäten des 1887 gegründeten Orient-Comités67 gelang es dem Berliner Textilgroßhändler, Kunstsammler und Mäzen James Simon (1851–1932),68 mit Gleichgesinnten 1898 die Gründung einer neuen Grabungsgesellschaft, der Deutschen Orient-Gesellschaft (DOG), erfolgreich auf den Weg zu bringen.69 Die Ziele der DOG, durch deutsche Grabungen archäologische Denkmäler und Keilschrifttexte nach Berlin zu holen und sie wie in London und Paris präsentieren zu können, hatten – neben einem persönlichen Interesse Wilhelms II. – zumindest für Teile auch der deutschen Reichsregierung durchaus einen wichtigen kulturund außenpolitischen Stellenwert.70 Bereits 1898 begannen die von der DOG initiierten und finanzierten Grabungen in Babylon,71 die unter Leitung von Robert Koldewey (1855–1925)72 bis 1917 dauern und die für unsere Kenntnis der Ge65

Vgl. Neumann 2010; Hiepel/Neumann/Rehm 2016, 29. Ausführlich dazu Crüsemann 2000, 109–142; vgl. auch Crüsemann 2001. 67 Vgl. Renger 1979, 158–160; Crüsemann 2000, 87–97. 68 Zu James Simon vgl. vor allem Matthes 2000 (mit Literatur); Schuster 2001; Schultz 2006; Matthes 2020. 69 Zur Vorgeschichte und Gründung der DOG vgl. Renger 1979, 158–162; Wilhelm 1998b, 5–7; Matthes 2000, 199–229. 70 Vgl. im vorliegenden Zusammenhang auch die Rolle der „Königlichen Kommission für die wissenschaftliche Erforschung der Euphrat- und Tigrisländer“; dazu Matthes/Althoff 1998; zu der hier zweifellos deutlich werdenden „enge(n) Verschränkung von Archäologie, Wirtschaft und Politik um 1900“ vgl. auch Wiedemann 2020, 52, wobei mir die Charakterisierung der DOG als „eine der wichtigsten kultur- und kolonialpolitischen Organisationen des Wilhelminischen Kaiserreichs“ den Sachverhalt begrifflich und sachlich allerdings nicht adäquat widerzuspiegeln scheint. Einen „kolonialpolitischen“ Hintergrund der DOG vermag ich nicht zu erkennen. Hier muss man sehr genau zwischen Kultur- und Wissenschaftspolitik, Außen- und Kolonialpolitik – auch unter Berücksichtigung des natürlich existierenden Beziehungsgeflechts zwischen diesen Politikfeldern – differenzieren; zur Komplexität der kultur- und außenpolitischen Rahmenbedingungen altorientalistischer Wissenschaftsentwicklung im 19. und frühen 20. Jahrhundert in Deutschland vgl. bereits Neumann 2009. 71 Zur Vorgeschichte der Grabungen vgl. Matthes 1999b. 72 Zu Robert Koldewey vgl. Wartke 2008; Matthes 2012. 66

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schichte und Kultur Babyloniens außerordentlich bedeutsame Funde und Befunde erbringen sollten.73 Im Kontext der hier nur kurz beschriebenen Entwicklungen, Ereignisse und Vorgänge in Politik und Wissenschaft wurde der seit 1893 als ordentlicher Professor an der Universität Breslau lehrende Friedrich Delitzsch (1850–1922)74 im Jahre 1899 als Professor für Orientalische Philologie in der Nachfolge von Eberhard Schrader an die Berliner Universität berufen und zugleich im Nebenamt zum Gründungsdirektor der Vorderasiatischen Abteilung der Königlichen Museen in Berlin ernannt.75

Abb. 4: Friedrich Delitzsch (1850–1922). Delitzsch hatte 1874 mit einer Habilitationsschrift zu Assyrischen Thiernamen in Leipzig die venia legendi für „Semitische Sprachen, insbesondere Assyriologie“ erworben. Wie er in seinem Lebenslauf, den er mit dem Antrag auf Zulassung zur Habilitation der Philosophischen Fakultät eingereicht hatte, schrieb, begründete er seine Habilitationsbemühungen mit „der Erwägung, daß das Fach der Assyriologie in Paris schon seit Jahren durch Julius Oppert, Lenormant und Ménant, in Oxford durch Sayce, in Zürich früher durch Schrader vertreten, auch auf einer deutschen Universität vertreten zu werden verdiene“.76 Mit seiner Habilitation sowie darüber hinaus auch aufgrund seiner folgenden 73

Vgl. Koldewey 1990; Wilhelm 1998c; Matthes 2000, 229–235; Klengel-Brandt 2001; Marzahn 2008. 74 Zu Friedrich Delitzsch vgl. Lehmann 2012 (mit Literatur). 75 Vgl. Mangold 2004, 165–166; Crüsemann 2000, 137–142. 76 Vgl. (mit Zitat) Müller 1979, 68–69; Oelsner im Druck.

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Arbeiten gilt Delitzsch zu Recht als Begründer der Assyriologie als eigenständige Wissenschaftsdisziplin, und zwar mit internationaler Ausstrahlung und Wirkung,77 wie z.B. die damals beginnende Rezeption in den USA zeigt.78 Sehr früh, d.h. vornehmlich in seiner Leipziger Zeit bis 1893, trat Delitzsch vor allem mit assyriologischen Arbeiten lexikalischer und grammatikalischer Natur hervor, womit er ein wesentliches philologisches Fundament für die weitere altorientalistische Forschung schuf. Bereits 1876 erschien die 1. Auflage seiner Assyrischen Lesestücke, die bis 1912 insgesamt fünf Auflagen erleben und bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein im akademischen Unterricht Verwendung finden sollten.79 1889 erschien eine Assyrische Grammatik aus der Feder von Friedrich Delitzsch,80 und es folgten erste Lieferungen eines (allerdings nie beendeten) Assyrischen Wörterbuches (1887–1890). Während seiner Zeit in Breslau veröffentlichte Delitzsch dann sein als Standardwerk zu bezeichnendes Assyrisches Handwörterbuch (1894–1896).81 Diese wie auch andere Arbeiten zur keilschriftlichen Textüberlieferungen und zu spezifischen grammatikalischen, lexikalischen und sachlichen Problemen altorientalischer Kulturgeschichte82 verdeutlichen, dass der sprachwissenschaftlich und philologisch hervorragend (aus-)gebildete Delitzsch vor allem auch methodisch Maßstäbe für die nachfolgenden Generationen von Assyriologen setzte83 und damit – wie sein Schüler und Nachfolger in Leipzig Heinrich Zimmern schrieb – „der bisher bedeutendste Assyriologe nicht nur Deutschlands, sondern der ganzen wissenschaftlichen Welt“ war.84 Man hatte sich also – wissenschaftlich gesehen – ganz offensichtlich ein Schwergewicht auf den frei gewordenen Lehrstuhl Schraders nach Berlin geholt. Die folgende Berliner Zeit von Delitzsch ist dann aber nicht so sehr durch entsprechende weitere wissenschaftliche Leistungen, als vielmehr vor allem durch dessen öffentlichkeitswirksame und mit Reisen verbundene Aktivitäten „vor allem im Interesse der Deutschen Orient-Gesellschaft“,85 durch seine „popularisierenden Babel-Bibel-Vorträge“86 sowie durch seine „Berufsstellung als Direktor der Vorderasiatischen Abteilung des Berliner Museums und … als Professor an

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Vgl. dazu Zimmern 1923, 123; Müller 1979, 70. Vgl. Foster 2006, 56–58 („German-Style Professionalism in American Assyriology to 1918“). 79 Vgl. Müller 1979, 70; Oelsner im Druck. 80 1906 erschien eine zweite Auflage. 81 Vgl. Müller 1979, 69–70; zu den lexikographischen Arbeiten von Delitzsch vgl. vor allem auch Borger 1984, 80‒84. 82 Vgl. im einzelnen Borger 1967, 77–78; Müller 1979, 69–71; Oelsner 2010, 37. 83 In diesem Sinne Müller 1979, 69; Renger 2019, 55–56. 84 Zimmern 1923, 121–122. 85 Zimmern 1923, 126. 86 Meissner 1922, 33. 78

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der Berliner Universität“87 geprägt.88 Als Museumsdirektor ging es Delitzsch dabei allerdings „vornehmlich“ – wie Nicola Crüsemann einschätzt – „um die wissenschaftliche, philologische Nutzung der Sammlung“, während er „für konkrete Museumsarbeit nicht allzu viel übrig (hatte).“89 Ganz sicher ist es als richtig einzuschätzen, „dass die Leipziger Zeit die fruchtbarste Phase im Schaffen von Friedrich Delitzsch war und seine bedeutendsten wissenschaftlichen Leistungen hier entstanden sind“.90 Anderseits darf man nicht verkennen, dass unter seiner Museumsleitung es zwischen 1907 und 1916 zur Herausgabe von 16 Bänden der keilschriftlichen Editionsreihe Vorderasiatische Schriftdenkmäler der Königlichen Museen zu Berlin (VS) gekommen ist,91 woran mehrere Gelehrte beteiligt waren,92 darunter sein Mitarbeiter Leopold Messerschmidt (1870–1911, der noch von Schrader promoviert worden war)93 und seine Schüler Arthur Ungnad (1879–1945)94 und Otto Schroeder (1887–1928).95 Letzteres weist auf seine erfolgreiche Lehrtätigkeit an der Berliner Universität hin,96 wobei es zur Gründung eines Assyriologischen Seminars als Institution erst 1918 kam.97 1911 erschien mit den Keilschrifttexten aus Assur historischen Inhalts (KAH) (1. Heft)98 aus der Feder von Leopold Messerschmidt der erste Kopienband mit den in Assur gefundenen Keilschrifttexten.99 87

Zimmern 1923, 126. Vgl. auch Renger 1979, 167–169. 89 Crüsemann 2000, 163; zu Friedrich Delitzsch als Museumsdirektor vgl. ausführlich ebd. 152–164. 90 Oelsner im Druck. 91 Zur Publikation von keilschriftlichem Textmaterial der Berliner Museen vor dem Amtsantritt von Friedrich Delitzsch vgl. den Überblick bei Marzahn 1991, 32–35. 92 Vgl. dazu im einzelnen Marzahn 1991, 38 mit Anm. 65; vgl. auch Borger 1967, 671. Mit VS XVII (= Neue Folge 1) wurde die Serie „nach einer Unterbrechung von 53 Jahren“ (Meyer 1971) ab 1971 weitergeführt; der (vorläufig) letzte Band erschien 2002 (VS XXIX = Neue Folge XIII). 93 Zu Leopold Messerschmidt, seit 1903 Direktorial-Assistent und seit 1909 Kustos der Sammlung, vgl. ausführlich Crüsemann 2000, 164–169. 94 Zu Arthur Ungnad vgl. Oelsner 2014–2016; vgl. auch Renger 2008, 487–488; zur Tätigkeit von Ungnad als Hilfsarbeiter im Museum vgl. Crüsemann 2000, 178. 95 Zu Otto Schroeder vgl. Borger 2009–2011; zu den an den Tontafeln der Vorderasiatischen Abteilung unter Leitung von Delitzsch arbeitenden Assyriologen vgl. Marzahn 1991, 36–37; Crüsemann 2000, 178–179. 96 Vgl. Renger 1979, 170–171; Lehmann 1994, 75; Renger 2019, 57; Oelsner im Druck. 97 Vgl. dazu Crüsemann 2000, 162–163; Hanisch 2003, 55–56. 98 Vgl. Borger 1967, 349–350; Marzahn 1991, 39 mit Anm. 75. 99 Zu den Schriftfunden aus Assur vgl. Pedersén 1985–1986 und Pedersén 1997; zu den sich mit Assur verbindenden Forschungen, zuletzt im Rahmen des Assur-Projekts in Berlin und der Assur-Forschungsstelle in Heidelberg (mit dem Schwerpunkt der Edition „Literarischer Keilschriftttexte aus Assur“ [KAL]), vgl. die Sammelbände Marzahn/Salje 2003 und Renger 2011a, sowie (speziell zu den genannten Forschungsverbünden) Pedde 88

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Abb. 5: Otto Schroeder (1887–1928).

Abb. 6: Leopold Messerschmidt (1870–1911).

2018 und Maul 2020.

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Weitere Bände von Erich Ebeling (1868–1955)100 und Otto Schroeder101 folgten. Hinzu kommen dann durchaus nicht unwichtige eigene wissenschaftliche Arbeiten von Friedrich Delitzsch zur inschriftlichen Überlieferung aus Babylon (1903), zur babylonischen historischen Tradition (1906), zur sumerischen Grammatik und Lexik (1914) und zu den Sumerisch-akkadisch-hethitischen Vokabularfragmenten (1914).102 Sein nachgelassenes Manuskript zu einem Supplement des Assyrischen Handwörterbuchs konnte später Wolfram von Soden (1908– 1996) für die Erarbeitung seines Akkadischen Handwörterbuchs nutzen.103 Parallel zunächst zu Eberhard Schrader, dann zu Friedrich Delitzsch wirkte in Berlin der bereits erwähnte Schrader-Schüler Hugo Winckler, 1891 an der Berliner Universität für semitische Sprachen habilitiert und ab 1904 ebendort „außeretatmäßiger außerordentlicher Professor“.104

Abb. 7: Hugo Winckler (1863–1913).

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Vgl. Erich Ebeling „Keilschrifttexte aus Assur religiösen Inhalts“ (KAR) (Band 1): 1915–1919, (Band 2): 1920–1923; vgl. Borger 1967, 96–104. Die „Keilschrifttexte juristischen Inhalts“ (KAJ) von Ebeling erschienen 1927; vgl. Borger 1967, 94–96; zu Erich Ebeling vgl. Weidner 1959. 101 Vgl. Otto Schroeder „Keilschrifttexte aus Assur verschiedenen Inhalts“ (KAV): 1920 und „Keilschrifttexte aus Assur historischen Inhalts“ (KAH) (2. Heft): 1922; vgl. Borger 1967, 473–477; vgl. im vorliegenden Zusammenhang auch Renger 2019, 69–70. 102 Vgl. im einzelnen Borger 1967, 78–79. 103 Vgl. Renger 1979, 171 mit Anm. 108. 104 Vgl. oben Anm. 59.

Die Berliner Keilschriftforschung

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Abseits von seinen kontrovers und kritisch beurteilten und zu beurteilenden Aktivitäten im Rahmen des sog. Panbabylonismus – nicht zuletzt auch mit Blick auf seine Geschichtsrekonstruktionen –105 liegen seine Verdienste neben den Bemühungen um die Edition (zusammen mit Ludwig Abel [1863–1900])106 und ein erstes Verständnis107 der keilschriftlichen Amarna-Briefe108 unzweifelhaft vor allem in der Grabungstätigkeit in Boğazköy, der alten Hethiterhauptstadt Ḫattuša,109 – schufen diese mit ihren Tontafelfunden doch die Grundlagen für eine später vor allem in Berlin sehr starke und produktive Hethitologie.110 Im Rahmen der archäologischen Babylon-Expedition der Deutschen OrientGesellschaft war zunächst auch der 1892 von Schrader promovierte Bruno Meissner beteiligt, und zwar von 1899 bis 1900 als Keilschriftspezialist.111 Ihm sollte der Hommel-Schüler (und damit eigentlich in der Tradition von Friedrich Delitzsch stehende)112 Ernest Lindl (1872–1921) folgen,113 was sich aber als eine ziemliche Pleite herausstellte.114 Der Mitarbeiter von Robert Koldewey und spätere Ausgräber von Assur Walter Andrae (1875–1956) vermerkte hierzu in seinen Lebenserinnerungen: „Unser Assyriologe Dr. Meissner hatte uns nach Ablauf seines Vertrages verlassen und war nach Deutschland zurückgekehrt. Als Ersatz war uns ein katholischer Ordensmann, Dr. Lindl, herausgeschickt worden. Er besuchte uns nur 24 Stunden, verlangte als zweiter Mann der Expedition behandelt 105

Vgl. dazu Johanning 265–271; Lehmann 1994, 40–43; zum Panbabylonismus vgl. Marchand 2009, 236–244 und Weichenhan 2016, jeweils darin auch passim zu Winckler; vgl. auch Polaschegg/Weichenhan 2017, 19–21. Im Zusammenhang mit Wincklers Völkerwellenmodell vgl. Wiedemann 2020, 307–308, 343–348 und passim. 106 Zu Ludwig Abel, seit 1894 außerordentlicher Professor für Semitische Sprachen an der Universität Erlangen, vgl. Wachter 2009, 3 (mit Literatur). 107 Vgl. Winckler/Abel 1889–1890 (dazu auch Abel 1892, 121–123 Anm. 1); Winckler 1896. 108 Zum Ankauf von Tafeln der keilschriftlichen Amarna-Korrespondenz für die Berliner Museen vgl. Crüsemann 2000, 72–75; zuletzt Gertzen 2012. Die Berliner Amarna-Texte wurden 1915 nochmals von Otto Schroeder in Kopie vorgelegt (VS XI und XII), der sich in der OLZ zwischen 1915 und 1918 auch selbst mehrfach zu den Texten geäußert hat; vgl. Vita 1999, 617 mit Anm. 4. 109 Vgl. Klengel 1991, 75–78; Crüsemann 2000, 222–226 (mit weiterer Literatur); Schachner 2017. 110 Zur Geschichte der Hethitologie allgemein vgl. den Abriss bei Klengel 1999, 5–15 (mit Literatur); zur Geschichte der Hethitologie in Deutschland vgl. Klinger 2017, zu Berlin vgl. Klengel 1991 und Klengel 2008. 111 Vgl. Pedersén 2005, 2. 112 Zu Fritz Hommel (1854–1936) vgl. Falkenstein 1938; Lundström 2013, 22–23 mit Anm. 22 (Literatur). 113 Zu Ernest Lindl vgl. Lundström 2013, 23 mit Anm. 29 (Publikationen von Lindl); vgl. auch Borger 1967, 316. 114 Darauf deuten bereits die entsprechenden Mitteilungen in der OLZ hin; vgl. Renger 1979, 172.

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zu werden, beanspruchte als solcher das zweitbeste Zimmer, das zweitbeste Pferd, das zweitbeste Waschbecken – und Dispens vom Grabungsdienst, der durch unsere schriftlich festgesetzte Instruktion, die er kennen mußte, festgelegt war, so daß seine Beteiligung daran gefordert werden mußte. Da ihm Koldewey außer dem Waschbecken alle diese Forderungen abschlug, reiste er nach Berlin zurück“.115 Von 1901–1903 nahm dann der Delitzsch-Schüler aus Leipziger Tagen Franz Heinrich Weißbach (1865–1944)116 die Stelle des Grabungsphilologen in Babylon ein,117 der – wie Andrae schrieb – „der Expedition viel Nützliches geliefert (hat)“.118 Danach gab es in Babylon keine vor Ort wirkenden Grabungsphilologen mehr. Mit Weißbach stellte sich also ein Repräsentant der „Leipziger Schule“ der Assyriologie in den Dienst der von Berlin ausgehenden Babylon-Grabung, und es war dann schließlich auch die Leipziger Assyriologie, die fürderhin nach dem ersten Weltkrieg die nachhaltigsten Spuren in der weiteren Wissenschaftsentwicklung hinterlassen sollte.119 Aber auch in Berlin verzeichnete die Assyriologie / Altorientalistik (verbunden mit der Vorderasiatischen Archäologie) in den folgenden zwei Jahrzehnten in verschiedenen Bereichen einen kontinuierlichen Wissenschaftsfortschritt,120 bevor sich dann allerdings die „Situation der Assyriologie in Berlin […] seit Mitte der 30er Jahre erheblich (verschlechtern)“121 und nach 1945 die folgenden politischen Entwicklungen in Deutschland die Wissenschaften vom Alten Orient in der Stadt vor neue Herausforderungen personeller, institutioneller und inhaltlicher Art stellen sollten – aber das ist eine andere Geschichte.122

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Andrae 1988, 109. Zu Franz Heinrich Weißbach vgl. Müller 1979, 74–75; Streck 2016–2018a; Oelsner im Druck. 117 Vgl. Pedersén 2005, 2 118 Andrae 1988, 109. 119 Zur Entwicklung der Assyriologie / Altorientalistik in Leipzig vgl. vor allem Müller 1979; Streck 2009; Oelsner im Druck. 120 Für die Zeit nach dem 1. Weltkrieg bis 1933 vgl. Renger 1979, 174–191. 121 Renger 1979, 191; zur Altorientalistik in Berlin in der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945) vgl. Renger 2008, 477–480 und 497, zur DOG ebd. 498–499; zur Orientalistik generell in Berlin zu jener Zeit vgl. Ellinger 2006, 164–177; zu den politischen und ökonomischen Implikationen der Forschungen zum Alten Orient vom Kaiserreich bis zur Zeit des Nationalsozialismus vgl. auch Hauser 2004. 122 Vgl. in diesem Zusammenhang z.B. zur Altorientalistik an der Freien Universität Berlin (bis 1989/90 in West-Berlin) Renger 2011b; an der Akademie der Wissenschaften (in OstBerlin) Klengel 1986 und Neumann 1998 passim sowie demnächst Neumann im Druck; zur Keilschriftforschung am Vorderasiatischen Museum (bis 1989/90 gleichfalls in OstBerlin) Marzahn 1991, 47–50; vgl. auch Salje 2001, 14–22 und Klengel-Brandt 1998– 1999, 125–129. 116

Der Vater: Franz Delitzsch (1813–1890) Bibelforscher und Judenmissionar Rudolf Smend

Der Sachse Franz Delitzsch gilt in der Nachfolge des (rheinischen) Preußen Ernst Wilhelm Hengstenberg und ihn überragend als maßgebender protestantischer Alttestamentler im 19. Jahrhundert auf konservativer Seite. Delitzsch, der gern typisierte, schätzte Hengstenberg als Advokaten ein, sich selber als Apologeten.1 Auf der Gegenseite führte der Niedersachse Julius Wellhausen nach Hengstenbergs Tod in Delitzschs letzten beiden Jahrzehnten 1870–1890 die Kritik auf ihre Höhe.

Abb. 1: Franz Delitzsch (1813–1890). Am Anfang von Delitzschs Biographie steht ein Geheimnis. Er wurde 1813 einem lutherischen Ehepaar in Leipzig geboren und alsbald getauft, doch schon zu seinen Lebzeiten gab es das hartnäckige Gerücht, sein leiblicher Vater sei ein im selben Haus wohnender Jude namens Hirsch gewesen. Er hat diesen Mann später seinen „Wohltäter von Jugend auf“ genannt2 und ihn erfolgreich für den christlichen Glauben missioniert. Von Alfred Jeremias, dem engen Schüler Friedrich, aber auch schon Hörer Franz Delitzschs, gibt es die Äußerung: „Ich habe nie daran gezweifelt, daß der Jude Hirsch der wirkliche Vater von (Franz) Delitzsch 1

So in seinem Brief an J.H. Kurtz vom 18.09.1854 in Bonwetsch 1910, 78, Anm. 89. In seiner kurzen „Selbstbiographie“ von 1883, die bei Wittenberg 1963, 9–11 wiedergegeben ist; dort 9.

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gewesen ist.“ Siegfried Wagner, Autor der nach wie vor maßgebenden umfassenden Monographie über Delitzsch, kommt nach sorgfältiger Prüfung der Stimmen zu dem Ergebnis, es sei in ihnen „eigentlich mehr für eine jüdische Abstammung gesagt als dagegen“3. Dem braucht die Aussage eines so kompetenten Zeugen, wie Gustaf Dalman es gewesen ist, so viel sei gewiss, dass Delitzsch „sich nie als ‚Jude‘ gefühlt habe, nicht zu widersprechen; vielleicht zeigt sie „nur“ die Tiefe des theologischen Problems, das Delitzschs Lebensarbeit wie kaum ein anderes bestimmt hat und in das die Frage seiner Herkunft – die er ja vielleicht nicht einmal selber beantworten konnte – unweigerlich so oder so hineingespielt haben muss. Delitzsch behauptet, als ein „völliger Rationalist“ von der Schule gekommen zu sein und zuerst Philologie und Philosophie studiert zu haben4, aber damit steht die Tatsache in Spannung, dass er sich schon in seinem ersten Semester für Theologie eingeschrieben hat5. Jene Behauptung sollte vielleicht seiner Bekehrung mehr Gewicht geben, die er als einen „Strahl von oben“ genau im Leipziger Straßenbild zu lokalisieren wusste und als den Beginn seiner Theologie bezeichnete6. Er verkehrte fortan in frommen Zirkeln, besonders bei den „Stephanisten“, der sektenartigen Anhängerschaft eines später umstrittenen lutherischen Pfarrers mährischer Herkunft namens Martin Stephan, aus dessen Bewegung in Nordamerika die „Missouri-Synode“ hervorging. Delitzsch widmete ihm als seinem „theuren, vielgeliebten Lehrer“ 1836 seine erste Schrift und behielt seine eigentliche geistliche Heimat bei den „Stephanisten“ im Tal der Mulde, deren Luthertum sich mit einer starken pietistischen Erweckungsfrömmigkeit mischte. In Leipzig leitete er viele Jahre lang neben seinem Studium geistliche Erbauungsstunden, in denen er auch seine Frau kennenlernte. Er hatte „einige hebräische Kenntnisse vom Gymnasium mitgebracht und diese Sprache wurde (sein) Lieblingsstudium“7. Er studierte sie auf akademischer Ebene im Rahmen der Semitistik bei dem Arabisten Fleischer und dem Hebraisten Fürst, noch folgenreicher aber bei zwei Judenmissionaren namens Goldschlag und Becker. „Diese beiden Männer“, berichtet er später, „haben mich zuerst das Volk lieben gelehrt, aus dem der Heiland stammt nach dem Fleisch, und lehrten mich, für seine Bekehrung zu beten zu dem von ihnen verworfenen Christus.“ Missionar Becker erteilte ihm auch „den ersten Unterricht im Rabbinischen“8. Es kam soweit, dass Delitzsch Becker auf Missionsreisen begleitete9 und dass er ernsthafte 3

Wagner 1978, 21f. Dort 16–26 weiteres zu dieser Frage. – Ich greife im Folgenden sporadisch auf Smend 2017, 278–298, zurück. 4 Bei Wittenberg 1963, 9. 5 Vgl. Wagner, 1978, 31, Anm. 36. 6 Bei Wittenberg 1963, 9. 7 Bei Wittenberg 1963, 9. 8 Bei Wittenberg 1963, 9. 9 Von Wagner 1978, 44, Anm. 54 offenbar unter Vorbehalt mitgeteilt.

Der Vater: Franz Delitzsch (1813–1890)

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Anstalten traf, selbst den Beruf des Judenmissionars zu ergreifen; sie scheiterten an der Weigerung des sächsischen Kultusministeriums, seine Ordination zu genehmigen, und, vielleicht im Zusammenhang damit, an seinen eigenen finanziellen Forderungen – diesen Punkt erläutert sein Biograph mit der Feststellung: „Es tut sich hierin ein nüchterner Blick für die Realitäten der äußeren Dinge kund, eine Veranlagung, die auch später bei Delitzsch beobachtet werden kann.“10 Der Judenmission ist Delitzsch eng und maßgebend verbunden geblieben, auch wenn sie nicht sein „bürgerlicher“ Beruf geworden war; sie war von vornherein Hintergrund und Motiv auch seiner wissenschaftlichen Arbeit. „Um euch das Evangelium von Christo dem Gekreuzigten zu predigen“, so redete er 1838 seine jüdischen Leser an, „zu keinem anderen Zwecke, aus keinem anderen Beweggrunde habe ich eure Sprachen zu erlernen und eure Literaturen zu durchmustern begonnen. Und auch jetzt erkenne ich neben dem höchsten Ziel meiner Studien, der Kirche Gottes zu dienen, kein anderes an, als mit sieghaften Gründen unermüdlich euch zuzureden, Jesum Christum, den von euch verworfenen, anzunehmen.“11 Es ist gesagt worden, nie zuvor habe „in der protestantischen Kirche ein Theologe die Aufgabe einer Begegnung mit dem Judentum so klar erkannt wie Franz Delitzsch“; ihn habe ein „tiefes Verlangen erfüllt“, „daß doch endlich die Scheidewand zwischen Synagoge und Kirche fällt“12 Dem ist aber ergänzend, nein korrigierend hinzuzufügen, was ein großer Kenner und Verehrer Delitzschs, David Kaufmann in Budapest, dem gerade Verstorbenen nachgerufen hat: „Franz Delitzsch war kein Freund des Judentums“, was er so begründete: „Kirche und Synagoge vereinigen, d.h. das Judentum im Christentum verschwinden zu lassen, Christus den Juden näher zu bringen, das Evangelium in Israel zu verbreiten, das war die große Leidenschaft seines Herzens, die Aufgabe, von der er träumte, und für die er wachte, der Schwerpunkt seines Trachtens und Strebens.“13 Auch und gerade diese Prämisse mindert aber nicht die immense Leistung, die Delitzsch in der Erforschung des biblischen und nachbiblischen Judentums erbracht hat und in der die Prämisse weithin nicht mehr zu spüren ist. Noch einmal Kaufmann: „Wie ein Priester der Versöhnung hat er das Alte und das Neue Testament auf seinem Herzen getragen. ‚Redet freundlich mit Jerusalem‘, das war sein Wahlspruch Israel gegenüber. Wenn er ein Missionär war, so sei es ihm unvergessen, daß er auch ein Verbreiter des Judentums, seiner Sprache und seines Schrifttums, unter den Christen gewesen ist.“14 So weit so gut, und es versteht sich einerseits von selbst, dass Delitzsch kein Antisemit sein konnte, sondern gegen den Antisemitismus entschieden Stellung beziehen musste, andererseits aber 10

Wagner 1978, 50. Delitzsch, Franz 1838, 8. 12 Kraus 1982, 230. 13 Kaufmann 1908, 302. 14 Kaufmann, Schriften I, 305 11

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auch, dass sich von jüdischer Seite etwa im Blick auf die Instituta Judaica oder die Frage eines judaistischen Universitätslehrstuhls sehr prinzipielle Fragen an seine Position stellen ließen15. Diese sind in den seither verflossenen Generationen noch verschärft worden, wodurch auch die Feststellung seines Biographen Wagner noch an Gewicht gewonnen hat: „Delitzsch hat in seinem Verhältnis zum Judentum eine sonderbare Zwischenstellung eingenommen ... Auf die Judenfrage in ihrer differenzierten Vielgestaltigkeit hat er eingestandenermaßen keine Antwort gewußt. Er verstand beide Seiten und konnte zwischen ihnen nur für die primitivsten Grundsätze der Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit eintreten.“16 Die Karriere, die er statt der Judenmission absolvierte, war eindrucksvoll: Habilitation 1842, außerordentliche Professur Leipzig 1844, ordentliche Professur Rostock 1846, Erlangen 1850, Leipzig 1867. Der Erlanger Lehrauftrag „alttestamentliche Exegese, christliche Apologetik, theologische Moral und die darein einschlagenden Fächer“ entsprach seiner Beweglichkeit und Vielseitigkeit. In den „neulutherischen“ Charakter dieser – durchweg außerhalb Preußens gelegenen – Wirkungsstätten fügte er sich mit voller Überzeugung ein, wenngleich nicht ohne lebhafte Diskussionen mit seinen jeweiligen Kollegen, voran seinem Rostocker Vorgänger und Erlanger Kollegen J.C.K. von Hofmann, dessen heilsgeschichtliches System er keineswegs problemlos übernahm; „Heilsgeschichtler“ allerdings war auch er in hohem Grade. Sein Hörsaal war überall voll, oft überfüllt, auch anderswo suchte und fand er den Kontakt mit den Studenten. „Uebrigens ist geistiges Schaffen eine Lust und, wenn es überhaupt ein Surrogat für die Liebe gibt, so ist es gewiss nur das Bücherschreiben.‘“ So schrieb er im Vorwort seines ersten Psalmenkommentars17, und danach handelte er. Er hat so viel und so Verschiedenes publiziert, dass ich hier gar nicht erst anfangen will, aufzuzählen und zu klassifizieren. Die breiteste Wirkung in der Wissenschaft, aber auch über sie hinaus dürften die Kommentare zu biblischen Büchern erzielt haben. Mir sind noch die Klagen meines Jerusalemer Freundes I. L. Seeligmann im Ohr, dem sie im Amsterdamer Rabbinerseminar, wo sie in vielen Exemplaren „für Kinder und Kindeskinder“ angeschafft in den Regalen standen, schon durch ihre „salbungsvolle Sprache“ gründlich zuwider waren. Als ihren Fürsprecher, wenigstens ein Stück weit, zitiere ich dagegen ausgerechnet Julius Wellhausen: für ihn bieten Delitzschs Kommentare eine „überraschende Fülle der Gesichtspunkte“ und zeigen „eine beinah altholländische Freude an der Gelehrsamkeit als solcher, nicht zum wenigsten an der modernen, an den arabischen Etymologien und grammatischen Erörterungen der Leipziger Schule, an assyrischen Parallelen, an den Ergebnissen der allerjüngsten Dissertationen und Monographien“18. An diesen Dingen kann man, mu15

Vgl. Wiese 1999, 99–106. Wagner 1978, 414. 17 Delitzsch, Franz 1859, V. 18 ThLZ 2 (1877), 73–77. Zitat: 73. 16

Der Vater: Franz Delitzsch (1813–1890)

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tatis mutandis, auch heute noch seine Freude haben, aber was Wellhausens Freundlichkeiten betrifft: sie sind 1877 geschrieben, ein Jahr vor dem ersten Band seiner „Geschichte Israels“, der so vieles in unserer Wissenschaft auf den Kopf stellte. Danach setzte Delitzsch sich hin und schrieb für die zwölf Nummern des ersten Jahrgangs von Luthardts „Zeitschrift für kirchliche Wissenschaft und kirchliches Leben“ unter der Überschrift „Pentateuch-kritische Studien“ nacheinander zwölf Anti-Wellhausen-Artikel, denen er bald weitere sechs folgen ließ, in denen er „Urmosaisches im Pentateuch“ zusammenstellte19 – ehrenwerte Rückzugsgefechte, die das Blatt nicht mehr wenden konnten.

Abb. 2: Julius Wellhausen (1844–1918). Man interessierte sich damals schnell auch über Deutschland hinaus für Wellhausen, und so schickte eine fromme schottische Kirchenzeitung einen Reverend Smith nach Greifswald, um den unheimlichen Mann in Augenschein zu nehmen. Auf dem Tisch lag gerade, wie er nach seiner Rückkehr den Lesern jener Zeitung berichtete, „the monograph of the young and rising Professor Friedrich Delitzsch, entitled ‚Wo lag das Paradies?‘ […] of which the Professor observed that it was rather a thick book for so thin a subject – a remark in which I cordially concurred, and added that in my opinion very much theological and critical speculation partook of the same character. In the particular case referred to, however, he explained that a number of other and entirely distinct questions were also discussed 19

ZKWL 1 (1880); 3 (1882).

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besides the one which gave its title to the book.“ Sicherheitshalber fuhr Smith über Leipzig zurück, um auch die Meinung des berühmten Vaters Delitzsch zu hören, und erfuhr von ihm, Wellhausens „speculations“ seien „merely applications of Darwinism in the sphere of theology and criticism”; Leute wie er realisierten nicht, dass sie mit ihren Spekulationen „trouble the Church of God“. „Again and again he (Delitzsch) repeated, in his deep guttural tones, the phrase ‘Troubling the Church of God’20.“ Wellhausen gab den Artikel seiner Schwiegermutter weiter und versah ihn mit dem Kommentar: Delitzsch „liebt pathetische Ausdrucksweise, sonst würde er gesagt haben: he troubles me”21. Wellhausen lag anders als Delitzsch nichts an der Kirche; er begriff auch nicht, dass Bibelkritik den Glauben stören oder gefährden könnte. Die meisten Historiker und manche Theologen haben von Franz Delitzsch nie etwas gelesen, kennen aber den schönen Satz Ed. Meyers aus der Geschichte des Altertums, dass „auch Franz Delitzsch, jahrzehntelang in seinen gelehrten Werken ein Hauptvertreter der alten Auffassung, wenige Jahre nach dem Erscheinen der Arbeiten Wellhausens diese Ergebnisse rücksichtslos anerkannt, seine ganze Lebensarbeit revidiert und einen Weg gefunden hat, die neue Auffassung mit der Orthodoxie auszugleichen – ein Beweis für die Kraft des wissenschaftlichen Gewissens, wie er ruhmreicher nicht gedacht werden kann“22. Das ist nicht ganz falsch, aber noch weniger ganz richtig. Delitzsch hat sich an manchen meist weniger wichtigen Stellen innerhalb und außerhalb des Pentateuchs auf Wellhausen hin revidiert, obwohl dieser es ihm menschlich nicht immer leicht machte, aber in den Hauptsachen und im Prinzipiellen blieb er „doch diesseit des Grabens,“ dessen andere Seite er mit dem Namen Darwin bezeichnete, also „auf Seiten der Theologie des Kreuzes, der Gnade, des Wunders“23. Und so brachte er seine gesamte Arbeit in der letzten Auflage des Genesiskommentars prägnant auf den Satz: „Ich glaube der Osterbotschaft und ziehe ihre Consequenzen.“24 Damit war für ihn Darwin und Wellhausen, den beiden Erzbösewichtern, der Riegel vorgeschoben. P.S. Eine Verbindungslinie zwischen der Theologie des Vaters Delitzsch und der Position seines Sohnes im Babel-Bibel-Streit habe ich nicht finden können.

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The Christian Church 2 (1882) 386. Brief an Charlotte Limpricht, 12.1.1883 (Smend 2013, 114). 22 Meyer 1953, 189, Anm. 1. 23 Delitzsch, Franz 1890, 18. 24 Delitzsch, Franz 1887, III, vgl. 35. 21

Der politische und gesellschaftliche Rahmen

Der Kaiser als Hobbywissenschaftler Wilhelm II. – Frömmigkeit – Kommunikation – Wissenschaftspolitik* Christoph Markschies

Der Kaiser als Hobbywissenschaftler – und wie ich gleich auch noch hinzufügen sollte: der Kaiser als Hobbytheologe –; eine solche Überschrift und doppelte Charakterisierung des letzten preußischen Königs und deutschen Kaisers ist begründungspflichtig. Auch wenn beispielsweise schon Jean Paul das Wort „Hobby“ für etwas verwendet, das nicht in der unmittelbaren Profession eines Menschen liegt, bürgerte sich das Wort „Hobby“ eigentlich erst nach der Abdankung des Monarchen 1918 in den allgemeinen Sprachgebrauch ein (wenn man jedenfalls den einschlägigen elektronischen Corpora vertrauen darf1). Darf man es trotzdem auf den Kaiser anwenden? Kein Zweifel kann daran bestehen, dass Wissenschaft und Theologie in den dreißig Jahren der Regentschaft Wilhelms einen beeindruckenden Professionalisierungsschub erlebten, und kein Zweifel kann auch daran bestehen, dass Wilhelm nicht der erste preußische Monarch war, der versuchte, Beiträge zu längst mit einer Profession wie Professionalitätsanforderungen verbundenen Wissenschaftsdisziplinen vorzulegen, für die er niemals an einer Universität inskribiert worden war. Bekanntlich studierte der Prinz von Oktober 1877 an in Bonn vier Semester, war an der juristischen Fakultät eingeschrieben, besuchte aber auch privatissime historische, literaturwissenschaftliche, philosophische, rechtsgeschichtliche und wirtschaftswissenschaftliche, ja sogar physikalische und chemische Veranstaltungen und verbrachte in seiner Verbindung Borussia hauptsächlich Zeit mit ostelbischen protestantischen Adligen. Altorientalische oder theologische Vorlesungen oder Seminare fanden sich im Potpourri der belegten Seminare und der wenigen öffentlichen Vorlesungen, die der Prinz besuchte, nicht; die öffentlichen historischen Vorlesungen von Wilhelm Maurenbrecher, die er neben einem Chemiekolleg besuchte, behandelten einerseits das, was man später „Zeitgeschichte“ genannt hat, und andererseits die Reformationsgeschichte. Der streng anti-liberale Maurenbrecher hatte zwar bei Albrecht Ritschl studiert, folgte aber in seiner eigenen Konzeption der Reformationsgeschichte deutlich stärker seinem zweiten großen akademischen Lehrer Leopold von Ranke – in Maurenbrechers stark quellenbasierte politische Geschichte waren die protestantisch-theologischen, meta* Der Wortlaut des Abendvortrages auf dem Kolloquium wurde weitestgehend beibehalten und nur durch wenige Fußnoten ergänzt. Vollständigkeit bei Hinweisen auf Sekundärliteratur wurde nicht angestrebt. 1 Vgl. dazu das „Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache“: https://www.dwds.de/ (abgerufen: 12.12.2020).

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historischen Einschübe bei Ranke eher nur noch als Kryptotheologie präsent.2 Beim Kunsthistoriker Carl Justi, der sich eigentlich auch mit der philosophischen Kunsttheorie und der klassischen Archäologie beschäftigte, besuchte Wilhelm lediglich ein Privatkolleg über die Kunstgeschichte Italiens, eine Leidenschaft nicht nur seiner Mutter, sondern auch seines Vorfahren und preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. Allenfalls der aus böhmischem Adel stammende Archäologe Reinhard Kekulé von Stradonitz, den Wilhelm 1889 nach Berlin an die Universität und die königlichen Museen holte, bot dem jungen Studenten Stoff aus den klassischen Altertumswissenschaften: Kekulé von Stradonitz vermittelte dem hochadligen Studenten ein Gefühl für die griechische Skulptur der klassischen Zeit; in jenen Jahren beschäftigte sich der Archäologe mit den Skulpturen des Athena Nike-Tempels und des Parthenon auf der Athener Akropolis.3 Die Distanz des Prinzen von Preußen gegenüber der Theologie und der christlichen Altertumswissenschaft in der Bonner Studienzeit fiel übrigens durchaus auch schon Zeitgenossen auf: Sein archäologischer Lehrer Carl Justi bemerkte im August 1879 in einem Privatbrief über den jüngst verabschiedeten Studenten, der den Professor zum Abschied mit der vierten Klasse des roten Adler-Ordens hatte auszeichnen lassen: Die Theologie war unter seinen Lehrern nicht vertreten; auch kann ich bezeugen, dass er von den Neigungen seines Großoheims [Friedrich Wilhelm IV., C.M.] für christliches Altertum und mittelalterliche Kunst nichts geerbt hat. Er ist von großer Lebhaftigkeit, auch in der Auffassung, aber von keineswegs hervorragender Begabung. … Übrigens scheint er in seinen Neigungen und Abneigungen ebenso dezidiert wie rasch zu sein, und dann sich jedem Eingehen auf entgegenstehende Erwägungen zu verschließen.4 Der deutsch-britische Historiker John C. G. Röhl, Verfasser der umfangreichsten neueren Biographie über Kaiser Wilhelm II., hält diese Charakteristik für vollkommen zutreffend; der vermutlich gründlichste Kenner der archivalischen Überlieferung bescheinigt seinem Protagonisten ebenfalls wenig angenehme Charakterzüge, wenn er ihn als egozentrisch und aufbrausend, rastlos und impulsiv, gefühlskalt und taktlos, mit einem Hang zu Uniformen, theatralischen Gesten und donnernder Rhetorik, empfänglich für Schmeicheleien und unfähig zu konzentrierter Arbeit beschreibt. Röhl geht bekanntlich so weit, im Blick auf Kaiser Wilhelm von „Cäsarenwahnsinn“ zu sprechen, und macht einen bei der Geburt erlittenen Gehirnschaden für den unter Fachkollegen freilich umstrittenen psychopathologischen Befund verantwortlich.5 Auch wenn man mit Christopher Clark (und 2

Hinrichs 1954; Todte 2001 und 2002. Kekulé von Stradonitz 1869a und 1869b. 4 Zit. nach: Röhl 1993, 312. 5 Röhl 1989; Hasselhorn 2012. Die jüngste monographische Veröffentlichung von Hasselhorn 2018 zum Kaiser ist von einer merkwürdig ahistorischen, apologetischen Grundhal3

Der Kaiser als Hobbywissenschaftler

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Benjamin Hasselhorn, der an der Humboldt-Universität zu Berlin eine systematisch-theologische Dissertation über die, wie er sagt, „politische Theologie“ des Kaisers angefertigt hat) der Tendenz von Röhl zu psychopathologischer Deutung des Monarchen kritisch gegenübersteht, wird man der Charakteristik Röhls an einem für unsere Fragestellung zentralen Punkt kaum widersprechen können: Kaiser Wilhelm II. war zu konzentrierter Arbeit, die nun einmal den Kern aller Wissenschaft bildet, vermutlich aus Konstitutions- und nicht nur aus Zeitgründen überhaupt nicht fähig. Das zeigen übrigens auch die Orte, an denen er zu arbeiten versuchte – die für das Studium von Büchern und Akten in den Arbeitszimmern in Berlin, Potsdam, Homburg vor der Höhe, Kassel und schließlich Doorn vorgesehene Fläche an Schreibtischen und Schreibpulten war mit Nippes zugestellt und daher sehr klein, die oft als Sattel gestalteten Sitzgelegenheiten zudem so unbequem, dass längere Arbeit am Schreibtisch aus mehreren Gründen ausgeschlossen war und auch nicht bezeugt ist. Nochmals: Darf man Beiträge des späteren Kaisers zu Wissenschaftsgebieten, die der Monarch während der Bonner Semester nach damaligen Maßstäben nicht professionell studiert hatte und in denen er sich durch Gespräche zwischendurch und oberflächliche Lektüre glaubte kundig gemacht zu haben, als Beiträge eines Hobbywissenschaftlers nicht eben neutral und freundlich, sondern durchaus mit kritischem Unterton6 qualifizieren? Joachim Mehlhausen, bis zu seinem frühen Tod im Jahr 2000 Oberlandeskirchenrat in Düsseldorf und Kirchenhistoriker in Tübingen, hat in einem klassischen Aufsatz den Großoheim Wilhelms, Friedrich Wilhelm IV., als „Laientheologen“ bezeichnet7 und diese Charakterisierung könnte ohne Zweifel auch auf dessen Vater, Friedrich Wilhelm III., und auf Wilhelm II. selbst angewendet werden. „Laientheologe“ besagt in der Anwendung auf die drei genannten preußischen Könige zunächst einmal, dass keiner Theologie als ordentliches Fach studiert hatte und keiner zum geistlichen Amt in der evangelischen Kirche ordiniert war. Die juristische Stellung eines summus episcopus begründete nach allgemeinem Verständnis ausdrücklich nicht das Pfarrern nach entsprechenden Examina zuerkannte Recht der öffentlichen Wortverkündigung (lateinisch: venia concionandi), das sich Kaiser Wilhelm II. mindestens auf den Nordlandfahrten und in gewisser Weise auch im Exil im holländischen Doorn anmaßte, worauf wir noch zu sprechen kommen werden. „Laientheologe“ besagt aber in der Anwendung auf die drei genannten preußischen Monarchen auch noch, dass hier kein nach zeitgenössischen Maßstäben professioneller Fachvertreter sprach oder schrieb, sondern ein Laie. Die Bezeichnung des Laien als „Hobbytheologe“ und „Hobbywissenschaftler“ verschärft diese Charakterisierung durch ein Qualitätsurteil: Während die beiden preußischen Könige tung gegenüber dem historischen Gegenstand geprägt, die inzwischen auch mehrfach schon kritisiert worden ist. 6 Schärfer formuliert Beigel 2017, wenn er von einem „Dilettanten“ spricht. 7 Mehlhausen 1999.

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Friedrich Wilhelm III. und IV. eine durchaus beachtliche Kenntnis der liturgiewissenschaftlichen und bauarchäologischen Forschung ihrer Zeit erwarben, zeigt die erhaltene Privatbibliothek des Kaisers aus seiner holländischen Exilresidenz, dass er das darin für die Vorbereitung seiner täglichen Hausandachten einzig geeignete Buch, Bände des sogenannten Göttinger Bibelwerks aus dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, ein heute als „Altes“ bzw. „Neues Testament Deutsch“ bekanntes Kommentarwerk für eher gemeindliche Bedürfnisse, allermeist nicht gründlich konsultierte. Predigten in Gottesdiensten, fachtheologische Auslassungen und fachwissenschaftliche Veröffentlichungen gehörten auch nach dem Geschmack der Zeitgenossen (und nicht nur nach damaligen professionellen Maßstäben) nicht zur Profession eines Monarchen; ob man sie freundlicher als Äußerungen eines Laien oder etwas kritischer als „Hobbytheologie“ und „Hobbywissenschaft“ bezeichnet, ist da eigentlich ziemlich gleichgültig. Einer der zeitgenössischen Belege für das Stichwort „Hobby“ geht auf die wappenkundlichen Aktivitäten eines preußischen Großgrundbesitzers zurück, der in diesem Sinne auch nicht unsere heutige mehr oder weniger saubere Trennung von Arbeit und Freizeit praktizierte, wohl ein professioneller Landwirt, aber eben kein professioneller Heraldiker war, sondern – wie man sagte – ein Hobby-Wappenkundler.8 Nun habe ich vergleichsweise lange einen einzigen Begriff meines Titels, den des „Hobbywissenschaftlers“, gerechtfertigt, aber überhaupt noch nicht begründet, warum ich im Untertitel die Trias „Frömmigkeit – Kommunikation – Wissenschaftspolitik“ eingeführt habe. Aber diese Begründung kann ungleich kürzer ausfallen als die Rechtfertigung des zugegebenermaßen nicht gänzlich unschuldigen Terminus „Hobbywissenschaftler“. Denn allein der Blick auf den sogenannten „Hollmann-Brief“, also das Handschreiben des Kaisers vom 15. Februar 1903 an den stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Orientgesellschaft und ehemaligen Staatssekretär im Reichsmarineamt, Admiral (à la suite) Friedrich Hollmann,9 zeigt, dass hier mindestens zum Verständnis dieser Zeilen über die Frömmigkeit des Kaisers geredet werden muss und die berühmte und in der damaligen Öffentlichkeit viel verhandelte Frage erneut diskutiert werden muss, ob sich in diesem Schreiben und seinem Agieren im Babel-Bibel-Streit eine neue religiöse Orientierung dokumentiert. Dann muss auch über die besondere Form der öffentlichen Kommunikation – der Brief erschien in einer ehemals national-liberalen, inzwischen konservativen Wochenzeitschrift10 – gesprochen werden und schließlich über die Frage, ob man das kaiserliche Agieren in andere bekannte wissenschaftspolitische Aktionen in Zusammenhang mit religiösen oder theologischen Fragen einordnen kann – ich erwähne hier nur die in den ersten Amtsjahren erfolgten Berufungen des Kirchenhistorikers Adolf Harnack und des Archäologen 8

Vgl. dazu oben Anm. 1. Matthes 1999a; Johanning 1988; Lehmann 1994, 220–241 sowie Benner 2001, 126–128. 10 Dazu unten, S. 93f. – Wiederabgedruckt in der Dokumentation von Rade 1903 und auch in Hüffmeier/Kampmann 2014, 268–274. 9

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Reinhard Kekulé von Stradonitz nach Berlin.11 Ich beginne, nicht, wie es der Untertitel anzeigt, mit der Frömmigkeit, sondern zunächst mit einem kurzen Abschnitt zur Kommunikation. Erst dann folgen ein relativ langer Abschnitt zur Frömmigkeit und schließlich ein letzter, wiederum knapper Abschnitt zur Wissenschaftspolitik. Zunächst also zur Kommunikation: Wir haben in der jüngeren Forschung und Diskussion gelernt, Kaiser Wilhelm II. im Zusammenhang der Medienrevolution am Ende des 19. Jahrhunderts zu sehen, also der exorbitanten Ausweitung des Zeitungsmarktes und der damit verbundenen verschärften Tonlage der Berichterstattung aufgrund ökonomischer Konkurrenz, aber vor allem auch im Kontext der Entwicklung des neuen Mediums Film – der medienaffine Kaiser hatte im Jahre 1900 angeordnet, alle wichtigen Ereignisse zu „kinematographieren“, und wurde im Zusammenhang der Premiere des Films „Majestät brauchen Sonne“ von Peter Schamoni im Jahre 1999 (von Michael Stürmer) wenig vorteilhaft als „Staatsschauspieler“ und bei einer Diskussion im Jahre 2006 in Charlottenburg schon etwas freundlicher (von Andreas Kilb) als „Erfinder der Homestory“ charakterisiert.12 Mir scheint, dass die Veröffentlichung des Hollmann-Briefes im zweiundsechzigsten Jahrgang der Grenzboten einerseits Ausdruck dessen war, was Martin Kohlrausch die mediale Personalisierung des Kaisers und den „menschlichen Faktor“ nannte. Der Kaiser ließ zu, dass sein handschriftlicher Brief offenbar mehrfach vervielfältigt wurde (eine handschriftliche Abschrift befindet sich im Harnack-Nachlass in der Staatsbibliothek) und eine dieser Abschriften in den Grenzboten publiziert wurde. Die erste Anmerkung, die diese Zusammenhänge offenlegt, ist es wert, zitiert zu werden: Ein Abdruck des obigen in einer Anzahl von Exemplaren vervielfältigten Handschreibens seiner Majestät ist uns mit Rücksicht auf die Schlussbemerkung des Briefs von befreundeter Seite zur Verfügung gestellt worden.13 Ein Kaiser, dessen Brief zwischen „Feuer! Erinnerungen aus dem russischen Polizeileben von Alexander Andreas [sc. Badendiek] (Fortsetzung)“ und einer mit den Worten „Maßgebliches und Unmaßgebliches“ überschriebenen Rubrik vermischter politischer Meldungen (darunter Zahlen zum Flotten-Rüstungswettlauf zwischen Deutschland und Großbritannien) zu stehen kommt, hat einerseits vermutlich eine der schnellsten und effektivsten Publikationsformen für seine Meinung gewählt (oder wählen lassen), er hat sich andererseits aber auch gemein gemacht mit einem heute wenig mehr bekannten und unter Pseudonym auftretenden Groschenroman-Autor der Zeit, eine der oft zu beobachtenden Ambivalenzen der 11

Steinbach 2017. Vgl. dazu https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/der-medienkaiser/676614. html (abgerufen: 12.12.2020). 13 Hollmann 1903; inzwischen online verfügbar unter https://brema.suub.uni-bremen.de/ grenzboten/periodical/pageview/240057 (abgerufen: 12.12.2020). 12

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Politik des Kaisers, die nicht für sehr sorgfältige Planung und Abschätzung bei Hofe spricht. Zudem waren „Die Grenzboten“ eben auch keine der alt-ehrwürdigen, klassischen Zeitungen Preußens oder des Reichs. Schließlich verschleiert die Wendung „von befreundeter Seite“, was doch eigentlich zu den klassischen Kommunikationsformen in der preußischen Monarchie gehörte: Geordnete Veröffentlichungsstrukturen sehen deutlich anders aus und die Veröffentlichung in „Die Grenzboten“ konterkarierte, dass der Brief an Hollmann durchaus – wie es sich in der preußischen Monarchie gehörte – mit dem Reichskanzler Bernhard von Bülow abgestimmt war. Man kann also andererseits mit Kohlrausch nicht nur die mediale Personalisierung,14 vielleicht sogar schärfer formuliert die Privatisierung und Boulevardisierung des Kaisers beobachten, sondern auch die Dialektik seiner Medialisierung, die in Extreme bis hin zu den handfesten Skandalen führte, die sich bekanntlich immer wieder auch mit seiner Medienpräsenz verbanden. Etwas ausführlicher möchte ich nun auf die Frömmigkeit des Kaisers eingehen, die man – selbstverständlich nicht ausschließlich und nicht einmal in zentraler Position – in den Blick zu nehmen hat, wenn man (jedenfalls als Kirchenhistoriker) die Begeisterung des Kaisers für die beiden Vorträge von Friedrich Delitzsch am 13. Januar 1902 und am 12. Januar 1903 im Saal der Berliner Singakademie verstehen will. Ich setze für meine Darstellung dieser Frömmigkeit bei einer Art von religiöser Programmrede ein, die Wilhelm II. am Reformationstag, dem 31. Oktober 1898, im Rahmen seiner großen Orientreise vor dem Altar stehend gehalten hat, weil dieser Text (wenn auch in einem ganz bestimmten Kontext) zeigt, wie der Kaiser wenige Jahre vor dem Ausbruch des Babel-BibelStreits dachte. In seiner Ansprache beschrieb Wilhelm II. zunächst die Aufgabe des von ihm auch künstlerisch mitgestalteten protestantischen Kirchenbaus in der Mitte der Heiligen Stadt: „Mit der werbenden Kraft dienender Liebe sollen hier die Herzen zu dem geführt werden, in dem allein das geängstigte Herz Heil, Ruhe und Frieden findet für Zeit und Ewigkeit,“15 also zu Christus. Dieser Satz des Kaisers erinnert frappant an einen Satz vom Beginn der „Bekenntnisse“ des spätantiken nordafrikanischen Theologen Augustinus, den Adolf Harnack, der 1888 durch eine direkte Entscheidung des Kaisers gegen den Willen des Evangelischen Oberkirchenrates nach Berlin berufene Kirchenhistoriker, gern im Mund führte: Et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te „Und unser Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in Dir“.16 Harnack und der Kaiser standen sich im Jahre 1898 zwar noch längst nicht so nahe, dass man annehmen dürfte, der Professor habe dem Monarchen das Zitat des Augustinus vermittelt. Der heftige Streit um die Autorität des sogenannten Apostolischen Glaubensbekenntnisses, in dem der Kaiser Harnack einen scharfen mündlichen Verweis erteilt hatte, lag gerade einmal zwei Jahre zurück. Von Harnack nahm der Monarch in diesen Jahren theologisch 14

Kohlrausch 2005, 451–460; vgl. auch Kohlrausch 2006, passim. Zitiert nach Kohler 2005 [2003], 180. 16 Aug., conf. I 1,1. 15

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gewiss nichts an.17 Aber man erkennt, welche Schnittmengen persönlicher Frömmigkeit schon vor etwas engeren persönlichen Kontakten zu Beginn des neuen Jahrhunderts zwischen dem öffentlich als „liberal“ rubrizierten Harnack und dem öffentlich eher als „orthodox-positiv“ wahrgenommenen Kaiser bestanden. Die an Augustinus erinnernde Formulierung aus der Rede in der Erlöserkirche zeigt, worin Kaiser Wilhelm II. seit frühester Kindheit den Kern des Glaubens sah: Als Kern des Glaubens erschienen ihm weniger die traditionellen orthodox-positiven Formeln über das Erlösungswerk Christi, aber er neigte auch nicht zu einer erklärten, unter den Anhängern der Traditionen Schleiermachers weit verbreiteten Polemik gegen die Formeln der Tradition. Kern des Glaubens des Kaisers in den Jahren der Jahrhundertwende ist vielmehr eine mild erweckliche Zuspitzung aller Frömmigkeit auf Ruhe und Frieden des Herzens, die in der Nächstenliebe tätig wird und zu „christlicher Duldung und Bethätigung selbstloser Nächstenliebe an allen Menschen“ ermuntert. Das Kreuz von Golgatha ist für den Kaiser „das Wahrzeichen der selbstaufopfernden Nächstenliebe“.18 Das Heilige Land ermöglicht nun nach Ansicht des Kaisers eine besonders intensive Begegnung mit Jesus Christus, aber gerade nicht in seinen traditionellen heiligen Stätten und sonstigen religiösen Orten, sondern in bewusster Distanz von diesen Plätzen. Im Blick auf die Grabeskirche spricht die offizielle Chronik der Orientreise des Kaisers von der Unruhe des Ortes sowie „überspannter religiöser Schwärmerei und Aberglauben“, die den Monarchen offenkundig bei der Andacht gestört haben müssen19 – eine bis heute für evangelische Christenmenschen, die diesen Ort besuchen, sehr charakteristische Haltung. Dieser Eindruck, den man anhand der erwähnten Rede des Kaisers am Reformationsfest 1898 in der Jerusalemer Erlöserkirche von einem mild erwecklichen Charakter der Frömmigkeit dieses Monarchen gewinnt, bestätigt sich in vielen anderen seiner Texte aus den folgenden Jahren und so eben auch in dem erwähnten Brief an Admiral Hollmann aus dem Jahre 1903. Im Brief berichtet der Kaiser eingangs von einer Abendgesellschaft, an der neben Delitzsch und dem Kaiser sowie dessen Gattin auch der oben schon erwähnte Archäologe Kekulé von Stradonitz und einer der einflussreichsten leitenden Geistlichen der unierten Landeskirche der altpreußischen Union teilnahmen, der kurmärkische Generalsuperintendent Ernst von Dryander, zugleich Hof- und Domprediger und Ephorus des Domkandidatenstifts, einer Art von Elite-Predigerseminar für den Führungsnachwuchs der preußischen Kirche.20 Dryander hatte in Halle bei den eher erwecklich orientierten Theologen Tholuck, Beck und Beyschlag studiert und war Wilhelm während dessen zwei Studienjahren 1877 bis 1879 in Bonn aufgefallen; 1874 war Dryander im Alter von gerade einunddreißig Jahren Pfarrer an der kurz zuvor er17

Zuletzt: Winnebeck 2016, 238–286. Zitiert nach Kohler 2003, 181. – Vgl. auch Benner 2001, 178–237. 19 Kohler 2003, 171. 20 Conrad 1904; zum Kontext: Weyel 2006, 215–230. 18

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richteten Kreuzkirche geworden, der größten evangelischen Kirche des Rheinlandes. 1882 wurde er zunächst an die Berliner Dreifaltigkeitskirche und damit auf die Kanzel Schleiermachers berufen; Wilhelm behauptet in seinen Erinnerungen, daran nicht unschuldig gewesen zu sein.21 Wenn die im Brief an Hollmann gegebene Rekonstruktion stimmt, dann – was man sich schwer vorstellen kann – schwieg während der Abendgesellschaft „bei uns“ (also doch wohl in der kaiserlichen Wohnung im Stadtschloss zu Berlin) der Kaiser und Dryander fiel die Aufgabe zu, den Widerspruch zwischen den Auffassungen des Monarchen und von Friedrich Delitzsch zu konstatieren. Nun ist hochinteressant, wie in dem Brief an Hollmann diese Differenz zwischen den religiösen Anschauungen des Kaisers und den Ansichten von Delitzsch bestimmt wird. Zunächst markiert Kaiser Wilhelm in seinem Brief die μετάβασις εἰς ἄλλο γένος, die Delitzsch vollzieht, als er über Religion und Theologie spricht. Und dann kritisiert er frontal, dass der Assyriologe die Gottheit Jesu Christi bestreitet: Er (sc. Delitzsch) verließ dabei leider den Standpunkt des strengen Historikers und Assyriologen und geriet in theologisch-religiöse Schlüsse und Hypothesen hinein, welche doch recht nebelhaft oder gewagt waren. Als er aber auf das neue Testament kam, wurde es bald klar, dass er bezüglich der Person unseres Heilandes so ganz abweichende Anschauungen entwickelte, dass ich ihm darin nicht nur nicht folgen konnte, sondern einen meinem Standpunkte diametral entgegengesetzten konstatieren musste. Er erkennt die Gottheit Christi nicht an, und daher soll als Rückschluss auf das alte Testament dieses keine Offenbarung auf denselben als Messias enthalten. Indem aber der Kaiser – oder, wenn man dem von Wilhelm erzählten Szenario vertrauen will: Dryander für den Monarchen – in der Abendgesellschaft die Gottessohnschaft Jesu Christi so hervorgehoben haben will, berührt er einen neuralgischen Punkt der zeitgenössischen Debatte innerhalb der evangelischen Kirche und Universitätstheologie. Und mindestens bei Dryander darf man sicher sein, dass er diesen Punkt nicht zufällig berührte, und auch Wilhelm sollte eigentlich ebenfalls gewusst haben, was hier Sache war. Dryander jedenfalls wusste als ehemaliger Pfarrer auf der Kanzel Schleiermachers natürlich, dass nicht erst im Apostolikumsstreit der Jahre 1891/1892 die Frage nach der Gottessohnschaft Jesu Christi der zentrale Differenzpunkt zwischen den Theologen in der Tradition Schleiermachers, die sie in Zweifel zogen, und den damals „positiv“ genannten Theologen war, die sie zum Schibboleth der Auseinandersetzung stilisierten (ich merke hier nur an, dass die uns vertraute Terminologie, die mit den Termini „liberal“ und „orthodox“ lediglich zwei Richtungen in dieser Debatte unterscheidet, unterkomplex und ahistorisch ist, ohne dass ich hier ausführlich werden kann). Auch schon im sogenannten ersten Apostolikumsstreit der Jahre 1871/1872, den 21

Andresen 1995, 39; vgl. dazu auch unten, S. 120f., im Beitrag von S. Mangold-Will.

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Auseinandersetzungen um die beiden Berliner Pfarrer Gustav Lisco (1819–1887) und Adolf Sydow (1800–1882), die beide an der Neuen Kirche am Gendarmenmarkt wirkten, ging es um die Gottessohnschaft Jesu Christi.22 Spätestens hier ist ein Riss zwischen einer Theologie, die auch biographisch (wie Sydow zu seiner Verteidigung explizit anführt23) in der Tradition Schleiermachers steht, und einer Mehrheitstheologie der verschiedenen Ebenen von Kirchenleitung in der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union feststellbar. Der Blick auf die Inhalte, insbesondere auf den Konflikt um die Gottessohnschaft Jesu Christi, zeigt aber, wie die Konflikte um die Dienstentlassung von liberalen Berliner Pfarrern zu Beginn der siebziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts, der Streit um die Berufung von Adolf Harnack an die Berliner Fakultät im Jahre 1888 und die Debatten um Harnacks 1892 veröffentlichten Äußerungen zum Apostolikum zusammengehören: Es wiederholen sich beispielsweise die kontroversen Punkte aus einem Lehrgespräch des Brandenburgischen Provinzialkonsistoriums mit dem Berliner Pfarrer Sydow aus dem Jahre 1872 inhaltlich ziemlich weitgehend in den Bedenken, die der Evangelische Oberkirchenrat im Mai 1888 gegen Harnack beim Preußischen Kultusministerium geltend gemacht hatte.24 Auf den ersten Blick argumentiert der Kaiser in seinem Brief an Admiral Hollmann nun vollständig in den Bahnen einer mild erwecklichen Theologie, die sich im Zweifel auf die Seite der kirchenleitenden Kritik an der kritischen Theologie in der Tradition Schleiermachers schlägt. Denn im Brief heißt es ganz pointiert: „Christus ist Gott; Gott in menschlicher Gestalt“. Und dieses Bekenntnis folgt, ganz wie im Apostolikum, auf das dezidierte Bekenntnis zum einen, einzigen Gott. Aber eine nähere Analyse des Briefs an Admiral Hollmann zeigt, dass dieser erste Eindruck bekenntniskonformer Terminologie im Text die wirre Melange der theologischen Positionen und religiösen Anschauungen des Kaisers nur unzureichend beschreibt. Zum einen sind die traditionellen Formeln der Dogmatik sofort wieder in erwecklicher Tradition auf die eigene Existenz bezogen, beispielsweise wenn es von Jesus Christus heißt: „Er erlöste uns, Er feuert uns an, es lockt uns, Ihm zu folgen, wir fühlen Sein Feuer in uns brennen, Sein Mitleid uns stär22 Vortrag und Protokoll des Gesprächs samt weiteren Quellen sind bequem zugänglich in: Sydow 1885, 154–174, sowie Kirmss 1908, 74–79 und 122–125 bzw. 125–127. Zum Kontext aber auch Mehlhausen 1994, bes. 129–130 und nun die oben erwähnte Gesamtdarstellung von Winnebeck 2016. 23 Sydow 1885: „Ich habe das Gelübde geleistet, der evangelischen Kirche, der Tochter der Reformation, zu dienen und machte geltend, dass die Meinungen, deren Vertreter ich bin, nicht von einem hyperkritischen Theologen aufgebracht sind. Sondern dass mir die von dem obersten Bischof der Kirche berufenen Lehrer der Universität, Männer, die ich hoch ehre, die Richtung für mein Leben gegeben haben. Dieselben Männer, wie Schleiermacher und Neander, die der evangelischen Kirche und Theologie die Grundlage der lebendigen Fortentwickelung der Wissenschaft geliehen haben, sind meine väterlichen Freunde gewesen“. 24 Zahn-Harnack, 1936, 161–162.

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ken, Seine Unzufriedenheit uns vernichten, aber auch Seine Fürsprache uns retten.“25 Zum anderen aber wird die gewiss nicht oberkirchenrats- und bekenntniskonforme Idee einer kontinuierlichen Offenbarung Gottes „bald in diesem oder jenem großen Weisen, oder Priester oder König, sei es bei den Heiden, Juden oder Christen“ im Schreiben vom Monarchen nicht nur knapp skizziert, sondern auch – zum Entsetzen des frommen Publikums, das den Hollmann-Brief las – mit Namen unterlegt: „Hammurabi war einer, Moses, Abraham, Homer, Karl der Große, Luther, Shakespeare, Goethe, Kant, Kaiser Wilhelm der Große“. Die klassische evangelische Idee der allein selig machenden Offenbarung Gottes in seinem Sohn Jesus Christus wird gleichsam ergänzt, in Wahrheit aber konterkariert durch die bildungsbürgerliche Idee von gottbegnadeten Offenbarungsträgern in der Geschichte, deren Reihe bis in die unmittelbare eigene Verwandtschaft des Kaisers reicht, genauer bis zum eigenen Großvater. Auch wenn der Kaiser zwischen einer „Offenbarung“ in der Geschichte des Menschengeschlechtes in Anführungsstrichen und einer Offenbarung im eigentlichen religiösen Sinne unterscheidet, wird doch deutlich, dass er in seiner spezifischen Melange religiöser Anschauungen und theologischer Positionen etwas hilflos zwischen den Kirchenparteien und theologischen Schulen oszilliert, wie vor Jahrzehnten schon einmal präzise von Reinhard G. Lehmann analysiert wurde.26 Ohne dass ich darauf ausführlich eingehen kann, wird bei einer gründlichen Analyse des Hollmann-Briefes übrigens auch deutlich, dass der Monarch schon ein gerüttelt Maß Positionen von Houston Stewart Chamberlain in diese Melange synthetisiert hatte, den er 1901 in Schloss Liebenberg durch den Freund Philipp Fürst zu Eulenburg vermittelt kennen und auch aufgrund eines anschließenden Briefwechsels schätzen gelernt hatte.27 „Hobbytheologie“ hatte ich diese Melange eingangs genannt und ich muss an dieser Stelle nicht die präzisen Analysen der Ingredienzien dieser Melange wiederholen, die sich in der Sekundärliteratur von Jean Réal bis Clark und Röhl zur Genüge finden. Es reicht, wenn ich hier festhalte, dass professionelle Wissenschaft sich durch ihr Differenzierungsvermögen auszeichnet, Laien- und Hobbywissenschaftler aber häufig gar nicht verstehen, dass bestimmte Dinge zu trennen sind und nicht zusammengemischt werden können. Wieso konnte der Kaiser aber so differente Positionen in einer Melange zusammenmischen? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir wenigstens kurz und eher exkursartig auf die religiöse Prägung in seiner Jugendzeit und die theologischen Positionen eines wichtigen Lehrers eingehen. Kaiser Wilhelm II. hat im ersten Band seiner Memoiren „Aus meinem Leben 1859–1888“ ausdrücklich seinen reformiert geprägten Lehrer Georg Ernst Hinzpeter, der 1866 bis 1877 für den 25

Brief an Admiral Fritz von Hollmann vom 15.02.1903, vgl. die Nachweise oben in Anm. 13; auch zitiert in: Wilhelm II. 1922, 185. 26 Lehmann 1994, 217–233. 27 Chamberlain 1928; Röhl 2009, 562–568.

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zivilen Bereich der Erziehung des Kronprinzensohnes zuständig war, für seine besondere Form von erwecklicher Frömmigkeit verantwortlich gemacht: Vortrefflich war meiner Meinung nach, der Religionsunterricht meines Lehrers [Hinzpeter, C.M.]. Er, der selbst, wie gesagt, Kalvinist war, hat seinen Schüler nur mit Bibel und Gesangbuch aufwachsen lassen unter Zurückstellung aller konfessionellen und dogmatischen Fragen.28 Im zweiten Band seiner Memoiren wiederholt der Kaiser diese Charakterisierung und spitzt sie zu: Hinzpeter „hat seinen Zögling mit der Bibel aufwachsen lassen unter Beiseitestellung aller dogmatisch-polemischen Fragen, sodass Polemik in der Religion mir fremd geblieben ist und ein Begriff wie das selbstherrliche ‚orthodox’ mich abstößt“.29 Die Selbststilisierung des abgedankten Monarchen dürfte hier aber die historische Wahrheit treffen: Einerseits entsprach Hinzpeters Konzentration auf Bibel und Gesangbuch damaliger Praxis im Religionsunterricht der Elementarschule,30 andererseits ist aber vor einiger Zeit von Martin Friedrich gezeigt worden, wie stark der Erzieher Hinzpeter von der erwecklichen Theologie seines Studienortes Halle geprägt war – der bereits im Zusammenhang mit Dryander genannte Name von Friedrich Tholuck (1799–1877) signalisiert mindestens den Eingeweihten unter uns, was hier gemeint ist – und wie sehr diese Theologie auch schon Hinzpeters Elternhaus in einem entsprechenden Sinne prägte.31 Erwecklich und durch Hinzpeter vermittelt ist vor allem die Konzentration des Kaisers auf die Frömmigkeit des Herzens, das (wie er in Jerusalem 1898 sagte) durch Christus „Heil, Ruhe und Frieden“ empfindet „für Zeit und Ewigkeit“. In einer Denkschrift über die Grundsätze seiner Erziehung formuliert Hinzpeter als Erziehungsziel, dass (in Paraphrase einer Formulierung Luthers) der künftige Monarch seinen Gott und Herrn „fürchten und lieben“, aber der Unterricht ansonsten „undogmatisch“ gehalten werden soll.32 So war auch die Frömmigkeit des Kaisers geprägt und diese Frömmigkeit war Grundlage seiner toleranten Kirchen- und Theologiepolitik gegenüber der evangelischen wie der katholischen Kirche, aber auch gegenüber den Flügeln der evangelischen Universitätstheologie. Wieder haben wir es aber mit den für Wilhelm so charakteristischen Ambivalenzen zu tun: Er versuchte einerseits zwischen den Kirchenparteien zu vermitteln, wollte keineswegs eine lutherische oder gar reformierte Orthodoxie auf Kosten anderer Richtungen bevorzugen. In einer Direktive an den evangelischen Oberkirchenrat seiner altpreußischen Landeskirche formulierte der Kaiser, das Ziel müsse die 28

Wilhelm II. 1927, 26. Wilhelm II. 1922, 181. 30 Friedrich 2001, 63. – Ein konfessionell verengter Kalvinismus kann hier nicht gemeint sein (so Friedrich 2001 60–61 gegen Röhl 2001, 185). 31 Friedrich 2001, 73. 32 Bericht Hinzpeter an Kultusminister Althoff vom 24.09.1891, hier zitiert nach Friedrich 2001, 78; 80. 29

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Bündelung aller kirchlichen Kräfte „ohne Ansehen ihres konfessionellen oder kirchenpolitischen Parteistandpunktes“ sein.33 Unter dieser Überschrift suchte er nicht nur seine meist erwecklichen und höchstens mild positiven Hofprediger aus, sondern versuchte auch, das Verhältnis zur katholischen Kirche und dem katholischen Bevölkerungsanteil des Reiches (von knapp 36%) nach den Verwerfungen des Kulturkampfes zu normalisieren. Die prominente Überlassung eines Grundstücks auf dem Zionsberg in Jerusalem gehört ebenso in eine Reihe von Geschenken und Gunsterweisen für die katholische Kirche wie ein Christus-Portal für das Querhaus der Kathedrale von Metz, ein Glasfenster für den Dom von Münster, das Kaiser Karl und Papst Leo III. zeigte, oder die gesamte Innenausstattung der Aachener Marienstiftskirche, des alten Kaiserdoms.34 Aber andererseits war seine betont antidogmatische erweckliche Frömmigkeit eine so unbestimmte Melange, dass der Monarch die spezifischen neuheidnischen Positionen von Houston Stewart Chamberlain aufnehmen konnte und die von Delitzsch entsprechend pointiert an den Schluss seines zweiten Vortrags gestellte Redewendung von der „Fortentwicklung der christlichen Religion“ in den Mund nehmen konnte, die gleichsam das gegen die positive Theologie gerichtete zentrale Schlagwort der Theologie in der Tradition Schleiermachers war. Ich möchte wenigstens noch kurz zeigen, dass in den folgenden Jahrzehnten die Ingredienzien der Melange der Hobby- oder Laientheologie des Kaisers im Wesentlichen gleich blieben. Dafür besitzen wir eine bislang weitgehend übersehene Quelle. Zu den vielleicht merkwürdigsten Zügen des letzten deutschen Kaisers gehört nämlich die Tatsache, dass der Kaiser in halböffentlichen evangelischen Gottesdiensten und Andachten selbst gepredigt hat und dabei keineswegs nur Texte anderer vorgetragen hat, sondern auch Selbstgefertigtes. Merkwürdig ist diese Tatsache, weil nach den in seiner altpreußischen Landeskirche gültigen Bekenntnissen die öffentliche Wortverkündigung nicht jedem Christen einfach nach Gutdünken möglich war und ist, sondern nach dem Augsburger Bekenntnis voraussetzt, dass der Betreffende rite vocatus, zur öffentlichen Wortverkündigung auch öffentlich berufen wurde (CA XIV), in aller Regel damals wie heute durch die Ordination zum geistlichen Amt. Ausnahmen galten für Theologiestudenten; die erhielten durch das homiletische Hauptseminar oder durch eine eigenständige Bescheinigung nach dem Seminar die sogenannte licentia concionandi, meint: das Recht, unter Aufsicht eines Ortspfarrers zu predigen. Auf dieser Basis predigten auch Vikare; ein Recht zur Sakramentsverwaltung war mit der licentia nicht verbunden. Auch wenn der Kaiser meines Wissens nirgendwo begründet hat, wieso er – ohne ein Theologiestudium und ein homiletisches Hauptseminar hinter sich gebracht zu haben – meint, selbständig öffentlich verkündigen zu dürfen, kann man doch eine Erklärung rekonstruieren. Wilhelm II. verlangte bald nach seinem Amtsantritt als erster preußischer Monarch die unbedingte Wahrung seiner 33 34

DEKZ 12.02.1898, hier zitiert nach: Pollmann 2001, 96. Strötz 2001, 189.

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„Prärogative als höchster Landesbischof“ der evangelischen Kirche.35 In einem prächtigen Bilderbuch, das zum fünfundzwanzigjährigen Regierungsjubiläum des Kaisers 1913 erschien, heißt es im Kapitel „Der Kaiser und die Kirche“: „Summus episcopus – oberster Landesbischof –, das ist die Würdenstellung und das Amt, welches die Geschichte unserem Kaiser über die im Bereiche der preußischen Monarchie bestehenden evangelischen Kirchen anvertraut hat“.36 Und ich möchte vermuten, dass der Kaiser sein Recht zu predigen, Gottesdiensten vorzustehen und Andachten zu halten, nicht etwa aus dem allgemeinen Priestertum aller Glaubenden oder – wie Wilhelm Hüffmeier meint37 – aus dem bei Luther in den Katechismen formulierten Recht des Hausvaters, die Familie religiös zu belehren, ableitete, sondern eben aus seiner Würde als Summepiskopus. Dass er damit eine Art Notregiment, eingerichtet, weil kein Bischof der alten Reichskirche im sechzehnten Jahrhundert dauerhaft zur Reformation übergegangen war, eigenmächtig ausgestaltete und ausweitete, war dem theologisch nicht sonderlich tief gebildeten Monarchen vermutlich nicht klar; offenkundig wagte auch kein theologisch besser Gebildeter, den Kaiser auf das tiefe Problem seines Agierens hinzuweisen – nämlich das Problem, dass sich hier ein Laientheologe zum Oberhirten aufschwingt und Grundstrukturen des reformatorischen Pfarramtes konterkariert. Wenn ich recht sehe, sind regelrechte Predigten und gottesdienstliche Ansprachen des Kaisers aus zwei Kontexten überliefert, nämlich bei Fahrten auf seiner Yacht „Hohenzollern“ vor 1914 und nach 1918 im Exil bei täglichen Morgenandachten. Einige wenige wurden veröffentlicht, die meisten liegen als Manuskripte im Nachlass und als Mikrofiche im Preußisch Geheimen Staatsarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Dahlem.38 Da nur etwa dreißig Texte erhalten sind, muss man annehmen, der Kaiser habe relativ häufig auch Texte anderer vorgetragen, häufig frei geredet oder aber die Stichwortzettel bald weggeworfen. Eine von monarchistischen Kreisen in den zwanziger Jahren in Aussicht genommene Veröffentlichung des Materials wurde von der Umgebung des Exilierten unterbunden; offenbar fürchtete man negative Wirkungen einer Publikation, zu der es auch 35 DEKZ 12.02.1898, zitiert nach: Pollmann 2001, 97. – Eine abweichende Interpretation des Befundes hat vorgelegt Hüffmeier 2014, bes. 197–202. Hüffmeier verweist auf die Funktion des „Hausvaters“. 36 Achenbach u.a. 1913, 239. – Auf S. 240 finden sich faksimiliert vier Anordnungen für Predigttexte der Hofprediger, die von der Eisenacher Perikopenordnung abweichen; der Kaiser notiert mit der Hand den Bibeltext (dazu auch Achenbach u.a. 1913, 245–246). 37 Vgl. den Nachweis in Anm. 35; Hasselhorn 2012, 123–135; bes. 135 lässt die Frage offen, auf welcher Basis der Kaiser sich das Recht herausnahm zu predigen. Vielleicht ist die Frage für den eher wenig theoretisch interessierten Monarchen auch einfach zu theoretisch gestellt. 38 Ich danke meiner früheren Assistentin Frau Anna Rack-Teuteberg für alle Hilfe bei der Erschließung des Materials. Um die abschließende Redaktion kümmerte sich freundlicherweise meine gegenwärtige Mitarbeiterin Mirjam Wulff. Weitere Quellennachweise bei Hüffmeier 2014, 200–202.

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seither nicht gekommen ist.39 Wenn ich recht sehe, existieren sogar zwei photographische Aufnahmen des predigenden Monarchen – die eine zeigt den Kaiser in einer Admiralsuniform vor einem mit der Reichsflagge bedeckten Altarpult mit Kanzelaufsatz auf dem Schiffsdeck seiner Yacht Hohenzollern (um 1905), vor ihm liegt eine Bibel, in der rechten Hand hält er die Schirmmütze seiner Uniform. Und aus den letzten Lebensjahren existiert ein etwas dunkles Bild des abgedankten Herrschers im Zivil, während er eine Hausandacht für die Hausangestellten und aus dem Reich zugereiste Gäste hält.40 Zunächst einige Bemerkungen zu den Schiffspredigten. Wenn man den Berichten über die Nordlandreisen in die norwegischen Fjorde, die Philipp zu Eulenburg und andere veröffentlichten, trauen kann, hielt auf der Yacht zwar der Kaiser die Gottesdienste, aber verlas dabei vor allem Predigten des (mitgereisten) Potsdamer Garnisonpredigers Johannes Keßler (1865–1944).41 Von letzterem stammt auch eine halbwegs ausführliche Schilderung solcher Sonntagmorgenfeiern: „Als ich mich zum ersten Male beim Kaiser an Bord der ‚Hohenzollern’ meldete, sagte er: ‚Sie sollen sich hier erholen! Sie sind hier nicht Prediger, sondern mein Gast. Ich als oberster Schiffsoffizier bin hier Prediger. Sie können mir die Schiffspredigten machen, aber ich werde sie halten‘, worauf ich dem Kaiser antwortete: ‚Ich freue mich, daß ich mich auch mal selbst predigen höre‘“.42 Keßler beschreibt, dass sich um die kaiserliche Yacht eine größere Zahl von Booten lagerte, die gern auch den Gottesdienst des Kaisers verfolgen wollten, grundsätzlich der Gottesdienst mit dem Choral „Ein feste Burg“ begonnen wurde und der Kaiser dann predigte – man darf also von einer verkürzten Liturgie ausgehen.43 Keßler weiter wörtlich: „Die Predigtworte des Kaisers waren so kraftvoll, die Gebete so innig, der Segen so freudig, daß ich mich aufrichtig freute, wie nicht ich, sondern der Oberste Kriegsherr und der Summus Episcopus den Gottesdienst abhielt“.44 Schaut man allerdings auf Details, kann man jedenfalls vor dem Hintergrund heutiger theologischer Maßstäbe dem Garnisonprediger Keßler nicht mehr zustimmen und erschrickt eher über die hemmungslose Politisierung in den Predigten 39 Friedrich 2001, 127 Anm. 104. – Möglicherweise bestanden auch wegen seiner Parteinahme für den Schwiegervater Stoecker Vorbehalte gegen den Herausgeber Reinhard Mumm (1872–1932). 40 Abbildungen bei Hüffmeier 2014, 199 (Gottesdienst auf der Yacht, 19.06.1905); Willderotter 1991, 308. 41 Eulenburg 1931, 17 (zum 11.06.1897: „… trotz des herrlichen Gottesdienstes, mit dem er begann“); 46 (zum 25. Juli 1897: „Sonntag. Keßler hält uns eine vortreffliche Predigt“); 64 (zum 10.06.1898: „es war mir sehr beweglich, den Kaiser wieder bei Gesundheit und Frische seines Amtes walten zu sehen. Die Predigt von Keßler, die er las, war recht schön“; ähnlich zum 17.06.1898, 75). 42 Keßler 1935, 170. 43 Ebd. – Der Kaiser entspricht dem zeitgenössischen homiletischen Ideal, wenn er die Predigten memoriert und auswendig vorträgt. 44 Ebd.

Der Kaiser als Hobbywissenschaftler

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des Monarchen. Am 29. Juli 1900 predigte der Kaiser beispielsweise vor Helgoland und aktualisierte die alttestamentliche Amalekiterschlacht munter in die Gegenwart hinein: „Wer verstünde heute nicht, was es uns sagen will. Wiederum hat sich ja heidnischer Amalekitergeist geregt im fernen Asien“ – die meisten werden wissen, dass Wilhelm II. hier auf den Boxeraufstand in China Bezug nahm, gegen den sich gerade ein deutsches Expeditionskorps eingeschifft hat und dort schrecklich wüten wird, ermuntert durch entsprechende Brandreden des Monarchen. Die Daheimgebliebenen forderte Willhelm zum Gebet für die ausgezogenen Krieger auf und verband ein solches Tun mit der Figur des Mose, dessen Hände nach dem Zeugnis des Predigttextes zum Gebet ausgebreitet sind und dadurch Israel den Sieg sichern:45 „Ja, der alte Gott lebt noch! Der große Alliierte regiert noch, der heilige Gott, der Sünde und Freveltaten nicht kann triumphieren lassen, sondern seine heilige Sache führen wird wider ein unheiliges Volk“.46 Und nun zu den Hausandachten. In seiner Exilresidenz, die der Kaiser nach der Abdankung im November 1918 und einer schwierigen Zwischenzeit Mitte 1920 im holländischen Doorn bezog, hielt er jeden Morgen im Vestibül eine Morgenandacht und verwendete dazu eine Bibel, die ihm nach Einweihung der Erlöserkirche am Reformationstag 1898 geschenkt worden war – eine Schnitzerei mit dem Bild der Kirche ziert den Buchdeckel aus Olivenholz.47 Der Kaiser stand dabei mit der Bibel an einem Olivenholzpult, das ihm im selben Jahr von der Evangelischen Gemeinde in Haifa geschenkt worden war.48 In der Einleitung zu einer der wenigen gedruckten Andachten, einem Text des Jahres 1925, wird beschrieben, dass die Andachten „jeden Morgen pünktlich um 7 Uhr 40“ beginnen, zunächst der Herrnhuter Losungs- und Lehrtext samt Liederversen aus dem Gesangbuch der Brüdergemeine gelesen wird und dann der Kaiser selbst spricht oder einen Text „aus Spenglers Pilgerstab“ verliest.49 Für die Vorbereitung seiner Ansprachen, die er nun offensichtlich häufiger selbständig schrieb, stand dem Kaiser in der Bibliothek vor seinem Arbeitszimmer das bereits erwähnte „Göttinger Bibelwerk“ zur Verfügung. Solchen Sammelwerken für gebildete Laien und einfache Pfarrer entnahm der Kaiser beispielsweise, was er in einer Sonntagsandacht vom 16. März 1930 zum Hauptmann von Kapernaum sagte – die Übersetzung „Hauptmann“ sei falsch, gemeint sei ein centurio. Da man an diesem Tag der Gefallenen des ersten Weltkriegs gedachte, zieht der Prediger den antiken Hauptmann mitten in die Gegenwart: centurio bedeute „das, was wir heute einen Gar45

Seepredigt (29.06.1900), zitiert nach: Johann 1977, 91–96, hier: 92. Seepredigt (29.06.1900), zitiert nach: Johann 1977, 94. 47 Wilderotter/Pohl 1991, Nr. 529 (mit Abb.), 317. 48 Ebd., Nr. 530 (mit Abb.), 317. 49 Kirchlich-soziale Blätter 29, 1926, Nr. 4.1; gemeint ist: Spengler 1894. Die „Losungen und Lehrtexte“ nahm der Kaiser, wie schon Friedrich Wilhelm IV., als eine Art kleines Tagebuch, „als Randbemerkung schreibt der Kaiser vor allem über das Wetter und Geburtstage“ (persl. Mttlg. B. Leeuve, Stichting Huis Doorn, brieflich am 27.04.2006). 46

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nisonältesten, also einen Stabsoffizier, nennen“. Wieder kann man die schroffe Tendenz des Kaisers zur radikalen Politisierung seiner Predigt beobachten, die eine höchst problematische Folge seiner aus der Erweckungsbewegung stammenden Tendenz ist, jeden Bibeltext mitten in das eigene Leben und das seiner Hörer zu ziehen. So wird jedem an der Predigt über den Hauptmann deutlich, dass hier nicht nur ein frommer Christ, sondern ein begeisterter Soldat spricht, ein begeisterter Soldat, der den Offizierskollegen aus Kapernaum für sein „außerordentlich sympathisches Verhältnis zu seinem Untergebenen“ lobt, aber auch die gestorbenen Soldaten und Offiziere des Weltkriegs für ihre Treue zum „Fahneneid für Kaiser und Reich, für deutschen Raum und deutsche Ehre“. Liest man andere Andachten aus Doorn, bestätigt sich, was wir schon zur lebensorientierten Frömmigkeit des Kaisers ausführten. Zu Pfingsten 1925 fragt der Kaiser nicht nach der Dogmatik des Heiligen Geistes, sondern nach dem „Pfingstgeist im praktischen Leben“.50 Wenn er in der Passionszeit tatsächlich einmal etwas technischer vom „Erlösungsopfer“ Jesu Christi spricht, geht es ihm eigentlich um die Jünger Jesu und er wird sofort wieder sehr lebensnah in seiner Wortwahl: die Jünger sind die, die – so der Kaiser – im Garten Gethsemane alle „wieder durch die Prüfung fallen“, nur Johannes „besteht als einziger sein Examen“. Die furchtsamen Jünger am See Genezareth charakterisiert er in einer anderen Andacht so: „Die mutige Zuversicht ist aus den Augen der Fischerleute geschwunden. Erste bange Sorge, dann Furcht, schließlich Verzweiflung packt sie! Aller Mannesstolz ist dahin; ihr „Latein“ – wie wir Menschen zu sagen pflegen – war zu Ende!“51 Wir haben die Kommunikation des Kaisers im Babel-Bibel-Streit beleuchtet, wir haben seine Hobby- bzw. Laientheologie behandelt und sollten nun zum Abschluss noch knapp auf das dritte und letzte Stichwort Wissenschaftspolitik aus dem Titel kommen. An dieser Stelle können wir uns nun allerdings sehr kurz fassen. Im Grunde reicht an dieser Stelle eine mehr rhetorische Frage: Vertrat der Kaiser mit seinem oben zitierten Hinweis auf den Bereich der strengen historischen Wissenschaften und der Assyriologie im Brief an Admiral Hollmann überhaupt ein wissenschaftspolitisches Konzept? Gehört das monarchische Handeln im Babel-Bibel-Streit gar in die Reihe im eigentlichen Sinne wissenschaftspolitischer Leistungen des Kaisers wie die Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und anderer Institutionen, sein finanzielles Engagement für einzelne Wissenschaften wie die Archäologie?52 Ich denke, dass die Antwort „nein“ nicht ausführlich begründet werden muss. Wir sahen, dass kein wissenschaftstheoretisches Konzept der Autonomie der Religionswissenschaften von der Theologie hinter dem Handeln des Kaisers stand, sondern ein eher handgestrickter Versuch, den Konflikt zwischen dem Wissenschaftler Delitzsch und oberkirchenrätlicher Theologie zu pazifizieren. Sehr pointiert formuliert: An dieser Stelle zeigt sich, dass 50

Kirchlich-soziale Blätter 29, Nr. 4.1. Eine ausführliche Analyse von Predigten auch bei Hüffmeier 2014, 203–214. 52 Burchardt 1975; Vierhaus/vom Brocke 1990. 51

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der Monarch nicht nur ein Hobbywissenschaftler mit teilweise stark dilettantischen Zügen war und ein Laientheologe mit vergleichsweise schlichter Bildung, sondern eben auch ein Hobbywissenschaftspolitiker. Man kann ihm an dieser Stelle aber immerhin eine konsistente Persönlichkeit mit konsistentem Auftreten bescheinigen.

Kaiser Wilhelm II. und der Babel-Bibel-Streit Wissenschaft, Offenbarung, Antisemitismus und die Legitimation des Monarchen Sabine Mangold-Will

Der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. war ein bibelfester Monarch. Er predigte bekanntlich nicht nur selbst oder wählte zumindest den Bibelvers für die in seiner Gegenwart gehaltene Sonntagspredigt aus, er liebte es auch, mit seinen Bibelkenntnissen zu renommieren, während er als historisch Gebildeter engagiert über die Entstehung und Übersetzungsprobleme des Alten und Neuen Testaments sprach. Wenn Wilhelm II. von „Babel“ reden hörte, wird er sich daher vermutlich genau an die beiden berühmtesten Stellen erinnert haben, an denen das Wort im Alten Testament auftaucht: Da ist zunächst die Geschichte vom Turmbau im 1. Buch Moses, wo es in der deutschen Übersetzung heißt: „So zerstreute sie der Herr von dort in alle Länder, dass sie aufhören mußten die Stadt zu bauen. Daher heißt ihr Name Babel, weil der Herr daselbst verwirrt hat aller Länder Sprache und sie von dort zerstreut hat in alle Länder.“1 Das ist jene Stelle des Alten Testaments, die in der Geschichte der Philologie bis weit ins 19. Jahrhundert hinein als Ausgangspunkt einer wissenschaftlichen Debatte über den Ursprung und die Genese der Sprachen fungierte und gleichermaßen in den Migrations- und Kulturverbreitungsdebatten seit der Aufklärung ihre säkularisierende Wirkung entfaltete. „Babel“ ist in der Bibel zugleich der Ort des größten Triumphes des Gottes, von dem der Prophet Jesaja in seinem Buch sagt: „So soll Babel, das schönste unter den Königreichen, die herrlichste Pracht der Chaldäer, zerstört werden von Gott, wie Sodom und Gomorra, dass man hinfort nicht mehr da wohne noch jemand da bleibe für und für“.2 Als Kaiser Wilhelm II. am 13. Januar 1902 in die Berliner Singakademie fuhr, um sich den ersten „Babel und Bibel“ überschriebenen Vortrag „seines“ Berliner Assyriologieprofessors Friedrich Delitzsch anzuhören3, ahnte er nichts von der schmerzlichen Ironie, die diese Prophezeiung für sein eigenes Reich barg. Er erlag vielmehr – worauf noch eingegangen werden soll – der von Delitzsch provozierten Assoziation zwischen Berlin und der „Großmacht“ Babylon.

1

1. Mose 11, 8 nach: Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers, Stuttgart 1999, 12. Jesaja 13, 19 und der erste Teil von Vers 20, nach: ebd., 680. 3 Delitzsch, Friedrich 1902. 2

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Folgerichtig hing auch Wilhelms späteres Ringen, im holländischen Exil, um die Entjudaisierung gerade des Propheten Jesaja4 elementar mit seiner komplexen Positionierung im Babel-Bibel-Streit zusammen. Denn für Wilhelm II. ging es in dieser von ihm bewusst in die Öffentlichkeit getragenen Debatte5 nicht um einen akademischen Streit zum Kulturtransfer im Alten Orient, sondern um die gesellschaftliche Bestimmung des Verhältnisses zwischen Wissenschaft, Offenbarungsglaube und Antisemitismus – also dreier nicht nur in seinem Denken, sondern in der kulturellen und politischen Arena des Kaiserreiches virulenter Erscheinungen, die die Ambivalenz der Moderne mitbestimmten. Ausgerechnet das untergegangene „Babel“ wissenschaftlich „wiedererstehen“ zu lassen6, wie es die Orientalischen Archäologen und Assyriologen des späten 19. Jahrhunderts im metaphorischen Sinne taten, haftete aus Sicht der Zeitgenossen – aller Säkularisierung zum Trotz – der Odem des Ungeheuerlichen an. Die Rechtfertigung ihres Tuns mit dem Argument, zum besseren Verständnis der Bibel beizutragen, war von Anfang an ein zweischneidiges Schwert. Einem theologisch dilettierenden Geisteswissenschaftler wie Friedrich Delitzsch war das wohl bewusst, auch wenn er nicht vorhersehen konnte, welches irdische Brausen er mit seinem Vortrag auslösen sollte. Doch Delitzsch wollte die Provokation im Dienste der Assyriologie, er war sich der Verunsicherung bewusst, die mit seinem wissenschaftlichen Bekenntnis einhergehen würde. Ausdrücklich warnte er die Zuhörer seines ersten Vortages davor, dass „wenn erst die Summa der gewonnenen neuen Erkenntnisse“ die „Schranken der Studierstube“ durchbrochen haben würde und in Kirche und Schule hinausgetreten wäre, „das Leben der Menschen und Völker tief erregt“ werden würde.7 Womit er indes nicht gerechnet hatte, war die irritierende Gabe des letzten deutschen Monarchen, die Ambivalenzen der Moderne produktiv in sein synkretistisches Weltbild einzubauen und wissenschaftliche Erkenntnisse mit politischen Interessen zu verbinden. Wissenschaft trifft Politik – so ließe sich das Scenario des Babel-Bibel-Streites auch überschreiben. Oder noch anders formuliert: Ohne den Kaiser wären Delitzschs Vorträge 4

Vgl. Niederschrift Kaiser Wilhelms II. zu Chamberlains Buch „Mensch und Gott“, Doorn, 12.03.1923, in: Chamberlain 1928, 265–273, bes. 267–269. 5 Leider hat Martin Kohlrausch in seinem Buch zu den Skandalen des Kaiserreichs keinen Blick für den Babel-Bibel-Streit als Teil des Monarchiediskurses. Vgl. Kohlrausch 2005. Vielleicht nimmt sich ja jemand dieser Anregung an, denn es wäre von Interesse, den Babel-Bibel-Streit nicht länger nur als Medienereignis der beteiligten Fächer und Konfessionen, sondern als Teil der Debatte um die Monarchie und die Bewährung des Kaisers zu registrieren. Vielleicht hatte Kohlrausch ihn nur nicht im Blick, weil dieser Skandal zum Nutzen des Monarchen ausfiel? 6 Delitzsch verwendet in seinem Vortrag wiederholt Begriffe aus dem semantischen Feld der „Wiederbelebung“ und „Auferstehung“, vgl. z.B. Delitzsch, Friedrich 1902, 8: „So stehen alle die Männer, welche durch drei Jahrtausende hindurch die Weltgeschichte gemacht, lebendig wieder auf …“ 7 Delitzsch, Friedrich 1902, 4. Hervorhebung durch SMW.

Kaiser Wilhelm II. und der Babel-Bibel-Streit

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zwar gehalten, aber nicht in Erinnerung behalten worden. Denn sie wären nie zu einem gesamtgesellschaftlichen Politikum geworden, sondern eine Marginale der Wissenschaftsgeschichte geblieben. Wäre der Kaiser nicht involviert gewesen, hätten Delitzsch Vorträge wahrscheinlich noch nicht einmal eine innerwissenschaftliche Debatte ausgelöst, sondern wären abgehakt worden, als das, was sie waren: Werbevorträge von zweifelhaftem Gehalt mit einer altbekannten These: Babel und Bibel gehören zusammen und helfen, sich wechselseitig zu interpretieren. Doch weil der Kaiser im Publikum saß und so begeistert war, dass er Delitzsch zur Wiederholung seines Vortrages ins Berliner Stadtschloss einlud, konnte eine Reaktion schlicht nicht ausbleiben. Deswegen geht es mir im Folgenden genau um diese Fragen: Was motivierte den Kaiser überhaupt, sich Delitzschs Vorträge anzuhören? Was faszinierte ihn so sehr, dass er sogar eine Wiederholung forderte? Und warum trug er seine Position (erst) nach Delitzschs zweitem Vortrag in der Form des sogenannten „Hollmann-Briefes“ offensiv in die Öffentlichkeit? Wie sah schließlich diese Position konkret aus? Obwohl das Wesentliche zu Wilhelm II. und dem Babel-Bibel-Streit längt bekannt und in detaillierter Quellenarbeit, nicht zuletzt in der Pionierstudie von Reinhard Lehmann8, zusammengetragen worden ist, hoffe ich, dem Thema zumindest einen neuen Aspekt abgewinnen zu können. Die folgenden Ausführungen zu Wilhelms Rolle im Babel-Bibel-Streit kreisen daher um die Funktion der Eskalation, die Wilhelm II. durch die Veröffentlichung seines bekannten Schreibens an Admiral Hollmann, bewirkte. Sie wird als Teil der monarchischen Legitimationsarbeit des letzten Hohenzollerns interpretiert – eines Legitimierungsunternehmens, das im Zeitalter widerstreitender Prozesse zwischen Verwissenschaftlichung und anhaltender religiöser Verortung wie antirationalistischer Kulturkritik, zwischen Imperialismus, aber gleichzeitig einsetzender verbaler Humanisierung im globalen Kontext und zwischen medialer Popularisierung im Zeitalter antiegalitärer Denkfiguren funktionieren musste. Folglich konnte das Ringen um die Legitimierung der Monarchie und des Monarchen in dieser Ambivalenz der klassischen Moderne nur widersprüchlich, unvollständig und inkonsistent sein. Dem entsprach, dass weder der Kaiser noch seine Entourage eine klare Legitimierungsstrategie oder ein langfristig geplantes Legitimierungskonzept verfolgten. Es gab keinen Plan, kein durchdachtes Programm, vielmehr zeichnete sich die Arbeit an der Monarchie durch performative Elemente und sich wuchernd entwickelnde Ideen aus, die situativ Anregungen von außen aufnahmen. Im kaiserlichen Denkgebäude von der Monarchie gab es dennoch – so meine These – eine gewisse Konsistenz, bei der die Beschäftigung mit den Altertumswissenschaften, zumal der Vorderasiatischen Archäologie und der Assyriologie, eine zentrale Rolle spielte, und die zudem keineswegs erst im Exil entstand, als Wilhelm nichts mehr 8

Lehmann 1994, bes. 211–230 (= Kap. 7 Der Babel-Bibel-Streit als Politikum. Kaiser Wilhelm II.) sowie den summarischen Aufsatz: Lehmann 2018, 55–66.

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Rechtes zu tun hatte, außer seine Herrschaft retrospektiv zu verklären. Bewusst plakativ formuliert: Alles, was dieser Kaiser sein Leben lang tat, diente der Legitimierung der Monarchie im Zeitalter der Erosion der Monarchie. Dass er durch sein Handeln diese Erosion mitbeförderte, sei im vorliegenden Zusammenhang auf einem anderen Blatt notiert. Ein Mann wie Wilhelm II. hatte keine Hobbies, weil er das Konzept von Freizeit gar nicht kannte; er kannte – wie er in seinen Memoiren schrieb – „Stunden der Erholung“9. Aber die Themen, mit denen er sich in diesen Mußestunden als Dilettant im klassischen Sinne des Wortes beschäftigte – nach eigenem Bekenntnis „die Archäologie und die Ausgrabungstätigkeit“10 – waren genauso Teil seines monarchischen Handelns, wie Marginalien an Akten des Auswärtigen Amtes zu schreiben. Auch als er am 13. Januar 1902 und am 12. Januar 1903 in die Berliner Singakademie fuhr, um sich als Ehrenpräsident der Deutschen Orient-Gesellschaft (DOG) die Vorträge des Berliner Professors für Assyriologe Friedrich Delitzsch anzuhören, war Wilhelm II. nur eines: der Mon-Arch in Reich und Einzelstaat, und eben kein Privatmann, der seinem Hobby nachging. Wilhelm II. und der erste Vortrag des Assyriologen Friedrich Delitzsch Zunächst gilt es sich noch einmal zu vergegenwärtigen, warum Wilhelm II. sich überhaupt die Vorträge Friedrich Delitzschs persönlich anhörte und den engsten Hof, einschließlich der Kaiserin, zwang, es ihm gleichzutun. Als die Deutsche Orient-Gesellschaft im Frühjahr 1898 auf Initiative des Berliner Mäzens James Simon gegründet wurde, verstand sie sich explizit als eine private bürgerliche Vereinigung, die sich der Förderung der Wissenschaften, konkret der Finanzierung deutscher Ausgrabungen im Nahen Osten, widmen wollte. Erst 1901 gingen sie und Kaiser Wilhelm II. ein „Bündnis“ ein, das der wechselseitigen Werbung diente.11 Aus Sicht der DOG versprach die Zusage des Kaisers, fortan als Schirmherr aufzutreten, nicht nur politische Protektion, sondern auch vermehrte öffentliche Aufmerksamkeit und zusätzliche Finanzierungsmittel. Friedrich Delitzschs Vortrag in der Berliner Singakadamie gehörte zu den Werbemaßnahmen der DOG für ihr wissenschaftliches Anliegen. Der Kaiser kam seiner Pflicht als Schirmherr nach, als er mit großem Gefolge zum Vortrag auftauchte.12 Zugleich entsprach der kaiserliche Protektor einem Wunsch des Referenten. Friedrich Delitzsch war erst drei Jahre zuvor, 1899, aus Leipzig nach Berlin auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Assyriologie berufen worden. Für Delitzsch bedeutete diese Berufung die Krönung seiner Karriere. Dennoch musste er sich und sein Fach in der Reichhauptstadt erst richtig etablieren, bekannt machen, ja 9

Wilhelm II. 1922, 168. Ebd. 11 Vgl. Renger 1979, 151–192, bes. 160–161, mit dem Verweis auf die geistvollen Memoiren von Auer [Güterbock] 1995. 12 Zur DOG vgl. Matthes 2000. 10

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letztlich sogar legitimieren. Denn seine Berufung an die Friedrich-Wilhelm-Universität war alles andere als selbstverständlich gewesen und in erheblichem Maße auf den Einfluss des immer wieder als „allmächtig“ titulierten Ministerialdirigenten im preußischen Kultusministerium, Friedrich Althoff, zurückzuführen. Delitzsch suchte daher nach einer Möglichkeit, Person und Professur, sich selbst und die Ergebnisse seines Faches, öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. 13 Schließlich war da Wilhelm II., preußischer König aus dem Haus der protestantischen Hohenzollern, der summus episcopus der preußischen Lutheraner, ein leidenschaftlicher Vertreter der performativen und medialen Selbstinszenierung als Monarch und seinem Selbstverständnis nach der ebenso leidenschaftliche Förderer der Wissenschaften14 wie Verteidiger des Christentums15, zudem der Reichs-Kaiser, der Deutschland zur vierten Weltmacht neben Frankreich, Großbritannien und Russland zu machen gedachte. Nicht allein seiner engeren Umgebung war dabei seit längerem bekannt, dass der „Orient“ den Kaiser nicht nur politisch beschäftigte, sondern der Monarch auch ein reges Interesse an den Details der orientalistischen Sprach- und Altertumswissenschaften hegte. Kumulationspunkt beider Interessen war die große Orientreise des Kaiserpaares im Jahr 1898 gewesen. Es ist hier nicht der Ort, erneut auf diese oft besprochene Reise einzugehen. Die folgenden Schlagworte sollen und müssen zur Vergegenwärtigung ihrer vielschichtigen Bedeutung ausreichen: Einzug in Jerusalem, Einweihung der Erlöserkirche, Gespräch mit Theodor Herzl, DamaskusRede, Begegnung mit Sultan Abdul Hamid II., Besuch von Baalbek, BagdadbahnKonzession und die Veröffentlichung des als Reisebeschreibung „getarnten“ geschichtspolitischen Monumentalwerkes „Das Kaiserpaar im Heiligen Land“.16 Angesichts dieser offensichtlichen, allseits bekannten Manifestationen spezifischer wilhelminischer Außenpolitik und monarchischer Selbstlegitimierung war Delitzschs Vortrag als öffentliche Werbemaßnahme für die DOG vor dem Kaiser von Anfang an ein Politikum. Indem Wilhelm II. zusagte, positionierte er sich öffentlich sichtbar in einer der zentralen Kulturdebatten seiner Zeit: In der Frage nach dem Verhältnis von Wissenschaft und Religion – denn dafür standen Babel und Bibel auch – bekannte sich der Kaiser nicht zum ersten Mal öffentlich deutlich zur Wissenschaft und ihren durchaus umstürzlerischen Ergebnissen. Nur weil dieser Kaiser so wissenschaftsaffin war, war die Rückfrage an seine Religiosität überhaupt dringend zu 13

Zu Delitzsch, seiner Berufung und der Berliner Assyriologie sowie seiner zwiespältigen Rolle als eminenter Wissenschaftspopularisierer vgl. Lehmann 1994; Renger 1979, 167– 171 sowie Mangold 2004, 164–167 mit dem Verweis auf weitere Quellen und Literatur. 14 Simon 1991; Steinbach 2017. 15 Benner 2001. Zu Wilhelms theologischer Anschauung vgl. den Beitrag von Christoph Markschies in diesem Band. 16 Zur Orientreise zuletzt vgl. Vieweger/Serr/Serr 2017 und Mangold-Will 2017a; jeweils mit Verweisen auf die einschlägige ältere und neuere Literatur zur Orientreise.

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stellen. Auch im Babel-Bibel-Streit positionierte sich Wilhelm II. eindeutig mit Friedrich Delitzsch auf der Seite des wissenschaftlichen Fortschritts. Das war es, was ihn grundsätzlich an diesem Vortrag interessierte: dass Religion im Zeitalter der Wissenschaften auch wissenschaftlich ebenso beweis- wie reformierbar war. Der Babel-Bibel-Streit als Kulturkampf: Wissenschaft und Religion Der Blick auf die ersten Sätze des Vortrages von Friedrich Delitzsch lässt keinen Zweifel daran zu, worum es dem Berliner Assyriologen ging: Er wollte einem gebildeten, aber nicht fachspezifischen Publikum klarmachen, warum es der Assyriologie und der Vorderasiatischen Archäologie bedurfte: um eine Lösung zu finden für „das gerade in unserer Zeit jedem Denkenden sich aufdrängende Ringen nach einer Vernunft wie Herz befriedigenden Weltanschauung“17. Grundsätzlicher, fundamentaler, ließ sich die Bedeutung der vorderasiatischen Altertumswissenschaften wie das Anliegen seines Vortrages nicht formulieren. Delitzsch zielte darauf ab, deutende Sinnstiftung für die Gegenwart zu liefern und dabei das Verhältnis zwischen den beiden zentralen Kulturfaktoren Wissenschaft und Religion neu zu tachieren; ja er war überzeugt, durch die Erkenntnisse, die er verbreitete, würden „Menschen und Völker […] bedeutsameren Fortschritten zugeführt werden, als durch alle modernen Entdeckungen der Naturwissenschaften zusammen.“18 An Selbstbewusstsein fehlte es dem Assyriologen Delitzsch also wahrhaftig nicht19; und es war zugleich genau dieses Versprechen auf Erneuerung und Fortschritt auch auf dem Feld von Religion und Weltanschauung, das den Kaiser an Delitzschs Vortrag faszinierte. Die Geschichtswissenschaft hat sich nicht erst seit John Röhls monumentaler Biographie20 angewöhnt, Wilhelm II. als einen sprunghaften, zu systematischer Arbeit unfähigen und zudem leicht beeinflussbaren Menschen zu charakterisieren. Zweifellos trifft dieses Urteil; aber es vernachlässigt, was die Zeitgenossen an Wilhelm II. schätzten: sein phänomenales Gedächtnis, seine schnelle Auffassungsgabe, seine Offenheit für Innovationen aller Art und sein Bestreben, die widerstreitenden Angebote der Weltdeutungen in sein Denken zu integrieren. Wilhelm II. war, das hat nicht zuletzt Wolfgang König eindringlich betont, ein Mensch der Moderne – und das bedeutet nicht zuletzt: der Ambivalenzen der Moderne.21 Die Frage nach dem Verhältnis von Wissenschaft und Religion, die die großen Kulturdebatten des gesamten 19. und frühen 20. Jahrhunderts durchzog und zu17

Delitzsch, Friedrich 1902, 4. Ebd. 19 Für diese eigenwillige Zuspitzung zugunsten der Geisteswissenschaften zog sich Delitzsch nicht geringen Spott der Zeitgenossen zu. Geradezu beißend fiel der von H. St. Chamberlain aus. Vgl. Chamberlain 1903c, 34–36. 20 Röhl 1993–2008. 21 Vgl. König 2007 sowie Mangold-Will 2017b. 18

Kaiser Wilhelm II. und der Babel-Bibel-Streit

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dem elementar die Selbstverortung Europas gegenüber dem „Orient“ prägte, beschäftigte auch Kaiser Wilhelm II. Doch die Bedeutung dieser Frage erschöpfte sich für den Monarchen nicht in ihrer Eigenwertigkeit, sondern ergab sich aus dem gesellschaftlichen Druck, die Monarchie (und damit das eigene Handeln) in der Moderne adäquat zu legitimieren. Die historischen Disziplinen im weitesten Sinne galten gerade im regierenden Adel schon immer als geeignete „Ressourcen“ zur Stabilisierung der monarchischen Gesellschaftsordnung. Doch die neue Disziplin der Assyriologie bot sich auf ganz besondere Weise dazu an: eröffnete sie doch anscheinend den Blick zurück an den Ursprung, an den Moment der Erfindung der Monarchie.22 Auch Delitzschs Vortrag konnte so gelesen werden und war – konsequent adressatenbezogen – geradezu darauf angelegt: Die begleitenden 50 Lichtbilder zeigten überwiegend „Portraits“ und „Reliquien“23 großer Könige, sowie Handlungen und Orte monarchischer Herrschaft. Mit dem Verweis auf „die Männer, welche durch drei Jahrtausende hindurch die Weltgeschichte gemacht“24 haben, begann der Vortrag; mit der Referenz an den wissenschaftsfördernden Monarchen der Gegenwart endete er. Dazwischen bediente sich Delitzsch einer methodisch zweifelhaften, aber zeitgenössisch verbreiteten historischen Technik, die Wilhelm II. später in seiner Veröffentlichung zum „Mesopotamischen Königtum“25 auf die Spitze trieb: Delitzsch Vortrag lebte davon, dass er die Bewohner des antiken Zweistromlandes geradezu als kulturelle Vorläufer der preußisch-deutschen Gegenwart inszenierte. Schritt für Schritt zeigte er, wie die alte Welt der Welt der Berliner Zeitgenossen ähnelte. Nachdem er Orte, Persönlichkeiten und Völker (S. 10) vorgestellt hatte, wandte er sich dem Kriegswesen (S. 14) und den königlichen Vergnügungen zu: der Jagd (S.14) und der „königliche[n] Tafel“ (S. 17), sodann folgten die Götter, Technik und Kunst, schließlich: Rechtsstaat, Handel und Wissenschaft. Und bei all diesen Kulturerscheinungen zog er Parallelen und Vergleiche zur Gegenwart. Wörtlich endete dieser große erste Teil des Vortrages: „Aber dieser Brennpunkt von Kultur und Wissenschaft und Litteratur, das „Hirn“ Vorderasiens, die alles beherrschende Macht war Babylon.“26 Suggestiv hing damit der Berlin-Babylon-Vergleich in der Luft. „Solch drastisches Hereintragen des assyrischen Altertums bis in unsere Zeit mutet uns freilich befremdlich an“, nahm Delitzsch rhetorisch die Kritik an seiner Vergegenwärtigungstechnik vorweg; aber er ließ sich davon keineswegs abbringen, sondern verstärkte sie noch, indem er seinen Zuhörern erklärte: „(S)o wirkt

22

Vgl. dazu und zu dem wissenschaftshistorisch bemerkenswerten Wechselspiel zwischen monarchischer Ordnung und fachlichen Interpretationen innerhalb der Assyriologie: Cancik-Kirchbaum 2007. 23 Zu diesem Begriff Delitzschs siehe Delitzsch, Friedrich 1902, 9. 24 Ebd., 8. 25 Wilhelm II. 1938. Vgl. auch Mangold-Will 2017a, bes. 61–64. 26 Delitzsch, Friedrich 1902, 27.

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in alledem die sumerisch-babylonische Kultur lebendig bis auf diesen Tag fort“27. Indes zielte diese Vergegenwärtigung nicht darauf ab, zu einem vergangenen Zustand der Alten Welt zurückzukehren, sondern fortzuschreiten: „Auch wir“, so schreibt Delitzsch, das Goethe-Wort aufgreifend, „‚bekennen uns zu dem Geschlecht, das aus dem Dunkeln ins Helle strebt‘.“28 Doch was genau wurde mit Delitzschs Ausführungen eigentlich „beleuchtet“, so dass es endlich „erkannt“ werden konnte? Worin bestand die kritische Erkenntnis aus Sicht des faszinierten Kaisers, der angeblich „tiefbewegt“ nach dem ersten Vortrag gefragt haben soll: „Warum hat man uns von alledem vorher nichts gesagt?“29 Denn wer genau hinschaut, wird leicht feststellen, dass Delitzsch in seinem ersten Vortrag weder das Alte Testament als Bezugspunkt aufgab, noch den religiösen Monotheismus als Beitrag des Judentums zur Weltgeschichte in Frage stellte.30 Was an Delitzschs Vortrag so wissenschaftlich banal wie religiös beunruhigend war, war seine radikale Historisierung des Alten Testamentes; was seine Ausführungen zum gesellschaftlichen Problem machte, war jedoch seine eigentümliche „theologische und religionsgeschichtliche Naivität“31. Delitzsch sprach bereits 1902 explizit davon, Ursprünge religiöser Praktiken und Vorstellungen des gegenwärtigen Christentums nicht im Judentum und im Alten Testament, sondern bei den Babyloniern und in ihren Schriften zu suchen: „Und so ist es mir vielleicht gelungen zu zeigen, daß auch unserem religiösen Denken durch das Medium der Bibel noch gar manches Babylonische anhaftet.32 Die praktische Konsequenz dieser Erkenntnis bestand für Delitzsch (noch) nicht in einem expliziten Antisemitismus, wohl aber in einem tendenziell antijüdischen Modus: Da er die babylonischen Elemente des religiösen Denkens (die er in seinem Vortrag allerdings nicht summierend klar benennt) als „rein menschliche Vorstellungen“ betrachtete, waren sie für ihn zugleich aus der Religion der Gegenwart „auszuscheiden“, ja sie könnten – so Delitzsch – geradezu als „Vorurteile“ abgetan werden. Die „wahre Religion, die wahre Religiosität, wie sie uns die Propheten und Dichter des Alten Testaments und in erhabenstem Sinne Jesus gelehrt“, blieben davon indes unberührt, ja würden geradezu durch diesen wissenschaftlich legitimierten „Reinigungsprozess“ erst in ihrem Kerngehalt hervortre-

27

Dieses wie das vorstehende Zitat: ebd., 44. Hervorhebung durch SMW. Ebd., 51. 29 Das angebliche Zitat des Kaisers überliefert durch: Professor D. Kautzsch über das Ende des Babel-Bibel-Streits, in: Reformierte Kirchen-Zeitung (RKZ). Organ des reformierten Bundes für Deutschland 28 (1905), 133f; das Zitat: 133. Ich danke Reinhard Lehmann für seine Hilfe bei der Suche nach dem Beleg. 30 Das genau sind freilich die beiden Punkte, die den Antisemiten Chamberlain so sehr aufregten, dass er Delitzsch erbost als Philosemit beschimpfte. Siehe dazu unten, S. 117 in diesem Aufsatz. 31 Der Begriff ist entlehnt von Liwak 2013. 32 Delitzsch, Friedrich 1902, 44. 28

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ten.33 Was Delitzsch anbot, war kurz gesagt: die wissenschaftlich legitimierte Reform der (christlichen) Religion von babylonisch-jüdischen – nichtgöttlichen, sondern menschengemachten – Elementen. In diesem Punkt bleibt sich Delitzsch gleich; von diesem Punkt bleibt auch Wilhelm II. unverändert fasziniert. Die Kritik an Delitzsch nach dem zweiten Vortrag vom Januar 1903 darf nicht davon ablenken, dass der Kaiser dem Assyriologen zu keinem Zeitpunkt seine Gunst entzog.34 Vielmehr bleibt Delitzsch für ihn der Kronzeuge einer Option, das Alte Testament historisch-kritisch zu lesen und daraus Konsequenzen für die religiöse Praxis des (protestantischen) Christentums zu ziehen. Ausdrücklich sprach er in seinem öffentlichen Brief an den zweiten Vorsitzenden der DOG, Admiral Friedrich Hollmann, auch nach dem zweiten Delitzsch-Vortrag von 1903 davon: Das Alte Testament werde „unter der Forschung und den Inschriften und Grabungen sich entschieden wesentlich ändern; das schadet nichts.“35 Reform und Antisemitismus: Die Inkonsequenz Delitzschs und die Konsequenz Chamberlains Es ist hier nicht der Platz, die langanhaltende Debatte um den Philo- oder Antisemitsmus Friedrich Delitzschs zu führen. Wohl aber ist ein Wort zum Zusammenhang von religiöser Reform im Protestantismus des Kaiserreiches, der Verwissenschaftlichung des Denkens und dem Antisemitismus angebracht. Denn mit dem von Delitzsch postulierten „Reinigungsprozeß“ auf dem Weg zur „wahren Religiosität“ war – es wurde bereits angesprochen – unzweideutig ein antijüdischer Modus verbunden, den Wilhelm II. in keinem Moment des Babel-Bibel-Streites kritisierte. Auf der Seite der in der gegenwärtigen Öffentlichkeit teilweise noch immer blindlings gefeierten „fortschrittlichen Kräfte“ der Wissenschaft zu stehen, war in diesem Moment gleichbedeutend mit einer, wenn auch nicht zwangsläufig antisemitischen, so doch zweifellos antijüdischen Wendung. Zugleich war das Interesse an den Ergebnissen der Assyriologie, wie übrigens der Orientalischen Philologien insgesamt, nicht unwesentlich in ihrer direkten oder indirekten Kommentierung der „Rassenfrage“ begründet. Plakativ deutlich wird das, wenn man sich noch einmal die kaum irgendwo kommentierte oder gar 33

Vgl. ebd. Wörtlich lautet der Satz bei Delitzsch: „Durch das Ausscheiden dieser zwar hochbegabten Völkern entstammenden, aber trotzdem rein menschlichen Vorstellungen und durch die Befreiung unseres Denkens von allerlei festgewurzelten Vorurteilen wird die wahre Religion, die wahre Religiosität, wie sie uns die Propheten und Dichter des Alten Testamentes und in erhabenstem Sinne Jesus gelehrt, so wenig berührt, dass sie vielmehr nur umso wahrer und verinnerlichter aus diesem Reinigungsprozesse hervorgeht.“ 34 Gerade die immer wieder erwähnte Rekrutierung Delitzschs zur Inszenierung des Singspiels „Sardanapal“ durch Wilhelm II. unterstreicht, wie unbeirrt der Kaiser an ihm festhielt. Vgl. Freydank 2011. 35 [Wilhelm II.] 1903, 496.

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kritisierte Wendung Delitzschs zur Beschreibung einer als „Königin“ identifizierten Person auf einem der beigefügten Lichtbilder anschaut. Ohne jeglichen Anhaltspunkt auf einem stark beschädigten unbemalten Steinrelief behauptete Delitzsch: „[A]ugenscheinlich ist diese Gemahlin Sardanapals eine Prinzessin arischen Geblüts und blondhaarig zu denken.“36 Solche Einschübe aus der Welt des Rassedenkens finden sich wie selbstverständlich; sie erscheinen meist beiläufig und sprechen für die verbreitete diskursive Hierarchisierung zwischen „Ariern“ und „Semiten“, der sich auch Delitzsch nicht verweigerte. Wilhelm II. hatte Delitzsch auch in diesem Punkt keineswegs missverstanden; ihre Positionen näherten sich vielmehr durch Delitzschs zweiten Vortrag sogar noch an. Denn jetzt erst konnte der Kaiser seinen Vorbehalten gegen das Judentum freien Lauf lassen. Wie er im Hollmann-Brief unzweideutig schrieb, schade nicht nur die Veränderung des Alten Testaments nichts: „[A]uch daß dadurch viel vom Nimbus des auserwählten Volkes verloren geht, schadet nichts.“37 Die Historisierung des Alten Testamentes gewann förmlich erst durch diese praktische Anwendbarkeit im Dienste eines vorwissenschaftlichen Postulats ihre allgemeine Anerkennung. Dabei bewegten sich indes weder Delitzsch, noch der Kaiser jenseits, sondern inmitten einer Debatte, die nicht zuletzt von einer Reihe protestantischer Theologen des Kaiserreiches geführt wurde: ob nämlich der Herr der Heerscharen des Alten Testaments wirklich der barmherzige Gott der Liebe des Neuen Testaments sein könne. Wilhelms Antwort auf diese Frage radikalisierte sich unter dem Eindruck des Babel-Bibel-Streites; zwanzig Jahre später, im holländischen Exil, formulierte er dann seine Extremposition. In einer Aufzeichnung, die durch Houston Stewart Chamberlains Buch „Mensch und Gott“ angeregt worden war, schrieb er: „Vor allem muss endlich gründlich gebrochen werden mit dem Glauben, der Jawe der Juden sei unser Herrgott.“38 Zum Schweigen gebracht ist diese Ableitung aus dem wissenschaftlichen „Fortschritt“ alttestamentlicher Textkritik bei einigen protestantischen Theologen in Berlin bekanntlich bis heute nicht. Entscheidend für die Beurteilung Wilhelms allerdings ist der Hinweis, dass diese Position keine Erfindung des Monarchen war. Wilhelm verarbeitete und kombinierte vielmehr die Gedanken jener Wissenschaftler und Schriftsteller, die er in dieser Frage vorrangig konsultierte: also vor allem Delitzschs und Chamberlains.39 Was oft übersehen oder zumindest nicht zugespitzt genug dargestellt wurde, war der Schlagabtausch zwischen diesen beiden öffentlichen Intellektuellen, die zugleich um den Kopf des Kaisers kämpften. Es war öffentlich bekannt, dass Wil36

Delitzsch, Friedrich 1902, 19–20. [Wilhelm II.] 1903, 496. 38 Niederschrift Kaiser Wilhelms II., in: Chamberlain 1928, 265–273, das Zitat: 267. Hervorhebung im Original. 39 Hier die Rolle Harnacks – als dem dritten im Bunde – zu diskutieren, würde den Rahmen des Aufsatzes sprengen. 37

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helm II. Chamberlains „Grundlagen des XIX. Jahrhunderts“ mit Begeisterung gelesen und den Autor im Herbst 1901 auch zum persönlichen Gespräch getroffen hatte.40 In seinem ersten Vortrag zu „Babel und Bibel“ hatte sich Delitzsch – trotz oder gerade wegen dieser kaiserlichen Sympathie – jedoch deutlich von der Grundthese Chamberlains abgesetzt, indem er mit seinem Vortrag, „das Märchen von ‚den an religiösem Instinkt von jeher erstaunlich armen Semiten’“ zerschellen lassen wollte.41 Das aus-, aber nicht nachgewiesene Zitat stammte für alle Zuhörer auch ohne Ausbildung in Intertextualität erkennbar aus den „Grundlagen des XIX. Jahrhunderts“.42 Wenig überraschend reagierte Chamberlain auf diesen Angriff. Er nutzte dazu die Einleitung zur vierten Auflage seines Werkes, die bereits seit Ende 1902 in einem Separatdruck vorlag.43 Der „Dilettantismus“ in der Überschrift bezog sich dabei unzweideutig auf Delitzsch, dem Chamberlain ein eigenes „Babel und Bibel“ überschriebenes Kapitel widmete.44 Im Mittelpunkt seines Angriffs auf Delitzsch stand dabei dessen – wie Chamberlain es empfand und interpretierte – unklares Rassedenken, das sich in einer gedanklichen Inkonsequenz äußere. Da Delitzsch an der zeitgenössisch verbreiteten und akzeptierten These vom Monotheismus der Semiten festhielt, diffamierte Chamberlain seinen Vortrag als „eine der monströsesten Eingebungen der Semitomanie, die je erlebt wurden.“45 Es war nicht zuletzt dieser Angriff, der den Assyriologen zu einer Neuformulierung seiner Gedanken herausforderte. Der Kaiser wiederum dürfte den neuen Ausführungen „seines“ Professors mit Spannung entgegengesehen haben, denn er hatte Delitzsch brieflich bereits in höchst eigenwilliger Weise vor dem Vorwurf, kein Antisemit zu sein, in Schutz genommen.46 Als Delitzsch zum zweiten „Babel und Bibel“-Vortrag wieder in die Berliner Singakademie einlud, erschien Wilhelm selbstverständlich im Publikum. Was er dort zu hören bekam, empfanden viele Zeitgenossen als „Hammerschläge“, und sie glaubten, auch der Kaiser müsste Delitzsch Vortrag so empfunden haben.47 Da unmittelbare Selbstzeugnisse fehlen, 40

Vgl. dazu die Darstellung bei Lehmann 1994, 213–215. Delitzsch, Friedrich 1902, 45. 42 Vgl. Chamberlains eigene Identifizierung des Zitats: Chamberlain 1903c, 54. 43 Chamberlain hatte den Sonderdruck auch Wilhelm zukommen lassen, der also den Text seit Ende 1902 kannte. Vgl. dazu Lehmann 1994, 216. 44 Chamberlain 1903c, 24–54. 45 Ebd., 33. 46 In einem Brief an Chamberlain hatte Wilhelm als Reaktion auf Chamberlains Vorwürfe bekräftigt, seinem Eindruck nach habe Delitzsch keineswegs im semitischen Sinne und Interesse gearbeitet. Vgl. Wilhelm II. an Chamberlain, 21.12.1902, in: Chamberlain, 1928 165–167. Daraus wird ersichtlich, wie sehr der Kaiser vor allem die antijüdischen Tendenzen aus Delitzschs Vortrag herausgelesen hatte und unter dem Eindruck Chamberlain antisemitisch interpretierte. 47 Dernburg 1903, Beiblatt: „Keiner der den Hammerschlägen des Professors Delitzsch lauschte, hat sich wohl der Frage entzogen: Wie haben sie im Herzen des Kaisers wider41

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bleibt das indes Spekulation. Fest steht allerdings, dass die Aufregung seiner Umgebung nun derart anschwoll, dass der Kaiser einer Stellungnahme nicht mehr ausweichen zu können glaubte. Delitzsch zweiter Vortrag und der Kaiser-Brief an Admiral Hollmann Obwohl – besser gesagt: weil Friedrich Delitzsch schon im ersten seiner „BabelBibel“-Vorträge die Option einer (im Modus antijüdischen) Reform der Religiosität der deutschen Gegenwart des Kaiserreiches mitdachte, führte die öffentliche Debatte zu keinem Zeitpunkt des Jahres 1902 zum Einspruch des Kaisers. Keine der so zahlreich gegen Delitzsch erschienen Schriften, Anmerkungen und Korrekturen aus Assyriologie wie Theologie provozierten seine Reaktion. Dabei waren längst vor dem Januar 1903 Stimmen aus allen religiösen Gemeinschaften zu vernehmen, Delitzschs Ansatz stelle den Offenbarungscharakter des Alten Testamentes und mithin auch des darin prophezeiten Messias in Frage. Statt sich von Delitzsch zu distanzieren, bekräftigte Wilhelm gegen Ende des Jahres 1902 sogar noch einmal öffentlich seine unorthodoxe Offenheit gegenüber einer Veränderung religiöser Vorstellung und Praxis im Zusammenhang mit dem neuen wissenschaftlichen Jahrhundert: Wir stehen an der Schwelle der Entfaltung neuer Kräfte […]. Das neue Jahrhundert wird beherrscht durch die Wissenschaft […]. Freiheit für das Denken, Freiheit in der Weiterbildung der Religion und Freiheit für unsere wissenschaftliche Forschung, das ist die Freiheit, die Ich dem deutschen Volke wünsche und ihm erkämpfen möchte, aber nicht die Freiheit, sich nach Belieben schlecht zu regieren.48 Solche Sätze konnten eigentlich nur die religiösen Dogmatiker schrecken, die auch schon Delitzsch angegriffen hatten, nicht aber die Bildungsbürger eines sich säkularisierenden Zeitalters. Was also war an Delitzschs zweitem Vortrag nun so arg, dass der Kaiser meinte, sich distanzieren zu müssen? Worin bestand die neue Radikalität, die den zweiten Vorsitzenden der DOG, Admiral Friedrich Hollmann, veranlasste, den Kaiser um eine Stellungnahme zu bitten? Und warum beschränkte sich Wilhelm nicht auf ein privates Antwortschreiben, sondern gab seine Reaktion gezielt für die Öffentlichkeit frei? Delitzsch zweiter Vortrag aus dem Januar 1903 war vom ersten Satz an von einem polemischen Grundton geprägt, mit dem der Assyriologe sich an all jene richtete, die seiner theologischen Konsequenz aus den assyriologischen Forschungen nicht folgen wollten: dass nämlich Teile des Alten Testamentes lediglich von historischem Menschenwerk berichte und folglich keineswegs alle Teile des Algetönt?“ 48 Einweihung der „Ruhmeshalle“ in Görlitz, 29. November 1902, zitiert nach: Obst 2011, 253–254.

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ten Testamentes göttliche Offenbarung mit Bedeutung für das Christentum vermittle. Was er im ersten Vortrag – wie oben gezeigt – indes nur andeutete und folglich der Interpretation seiner Rezipienten überließ, sprach er nun offen und unzweideutig und zudem mit intellektueller Verachtung für die Ungebildeten unter seinen Verächtern aus: „Offenbarung! Schon längst steht allen wissenschaftlich gebildeten evangelischen und katholischen Theologen die Erkenntnis unerschütterlich fest, dass es ein schwerer Irrtum gewesen, die im Alten Testament gesammelten unschätzbaren Ueberreste des althebräischen Schrifttums in ihrer Gesamtheit jahrhundertelang für einen religiösen Kanon, für ein von Anfang bis zu Ende offenbartes Religionsbuch zu halten“49. Indes blieb Delitzsch beim „Ausscheiden“ – um den Begriff aus seinem ersten Vortrag aufzugreifen – nicht bei „unverfänglichen“ Beispielen wie dem „Buch Hiob“ stehen50, sondern verwarf im Grunde das gesamte Alte Testament, indem er den „für unser Glauben, Wissen und Erkennen schlechterdings unverbindlichen Charakter der alttestamentlichen Schriften“51 postulierte. Selbst die Zehn Gebote, die er immerhin als „des heiligen Gottes ureigentlichste Offenbarung“52 bezeichnete, führte er auf einen „rein menschliche[n] Ursprung und Charakter“53 zurück. Zu guter Letzt räumte Delitzsch dann gleich noch den gesamten sittlichen Wert des alttestamentlichen Glaubens, den „‚ethischen Monotheismus’ Israels“ hinweg.54 Delitzsch hämmerte tatsächlich, als er meinte, mit seinen Ausführungen „mit Einem Schlage“ das „Trugbild der Uroffenbarung“ vernichten zu können.55 Nur das Neue Testament, als „Predigt Jesu“56 bezeichnet, ließ er auch in seinem Zweiten Vortrag völlig unberührt. Warum also – um die Frage noch einmal aufzugreifen – all die Aufregung? Anders formuliert: Warum war es so beunruhigend, dass Delitzsch – bis auf die Zehn Gebote – die Uroffenbarung Gottes im Alten Testament nun explizit negierte? Tatsächlich brauchte es ein religiös musikalisches Gehör, um zu vernehmen, was Delitzsch eigentlich gesagt hatte. Den Wenigsten der heutigen Leser, selbst den Theologen unter ihnen, wird es skandalös erscheinen, dass der Assyriologe Delitzsch den Offenbarungscharakter des Alten Testamentes in Frage gestellt hat. Reicht nicht der Beleg der historischen Gewordenheit des Textes als Widerlegung einer Offenbarung? Doch Delitzsch war kein Atheist. Er leugnete nicht die Existenz Gottes und mithin schien ihm die Offenbarung Gottes in der Welt durchaus 49

Delitzsch, Friedrich 1903b, 31.–35. Tausend, 17–18. Vgl. ebd., 18. 51 Ebd., 27. 52 Ebd., 18. 53 Ebd., 24. 54 Ebd., 34. 55 Ebd., 35. 56 Ebd., 37. 50

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möglich. Aber er zog – ohne Herleitung, ohne darauf explizit einzugehen, gewissermaßen in einem Nebensatz – eine radikale Konsequenz aus seiner Negation des Offenbarungscharakters der alttestamentlichen Schriften. Er negierte nämlich die Offenbarung Gottes in der Person Christi – deswegen sprach er auch immer nur von „Jesus“. In seiner Interpretation der Zehn Gebote schrieb er wörtlich, die Tafeln mit den zehn Gesetzen seien „seine erste und letzte eigenhändige Offenbarung an die Menschheit […], Gottes einzigste [sic] greifbare Offenbarung“.57 Das war der Skandal, der erschütterte; denn Delitzsch stellte damit Gottes zweite Offenbarung in der Person des Messias, also für Christen in der Person Jesu Christi, in Frage. Der Assyriologe Delitzsch, der auf den Offenbarungscharakter des Alten Testamentes verzichtete, meinte konsequenterweise auch auf das Offenbarungsversprechen in der Person des Messias, des Sohn Gottes, in den Schriften des Propheten Jesaja verzichten zu müssen – denn eben jener Jesaja, der den Untergang Babels verkündet hatte, war ja auch der, der auf den Messias verwies.58 Dem Assyriologen Delitzsch schien die Gottesnatur des Messias entbehrlich, weil auch ohne sie der sittliche Gehalt von „Jesu Predigt“59, wie er das Neue Testament in seinem zweiten Vortrag nannte, nicht beeinträchtigt wurde. Dass es diese provokante Absage an das Kerndogma des christlichen Glaubens war, die die Umgebung des Kaisers und schließlich Wilhelm II. selbst verstörte, lässt sich aus dem kaiserlichen Handschreiben an Admiral Hollmann zurückverfolgen. Offenbar bedurfte es eines weiteren klärenden Gesprächs, bis der Kaiser die ganze Radikalität der Delitzsch’en Hammerschläge wirklich realisierte: Ausdrücklich bezog sich Wilhelm II. im Hollmann-Brief nicht allein auf den zweiten Vortrag, sondern auf ein Abendgespräch am Hof nach dem zweiten Vortrag, an dem neben dem Kaiser und der Kaiserin, Delitzsch und der Hofprediger Ernst von Dryander teilnahmen.60 Erst dieses Gespräch scheint dem Kaiser die volle Dimen57

Ebd., 20. Hervorhebung durch SMW. Vgl. Jesaja 11, 1–2, nach: Die Bibel, 679: „Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Frucht des Herrn.“ Das ist jene Stelle, die von gläubigen Juden wie gläubigen Christen als das Versprechen auf das Erscheinen des von ihnen jeweils erwarteten Messias, als Offenbarung Gottes in einer menschlichen Person, gelesen wird. Genau deswegen arbeitete sich Wilhelm II. noch im Exil angeregt durch Chamberlain bezeichnenderweise an Jesaja ab. Vgl. Niederschrift Kaiser Wilhelms II., in: Chamberlain 1928, 265–273, zu Jesaja: 268–269. 59 Delitzsch, Friedrich 1903b, 37. 60 Vgl. Babel und Bibel. Ein Handschreiben, 493. Auch Dryander erinnerte sich in seinen Memoiren an eine Abendgesellschaft, in der er mit Delitzsch heftig über das „Offenbarungsmäßige(n)“ im Alten Testament diskutierte. Dryander 1922, 228. Allerdings fand dieses Gespräch, an dem seiner Angabe zufolge auch der Archäologe Reinhard Kekulé von Stradonitz teilnahm, in Dryanders Erinnerung bereits nach dem ersten Vortrag statt. Wie es scheint, besaß Dryander nur noch eine unpräzise Erinnerung an die chronologische 58

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sion von Delitzschs Aussagen bewusst gemacht zu haben. Dryander hat in seinen Memoiren dazu nachträglich eine eigenartige Position eingenommen, indem er behauptete, Delitzsch habe im Gespräch vor dem Kaiser die Folgerungen, die sich „aus seiner Anschauung für die Beurteilung der Person des Herrn und des Neuen Testaments“ ergaben, nicht gezogen61, ja sogar „strikte abgelehnt“62. Seine „Inkonsequenz“ sei indes „dem Scharfblick des Kaisers nicht“ entgangen und habe diesen zu „einer schriftlichen Äußerung“ veranlasst.63 Möglicherweise genierte den kaisertreuen Theologen in der Retrospektive der Gedanke, dass er selbst den Monarchen durch seine Kritik an Delitzsch erst zu seiner öffentlichen Stellungnahme provoziert hatte. Denn so viel Zustimmung der Hollmann-Brief dem Kaiser aus konservativ-religiös-kirchlichen Kreisen auch eingebrachte, so kritisch wurde sein Bekenntnis auch gesehen: Insbesondere sein persönlicher Offenbarungsbegriff irritierte mindestens so sehr, wie er manchen Leser amüsierte.64 Der Ausgangspunkt des Hollmann-Briefes war Delitzsch zweiter Vortrag, dessen Schlusspassage die kaiserliche Formulierung von der „Weiterbildung der Religion“ aus der Görlitzer Rede aufgegriffen und damit den Kaiser für alle Aussagen gewissermaßen in Anspruch genommen hatte.65 Doch bekanntlich distanzierte sich Wilhelm davon nicht, sondern unterstrich noch einmal, der „Schlusspassus“ sei „vollkommen klar von den Zuhörern verstanden worden und musste daher so bleiben.“66 Als Angriffspunkt für seine Kritik an Delitzsch wählte Wilhelm II. statt dessen das erwähnte abendliche Gespräch zwischen Delitzsch und Dryander, dem Wilhelm seinen eigenen Worten zufolge nur zugehört haben wollte.67 Dort – so Wilhelm an den zweiten Vorsitzenden der DOG – habe Delitzsch „bezüglich der Person unseres Heilandes so ganz abweichende Anschauungen“ entwickelt, „daß ich ihm darin nicht nur nicht folgen konnte, sondern einen meinem Standpunkte diametral entgegengesetzten konstatiren [sic] mußte“: „Er erkennt die Gottheit Christi nicht an, und daher soll als Rückschluß auf das alte Testament dieses keine Offenbarung auf denselben als Messias enthalten.“68 Das ist die Stelle, die deutlich macht, worum es Wilhelm II. ging: Er suchte den zentralen Gehalt christlicher Theologie, Jesus als Christus und damit als „wahrer Abfolge der Ereignisse. Denn seiner Darstellung zufolge zirkulierte auch der HollmannBrief bereits vor dem Zweiten Vortrag. Zum Babel-Bibel-Streit vgl. Dryander 1922, 227– 229, bes. 228. 61 Ebd., 228. 62 Ebd., 229. 63 Ebd., 228. 64 Auch Dryander wählte eine Formulierung vager Zustimmung: Des „Kaisers Vorwurf“ an Delitzsch habe „den Tatbestand durchaus zutreffend“ erfasst. Ebd., 229. Zu denen, die sich über den Kaiser amüsierten, siehe unten S. 124, Anm. 78. 65 Delitzsch, Friedrich 1903b, 38. 66 [Wilhelm II.] 1903, 439. 67 Ebd., 439. Vgl. auch Dryander 1922, 228. 68 [Wilhelm II.] 1903, 439.

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Mensch und wahrer Gott“, zu bewahren – ohne indes auf das restliche Angebot Delitzsch zur „Ausscheidung“ der religiösen „Vorurteile“ durch die Historisierung des Alten Testamentes zu verzichten. Offenkundig schloss sich Wilhelm II. in der Frage der Gottesnatur der Person Christi den dogmatisch apostrophierten Kreisen seiner unmittelbaren Umgebung wie der christlichen Mehrheitsgesellschaft des Kaiserreiches an. Aber er ergab sich diesem „Druck“ nicht allein, um die Stützen der monarchischen Ordnung des Kaiserreiches zu beruhigen.69 Die soziale Resonanz allein scheint mir jedenfalls als Erklärung nicht auszureichen, warum Wilhelm II. das Thema so sehr beschäftigte und zudem zu einem öffentlichen Bekenntnis herausforderte. Entscheidend – so meine These – war die Verunsicherung seiner ganz eigenen zutiefst monarchischen Weltanschauung. Monarchismus war für diesen Kaiser nicht einfach eine Staatsform, sondern eine Existenzfrage. Jenseits aller historisch-wissenschaftlichen Belege für die uralte Herkunft, also die Tradition der Monarchie, im Zeitalter der Wissenschaft, hielt Wilhelm – eine Vielzahl von Quellen belegen das – an der unmittelbaren göttlichen Legitimierung auch der eigenen Person als Monarch fest. Das Recht auf Herrschaft ergab sich in seinem Denken durch die Auserwähltheit des Monarchen: das, was er als das unmittelbare Gottesgnadentum des Herrschers erfasste.70 Doch um so denken zu können, brauchte es eben 1.) eines Gottes und 2.) der wiederholten Offenbarungsmöglichkeit dieses Gottes in der Welt. Und genau das konfirmierte Kaiser Wilhelm II. im und mit dem HollmannBrief. Jenseits aller Wissenschaft beharrte er nicht nur auf der Existenz Gottes: „Ich glaube an Einen, Einigen Gott“71, lautete das öffentlich publizierte Bekenntnis. Der Monarch beharrte vor allem auf dem „Sein des Menschen aus seinem Verkehr mit Gott“72, also auf die (zutiefst protestantische) unmittelbare Begeg69 Unter diesem Aspekt ist noch der Blick in den Hollmann-Brief aufschlussreich. Wenn man Wilhelms Handschreiben genau studiert, wird überdeutlich, dass Wilhelm im Grunde überhaupt keine inhaltliche Kritik an Delitzsch übte, sondern ihm eine unangemessene Adressatenhaltung vorwarf. Über eine halbe Seite hinweg kritisiert Wilhelm, dass Delitzsch seine Position nicht vor Theologen in einer theologischen Fachzeitschrift, sondern vor einem Laienpublikum vorgetragen und damit „manchem seiner Zuhörer an sein Innerstes und Heiligstes“ getastet habe. [Wilhelm II.] 1903, 494–495, das Zitat: 494. Offensichtlich zählte sich der Kaiser selbst nicht zu diesen verunsicherten Laien, deren „Lieblingsvorstellungen“ „umgestoßen oder angerempelt“ wurden (ebd.); Hammerschläge hat der Kaiser demnach gerade nicht vernommen. 70 Seine Tochter Viktoria Luise fasste – um nur eine Quelle unter Vielen hier anzuführen – das Selbstverständnis ihres Vaters in ihren Memoiren mit den Worten zusammen: „(d)ie hohe Auffassung von seinem Amt, das er im wahrsten, edelsten Sinne als von Gottes Gnaden auffaßte […]“. Herzogin Viktoria Luise, Ein Leben als Tochter des Kaisers, Göttingen 1977, 196. 71 [Wilhelm II.] 1903, 496. 72 Ebd.

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nung Gottes mit jedem einzelnen Menschen in der Geschichte. Diese Begegnungsfähigkeit zwischen Gott und Mensch war die Voraussetzung für die Offenbarungsmöglichkeit Gottes in der Welt. Auf dieser Denkgrundlage entwarf Wilhelm II. im Hollmann-Brief schließlich seine ganz eigene – gerne exzentrisch zu nennende – Offenbarungstheologie. Demnach gab es drei Arten der Offenbarung. Die erste, grundlegende Offenbarung blieb auch für Wilhelm – ja sogar in einer viel unmittelbareren Form als für Delitzsch – die Vermittlung der Zehn Gebote. Alle historische Erklärung – so Wilhelm im Hollmann-Brief – „würde aber niemals der Thatsache Eintrag thun, daß Gott Moses dazu angeregt und insofern sich dem Volke Israel geoffenbart hat.“73 Damit wurde die eine zentrale Offenbarung und dazu noch die Offenbarung Gottes gegenüber genau dem Volk, über das gestritten wurde, von Wilhelm II., wenn auch mit ausweichender Ungenauigkeit, öffentlich nicht bestritten. Konsequenterweise konnte der summus episcopus der lutherischen preußischen Landeskirche aber auch nicht für die pauschale „Abschaffung“ des Alten Testamentes eintreten: „Der Kern und Inhalt“ des Alten Testamentes, so bekannte er 1903, „bleibt immer derselbe, Gott und sein Wirken!“74 Allerdings ist die Funktionalität dieser Position nicht zu übersehen. Wilhelm II. brauchte diese erste grundlegende Offenbarung, weil er auf die zwei weiteren Offenbarungen Gottes nicht verzichten wollte. Da war – für den gläubigen Christen in Wilhelm naheliegend – zunächst die Offenbarung Gottes in der Person Jesu. Der Kaiser sprach in seinem Handschreiben von einer „rein religiöse(n), auf die spätere Erscheinung des Messias vorbereitende Offenbarung“75. Diese Offenbarung verband eigentlich das Christentum mit dem Judentum; doch Wilhelm verweigerte im Hollmann-Brief verbal dem Judentum seine Anerkennung, indem er immerzu nur von „diesem Volk“ sprach. Doch kam er nicht umhin, an der Permanenz der Offenbarung Gottes von Abraham bis zu den „Propheten und Psalmisten“ festzuhalten, die den Messias „verkündet und angezeigt“ hatten. An diesem Punkt widersprach er Delitzsch vehement (und erwies sich theologisch im Sinne des Christentums), indem er über den Messias und die Gottesnatur Jesu schrieb: „Die größte Offenbarung Gottes in der Welt! Denn Er erschien im Sohne selbst; Christus ist Gott; Gott in menschlicher Gestalt.“76 Das ist der (einzige) Satz, den die Orthodoxen in Wilhelms Brief wirklich unterstreichen konnten. Doch Wilhelms Offenbarungsbegriff endete hier nicht, denn Gottes Offenbarungsmöglichkeiten endeten aus seiner Sicht mit den beiden zentralen Offenbarungen in den Zehn Geboten und Christus nicht. Der letzte deutsche Kaiser kannte noch eine „fortlaufende, gewissermaßen historische“ Offenbarung. Ausdrücklich bekannte er, „daß Gott sich immerdar in Seinem von ihm geschaffenen Men73

Ebd., 496. Hervorhebung im Original. Ebd. 75 Ebd., 495. 76 Ebd., 495–496. 74

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schengeschlechte andauernd offenbart“77. Doch wozu? Wieso war ihm dieser Teil seines Bekenntnisses genauso wichtig, wie die „Beruhigung“ der eigentlichen religiösen Debatte? Das erschließt sich, wenn man sich Wilhelms Beispiele von Gottes Offenbarung in Geschichte und Gegenwart genauer anschaut: „Er“ offenbart: sich bald in diesem oder jenem großen Weisen oder Priester oder König, sei es bei den Heiden, Juden oder Christen. Hammurabi war einer, Moses, Abraham, Homer, Karl der Große, Luther, Shakespeare, Goethe, Kant, Kaiser Wilhelm der Große. Die hat Er ausgesucht und Seiner Gnade gewürdigt.78 Damit ist Wilhelm bei seinem eigentlichen argumentativen Höhepunkt: Das Wirken Gottes in der Welt durfte nicht allein auf die religiösen Protagonisten Abraham, Moses und Christus beschränkt bleiben; Wilhelm brauchte – ob das nun konsequent oder wissenschaftlich oder theologisch konzise war oder nicht – die Offenbarung Gottes in einer Reihe weltgeschichtlich „großer Männer“, unter denen die „Könige“ eine von drei Kategorien bildeten. Denn nur so konnte er seine Selbstlegitimierung durch das Gottesgnadentum aufrechterhalten. Hätte Wilhelm auf die Offenbarungsmöglichkeit Gottes bis in die Gegenwart – denn mit Wilhelm dem Großen war ja niemand anderes als sein 1888 verstorbener Großvater Wilhelm I. gemeint – verzichtet, hätte er auch seine eigene Legitimation als regierender Monarch vollständig auf eine weltliche, genauer gesagt politische Begründung zurückführen müssen. Doch genau das versuchte Wilhelm bis zum Moment seiner erzwungenen Abdankung zu vermeiden. Fazit Rückschauend von Wilhelms Bekenntnis zur „historischen“ Offenbarungsfähigkeit Gottes bis in seine unmittelbare Familie und Gegenwart hinein, erscheint die Beteiligung des Monarchen am Babel-Bibel-Streit unter einem neuen Licht. Die Anteilnahme des preußischen Königs und deutschen Kaisers war kein Zufall oder Unfall, sie war auch keineswegs das Hobby eines unterbeschäftigten Regenten. Für Wilhelm II. war der Blick auf Religion und Geschichte jederzeit mit der eigenen Legitimation als Monarch verbunden. Schon seine Teilnahme am ersten Vortrag des Berliner Assyriologieprofessors Friedrich Delitzsch lässt sich mit sei77

Ebd., 495. Ebd., 495. Es war diese Aufzählung, mit der Wilhelm II. den Spott auf sich zog. So bemerkte die „Jugend“, eine „Münchner Illustrierte Wochenzeitung“ in Nr. 16, 1903, 280, in einem fiktiven Gespräch: „ ‚Also, der liebe Gott offenbart sich von Zeit zu Zeit in einem großen Manne?‘ ‚Ja, vorher vergewissert er sich aber immer erst, ob der Mann thatsächlich aus Preußen stammt.‘ “ Zitiert nach: Lehmann, „Mit Schriften keilen“, 63. Vgl. ebd., 64, wo Lehmann aus den „Lustige(n) Blätter(n)“ vom März 1903 zitiert: „Ein Orthodoxer: ‚Erfreulich ist es immerhin, daß die Offenbarung nicht auch in Friedrich dem Großen zu Tage getreten ist.‘ “

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nem Interesse an der Geschichte und Fortdauer der Monarchie erklären. Doch nicht die öffentliche Debatte, die sich daran anschloss, sondern erst die Absage Delitzschs an die Offenbarungsmöglichkeit Gottes im Menschen und bis in die Gegenwart hinein, die zugleich eine Absage an die Grundfeste der christlichen Theologie darstellte, forderte den Kaiser zu einem umfassenden Bekenntnis heraus. In dessen Mittelpunkt standen keine assyriologischen Details, sondern Wilhelms gefährdetes Weltbild als auserwählter Monarch. Seine Position im Babel-Bibel-Streit ließ Wilhelm II. zugleich als einen im eigentlichen Sinne modernen Menschen hervortreten. Mit der ganzen Ambivalenz seines Zeitalters war er sich bewusst, dass er das Gottesgnadentum der Könige nicht mehr einfach postulieren konnte, sondern eine Begründung außerhalb der glaubenden Gewissheit brauchte. Die Wissenschaft schien ihm im Zeitalter der Verwissenschaftlichung das geeignete Instrument, die Erwähltheit des Monarchen als Manifestation Gottes zu legitimieren. Doch dazu brauchte er eine protestantische Theologie, die nicht an der Offenbarungsmöglichkeit Gottes zweifelte und eine Altertums- und Geschichtswissenschaft, die nach den Ursprüngen der Monarchie und ihrer Transformation in Zeit und Raum von Hammurabi bis Kaiser Wilhelm I. forschte. Der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie kam in seinen Augen dabei die Aufgabe zu, die Anfänge der Idee von universaler Herrschaft eines von Gottes Gnade abhängigen Mon-Archen zu erforschen und offenzulegen. Da sich die Wissenschaft des Kaiserreiches – das eben kein autoritäres System war, in dem sich irgendwer oder irgendetwas „zum Schweigen bringen“ ließ – solch einer einseitigen Instrumentalisierung selbstverständlich entzog, auch wenn sie immer wieder Versatzstücke dafür lieferte, legte Wilhelm II. im holländischen Exil 1938 eine eigene Geschichte des Königtums im alten Mesopotamien vor. Darin erzählte er die Geschichte der Monarchie nun so, wie er sie sich vorstellte. In Kombination eines zirkulären wie teleologischen Geschichtsdenkens erschienen darin die Hohenzollern als Wiedergeburt der durch das Christentum verbesserten Assyrer. Dem letzten Assyrer-König Assurbanipal kam dabei eine Identifikationsrolle zu, die Wilhelms monarchische Selbstlegitimierung aus der Zeit des Babel-Bibel-Streites mit seinen Rechtfertigungsversuchen im holländischen Exil verband. 1904, also ein Jahr nach dem zweiten Vortrag, zog er Friedrich Delitzsch hinzu, als an der Königlichen Oper zu Berlin ein Stück aufgeführt werden sollte, dessen Protagonist der Assyrerkönig Assurbanipal II. war. Während Delitzsch damit seine wissenschaftliche Reputation weiter beschädigte, inszenierte sich der Kaiser – wie der Assurbanipal auf der Bühne – als ein friedensliebender, unorthodoxer, Gottes Rat folgender Förderer der Künste und Wissenschaften, den allein böswillige Kräfte in den Untergang drängten.79 Doch wichtiger als die Prognose des Verfalls war für Wilhelm II. die darin enthaltene historische wie religiöse Legitimierung der Monarchie über die Zeit hinweg. In seinem historischen Ent79

Freydank 2011.

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S. Mangold-Will

wurf zur Geschichte des Königtums im Alten Mesopotamien schrieb der exilierte Kaiser über Assurbanipal: „In orakelhaften, mystischen Zweigesprächen erfleht der König Rat und Hilfe unmittelbar von der Gottheit. Aus Babylon wird die hochheilige Feier des Neujahrsfestes übernommen, bei der der König die Rolle des göttlichen „Heilbringers“ spielt. Die in diesem Kultus ausgesprochene Erlösererwartung konkretisierte sich immer mehr, bis sie in dem letzten großen Könige Assyriens, Assurbanipal, […] ihre Erfüllung sah. Er war „der Sohn der Göttin Ischtar“, der Erlöserkönig; mit seiner Regierung war ein Weltenfrühling angebrochen! Diese uralten Ideen blieben lebendig auch nach dem Sturz des Weltreiches. Universalität und Gottkönigtum wurden übernommen […], um dann im weiteren Geschichtsverlauf überzugehen auf […] das Römische Kaiserreich Deutscher Nation. So sehen wir den Kreislauf dieser ursprünglichen, erhabenen Idee vollendet.“80 Seinem Geschichtsdenken entsprechend überlagerten sich in dieser Beschreibung des Assyrerkönigs ebenso die Assoziationen mit Christus wie mit sich selbst: dem deutschen Kaiser. Darauf lief all sein Interesse letztlich zu. Natürlich dürfen solche Geschichtskonstruktionen mit Recht unhistorisch und dilettantisch genannt werden, aber sie geben doch die Antwort auf die Frage, warum Wilhelm II. an den orientalistischen Altertumswissenschaften vor, im und nach dem Babel-Bibel-Streit dauerhaft interessiert war. Dass sie im Kern trotz des Manövers in der Frage „Moses und die 10 Gebote“ antijüdisch, ja zuletzt, vor allem im Exil, antisemitisch unterlegt waren, konnte nicht anders als deutlich werden. Wollte man am Ende dennoch eine Lanze für diesen so viel gescholtenen Kaiser brechen, könnte man formulieren, dass Wilhelm II. im Babel-Bibel-Streit eine vermittelnde Kompromissposition einnahm: Gebt der Wissenschaft, was der Wissenschaft ist und der Religion, was der Religion ist. Oder wie es im HollmannBrief hieß: Daher ist es meine Auffassung, daß unser guter Professor hinfürder lieber die Religion als solche bei seinen Vorträgen in unserer Gesellschaft anzuführen und zu behandeln vermeidet, dagegen was die Religion, Sitten etc. der Babylonier etc. in Beziehung zum Alten Testament bringt, ruhig schildern möge. […] Nie war Religion ein Ergebnis der Wissenschaft, sondern ein Ausfluß des Herzens und Seins des Menschen aus seinem Verkehr mit Gott. Wer, wie Delitzsch, in seinen Babel-Bibel-Vorträgen, unter dem Etikett wissenschaftlicher Weisheit und Erkenntnis, Babel über die Bibel stellte, arbeitete damit – wie wenig er selbst darüber glücklich sein mochte oder nicht – an einer fundamentalen Revision der Welt, die um 1900 – so säkular und entzaubert diese Jahrtausendwende auch bereits gewesen war – immer noch verunsicherte und erschütterte. Zeitgenössische Sympathisanten wie Kritiker Delitzschs wussten, dass 80

Wilhelm II. 1938, 40–41; Hervorhebungen im Original.

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seine Beschäftigung mit der Geschichte Babels zugleich von gegenwärtiger Brisanz war, weil sie – im ersten Vortrag noch vorsichtig, im zweiten Vortrag radikal – die letzten Bestände religiöser Offenbarungsgewissheit innerhalb der Gesellschaft des Kaiserreiches antastete. Wer über den Babel-Bibel-Streit spricht, muss daher zwingend über Vorstellungen von und den Umgang mit religiösen Offenbarungspostulaten innerhalb von Wissenschaft und Gesellschaft um 1900 nachdenken. Für den Hauptadressaten der Delitzsch’en Vorträge, den Monarchen des Deutschen Kaiserreiches, der aus einer wissenschaftlichen „Banalität“ eine veritable gesellschaftliche Debatte um Wissenschaft, Religion und Antisemitismus machte, war dieser Aspekt im Dienst der Monarchie jedenfalls zentral.

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„Also strecken wir immer wieder unsere Flügel aus!“ Juden als Förderer altorientalischer Wissenschaften in Deutschland Olaf Matthes

Bisher existiert noch keine fundierte Darstellung von Förderern und Mäzenen altorientalistischer Wissenschaften in Deutschland. Dies trifft auch auf die für diese Wissenschaften so fruchtbaren Jahre um 1900 zu; sie stehen im Fokus dieses Beitrags. Das heißt auch, dass bisher nur ausnahmsweise1 das Verhalten von Schenkern mit christlichem bzw. jüdischem Glaubenshintergrund genauer analysiert wurde. Dies kann zwar auch in diesem Beitrag nicht geleistet werden, da hierfür notwendige empirische Vorarbeiten weiterhin fehlen. Daher beschränke ich mich hier auf die Deutsche Orient-Gesellschaft (DOG) und ihre wichtigsten Förderer. Folgende drei Fragen werden dabei etwas näher ausgeleuchtet. Erstens: Wer waren jene Förderer und Mäzene jüdischen Glaubens, die die DOG und mit ihr altorientalistische Wissenschaftsfelder unterstützten, und in welchem Kontext gaben sie? Zweitens: Hatte die Förderung gerade solcher Fächer, die Bezüge zur Bibel – vor allem zum Alten Testament – herstellen konnten, für diese vornehmlich säkularen oder konvertierten Juden eine besondere Attraktivität? Und schließlich drittens: Welche Rolle spielten dabei die mit dem Topos der Bürgerlichkeit verbundenen Aspekte? I. Das Vereinswesen war in Deutschland während des gesamten 19. Jahrhunderts ein grundlegendes Instrument bürgerlichen Handelns und wurde im Laufe der Zeit immer bedeutsamer.2 Es ermöglichte u.a. auch Juden sich wesentlich umfangreicher in gesellschaftliche Gestaltungsprozesse einzubringen, als dies trotz ihrer formellen Gleichberechtigung weiterhin bei zahlreichen staatlichen Institutionen der Fall war. Welche überragende Bedeutung gerade Vereine im Kontext der Erforschung des Alten Orients spielten, belegt kein anderer Verein so nachdrücklich wie die 1898 gegründete DOG. Ohne sie wären die großen deutschen Ausgrabungen u.a. in Babylon, Assur, Abusir oder Amarna in dieser Form nicht realisierbar gewesen. Hier fanden sich unterschiedliche Kreise zusammen: angefangen vom einfachen Schullehrer über Ärzte, Rechtsanwälte, Hochschullehrer, Museumsdirektoren und Kuratoren, Geistliche, hohe Verwaltungsbeamte, große Teile der deutschen Wirtschafts- und Finanzelite, des Militärs sowie des Adels – bis hin zum Kaiser, 1

Vgl. Matthes 2000; Helmbold-Doyé/Gertzen 2017. Hierzu immer noch grundlegend: Nipperdey 1972; sowie Watermann 2017, insbesondere Kapitel II. und III. 2

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der die DOG von Anfang an förderte und seit 1901 ihr Protektor war. Dieser Verein bildete durch seine Sozialstruktur frühzeitig eine für die Zeit außerordentlich einflussreiche Pressuregroup. Insbesondere dem Ineinandergreifen privater und institutioneller Netzwerke kam dabei eine entscheidende Rolle zu. Denn die Finanzierung vor allem der mesopotamischen Großgrabungsprojekte in Babylon und Assur war nur in dieser exzeptionellen Gemengelage möglich. Die ebenso erfolgreiche wie schnelle Etablierung der DOG war aber nicht zuletzt auch ein Kind der allgemeinen imperialen Bestrebungen des Kaiserreichs und des internationalen Wettbewerbs um überseeischen Besitz und neue Einflusssphären seit dieser Zeit.3 Wer waren nun diese DOG-Mitglieder? Über die Mitgliederverzeichnisse der Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft (MDOG) und die Jahresberichte der Deutschen Orient-Gesellschaft (JbDOG) lassen sich einige sichere statistische Hinweise, jene auf das Geschlecht, die Altersstruktur und den Berufsstand – soweit für die letzten beiden Angaben bereits vorliegen oder recherchierbar sind – erfassen. Schwierig ist hingegen die Klärung der Religionszugehörigkeit, zumal wenn Mitglieder aus einfacheren bürgerlichen Verhältnissen stammen und deren Nachnamen dann auch noch mehrfach in den jeweiligen Adressverzeichnissen vorkommen. Nach systematischer Durchsicht der Mitgliederverzeichnisse von 1897/8 und zunächst bis 1904 darf, wenn auch noch mit aller gebotenen Vorsicht, davon ausgegangen werden, dass für diesen Zeitraum zwischen einem Viertel und einem Fünftel – mit Tendenz eher Richtung ein Vierteil – der DOG-Mitglieder jüdisch war. Die meisten von Ihnen waren Mediziner, Rechtsanwälte, Hochschullehrer, Kaufleute oder Bankiers, gehörten also dem Bildungs- und Wirtschaftsbürgertum an.4 Sie repräsentierten einen überproportional hohen Anteil und förderten auch überproportional hoch. Warum war das so? Zwar ist an dieser Stelle eine ausführliche Analyse nicht möglich, doch können mindestens folgende vier Beweggründe ausgemacht werden: 1. Juden besaßen in Deutschland um 1900 ein besonderes Maß an Bürgerlichkeit. Dies drückte sich in einem hohen Bildungsgrad mit überproportional vielen akademischen Abschlüssen aus.5 2. Bildung galt im 19. Jahrhundert als ein Schlüsselelement des Erfolgs gesellschaftlicher Integration. Sie war Voraussetzung für Teilhabe an der bürgerlichen Bildungskultur. 3. Kam zur Bildung großer Reichtum forderte der bürgerliche Wertkanon – und dieser war für die säkularen Juden maßgeblich – eine besondere gesellschaftliche Mitverantwortung, indem ein Teil dieses Reichtums an 3

Immer noch grundlegend: Schöllgen 2009. Genaue Angaben darüber, wer als bürgerlich galt, gibt es für diese Zeit nicht; vgl. Nipperdey 1990, 374–395, hier v.a. 374 sowie Kocka 2001, 115. 5 Vgl. hierzu Nipperdey 1990, 400. 4

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eben jene Gesellschaft zurückzuführen war. Dieses Mäzenatentum war somit für diese vergleichsweise sehr kleine Gruppe von Juden ein Grundpfeiler ihres Handelns. Allerdings lassen sich spezifisch jüdische Handlungsmuster im Sinne gebotener religiöser Wohltätigkeit, der Zedeka, dabei nicht erkennen. 4. Jüdisches Mäzenatentum um 1900 ist im Allgemeinen als Teil eines vertieften Verbürgerlichungsprozesses und damit einer intensiveren gesellschaftlichen Teilhabe zu betrachten.6 Für die DOG kann in diesem Zusammenhang von einem speziellen kollektiven Mäzenatentum gesprochen werden, das sich – neben dem Geben von Geld – auch im Geben von Wissen, der Zurverfügungstellung von Netzwerken und nicht zuletzt im Geben von Zeit manifestierte. Gerade letzteres war bei den aktiven Mitgliedern das wohl bedeutendste Opfer, das sie brachten, denn die meisten gespendeten Summen fielen bei diesen Millionären in der Regel kaum ins Gewicht, hingegen die begrenzt zur Verfügung stehende Zeit umso mehr.7 Dieses kollektive Mäzenatentum hatte gegenüber individuellem Mäzenatentum in einer Gesellschaft, in der auch Judenfeindlichkeit latent war, den entschiedenen Vorteil, dass das einzelne Vereinsmitglied oder eine Gruppe mehr oder weniger in einem geschützten Ort agieren konnte. Somit bot die DOG besondere Handlungs- und Gestaltungsräume gerade für Juden. Hier fanden auch nichtkonvertierte säkulare Juden gesellschaftliche Teilhabe, von der sie weiterhin in vielen Bereichen, insbesondere in den preußischen ministeriellen Verwaltungen oder im Militär – trotz formeller Gleichsetzung im Deutschen Kaiserreich – ausgeschlossen blieben. Doch wie sah die Realität aus? Tatsächlich ist es so, dass die allerwenigsten DOG-Mitglieder über ihre Pflichtbeiträge von 20 Mark pro Jahr hinaus eine besondere Spendenbereitschaft zeigten. Das galt auch für Juden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die meisten DOG-Mitglieder dem weniger bemittelten Bildungs-, als dem Wirtschaftsbürgertum zuzurechnen sind und für diese Gruppe waren regelmäßig höhere Ausgaben finanziell nicht möglich, zumal viele von ihnen auch noch gegenüber zahlreichen anderen Vereinen Verpflichtungen hatten. Tatsächlich gab es, wie bereits angedeutet, nur wenige jüdische wie christliche Mitglieder innerhalb der DOG, die darüber hinaus zusätzliche Gelder, ihr Wissen, Ihre Netzwerke oder ihre Zeit bereitstellten.

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Zum Verbürgerlichungsprozess vgl. Jensen 2005. Vgl. hierzu die humoristischen Ausführungen der hausinternen Tagezeitung des Bankhauses Mendelssohn & Co. in Bezug auf einen normalen Tagesablauf ihres damaligen Seniorchefs Franz von Mendelssohn, der von 9 bis 19 Uhr in Berlin eine Sitzung nach der anderen absolvierte, bis auf die nicht näher bestimmbare Zeit zwischen 14.30 und 14.40 Uhr; abgedruckt bei Panwitz 2018, 239–240.

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Abb. 1: James Simon, Fotografie um 1910.

Abb. 2: Franz von Mendelssohn.

Abb. 3: Paul von Schwabach, Kaltnadelradierung (Ausschnitt) von Emil Orlik, 1912.

Hier ist zuerst der Berliner Kaufmann James Simon (1851–1932) zu nennen, dessen persönliches Engagement entscheidend dazu beitrug, dass die 1897/98 von ihm mitinitiierte DOG vor dem Ersten Weltkrieg so bedeutsam werden konnte (Abb. 1). Simon war auch der mit Abstand wichtigste private Geldgeber der DOG

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und stellte bis 1917 mehr als eine halbe Million Mark zur Verfügung.8 Aber es gab einige weitere wichtige Förderer, die heute in Simons Schatten stehen. Hier sind vor allem die beiden bedeutenden Bankiers Franz von Mendelssohn (1867– 1935) von der damals größten deutschen Privatbank Mendelssohn & Co.9 und Paul von Schwabach (1868–1938) vom Bankhaus S. Bleichröder10 zu nennen (Abb. 2–3). Mendelssohn gab zwar nie besonders große Summen;11 er investierte jedoch gerade in den ersten Jahren des Bestehens der DOG sehr viel Zeit als Vorstandsmitglied in die Vereinsarbeit. Das tat auch Schwabach. Er war der erste und langjährige Schatzmeister der DOG; 1911 schenkte er ihr 10.000 Mark.12 Es wird vornehmlich diesen beiden Bankiers zuzuschreiben sein, dass zahlreiche Berliner Spitzenbankiers Mitglied der DOG wurden. Nicht von ungefähr kam es so im Laufe der Jahre auch zu einer institutionellen Schenkung. Die Deutsche Bank, in der zahlreiche Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder Juden waren, schenkte 1911 der DOG einmalig 10.000 Mark.13 Auch der Berliner Privatbankier Gustav Güterbock (1820–1910), Vater des jahrzehntelangen und ehrenamtlich tätigen DOG-Sekretärs Bruno Güterbock (1858–1940), vermachte dem Verein testamentarisch 2.500 Mark.14 Und selbst der berühmte Arzt, Forscher und Nobelpreisträger Paul Ehrlich (1854–1915) überließ der DOG 1906 in seiner letztwilligen Verfügung 1.000 Mark.15 In geringerem Umfang gehörten die DOG-Vorstandsmitglieder Kohleindustriellen Friedrich von Friedlaender-Fuld (1858–1917),16 und Oskar Huldschinsky (1846–1931)17 sowie die hochangesehenen Kaufleute Louis Simon (1826–1903), Eduard Simon (1868–1929) sowie der Berliner Fischbein-

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Matthes 2000, 344. Die letzte Schenkung Simons erfolgte im Januar 1917 und betrug 23.000 Mark; vgl. Steuerbescheid des Kgl. Erbschaftssteueramtes vom 3.02.1917; SMBZA, III/DOG I.16.12. Steuerbescheid des Kgl. Erbschaftssteueramtes vom 3.02.1917 für JS über seine Schenkung vom Januar 1917 [nicht genauer datiert] über 23.000 Mark an DOG, fünf Prozent Steuer zu zahlen, also 1.150 Mark an Fiskus. 9 Vgl. Panwitz 2018, 238 mit Fußnote 699. 10 Reitmayer 1999, 260–261. 11 Die höchste Summe belief sich 2.000 Mark als außerordentlicher Beitrag für die erste Expedition nach Babylon; vgl. JbDOG 1, 1898, 11. 12 Vgl. Steuerbescheid des Kgl. Erbschaftssteueramtes vom 14.07.1911 für Paul von Schwabach für seine Schenkung vom 23.05.1911; SMB-ZA, III/DOG I.16.5. 13 Vgl. Steuerbescheid des Kgl. Erbschaftssteueramtes vom 27.07.1911 für die Deutsche Bank über ihre Schenkung vom 22.05.1911; SMB-ZA, III/DOG I.16.6. 14 Vgl. Testamentsauszugsabschrift Gustav Güterbocks vom 13.10.1910; SMB-ZA, III/DOG I.16.3. 15 Vgl. Abschrift einer letztwilligen Verfügung Paul Ehrlichs vom 23.08.1906; SMB-ZA, III/DOG I.16.10. 16 Vgl. JbDOG 1, 1898, 11: Kassenaufstellung: 2.000 Mark an außerordentlichen Beiträgen für die erste Expedition nach Babylon. 17 Ebd.

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fabrikant und Kommerzienrat Julius Isaac (1845–1899) dazu, letzterer ein heute übrigens auch bei den Berliner Museen vergessener Förderer, der u.a. das Völkerkundemuseum (heute Ethnologisches Museum), aber auch die Ägyptische Abteilung unterstützte. Alle genannten lebten und wirkten um 1900 in Berlin. Die Förderung der DOG von Einzelpersonen aus anderen deutschen Städten war hingegen vergleichsweise bescheiden und Berlin das alles überragende Zentrum.18 James Simon, Franz von Mendelssohn und Paul Schwabach engagierten sich über das eigentlich Finanzielle sowie die Vorstandsarbeit hinaus als einflussreiche Netzwerker und das weit über Berlin hinaus. Da bereits damals Vieles über Telefon oder in Stadträumen wie Berlin über direkte persönliche Absprachen erfolgte, wird es schwierig sein, hier einigermaßen genaue Ergebnisse etwa in Bezug auf die erfolgreiche Werbung neuer DOG-Mitglieder durch sie zu erlagen. Einzelne brieflich überlieferte Beispiele, wie etwa die durch Simon eingefädelte Mitgliedschaft des um 1900 so wichtigen Berliner Presseverlegers Rudolf Mosse mit dem einflussreichen „Berliner Tageblatt“, können hier aber pars pro toto dienen.19 Hinzu kamen von den drei genannten auch einmalige außerordentliche Beiträge, wie etwa für die Ausstattung der ersten DOG-Expedition nach Babylon 1898, mit Beträgen von bis zu 3.000 Mark, die auch jeweils extra in den Jahresberichten namentlich angezeigt wurden. Zusätzliche Gelder von Christen, wie etwa jene von Friedrich Alfred Krupp (1854–1902), der mit Jahresbeiträgen von 3.000 Mark an der Spitze der „regulären“ Beiträge stand, konnte die DOG gerade in den ersten Jahren hingegen nur ausnahmsweise entgegen nehmen.20 Später gab es vereinzelte Schenkungen von Christen, die hier zumindest genannt sein sollen. So vermachte der Kölner Geheimrat Johann Nepomuk Heidemann (1841–1913) der DOG testamentarisch ebenso 10.000 Mark wie die vor allem für die Preußische Akademie der Wissenschaften so engagierte Mäzenin Elisabeth WenzelHeckmann (1833–1914).21 All diese Einzelstiftungen und das persönliche Engagement einzelner Mitglieder minderten zwar fallweise die finanziellen Belastungen der DOG, konnten hingegen nicht deren strukturelle Probleme lösen. Diese bestanden vor allem in den vergleichsweise bescheidenen jährlichen Eigeneinnahmen bedingt durch den geringen Mitgliederbeitrag von 20 Mark pro Jahr. Für den DOG-Vorstand kam aber 18

Vgl. hierzu die Jahresberichte der DOG bis 1914, insbesondere die Rubrik „Immerwährende Mitglieder“ durch Jahresbeiträge. 19 Vgl. James Simon an Rudolf Mosse vom 08.02.1899: Landesarchiv Berlin, Rep. 61, 2351 sowie JbDOG 1, 1899, 12. 20 Vgl. JbDOG 1, 1899, 12; JbDOG 2, 1900, 10; JbDOG 3, 1901, 10; JbDOG 4, 1902, 10. 21 Vgl. Abschrift der Landesherrlichen Genehmigung der Schenkung Heidemann durch König Wilhelm II. am 24.11.1913. Die Schenkung Wenzel-Heckmann erhielt die DOG am 13.03.1915 überwiesen, da die Landesherrliche Genehmigung hierfür erst am 04.01.1915 erfolgte; SMB-ZA, III/DOG I.16.8-9; vgl. auch JbDOG 16, 1914, 13 (Heidemann).

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eine Erhöhung des Jahresbeitrags nicht in Frage. Also war man bestrebt, eine bedeutende Erhöhung der Mitgliederzahlen zu erreichen. So erklärt sich auch der jährlich und geradezu reflexartig wiederkehrende Aufruf des DOG-Vorstands, neue Mitglieder und Förderer zu werben: Der Jahresbericht von 1911 steht hier geradezu paradigmatisch. Darin heißt es: Wir können daher unseren verehrten Mitgliedern nicht dringend genug ans Herz legen, im Kreise ihrer Freunde und Bekannten immer wieder und wieder den Versuch zur Gewinnung neuer Förderer und Gönner unserer Sache zu unternehmen. Wir sind überzeugt, daß ihnen das nicht schwer fallen wird, wenn sie auf die hohen nationalen und wissenschaftlichen Ziele, die wir verfolgen, und auf die stattliche und immer noch wachsende Reihe wertvoller Veröffentlichungen hinweisen, in denen die Ergebnisse unserer Unternehmungen niedergelegt sind.22 Einerseits ging es der DOG darum, durch weitere finanzkräftige Mitglieder ihre Unabhängigkeit vor staatlicher Vereinnahmung zu bewahren, andererseits musste sie ihre Bedeutung und Unabkömmlichkeit just gegenüber diesen staatlichen Institutionen auch immer wieder aufs Neue beweisen, um weiterhin die für die Großgrabungen in Babylon und Assur absolut notwendigen Mittel, die sie zu keinem Zeitpunkt allein aus den Mitgliederbeiträgen selbst aufzubringen in der Lage war, zu erhalten. Letztlich fällt aber das Ergebnis der Bemühungen der DOG um neue und dauerhafte Mäzene bis 1914 beim genauen Hinsehen ernüchternd aus: Denn nur James Simon trat als solcher regelmäßig mit hohen Summen in Erscheinung. Er finanzierte nicht nur ganze Grabungskampagnen, sondern stopfte immer wieder auch stillschweigend Löcher in den Kassen der DOG. Sein Engagement für die altorientalischen Wissenschaften galt schon den Zeitgenossen als exzeptionell (Abb. 4). Ob ihm das immer recht war sei dahingestellt. Denn da es Niemanden seines Ranges als Förderer – abgesehen vom Kaiser und dem preußischen Staat – gab, der in seine Fußstapfen trat, war Simon geradezu gezwungen, weiter massiv zu geben. Nur so konnte die DOG über die mesopotamischen Projekte hinaus Feldforschung betreiben und weiterhin auch für den Laien interessant bleiben. Denn die jährlichen Zuschüsse Preußens für die DOG standen explizit nur für die Grabungen in Babylon und später auch in Assur zur Verfügung. Alle darüber hinaus gehenden archäologischen Forschungen waren über andere Quellen zu finanzieren. Die Arbeiten der DOG in Palästina wurden so überwiegend ebenso von James Simon ermöglicht, wie jene in Ägypten.23

22 23

JbDOG 13, 1911, 9. Vgl. Matthes 2000, 241–265.

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Abb. 4: Karikatur auf Rudolf Martins Jahrbuch der Millionäre, um 1912.

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Andererseits erreichte die DOG trotz intensiver vorheriger Bemühungen erst infolge der Babel-Bibel-Kontroverse einen gleichbleibend hohen Mitgliederstand, der sie zu einer bedeutenden Kraft werden ließ.24 Jahr 1898 (Mai) 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913

Mitgliederzahl über 500 537 561 656 719 1093 1257 1265 1262 1300 1300 1300 1300 1379 1369 1510

Wie durchschlagend sich die Babel-Bibel-Vorträge Friedrich Delitzschs in den ersten Monaten des Jahres 1903 für die Entwicklung der DOG waren, zeigt sich u.a. auch daran, dass sie von Januar bis Ende April 1903 mit 181 Einzelpersonen und Institutionellen Mitgliedern den größten Zuwachs seit ihrer Gründung verzeichnen konnte. Am Jahresende hatte die DOG 374 mehr Mitglieder als im Vorjahr.25 James Simon reichte das jedoch nicht. Im Juli 1903 schrieb er an den Schriftführer der DOG, Bruno Güterbock: An u[nd] für sich sei die Erhöhung der Mitgliederzahl zwar „sehr schön aber für das weite Deutschland u. den RiesenRummel mit Babel u Bibel doch nicht genug. Also strecken wir immer wieder

24

Die Zusammenstellung erfolgte auf Basis der Angaben in den JbDOG und MDOG, die in der Regel im Mai/Juni für das Vorjahr publiziert wurden. Geringe Abweichungen sind dabei nicht ausgeschlossen, zumal bisher keine qualifizierte Auswertung erfolgte und nicht immer eindeutig nachvollziehbar ist, ob auch solche Unterzeichner des Gründungsaufrufs der DOG von 1897, wie Theodor Mommsen, der kein reguläres Mitglied der DOG wurde, in die statistischen Angaben der DOG einflossen. 25 Es gab infolge der Delitzschen Vorträge aber auch vereinzelt Austritte, wie den des Deutsch-israelitischen Gemeindebundes am 23.01.1903: „Der unterzeichnende Bund sieht sich durch die wiederholten heftigen Angriffe, die in den Rede-Veranstaltungen der Deutschen Orient-Gesellschaft gegen das Judenthum gerichtet sind, genötigt, seinen Austritt aus derselben anzuzeigen […] Philippsohn Schaefer“; SMB-ZA, III/DOG I.13.6.

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unsere Flügel aus!“26 Tatsächlich erreichte die DOG-Mitgliederzahl Anfang Dezember 1903 mit 1075 einen neuen Höchststand.27 Was war nun das spezifische Interesse an der Altorientalistik und der mit ihr verbundenen Archäologie? Zunächst ist einmal das generell Neue – das oft auch mit dem Zauber der Exotik verbundene – dieser Forschungsfelder zu betonen. Das betraf freilich Christen wie Juden gleichermaßen. Diese Wissenschaften besaßen zudem eine hohe Attraktivität, da sie konkrete räumliche Bezüge zur Bibel herstellten. Und sie versprachen schließlich hohe wissenschaftliche Erkenntnisse sowie nationales Prestiges. Das wurde die DOG auch nicht müde, fortwährend in ihren Jahrebereichten während der Kaiserzeit zu betonen. Sie sah sich selbst als ein Verein, der einem „grosse[n] nationale[n] und wissenschaftliche[m] Interesse dient“ – so 1899,28 der einer „wahrhaft nationalen Sache“ diene, sich der „steigernden internationalen Konkurrenz mit Ehre“ stelle – so 1904,29 sich „ebenso sehr der Wissenschaft wie dem Ansehen der Nation zu nützen“30 – so 1907. Zehn Jahre nach Beginn der Ausgrabungen in Babylon hieß es, dass die DOG ein Werk geschafften habe, „bei dem Deutschland bisher würdig neben den anderen großen Nationen bestehen durfte, zu Nutz und Frommen der Wissenschaft“.31 1910 hieß es dann, dass die „orientalischen Altertumswissenschaft und der ihr dienenden Sammlungen im Deutschen Reiche zu genügen [sei], damit der deutsche Name im Wettbewerb der Kulturnationen mit Ehren bestehen könne.“32 1913 hob die DOG ihre bedeutende Rolle „im Wettstreit der Kulturvölker“ hervor und war fest entschlossen, „den mühsam erkämpften ehrenvollen Platz auf dem Felde der Wissenschaft des Spatens zu sichern.“33 1914 schließlich, im letzten Jahresbericht vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, hieß es: „Sie ist bestrebt, an ihrem Teile dazu beizutragen, daß in dem internationalen Wettbewerb auch auf dem Gebiete der orientalischen Archäologie deutsche Gründlichkeit und deutsche Tatkraft sich würdig betätigen können.“34 In fast jedem Jahresbericht der DOG werden die nationalen Ziele und internationalen Vergleiche geradezu gebetsmühlenartig hervorgehoben. Was meinte dies aber genau? Letztlich ging es um 1900 im Wissenschaftsgetriebe ähnlich zu wie in der großen Politik. Diese war bei den europäischen Großmächten ausgeprägt imperial. Ziel war eine stetige räumliche Machterweiterung, bei der es um hand26

Simon an Güterbock vom 18.07.1903, SMB-ZA, III/DOG I.6.93. Vgl. Liste der Mitgliederzahl am 08.12.1903; SMB-ZA, III/DOG I.13.6. – Der Frauenanteil in der DOG war generell gering: bis 1902 gab es 17 nur Frauen, 1903 waren es 30. Von diesen war nachweislich mindestens ein Drittel jüdisch. 28 JbDOG 1, 1899, 8. 29 JbDOG 6, 1904, 8. 30 JbDOG 9, 1907, 9. 31 JbDOG 11, 1909, 9. 32 JbDOG 12, 1910, 10. 33 JbDOG 15, 1913, 15. 34 JbDOG 16, 1914, 14. 27

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feste wirtschaftliche Vorteile ging. Auch die international verzahnte und eng kooperierende Wissenschaft war um 1900 von Konkurrenzdenken vornehmlich in nationalen Kategorien geprägt. Dabei spielten Wissen, Wissensnutzung und Wissensdeutung in Wissensräumen eine entscheidende Rolle. Denn dies war nicht nur mit enormem Prestige verbunden – eine damals äußerst bedeutende gesellschaftliche Komponente in der gesamten westlichen Welt –, sondern illustrierte nicht zuletzt auch die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Nation. Daher förderte man insbesondere solche Projekte, die diese Bedingungen erfüllten. Die Erforschung altorientalischer Kulturen gehörte fraglos dazu, zumal sie zunächst vornehmlich auf dem Gebiet des Osmanischen Reiches stattfand, einem Staat, in dem Deutschland zudem handfeste wirtschaftliche und strategische Interessen verfolgte. Die archäologische Feldforschung der DOG in Babylon, Assur und den zahlreichen Nebengrabungsstätten wurde nicht zuletzt auch aufgrund dieser Gemengelage vor allem vom preußischen Staat – und im weitaus geringerem Maße dem Deutschen Reich – so massiv gefördert. Hier – quasi auf der großen internationalen Bühne – konnten mäzenatisch aktive Juden nicht nur ein wenig mittun, sondern aktiv und gestalterisch wirken und damit auch die ihnen in der Regel sonst verschlossene wissenschaftspolitische Einflussnahe nehmen. Hier manifestierte sich faktisch ihre vertiefte Verbürgerlichung. Dass es sich dabei allerdings auch in der DOG nur um eine äußerst kleine und elitäre Gruppe von Handlungsträgern handelte, sollte darüber nicht vergessen werden. II. Hatte nun die Förderung solcher Fächer, die Bezüge vor allem zum Alten Testament herstellten konnten, für Juden eine besondere Attraktivität? Diese Frage ist grundsätzlich sicher zu bejahen. Allerdings lässt sie sich empirisch kaum nachweisen, wenn dann eher auf einer semantischen oder ontologischen Ebene. Wörter wie „Babylon“ oder „Ninive“ hatten um 1900 fraglos eine enorme Suggestivkraft – aber eben nicht nur für Juden, sondern für Christen gleichermaßen. Das macht es also schwierig, für die Förderung altorientalistischer Fächer ein besonderes jüdisches Interesse erkennen zu wollen. Auch bei den Zeitgenossen stand die Erforschung Babylons oder Assurs nicht unter einer spezifisch jüdischen Prämisse. Vielmehr waren sich die bürgerlichen und teils auch adeligen Kreise, ob nun jüdischen oder christlichen Glaubens, darin einig, dass die deutsche Feldforschung in Mesopotamien Einzug zu halten habe und dessen Leistungsfähigkeit eindrücklich demonstriert werden sollte. Das galt dann ebenso für das DOG-Engagement in Palästina und Ägypten. Die Förderung der Erforschung Palästinas und der dortigen Synagogen seit 1903 durch James Simon stand auch nicht in einer expliziten Verbindung mit der zufälligerweise gleichzeitigen Babel-Bibel-Kontroverse. Es ging hier zunähst nur darum, die stark gefährdeten Synagogenruinen so gut wie möglich wissenschaftlich zu erfassen, und schließlich auch hier die Fähigkeiten

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der deutschen Feldforschung aller Welt vor Augen zu führen. Ähnlich sah es in Ägypten aus, zumal in den Jahren vor der deutschen Wissenschaftsinstitutionalisierung durch die Ernennung Ludwig Borchardts als ersten Direktor des Kaiserlich Deutschen Instituts für ägyptische Altertumskunde in Kairo vor Ort 1907.35 III. Die altorientalischen Wissenschaften zu fördern erschien im Rahmen bürgerlichen Handelns bedeutsam. Hier bot sich eine elitäre Bühne, die auf verschiedenen Ebenen insbesondere für Mäzene jüdischen Glaubens attraktiv war. Denn als Förderer beteiligten sie sich daran, neue Objekte und Kunstwerke nach Deutschland zu holen. Damit kamen sie so der impliziten Forderung einer großbürgerlichen Sammlerpflicht nach. Denn auf diese Weise förderten sie nicht nur konkret die Vermehrung etwa musealer Sammlungen, sondern genügten so auch national-patriotischen Pflichten, steigerten zugleich aber auch – ob gewollt oder nicht – ihr persönliches Ansehen und präsentierten sich nicht zuletzt auf der Höhe der Zeit. Ihr Engagement für die DOG zeigt darüber hinaus, dass sie sich mit deren Zielen auch persönlich identifizierten. Dieses Verhalten galt um 1900 als vorbildlich. Denn die Förderung der fachlichen Erschließung der Grabungsfunde führte zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Diese Wissensgenerierung und Wissensvermittlung durch repräsentativ ausgestattete Publikationen,36 oder Sonderausstellungen37 zu den neuesten Funden waren gesellschaftlich hoch relevante Aspekte, die letztlich zu historischer Deutungshoheit über die erforschten antiken Kulturen führte und damit zur Steigerung des nationalen Prestiges beitrugen – im internationalen Kulturwettstreit der europäischen Staaten um 1900 war dies geradezu normativ. Dieser weit verbreitete Topos lässt sich auch auf andere Wissenschaftsfelder übertragen. Daher scheinen auch keine speziellen Verhaltensmuster jüdischer Mäzene für die Förderung altorientalischer Forschung im Vergleich zu anderen von ihnen geförderten Wissenschaften erkennbar, sieht man einmal von den genannten Aspekten ab. Denn faktisch spielte es kaum eine Rolle, welche Wissenschaftsbereiche gefördert wurden – die Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911 legt dies jedenfalls nahe.38 Auch 35

Vgl. hierzu detailliert Voss 2013, 74–81, 115–120. Vgl. hierzu die Wissenschaftlichen Veröffentlichungen der DOG, deren erste Bände in ihrer Ausstattung und Reproduktionsqualität lange nicht an die maßstabsetzenden französischen von Jaques de Morgan und den anderen Autoren der Recherches Archéologique. Première Série fouilles a Suse en 1897–1898 et 1898–1899, Paris 1900, herankamen. Sowohl das Papier höchster Qualität als auch die exzellenten Heliogravüren bestechen bis heute. Eine genaue Analyse der Ausstattung und Darreichung dieser Wissenschaftswerke um 1900 steht noch aus. 37 Vgl. Savoy 2012, 452–459. 38 Vgl. einführend: Nowak 2001, 55–71. 36

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hier waren in der Gründungsphase überproportional viele Mäzene sehr reiche Juden. Es musste vor allem gewährleistet sein, dass diese Förderung zur Wissensmehrung als entscheidendes Werkzeug der internationalen Konkurrenzfähigkeit und damit der Stabilisierung der eigenen Gesellschaft diente. Zu den Kräften, die diese Entwicklung mittrugen, gehörten fraglos auch Mäzene mit jüdischem Hintergrund.

Babel, Bibel und die Völkischen Uwe Puschner

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts brachten mehr oder weniger „[g]roße geistige Flutwellen […] die Oberfläche des Berliner Lebens zum Kräuseln“, und diese nicht nur in der Reichshauptstadt.1 Mit seinem ersten Babel-Bibel-Vortrag in der Berliner Sing-Akademie am 13. Januar 1902 in Anwesenheit des Kaisers und dessen umgehender Veröffentlichung löste Friedrich Delitzsch (1850–1922) ebenso lebhafte wie kontroverse Debatten vor allem im, aber auch außerhalb des Deutschen Reichs und den mit spitzer Feder geführten sogenannten Babel-Bibel-Streit aus.2 „Delitzsch zieht […] litterarische Wellenkreise. Eine neue babylonische Sintflut bricht herein“, kommentierte der Natur- und Kulturphilosoph Raoul H. Francé (i.e. Rudolf Heinrich Franzé, 1874–1943) in einer völkischen Kulturzeitschrift.3 Bei seinem Aufbruch nach London im Frühherbst 1903 hatte Delitzsch „nach Ausscheidung alles Wertlosen zirka 1350 kleinere und über 300 große Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, dazu 28 Broschüren“ unter Zurücklassung „eine[r] nicht zu bewältigende[n] Fülle ausländischer Zeitungsausschnitte“ im Gepäck.4 Das Deutsche Reich erlebte 1902/03 einen Medienhype, der auch die sich seit Mitte der 1890er Jahre formierende völkische Bewegung erfasste. In ihren Leitmedien – Heimdall. Zeitschrift für reines Deutschtum und All-Deutschtum (1896– 1933), Der Volkserzieher. Blatt für Familie, Schule und öffentliches Leben (1897– 1936) und Hammer. Blätter für deutschen Sinn (1902–1940) – erschien eine überschaubare Anzahl überwiegend kürzerer Beiträge, die nur rudimentär über die Inhalte der ersten beide Vorträge von Delitzsch berichteten; der dritte 1904 erfuhr keine Resonanz. Ihren Autoren, insbesondere den hier federführenden und meinungsbildenden Herausgebern Adolf Reinecke (1861–1940), Wilhelm Schwaner (1863–1944) und Theodor Fritsch (1852–1933) ging es in ihren Beiträgen vor dem Hintergrund von Delitzsch’ Vorträgen, den von ihnen ausgelösten öffentlichen, akademischen und insbesondere theologischen Kontroversen und dem kakophonen Medienecho vielmehr und vornehmlich um die programmatischen Leit1

Dernburg 1903, 16. Es handelt sich um den Wiederabdruck eines Beitrages, der zuerst erschien in: Berliner Tageblatt Nr. 31 v. 18.1.1903, 1. Beiblatt; s. hierzu Lehmann 1994, 38. 2 Für die Reaktionen außerhalb des Deutschen Reiches s. beispielhaft Grand-Carteret 1906 [frz. Original: « Lui » devant l’objectif caricatural (= Collection des Célébrités vues par l’image), Paris 1905], 31 (Schweiz), 220 (Italien) und 223 (Österreich). 3 Francé 1903a, 500. 4 Delitzsch 1904b, 23; es handelt sich um einen Auszug aus Delitzsch 1904a, dort das Zit. S. 3.

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linien einerseits ihrer Blätter und andererseits des an der Jahrhundertwende noch im Bau befindlichen völkischen Weltanschauungsgebäudes. Die Fluchtpunkte in der völkischen Auseinandersetzung mit dem Babel-BibelKomplex, die, dem genuinen Denkstil der Völkischen folgend, Aspekte und Diskurselemente sowohl pejorativ als auch zustimmend der synkretistischen Weltanschauung integrierte, bilden drei zentrale ideologische Bausteine: das antisemitische Exklusions-, das die zivilisatorische arisch-indogermanisch-germanische Superiorität postulierende Geschichts- sowie das arteigene Religionsideologem.5 Der Babel-Bibel-Streit bot den Völkischen zudem die Möglichkeit zur Agitation und zum agenda setting, da, wie der nationalliberale Schriftsteller und Journalist Friedrich Dernburg (1833–1911) unmittelbar nach dem zweiten Berliner Vortrag Delitzsch’ vom 12. Januar 1903 weitsichtig resümierte, „man über das, was die alten Babylonier wußten, erzählten und glaubten, sich nicht im mindesten erhitzen würde, wäre man nicht bereit, Folgen für die unmittelbare Gegenwart daran zu knüpfen.“6 Darum ging es nicht zuletzt den Völkischen. Die Völkischen und ihre Medien widmeten sich Delitzsch und dem Streit erst und weitgehend nur auf dessen Höhepunkt 1903.7 Die von den Völkischen daraus gezogenen agitatorisch und ideologisch verwertbaren Schlussfolgerungen reichen deutlich weiter und weit über den Ersten Weltkrieg hinaus. Die völkische Kommentierung und Interpretation des Babel-Bibel-Komplexes begann in den drei Leitmedien im Frühjahr 1903, zunächst im Volkserzieher, dann im Heimdall und schließlich im Hammer. Antisemitische Ausschreibungen Bezeichnenderweise in der Rubrik „Zeit-Glossen“ gab Theodor Fritsch, von Anfang der 1880er bis zu Beginn der 1930er Jahre „eine Schlüsselfigur“ des organisierten Antisemitismus,8 im April 1903 im Hammer unter der Überschrift „Was ist es um Babel und Bibel“ die fortan im dezidiert antisemitischen Segment der völkischen Bewegung gültige Lesart vor. Unter Berufung auf die ältere Forschung (Franz Kaulen, 1827–1907; Archibald Henry Sayce, 1846–1933) und vor allem auf den antisemitischen Mitstreiter und Wiener Orientalisten Adolf Wahrmund (1827–1913) konstatierte Fritsch,9 dass zum einen „die älteste Kultur-Schicht Me5

Zu den drei Ideologemen s. Puschner 2016; Köck 2015 und Meyers 2012. Dernburg 1903, 16; die Passage ist auch zitiert bei Lehmann 2018, 66. 7 Einen im Wesentlichen die Hauptinhalte von Delitzsch’ erstem Vortrag referierenden, seine ariosophischen Anschauungen defensiv lancierenden Beitrag publizierte im Jahr zuvor Lanz-Liebenfels 1902. Zu ihm, zur Ariosophie und zur Bedeutung der archäologischen Befunde in Assyrien in seinem Denken – ohne Berücksichtigung des Umschau-Beitrages – s. Goodrick-Clarke 1997, bes. 85–86 und zu Lanz‘ ariosophischer Religion und ihren Grundlagen Meyers 2012, 369–375. 8 Bergmann 2009, 258. 9 Fritsch nimmt in seinem Beitrag umfangreich Bezug auf Wahrmund 1882; s. in diesem 6

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sopotamiens keine semitische“, sondern arisch-nordischen Ursprungs wäre – wie sprach- und rassentypologische Vergleiche es belegten (Von Hammurapi erhaltene „Bildnisse“ lassen „ihn mit seiner Stumpfnase als bärtigen Ostsee-Schiffer erscheinen“ und in „Sargon’s Gemahlin glaubt man eine deutsche Frau aus dem Mittelalter zu sehen“). Zum anderen stellte Fritsch fest, dass „diese uralte Kultur in Babylonien […] unter dem Einfluß des Semitentums nach kurzer Schein-Herrlichkeit dem Untergange verfiel.“10 Vor diesem Hintergrund, dem rassisch gedeuteten Aufstieg und Niedergang von Hochkulturen, einem Schlüsselnarrativ des völkischen Geschichtsideologems, wandte sich Fritsch Friedrich Delitzsch zu, dem er nicht nur absprach, „neue Tatsachen und Gesichtspunkte“ präsentiert zu haben, sondern ihn einer „tendenziöse[n] Deutung“ bezichtigte.11 Delitzsch sei nämlich darum „bemüht, die ganze Kultur-Herrlichkeit Babyloniens und alle religiösen Errungenschaften für die Semiten in Anspruch zu nehmen.“12 Das wusste Fritsch, nach einer ausführlichen aus dem antisemitischen Arsenal schöpfenden Suada, mit einer in der antisemitischen Agitation als ultima ratio verwendeten Strategie zu erklären, in dem er dessen Vater Franz (1813–1890), ein renommierter evangelischer Theologie, Alttestamentler und Hebraist, und seinen Sohn Friedrich eine „jüdische Abkunft“ zuschrieb, um damit Delitzsch, der Fritsch zufolge in seinen Babel-undBibel-Ausführungen „sein jüdisches Blut nicht verläugnen“ könne, und dessen wissenschaftliche Leistung und Integrität zu desavouieren.13 Fritsch‘ antisemitische Ausfälle fanden in antisemitischer und völkischer Bewegung zunächst keine Resonanz, bis zehn Jahre später der von dem völkischen Multifunktionär Philipp Stauff (1876–1923) herausgegebene Semi-Kürschner mit Einträgern zu Franz und Friedrich Delitzsch erschien,14 der – anders als die zwischen 1929 und 1931 veröffentlichten und als zweite Auflage annoncierten Sigilla Veri15 – Fritsch‘ perfide Polemik aufnahm und fortschrieb. Der auf der antisemiZusammenhang auch das vielfach aufgelegte Pamphlet von Fritsch 1920 (1. Aufl. 1911), 59, wo er Delitzsch’ Bedeutung relativiert, wenn es unter Verweis auf ältere Beiträge (u.a. Wahrmund) um den für Antisemiten zentralen Nachweis geht, „dass die Hebräer im Wesentlichen nur Überlieferer älterer, nicht von ihnen erzeugter Geistesschätze gewesen sind.“ S. zum Kontext und insbesondere in Bezug auf Sayce Wiedemann 2020, 440-443; bes. ab 442. 10 Fritsch 1903, 177 und 179. 11 Ebd., 179. 12 Ebd., 179. 13 Ebd., 181; s.a. , Fritsch 1907, 353, wo – wie auch in der 27. Aufl. 1910, 200, und letztmalig in der 28. Aufl. 1919, 374 – Franz und Friedrich Delitzsch mit einem Sternchen versehen („getauft oder jüdischer Abstammung“) aufgeführt werden; in der 29. Aufl. Leipzig 1923, 174, wird Delitzsch mit „Die Grosse Täuschung“ zitiert. 14 Stauff 1913, 64. Zu Stauff s. Hufenreuter 2009. 15 Ekkehard 2001, 1144–1147; s. zu den beiden antisemitischen Hetzschriften Hufenreuter 2006, 43–63.

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tischen Klaviatur geübte „edelvölkisch[e]“ Volkserzieher-Herausgeber Wilhelm Schwaner,16 der seit 1903 in Kontakt zu und von 1908 an in regem und freundschaftlichen Austausch mit Delitzsch stand und diesem in seinem „Volkserzieher“ zu Wort kommen ließ,17 sah sich daraufhin zu einer entschiedenen Replik wegen der antisemitischen Denunziation des von ihm verehrten und geschätzten Wissenschaftlers und grundsätzlich gegen Stauffs „duftendes Semi-Buch“ veranlasst.18 In seinem Nachruf auf Delitzsch wiederholte er seine Kritik an Stauff und bezeichnete es – verbunden mit einem abschließenden Appell – „als eine merkwürdige Ironie des deutsch-völkisch-antisemitischen Schicksals […], daß der Judenfresser Philipp Stauff in seinem ‚Semi-Kürschner‘ unseren kerndeutschen Volkserzieherfreund Friedrich Delitzsch als ‚Judenstämmling‘ verzeichnet. Legt’s zum übrigen und studiert umso eifriger alle Delitzschbücher!“19 Fritsch, Stauff und Heinrich Kraeger (1870–1945), der Verfasser des SemiKürschner und Herausgeber der Sigilla Veri, repräsentieren den in der völkischen Bewegung tonangebenden antisemitischen Flügel. Wenn Fritsch am Schluss seiner Attacke gegen Delitzsch auf dessen zweiten Babel-Bibel-Vortrag kursorisch zu sprechen kommt und resümiert, Delitzsch habe mittlerweile „einen scharfen Frontwechsel vollzogen“, „sich mit Entschiedenheit gegen Jahve als den blutdürstigen Gott der Rache“ ge- und dem „christlich-arischen Allvater“ zugewandt, dann verweist dies lediglich auf die argumentative und strategische Flexibilität des völkischen Antisemitismus.20 In dieselbe religions- und zudem geschichtsideologische antisemitisch-völkische Stoßrichtung argumentieren zwei Jahrzehnte später auch die Sigilla Veri. In dem Delitzsch-Eintrag wird dessen vermeintliche jüdische Abstammung eingangs zwar erwähnt, um dann jedoch Delitzsch, insbesondere seine „in manchen deutschvölkischen Kreisen“ allzu sehr gelobte, gleichwohl „treffliche ‚Große Täuschung‘“ (1920/21), mit der er sich im Übrigen antisemitisch-völkisch positionierte,21 und damit ein Werk zu würdigen, das ein „Schlag gegen das Judentum 16 Schwaner 1926, 77–79; zu seinem Antisemitismus s. die bekenntnishaften Ausführungen in Schwaner 1903a, sowie Hufenreuter/Knüppel 2008, 28–29 und Breuer 2008, 27. 17 S. hierzu Lehmann 1994, 263–268 sowie den Briefwechsel beider 348–355. Beiträge im Volkserzieher von Delitzsch 1904b und Delitzsch 1907. Zum 25. Jubiläum des Volkserziehers beteiligte sich Delitzsch – zusammen mit weiteren Prominenten (wie Adolf von Harnack und Walther Rathenau) und völkischen Ideologen (u.a. Houston Stewart Chamberlain, August Keim, Friedrich Lienhard und Hans Freiherr von Wolzogen) – an einer Festgabe und verfasste eine Hommage auf den „Wahrheitssucher und Wahrheitsbekenner“ Schwaner; Delitzsch 1921a, 7. Die Beiträge erschienen auch in Schwaner 1921, 101; s. hierzu Hufenreuter/Knüppel 2008, 40. 18 Schwaner 1915; die zentralen Passagen des Artikels sind zit. in: Hufenreuter/Knüppel 2008, 125–126, FN 3, Zit. S. 125. 19 Schwaner 1923/24. 20 Fritsch 1903, 182. 21 S. hierzu Lehmann 1994, 35–37, Lehmann 2018, 66, Gertzen 2019, 248–250 und Gert-

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und seine Ansprüche war“. Den Sigilla Veri zufolge bestünde dessen Verdienst […] darin […], wissenschaftliche Erkenntnisse […] erstmals in weiteste Kreise getragen zu haben. Die Grundauffassung, daß die jüdische Religion entstanden ist nicht aus einer Fortentwicklung der altisraelitischen Volksreligion und der Propheten, sondern aus einem Bruch mit diesen Anfängen, daß die jüdische Legende beruht auf einer bewußten Übermalung der Überlieferung, auf einer von den levitischen Priestern des Jerusalemer Tempels bewußt zurecht gemachten Geschichtsfälschung […], diese Erkenntnis ist Wahrheit, und es war nötig, daß sie endlich einmal in weiteste Kreise kam. Denn diese Erkenntnis gibt den Schlüssel zum religiösen Verständnis des Judentums: Das Judentum ist seinem Ursprung nach, eine auf Veredelung und echtes Menschentum angelegte große [ihm artfremde] Religion, die erst in ihrer Entartung zum Priestergesetz und damit zum Judentum im engeren Sinne des Wortes geworden ist. Diese Entartung aber ist nicht zufällig und unbewußt eingetreten, sondern sie ist das Werk einer bewußten Züchtung: Das israelitisch-luderische Volk ist, zum Teil [soweit es noch bodenständig war] gegen seine eigene Natur, durch die levitischen Priester mit Kunst und Absicht zum Judentum planmäßig gezüchtet worden. Darauf beruht der Wert von Delitzsch’ ‚Großer Täuschung‘, daß er weitesten Kreisen der Nation zum ersten Male eine Ahnung über diesen wahren Sachverhalt gebracht hat.22 Die Sigilla Veri referieren ein dem Antisemitismus ein- und insbesondere von einzelnen deutschchristlichen Protagonisten der völkischreligiösen Bewegung fortgeschriebenes Narrativ. Dem zufolge seien die Fundamente der jüdischen Religion und mithin das Alte Testament nicht jüdischen, sondern vielmehr – unter Verweis auf die von Robert Koldewey (1855–1925) geleiteten Ausgrabungen in Babylon sowie auf deren Präsentation und Deutungen von Friedrich Delitzsch – altorientalisch-babylonischen Ursprungs.23 Dies führte völkische Akteure zu wilden Spekulationen über die Urbevölkerung des Vorderen Orients und deren vermeintliche rassische Zugehörigkeit, namentlich die von Sumerern, Babyloniern und Assyrern.

zen 2020, 181–186, sowie Ebach 1986, bes. 26–27. 22 Ekkehard 2001, 1147; s.a. die beiden positiven völkischen Besprechungen von von Wolzogen 1920 und Bartels 1921a, 61; s. in diesem Zusammenhang auch die sowohl Delitzsch wie die antisemitisch-völkische Rezeption thematisierenden Beiträge in den „Abwehrblättern“; Mitteilungen aus dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus 30 (1920), 76–77, 118 und 236–237, sowie 31 (1921), 61– 63 und 139–140. 23 S. etwa Fritsch 1920, 25, sowie Ekkehard 2001, 1145, wo aus den Deutsch-sozialen Blättern 1904 zitiert wird; das Zitat konnte nicht verifiziert werden.

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Völkische Geschichtsnarrative Zwei Jahre nach dem Ersten Weltkrieg veröffentlichte der Nürnberger Volksschullehrer und antisemitische Verschwörungstheoretiker Karl Weinländer (1870–1946) unter dem Pseudonym Friedrich Döllinger seine zeitgleich in einer gekürzten „Volksausgabe“ und unter dem Titel Baldur und Bibel erschienenen „[w]eltbewegende[n] neue[n] Enthüllungen über die Bibel“ in dem Völkischen eignenden Selbstbewusstsein, dass sie „wie ein Blitzstrahl in das über dem germanischen Volke geflissentlich verbreitete Dunkel und in das morsche Dogmengebäude der Kirche fahren werden“.24 Weinländer-Döllinger ging es um den Nachweis „Germanische[r] Kultur im biblischen Kanaan und Germanische[n] Christentum[s] vor Christus“. In diesem Zusammenhang meinte er auch, und ausgehend von deren nordischer Herkunft, die „Namen germanischer Volksstämme im alten Vorderasien“ in atemraubender etymologischer Akrobatik entschlüsseln zu können, indem er u.a. „Sum-erier“ als „Sum-arier“ sowie „Assyrier oder assurier“ als „die ältesten Asensöhne in Assyrien (Assyrien = das Asenland, Gottesland der Arier)“ identifizierte und die Babylonier nach den „nordisch-germanischen Walburgen oder Volkskirchen ‚Babylon‘, die sie dort bauten“, benannt wissen wollte.25 Für den Südtiroler Autodidakten Karl Felix Wolff (1879–1966), der in der Zwischenkriegszeit als Volkskundler und Rassenforscher auf sich aufmerksam machte, nach dem Zweiten Weltkrieg hoch geehrt und u.a. zum Ehrenmitglied der Universität Innsbruck ernannt wurde, bestand ebenfalls kein Zweifel, dass „in den großen Staaten des alten Orients […] die treibende Kraft […] europäisches Blut gewesen zu sein [scheint]“ und es „Europäer waren, gleichviel ob Indogermanen oder ältere Arier, welche die Entstehung der altorientalischen Kulturen bewirkten“. Wolffs bizarren Vorstellungen zufolge seien „uralte arische (aber noch nicht indogermanische) Einflüsse“ anzunehmen, „welche schon sehr frühzeitig, etwa vom 9. Jahrtausend an, auf verschiedenen Wegen den Orient erreicht haben“ und 24 Döllinger 1920, Vorwort; s. hierzu Gertzen 2019, 249. Weinländer publizierte auch unter den Pseudonymen Hermann Wieland, Werner Stauffacher, Hans Lienhardt und Jens Jürgen (Der biblische Moses als Pulver-, Sprengöl- und Dynamitfabrikant nach dem Zeugnis der Bibel, Nürnberg 1921; bei den folgenden Auflagen variiert der Titel, die 9. und letzte Aufl. 1940). 25 Döllinger 1920, 15–16; s. in diesem Zusammenhang auch die gleichermaßen abenteuerlichen sprachvergleichenden Volten des Würzburger Gymnasialprofessors [Kaspar] Stuhl [1857–1942] 1921, 13–17, 27–41 und das Vorwort des antisemitischen Verschwörungstheoretikers und Verlegers Ulrich Fleischhauer (1876–1960); zu Stuhl s. Finkenberger 2018 und zu Fleischhauer s. Finkenberger 2009 und Finkenberger 2013. Unter Rückgriff auf die sprachvergleichenden Forschungen von Delitzsch, der in den folgenden Auflagen keine Berücksichtigung mehr findet, geht der vor allem in der Hammer-Bewegung einflussreiche völkische Ideologe von einer nicht-semitischen, „turanischen“ ursprünglichen Besiedlung des Zweistromlandes aus; [Willibald] Hentschel [1858–1947] 1901, hier Bd. 1, 115–116, und hierzu Römer 1989, 49–61, hier bes. 60; zu Hentschel s. Pelger 2017.

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dass es „Ursumerer und Vorindogermanen aus der altarischen Campignien-Wurzel“ waren, die die „menschenarme[n] Gegenden [… wie z.B. Babylonien] urbar“ machten. Als „erste Indogermanen, welche der alte Orient sah“, vermutet er „die seefahrenden Megalithleute“.26 Der Düsseldorfer Gymnasialprofessor Heinrich Wolf (1858–1942), dessen auflagenstarke sechsbändige Angewandte Geschichte vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in den Nationalsozialismus hinein zum Kanon der völkischen Geschichtsschreibung zählte, blickte weniger tief in die Nebel der völkischen Ursprungserzählung. Er wusste nach einem Hinweis auf höchst divergente Ansichten zur Frage der rassischen Kategorisierung der Sumerer die „wichtige Entdeckung“ mitzuteilen, dass – anders als die Babylonier – die Sumerer „keine Semiten waren“,27 um in einer Fußnote auf – namentlich nicht genannte – „[v]orsichtige Rassenforscher“ hinzuweisen, die „es für wahrscheinlich halten, daß sowohl in Altbabylon wie in Altägypten eine nordische Herrenschicht die Kultur geschaffen hat, auch in China.“28 Bestimmter äußerte sich der Begründer der Ariosophie Jörg Lanz von Liebenfels (d.i. Adolf Joseph Lanz; 1874–1954) über die Assyrer, deren Fabeltierdarstellungen als sogenannte Sodoms-Äfflinge und Tschandalen in seinen ideologischen Fundus eingingen.29 Nach Lanz weisen die „Assyrer […] nicht nur im Äusseren, sondern auch in ihrer Religion und in ihrem Charakter manche ganz auffallende arische Züge auf.“30 Wolf spinnt diesen Faden zweieinhalb Jahrzehnte später fort, indem er die als Vermutung kaschierte Überzeugung formuliert, „daß das kräftige assyrische Volkstum aus einer Mischung der [von der arabischen Halbinsel] eingewanderten arabisch-semitischen Nomaden mit den ansässigen Bauern ostischer Rasse hervorgegangen ist“ und dass aus dieser Vermischung – und im Rückgriff auf das völkische Blut und Boden-Ideologem der rassischen Überlegenheit sesshafter bäuerlicher gegenüber nomadischer Lebensweise – „ein kräftiges, eigenartiges Volkstum und ein Reich [entstand], dessen Kern ein freier Bauernstand war.“31 26

Wolff 1927, 90; s.a. den arisch-indogermanischen Stammbaum auf S. 83. Zu Wolff s. die Hinweise bei Wiwjorra 2006, 264; 274–275 und passim. 27 S. hierzu auch Wahrmund 1882, 251, der das „Nil- und Euphratthal“ zum „nichtsemitischen Boden“ erklärt. 28 Wolf 1943 (1. Aufl. 1927), 47; s. zu ihm und seiner Angewandten Geschichte Köck 2015, 149–183; Köck 2016, 87–89 und Puschner 2005, 292. 29 Lanz-Liebenfels 1902, 388 und Lanz-Liebenfels 1978 [1906]; s. hierzu Goodrick-Clarke 1997, 85–86. 30 Lanz-Liebenfels 1902, 388. 31 Wolf 1943, 49; s.a. Wolf 1934 (1. Aufl. 1914), 11–12, wo er von „einem gesunden Volkstum“ der Assyrer spricht, deren – in einem weiteren völkischen Analogieschluss – „Stärke […] auf der freien Bauernbevölkerung und auf dem Volksheer [beruhte].“ Zum völkischen Bauernideologem s. Puschner 2001, 145–151; s. in diesem Kontext auch Wahrmund 1887, 3, wonach „der Arier“ der „eigentliche Staatengründer“ ist und die „alten

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Karl Weinländer, Karl Felix Wolff, Heinrich Wolf, Adolf Lanz oder Adolf Reinecke, der „eine, aus dem Norden gekommene, frühe arische Volkswelle“ in den vorderasiatischen Raum suggerierte,32 verfolgen eine, im völkischen Denken verankerte Strategie, der das germanenideologische Ex-septentrione-lux-Ideologem zugrunde liegt und nach dem, wenn nicht gleich die gesamte Menschheits-, dann in jedem Fall die arisch-indogermanisch-germanische Geschichte ihren Ursprung im nördlichen Europa hat.33 In immer neuen Wanderungswellen verbreiteten sich von dort die dem germanenideologischen Suprematie-Dogma gemäß rassisch, d.h. physisch, intellektuell und mental überlegenen, allein kulturschöpferischen Arier, Indogermanen und Germanen von (Nord-)Europa aus über den Globus und wurden zu Begründern der alten Hochkulturen. Völkische Rassengeschichtsdogmatiker suchten – wie Wolff und Wolf die altorientalischen Kulturen – nichts weniger als die Weltgeschichte zu arisieren. In dieser Überzeugung hob 1903 der in völkischen Fahrwassern flottierende Schriftsteller und Ex-septentrione-lux-Apologet Georg Biedenkapp (1868–1924), der wenige Jahre später den Nordpol als Völkerheimat (Jena 1906) entdeckt zu haben meinte, zu seinem universalgeschichtlichen „Geistesflug um die Erde“ ab und setzte zu einem Walkürenritt gegen Delitzsch und insbesondere die Ex-oriente-lux-„Auffassung“ an, der zufolge „die abendländische Kultur den Schöpfungen der Nil- und Euphratanwohner wesentliche Anregungen zu verdanken habe“. Es sei vielmehr umgekehrt zutreffend, dass diese „Indogermanen ihr Bestes verdanken“.34 Fünf Jahre später führte Biedenkapp in einem Wilhelm II. BabylonEuphorie scharf attackierenden und gegen die „Lügenpresse“ polemisierenden Hammer-Beitrag, der die dem völkischen Denken eingeschriebene Verbindung von antisemitischen und germanenideologischen Motiven offenlegt, einen Generalangriff gegen die deutsche Begeisterung für die alten Kulturen des Vorderen Orients, gegen die Assyriologie im Allgemeinen und im Speziellen gegen den „Hof-Assyriologen“ Delitzsch: Seit Jahren hören wir wie aus dem Leierkasten die Melodie, daß im Altertum alles Licht, alle Wissenschaft und Forschung, alle Mythologie und Kulturstaaten Vorderasiens, Babylon und Assyrien, […] auf Mischungen von Völkerstämmen arischen, turanischen und semitischen Blutes [beruhten] und […], wie auch das chamitische Aegypten, durch rein semitische Eroberer nur dem raschen Verfalle ihrer Kultur zugeführt worden“ sind. 32 Fußnotenbemerkung der Schriftleitung (i.e. Adolf Reinecke) zum Beitrag von Thießen 1903, 163. Thießen annonciert in seinem Beitrag das in der Babel-Bibel-Debatte „stark übersehene Heftchen“ von Winckler 1902. 33 Hierzu und zum Folgenden Wiwjorra 2002, 73–106, Wiwjorra 2006, 266–280 und Puschner 2004. 34 Biedenkapp 1903, 32 und 12–13 zu Delitzsch; s.a. Biedenkapp 1908, 593 und 596; s.a. die auf den Babel-Bibel-Komplex und insbesondere auf Biedenkapp reagierenden Beiträge von Thießen 1903; 1904a und 1904b; s. zu Biedenkamp Wiwjorra 2006, 276–278.

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Astronomie von Babylon, dem Sitz semitischer Kultur, ausgegangen und daß selbst die Göttersage der Germanen nur Wiederschein semitischer Gestirnmythen seien. Die guten Deutschen können gar nicht tief genug in den Staub der eignen Geringschätzung geduckt werden; die Germanen, ihre Ahnen, auf die sie sich so viel einbilden, müssen als tief unter den Semiten stehend gelten, und diesem Zwecke dient auch die Assyriologie.35 Die Ursprünge des Ex-septentrione-lux-Ideologems reichen ins ausgehende 19. Jahrhundert und vor Delitzsch’ Babel-und-Bibel-Vorträge zurück, von denen jedoch infolge der völkischen Rezeption und Auseinandersetzung, wie es das Beispiel Biedenkapp exemplarisch veranschaulicht, nachhaltige Impulse zu dessen Etablierung im völkischen Geschichtsnarrativ ausgingen. Arteigene Religionsdiskurse Entgegen der Überzeugung eines Heimdall-Autors, dass bei der „Bibel-Babelei“ die „Bibel-Frage“ nicht die wichtigste sei,36 stand Religion im Zentrum der völkischen Auseinandersetzung mit Delitzsch und der von Delitzsch ausgelösten theologischen Kontroverse.37 Das galt für die dezidiert antisemitischen ebenso wie für die Ex-septentrione-lux-Exegeten, die wie etwa Karl Felix Wolff in der „urindogermanischen Weltanschauung“ die Grundlagen dessen, „was wir Humanität und Christentum nennen“, angelegt sahen und den „ältesten Indogermanen eine Art Urchristentum“ zuschrieben.38 Religion hat in der völkischen Weltanschauung eine Schlüsselstellung inne, sie ist ihr transzendentaler Überbau.39 Aufgrund des fundamentalen Antisemitismus und des radikalen „Rassestandpunkt[es]“ war das Christentum Völkischen insofern inakzeptabel,40 solange es auf dem Alten Testament fußte bzw. dessen jüdische Einflüsse nicht beseitigt worden seien. Im Anschluss an die altorientalistischen Forschungen, wobei Delitzsch in der Regel namentlich nicht genannt 35

Biedenkapp 1908, 593 und 596. Thießen 1903, 163 und 164; s. in diesem Kontext auch Minuth 1903a, der die US-amerikanischen Reaktionen auf den Babel-Bibel-Streit thematisiert; der Artikel erschien auch al Minuth 1903b. Zu Fred R. Minuth (1854–1930), der dem völkischen Lager verbunden war und enge Kontakte zu völkischen Akteuren wie Johannes Lehmann-Hohenberg und Wilhelm Schwaner unterhielt s. Bierkoch 2019, 35 und 166; s. des Weiteren Bonus 1909; zu Bonus und zum Babel-Bibel-Streit s. König 2018, 67 und 186–187. 37 Zur Verortung der Babel-Bibel-Debatte im zeitgenössischen Religionsdiskurs um 1900 s. Graf 2004, 144. 38 Wolff 1927, 87 und 147. 39 S. hierzu Puschner 2006. 40 Witte 1928, 128–129; Zit. S. 126; der evangelisch-lutherische Hamburger Theologe verweist in diesem Zusammenhang explizit auf Friedrich Andersen (Der deutsche Heiland. Neuauflage des ‚Anticlericus‘ 1921), Theodor Fritsch (Der falsche Gott. Beweis-Material gegen Jahwe, 1. Aufl. 1911) und Friedrich Delitzsch (Die große Täuschung). 36

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wird, galt für einen Teil der völkischen Ideologen, dass „[n]icht alles, was im Alten Testament steht, […] jüdisch [ist].“ Demzufolge stellen die „alt-testamentlichen Schriften […] eine Sammlung aus den Literaturen und Religionen älterer vorjüdischer Kulturvölker dar, denen durch Überarbeitung der äußere Anschein einer Einheitlichkeit zu geben versucht worden ist, die aber bei näherem Zusehen die Ungleichartigkeit ihres Ursprungs deutlich machen.“41 Der theologisch ausgebildete Berliner Studienrat Joachim Kurd Niedlich (1884–1928), Initiator des Bundes für deutsche Kirche, einer 1921 gegründeten deutschchristlichen Propagandaagentur, ging mit dieser Überzeugung und im Rückgriff auf das völkische Ex-septentrione-lux-Ideologem davon aus, dass „über kurz oder lang ein einigermaßen deutliches Bild vom Zusammenhang des Nordens […] mit Vorderasien“ vorliegen werde und dass „schon jetzt die alttestamentliche Theologie vor eine völlig neue Aufgabe“ gestellt sei, „namentlich vor die Untersuchung wie weit im A.T. nordische Einflüsse feststellbar sind.“42 Derartige Bestrebungen, zumindest Teile des Alten Testaments im Deutschchristentum bestehen zu lassen, waren nicht konsensfähig.43 Ernst Hauck (1890–1984), Volksschullehrer, Volkserzieher- und Bund für deutsche Kirche-Aktivist und schließlich Anhänger von Mathilde Ludendorffs (1877–1966) anti-christlicher „Deutscher Gotterkenntnis“,44 kleidete die deutschchristliche Mehrheitsmeinung in die damit bereits beantwortete Frage: „Warum erklären nicht die Verfasser alttestamentlicher Lehr- und Lernbücher, daß ihre gutgemeinten Schriften jeden Wert verloren haben, seit Delitzsch die jüngsten Ergebnisse seiner Babel-Bibel-Forschung in der ‚Großen Täuschung‘ veröffentlicht hat?“45 „Wir Deutschempfindenden können mit dem besten Willen nicht mehr an das Alte Testament heran“, proklamierte mit Adolf Bartels (1862–1945) eine über 41

Fritsch 1920, 2 und 25; in diesem Sinne argumentiert auch Fritsch’ Weggefährte und ideologischer Vordenker des Hammer Hentschel 1924 (1. Aufl. 1901), 146–152 und – mit Bezugnahme auf Babylon – 148; s. hierzu Köck 2016, 83–86; s. in diesem Zusammenhang auch den Bericht und Kommentar zum Vortrag des Berliner evangelischen Universitätstheologen [Otto] Pfleiderer [1839–1908] 1906a, 33. Die Vorträge Pfleiderers erschienenen noch im selben Jahr im alldeutschen Münchner J.F. Lehmann’s Verlag; Pfleiderer 1906b, in denen der Autor nur einmal, nebenbei und ohne Nennung von Delitzsch auf den BabelBibel-Streit (S. 50) eingeht. 42 Niedlich 1925 (1. Aufl. 1921), 15. Zu Niedlich und dem Bund für deutsche Kirche s. Sievers 2007 und Puschner 2014, 36, sowie Buss 2015. 43 S. hierzu beispielhaft – und mit einer Relativierung der Bedeutung von Delitzsch – die Besprechung von Reimarus jun. 1903a; 1903b, dort auch die Besprechung von Walter 1903. 44 Zu den Bezugnahmen von Mathilde Ludendorff auf Delitzsch s. Spilker 2013, 311. 45 Hauck 1921, 127. Mit Verweis auf Lanz-Liebenfels und Weinländer-Döllinger fordert Hauck in diesem Zusammenhang auch eine Neubewertung des Neuen Testaments, die er knapp zwei Jahrzehnte später in einem Buch zusammenfasst und sich wiederum auf Delitzsch beruft; Hauck 1939, 33.

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Jahrzehnte antisemitisch-völkische Autorität die sich durchsetzende deutschchristliche Auffassung in seiner zustimmenden Besprechung von Delitzsch’ Die grosse Täuschung, die er in der „festen Überzeugung“ beschloss: „Das Christentum in Deutschland wird Deutschchristentum oder es wird nicht mehr sein.“46 Bartels‘ Diktum – er erachtete wie die „Deutschvölkischen in Übereinstimmung mit der modernen Forschung die jüdische Kultur für einen wenig bedeutenden Niederschlag altbabylonischer“ und das Alten Testament als eine „jüdische Aneignung aller möglichen altorientalischen Dichtungs- und Geistesschätze“47 – deckte sich mit Delitzsch’ Auffassung, was die positive Würdigung des Buches beeinflusst haben mag, auch wenn im völkischen Lager Schwaner aufgrund seiner Freundschaft zu Walther Rathenau (1867–1922) heftig angefeindet wurde. Delitzsch erachtete nämlich das „sog. ‚Alte Testament‘ […] für die christliche Familie vollkommen entbehrlich“ und hielt es für „ungleich ratsamer, daß wir uns von Zeit zu Zeit in die tiefen Gedanken versenken würden, die unsere Geistesheroen über Gott und Jenseits und Unsterblichkeit gedacht haben und wie sie in Wilhelm Schwaners Germanen-Bibel (4. Aufl. 1918) so trefflich ausgewählt und geordnet zusammengestellt sind.“48 In der rassenideologischen völkischen Logik konnte das – von einer neuheidnischen Fraktion strikt abgelehnte – Christentum die geforderte sogenannte arteigene, d.h. rassisch begründete Religion nur unter der Voraussetzung sein, wenn es erstens gänzlich von jüdischen Einflüssen und römisch-katholischen Überformungen bereinigt und zweitens auf evangelisch-lutherischer Grundlage gemäß dem germanenideologischen Normen- und Wertekosmos reformiert würde.49 Delitzsch und insbesondere sein erster Babel-und-Bibel-Vortrag erfuhren seitens der völkischreligiösen Ideologen besondere Resonanz. Für sie stand zuvörderst die durch Delitzsch’ Vorträge ausgelöste theologische Debatte im Vordergrund, die einerseits die vehement kritisierte vermeintliche gesellschaftliche Indifferenz gegenüber Religion und die damit verbundene „latente Krise des Kir46 Bartels 1921a, 61. Zu dem Literaturgeschichtsschreiber und Romancier Bartels, einem einflussreichen Vertreter des völkischen Antisemitismus und Mitbegründer der deutschchristlichen Bewegung s. mit weiteren Literaturhinweisen Puschner 2016, 267–268 und 274–275. Auf Delitzsch nimmt auch mit Artur Dinter (1876–1948) der Begründer des Geistchristentums und der Geistchristlichen Religionsgemeinschaft (gegr. 1927, st. 1934 Deutsche Volkskirche) Bezug; Dinter 1926, 23. 47 Bartels 1921b, 40. 48 Delitzsch 1924, 97; s. hierzu Lehmann 1994, 268. In seinem Hauptwerk, der von 1904 bis 1941 in sieben, stetig veränderten Auflagen und in 30.000 Exemplaren erschienenen „Germanen-Bibel“, suchte Schwaner mit einer Anthologie vorwiegend deutscher Denker, Dichter und Politiker von der Spätantike bis zur Gegenwart die völkischreligiösen Glaubensvorstellungen zu legitimieren. Zu Delitzsch’ Annäherung an deutschchristliche Vorstellungen – insbesondere des arischen Christus – s. Leutzsch 2012, 197 und bes. 204– 205. 49 Puschner 2006, .

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chenglaubens“, verstanden als „die Lebensfrage des deutschen Geistes“, in das öffentliche Bewusstsein rückte. Daraus resultierte die Überzeug, dass die „acut gewordene Bibelkrise das Morgenrot einer schöneren Zukunft“ signalisiere, weil „man sich wieder mit Religion [beschäftigt]“.50 Völkischreligiöse wie der Moritz von Egidy-Anhänger Wilhelm Schwaner hofften daher darauf, dass über Jahre um „Babel und Bibel […] bittere Kämpfe ausgefochten werden“ und appellierte mantraartig an die (vornehmlich Volksschul-)Lehrer in seiner anhängerstarken Volkserzieher-Bewegung, die Initiative zu ergreifen, den „innigen Zusammenhang von Babel und Bibel“ in die Schulen zu tragen, eine „Umgestaltung des Religionsunterrichts nach zeitgemäßen Anschauungen und Forderungen“ voranzutreiben und „nicht nach[zu]lassen, bis der Sieg auf unserer Seite ist“. „Ohne Neuform auf diesem [i.e. dem religiösen] Gebiet“, so Schwaners und der Völkisch(religiös)en Überzeugung, gäbe es „keinen Fortschritt, der dem ganzen Volke und allen Menschen zugute käme!“51 Schwaner wie auch Johannes Lehmann-Hohenberg (1851–1925), ein weiterer Egidy-Anhänger und Haupt der Bewegung für deutsches Recht,52 waren insofern über den in der zeitgenössischen Presse vielfach abgedruckten Brief Wilhelm II. an den stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Orient-Gesellschaft Friedrich Hollmann (1842–1913) begeistert,53 in dem der Kaiser und summus episcopus der evangelischen Landeskirche Preußens Delitzsch zunächst zurechtwies, weil er „die Gottheit Christi nicht an[erkennt], und daher […] als Rückschluß auf das alte Testament dieses keine Offenbarung auf denselben als Messias enthalten“ solle.54 Im Anschluss formulierte er seinen „persönlichen Standpunkt zur Offenbarungslehre“ und er befeuerte die Bibel-Babel-Debatte mit seinem „Glaubensbekenntnis“ (Johannes Lehmann-Hohenberg), in dem die „schwindelerregende Auffassung seiner eigenen historischen Sendung“ ebenso durchschien wie die im deutschen Protestantismus „verbreitete Überzeugung, göttliche Offenbarung ma50 Francé 1903b, 220 und 223; s.a. Francé 1903a. Zum lebhaften Religionsdiskurs um 1900 s. Graf 2004, 133–178. 51 Schwaner 1903c, 39; der fast textgleiche Artikel erschien auch als Schwaner 1904; s. in diesem Zusammenhang auch den kirchenkritischen Beitrag v. Herter 1904. Zu Schwaner, seinen religiösen Vorstellungen und zur Volkserzieherbewegung s. Hufenreuter/Knüppel 2008, 21–63, König 2008 und Puschner 2007. 52 S. zu ihm Nerius 2000 und Sievers 2017. 53 Der Brief erschien zuerst unter der Überschrift Babel und Bibel. Ein Handschreiben Seiner Majestät Kaiser Wilhelms des Zweiten an das Vorstandsmitglied der deutschen Orientgesellschaft = Hollmann 1903; s.a. den unkommentierten Teilabdruck in Wilhelm II. 1922, 183–186. Das Schreiben erschien auch in der völkischen Presse: Wilhelm II. 1903, sowie auch in Lehmann-Hohenberg 1904, 10–15 und 15–30 Auszüge auf Reaktionen in der Presse und von prominenten Theologen. 54 S. hierzu die „Zur Klärung“ überschriebene Stellungnahme in der Druckfassung von Delitzsch’ zweitem Babel-und-Bibel-Vortrag (= Delitzsch 1903b), die u.a. auch im Heimdall 8 (1903), 61, abgedruckt wurde; s.a.Lehmann 1994, 243–250.

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nifestiere sich in dem schrittweisen Aufstieg Preußen-Deutschlands zur Größe“.55 Das kaiserliche Handschreiben gab Lehmann-Hohenberg und Schwaner die Möglichkeit, ihre religiösen Grundsätze öffentlich zu machen.56 Unter Beifall aus dem völkischen Lager – ein zukunftsweisender „Wegweiser“ und ein „Weckruf zur Tat“57 – forderte Lehmann-Hohenberg die, Delitzsch zitierend, „Weiterbildung der Religion“ und vor allem der als „höchstehende“ geltenden, „lebensbejahend[en] und heroisch[en]“ „christlichen Religion“, die in unserer Zeit […] nicht mehr bloß auf der Bibel und dem daraus abgeleiteten Christentum als einer außer jedem Zusammenhang mit allem Uebrigen stehenden Erscheinung fußen dürfen, sondern wir werden auch das Buch der Natur, jene andere große Offenbarung Gottes, lesen lernen und das Religiöse darin eingliedern müssen.58 „Das Buch der Natur berichtet uns mehr als die von Menschen verfaßte, von Gottes Wirken erzählende Bibel“, lautete das – dem zeitgenössischen und völkischen Glauben an die Erklärungsallmacht der Naturwissenschaften korrespondierende – pantheistische Credo des vormaligen Kieler Geologieprofessors, um zu ergänzen, „beide sollen uns Führer sein!“, und um – nach scharfer Kritik am Kaiser – Wilhelm II. zu ermahnen, sich von den Vertretern der „biologisch-technische[n] Weltanschauung“ beraten zu lassen, wenn er „das deutsche Volk zu Großem führen [will].“59 Die von Lehmann-Hohenberg eingeforderte Biologisierung der Religion ist dem arteigenen Religionskonzept ebenso inhärent wie – in entschiedener Zurückweisung universaler Vorstellungen – deren Nationalisierung und Germanisierung, die Wilhelm Schwaner in seiner moderat-defensiven Auseinandersetzung mit dem kaiserlichen „Bekenntnis“ reklamiert.60 Unterlegt von, für das völkischreligiöse Denken konstitutiv, antisemitischen und antikatholischen Ressentiments konstatiert Schwaner einen „deutsche[n], germanische[n] Gott“, der erstens „mindestens ebenso groß und heilig wie der Gott Israels und Roms“, der zweitens die, 55 Wilhelm II. 1903. 493 und 495, Lehmann-Hohenberg 1904, 10 und Röhl 2008, 363– 365, Zit. S. 564. Zu Wilhelm II. und seiner Rolle im Babel-Bibel-Streit s. Lehmann 1994, 211–241, sowie in theologischer Perspektive und im Kontext des Austausches Wilhelm II. mit Houston Stewart Chamberlain und Adolf Harnack: Hasselhorn 2012, 163–185, sowie zuvor Field 1981, 255–259. 56 S.a. die antisemitisch grundierte Einlassung des Schriftstellers, Verlegers und Freimaurers [Joseph Gabriel] Findel [1828–1905] 1903. 57 Rosenmüller 1905, 91. 58 Lehmann-Hohenberg 1904, 152 und 153–154; Delitzsch 1903b, 40. 59 Lehmann-Hohenberg 1904, 6 und 32; zur Kritik am Kaiser: 3–6. 60 Der Babel-Bibel-Streit und die kaiserliche Intervention wurden im Volkserzieher in einer Reihe von Beiträgen thematisiert und kommentiert; s. hierzu etwa Schwaner 1903d; 1903e; 1903f; 1903g; 1903h; Simmersbach 1903; Küster 1903, Prince 1903, sowie ferner – als Wiederabdruck aus den Preußischen Jahrbüchern – Harnack 1903.

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und dem arteigenen Konzept folgend, „entsprechende ‚Offenbarung‘ unseres Wesens“ und der drittens in Anlehnung an den völkischen Heroismus und Bellizismus „nicht bloß ein Gott des Friedens, sondern auch ein Herr des Kampfes und des Krieges“ ist.61 Der Babel-Bibel-Streit bot den Völkischreligiösen Gelegenheit, die ideologischen Grundlagen der von ihnen eingeforderten und in der Folge in einem langjährigen Prozess ausformulierten „neuen, einer deutschen Religion“ vorzustellen.62 Über die rassen- und germanenideologischen Grundlagen wie auch in der antisemitisch und antikatholisch begründeten Ablehnung des tradierten Christentums bestand zwischen christlichen und neuheidnischen Protagonisten Einvernehmen. Kein Konsens bestand zwischen beiden völkischreligiösen Strömungen indes bezüglich der Schlussfolgerungen von Delitzsch über den Transfer babylonischer Überlieferungen in die jüdische Religion und mithin ins Alte Testament. Von Seiten der Neuheiden gab es keine unmittelbaren Kommentare zu Delitzsch und zur Babel-Bibel-Kontroverse; sie treten erst einige Jahre nach dem Streit um Delitzsch mit ihren religiösen Vorstellungen an die (völkische) Öffentlichkeit. Es bestand im neuheidnischen Lager gleichwohl Einigkeit, wie eine Bibliographie des neuheidnischen Schrifttums offenbart, wenn die Anstrengungen der völkischen Geschichtsschreibung zur Arisierung der altorientalischen Bevölkerungsgruppen und Kulturen ebenso ausgeblendet wie Delitzsch’ Babel-und-Bibel-Vorträge ausgegrenzt wurden: Diese finden sich in der Rubrik „Fremdvölkische Mythologien“.63 Allein Ernst Wachler (1871–1945) nimmt zu Beginn des 20. Jahrhunderts in seinen das germanische Neuheidentum vorbreitenden und prägenden Manifestationen, ohne ihn zu nennen, auf Delitzsch’ Vorträge Bezug, wenn er im einleitenden, „Das Fremde“ überschriebenen Kapitel konstatiert: „Die biblische Erzählung von der Erschaffung der Welt ist eine Dichtung babylonischen Ursprungs, kein Dogma.“64 Zu den Rassezuschreibungen der Babylonier äußert er sich nicht. Wachler überließ Houston Stewart Chamberlain (1855–1927) mit dem Abdruck eines auf völkischreligiöse und insbesondere neuheidnische Parameter zugeschnittenen Auszuges aus dem Vorwort der vierten Auflage seiner Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts das Wort, in dem zunächst vom „nicht-semitischen Ursprung“ des Alten Testaments die Rede ist, um dann jedoch Chamber61

Schwaner 1903b, 33; s.a. Nordheim 1903. Schwaner 1903b, 32. 63 Hubricht 1983 [1934], 92; Delitzsch’ Die große Täuschung wird im Kapitel „kritische und polemische Schriften“ (S. 78) aufgeführt. 64 Wachler 1904, 3; s.a. Wachler 1930 (zuerst erschienen in Deutsche Zeitschrift 1900), 2. Zu Wachler, einem der wichtigsten Vordenker des germanischen Neuheidentums, s. Puschner 2020, 157–160. Der ebenfalls einflussreiche völkische Ideologe des germanischen Neuheidentums und Gründer der Deutschgläubigen Gemeinschaft Otto Sigfrid Reuter (1876–1945) rekurriert lediglich auf Delitzsch’ Die Große Täuschung, um in einem synkretistischen Verfahren, „[ü]ber Babylon hinweg […] sich Edda und Veda [grüßen]“ zu lassen; Reuter 1922 (1. Aufl. 1921), 129; Zit. 139; zu ihm s. Puschner 2003. 62

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lain davor warnen zu lassen, „mit Delitzsch im Alten Testament die Grundlagen unserer Weltanschauung zu suchen“, und fortzufahren: doch wird kein vernünftig denkender Mensch es unterschätzen, wenn die Aussicht sich eröffnet, für die Religion unserer Väter eine neue, weiterherzigere, naturverwandte Grundlage zu gewinnen, die es uns endlich gestattet, zu einer wirklich harmonischen Weltanschauung zu gelangen, in der Wissen und Glauben eine Einheit bilden.65 Chamberlain, zusammen mit Paul de Lagarde (1827–1891) unangefochtene Autorität im völkischen Weltanschauungsdiskurs, widmete im – zeitgleich unter dem bezeichnenden Titel Dilettantismus, Rasse, Monotheismus, Rom als Monographie veröffentlichten – voluminösen Vorwort zur vierten Auflage (1903) seiner Grundlagen Delitzsch annähernd vierzig Seiten.66 Wortreich suchte er Delitzsch, nach einleitender Würdigung von dessen Renommee als Gelehrter und dessen „glänzende[r] Darstellung“, zu widerlegen, zumal dessen „Urteil […] von dem mirage sémitique […] genasführt“ worden sei und der „wie das Auge in den Wüsten Arabiens von der fata morgana […] Dinge erblickt, die doch weiter nichts als luftige Phantome sind.“67 Zugleich wies Chamberlain – gestützt auf Paul de Lagarde – die „angeblich ‚unlösbare Verknüpfung‘ des Neuen mit dem Alten Testament“ zurück:68 Christus „aus der unmittelbaren Umgebung oder gar aus dem Alten Testament“ zu erklären, sei „eine der monströsesten Eingebungen der Semitomanie“.69 Chamberlain ging es mit dem Monotheismus und dessen Entstehung um den „Kern seiner Religions-, Rassen- und Geschichtsauffassung“,70 worauf die Schriftleitung der Bayreuther Blätter in dem einleitenden Kommentar zum Abdruck von Auszügen aus dem Vorwort unter der unmissverständlichen Überschrift „Arischer und semitischer Monotheismus“ Bezug nahmen und Chamberlains und die Bayreuther antisemitischen Überzeugungen zum Ausdruck brachten: Den köstlichsten Theil des Vorwortes bildet die meisterhafte Kritik des letzthin wie eine Offenbarung begrüssten Vortrages des Professors Delitzsch über Babel und Bibel, welcher auf den Tag genau 20 Jahre nach der Vollendung des ‚Parsifal‘ uns christlich-germanische ‚Monotheisten‘ wiederum in die dunkle Enge spezifisch-semitischer Gottesvorstellung zurückwerfen wollte.71 65

Chamberlain 1903a, 22 und 23; s. Chamberlain 1903c, LXXXII–LXXXVI und die Zit.: LXXXVI. 66 Chamberlain 1903c, XLIX–XCI. 67 Chamberlain 1903c, XLIX–L; s. hierzu und zum Folgenden Lehmann 1994, 215–218 und Bermbach 2015, 213–217, sowie Liedtke 2012, 89. 68 Chamberlain 1903c, LXXXIX. 69 Ebd., LV. 70 Bermbach 2015, 213. 71 Chamberlain 1903b; Chamberlain 1903c, LXXVI–XCI.

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Wie der weltanschaulich auf die nationalsozialistische Ideologie getrimmte Brockhaus 1936 resümiert, habe der von Friedrich Delitzsch entfachte und befeuerte Babel-Bibel-Streit „zu dem Ergebnis“ geführt, „daß Babylon zwar der Bibel viel gegeben hat, daß aber ihr Eigenstes und Bestes nicht aus Babylon stammt.“72 Es ist fraglich, ob Protagonisten des Deutschchristentums sich diesem Urteil hätten anschließen können. Wenngleich sie sich Delitzsch’ Argumenten nicht vorbehaltlos anschlossen oder wie Chamberlain vehement widersprachen, beflügelten Delitzsch und die Debatte um vorwiegend das Alte Testament den völkischreligiösen Diskurs über das deutschchristliche arteigene Religionsprojekt. Babel, Bibel und Delitzsch: ein Resümee Reaktionen, positive wie negative, auf Chamberlains Frontalangriff gegen Delitzsch blieben aus; Chamberlains antisemitische und religiöse Anschauungen harmonierten unabhängig von seinem Verdikt gegen Delitzsch mit denjenigen der – vor allem der deutschchristlichen – Völkischen. Unmittelbaren Einfluss auf das deutschchristliche Ideologem haben Delitzsch’ Babel-und-Bibel-Beiträge nicht genommen. Delitzsch lieferte dem völkischen Denkkollektiv jedoch mit seinen Babel-und-Bibel-Vorträgen, der von ihnen ausgelösten Kontroverse und der kaiserlichen, summus episcopalen Intervention und nach dem Ersten Weltkrieg mit seinem Werk Die grosse Täuschung kaum grundsätzlich neue Argumente, gleichwohl, nicht zuletzt auch aufgrund seines wissenschaftlichen und öffentlichen Renommees, weltanschauliche und öffentlichkeitswirksame Anknüpfungsmöglichkeiten und verwertbare Referenzen. „Die deutschchristliche Bewegung […] hat durch Delitzsch’ Schrift ‚Die große Täuschung‘ […] eine starke Förderung erfahren“, konstatierte mit Adolf Bartels 1921 einer ihrer Mitbegründer und einflussreichen Ideologen.73 Beflügelt vom Babel-Bibel-Streit wie auch zwanzig Jahre später von Delitzsch’ Die grosse Täuschung erschienen eine Reihe völkischer Weltanschauungsbeiträge wie Babel-Bibel in der modernen Kunst von Heinrich Pudor (1865– 1943), einem im völkischen und lebensreformerischen Flügel der völkischen Bewegung höchst aktiven Publizisten, der u.a. „die Verwandtschaft Babel-Bibels mit Japan“ proklamierte und den ostasiatischen Inselstaat zum „moderne[n] BabelBibel-Land“ erklärte.74 Ähnlich kühn schickte sich zwei Jahrzehnte später Franz Wydrinski (1884–?) unter dem Pseudonym Franz von Wendrin und mit Friedrich Delitzsch im Literaturfundus an, nicht nur den Jordan in die Elbe münden zu lassen und das Paradies im nordostdeutschen Ostseeraum zu verorten.75 Die Entde72

Babel, in: Brockhaus 1936, 191; s.a. den Eintrag zu Friedrich Delitzsch: 515. Bartels 1921c, 44. 74 Pudor 1905, 32 und 58–59; zu Pudor s. Adam 1999 und Hampe 2009. 75 Von Wendrin 1924; im Verzeichnis der wichtigsten Literatur sind von Friedrich Delitzsch aufgenommen Die grosse Täuschung und Wo lag das Paradies? (Leipzig 1881). Zum Verf. s. Geus 2001 und Wegener 2010, 67–73. Die Verortung des Paradieses bewegte 73

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ckung des Paradieses, urteilten die Abwehrblätter unmittelbar nach dem Erscheinen, ist das neueste Erzeugnis der deutschvölkischen ‚Wissenschaft‘. Man sollte das Buch für einen Karnevalsscherz oder das Erzeugnis eines Geisteskranken halten. ‚800000 Jahre Germanentum‘, d.h. also etwa seit Beginn des Deluviums. Das Paradies liegt in Mecklenburg und die dort früher angesessenen Hebräer wurden durch die Germanen herausgeworfen. Die Stadt Jericho liegt in der Mark und das chinesische Reich wurde von den Germanen gegründet. Die Thora kommt vom Gott Thor. Bei den ‚Cherubim‘ habe man es mit einer jüdischen Fälschung zu tun; sie sind die germanischen Cherusker. Dass dieses Buch in einem „Verlag wie [Georg] Westermann“ mit „große[r] Reklame“ erschien und im Feuilleton der Kreuzzeitung empfohlen wurde, war für den Rezensenten unbegreiflich.76 Zurecht wird das Buch zu den vielfach zu beobachtenden „seltsamen Wucherungen“ der völkischen Weltanschauungsproduktion gezählt.77 Jenseits von derartigen absurden Auswüchsen hat Delitzsch nachhaltige Spuren im völkischen Weltanschauungsdiskurs hinterlassen. Der Wagner-Apologet, Gobineau- und Lagarde-Biograph und agile völkische Netzwerker Ludwig Schemann (1852–1938) resümiert in seiner offensiv antisemitisch unterfütterten und überschwänglichen Würdigung Delitzsch’ Bedeutung in seinem, die Genese und das völkische Rassedenken summierenden Spätwerk. Delitzsch habe neben seinen Verdiensten für die Assyriologie namentlich in Deutschland mit seinen „gemeinverständlichen“ Babel-und-Bibel-Vorträgen und mit seiner „Aufklärungsschrift“ Die grosse Täuschung, „mit der er seine ruhmvolle Gelehrtenlaufbahn beschlossen hat“ und mit der vor allem „die Loslösung der christlichen Welt auf wissenschaftlichem Wege endgültig vollzogen werden konnte“, für die am Bedie Völkischen bereits im Zuge der Babel-Bibel-Debatte. Germanenideologisch geleitet siedelten der ehemalige Gewerbeschuldirektor Friedrich Fischbach (1839–1908) unter dem – eine Anspielung auf die von Wilhelm II. bei der ersten deutschen Schulkonferenz 1890 erhobenen Forderung – Motto „Das germanische Hemd ist uns näher, als der lateinische und griechische Rock“ und Ernst Hymmen, ein Kaufmann aus Mülheim a.d. Ruhr, der seinem Buch ein Zitat aus Delitzsch’ erstem Babel-und-Bibel-Vortrag voranstellte, unabhängig voneinander das Paradies im Rheinland an; Fischbach 1902 und Hymmen 1902a und 1902b, 32: „Wenn wir bedenken, dass einst sogar Geistern wie Luther und Melanchthon das kopernikanische Weltsystem als anstössig galt, so müssen sich freilich auch die Ergebnisse der Pentateuchkritik auf eine langsame Anerkennung gefasst machen, aber mit der Zeit wird schon Licht werden.“; s.a. die positive Besprechung von Hymmen 1903, sowie zu Fischbach durch von Hase 2004, 604–609. 76 Anonymus 1924a; s. auch Anonymus 1924b und Anonymus 1924c. 77 Mohler 1972, 133. Die Ausführungen zu Wydrinski und anderen völkischen Phantasten sind in der aktuellen Mohler-Ausgabe entfallen; Mohler 2005.

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ginn des 20. Jahrhunderts anthropologisch ausgerichtete „Rassenkunde“ ein „gutes Teil beigesteuert“.78 Schemann zufolge sei Delitzsch nicht nur in der Nachfolge von Arthur Comte de Gobineau (1816–1882) zu sehen,79 vielmehr sei er zusammen mit Friedrich Schleiermacher (1768–1834) und Paul de Lagarde zu jenen zu zählen, von denen nach Martin Luthers (1483–1546) unvollendeter Reformation wesentliche Impulse zu deren Weiterführung und Vollendung im Sinne des „religiösen Fühlen[s] des Germanen“ ausgegangen seien.80 Delitzsch und die von ihm so benannte „‚Babel und Bibel‘-Bewegung“ haben in der Formierungsphase der völkischen Bewegung zunächst vielfältige Anstöße im Prozess der keineswegs konsensualen Aushandlung und der Ausformulierung der miteinander verwobenen antisemitischen, historischen und religiösen Ideologeme der völkischen Weltanschauung gegeben,81 nach dem Ersten Weltkrieg und insbesondere mit Die grosse Täuschung ging Delitzsch in den antisemitischen, rassengeschichtlichen und -religiösen völkischen Kanon ein.82

78

Zitatbelege in der Reihenfolge; Schemann 1930, 34, FN 99; 1938 (1. Aufl. 1928), 392 und 177; 1931, 377; s. zu ihm Köck 2011 und Köck 2017. 79 Schemann 1910, 429 und hierzu Köck 2012. 80 Schemann 1930, 357. 81 Delitzsch 1904b, 23. 82 Vgl. etwa Günther 1931 (1. Aufl. 1929), 121 und 313–314; s.a. 131 mit der Bezugnahme auf Delitzsch 1903b. Die Rezeption von Delitzsch und des Babylon-Komplexes im Nationalsozialismus und bis in die gegenwärtige deutsche Esoterik hinein, die GoodrickClarke 2002, 147 andeutet, bleibt weiteren Forschungen vorbehalten.

Theologie und Wissenschaft des Judentums

Der Jesuit, Astronom und Assyriologe Franz Xaver Kugler (1862–1929) Sein Leben, Werk und Denken in der Zeit des Babel-Bibel-Streits und des Panbabylonismus Ludger Hiepel

Abb. 1: Prof. Dr. Franz Xaver Kugler im akademischen Jahr 1913/14. Der Babel-Bibel-Streit provozierte eine Vielzahl von Reaktionen in der breiten Öffentlichkeit der wilhelminischen Zeit. In der Wissenschaft werden vor allem protestantische Stimmen gegen die Thesen von Friedrich Delitzsch erhoben. Aber auch katholische Gelehrte nehmen kritisch Stellung. Zu Ihnen gehört der Jesuit Franz Xaver Kugler (1862–1929; Abb. 1). Diese katholischen Stimmen sind bisher wenig und nicht besonders ausführlich in der Wissenschaftsgeschichte betrachtet worden.1 Klaus Johanning arbeitet in seiner Monographie Der Bibel-Babel-Streit. Eine forschungsgeschichtliche Studie auf ein paar Seiten zu Johannes Döller und Johannes Hehn.2 Reinhard G. Lehmann nimmt in seinem Buch Fried1

Für den Katholiken Hubert Grimme, erster Ordinarius für Semitische Philologie und Altorientalische Geschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, vgl. Hiepel 2018. 2 Vgl. Johanning 1988, 209–212 zu Döller; 213–217 zu Hehn; 203–208 zu „Babel und

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rich Delitzsch und der Babel-Bibel-Streit Franz Zorell, Franz Kaulen, Karl Flöckner, P. Keil, Johannes Nikel und Franz Xaver Kugler in seine Betrachtung auf. Er konstatiert in seiner Studie: Insgesamt verhielt sich die katholische Theologie und Kirche auffällig zurückhaltend im Babel-Bibel-Streit, was wohl besonders mit der ausgeprägten Lehrautorität, aber auch mit einer damals weithin noch fehlenden Sensibilisierung für historisch-kritische Fragen zusammenhängen dürfte.3 Der vorliegende Beitrag widmet sich daher ausführlicher dem Leben, Werk und Denken des Jesuiten Franz Xaver Kugler. Sowohl seine Schriften zum Babel-Bibel-Streit als auch zum Panbabylonismus werden dazu herangezogen. Der Babel-Bibel-Streit kann mit Reinhard Lehmann schwerlich als Vorspiel, Höhepunkt oder gar Folge des Panbabylonismus bezeichnet werden, dessen Wurzeln ja vor ‚Babel und Bibel‘ liegen und der ihn historisch überlebte. Folglich müssen beide Erscheinungen trotz nicht zu leugnender Gemeinsamkeiten voneinander abgehoben werden. Ihre je relative Eigenständigkeit wird schon durch die äußerliche Tatsache hinreichend deutlich, daß ‚Babel und Bibel‘ und der Panbabylonismus im wesentlichen ihre je eigene Streitliteratur hervorgebracht hatten. Wo hier

Bibel“ in der katholischen Wissenschaft. 3 Lehmann 1994, 128. Wobei der erste Teil der Begründung zu unterstreichen ist und der zweite Teil vor allem als eine Folge der ersten zu verstehen ist. Denn mit der Enzyklika „Providentissimus Deus“ vom 18.11.1893 von Papst Leo XIII. hatte erstmal ein Papst durch ein lehramtliches Rundschreiben Stellung zur Bibelwissenschaft bezogen und darin die Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift festgehalten und damit der historisch-kritischen Exegese eine Absage erteilt. Unmittelbarer Anlass der Enzyklika war die Rezeption der historisch-kritischen Methode in Frankreich im Bereich der katholischen Wissenschaft. Im Umfeld des Institut Catholique war eine Kontroverse entstanden, ob man den historischen und natürlichen Aussagewert durch historisch-kritische Ansätze relativieren dürfte. Mit Klaus Unterburger können die Enzyklika und ihre Aussagen zur Irrtumslosigkeit folgendermaßen bewertet werden: „Gesiegt hatte eine Schulrichtung, welche die Frage von einem dogmatischen Standpunkt aus anging, wobei ihr die sich ständig anhäufenden historischen Schwierigkeiten aber fremd waren. Ergebnis war die Gewissensnot zahlreicher katholischer Exegeten, die kirchlichen Glauben und historische Vernunft in der Bibelauslegung kaum noch zusammenbrachten, aber auch die Glaubensschwierigkeiten vieler Laien.“ (Unterburger 2016, 592; vgl. zur Enzyklika ausführlich ebd. und zu den Entwicklungslinien der katholischen Bibelauslegung Pfister 2020, 47–103). Die antimodernistischen Strömungen verstärkten sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und fanden ihren Ausdruck in den Entscheidungen der 1902 gegründeten päpstlichen Bibelkommission (Pontificio Commissione Biblica) und dem 1910 eingeführten Antimodernisteneid (Zur Bibelkommission vgl. Dohmen 2017; zum Antimodernismus vgl. Arnold 2007; zur Geschichte der katholischen Exegese vgl. Seidel 1993).

Der Jesuit, Astronom und Assyriologe Franz Xaver Kugler

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dennoch nicht unterschieden wurde, geschah es in aller Regel auf Seiten der (panbabylonistischen) Assyriologen4 Bei Kugler finden wir beides, auch wenn seine Schriften je unterschiedlich gelagert sind. Beispielsweise wird in der Werbung des Aschendorff Verlags (Abb. 2), die nach Kuglers Tod um 1930 erschienen sein muss, sogar beides vermischt.

Abb. 2: Prospekt des Verlags Aschendorff, Münster in Westfalen, um 1930. 4

Lehmann 1994, 47.

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Franz Xaver Kugler wurde am 27. November 1862 als Sohn des Gutsbesitzers Johann Franz Kugler und seiner Frau Barbara geb. Wolf, in Königsbach (Rheinpfalz) geboren. Nach Absolvierung der Realschule in Neustadt an der Hardt im August 1878 besuchte er für zwei Jahre die chemisch-technische Abteilung der Königlichen Industrie-Schule zu Kaiserslautern. Darauf studierte er acht Semester an der chemisch-technischen Abteilung der Technischen Hochschule in München und bestand kurz darauf in München die Prüfung für das Lehramt. Am 22. Dezember 1885 wurde er an der Universität Basel mit der Dissertation Über die Einwirkung des Propionaldehyds auf Anilin bei Gegenwart konzentrierter Salzsäure zum Doktor der Chemie promoviert. Nach der Promotion trat Kugler am 29. April 1886 in die Gesellschaft Jesu ein. Seitdem hatte er kaum noch mit Chemie zu tun. Nach Vollendung des Noviziats und der langen philosophischen Studien in Exaten (Niederlande) und den theologischen Studien in Ditton Hall (Großbritannien) war Kugler eine Zeit lang in der Schule und in der Seelsorge tätig. 1893 wurde er dann zum Priester geweiht.5 1894 ging er in das neu eröffnete Collegium Magnum St. Ignatii in Valkenburg (Provinz Limburg, Niederlande; Abb. 3) und wurde dort 1897 zum Professor für Höhere Mathematik und Astronomie berufen.6

Abb. 3: Das Collegium Magnum St. Ignatii in Valkenburg. Im Ignatiuskolleg wurde ihm der Nachlass von Pater Joseph Epping (1835– 1894), dem Begründer der astronomischen Erforschung der Keilschrifttexte, zur Verfügung gestellt. Nach dem Kugler sich in das für ihn neue wissenschaftliche 5

Vgl. Esch 1929, 294. Zur Biographie Kuglers vgl. auch die Lexikoneinträge Berger 1992 und Volk 1982. Neben dem Nachruf von Esch 1929 s.a. die Würdigung Kuglers bei Schaumberger 1933. Eine exzellente wissenschaftshistorische Abhandlung über die Forschung zur babylonischen Astronomie in den Jahren 1880–1950 und den Pionieren auf diesem Feld – das sind neben Kugler, Johann Nepomuk Strassmaier SJ (1846–1920) und Joseph Epping SJ (1835–1894) – sowie Otto Neugebauer bietet De Jong 2005. 6 Vgl. Esch 1929, 294. Zum Ignatiuskolleg vgl. die Festschrift Anonymus 1919.

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Gebiet eingearbeitet hatte, „widmete er sich mit außerordentlichem Eifer und Geschick der Erweiterung und Vertiefung der Errungenschaften Eppings“7. Drei Jahre nach seiner Berufung nach Valkenburg veröffentlichte er 1900 im Verlag Herder sein erstes monografisches Werk Die Babylonische Mondrechnung, zwei Systeme der Chaldäer über den Lauf des Mondes und der Sonne (Abb. 4).

Abb. 4: Titelblatt von Die Babylonische Mondrechnung, zwei Systeme der Chaldäer über den Lauf des Mondes und der Sonne. Auf dem Titelblatt wird deutlich, dass die Kopien des Jesuiten Johann Nepomuk Strassmaier die Grundlage bildeten. In einem vierseitigen Brief, den 7

Esch 1929, 294.

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Kugler am 29. Oktober 1900 an einen Kollegen verfasst, beklagt sich Kugler energisch, dass das Kopieren der Texte nicht reicht, sondern die Beschäftigung mit ihrem Inhalt die Hauptarbeit ist: „Eine Tafel, die P. Strassmaier, an einem Nachmittag abschreibt, kann mich 2 Jahre Arbeit kosten.“8 Als Kugler 1897 mit dem Studium der babylonischen Astronomie begann, hatte er praktisch keine Kenntnisse der Keilschrift und des Akkadischen. Drei Jahre später warnt er den Leser in der Einführung von Die Babylonische Mondrechnung vor möglichen Sprachfehlern. Er weist jedoch darauf hin, dass die meisten seiner Ergebnisse auf numerischen Analysen beruhen und die Übersetzung bestimmter akkadischer Wörter Begriffe häufig eher durch astronomische als durch sprachliche Argumente gestützt wird.9 Kugler versuchte aber seine Kenntnisse in Akkadisch und verwandten Fächern zu verbessern. So hörte er z.B. im Sommersemester 1903 an der Universität Heidelberg bei Prof. Carl Bezold (1859–1922) Vorlesungen.10 8

ADPSJ, Abt 47 Nr. 777. De Jong 2005, 282 druckt die erste Seite des Briefes als Scan ab. Er vermutet, dass der Adressat des Briefes Alexander Baumgartner SJ sein könnte, den Strassmaier bei der Korrektur seines Buches über indische Literatur unterstützte (vgl. ebd.). 9 Kugler 1900, viii: „Dass der Charakter der folgenden Untersuchung vorwiegend ein mathematischer-astronomischer ist, leuchtet ein; allein es ist die Hoffnung nicht unbegründet, dass auch der Assyriologe einiges darin finden wird, was seiner Beachtung nicht ganz unwürdig ist – wenn auch die Form, in der es dargeboten wird, mancherlei Mängel aufweisen mag. Leider war nämlich P. Strassmaier, auf dessen philologische Mitwirkung der Verfasser gerechnet hatte, infolge andauernder Krankheit nicht im Stande, den oft geäußerten Wünschen des Verfassers zu entsprechen; nur einige werthvolle Bemerkungen, welche P. Strassmaier schon vor Jahren am Rande seiner Copien angebracht hatte, konnten als willkommene Citate aufgenommen werden. Bei solcher Lage der Dinge ist es kaum nöthig, hervorzuheben, dass der Verfasser nur dann eine Uebersetzung assyrischer Ausdrücke wagt, wenn die betreffenden Keilzeichen aus anderen astronomische Tablets schon genügend bekannt sind, oder wenn mathematische oder astronomische Schlüsse die Annahme einer ganz bestimmten Bedeutung erzwingen oder doch wenigstens nahelegen.“ 10 ADPSJ, Abt 47 Nr. 777. Dort findet sich ein Schreiben der Universität Heidelberg. Maschinenschriftlich wird attestiert: „Dem Herrn Professor Dr. Franz Kugler von Königsbach wird für das Sommersemester 1903 der ständige Besuch von Vorlesungen und die Benützung akademischer Anstalten ohne Immatrikulation gestattet“. Handschriftlich ist ferner zu lesen: „Prof. Bezold, assyr. Paläographie 1 St | Prof. Bezold, Fortsetzung des Arabischen 2 St. | Interpretation der Prisma Inschrift Asarhaddons 2 St. | Dr. Becker, Syrisch 2 St.“ Kugler hatte sich wohl in einem Brief bei dem Assyriologen Franz Heinrich Weißbach (1865–1944) erkundigt, wo er seine Kenntnisse vertiefen könnte. In einem Brief von der deutschen Grabung in Babylon schriebt dieser am 31.08.1902: „Wenn Sie Assyrisch und Arabisch treiben wollen, werden Sie am Besten thun, Delitzsch, Jensen oder Zimmern aufzusuchen. Diese Herren vereinigen ein wirklich gediegenes Wissen mit besonnener Kritik. Allenfalls würde auch noch Bezold in Betracht kommen. B. und J. sind bekanntlich

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Abb. 5: Titelblatt von Babylon und Christentum. 1903, nach dem zweiten Vortrag von Friedrich Delitzsch zu Babel und Bibel, mischte sich Kugler in den Babel-Bibel-Streit ein. Er publizierte in der Zeitschrift Stimmen aus Maria Laach11, der katholischen Kulturzeitschrift (heute Stimmen der Zeit) drei Artikel, die er im gleichen Jahr unter dem Titel Babylon und Christentum (Abb. 5) monographisch bei Herder noch einmal publizierte.12 Die Schrift ist emotional und von der kirchlichen Lehre bestimmt, wie in folgendem Passus deutlich wird: auch Arabisten zugleich mit. In Berlin und Leipzig würden Sie bezüglich des Arabischen auf andere – gleichfalls ausgezeichnete – Kräfte (in L. [= Leipzig] Fischer, Stumme, Schwarz) angewiesen sein. Mit dieser Sprache habe ich eigentlich erst hier begonnen“ (ADPSJ, Abt 47 Nr. 777). Aus der Begegnung mit Bezold in Heidelberg entwickelt sich eine reiche Briefkorrespondenz. Die Briefe Kuglers an ihn, die ich an dieser Stelle nicht weiter auswerten kann, befinden sich im Nachlass Bezold bei der Universitätsbibliothek Heidelberg (Signatur Heid. Hs. 1501,115). 11 Kugler 1903a und 1903b. 12 Die folgenden Seitenangaben der Zitate beziehen sich auf die Monographie.

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Ganz anders steht zu solchen Fragen der Katholik. Erfüllt von unerschütterlichem Vertrauen auf die Lehre seiner Kirche, blickt er von dem Felsen aus, auf dem sie steht, mit ruhigem Gleichmut auf die an den Klippen zu dessen Füßen brandenden Wogen. So wenig ein Astronom nur einen Augenblick das längst bewiesene allgemeine Gravitationsgesetz, ein Chemiker das längts feststehende Gesetz der konstanten Verbindungsgewichte aufgeben wird, wenn irgendein Gelehrter – sei er noch so hervorragend – Bedenken und Einwürfe dagegen erhebt, ebensowenig, ja weit weniger wird der Katholik, der von seinem Glauben durchdrungen ist, oder ihn wissenschaftlich erfaßt und praktisch ausgeübt hat, auch nur vorübergehend mit der Möglichkeit rechnen können, daß er in die Irre gehe und ein Opfer des Betrugs geworden sei. Keine Wahrheit kann durch eine angebliche andere umgestoßen werden, und wir sind uns bewußt, daß wir die Wahrheit besitzen: wir sehen uns auf Gründe gestützt, deren Zahl und Kraft jeden vernünftigen Zweifel ausschließt. Die Kirche, der wir vertrauen, ist nicht von heute und gestern, sie hat eine bis zu Christus, ihrem göttlichen Stifter, hinauf verfolgbare Geschichte, und jeder Abschnitt derselben verrät dem Unbefangenen das in ihr pulsierende übernatürliche Leben. Ihre Dogmen und Sittengesetzte hat keine Zeitströmung zu ändern vermocht, und ihre Kulturaufgabe löst sie trotz aller Drangsale heute wie vor tausend Jahren mit den nämlichen unscheinbaren Mitteln und dem gleichen staunenswerten Erfolg. Sie stellt an den Menschen die höchsten sittlichen Anforderungen, und trotzdem beugen sich Völker, die dem üppigen Sinnengenusse ergeben waren, willig dem Joche Christi.13 Auch wenn Kugler Argumente anfügt, dann bleibt der Charakter des Werkes doch ein apologetischer. Besonders am Schluss wird dies noch einmal deutlich: Eines dichterisch-rednerischen Ausputzes bedurfte unsere Entgegnung wahrlich nicht, da die T a t s a c h e n s e l b s t die schönste und mächtigste Sprache reden. Diese Tatsachen sollten endlich auch die Gegner der Offenbarung überzeugen, daß ihre Hoffnung, die von Delitzsch eingeleitete Bewegung werde einen vollständigen Bruch der modernen Intelligenz mit der veralteten Offenbarungslehre des Alten Testaments herbeiführen, ein eitler Traum war. So wird auch der neueste Angriff auf die Offenbarung enden wie alle früheren. Am liebsten möchte ich sie mit gewissen Kometen vergleichen. Rasch und mit gewaltigem Lichtschweif ziehen diese dräuend am Himmel auf und erfüllen jedesmal ängstliche Gemüter mit schlimmen Ahnungen. Und doch, wie winzig erscheint dem Kundigen der solide Kern in der gewaltigen Masse von Dunst und Gas, und wie rasch und spurlos verschwin13

Kugler 1903c, 11.

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den die sonderbaren kosmischen Irrfahrer in ewiger Nacht! Freilich kann es einmal geschehen, daß ein solches Gestirn auf unseren Planeten einstürzt. In rasender Flucht mögen dann seine Gasmassen die Fluten des Ozeans über die Kontinente wälzen und sich selbst zu einem Flammenmeer entzünden; den Erdball aber aus seiner Bahn zu rücken vermögen sie nicht. Ein ähnlicher Ansturm feindlicher Mächte wird – nach den klaren Worten des Herrn – dem Christentum der Zukunft beschieden sein. Ob auch hierbei die moderne ‚Wissenschaft‘ im Spiele sein wird? Viele werden in jenem Kampfe unterliegen, aber die K i r c h e selbst geht unerschüttert ihre ewige Siegesbahn um den Mittelpunkt um die göttliche Sonne ihres Lebens, J e s u s C h r i s t u s .14 1907 legte Kugler dann Sternenkunde und Sternendienst in Babylon (Abb. 6) mit 292 Seiten vor, das beim Verlag Aschendorff in Münster erschien. Damit mischte er sich nun in die wissenschaftliche Debatte um den Panbabylonismus ein. Der Panbabylonismus war eine Schule innerhalb der Assyriologie und Religionswissenschaft, die die hebräische Bibel und das Judentum als direkt von der babylonischen Kultur und Mythologie abgeleitet ansah. Die Anfänge der panbabylonistischen Thesen liegen im späten neunzehnten Jahrhundert und gewannen im frühen zwanzigsten Jahrhundert an Popularität. Der Panbabylonismus wurde insbesondere von dem Assyriologen Hugo Winckler (1863–1913; Abb. 7) und dem Religionswissenschaftler und Pfarrer der Lutherkirche in Leipzig Alfred Jeremias (1864–1935; Abb. 8) vertreten.15 Auf den Seiten 215–225 nimmt Kugler „Zur vermeintlichen Vertauschung der babylonischen Planetennamen“ Stellung. Kugler widerlegt hier die von Fritz Hommel (1854–1936) zuerst vorgeschlagenen und von Winckler übernommenen Hypothese, dass in spätbabylonischer Zeit die Namen für die Planeten Merkur und Jupiter sowie Mars und Saturn im Vergleich zur ursprünglichen Verwendung während der altbabylonischen Zeit vertauscht wären.16 Diese Arbeit kommt im Vergleich zu „Babylon und Christentum“ sehr sachlich und wissenschaftlich daher. Schon aus diesem Werk geht hervor, dass die babylonische Astronomie nicht uralt ist. Dies führt zu einer Entgegnung von Alfred Jeremias, der die wissenschaftliche babylonische Astronomie in das dritte vorchristliche Jahrtausend datierte, was für die astralmythologischen Thesen der Panbabylonisten fundamental ist. „Wir werden uns deshalb auch in dieser Streitschrift

14

Ebd., 67. Vgl. Foster 2008; Weichenhan 2016; De Jong 2005, 285. 16 Vgl. Kugler 1907b, 215–225. Vgl. dazu auch De Jong 2005, 285. In einem Vortrag bei der Paderborner Generalversammlung der Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft spricht Kugler über die „Kulturhistorische Bedeutung der Babylonischen Astronomie“, der aber weniger polemisch daher kommt (vgl. Kugler 1907a). 15

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vor allem mit Kuglers Folgerungen auseinander zu setzen haben.“17 schrieb Jeremias in der Einleitung von Das Alter der Babylonischen Astronomie, das 1908 in der Reihe Im Kampfe um den Alten Orient erschien. Stark sarkastisch und polemisch wendete sich Kugler mit dem Artikel Auf den Trümmern des Panbabylonismus (Abb. 9), der 1909 in der Zeitschrift Antrophos erscheint, dagegen.

Abb. 6: Titelblatt von Sternenkunde und Sternendienst in Babylon.

17

Jeremias 1908, 12.

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Abb. 7: Hugo Winckler (1863–1913).

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Abb. 8: Alfred Jeremias (1864–1935).

Abb. 9: Titelblatt von Auf den Trümmern des Panbabylonismus. Nachdem Kugler auf der ersten Seite aufgezeigt hat, wie er in die Schusslinie gekommen ist, formuliert er: Man würde indes sehr irren, wenn man glaubte, es wäre mir bei der Abfassung meines Buches von ‚Sternenkunde etc.‘ um den Sturz des Wincklerʼschen Systems zu tun gewesen. Es handelt sich dort vielmehr um weit wichtigere Dinge. Freilich sah ich mich einige Male veranlasst, an irrigen Aufstellungen Kritik zu üben; dies geschah aber nur insoweit, als dieselben einen gewissen Schein von Berechtigung an sich trugen. Wenn nun schon bei dieser friedlichen Arbeit der Spaten den einen oder anderen morschen Pfeiler des W i n c k l e r ʼschen Baues bloßlegte, so wird eine allseitige Prüfung seiner Fundamente nicht viel Gutes versprechen. Oder ist es A. J e r e m i a s gelungen, die berechtigten Befürchtungen zu zerstreuen? Seine Sprache freilich trägt den Stempel unüberwindlicher Zuversicht; auch muß es anerkannt werden, daß er sich aus allen Kräften bemüht hat, seine Ansicht durch allerlei Gründe zu stützen; aber gerade darin offenbart sich die v ö l l i g e H a l t l o s i g k e i t d e r a l t o r i e n t a l i s c h e n Weltanschauung Wincklers und seiner Freunde.

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Leider enthält die Schrift auch noch andere Dinge, an denen kollegiale Höflichkeit am liebsten eiligst vorüberschritte. So peinlich es aber auch sein mag, wir müssten etwas dabei verweilen, w e i l d a m i t e i g e n t l i c h d e r W e r t d e r g a n z e n S c h r i f t e n t s c h i e d e n i s t . Entledigen wir uns dieser harten Pflicht sofort.18 Kugler fährt dann fort und greift polemisch die Kompetenz Jeremias an: A. Jeremias schreibt über die Sternenkunde bei den Babyloniern und über die Astronomie im Allgemeinen nicht mit der zagenden Bescheidenheit eines Neulings, den die Not der Umstände auf ein fremdes Gebiet geführt hat, sondern mit der Zuversicht eines Mannes, der in allen Fragen, die er in den Bereich seiner Untersuchung zieht, Bescheid weiß. Dieses autoritative Auftreten berechtigt uns, von ihm, wenn auch keinerlei fachmännische Kenntnisse, so doch klare Begriffe und Schlußfolgerungen auf dem Gebiete der elementaren Sternenkunde überhaupt und eine verständige Würdigung der bisherigen Erforschung der babylonisch-assyrischen Astronomie und Astrologie insbesondere zu erwarten. Statt dessen begegnet man an zahlreichen Stellen der nur 64 Oktavseiten umfassenden Schrift einer derartigen Unkenntnis und Verwirrung, daß man sich staunend frägt, wie ihr Verfasser es nur wagen konnte, damit an die Öffentlichkeit zu treten.19 Nach einem Durchgang durch die Schrift Jeremias, bei dem Kugler immer wieder längere Zitate aufgreift, kommentiert und zurückweist, kommt er zu folgendem wieder sehr polemischen Schluss: J e r e m i a s schloß damals die Gerichtssitzung mit der versöhnenden Bitte ‚es nicht unfreundlich zu beurteilen,‘ wenn er ‚für nötig hielt, einzelne Irrungen und Mißverständnisse offen zur Sprache zu bringen,‘ und fügte die Begründung hinzu: ‚Es ist neue Gefahr in Verzug, daß die altorientalische Wissenschaft in Mißkredit gebracht wird.‘ Nun, auch ich kann versichern, daß meine Kritik nicht etwa der Ausdruck persönlicher Gereiztheit ist, sondern auf der wohlbegründeten Überzeugung beruht, daß durch die panbabylonistischen und die ihnen verwandten Bestrebungen nicht nur die orientalische Religionswissenschaft, sondern auch die Assyriologie in ‚Mißkredit‘ gerät und die ernste Gefahr droht, daß man selbst den gründlichsten Forschungen auf diesem Gebieten mit Mißtrauen begegnet. Die dadurch erzeugte Verwirrung hat einen solchen Grad erreicht, daß ein k r ä f t i g e s V e t o am Platze war. E s m u ß d e n P a n b a b y lonisten zum Bewußtsein kommen, daß wir bereits auf den Trümmern ihres vielgerühmten Sy18 19

Kugler 1909, 477–478. Ebd., 478.

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s t e m s s t e h e n . Niemals übrigens haben wir geleugnet, daß die babylonische Kultur ein sehr hohes Alter besitzt und einen großen Einfluß ausgeübt hat; niemals wurde von uns bestritten, daß insbesondere der Sternkult der Babylonier, die daraus hervorgegangene Astrologie und die aus dieser entsprossene Astronomie hervorragende Kulturfaktoren im Bereiche fast ganz Vorderasiens und zum Teil auch in der Sphäre hellenischen Geistes gewesen sind. Diese Erkenntnis verdanken wir aber nicht dem Panbabylonismus, sondern der stillen, rastlosen und gewissenhaften Arbeit der philologischen, astronomischen und kulturgeschichtlichen Forschungen nüchterner und logisch geschulter Männer. Insoweit auch die Anhänger des Panbabylonismus in besseren Tagen an diesem Werke mitgewirkt haben, wird ihnen unser und der Nachwelt Dank nicht versagt bleiben; das aber, was sie im beklagenswerter Verblendung als das Hauptwerk ihres Lebens ansehen, wird spurlos verschwinden oder – besser gesagt – nur in der Geschichte menschlicher Verwirrung fortleben.20 Jeremias legte daraufhin zunächst einen Artikel als „vorläufige Antwort“ im Anthropos21 vor und noch im gleichen Jahr eine zweite erweiterte Auflage seines Buches22, die die Einwände Kuglers berücksichtigt. 1910 veröffentlichte Kugler dann eine 167-seitige Monographie mit dem Titel Im Bannkreis Babels. Panbabylonistische Konstruktionen und religionsgeschichtliche Tatsachen (Abb. 10). Nach einem Vorwort mit dem Titel „Zur Aufklärung“, indem den Verlauf des panbabylonistischen Streites skizzierte, folgen einige Fallstudien. Diesen fügte er als Schluss ein Mahnwort an: Blicken wir nun noch einmal auf das große Trümmerfeld des Panbabylonismus zurück! Von dem stolzen Bau des vielgerühmten altorientalische Weltsystems blieb kein Stockwerk verschont, kein Stein auf dem anderen: selbst das Fundament ist geborsten und in den Moorboden haltloser Voraussetzungen hinabgesunken. Manche Hypothesen, die im Laufe der Zeit aufgetaucht und wieder verschwunden sind, haben wenigstens den Nutzen gestiftet, daß einzelne brauchbare, wohlbehauene Bausteine für Theorien von beliebendem Wert geliefert haben. In unserem Falle aber bleibt dem Baumeister und seinen Werkleuten selbst dieser Trost versagt. Die Gerechtigkeit fordert indes, daß wir ihre Verwirrungen nicht ihnen allein aufs Konto schreiben. Der Mensch ist ein Kind seiner Zeit und selbst begabte Leute können sich ihren Strömungen nicht ganz entziehen. Man wundert sich heute über die kritiklose Leichtgläubigkeit des 11. und 12. Jahrhunderts, man ist entsetzt über den Hexenwahn, der unseren Vorfahren im 16. und 17. Jahrhundert die Köpfe verdreht hat und denkt nicht daran, daß die 20

Ebd., 499. Jeremias 1909a. 22 Jeremias 1909b. 21

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künftigen Generationen über die bunten Formen des philosophischen und religiösen Skeptizismus unserer Tage nicht minder wundern werden und zwar um so mehr, als diese Erscheinung im vollendeten Gegensatz steht zur gleichzeitigen exakten naturwissenschaftlichen und historischen Forschung.23

Abb. 10: Titelblatt von Im Bannkreis Babels. Panbabylonistische Konstruktionen und religionsgeschichtliche Tatsachen. 23

Kugler 1910, 127.

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Nach den mahnenden Worten stellt er die von Jean de Joinville über Ludwig IX, den Heiligen, verfasste Biographie dem Gilgamesch-Epos gegenüber. I. Ludwig IX. ist Sonnenheros im babylonischen Sinne. a) Ludwigs Sonnencharackter. I. Der Titel ‚König Schamasch‘ wird Ludwig IX. nicht ausdrücklich beigelegt; aber er findet sich in dem Kult seines gleichnamigen Nachfolgers Ludwig XIV., des ‚Roi Soleil‘.[…] b) Astralmythologische Bedeutung Blancas, der Mutter des Ludwig-Schamasch. I. Der Venusstern ist weißglänzend; die Babylonier nannten sie daher auch Ṣapanītu = ‚die Silberstrahlende‘. Sie ist das Ideal weiblicher Schönheit. Ludwigs Mutter hieß Blanca (Blanche) = die ‚Weiße‘, ‚Lichte‘. Blanca war die schönste Fürstin ihrer Zeit. […] c) Margarita, die Gemahlin des Ludwig-Schamasch. I. Mar-garita = (babyl.) Mar-galita ‚Kind des Ozeans‘; schon der Name weist also auf eine Meeresgöttin. […] d) Die drei „Brüder“ des Ludwig-Schamasch. Die babylonische Mythologie kennt neben Schamasch noch andere Sonnen-Götter – entsprechend ihren verschiedenen Erscheinungsformen: Nergal, Ninib und Tamūz. Die drei sogenannten ‚Brüder‘ unseres Sonnenheros sind offenbar nur verschiedene Erscheinungsformen der Sonne.24 In einem zweiten Kapitel: II. Ludwig als französischer Gilgamesch. I. Gilgamesch war König von Erech. Ludwig war König von Frankreich. II. Gilgamesch war ein gottmenschliches Wesen (zwei Drittel Gott, ein Drittel Mensch). Ludwig war ein Heiliger; Heiligkeit aber macht gottähnlich. III. Gilgamesch war anerkanntermaßen ein Sonnenheros, wie vor allem das Gilgamesch-Epos zeigt. Ludwig war gleichfalls ganz entscheiden ein Sonnenheros und zwar speziell im babylonischen Sinne, wie oben gezeigt. IV. Von Gilgameschs Vater hat man (vgl. AELIAN, Anim. Hist. XII. 21) nur dunkle Kunde. Auch von Ludwigs Vater weiß die Geschichte nur sehr wenig zu berichten. V. Großen Einfluss hatte auf Gilgamesch seine gottesfürchtige Mutter, die ‚alles Wissens kundige‘ Rīmat-Bēlit; sie ist in allen wichtigen Angele24

Ebd., 130–136.

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L. Hiepel

genheiten die Beraterin Gilgameschs. (KB VI, 1 p. 131, 133, 147.) Großen Einfluss hatte auf Ludwig seine fromme Mutter, die hochintelligente Blanca; sie ist in allen wichtigen Angelegenheiten die Beraterin Ludwigs. VI. Die Kindheitsjahre Gilgamesch waren (nach AELIAN) sehr trübe. Die Herrschaft und das Leben des Unmündigen waren ernstlich bedroht. Die Knabenjahre Ludwigs fielen in eine sehr trübe Zeit. Wiederholte Empörungen bedrohten Thron und Leben des unmündigen Königs.25 Diese ad absurdum geführten Parallelen beschließt er mit den Worten „Sapienti sat“26 also „für den Verständigen ist es genug!“. Mit diesem sarkastischen und polemischen Werk ebbte die wissenschaftliche Diskussion um den Panbabylonismus ab. Der am Anfang dieser Ausführungen genannte Prospekt des Aschendorff Verlags nimmt einige Zitate der Rezensionen – natürlich nur die Sätze, die einen guten Absatz des Buches versprechen – auf, in denen aber die Wucht und Wirkung der Argumentation Kuglers deutlich wird (Abb. 11).

Abb. 11: Prospekt des Verlags Aschendorff, Münster in Westfalen, um 1930. 1922 erschien das 535-seitige Werk Von Moses bis Paulus. Forschungen zur Geschichte Israels nach biblischen und profangeschichtlichen insbesondere neuen keilschriftlichen Quellen ebenfalls wieder bei Aschendorff. Bei den Fragen der babylonischen und israelitischen Chronologie spielte die Auseinandersetzung mit dem Panbabylonismus keine Rolle mehr. Interessant ist aber eine Retroperspektive auf die früheren Arbeiten: Da in diesem Buche mehrfach Streitfragen behandelt werden, so konnten wir uns natürlich nicht immer mit einer positiven Begründung begnügen. 25 26

Ebd., 136. Ebd., 146.

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Manche Einwände bzw. Anklagen erforderten eine eingehende Antwort; ich hoffe, daß sie, von allem Gezänke frei, klar und bündig ausgefallen ist. Mancher Ausdruck, wie ‚irrig‘, ‚haltlos‘ klingt vielleicht zu selbstbewußt und verletzend. Ich darf jedoch betonen, daß ich solche durch ihre Kürze schroff erscheinende Urteile niemals ohne triftige und sachliche Begründung ausspreche. So sehr ich es aber jetzt bedauere, bei früheren Gelegenheit von der Waffe des Sarkasmus allzu ausgiebigen Gebrauch gemacht zu haben, so wenig kann ich auch heute noch mich entschließen, eine völlig verlorene Sache etwa durch die moderne Höflichkeitsformel ‚dürfte vielleicht nicht ganz einwandfrei erscheinen‘ zu bezeichnen. Das wäre nicht schlichte Wahrheit, sondern Verschleierung des Tatbestandes unter Umständen sogar versteckte Ironie. Niemals bekämpfe ich die Person und setze bei jedem Gegner – mag er auch noch so ungerechtfertigt gegen das angehen, was mir als wahr und verehrungswürdig gilt – durchaus die bona fides voraus. Umgekehrt kann der Umstand, daß mir jemand durch seine Gesinnung oder persönlich nahesteht, mich nicht abhalten, seine mir unzutreffend erscheinenden Absichten ausdrücklich abzulehnen. – Wiederholt habe ich von den Vertretern einer teilweisen oder ganz verfehlten Anschauung nur einen namentlich erwähnt; dies geschah aber lediglich deshalb, weil derselbe auch eine Begründung bietet und nicht in der Lage war, den Urheber jener Anschauung ausfindig zu machen. Auch hier kommt einzig und allein die Sache, nicht die Person in Betracht.27 Am 25. Januar 1929 stirbt Franz Xaver Kugler beim dritten Schlaganfall im Pflegeheim der Barherzigen Brüder im Schloß Steinhof in Luzern. Kuglers Forschungsmethode ist eher induktiv als deduktiv. Er entfaltet dem Leser seine Einsichten und seine Argumentation an ausgearbeiteten Fällen und Beispiele anstelle von Theoremen.28 Während in seinen Artikeln zum BabelBibel-Streit eine leidenschaftliche, emotionale Polemik auf Grundlage kirchlicher Lehre zu verzeichnen ist, findet sich in den Schriften gegen den Panbabylonismus naturwissenschaftliche Begründungen, die zwar hier und da sarkastisch aggressiv daherkommen, in denen aber katholische Lehrmeinungen etc. keine direkte Rolle spielen.

27 28

Kugler 1922, XIV–XV. Vgl. De Jong 2005, 286.

Die babylonische Gola: Wiege des Judentums? Reinhard G. Kratz

Der Beitrag behandelt das Thema „Bibel und Babel“ aus historischer Perspektive. Thema ist die babylonische Gola, die für gewöhnlich als Wiege des Judentums angesehen wird. Die Auffassung basiert im Wesentlichen auf der biblischen Überlieferung, gepaart mit historischer Imagination. Kürzlich sind keilschriftliche Quellen der Judäer in Babylonien bekannt geworden, die ein etwas anders Bild zeigen. Wie sich beides zueinander verhält, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. Das babylonische Exil in der Hebräischen Bibel Das babylonische Exil beginnt für eine erste Gruppe von Judäern mit der Einnahme Jerusalems durch Nebukadnezar II. im Jahre 597 v.Chr., für andere zehn Jahre später mit der zweiten Einnahme und Zerstörung der Stadt im Jahre 587 v.Chr. Verlässliche Nachrichten sind nur vom Anfang des Exils überliefert. Von der ersten Einnahme Jerusalems 597 v.Chr. handelt ein Eintrag in der babylonischen Chronik:1 „Im 7. Jahr, im Monat Kislew bot der König von Akkad seine Truppen auf und zog nach Hattu. Die Stadt Juda (āl Ia-a-ḫū-du) belagerte er. Am 2. Adar eroberte er die Stadt, den König nahm er gefangen. Einen König nach seinem Herzen setzte er in ihr ein. Seinen schweren Tribut nahm er mit und führte ihn nach Babel.“ Der König, den Nebukadnezar gefangen nahm, war Jojakin, der König seines Herzens, den er in Jerusalem einsetzte, hieß Mattanja und wurde bei der Thronbesteigung in Zedekia umbenannt. Dem abgesetzten König erging es besser als dem König nach Nebukadnezars Herzen. Jojakin und seine fünf Söhne wurden in Babylon mit Sesamöl versorgt und um 560 v.Chr. von Amel-Marduk an die königliche Tafel geholt.2 Zedekia hingegen musste sich im syrischen Ribla vor Nebukadnezar für seinen Treuebruch verantworten und die Ermordung seiner Söhne mit ansehen, bevor er geblendet und nach Babylonien gebracht wurde, wo sich seine Spur verliert.3 Mit den beiden Königen wurden auch Teile der judäischen Bevölkerung nach Babylonien deportiert. Über das babylonische Exil selbst berichtet die Hebräische Bibel so gut wie nichts. Das Exil ist hier zu einem theologischen Datum, einer Metapher geworden, die für die Sünde des Volkes Israel und die Strafe des Gottes Jhwh an Israel steht. Im Buch Jeremia findet sich die Ankündigung, dass die Herrschaft Babylons 70 Jahre, also in etwa drei Generationen, dauern soll, bis Jhwh sich seines Volkes 1

Grayson 1995, Nr. 5, Rs. 11–13; Galling 1979, 73f; Kaiser 1982–1985, 403–404. Galling 1979, 78–79; 2 Kön 25, 27–30; Jer 52, 31–34. 3 2 Kön 24, 20b; 25, 1–7; Jer 39, 1–7; 52, 1–11. 2

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wieder erbarmen und es nach Juda und Jerusalem zurückbringen würde: Denn so spricht Jhwh: Erst wenn 70 Jahre voll sind für Babel, will ich nach euch sehen und mein gutes Wort für euch aufrichten, euch zurückzubringen an diesen Ort. (Jer 29,10; vgl. 25,12; 27,7; 29,6). Das Buch der Chronik, eine Neuauflage der Bücher der Könige, deutet die 70 Jahre als Sabbatjahre, in denen das Land Juda brach liegen und für seine Sünde büßen soll. Damit soll der Eindruck erweckt werden, als sei das Land 70 Jahre völlig unbewohnt gewesen, bis der Perserkönig Kyros (II) im ersten Jahr seiner Herrschaft über Babylon die Rückkehr der Judäer und den Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem erlaubte (2 Chr 36 / Esr 1). Dementsprechend erzählen die aramäischen Legenden im Buch Daniel Kap. 1–6, wie Daniel und seine drei Freunde – stellvertretend für die gesamte Gola – vom Anfang des Exils unter Nebukadnezar bis zum ersten Jahr des Kyros ihrem Glauben an den einen und einzigen Gott Jhwh treu geblieben seien und so überlebten. Mit der Hilfe ihres Gottes sind sie zu hohen Würdenträgern am babylonischen Hof aufgestiegen und haben selbst Nebukadnezar dazu gebracht, sich zu ihrem Gott zu bekennen. Von der Rückkehr aus dem Exil und der Restauration Judas unter den Achämeniden erzählen die Bücher Esra und Nehemia. Die Restauration vollzieht sich in drei Akten, die allesamt von Rückkehrern aus Babylon ins Werk gesetzt worden sein sollen: der Tempelbau unter dem Statthalter Serubbabel und dem Priester Joschua; die Einführung des Gesetztes, der Tora des Mose, und die Scheidung von Mischehen unter Esra; der Mauerbau und die Verpflichtung des Volkes auf die Tora unter Nehemia. Damit ist die Restauration vollendet. Bei diesem biblischen Narrativ handelt es sich ganz offensichtlich um eine theologische Geschichtskonstruktion, eine historia sacra. Nach ihr hat sich die Formation des Judentums im babylonischen Exil zugetragen und wurde von den geläuterten Exulanten nach ihrer Rückkehr in Juda zum Abschluss gebracht. Außerbiblische Belege für dieses biblische Narrativ gibt es nicht. Dennoch (oder gerade deswegen) ist dieses Narrativ außerordentlich wirksam gewesen. Es setzt sich in den meisten wissenschaftlichen Darstellungen der Geschichte Israels bis heute fort. Als Beispiel greife ich die „Israelitische und jüdische Geschichte“ von Julius Wellhausen heraus, die im elften Kapitel über „Die Juden im Exil“ handelt.4 Die Darstellung lebt von Ezechiel und der zweiten Hälfte des Buches Jesaja, dem sogenannten Deuterojesaja, als den beiden Zeugen für die Formation des Judentums. Im babylonischen Exil habe, so Wellhausen, die Transformation vom alten Israel zum Judentum stattgefunden, womit der Verzicht auf den Opferkult, die Herausbildung von Sabbat und Beschneidung als „Symbolon des Judentums“ und die Hoffnung auf Heimkehr als Movens der „zähe(n) Selbstbehauptung“ einherge-

4

Wellhausen 1914, 141–153.

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gangen seien.5 Im anschließenden zwölften Kapitel beschreibt Wellhausen die Restauration Judas nach den Büchern Esra und Nehemia.6 Im Zentrum des Judentums steht von nun an „das Gesetz“, dem ein eigenes Kapitel gewidmet ist.7 Mit dieser Darstellung hat Wellhausen das Bild begründet, das – von Details abgesehen – in der Forschung bis heute mehrheitlich vertreten wird und in den „Geschichten Israels“ von Martin Noth8 bis hin zur gerade jüngst erschienenen zweiten Auflage von Christian Frevel9 nachzulesen ist. Doch lässt sich dieses Bild auch unabhängig von dem biblischen Narrativ begründen? Das Archiv von Al-Yaḫudu Neuerdings hat sich die Möglichkeit zur historischen Kontrolle des biblischen Narrativs ergeben. Im Antikenhandel tauchten keilschriftliche Texte auf, die aus einer judäischen Siedlung mit Namen alu ša Yaḫudaia (Stadt der Judäer) bzw. alYaḫudu (Stadt Judas) stammen, welche von den Herausgeberinnen, Laurie Pearce und Cornelia Wunsch, in der Gegend zwischen Babylon und Nippur lokalisiert wird. Andere Texte kommen aus dem Archiv einer benachbarten Ortschaft mit Namen ālu ša Našar und dem Archiv eines gewissen Zababa-šar-uṣur. Die Datierungen der Dokumente umfassen den Zeitraum von 572–477 v. Chr., d.h. die gesamte Epoche des babylonischen Exils bis in die persische Zeit unter Xerxes I. (486–465 v. Chr.).10 Diesen Fund kann man – ebenso wie die im 20. Jahrhundert entdeckten und mehrheitlich in Berlin gelagerten Papyri von Elephantine und ebenso wie die Texte vom Toten Meer (Qumran) – als sensationell bezeichnen.11 Nach dem indirekten und recht spärlichen Zeugnis des Onomastikons im Muraschu-Archiv12 geben uns die Texte von Al-Yaḫudu zum ersten Mal einen authentischen Einblick in das Leben der Judäer im babylonischen Exil. Da es sich ausschließlich um Wirtschafts- und Rechtsurkunden handelt, ist ihr Quellenwert begrenzt. Doch was sie bezeugen, erinnert weniger an das biblische Narrativ als vielmehr an die Situation auf der Nilinsel Elephantine in der ägyptischen Diaspora der Perserzeit, wo wir ein Judentum vorfinden, das nicht in das biblische Bild passt. Der Vergleich mit Elephantine ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich und wird daher im Folgenden immer wieder begegnen. 5

Ebd., 142–143. Ebd., 153–166. 7 Ebd., 166–176. 8 Noth 1950. 9 Frevel 2018. 10 Pearce/Wunsch 2014; noch nicht erschienen: Wunsch forthcoming; vgl. dazu Kratz 2017, 203–213 (dort weitere Literatur); und ausführlich Alstola 2020. 11 Vgl. zu diesen drei Archiven Kratz 2017, 181–232 und Kratz 2020, 23–39. 12 Vgl. dazu die Hinweise in Pearce 2014, 163–184, hier 167–168, Anm. 7. 6

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Anders als es das biblische Narrativ suggeriert, waren die exilierten Judäer von Al-Yaḫudu offensichtlich nicht von der glühenden Hoffnung auf Rückkehr in das gelobte Land beseelt. Im Gegenteil, sie blieben auch nach der Einnahme Babylons durch Kyros II im Jahr 539 v.Chr. in ihrer „Stadt Judas“ wohnen. Das Movens der Exulanten, sich in der fremden Umgebung zu behaupten, war vielmehr ihre judäische und jahwistische Identität. Wie schon der Name der Siedlung (alu ša Yaḫudaia bzw. al-Yaḫudu) und die Bezeichnung des von ihnen bestellten Landes als „Felder der Judäer“ (ZAG.LU A.ŠÀ ša Yaḫadaia, šušana ša Yaḫudaia) zeigen, fühlten sich die Bewohner ihrem Mutterland verbunden und besaßen ein ausgeprägtes Bewusstsein für ihre judäische Identität. Wohl gemerkt, der judäischen Identität; die biblische Selbstbezeichnung als „Volk Israel“ begegnet hier ebenso wenig wie in den Papyri von Elephantine. Die „Selbstbehauptung“ ihrer judäischen Identität kommt auch in dem Onomastikon zum Ausdruck. Ebenso wie die Papyri von Elephantine weisen auch die Texte von Al-Yaḫudu gut hebräische Namen mit dem theophoren Element yāḫû(am Anfang) oder -yāma (am Ende des Namens) für die Gottheit Jhwh auf – wie in Yaḫu-natan (Jonatan) oder Natan-Yāma (Natanjahu). Spezifisch biblische Namen wie Abraham, Isaak, Jakob, Mose, Saul, David oder Salomo, fehlen hier ebenso wie in Elephantine. Hingegen kommen viele westsemitische und babylonische Namen vor, deren Träger in manchen Fällen als Judäer identifiziert werden können, z.B. wenn ein und dieselbe Person zwei Namen trägt. Das ist bei dem Sohn des Nubâ der Fall, einem Gläubiger, der sowohl Bel-šar-uṣur als auch Yāḫûšar-uṣur heißt. Darf man die Namengebung als Ausweis der religiösen Überzeugung betrachten, waren die Judäer von Al-Yaḫudu Jhwh-Verehrer, die auch den Göttern ihrer babylonischen Umgebung Respekt zollten und in dem babylonischen Bel ihren Gott Jhwh wiedererkennen konnten. Über die Art und Weise der Gottesverehrung wissen wir allerdings nichts. Wir können weder sagen, ob die Judäer von Al-Yaḫudu, wie von Wellhausen angenommen,13 zu einem Gottesdienst ohne Tempel, Altarplatz und Opfer übergegangen sind, noch dass sie irgendeine Art von Kultstätte hatten. Das aber trifft auf die anderen Ethnien in der Nachbarschaft ebenso zu und besagt darum nichts. Unter normalen Bedingungen ist jedoch kaum vorstellbar, dass die Siedler ganz ohne kultische Aktivitäten ausgekommen wären. Dafür, dass die Judäer eine ganz andere Form der kultischen Verehrung als die anderen Ethnien praktiziert hätten, gibt es keinerlei Hinweise, und dass ausgerechnet sie dies getan haben sollten, ist nur zu erwarten, wenn man die Bibel als Maßstab anlegt. Unbeschadet ihrer judäischen und jahwistischen Identität zeigen die Judäer von Al-Yaḫudu allerdings keinerlei Scheu oder Abneigung, mit Menschen babylonischer oder anderer Herkunft Umgang zu pflegen. Auf deren Identität weisen wiederum die Namen oder gelegentlich das Gentilizium in den Geschäftsurkunden. 13

Wellhausen 1914, 142.

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Der Kontakt mit der übrigen Bevölkerung zeigt sich in den gemischten Zeugenlisten, in den Geschäftsbeziehungen sowie vor allem in der Präsenz der namentlich genannten babylonischen Schreiber der Dokumente von Al-Yaḫudu und den benachbarten Orten. Auch bei Geschäften unter Judäern wird babylonisches Recht angewendet. Die Art der Geschäfte basierte auf dem in den ländlichen Regionen Babyloniens üblichen Lehnswesen „land-for-service“. Wir erhalten Einblick in eine Fülle von wirtschaftlichen Aktivitäten, besonders die Verteilung und Verwaltung von Land, die Arbeitsorganisation, das Kreditwesen und den Warenverkehr (einschließlich des Sklavenhandels). Die Judäer und die Angehörigen anderer Ethnien dienten nicht nur als Fronarbeiter, sondern waren an den Geschäften selbst beteiligt. Manche stiegen zu regional und überregional operierenden Geschäftsleuten und höher gestellten Beamten auf. Anders als Elephantine war Al-Yaḫudu keine Militärkolonie. Dennoch mussten die Siedler auch Militärdienst für die babylonischen und persischen Herren leisten, was nur durch Ersatzzahlung in Silber zu umgehen war. Daraus entwickelte sich ein eigener Geschäftszweig, in dem auch Judäer aktiv waren. Ein Heiratsvertrag aus Al-Yaḫudu schließlich zeigt, dass es neben den geschäftlichen und militärischen Beziehungen auch zu privaten Bindungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, d.h. zu – den in Esra und Nehemia verurteilten und hart bekämpften – Mischehen, kam, wie es wiederum auch auf Elephantine üblich war. Der Vertrag folgt dem babylonischen Formular und wurde unter Anrufung der babylonischen Götter Marduk, Zarpanitu und Nabu, als Garanten gegen Vertragsbruch geschlossen. Im Unterschied zu Elephantine sind aus Al-Yaḫudu keinerlei Zeugnisse über das religiöse Leben, einen Tempel, Priester, Feiertage oder den häuslichen Kult erhalten geblieben. Auch über die Literatur ist nichts bekannt. Auf Elephantine haben sich immerhin die aramäische Fassung der Bisitun-Inschrift Dareios I sowie „die Worte des Ahiqar“ gefunden; Vergleichbares sucht man hier vergebens. Das bedeutet aber nicht, dass es in Al-Yaḫudu oder an anderen Orten im babylonischen Exil dies alles nicht gegeben habe. Nur wissen wir darüber nichts. Nimmt man alles zusammen, scheint es wenig wahrscheinlich, dass es den Judäern von Al-Yaḫudu erging wie es Psalm 137 beklagt: 1 An den Wassern zu Babel, dort saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten. 3 Unsere Harfen hängten wir an die Weiden dort im Lande. 3 Denn die uns gefangen hielten, hießen uns dort singen, und in unserem Heulen fröhlich sein: Singt uns ein Lied von Zion! 4 Wie könnten wir des Herrn Lied singen in fremdem Lande? 5 Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte. 6 Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein. 7 Gedenke, Jhwh, den Söhnen Edoms, was sie am Tage Jerusalems sag-

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ten: Reißt nieder, reißt nieder bis auf den Grund! 8 Tochter Babel, du Verwüsterin, wohl dem, der dir vergilt, was du uns angetan hast! 9 Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt und sie am Felsen zerschmettert! Die Judäer von Al-Yaḫudu haben es vielmehr mit dem Brief Jeremias an die babylonische Gola in Jeremia 29 gehalten: 4 So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels, zu den Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen: 5 Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; 6 nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet. 7 Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s auch euch wohl. Nur sind die Judäer von Al-Yaḫudu länger geblieben als die „siebzig Jahre“, auf die Jeremia die Herrschaft Babylons begrenzt hat. Nichts weist darauf hin, dass sie den Personenkreis repräsentierten, aus dem der biblischen Geschichte zufolge die nachexilische Restauration Judas und die Reformen Esras und Nehemias hervorgegangen sein sollen. Wie ist der Unterschied zwischen dem biblischen Narrativ und dem epigraphischen Befund zu erklären? Biblisches und nicht-biblisches Judentum An anderem Ort habe ich vorgeschlagen, zwei unterschiedliche Ausprägungen des Judentums zu unterscheiden.14 Die Bezeichnung „biblisches“ bzw. „nicht-biblisches“ Judentum ist zwar anachronistisch, da es in der fraglichen Zeit noch keine „Bibel“ gab, aber praktisch und wird deshalb beibehalten. Sie bringt den Unterschied zwischen zwei kategorial verschiedenen Religionssystemen auf den Begriff, von denen sich das eine auf die nachmals biblische und davon abhängige parabiblische Überlieferung gründet, das andere – soweit wir sehen – davon unberührt ist und dem israelitisch-judäischen Brauchtum folgt, das (noch) nicht durch die Transformation der biblischen Tradition gegangen ist. Soweit wir sehen, steht Al-Yaḫudu ebenso wie Elephantine für das „nicht-biblische“ Judentum. Gegen diese Klassifizierung hat man im Falle von Elephantine eingewandt, und dasselbe gilt noch mehr für Al-Yaḫudu, dass sie auf einem argumentum e silentio beruhe. Da man in beiden Archiven mehrheitlich Wirtschafts- und Rechtsurkunden gefunden habe, sei ein Vergleich mit der Hebräischen Bibel unzulässig, und man könne nicht ausschließen, dass daneben – ob 14

Vgl. dazu Kratz 2017, XXIX–XXXVII sowie 283–293.

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mündlich oder schriftlich – auch die biblische Tradition bekannt und als Leitüberlieferung anerkannt gewesen sei.15 Für Elephantine lässt sich dieser Einwand aufgrund von historischen und literarischen Analogien eindeutig widerlegen.16 Für Al-Yaḫudu hingegen lässt er sich aufgrund der Begrenztheit des Materials nicht ohne Weiteres von der Hand wiesen. Allerdings sind auch die positiven Indizien für eine Vertrautheit der Judäer von Al-Yaḫudu mit der biblischen Überlieferung mehr als vage. So hat man auf den Fluss Kebar verwiesen, der in einem Dokument aus dem Archiv des Zababa-šar-uṣur und einigen anderen babylonischen Urkunden erwähnt wird. Es liegt nahe, die Ortsangabe mit der Lokalisierung des Propheten Ezechiel zu kombinieren, der sich der biblischen Überlieferung zufolge seit 597 v. Chr. unter den Weggeführten in Tel Aviv am Fluss Kebar im Land der Chaldäer aufgehalten haben soll (Ez 1,1.3; 3,16). Der Fluss Kebar wird meist in der Region von Nippur lokalisiert, derselben Gegend, in der die Herausgeberinnen die Texte von Al-Yaḫudu lokalisieren. Die Situation von Al-Yaḫudu erscheint so nachgerade als der geographische und ökonomische Hintergrund für die Prophetie Ezechiels. Da sein Buch ein paar akkadische Lehnwörter aufweist, hat man sogar vermutet, dass er die Anfangsgründe der Keilschrift erlernt habe und mit dem Curriculum der babylonischen Schreiber vertraut gewesen sei.17 Die historische Kombination ist verführerisch, doch ebenso kühn wie unbeweisbar. Die datierten Belege für den Fluss Kebar stammen allesamt aus persischer und nicht aus neubabylonischer Zeit. Ob es sich bei allen Erwähnungen um ein und denselben Fluss handelt, ist nicht sicher. Vor allem wissen wir nicht, wann und ob überhaupt Ezechiel in Babylonien war, ob Tel Aviv am Fluss Kebar mit einem der Orte in den babylonischen Dokumenten identisch ist, zu welcher Zeit das Buch Ezechiel entstanden ist, an welche Adressaten es sich richtet, ob es die Judäer von Al-Yaḫudu kennt oder ob umgekehrt die Judäer von Al-Yaḫudu das Buch Ezechiel oder sonst irgendeines der biblischen Bücher kannten. Sollten sie davon erfahren haben, werden sie sich allerdings sehr gewundert haben, darüber, dass sie in der biblischen Überlieferung als “Israel” und nicht als Judäer angesprochen werden, und wohl auch darüber, dass sie im Buch Ezechiel der Sünde bezichtigt werden, die sie ins babylonische Exil gebracht haben soll. Auch Letzteres werden sie sicher anders gesehen haben Die Unterscheidung zwischen dem „biblischen“ und dem „nicht-biblischen“ Judentum hat Auswirkungen auf die Frage nach der Entstehung des Judentums, auf die wir abschließend eingehen.

15

Vgl. Kratz 2017, XXIII–XXV. Vgl. Kratz 2020, 32–34. 17 Vgl. Pearce 2014, 171; 179–184. 16

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Die Wiege des Judentums Wo die Wiege des Judentums war, hängt davon ab, nach welcher Ausprägung des Judentums wir suchen. Wenn es richtig ist, dass wir verschiedene Ausprägungen des Judentums in den Provinzen Samaria und Juda sowie in der babylonischen und ägyptischen Diaspora zu unterscheiden haben und dass im Übrigen – was hier aus Platzgründen nicht im Einzelnen begründet, sondern nur postuliert werden kann18 – das „nicht-biblische“ Judentum von Al-Yaḫudu und Elephantine nicht die Ausnahme, sondern die Regel war, ist die Frage dahingehend zu präzisieren, wo die Ursprünge des „biblischen“ Judentums zu suchen sind. Soweit wir sehen, liegen diese jedenfalls nicht in Babylonien, sondern in der historischen Imagination der Hebräischen Bibel von einer babylonischen Gola, die das wahre, der Tora des Mose verpflichtete „Israel“ repräsentiert. Ein Beispiel, an dem man sich den Sachverhalt veranschaulichen kann, ist das Buch Tobit aus hellenistischer Zeit. Tobit handelt von den nördlichen Stämmen Israels, die im 8. Jahrhundert v.Chr. unter Tiglatpileser III in neuassyrische Gefangenschaft geraten sind. Von ihnen wurde über Jahrhunderte nicht mehr gesprochen, sie galten als verloren. Doch die Schreiber des Buches Tobit haben an sie erinnert und eine Geschichte imaginiert, in der (auch) die assyrische Diaspora das wahre und ganze „Israel“ repräsentiert. Die historische Fiktion des Tobitbuches hat weniger stark nachgewirkt als die Imagination der babylonischen Gola als Repräsentantin des wahren „Israel“ in Esra und Nehemia. Doch literatur- und ideengeschichtlich handelt es sich um dasselbe Phänomen. Was macht dieses Phänomen des „biblischen“ Judentums aus? Während das „nicht-biblische“ Judentum (von Al-Yaḫudu oder Elephantine) eine mehr oder weniger ungebrochene Kontinuität zu der althergebrachten, traditionellen israelitisch-judäischen Religion aufweist, zeichnet sich das „biblische“ Judentum durch eine Reihe religionsgeschichtlicher Innovationen und Traditionsbrüche aus, die in der Selbstdarstellung als althergebrachte, ursprüngliche Form der Religion Israels ausgegeben wird. Seinen Ursprung hat diese Gestalt des Judentums in der biblischen Überlieferung, die den Einschnitt des Untergangs der beiden Monarchien Israel (722 v.Chr.) und Juda (587 v.Chr.) theologisch verarbeitet. Wo das „biblische“ Judentum herkommt, ist schwer zu sagen. Die Produzenten und Trägerkreise der biblischen und parabiblischen Literatur, das historische Milieu und vor allem der Grad ihrer Verbreitung und Etablierung in assyrischer, babylonischer, persischer und frühhellenistischer Zeit sind uns unbekannt. Wie es scheint, ist diese Literatur in Kreisen marginalisierter Eliten entstanden, die in ihren Schriften eine Art Gegenwelt zu den bestehenden Verhältnissen konstruierten. Eine breitere Wirkung der biblischen Überlieferung lässt sich historisch erst ab dem zweiten Jahrhundert v.Chr. greifen – in Gestalt der griechischen Übersetzung der Tora in Alexandria (Septuaginta), des hebräischen und später ins Griechische übersetzten Buches des Ben Sira sowie in den Gruppen der Hasidim 18

S.o. Anm. 11.

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(„Frommen“), der Makkabäer und Hasmonäer sowie – epigraphisch dokumentiert – der Gemeinschaft von Qumran.19 Nach allem, was wir sehen, liegen die Anfänge des „biblischen“ Judentums nicht in der Diaspora, sondern im Mutterland, in Israel (Samaria) und Juda, von wo aus es sich in der Diaspora ausgebreitet hat. Nach Babylonien, wo wir sehr viel später die großen Schulen des babylonischen Talmud finden, dürfte es (noch) nicht durch die babylonische Gola von 587 v.Chr., sondern erst durch die Auswanderungen und Vertreibungen in hellenistisch-römischer Zeit, besonders während der Aufstände gegen Rom im 1. und 2. Jahrhundert n.Chr., gelangt sein. So wurde am Ende auch Babylonien zur „Wiege des Judentums“, allerdings nicht des antiken („biblischen“), sondern des rabbinischen Judentums, das (wie das Christentum) auf dem „biblischen“ Judentum gründet und bis heute besteht.

19

Vgl. Kratz 2017, 213–283; bes. 279–283.

Der sogenannte Sündenfall-Zylinder Ein Beispiel für theologische und religionsgeschichtliche Einfalt Rüdiger Liwak

In diesem Beitrag wird zunächst der Babel-Bibel-Streit als extreme Auseinandersetzung um die Hebräische Bibel in ihrem Verhältnis zum Alten Orient skizziert (1.) und am Beispiel der Interpretation eines Siegelbildes auf seine hermeneutische Sorglosigkeit zugespitzt (2.). Weil mit der Siegeldarstellung ein Bezug zu Gen 3 verknüpft wird, sollen – besonders im Blick auf die Schlange – anschließend Auslegungsmöglichkeiten der Paradiesgeschichte in Gen 3 als Referenzrahmen zur Diskussion gestellt werden und im religionsgeschichtlichen Vergleich Bilder und Texte als Interpretationsbezüge zur Sprache kommen (3.). Dabei werden die Chancen und Risiken, die sich bei der theologischen und religionsgeschichtlichen Arbeit auftun, diskursiv entfaltet und zum Schluss zusammenfassend bewertet (4.) 1. Der Babel-Bibel-Streit Die Altorientalistik hatte im 19. Jh. seit der Entzifferung der ersten Keilschriftzeichen durch den Göttinger Georg August Grotefend eine grandiose Entwicklung genommen.1 1872 brachte Eberhard Schrader (1836–1908), damals Professor für Altes Testament in Jena, sein Werk Die Keilschriften und das Alte Testament heraus und zeigte damit, dass die Zeit für einen folgenreichen Einfluss der Keilschriftforschung auf die alttestamentliche Wissenschaft reif war.2 1875, in demselben Jahr, in dem Schrader nach Berlin kam, berichtete George Smith im Daily Telegraph vom 4. März öffentlichkeitswirksam von der Entdeckung einer bisher unbekannten Version der Sintflutgeschichte auf der 11. Tafel des Gilgamesch-Epos. Nur ein Jahr später ließ Friedrich Delitzsch (1850–1922), der sich 1874 in Leipzig für das Fach Assyriologie habilitiert hatte, ein inzwischen erschienenes Buch von George Smith mit dem provozierenden Haupttitel The Chaldean Account of Genesis3 von seinem Bruder Hermann übersetzen und ergänzte es mit Kommentaren. Ein Teil des Untertitels der Übersetzung wurde weg-

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Renger 1979. Schrader 1872b. Die stark vermehrte 2. Aufl. 1883 wurde 2016 noch einmal nachgedruckt, die 3. Aufl. 1902, von H. Zimmern und H. Winckler bearbeitet, noch einmal 2019. 3 Der vollständige Titel lautet: The Chaldean Account of Genesis. Containing the Description of the Creation, the Fall of the Man, the Deluge, the Tower of Babel, The Times of the Patriarchs, and Nimrod; Babylonian Fables, and Legends of the Gods; from the cuneiform Inscriptions, by George Smith, with Illustrations, London 1876. 2

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weisend: Keilschriftliche Berichte über Schöpfung, Sündenfall, Sintfluth, Thurmbau und Nimrod.4 Wissenschaftlicher Forschungsdrang und eine weite Kreise der Bevölkerung erfassende Faszination der orientalischen Kultur waren zu jener Zeit auch ein fruchtbarer Boden für politische Ziele. 1898 besuchte das deutsche Kaiserpaar Konstantinopel und anschließend auf einer wirtschaftspolitisch motivierten Pilgerreise Jerusalem und Damaskus. Ein wesentlicher Aspekt der Reise betraf die sog. Bagdad-Bahn, die den Ferngüterverkehr zwischen dem Bosporus und dem Persischen Golf sichern sollte.5 Damit durch den Bau der Bahn keine Kulturgüter zerstört würden, forderte die Deutsche Orient-Gesellschaft6 eine wissenschaftliche Begleitung des Bahnprojekts. Eifrigster Propagandist dieser Gesellschaft, die unter dem Protektorat Wilhelms II. stand und vor allem Industrielle, Bankiers und hohe Beamte als fördernde Mitglieder hatte, war Friedrich Delitzsch. Delitzsch, der im letzten Viertel des 19. Jh. einen wesentlichen Anteil an der philologischen Grundlegung der Assyriologie hatte, folgte 1899 als Nachfolger Eberhard Schraders einem Ruf auf eine Professur für orientalische Philologie unter besonderer Berücksichtigung der Assyriologie nach Berlin und übernahm hier auch die Leitung der Vorderasiatischen Abteilung der Königlichen Museen. Seine rastlose, bis nach Amerika führende Vortragstätigkeit, die im Dienst der Deutschen Orient-Gesellschaft stand, kam dem noch jungen Fach sehr zugute. Spektakulär, wenn auch nur von der kaisertreuen Presse gefeiert, war Delitzschs Bearbeitung der historischen Pantomime ‚Sardanapal‘ im Berliner Opernhaus. Von Wilhelm II. beauftragt, machte er aus der Pantomime eine gegen die griechische Überlieferung gerichtete Rehabilitierung des Assyrerkönigs Assurbanipal, der als Eroberer und Förderer von Kunst und Gelehrsamkeit den Kaiser faszinierte.7 Als im Popularisierungsrausch das assyrische Weltreich auf Wunsch des Kaisers 1908 spektakulär von Delitzsch auf die Opernbühne gezwungen wurde, war der eigentliche Babel-Bibel-Streit schon Vergangenheit. Am Anfang dieses Streits stand ein mit Lichtbildern illustrierter Vortrag, den Friedrich Delitzsch am 13. Januar 1902 im Saal der Singakademie zu Berlin – heute das Maxim Gorki Theater – vor der Deutschen Orient-Gesellschaft in Anwesenheit von Kaiser

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Die Übersetzung trägt den Titel: George Smith’s Chaldäische Genesis. Keilschriftliche Berichte über Schöpfung, Sündenfall, Sintfluth, Thurmbau und Nimrod, nebst vielen anderen Fragmenten ältesten babylonisch-assyrischen Schrifttums. Autorisierte Übersetzung von Hermann Delitzsch. Nebst Erläuterungen und fortgesetzten Forschungen von Dr. Friedrich Delitzsch, Leipzig 1876. 5 Zur Orientpolitik des Deutschen Reiches: Schöllgen 2000, zur Bagdad-Bahn 118–120; Richter 1997, zur Bagdad-Bahn 113–115. 6 Renger 1979, 158–160; zur Geschichte der Orient-Gesellschaft und ihrer Förderer s.a. von Schuler 1968. 7 Kohlmeyer/Strommenger 1991.

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Wilhelm II. und höfischem Gefolge hielt. Delitzsch begann seinen Vortrag pathetisch: Wozu diese Mühen im fernen, unwirtlichen, gefahrvollen Lande? Wozu dieses kostspielige Umwühlen vieltausendjährigen Schuttes bis hinab auf das Grundwasser, wo doch kein Gold und kein Silber zu finden? Wozu der Wetteifer der Nationen, sich je mehr je lieber von diesen öden Hügeln für die Grabung zu sichern? Und woher andererseits das immer steigende opferfreudige Interesse, das diesseits und jenseits des Ozeans den Grabungen in Babylonien – Assyrien zuteil wird? Auf beide Frage nennt Eine Antwort, wenn auch nicht erschöpfend, so doch zu einem guten Teil Ursache und Zweck: die Bibel.8 Den größten Nutzen des mühevollen Ausgrabungsgeschäfts sieht Delitzsch darin, „dass obenan die Ergebnisse der babylonisch-assyrischen Ausgrabungen berufen sind, eine neue Epoche, wie im Verständnis, so in der Beurteilung des Alten Testamentes herbeizuführen, und dass für alle Zukunft eng verbunden bleiben Babel und Bibel.“9 Dabei erklärte er die babylonische Literatur zur schriftlichen Vorlage für das Alte Testament und stellte die suggestive Frage: „Ist es da Wunder zu nehmen, wenn ein e ganze Reihe b iblischer Erzählung en jetzt auf einmal in reinerer und ursprünglicherer Form aus der Nacht der babylonischen Schatzhügel ans Licht treten?“10 Seine Überzeugung fasste er in der zweiten Auflage des gedruckten Vortrags markant in dem hermeneutischen Satz zusammen: „Babel wird uns zum Interpreten und Illustrator der Bibel.“11 Den Nachweis der Abhängigkeit biblischer Stoffe von babylonischen Texten und Traditionen suchte er vor allem in der Kindheitsgeschichte Moses, in der Sintfluterzählung und in der priesterschriftlichen Schöpfungserzählung. Im letzten Teil seines Vortrags proklamierte er für das biblische Israel schließlich noch eine Inkulturation babylonischer Ethik und Sündenvorstellung. Als Erklärung für den Transfer mesopotamischer Vorstellungen diente ihm eine Historisierung von Gen 11,31. Demnach zog die Terachsippe auf einer Art Hedschra von Ur in Chaldäa nach Kanaan und überlieferte dort die nicht-israelitischen Traditionen weiter.12 Nicht viel von dem, was Delitzsch präsentierte, war fachlich originell, für das breite Publikum aber, allen voran Wilhelm II., wirkte alles sensationell, insbesondere die Behauptung der Abhängigkeit des Alten Testaments von babylonischer, also heidnischer Literatur. Mag auch der Kaiser zunächst vom Vortrag sehr angetan gewesen sein, schon bei der Wiederholung der Rede im Schloss hat Delitzsch 8

Delitzsch, Friedrich 1902, 3, Hervorhebung im Original. Delitzsch, Friedrich 1902, 4, Hervorhebung im Original. 10 Delitzsch, Friedrich 1902, 29, Hervorhebung im Original. 11 Delitzsch, Friedrich 1903a, 53. 12 So in seinen „Erläuterungen und fortgesetzte(n) Forschungen“ in George Smith’s Chaldäische Genesis (wie Anm. 4), 279. 9

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sich einer leidenschaftlichen Aussprache stellen müssen, in der Cläre von Gersdorff, die fromme Hofdame der Kaiserin, einen besonders eindrücklichen Auftritt hatte: „Sie drang nach dem Vortrag so stark auf den Professor ein, daß er bis zur Wand zurückwich und dort resigniert auf jede Widerrede verzichtete.“13 Delitzschs Anschauungen waren freilich explosiv, denn sie erschütterten die Glaubwürdigkeit von Theologie und Kirche. Nach der kirchlichen Entfremdung der Arbeiterschaft drohte nun auch der Abschied des Bürgertums aus der Kirche.14 Die Breitenwirkung des Vortrags beruhte nicht zuletzt auf einer zügigen Drucklegung in einem amtlichen Mitteilungsblatt, dem Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.15 Das entsprach dem Wunsch Wilhelms II., der als Kaiser und summus episcopus der Preußischen Landeskirche die Vorgänge zunächst wohlwollend begleitete. Und darin lag die besondere Brisanz des Vorgangs, der 1902 und 1903 heftige Reaktionen auslöste. Am vehementesten reagierten jüdische Kritiker auf die Thesen von Delitzsch, freilich mit unterschiedlichen Argumenten, sofern sie orthodoxer, liberaler oder reformbezogener Richtung angehörten.16 Von den christlichen Liberalen wurde Delitzsch aufgrund seiner religionskritischen Haltung gefeiert, auf Seiten der Supranaturalisten dagegen scharf angegriffen. Eine große Zahl von Artikeln und Broschüren war die Folge der emotional geführten Debatte.17 Rückblickend überrascht es nicht, dass sich in der Öffentlichkeit die Verwunderung über ein ganzes Volk von Babylon-Kennern in humoristischen und satirischen Erzeugnissen niederschlug, auch wenn die Fülle von Anspielungen, Karikaturen und Satiren nur schwer erklärbar ist.18 In zwei weiteren Vorträgen radikalisierte Delitzsch seine Anschauungen. Der zweite Vortrag, wieder vor der Deutschen Orient-Gesellschaft in Berlin gehalten, bestritt den Offenbarungscharakter des althebräischen Schrifttums und beschränkte das Alte Testament auf ein „einzigartiges Denkmal eines grossen, bis in unsere Zeit hineinragenden religionsgeschichtlichen Prozesses“ 19. Damit jedoch forderte er den Kaiser als summus episcopus heraus, der im sog. Hollmann-

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Von Schönburg-Waldenburg 1929, 192. Nipperdey 1990, 507–528. 15 Deutscher Reichs-Anzeiger Nr. 19 vom 22. Januar 1902, 2c–3b.1 16 Zu einzelnen Positionen Lehmann 1994, 114–121; Johanning 1988, 219–247; ein kurzer Überblick bei Shavit, 2011; ausführlich Shavit und Eran 2007, 201–205 und 276–304. 17 50 monographische Erwiderungen mit respektablen Auflagenzahlen in den beiden Jahren nach dem ersten Vortrag zählt Swarat 2016, 5–27, hier 11. 18 Wie in Karikaturen und Reimen mit effektvollen Wortspielen der Streit öffentlich verarbeitet und dabei auch politisch instrumentalisiert wurde, zeigt Lehmann 1994, 236–241 mit Tafel 4–12 (360–377); s. auch Lehmann 2018, 55–66. 19 Delitzsch, Friedrich 1903b, 37. 14

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brief 20 reagierte, aber keine eindeutige Stellung bezog. Im dritten Vortrag21 von 1904, nicht in Berlin, sondern in Barmen, Köln und Frankfurt am Main gehalten, gab Delitzsch das Alte Testament als Teil des christlichen Kanons im Grunde genommen preis. Eine öffentliche Wirkung wurde beiden Vorträgen nicht mehr zuteil.22 Delitzsch, der weder zu nah an den sog. Panbabylonismus seines Schülers Hugo Winckler (1863–1913) mit einer astralmythischen Weltanschauung23 noch an die Religionsgeschichtliche Schule um Hermann Gunkel (1862–1932)24 gerückt werden sollte, hatte jetzt endgültig den Einflussbereich der neulutherischen Orthodoxie seines Vaters Franz Delitzsch (1813–1890)25 hinter sich gelassen. Spätestens seit 1905 wird eine antisemitische Gesinnung deutlich.26 Wenig später nahm er Beziehungen zu dem völkischen Publizisten Wilhelm Schwaner auf, dessen sog. Germanen-Bibel er in seinem Spätwerk Die grosse Täuschung von 1920 dem Alten Testament vorzog.27 2. Der sog. Sündenfall-Zylinder Ein für die damalige und heutige Diskussion aufschlussreiches Beispiel der ‚Beweisführung‘ Delitzschs soll näher vorgestellt und damit der Weg zu gegenwärtigen Forschungsfragen eingeschlagen werden: Bei der Suche nach einem babylonischen Vorbild für die Paradieserzählung in Gen 3 stieß Delitzsch – einen passenden Text kannte er in diesem Fall nicht – bei dem schon genannten George 20

Der Brief vom 15. Februar 1903 ist an den Admiral Friedrich Hollmann, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Orient-Gesellschaft, adressiert. Er wurde unter dem Titel „Babel und Bibel. Ein Handschreiben Seiner Majestät Kaiser Wilhelm des Zweiten an das Vorstandsmitglied der Deutschen Orientgesellschaft, Admiral Hollmann“ schon am 19. Februar in: Die Grenzboten. Zeitschrift für Politik, Literatur und Kunst 62 ,1903, 493– 496, mit dem P.S. „Sie können von diesen Zeilen den ausgiebigsten Gebrauch machen; wer will, kann sie lesen“ (496) veröffentlicht. Der wiederholt nachgedruckte Brief ist bei Johanning 1988, 408–413, abgedruckt. Zur Beurteilung des Briefes Lehmann 1994, 220– 230. 21 Delitzsch, Friedrich 1905. 22 Während der erste Vortrag von 1902 bis 1905 in fünf Auflagen mit insgesamt 60.000 Exemplaren erschien (bei der 6. Auflage noch einmal mit 3000 Exemplaren zusätzlich), erreichte der zweite Vortrag noch vier Auflagen mit 45.000 Exemplaren, der dritte nur noch 10.000 Exemplare. Zur beabsichtigten Folge von drei Vorträgen und zum heuristischen Wert einer zwischen dem zweiten und dritten Vortrag erschienenen Schrift (Delitzsch, Friedrich 1904) s.a. Lehmann 1994, 50–51. 23 Lehmann 1994, 38–49, bes. 47; zum Panbabylonismus insgesamt Weichenhan 2016; 78–82 zur Bedeutungsvielfalt der Kopula ‚und‘ in Delitzschs Formulierung ‚Babel und Bibel‘. 24 H. Gunkel hat sich mit seiner Streitschrift Gunkel 1903 entschieden gegen die Auffassungen F. Delitzschs gewandt. 25 Grundlegend Wagner 1991; vgl. a. den Beitrag von Rudolf Smend in diesem Band. 26 Dazu Lehmann 1994, 268–271, bes. 269; Shavit und Eran 2007, 242–255. 27 Delitzsch, Friedrich 1920, 95.

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Smith auf einen Siegelabdruck, dessen Nachzeichnung er übernahm und den er im ersten Vortrag mit folgenden Worten kommentierte:

Abb. 1: Nachzeichnung des Siegelabdrucks bei Delitzsch, S. 38. Die Frage nach dem Ursprung der biblischen Sündenfallerzählung ist wie keine zweite von eminenter religionsgeschichtlicher Wichtigkeit, vor allem für die neutestamentliche Theologie, welche bekanntlich dem ersten Adam, durch welchen die Sünde und der Tod in die Welt gekommen, den zweiten Adam entgegensetzt. Darf ich den Schleier lüften? hinweisen auf einen alten babylonischen Siegelcylinder […]. In der Mitte der Baum mit herabhängenden Früchten, rechts der Mann, kenntlich durch die Hörner, das Symbol der Kraft, links das Weib, beide ausstreckend ihre Hände nach der Frucht, und hinter dem Weibe die Schlange – sollte nicht ein Zusammenhang stattfinden zwischen diesem altbabylonischen Bilde und der biblischen Sündenfallerzählung?28 Die Vorstellung, dass sich – zugespitzt formuliert – die paulinische Soteriologie auf die Darstellung eines um Jahrtausende älteren babylonischen Rollsiegels zurückführen lässt, ist freilich absurd. Methodisch unkontrolliert, wird die Phantasie des Interpreten, die durch einen bekannten Text und seine Motivik gespeist wird, einfach zügellos. Dieses Urteil drängt sich nicht erst aus der gegenwärtigen Perspektive auf. Schon Zeitgenossen von Delitzsch interpretierten die Bildszene behutsamer und wiesen etwa die Deutung der Paradieserzählung als Reflex babylonischer Schlangenmythologie zurück: Während Alfred Jeremias noch Bibeltext und Siegeldarstellung in Beziehung setzt, sich allerdings gegenüber einer mögli-

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Delitzsch 1902a, 37. Ein Bezug zu Gen 3 wird schon von Smith 1876 hergestellt und noch ein Jahr früher unter dem Eintrag „Sünde, sündigen“, in: Bibellexikon. Biblisches Handwörterbuch, illustriert, Stuttgart 1885, 914, mit der Erläuterung: „Das erste Menschenpaar unter dem Baum der Erkenntnis. Nach einem babylonischen Cylinder.“

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chen Korrelation von Bild und Text zurückhält,29 beschreibt H. Greßmann das Siegel, ganz ohne eine Beziehung zu Gen 3 herzustellen.30

Abb. 2: Sog. Sündenfall-Zylinder oder The Adam and Eve Seal. Bei dem Rollsiegel (Abb. 2), das ein halbes Jahrhundert lang die am häufigsten diskutierte altorientalische Bildszene darstellte, handelt es sich um ein vermutlich zum Ende des 3. Jtsd. hin, zur Zeit der 3. Dynastie von Ur oder Akkad-Zeit, gefertigtes, jetzt im Britischen Museum mit der Registriernummer BM 89326 befindliches Siegel, das rechts eine an ihrer Hörnerkrone erkennbare Gottheit und links eine weitere Gestalt zeigt. Ob links eine Verehrerin oder ein Verehrer zu sehen ist, wie allgemein angenommen wird, ist aufgrund der Singularität des Siegels ganz unsicher und auch, weil die Gestalt links sozusagen auf Augenhöhe mit der Gottheit sitzt. Sollte die linke Figur eine Breitband-Kappe tragen – das ist aber nicht sicher erkennbar – könnte ein vergöttlichter Herrscher gemeint sein. Ganz ohne Zweifel sind darüber hinaus eine Schlange und in der Mitte ein stilisierter Baum zu sehen. Ob allerdings die Darstellung am ehesten in die Tradition der Bankettszenen31 gehört, ist so sicher nicht, weil die typischen Trinkgefäße fehlen, Anlässe jener Szenen unklar sind und ein vergleichbares Stück nicht vorhanden ist.32 Konsens ist inzwischen weitgehend die Auffassung der Archäologin und ehemaligen Kuratorin des Britischen Museum, Dominique Collon, die das Ensemble von Gottheit, Verehrer, Dattelpalme und Schlange in den Bereich von Re-

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Jeremias 1906, 203. Greßmann 1909a, 107; dazu Gebauer 2013, 217–233, hier 224–226. Greßmann setzte bei der Abbildung in seinem bis heute grundlegenden Bildband hinter dem Begriff ‚Sündenfallzylinder‘ zumindest ein Fragezeichen; vgl. Greßmann 1927, 168. Zu den älteren ablehnenden Stimmen im Einzelnen: Feldmann 1913, 183–190. 31 So mit viel Zustimmung Collon 1982, 124, No. 302 und Pl. XI.; ebenso Schroer 1995, 223; Green 1993–1997, 579. 32 Vgl. Selz 1983, mit Rohn 2011, 53–59; 58 zum einzigen Beispiel mit einer Gottheit und einem Menschen (das entsprechende Siegel fehlt leider als Abb.). 30

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generation und Fruchtbarkeit rückt.33 Ähnlich erklärt Othmar Keel die Motivik ohne Bezug zu einem konkreten Sitz im Leben: „Von der Tradition des stilisierten Baumes her, der von zwei Lebewesen flankiert wird, ist das Bild als ein Stück Kosmos zu sehen, das gleichermaßen durch Leben wie durch Ordnung charakterisiert wird. Die Schlange wird dabei, wie das Meer in der Bibel, bald als Teil, bald als Gefährdung dieses Kosmos betrachtet.“34 Keel sucht weder nach Texten für das Bild noch wird das Bild als Illustration eines Textes und seiner religiösen Vorstellungen instrumentalisiert. Worauf aber gründet dann die Interpretation, zumal eine Bildlegende fehlt und der Kontext der Motivik unklar ist? Sind nicht die Grenzen der Interpretation bei schriftlosen Bildträgern noch enger zu ziehen als bei Texten? Oder steht gar die gängige Behauptung der Textpriorität unter literarischem Positivismusverdacht? Vor einer Reflexion zu Text und Bild soll zunächst die Erzählung von Gen 3 mit ihrem religionsgeschichtlichen Kontext als Bezugsgröße zur Sprache kommen. 3. Die Erzählung von Gen 3 und ihr religionsgeschichtlicher Kontext Kaum eine andere Erzählung der Hebräischen Bibel hat eine vergleichbare Wirkung auf Theologie und Philosophie, Kunst und Literatur ausgeübt wie Gen 3, gemeinhin als Paradieserzählung bezeichnet. Wie alt einzelne Teile von Gen 1– 11 als Referenzrahmen auch sein mögen, insgesamt ist der gesamte Block wegen seiner komplexen theologischen Reflexion eines vielfältig handelnden Gottes wohl nicht vor der exilischen Zeit, also vor dem 6. Jh., entstanden. Von literarkritischer Ästhetik angeregt, ist es üblich geworden, auf Spannungen oder gar Widersprüche im Erzählduktus von Gen 2–3 hinzuweisen: So ist im Kontext von Gen 3, 1–7 von dem Menschen (hāʼādām) die Rede, der am Anfang (2, 7) und am Ende (3, 22–24) allein ist, während die Versuchungsszene im Garten (3,1 –7) die Schlange, die Frau und ihren Mann kennt. Auch andere Erzählzüge stehen unausgeglichen nebeneinander. Da sind vor allem die zwei Bäume, die nicht nur schöne Früchte, sondern auch reichlich Diskussion hervorgebracht haben. In der Mitte des Gartens stehen der Baum des Lebens (2,9; 3,22) und der Baum der Erkenntnis (2,9.17; vgl. 3,5.11). Das wissen aber nur Leserin und Leser, nicht die Gartenbewohner, denn die Versuchungsszene kennt nur einen Baum. Die Ankündigung Gottes, dass die Menschen sterben, wenn sie von dem Baum der Erkenntnis essen (2,16f.), trifft nicht ein, ebenfalls nicht die Vorhersage der Schlange, dass sie gar nicht sterben werden (3,4). Aus der Rede von Schlange und Frau geht hervor, dass in der Mitte des Gartens nur ein Baum steht, der nach der Argumentation der Schlange die Eigenschaften beider Bäume in sich vereint. Unsterblichkeit kann aber nur der Baum des Lebens bringen und Gottähnlichkeit bzw. Wissen um das 33

Collon 1982. Einen Zusammenhang von Baum, als Dattelpalme verstanden, und Schlange mit der Assoziation von Fruchtbarkeit – ohne Vermutung einer Bankettszene – auch bei Mitchell 1994, 24. 34 Keel 1985, 146; Keel 1992, 370.

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Gute und Böse/Schlechte nur der Baum der Erkenntnis. Bevor der Mensch die Frucht der Unsterblichkeit essen kann, wird er und nicht die Frau aus dem Garten vertrieben (3, 22–24). „Die Überwindung des Widerspruchs zwischen menschlicher Gottähnlichkeit und göttlicher Unsterblichkeit bleibt dem Menschen verschlossen.“35 Es scheint, als würden in der Paradieserzählung Widersprüche behandelt, aber zugleich auch in die Geschichte integriert und nicht aufgelöst. Geht es dabei um einen Konflikt zwischen Erkenntnis und Gehorsam? Die kirchliche Tradition beklagte den Verlust des Paradieses durch den ‚Sündenfall‘ als Preisgabe eines unschuldigen Urstands, die Philosophie der Aufklärung und des Idealismus feierte die Positivierung des Sündenfalls als felix culpa, als entscheidenden Schritt zur wahren Menschwerdung, als Voraussetzung für Sittlichkeit und Moralität.36 Von Gott weder kritisiert noch aufgehoben, kommt es in der Erzählung zu der Erkenntnis von gut und böse, bzw. besser: von gut und schlecht – am ehesten funktional und inklusiv als autonomes Vermögen zu verstehen, das zwischen einer nützlichen (gut) und abträglichen (schlecht) Lebensaneignung unterscheiden will.37 Dass dies faktisch misslingt, kann die Paradieserzählung zeigen, sofern erst mit der autonomen, d.h. gottlosen Erkenntnis die Nacktheit Scham hervorruft, die auf die gestörte Beziehung zwischen Mann und Frau und zwischen ihm und Gott weist. Gen 3 lässt sich offenbar auch anders lesen: Frau und Mann erkennen nach dem Genuss der Frucht die Andersartigkeit des Gegenübers in seiner/ihrer Geschlechtlichkeit (3,7). Versöhnt wird danach der sprachlose Konflikt, der nicht sprachlos gemacht hat (vgl. 3,10), erst jenseits der Paradieserzählung (4,1). Ist es also berechtigt, wenn eine sexuelle Deutung vertreten und pointiert als religionsgeschichtlich vermittelt akzentuiert wird?38 Es wird dann ein kanaanäischer Mythos reklamiert, der die Sexualität feiere, durch die die Menschen ihre Alltagsgrenzen transzendieren und gottgleich werden können, und der erst durch eine interpretatio israelitica seine sexuellen Bezüge zugunsten einer kognitiven Erkenntnisfähigkeit verloren habe.39 Da ein entsprechender Mythos bisher nicht bekannt ist und Erkenntnis im Hebräischen zwar sexuell konnotiert sein kann, aber darin nicht aufgeht, scheint Zurückhaltung gegenüber Deutungen geboten, die al-

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Schlesier 1990, 119. Zu Gen 3 in der Philosophie von Kant bis Schleiermacher: Laemmerzahl 1934. 37 Alternativ wird an die allgemeine Fähigkeit zur Unterscheidung gedacht, so Albertz 1993, 91–94, der statt von Autonomie als neuzeitlichem Begriff lieber von Weisheit als Bedingung differenzierter Lebensgestaltung spricht, die auf Grenzüberschreitungen angewiesen ist. 38 So schon Schmidt 1931, 26–28. 39 Mit Hinweis auf das 43. Kap. des Physiologus, eines in griechischer Sprache verfassten frühchristlichen Naturkunde-Textes, der um ein halbes Jahrtausend jünger als der biblische Text ist, Michel 1988. 36

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lein das sexuelle Wissen in den Vordergrund rücken.40 Freilich ist Nacktheit nicht ganz ohne einen geschlechtlichen Bezug denkbar, aber der ist in der Erzählung nicht dominant, allerdings auch nicht abwesend. Was die Schlange betrifft, ist ihre Deutung auch im biblischen Kontext schwierig. Der Befund in der Hebräischen Bibel ist ambivalent: Sie41 ist als zoologisches Reptil abschreckend und lebensgefährlich. Als Bedeutungsträger gehört sie einerseits als eine Art mythisches Ungeheuer zur Chaoskampfmotivik (Jes 27, 1; Amos 9,3; Hiob 26, 13), ist aber andererseits in den Mose-Erzählungen ein Machtträger, der zur Legitimation dient (Ex 4, 3; 7, 9–12.15) und Heilungen bewirkt (Num 21, 4–9, vgl. 2. Kön 18, 4). Sofern in der Weisheitsliteratur das Verhalten der Schlange den Weisen staunen lässt (Spr 30,19, vgl. Spr 12, 16.23 u.a.), könnte auch eine Verbindung von Schlange und weisheitlicher Kenntnis gedeckt sein. Eine Beziehung zwischen Sexualität und Erkenntnis ließe sich vielleicht aus der lautlichen Nähe der hebräischen Lexeme für nackt (ārôm) und klug (ārȗm) ableiten. Die Grenze zur Spekulation ist damit noch nicht überschritten, die Konfigurationen sind allerdings ein kombinatorisches Ergebnis, das die Mehrdeutigkeit von Gen 3 nicht aufzuheben vermag. Viele Deutungsversuche zur Schlange in Gen 3 sind schließlich skeptisch zu sehen, die ihr ausschließlich einen Symbolwert zuschreiben: sie als Hinweis auf Leben, Weisheit und Chaos verstehen,42 sich auf das eine oder andere oder auf alles zusammen festlegen, denn sie missachten Gen 3,1, wo ausdrücklich von ihr als Geschöpf Gottes gesprochen wird. Soweit zum widersprüchlichen Text und zu sich widersprechenden Deutungen, die nur einen Ausschnitt der vielfältigen Probleme um Gen 3 spiegeln. Führen religionsgeschichtliche Argumente als Ergänzungen zu exegetischtheologischen Überlegungen weiter, wenn es um das Verhältnis von Siegeldarstellung und Paradieserzählung geht, nicht zuletzt im Blick auf die Schlange? Weil keine konkreten Texte vorliegen, bleiben auch Entwürfe hypothetisch, die hinter Gen 3 einen Fruchtbarkeitskult mit Baal als Personifikation der Schlange suchen.43 Existieren also andere Bilder, Gegenstände und Texte, die sich als Interpretationshilfen eignen, als Bestätigungen, Ergänzungen oder Störungen von 40

Das Postulat einer Mehrdeutigkeit bzw. Vieldeutigkeit findet sich schon bei Gunkel 1910, 14–17f.29. Gegen eine semantische Reduktion argumentiert auch Müller 1982, 191– 210. 41 naḥaš, der Begriff für ‚Schlange‘, ist im Hebräischen ein Masculinum, deshalb ist die in der Rezeptionsgeschichte gesuchte Nähe von Schlange und Frau unter dem Aspekt der Verführerin sprachlich hinfällig. 42 Exemplarisch genannt sei Joines 1974, 16–41. 43 So u.a. Ruppert 1992, 145–146. Weil das Alter der Texte unklar ist, muss auch eine ‚zeitgeschichtliche‘ Deutung von Gen 3, 1–7 als Ablehnung eines zur Zeit Salomos nach Jerusalem transferierten ägyptischen Schlangenkults als Kritik an der Heirat Salomos mit einer ägyptischen Pharaonentochter (1. Kön 3,1) spekulativ bleiben, so zum ersten Mal Görg 1981, 42–59, hier 50–54.

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Deutungsmustern? Das Ergebnis sei vorweggenommen: Der Mehrdeutigkeit der Schlange von Gen 3 entspricht in Syrien-Palästina als Teil der altorientalischen Welt eine ikonographische „Polyvalenz der Schlange“44. Da sind in der späten Bronzezeit und der frühen Eisenzeit, etwa in der zweiten Hälfe des 2. Jtsd., kleine, 7–22 cm lange Bronzeblech-Schlangen, wahrscheinlich mit apotropäischer Funktion, sowie – und das ist für die Suche nach Motivanalogien interessanter – in der Miniaturkunst Darstellungen von Göttinnen mit Schlangen und Capriden oder Gazellen als Vitalitätssymbole mit erotischer bzw. sexueller Konnotation45 und darüber hinaus in der frühen Eisenzeit Kultständer mit Tauben- und Schlangenapplikationen, die erotisch aufgeladen sind.46 Die Schlange wird darüber hinaus in der syrisch-palästinischen Siegelkunst, die ägyptische und vorderasiatische Vorbilder hat, in spätbronze- und eisenzeitlichen Darstellungen auch als ordnungs- und lebensbedrohende Macht verstanden und bekämpft.47 Im 1. Jtsd., in der die biblischen Texte entstanden sind, findet sich vor allem im Zusammenhang neuassyrischer Chaoskampf-Darstellungen ein gehörnter Schlangendrache, der vom Wettergott angegriffen wird, damit die Vegetation geschützt wird.48 Insgesamt gesehen repräsentiert die Schlange Schutz und Vitalität einerseits, Bedrohung und Tod andererseits. Das Problem der Erklärungskraft von Analogien im vorliegenden Fall liegt offen: Die Bildträger sind geographisch gestreut und insgesamt oft um Jahrhunderte älter, zumindest im Blick auf die Verschriftung der Paradiesgeschichte. Trotz der Gefahr einer zu starken Abstraktion könnte die Leistung der Bilder für das Verständnis von Texten in der Pointierung und Typisierung von Strukturen und Konstellationen gesucht werden, die Texten zugrunde liegen und die durch die Bilder offengelegt werden. Voraussetzung ist allerdings eine angemessene und nachvollziehbare Beschreibung und Deutung der jeweiligen Bildmotivik ohne apologetische Interessen.49 Die vorderasiatischen Siegelbilder können – frei44 So die Überschrift zur Bedeutung von Schlangendarstellungen aus Syrien-Palästina bei Keel 1992b, 195. 45 Keel 1992b, 204–208; Schroer 2011, 302–310. 46 Schroer 2018, 288 mit Abb. 1210 und 1211 zu Kultständern aus Beth-Schean; vgl. auch Keel 1992b, 236 mit Abb. 191, zu einem wahrscheinlich spätbronzezeitlichen Kultständer aus Byblos mit Schlange, Stier und Taube. 47 Keel 1992b, 209–220. 48 Ebd., 216–220; Schroer 2018, 610–612. 49 Ein interessantes Beispiel liefern fundamentalistische Bibelkommentare, die Gen 3 archäologisch illustrieren wollen und ein weiteres ‚Adam-Eve-Seal‘ bzw. ‚TemptationSeal‘, genauer gesagt: einen Siegelabdruck anführen, den E.A. Speiser 1932 in Tepe Gawra in der Nähe von Niniveh fand, in die Zeit um 3500 (!) datierte und zunächst vorsichtig in die Nähe von Gen 3 rückte (BASOR 47, 1932, 23), aber schon wenig später (Excavations at Tepe Gawra, Vol. I, Philadelphia 1935, 124–125) völlig anders interpretierte. Nicht Niedergeschlagenheit und Schuldbewusstsein nach dem ‚Sündenfall‘ drücke

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lich nicht unmittelbar und direkt – im Blick auf die Schöpfungserzählungen von Gen 1–3 – Konstellationen um Vegetation, Fruchtbarkeit und Regeneration spiegeln. Das vermag auch das durch Delitzsch berühmt gewordene Rollsiegel mit Lebensbaum und Schlange, nicht mehr und nicht weniger, auch wenn direkte ikonographische Analogien fehlen. Alle bisher genannten Bildträger sind schriftlos. Was trägt ein literarischer Vergleich mit altorientalischen Texten zum Verständnis von Gen 3 bei? Vor allem der Adapa-Mythos50 und das Gilgamesch-Epos51 sind gefragt. Es können an dieser Stelle keine Einzelheiten zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden herausgearbeitet werden. Die Möglichkeit eines Vergleichs zwischen Texten der Hebräischen Bibel und altorientalischen Texten liegen zwar auf der Hand, die Gefahren der übereilten Harmonisierung freilich auch. Wo Analogien auffallen, sind es auch hier vor allem konstellative Topoi, die aber durchaus variieren.52 Das zeigt nicht zuletzt das Lebensmotiv: Bei den tragischen Gestalten Adapa und Gilgamesch sowie in Gen 3 wird die Unsterblichkeit mit einer Speise verknüpft: Gilgamesch sucht das ewige Leben und verliert es, weil er das notwendige Lebenskraut an eine Schlange verliert (XI, 263–289). Adapa, der die Unsterblichkeit gar nicht gesucht hat, schlägt das Angebot des Himmelsgottes Anu (Fragment B: 60‘– 70‘) aus und der Mensch von Gen 3 verfehlt das Leben, nachdem er sich verfehlt hat. Adapa und Gilgamesch wird Erkenntnis/Weisheit von Anfang an zugestanden, der Mensch von Gen 3 gewinnt sie erst durch die Missachtung eines göttlichen Verbots, die zugleich die Unsterblichkeit verspielt (Gen 3,22.24). Die Begabung des Menschen mit Weisheit ist eine wesentliche anthropologische Aussage, grundsätzlich positiv, aber durchweg im Eingeständnis ihrer Ambivalenz, die auch die Seiten eines Verlustes zu erkennen gibt, in Gen 3 wie in altorientalischen Texten.53 Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Textbereichen liegt im Verhältnis von Gott und Mensch. Das zeigt auch der altbabylonische Atramchasis-

das singuläre Bild aus, das eine Schlange und Mann und Frau direkt hintereinander und nach vorn gebeugt aufweist, sondern eine erotisch/sexuelle Szene. Zitiert wird in entsprechenden Kommentaren immer die ältere Auffassung, in der Regel mit Hinweis auf ‚Halley’s Bible Handbook in der 24. Aufl. von 1965, 68, obwohl in neueren Auflagen das Siegel gar nicht mehr genannt wird, so z.B. Pratte 2018, 60. Das Siegel mit der Objekt-Nr. 32–21–515 liegt, online zugängig, im University of Pennsylvania Museum of Archaeology and Anthropology (Penn Museum). In der Beschreibung des Museums werden immer noch Adam und Eve, wenn auch mit Fragezeichen, genannt. Der im Internet kursierende Begriff ‚Adam und Eva-Siegel‘ wird in den Medien immer wieder aufgegriffen, z.B. bei Schulz 2006 161. 50 Eine neuere deutsche Übersetzung: Hecker 2001. 51 Neuere deutsche Übersetzungen: Hecker 1995, 646–744; Maul 2014. 52 Müller 1991a, 122–128; Müller 1991b, 81–84. 53 Dazu: Albertz 1993.

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Mythos.54 Der Mensch nach den Schöpfungserzählungen der Hebräischen Bibel ist nicht eine Antwort auf einen Konflikt in der Götterwelt, wie im AtramchasisMythos (I, 1–339). Er ist keinem Schicksal unterworfen, sondern hat die Möglichkeit für Entscheidungen, die sein Leben gestalten (Gen 2,15), freilich auch das Risiko, sich zu verfehlen. Von einer Schuld der Menschen, wie sie in Gen 6, 5– 8.13 die Sintflut begründet, kann im Atramchasis-Mythos nicht die Rede sein. Will man nicht zu viel Gewicht auf die Vermutung legen, dass schon seit der Spätbronzezeit in Syrien-Palästina Texte mit altorientalischen Mythentraditionen bekannt waren,55 sodass die für Delitzsch zentrale Stelle Gen 11, 31, wenn auch erst aus exilischer Zeit, ihr gewisses Recht bekäme, lässt sich unter der Voraussetzung einer erst späten Entstehung von Gen 2–3 dieser Komplex durchaus auch als Auseinandersetzung mit mesopotamischen Traditionen des 1. Jtsd. verstehen.56 Der komparatistische Streifzug hat gezeigt, dass sich weder Bildmotive noch außerbiblische Texte – unter welchen hermeneutischen Prämissen auch immer – als direkte und bedingungslose Illustration von Gen 3 eignen, wie Friedrich Delitzsch das wollte. Das hat sich auch mehr als einhundert Jahre nach ihm mit vielen neuen Artefakten nicht geändert. 4. Folgerungen Welche Konsequenzen ergeben sich? Der Babel-Bibel-Streit hat die theologische Problematik der religionsgeschichtlich gestützten und verabsolutierten Bibeldeutung sowie die religionsgeschichtlichen Anfragen an die ausschließlich theologische Bibelinterpretation deutlich vor Augen geführt. Im ausgehenden 19. Jh. und in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jh. war die Religionsgeschichtliche Schule, durch viele neue Entdeckungen und Kenntnisse beflügelt, zu einem Forschungszweig geworden, der sich den Umweltbezügen der Hebräischen Bibel stellte. Dabei wurde das Verhältnis zwischen Theologie und Religionswissenschaft, zwischen normativem Anspruch und historischer Relativität, schnell zum Problem. Nachdem in den 30er Jahren des 20. Jh. eine theologische Reaktion auf die Religionsgeschichtliche Schule erfolgt war, ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh. wieder zunehmend religionsgeschichtliches Fragen auf Interesse gestoßen. Getragen und befördert hat das die richtige Erkenntnis, dass das Alte Israel ein Teil der altorientalischen Welt im 1. Jtsd. war und damit nicht ohne Fehleinschätzungen aus dem komplexen Beziehungsgeflecht von Geschichte und Kultur und insbesondere von Religion und Literatur herauszulösen ist. Wie schnell ohne religionsgeschichtlichen Blick die theologische Textaneignung verengt zu werden droht, zeigen Kommentare, die die Vielstimmigkeit von Gen 3 auf die Aussage reduzieren, „daß alles Leid aus der Sünde kommt“57. Die 54

Von Soden 1995, 612–645. Hecker 1995, 670. 56 Otto 1996. 57 Von Rad 1987, 73. 55

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für Gen 3 bevorzugte theologische Metapher vom ‚Sündenfall‘ neigt ohnehin zu falschen Assoziationen: Von ‚Sünde‘ spricht der Text nicht und ebenso wenig vom Teufel und einer Verführung zum Bösen, und schließlich auch nicht von der Frau als Verführerin des Mannes oder der Schlange als Verkörperung eines bösen Prinzips.58 Für Gen 3 ist mit einer Polysemie zu rechnen, die durch Überlagerungen und Ergänzungen in mündlichen und schriftlichen Überlieferungsprozessen entstanden ist, sodass semantisch eindeutige Auslegungen unter Simplifizierungsverdacht geraten. Was die polysemen altorientalischen Bilder und Texte nicht für die Exegese leisten können, dürfte auch deutlich sein: Sie eignen sich nicht als Hilfe für die Auflösung von Mehrdeutigkeiten, Spannungen und Widersprüchen. Neben die theologische Unbefangenheit kann eine religionsgeschichtliche Naivität treten. Sie liegt in der beliebigen Erwähnung altorientalischer Parallelen bzw. in der eklektischen, die Entstehungszeit der Texte nicht berücksichtigenden Aufnahme von Motiven altorientalischer Texte, die das Andere und Fremde von den Texten der Hebräischen Bibel absetzen wollen. Sie liegt aber auch in der Verabsolutierung religionsgeschichtlicher Analogien, die den Texten der Hebräischen Bibel jede Eigenständigkeit verwehrt. So erfasst die auf religionsgeschichtlicher Seite dominante Deutung der Erkenntnis von Gen 3 im Blick auf die Schlange als Bewusstwerdung der Sexualität59 längst nicht alle Signale des Textes, die nicht hinter dem Text, sondern in ihm liegen. Die Vergleiche dürfen sich nicht zu einer ‚Parallelomania‘ entwickeln, die methodisch unkontrolliert Einzelzüge sowie einzelne Motive und Formelemente segmentiert und neu zuordnet, ohne auf Alter, formale Gestaltung und traditionsgeschichtlichen Ort und Kontext der Bilder und Texte zu achten.60 Davon unberührt ist, dass typische oder antitypische Situationen und Konstellationen erfasst werden, die nicht auf dem Weg direkter Beeinflussung verrechenbar sein müssen, sondern aus vergleichbaren religiösen und kulturellen Lebensaneignungen resultieren können.61 Zu Recht gewinnen neben den Texten immer häufiger Bilder Beachtung. Delitzsch hatte ihnen nicht nur einen realienkundlichen Wert zugestanden, sondern darüber hinaus den Nutzen gesehen, in und mit ihnen religiöse und theologische Zusammenhänge zu erschließen. Das ist zutreffend, sofern die Sprachlichkeit der Bilder und die Bildlichkeit der Sprache korrelieren können. Im Übrigen fördern die altorientalischen Bilder, die im Wesentlichen ‚Denkbilder‘ sind und in ihrer Aspektivität gerade typische und wesentliche Konstellationen darstellen, eine kritische Sicht: „Sie zwingen […], mit den Augen des AO [Alten Orients, R.L.] zu sehen und können so auch Missverständnisse verhindern oder korrigieren, wo heutige Vorverständnisse naiv in die bibl. Texte hineingetragen werden“62. Auf 58

Anders in den späten Texten Weisheit Salomos 2,24 und Offb. 12,9. Schlesier 1990. 60 Dazu z.B. Rummel 1977. 61 Zu notwendigen Vergleichskategorien Berger/Colpe 1987, 18–26. 62 Schroer 2011, 220. 59

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das Ganze gesehen ist die Aufgabe unverzichtbar, die synchronen und diachronen Ebenen der Bild- und Textwelt je für sich zu erfassen, miteinander ins Verhältnis zu setzen und dann erst, in transdisziplinärer Kooperation, nach Zusammenhängen zu fragen.63 Im Rückblick auf den Babel-Bibel-Streit ist auch eine größere Publizität der Forschung ein Desiderat, also auch Elementarisierung und Popularisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse64, aber möglichst ohne karnevalisierende Tragik wie im Falle von Friedrich Delitzsch.

63 64

Dazu: Keel 1992b, XI–XIV und 267–273. Z.B. Schmid 2004, 43.

Gesetz, Gnade und Ahndung Das Alte Testament im Widerstreit zwischen akademischem Antijudaismus und Wissenschaft des Judentums* Werner Treß

Was ist bezogen auf das Alte Testament die theologische Motivation, mit der wir es bei den Babel-und-Bibel-Vorträgen von Friedrich Delitzsch zu tun haben? Gewiss, vieles von dem, was er ab 1902 bei der Deutschen Orient-Gesellschaft in der Singakademie und im Berliner Schloss vortrug, musste damals eingedenk des staatstragenden Auditoriums den Anschein des Sensationellen, ja der geradezu bahnbrechenden neuen Erkenntnis erwecken. Gleich einer nicht enden wollenden Fülle von Geschenken aus dem Morgenland präsentierte er die Lichtbilder der bei archäologischen Grabungen gerade erst dem Dunkel der Erde Mesopotamiens entwundenen Artefakte. Und für jeden dieser Funde hatte Delitzsch sofort bei der Hand, die aus seiner Sicht einzig mögliche Deutung der neuen und in Bezug auf das Alte Testament nunmehr unhintergehbaren Forschungsautorität: der Altorientalistik und Assyriologie. In Stein gemeißelt nicht nur die Originale, sondern dazu noch die viel originelleren, ursprünglicheren Erzählungen hinter den biblischen Erzählungen, auf Reliefs und Statuen die ikonografischen Vorlagen der Erzväter und Propheten, mit Keilschrift geritzt in zahllose Tontafeln die immer schon gesuchten und verloren geglaubten Schlüssel zum philologischen Verständnis der dunklen Stellen des Pentateuchs. Entkleidet man indes die Deutungen Delitzschs von der reich ausstaffierten Kulisse der von ihm präsentierten archäologischen Artefakte, deren Funktion als gleichsam materialisierte Belege seiner Thesen er einen quasi ontologisch fundierten normativen Charakter zu verleihen versuchte und konzentriert sich nur auf die theologischen Argumentationsfiguren seiner Vorträge, so enthüllen sich seine Gaben aus dem Morgenland bei genauem Hinsehen als abendländische Danaergeschenke in mesopotamischen Verpackungen – und mit antijudaistischem Inhalt. Zum antijudaistischen Leitmotiv bei Friedrich Delitzsch Wenn auch noch sehr vorsichtig formuliert, klingen die paulinischen Differenzkategorien schon in der Druckfassung des ersten Vortrags an, wenn dort vom „Jahve-Glaube“ des „israelitischen Partikularismus“ die Rede ist, der von „äußer-

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Der Beitrag gibt weitgehend den Wortlaut des am 5.11.2019 bei der Konferenz „Der Babel-Bibel-Streit und die Wissenschaft des Judentums“ gehaltenen Vortrags wieder und wurde, um eine zeitnahe Publikation des Tagungsbandes zu gewährleisten, für die Drucklegung nur geringfügig überarbeitet.

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licher Gesetzlichkeit“ gekennzeichnet sei.1 Mit Nachdruck und in aller Deutlichkeit tritt das traditionelle antijudaistische Argument dann im zweiten Vortrag von Delitzsch hervor. Angelegt als Verteidigungsschrift und provoziert durch die öffentlich gegen ihn vorgebrachten Einwände schleudert Delitzsch seinen Hörern beziehungsweise Lesern gleich im Prolog den alttestamentlichen Gott des Gemetzels entgegen, den vielzitierten erbarmungslosen Gott der Rache, des Eifers und des Zorns. „Und ich trat die Völker in meinem Zorn und machte sie trunken in meinem Grimm und ließ zur Erde fließen ihren Lebenssaft“, so zitiert Delitzsch aus Jesaja 63, Vers 1–6, um sich sogleich voll des sittlichen Unbehagens davon abzuwenden und demgegenüber „Christus“, die „abendländischen und christlichen Völker“ und dazu auch noch die „germanische Urzeit“ anrufend zu beklagen: Statt uns ‚mit Dank bewundernd‘ zu versenken in das Walten Gottes in unserm eignen Volke von der germanischen Urzeit her bis auf diesen Tag, fahren wir aus Unkenntnis, Gleichgültigkeit oder Verblendung fort, jenen altisraelitischen Orakeln einen ‚Offenbarungs‘-Charakter zuzuerkennen, der weder im Lichte der Wissenschaft noch in dem der Religion oder Ethik standhält. Je tiefer ich mich versenke in den Geist des alttestamentlichen prophetischen Schrifttums, desto banger wird mir bei Jahve, der die Völker mit seinem unersättlichen Zornesschwert hinschlachtet, der nur ein Lieblingskind hat, dagegen alle anderen Nationen der Nacht, der Schande, dem Untergang preisgibt.2 „Zur Klärung“, so übertitelte Delitzsch seinen Prolog zum zweiten Vortrag, an dessen Ende er „Zuflucht“ beim Neuen Testament sucht, indem er „den Gott, zu welchem uns Jesus zu beten gelehrt hat“ als „liebenden und gerechten Vater […] über alle Menschen auf Erden“ preist.3 „Zur Klärung“? – In der Tat, so muss man sagen. Gibt sich Delitzsch hier doch mit genau jenem theologischen Motiv zu erkennen, das ihn – und bei Weitem nicht nur ihn – von alters her antreibt: Dem Alten Testament aus zunächst rein sittlich-normativen Erwägungen seinen kano1 Delitzsch 1902a, 50. In den späteren Ausgaben des ersten Vortrags wurde in dieser Textpassage die Abgrenzung des Neuen Testaments zum Alten von Delitzsch nochmal deutlich verschärft, wenn es zusätzlich zur „äußerlichen Gesetzlichkeit“ des „israelitischen Partikularismus“ noch heißt, dass dieser „den Einen Gott [des] Himmels und der Erde allzu einseitig für Israel und das von ihm auserwählte Volk in Anspruch nahm.“ War in der Fassung von 1902 noch von einer Überleitung der Propheten und Psalmisten zu „Jesu Predigt“ die Rede, heißt es in der Ausgabe von 1905 überdies: „Doch brach sich durch alle diese Schranken hindurch [also durch die der „Gesetzlichkeit“, des „Partikularismus“ und des Auserwähltheitsanspruchs – WT] da und dort auch eine reinere religiöse Erkenntnis Bahn, bis mit Jesu Predigt, Gott, den Vater unser aller, anzubeten im Geist und in der Wahrheit, eine neue Zeit, die neutestamentliche, anbrach.“ Delitzsch 1905a, 53. 2 Delitzsch 1903b [31.–35. Tsd], iv–v. 3 Ebd., v.

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nischen Rang und seine Geltung als Quelle der Offenbarung für das Christentum abzusprechen.4 Noch deutlicher tritt dieses Motiv in der Mitte des zweiten Vortrags zutage, wo Delitzsch schreibt: Offenbarung! Schon längst steht allen wissenschaftlich gebildeten evangelischen wie katholischen Theologen die Erkenntnis unerschütterlich fest, dass es ein schwerer Irrtum gewesen, die im Alten Testament gesammelten unschätzbaren Ueberreste des althebräischen Schrifttums in ihrer Gesamtheit jahrhundertelang für einen religiösen Kanon, für ein von Anfang bis Ende offenbartes Religionsbuch zu halten, obwohl sich darin Schriften wie das Buch Hiob, welches mit Worten, die stellenweise an Blasphemie grenzen, überhaupt die Existenz eines gerechten Gottes bezweifelt, […] befinden.5 Es ist genau diese Argumentationsfigur, die sich hier als ein theologisches Leitmotiv der Delitzsch’en Vorträge extrahieren lässt. Ein Leitmotiv, das so mit Nichten von Delitzsch selbst geschöpft, sondern von diesem vor der spektakulären Kulisse der Assyriologie lediglich fortgeschrieben wurde. Zweifel an der Kanonizität des Alten Testaments. Ein Problem der evangelischen Theologie? Tatsächlich findet sich dieses gegen die Kanonizität des Alten Testaments gerichtete Argument in mehr oder weniger weitgehenden Spielarten – mal das Alte Testament als Ganzes, mal nur die darin als sittlich verstörend wahrgenommenen Teile aus dem normativen Geltungsbereich der christlichen Offenbarung ausscheiden zu wollen, seit dem Frühchristentum. Als das früheste und sicherlich radikalste Beispiel ist der Gnostiker Marcion aus dem 2. Jahrhundert nach Christus zu nennen. Als das jüngste Beispiel ist uns noch die Kontroverse um den 2013 erschienenen Artikel „Die Kirche und das Alte Testament“ des Berliner Theologen Notger Slenczka in lebendiger Erinnerung.6 Und vielleicht, so ließe sich diskutieren, muss man heute davon ausgehen, dass sich insbesondere die evangelische Theologie immer wieder als in besonderer Weise anfällig dafür erwiesen hat, dem – nennen wir es – Ambivalenzdruck des Alten Testaments zu erliegen, um es aus Offenbarung und Kanon zu bannen.

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Lehmann 1994, 186. Delitzsch 1903b, 17–18. 6 Slenczka 2013; neu abgedruckt und ergänzt um weitere Vorveröffentlichungen sowie neue Betrachtungen zum Thema in: Slenczka 2017, 49–84. Hierin auch eine Bilanzierung der öffentlichen Kontroverse seit 2015 nebst einer umfassenden Stellungnahme aus der Sicht von Slenczka, 85–216. Eine kritische Betrachtung und Übersicht der Vielzahl der bis 2016 im Kontext der Kontroverse erschienen Publikationen gibt Hartenstein 2017, 116. 5

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Das Beispiel Adolf Harnack Als prominentester Vertreter dieser Denkrichtung in der protestantischen Theologie des frühen 20. Jahrhunderts kann Adolf Harnack gelten, der im Jahr 1900 einen kurz zuvor von ihm gehaltenen Vorlesungszyklus veröffentlichte, worin er der Frage nach dem „Wesen des Christentums“ nachging. Diese Konzentration auf das „Wesentliche“ als das „Wertvolle und Bleibende“ des Christentums wie der Religion überhaupt war nach Harnack nur im Rückgang auf „Jesus Christus und sein Evangelium“ zu erfassen.7 Nur aus der ursprünglichen „Verkündigung Jesu“8 war demnach die reine Gotteserkenntnis zu schöpfen. „Gotteserkenntnis ist die Sphäre der Gottessohnschaft.“9 Diese Jesu-zentristische Hermeneutik der Harnack’schen Christologie hatte konsequenterweise einen engeren Offenbarungsbegriff zur Folge.10 In seiner Metaphorik vom Kern und von der Schale wurde die „jüdische Bedingtheit“ der Predigt Jesu nunmehr zur Schale gerechnet, die den Kern seiner Botschaft nicht mehr berührte.11 „Die Predigt Jesu“, so Harnack, würde „auf wenigen, aber großen Stufen sofort in eine Höhe führen, auf welcher ihr Zusammenhang mit dem Judentum nur noch als ein lockerer“ erscheine.12 Für seine Bewertung des Alten Testaments hatte das zur Folge, dass Harnack es weiterhin als ein bedeutsames „Erbauungsbuch, ein Buch des Trostes, der Weisheit und des Rates“ wertschätzen wollte, seine Aufnahme in den Kanon indes hielt er für einen Fehler, weil darin, so Harnack wörtlich, ein „inferiores, überwundenes Element in das Christentum eindrang.“13 Noch deutlicher formulierte es Harnack gut zwanzig Jahre später 1921 in seinem Marcion-Buch mit den Worten: […] das AT im 2. Jahrhundert zu verwerfen, war ein Fehler, den die große Kirche mit Recht abgelehnt hat; es im 16. Jahrhundert beizubehalten, war ein Schicksal, dem sich die Reformation noch nicht zu entziehen vermochte; es aber seit dem 19. Jahrhundert als kanonische Urkunde im Protestantismus noch zu conservieren, ist die Folge einer religiösen und kirchlichen Lähmung.14 Die Entgegnung von Leo Baeck auf Harnack Nicht erst die letzten vielzitierten Worte, sondern schon seine Ausführungen in „Das Wesen des Christentums“ erregten im Jahr 1900 viel Aufmerksamkeit und Widerspruch, so auch aus den Kreisen der Wissenschaft des Judentums. Christian Wiese hat in seiner beachtlichen Monografie Wissenschaft des Judentums und 7

Harnack 2012 [1900], 15–17. Ebd., 36. 9 Ebd., 77. 10 Vgl. im Folgenden auch Wiese 1999, 133–135. 11 Harnack 2012 [1900], 105. 12 Ebd., 18. 13 Ebd., 108. 14 Harnack 1921, 248–249. 8

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protestantische Theologie im Wilhelminischen Deutschland nicht nur den gelehrten jüdischen Respons auf Friedrich Delitzsch,15 sondern auch auf Adolf Harnack dokumentiert.16 Als den Bedeutendsten unter ihnen sei hier nur Leo Baeck erwähnt, der 1901 in der „Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums“ den Artikel „Harnacks Vorlesungen über das Wesen des Christentums“ veröffentlichte. „Die Methode“, so Baeck, „[…] die eigene Religion nach ihren edelsten, reinsten und höchsten Elementen zu beurtheilen, das Judenthum dagegen nach gelegentlichen Auswüchsen und zeitweiligen inferioren Erscheinungen“ müsse fehlgehen.17 Ein in der Wissenschaft des Judentums sehr häufig vorkommendes und so auch in der Entgegnung Baecks auf Harnacks anzutreffendes Motiv besteht darin, den jüdischen Jesus vor den Christen in Schutz zu nehmen und statt ihn aus dem jüdischen Kontext herauszulösen, in der Kontinuität des Judentums zu verorten: Jesus ist eine echt jüdische Persönlichkeit, all sein Streben und Thun, sein Tragen und Fühlen, sein Sprechen und Schweigen, es trägt den Stempel jüdischer Art, das Gepräge des jüdischen Idealismus […]. Er war ein Jude unter Juden; aus keinem anderen Volk hätte ein Mann wie er hervorgehen können und in keinem anderen Volk hätte ein Mann wie er wirken können; […]. Diesen Mutterboden der Persönlichkeit Jesu hat Harnack nicht in den Blick genommen.18 Das Beispiel Friedrich Schleiermacher Nun war auch Harnack weder in seiner Zeit, geschweige denn in der Kirchengeschichte der Erste und Einzige, der die Kanonizität und den Rang des Alten Testaments als Offenbarungsquelle in Zweifel zog. Neben Julius Wellhausens Monografie Israelitische und jüdische Geschichte von 1884, dessen Kritik an der hebräischen Bibel ein ganz eigenes Kapitel ist, war für Harnacks Bewertung des Alten Testaments die Berufung auf einen ungleich bedeutenderen protestantischen Theologen von Belang, der ein ganzes Jahrhundert vor Harnack mit seinem theologischen Werk gleichsam an der Schwelle zur Moderne steht. Gemeint ist Friedrich Schleiermacher, der mittels seines Begriffs des „frommen Selbstbewußtseins“ dafür plädierte, dass, wenn der Vorrang des Gesetzes im Alten Testament durch Jesus Christus abgelöst und dessen messianische Verheißungen in ihm erfüllt worden seien, sie nunmehr auch unmittelbar aus Christus selbst im Evangelium des Neuen Testaments zu schöpfen seien, statt deren erlösungsbedürftige Vorahnung im Alten Testament weiterhin als eine mit dem Neuen Testament gleichrangige heilige Schrift diesem als Voraussetzung zu15

Vgl. Wiese 1999, 191–196 Ebd., 135–139. 17 Baeck 1901, 109–110, im Sonderdruck v. 1902, 19; Vgl. Wiese 1999, 137. 18 Baeck 1902, 27; Vgl. Wiese 1999, 138. 16

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grunde zu legen. Von zentraler Bedeutung ist hierbei der § 132 in Schleiermachers dogmatischem Hauptwerk Der Christliche Glaube in der zweiten Fassung von 1830/31, worin er ausführte, dass „selbst in den edelsten Psalmen doch immer etwas enthalten [sei], was sich die christliche Frömmigkeit nicht als ihren reinsten Ausdruck aneignen kann“ und das selbst da, wo sich das „fromme Selbstbewußtsein“ mit „Vorliebe“ der alttestamentlichen Sprüche bediene, diese „fast immer mit einer gesetzlichen Denkweise oder einem Buchstabendienst verbunden“ seien.19 Und so kommt Schleiermacher zu dem Schluss: Auch zeigt die Geschichte der christlichen Theologie deutlich genug, wie sehr dieses Bestreben, unsern christlichen Glauben im alten Testament zu finden, teils unserer Anwendung der Auslegungskunst zum Nachteil gereicht hat, teils auch die weitere Ausbildung der Lehre und den Streit über die nähere Bestimmung derselben mit unnützen Verwicklungen überhäuft; so daß erst davon gründliche Verbesserung zu erwarten sein wird, wenn man die alttestamentischen Beweise für eigentümlich christliche Lehren ganz aufgibt und was sich vornehmlich auf solche stützt, lieber ganz beiseite stellt.20 Im Ergebnis plädiert Schleiermacher dafür, dass, wenn etwas „was so lange in der Kirche geltend gewesen“ sei, nun „reformiert werden“ solle und die alttestamentlichen Schriften in ihrer Bedeutung für das Christentum immer weiter zurücktreten würden, sie folgerichtig dem Neuen Testament als Anhang beigefügt werden sollten, statt es bei einer Anordnung zu belassen, die weiterhin die Forderung enthalte, „sich erst durch das ganze A.T. durcharbeiten [zu müssen,] um auf richtigen Wege zum Neuen zu gelangen.“21

19 Schleiermacher 1999 [1830/31], 306 (§ 132,2). Ähnlich hatte sich Schleiermacher bereits 1799 in der Fünften Rede Über die Religion positioniert, hier jedoch auf den „Judaismus“ insgesamt abzielend: „[…]; vergeßt, daß das Judenthum gewißermaßen zugleich ein Orden war, gegründet auf eine alte Familiengeschichte, aufrecht erhalten durch die Priester; seht bloß auf das eigentlich Religiöse darin, wozu dies alles nicht gehört, und sagt mir, welches ist die überall hindurchschimmernde Idee des Universums? Keine andere, als die von einer allgemeinen und unmittelbaren Vergeltung, von einer eigenen Reaction des Unendlichen gegen Jedes einzelne Endliche, das aus der Willkühr hervorgeht, durch ein anderes Endliches, das nicht als aus der Willkühr hervorgehend angesehen wird.“ Schleiermacher 1984, 315. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhand die Einschätzungen, die Slenczka 2009 bzw. 2012 zu den entsprechenden Passagen in Schleiermachers Glaubenslehre unter Einbezug der Fünften Rede vornahm. 20 Schleiermacher 1999 [1830/31], 307. 21 Ebd., 307–308 (§132,3). Für eine offenere, auch Schleiermachers Deutung des AT in der zweiten Auflage der Kurzen Darstellung des theologischen Studiums einbeziehende Lesart plädiert U. Barth 2015, 13–14.

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Soteriologische Fokussierung auf Christus oder ein der Ambivalenz geöffneter Glaube? Stellt man diese seit der Wende zur Moderne wieder verstärkt auftretenden Erwägungen, das Alte Testament gleichsam zu einer apokryphen Textsammlung ohne unmittelbaren Offenbarungsbezug herabzustufen, den Stellungsnahmen Luthers zum A.T. gegenüber, so ist doch eine gravierende Differenz festzustellen. Für Luther, so sei in aller Kürze zusammengefasst, war zwar auch im paulinischen Sinne die Geltung des mosaischen Gesetzes durch das Evangelium abgelöst, die messianische Verheißung Christi jedoch war für ihn im Alten Testament von einer solchen Präsenz, das Christus selbst ihm darin bereits gegenwärtig schien. Überdies, so führte Luther es in seiner Schrift „Unterrichtung, wie sich die Christen in Mosen sollen schicken“ von 1525 aus, hatte die Verkündung der Gesetze immerhin noch die Funktion, den Gläubigen ihre Sündhaftigkeit bewusst zu machen und ihr Gewissen so zu schärfen, dass sie umso mehr bereit waren, sich Christus zu öffnen.22 Insofern wurde das Alte Testament durch Luther auch vom Neuen her gelesen und ausgelegt, aber mit diesem so in einen Gesamtzusammenhang gestellt, dass seine Kanonizität nicht infrage gestellt war. Nimmt man nur die normative Funktion, über das Alte Testament das eigene Gewissen zu befragen, sich die Möglichkeit eigener Schuld einzugestehen und so zu verstehen, dass erst aus dem Erleben und sich Bewusstwerden der Versuchung auch die Ressource zu ihrer wirksamen Anfechtung geschöpft werden kann, so zeugt das von einer sich durch das A.T. vermittelnden Bereitschaft zur Ambivalenz, die so zumindest in den genannten Textstellen bei Schleiermacher und Harnack – von Delitzsch ganz zu schweigen – nicht mehr anzutreffen ist. In der Entkontextualisierung vom Judentum und ihrer soteriologischen Fokussierung auf Christus fällt zudem auf, dass bei Schleiermacher und auch Harnack immer wieder das Wort der Reinheit aufscheint. Bei Schleiermacher kann sich das fromme Selbstbewusstsein nur solches als zur Offenbarung gehörig aneignen, was den „reinsten Ausdruck“ „christlicher Frömmigkeit“ in sich trägt.23 Und Harnack fragt das Evangelium vom Alten Testament unterscheidend „War es rein und war es kraftvoll, was hier verkündet wurde? Ich antworte: Suchen Sie in der ganzen Religionsgeschichte des Volkes Israel, suchen Sie in der Geschichte überhaupt, wo eine Botschaft von Gott und vom Guten so rein und so ernst – denn Reinheit und Ernst gehören zusammen – gewesen ist, wie wir sie hier hören und lesen!“24 Zugespitzt formuliert haben wir es hier mit einem allzu christlichen Fall von Ambivalenzverweigerung zu tun. Der soteriologischen Fokussierung auf Christus korrespondiert ein Reinheitsanspruch geistlich-normativer Sterilität, der alles auch nur ansatzweise Ambivalente aus sich hinauszusäubern – zu verdrängen – bestrebt sein muss, um wirklich „frommes Selbstbewusstsein“ zu sein. Alles 22

Luther 1899, 363–393; vgl. auch Slenczka 2013, 88. Schleiermacher 1999 [1830/31], 306 (§132,2). 24 Harnack 2012 [1900], 35. 23

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Erschütternde, Anstößige, sittlich Irritierende oder Schuldhafte wird nicht mehr als Möglichkeit in sich selbst wahrgenommen, mit der es sich auseinanderzusetzen gilt, sondern nur noch als das ursprünglich und schlechthin Andere und Fremde exkludiert. Möglicherweise ist aber gerade das der Ambivalenz geöffnete Alte Testament ein geeignetes Medium, um sich eben nicht nur auf ein schlechthin ins Innerliche reduziertes „Gefühl“ und das darin beschlossene – gleichsam in Frömmigkeit und Superiorität isolierte – Christus-Erlebnis zu verlegen, sondern sich in einem sowohl dem „Unendlichen“ als auch den Bedingtheiten des endlichen Lebens geöffneten Bewusstsein – eben zwischen beidem stehend – für einen zugleich Gott zugewandten wie auch weltoffenen Glauben bereit zu halten. Mit Ambivalenzverweigerung jedenfalls ist keine Religion zu haben.25 Anmerkungen zu Notger Slenczka und seinen Thesen zum Alten Testament Notger Slenczka, der 2013 die Texte des Alten Testaments aus vornehmlich normativen Erwägungen heraus mit dem Stigma der „Fremdheit“ belegte und dafür plädierte ihnen keinen „kanonischen Rang“ mehr beizumessen, weil sie in der „Frömmigkeitspraxis“ der christlichen Kirche „einen minderen Rang im Vergleich zu den Texten des NT“ einnehmen würden, bezog sich in seinen Ausführungen wesentlich auf die erwähnten Positionen von Adolf Harnack und Friedrich Schleiermacher.26 Der zentrale Bezugspunkt, als der insbesondere Schleiermachers Begriff des „frommen Selbstbewußseins“ immer wieder in der Argumentation Slenczkas hervortritt, ist auch seiner erweiterten Darstellung von 2017 zu eigen: „Das Alte Testament und seine kanonische Geltung steht unter dem Vorbehalt einer Aneignung als Ausdruck des christlich-frommen Bewusstseins.“27 Bereits in seinem Aufsatz „Das Alte Testament als Problem des Kanonbegriffs“ von 2012, der einem auf dem Internationalen Kongress der Schleiermacher-Gesellschaft von 2009 gehalten Vortrag entstammt, hatte Slenczka seine Bewertung 25 Vgl. demgegenüber Schleiermacher, in dessen Zweiter Rede „Über die Religion“ bereits die Rückbindung des „Gefühls“ an das „Unendliche“ bzw. das „Universum“ als „aus dem Innern empor“, „von innen“ hervorgehend oder „aus der Fülle des innern Lebens“ erwachsend beschrieben wird; so wie auch in seiner Glaubenslehre das „Sich-schlechthin-abhängig-Fühlen und sich-seiner-selbst-als-in-Beziehung-mit-Gott-bewußt-sein“ dergestalt „einerlei“ ist, als dass das „Gottesbewußtsein so in das Selbstbewußsein“ als „ursprüngliche Offenbarung Gottes an den Menschen oder in dem Menschen“ immer schon mit inbegriffen ist. Schleiermacher, Über die Religion, in: Schleiermacher 1984, 221–223; Schleiermacher 1999 [1830/31], 30 (§ 4). Sehr treffend dazu die Schleiermacher-Kritik in Hegels Rechtsphilosophie: „Gründet sich die Religion im Menschen nur auf das Gefühl, so hat solches richtig keine weitere Bestimmung, als das Gefühl seiner Abhängigkeit zu sein, und so wäre der Hund der beste Christ.“ Hegel 1995 [1821], 182 (§ 211). Zur Unterscheidung von Welt und Gott bzw. der Differenz von Subjektivität und Welt bei Schleiermacher vgl. auch Dierken 2012, 233–235. 26 Vgl. Slenczka 2013, 119. 27 Slenczka 2017, 208.

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des Alten Testaments, die dann erst 2015 Gegenstand einer öffentlichen Kontroverse wurde, als Ergebnis seiner Schleiermacher-Interpretation publiziert. Bemerkenswert an diesem früheren Text ist die Überlegung Slenczkas, dass schon Schleiermachers Kritik beziehungsweise „Beschreibung des Judentums“ in den Reden „Über die Religion“ von 1799 als eine mehr im exemplarischen Sinne zu verstehende „Beschreibung der Verfallsform des Religiösen“ im Allgemeinen intendiert gewesen sein könnte – eine Annahme übrigens, mit der Slenczka nicht nur eine kritische Aneignung Schleiermachers, sondern zugleich eine äquidistante Weitung der Perspektive auf Judentum und Christentum aufmacht, indem er ausführt: Das eigentliche Problem ist nicht diese Dihärese der Religion, sondern das Bild des Judentums, das es Schleiermacher nahelegt, den Typus der depravierten Religion als ‚jüdisch‘ zu identifizieren; dieses ist mit den vorangehenden Differenzierungen mitnichten ins Recht gesetzt. Es wird aber deutlich, daß die Einsicht Schleiermachers ablösbar ist von den Labels ‚Judentum‘ und ‚Christentum‘, weil er unter diesem Titel – jedenfalls in der 5. Rede – die im Begriff der Religion bzw. die im Phänomen der Religion angelegten Möglichkeiten der positiven Ausformung und der Deprivation fixiert.28 Diese mögliche Perspektive auf eine nicht mehr nur auf das Judentum verkürzte, sondern zugleich religionsimmanente wie auch religionenübergreifende Religionskritik verstellt sich Slenczka indes sogleich wieder, indem er hinsichtlich der Verhältnisbestimmung von Altem und Neuem Testament auf der „Unterscheidung von Evangelium und Gesetz“ beharrt und im Umgang der Kirche mit dem AT der „Erfahrung dieser Differenz“ eine Bedeutung beimisst, „die sich im – faktisch oder reflektiert vorgenommenen – wählenden Umgang mit den Texten“ manifestieren würde.29 Das Problem der paulinischen Differenzkategorien Ein anhaltendes Problem in der evangelischen Theologie der Moderne besteht also in der Auslegung der paulinischen Differenzkategorien dergestalt, dass diese immer noch und stets aufs Neue zu einer undurchdringlichen Trennwand zwischen Fremdem und Eigenen gesteigert werden. Hier das Evangelium des Neuen Testaments, da das Gesetz des Alten Testaments. Hier der erquickende Geist, da der seelenlose Buchstabendienst. Hier die universelle Erlösung aller Menschen, da der partikulare Auserwähltheitsanspruch einer Stammesreligion. Hier der liebende Gott der Gnade, Barmherzigkeit und Vergebung, da der strenge und eifernde Gott der Strafe, des Zorns und der Rache. Hier das himmlische, da das irdische Jerusalem. Hier die sehende Ekklesia, da die verblendete Synagoga. Die 28 29

Slenczka 2012, 286. Ebd.

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ewige Neupostulierung und Radikalisierung dieser Differenzkategorien als Selbst- und Fremdzuschreibungen im Durchgang durch die christlich-abendländische Geistesgeschichte von der Antike bis zur Moderne ist das Thema einer monografischen Studie, die 2013 vom Chicagoer Mediävisten David Nirenberg veröffentlicht wurde. Und er hat ihr den treffenden Titel Anti-Judaism. The Western Tradition gegeben.30 Dass die Praxis, wahlweise das Judentum aus dem Alten Testament herauszuschreiben oder das Judentum gleich zusammen mit dem Alten Testament aus Kanon und Offenbarung auszuscheiden einer theologischen Motivation entstammt, die man dem christlich-abendländisch geprägten Antijudaismus zuordnen kann, ist zwar immer noch umstritten, nach meiner Einschätzung jedoch insbesondere aufgrund des damit einhergehenden sittlich-normativen Superioritätsanspruchs nicht ganz von der Hand zu weisen. Nochmal anders gelagert ist die Frage, ob auch der Ansatz eines „wählenden Umgangs mit den Texten“ des AT dieser Tradition zuzuordnen ist. Zu problematisieren ist daran zumindest, dass die Aufrechterhaltung der Differenzmarkierung von Evangelium und Gesetz unter den Gesichtspunkten einer christologischen und ekklesiologischen Engführung des Offenbarungsbegriffs auf das NT einerseits und einer Verkürzung des normativen Vorbehalts „christlich-frommen Bewusstseins“ gegenüber dem AT andererseits, nicht nur die erwähnte Bereitschaft zur Ambivalenz vermissen lässt, sondern sich zudem von christlichen Superioritätsansprüchen nicht frei gemacht hat. Wenn das Beharren auf Differenz sich dann im „Umgang der Kirche mit dem Alten Testament“ so darstellt, dass vom „minderen Rang im Vergleich zu den Texten des NT“ die Rede ist und erst im „wählenden Umgang“ die noch „akzeptablen von den unpassenden Texten“ unterschieden werden, letztere also für den kirchlichen Gebrauch gleich einem normativen Filter zunächst aufs „christlich-fromme Bewusstsein“ hin zu bereinigen sind, so ist dieser Umgang in letzter Konsequenz als Buchstabendienst und Ausdruck „depravierter Religion“ – und zwar innerhalb des Christentums – zu bewerten. Der Umgang der Kirche mit dem AT ist im Übrigen nicht zu trennen von ihrem Umgang mit dem Judentum und den Juden in der Kirchengeschichte. Das NT beruht auf dem AT. Christen hatten und haben unter letzterem nichts zu leiden. Umgekehrt aber hat die theologische Auslegung des NT gegen das AT und die Auslegung von beidem zusammen wiederum gegen das Judentum die Verfolgung und Bedrückung von Juden durch Christen über Jahrhunderte begleitet und theologisch legitimiert. Ob also auch die Positionierungen, wie sie Notger Slenczka in seinen Texten über das AT eingenommen hat, als antijudaistisch zu bewerten sind, muss hier nicht entschieden werden. An gehöriger Achtsamkeit lassen sie indes auch in der 2017 vorlegten Fassung immer noch zu wünschen übrig. Andererseits sollte bei aller dagegen vorgebrachten Kritik auch nicht unbeachtet bleiben, dass evangelische Theologen, wenn sie den christlichen Offenbarungsbegriff näher 30

Nirenberg 2015.

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konturieren oder Kriterien für die Frage nach der Kanonizität genauer bestimmen wollen, dies nicht aus einer konfessionsungebundenen religionswissenschaftlichen Sicht tun, sondern konsequenterweise aus der Warte der evangelischen Theologie und Kirche. Gleichwohl sollte dies auch ohne Superioritätsansprüche und damit einher gehende pejorative Zuschreibungen auf oder Vorannahmen über das Judentum, die so nicht haltbar und längst widerlegt sind, möglich sein. Umgekehrt ist aber auch zu berücksichtigen, dass ein christlich vorgeprägtes Offenbarungsverständnis, das einen allzu dominanten Deutungsanspruch gegenüber den Texten des AT beziehungsweise der Hebräischen Bibel formuliert und dabei eine möglicherweise gut gemeinte, aber nichts desto weniger unreflektierte Vereinnahmung des Judentums vornimmt, ebenfalls zu Missverständnissen führen kann. Auf diesen letzteren Aspekt wird hinsichtlich des christlichen Offenbarungsbegriffs in den Schlussbetrachtungen des vorliegenden Textes nochmal kurz eingegangen. Abgrenzung zur politisch motivierten Judenfeindschaft. Das Beispiel Jakob Friedrich Fries Dass man bei der Bewertung antijudaistischer Denktraditionen in der evangelischen Theologie und ihrem Umfeld – soweit sie tatsächlich vorliegen – von einer politisch motivierten Judenfeindschaft oder gar Judenhass nochmal unterscheiden muss, ist nicht zuletzt anhand der beiden genannten Beispiele Schleiermacher und Harnack dadurch bezeugt, dass Schleiermacher sich für die staatsbürgerliche Gleichstellung der Juden einsetzte, ohne ihnen dafür die Konversion zum Christentum als Bedingung aufzuerlegen31, und dass Adolf Harnack sich in den 1890er Jahren vehement gegen den Antisemitismus der christlich-sozialen Bewegung um Adolf Stöcker aussprach und engagierte.32 Die mit der Forderung nach seiner Entkanonisierung erfolgende Preisgabe und Schutzlosstellung des Altes Testaments kann jedoch auch ungewollt zur Konsequenz haben, dass der Boden für jene Kräfte bereitet wird, die noch einen Schritt weiter gehen und das Alte Testament als bloße Stoffsammlung gebrauchen und zur Projektionsfläche von Judenhass machen. Ein recht frühes Beispiel an der Schwelle zur Moderne ist der Fall des zum erweiterten Kreis der klassischen deutschen Philosophie zählenden Jakob Friedrich Fries. Noch als Professor an der Universität Heidelberg weilend, veröffentlichte Fries im Frühjahr 1816 eine Schrift mit dem Titel Ueber die Gefaehrdung des Wohlstandes und Charakters der Deutschen durch die Juden. Eigentlich als zustimmende Rezension der ebenfalls antijüdischen Flugschrift des Berliner Geschichtsprofessors Friedrich Rühs 31

F.D.E. Schleiermacher, Briefe bei Gelegenheit der politisch theologischen Aufgabe und des Sendschreibens jüdischer Hausväter [1799], in: Schleiermacher 1984, 348–349. Zu Schleiermachers Verhältnis zum Judentum und den Juden siehe auch: Blum 2010; Wolfes 2004; Brumlik 2000. 32 Vgl. u.a. seine Positionierung gegen den Antisemitismus in: Harnack 1890, 574.

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angelegt, geriet der Artikel von Fries zu einer eigenen Streitschrift, worin er seiner Gegnerschaft gegen die staatsbürgerliche Gleichstellung der Juden nicht nur mit mannigfaltigen Anfeindungen Ausdruck verlieh, sondern sich in seinem offenen Judenhass bis zur Forderung nach Ausrottung des Judentums verstieg. Und um gegen Christian Konrad Wilhelm Dohm die angebliche Verderbtheit des Charakters der Juden schon aus ihrer Religion zu belegen, machte Fries auch vor dem Alten Testament keinen Halt. In der nachfolgend zitierten Textstelle ist dabei bereits feststellbar, dass vor Delitzsch auch schon Fries die Authentizität der pentateuchischen Erzählungen glaubte dergestalt infrage stellen zu müssen, dass er gar von Fälschung sprach. Kein Unbefangener kann verkennen, daß schon Umbildungen alter Mythologie zu Ebräischen Familiengeschichten, wie sie in der Tora enthalten sind, mit dem Geiste ihrer Krämerkaste und mit Rabbinismus verfälscht sind. Wo hat ein anderes Volk auf einer ähnlichen Bildungsstufe solche elende, für die Dichtung bedeutungslose, heilige Geschichten, die überall mit angerühmten Diebereien durchwirkt sind? Ihr eigentlicher Stammvater, Jakob z.B., prellt seinen Bruder um die Erstgeburt, stielt ihm den väterlichen Segen, betrügt seinen Schwiegervater um die Lämmer. Dessen Söhne verhandeln ihren Bruder nach Egypten, wo dieser keusche Joseph zum hochberühmten Volksausplünderer wird, der das ganze Egyptische Volk um sein Eigenthum bringt. Ihr großer Moses, läßt sie erst den Egyptern das Silbergeschirr stehlen, eh er sie in die Wüste führt.33 Noch bevor der Berliner Historiker Heinrich von Treitschke 1879 mit seiner Schrift Unserer Aussichten den Berliner Antisemitismusstreit auslöste, waren es über 60 Jahre zuvor die judenfeindlichen Schriften der Universitätsprofessoren Rühs und Fries, die einen deutschlandweisen Schriftenstreit mit über 30 beteiligten Gelehrten entfachten. Entgegnungen jüdischer Gelehrter auf Fries Auf Seiten des gelehrten jüdischen Lebens waren es neben Saul Ascher, der Heidelberger Jura-Student Sigmund Zimmern, der Lehrer am Frankfurter Philanthropin Michael Hess, die Vertreter des Dessauer Reformjudentums und Autoren der Zeitschrift Sulamith Joseph Wolf und Gotthold Salomon und nicht zuletzt der junge Berliner Student Leopold Zunz, die in ihren Schriften, wie Immanuel Wolf es später formulierte, an die Stelle der Vorurteile über die Juden die Wahrheit setzen wollten und diesen aufklärerischen Ansatz mit einem wachsenden wissenschaftlichen Ansatz verbanden. Neben Zunz waren die meisten der eben genannten jüdischen Gelehrten wenige Jahre später, ab 1819 zugleich Mitglieder des „Vereins für Cultur und Wissenschaft der Juden“, sind also zur Gründergeneration der sich im November 1819 in Berlin erstmals als Verein konstituierrenden 33

Fries 1816, 14.

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„Wissenschaft des Judentums“ zu zählen. Zu ihnen zählte auch Jacob Weil, Lehrer am Frankfurter Philanthropin und ab 1822 auswärtiges Mitglied des Wissenschaftlichen Instituts im „Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden“.34 Sechs Jahre zuvor veröffentlichte er 1816 die Schrift Bemerkungen zu den Schriften der Herren Professoren Rühs und Fries über die Juden und deren Ansprüche auf das Bürgerrecht. Durchaus souverän geht Weil darin auch auf die Polemiken von Fries gegen das Alte Testament ein, indem er die erwähnte Textstelle zunächst vollständig zitiert und dann anmerkt: O über den Wüthenden, der um seine Hausgenossen zu kränken, Feuer anlegt an des eigenen Hauses erstes Stockwerk! Hat Hr. Fries denn ganz vergessen, daß das alte Testament auch zu der Christen heil’gen Bücher gezählt wird? Hat er denn ganz vergessen, daß man aus diesem Grunde die Christen zusammt den Juden aus dem Staate verjagen müßte, um den selben blos mit Philosophen von Friesischer Gesinnung zu bevölkern?35 Jacob Weil hält es an dieser Stelle für überflüssig, Fries Kommentare zu den biblischen Erzählungen weiter zu widerlegen. Ein Mann, der so menschenfeindlich spreche und denke, so Weil, sei auch kein Freund der christlichen Religion und verweist auf das Neue Testament, worin die „Verehrung Mosis und der Propheten“ empfohlen und gelehrt werde. Ähnlich, indes ohne die besagte Textstelle bei Fries direkt anzuführen, argumentierten Joseph Wolf und Gotthold Salomon – beide ebenfalls später Mitglieder im „Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden“ – in ihrer 1817 veröffentlichten Entgegnung auf Rühs und Fries: Ihre Lieblosigkeit aber als Tugend zu verkaufen, und um dieselbe den Deckmantel der christlichen Religion zu hängen, sind sie unverschämt genug, die alten Urkunden des Mosaismus anzugreifen und mit frecher Stirn zu behaupten, daß in der Religion der Israeliten der Aufruf zur Immoralität läge.36 Sowohl bei Weil als auch bei Wolf und Salomon klingt an, dass die Polemik gegen die „heil’gen Bücher“ des Alten Testaments beziehungsweise die „alten Urkunden des Mosaismus“ nicht nur einen Angriff auf das Judentum darstellt, sondern zugleich eine Verletzung des Inbegriffs aller Religion und damit auch eine Selbstbeschädigung des Christentums zur Folge haben muss.

34

Vgl. Reissner 1965, 81. Bei Reissner finden sich auch die Aufstellungen der weiteren Mitglieder des „Vereins für Cultur und Wissenschaft der Juden“. 35 Weil 1816, 12. 36 Wolf und Salomon 1817, 133.

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Die Entgegnung des reformierten Theologen Johann Ludwig Ewald auf Fries Nicht minder interessant sind daher auch die Erwiderungen christlicher Theologen und Kirchenvertreter auf die Schriften von Rühs und Fries. Mit gleich drei umfassenden Schriften, worin die Juden gegen die professoralen Anfeindungen verteidigt wurden, trat ab 1816 der badische Kirchenrat und reformierte Heidelberger Theologie-Professor Johann Ludwig Ewald hervor, wobei seine Auseinandersetzung mit Rühs um die Bewertung der judenfeindlichen Schriften Martin Luthers einen weiteren spannenden Aspekt darstellt.37 In seiner Schrift Ideen über die nöthige Organisation der Israeliten in christlichen Staaten geht Ewald auch auf die Ausfälle seines Heidelberger Kollegen Fries gegen das Altes Testament ein. Wie Jacob Weil zitiert auch Ewald die erwähnte Textstelle von Fries zunächst vollständig, weil sie ihn im Innersten empört habe, wie er anmerkt. Dann stellt er den Sinn der von Fries schief dargestellten biblischen Erzählungen richtig. So etwa, dass, wenn Jakob seinen Bruder Esau betrog, der Erzähler dies gewiss nicht gutgeheißen habe, sondern im Gegenteil die Folgen dieses Betrugs jedem, der das lese, die Lust am Betrügen nehme und ihn den Schmerz nachempfinden lasse, den einer solcher Vertrauensbruch bei den Betroffenen auslöse. Hinsichtlich der von Fries formulierten Behauptung, dass es sich bei den alttestamentlichen Erzählungen um verfälschende „Umbildungen alter Mythologien zu ebräischen Familiengeschichten“ handele, vermutet Ewald, dass Fries diese Ansicht vom damals noch in Berlin lehrenden Theologen Martin Leberecht de Wette übernommen habe. Ewald schreibt: Erst setzt Hr. Fries die aus der Luft gegriffene […] auch längst zum Ueberfluss widerlegte de Wettesche Hypothese als unläugbare Wahrheit voraus, daß die Patriarchengeschichte und die ganze Mosaische Gesetzgebung, eine Sammlung alter Mythologien sei; und nun versichert er, daß es elende, für die Dichtung bedeutungslose Geschichten seien!38 Hieran ist zunächst die Frage zu knüpfen, ob Ewalds Vermutung, Fries habe sich mit seinen Behauptungen über das AT auch auf de Wette bezogen, zutrifft. Bei näherem Hinsehen kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass Ewalds Lesart von Fries zumindest in dessen antijüdischer Motivation in keiner Weise mit den im frühen 19. Jahrhundert bahnbrechenden Arbeiten von de Wette zum Alten Testament in Einklang zu bringen ist. Zwar ist bekannt, dass Fries und de Wette eine enge Freundschaft verband und die Dogmatik de Wettes zeitweise sehr tief von der Fries’schen Philosophie beeinflusst war. Was die Arbeiten de Wettes insbesondere in seiner Dissertation zum Deuteronomium von 1805 oder in seinen Beiträgen zur Einleitung in das Alte Testament von 1806/7 jedoch auszeichnete, war ihr historisch-kritischer Ansatz, der eine Differenzierung der unterschiedlichen 37 38

Siehe hierzu Treß 2015. Ewald 1816, 14.

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Textschichten innerhalb des Pentateuchs und damit auch erste Anhaltspunkte zu deren genauerer Datierung ermöglichte.39 De Wettes Einschätzung, dass weite Teile des Alten Testaments nicht im engeren Sinne als Geschichtsschreibung zu verstehen seien, sondern sich aus unterschiedlichen religiösen Mythen herleiteten, mag zwar Fries steile Behauptung von den „Umbildungen alter Mythologien zu ebräischen Familiengeschichten“ mit inspiriert haben. De Wette selbst sah darin jedoch keine Legitimation für eine pejorative Beurteilung des Altes Testaments, wie Fries sie dann vornahm. In seiner Schrift Über Religion und Theologie von 1815 bekannte sich de Wette vielmehr dazu, dass das Alte Testament dem Kreis der göttlichen Offenbarung zugehöre.40 Das reichhaltige Potential allegorischer Deutungsperspektiven, das der hermeneutische Zugang de Wettes durch sein mythologisches Verständnis des Altes Testaments fundiert und weiter geöffnet haben dürfte, verweist indes auf einen anderen Horizont als den antijüdischer Polemik oder den archäologischer Artefakte. Zu diesem im tieferen Sinne theologischen Potential hatten, wie sich zeigte, weder Jakob Friedrich Fries noch Friedrich Delitzsch einen rechten Zugang. Beide waren in ihrer Eigenschaft als Universitätsprofessoren fachlich außerhalb der Theologie zu verorten, ihr jedoch durch ihren jeweiligen intellektuellen Werdegang je eng verbunden. Beide stützten sich auf theologische Denktraditionen und Wissenshorizonte, um sie dann in je unterschiedlicher Weise auf antijudaistisch und judenfeindlich motivierte Publikationsformate zu übertragen. Zur Deutung von 2. Mose 34 bei Friedrich Delitzsch Bemerkenswert an der Vortragsabfolge über „Babel und Bibel“ von Friedrich Delitzsch ist die sich binnen kurzer Zeit vollziehende Eskalation seiner Argumentationsführung. Diese Tendenz ist aus den Überarbeitungen und Ergänzungen in den Neuauflagen der jeweiligen Vorträge rekonstruierbar, insbesondere aber im Übergang vom ersten zum zweiten Vortrag feststellbar. Handelte es sich bei der Erstauflage des ersten Vortrags noch um eine Ansammlung gewagter Thesen mit erkennbar christlich-antijudaistischen Untertönen, schlägt der „Zweite Vortrag über Babel und Bibel“ von Beginn an in eine offene und von Ressentiments geprägte Polemik gegen das Alte Testament um. Ein prägnantes Beispiel dafür ist die regelrechte Schelte, die der biblische Prophet Mose von Delitzsch erfährt, weil dieser am Berg Sinai die Gesetzestafeln Gottes zunächst zerbrochen hatte. Fast schon kurios ist dabei die möglicherweise unwissentlich vorgenommene Verkehrung christlicher Selbst- und antijüdischer Fremdzuschreibungen, mit der Delitzsch dann die entscheidende Wendung in der Unterredung Moses mit Gott in 2. Mose 34 kommentiert:

39 40

Vgl. u.a. Eissfeldt 1976, 227. De Wette 1815, 183.

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Und dieser Gott schreibt zum zweitenmal andre Tafeln, die seine erste und letzte eigenhändige Offenbarung an die Menschen darstellen, Gottes einzigste greifbare Offenbarung, und Moses hält es nicht der Mühe wert, seinem Volk und damit der Menschheit wortgetreu mitzuteilen, was Gott auf jene Tafeln gegraben. […] und Moses, als er vor dem Uebergang über den Jordan die zehn Gebote seinem Volke abermals einschärft, ändert nicht allein einzelne Wörter, stellt Wörter und Sätze um und dergleichen mehr, sondern ersetzt sogar eine lange Stelle durch eine andere, obwohl er auch diese ausdrücklich als Gottes Wortlaut entsprechend hervorhebt.41 „Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig“, lauten die Worte des Apostel Paulus im 2. Korintherbrief 3, 6, die sich Juden von alters her bis in die Gegenwart von Christen vorhalten lassen müssen. Und der sein Christentum gegen das Alte Testament überhöhende Delitzsch brachte es fertig, Mose Vorhaltungen darüber zu machen, dass er die zehn Gebote nicht von Beginn an „wortgetreu“ in den Buchstabendienst überführt hat. Der Beharrung auf die exakte Anordnung der Worte folgt unmittelbar und gleichsam analog dazu die abermalige Einforderung der materiellen Bezeugung in den Artefakten – die das Alte Testament zu Delitzsch großem Ärgernis ebenfalls schuldig bleibt. „Und die nämliche Nachlässigkeit bezüglich Gottes heiligstem Vermächtnis an die Menschen“, so Delitzsch weiter, sei auch sonst zu beklagen: Wir suchen noch heute den Berg in der Gebirgsgruppe der Sinaihalbinsel, der zu allem, was erzählt ist, passt, und während wir über unendlich gleichgültigere Dinge, wie zum Beispiel die Ringe und Standen des Kastens, der den zwei Tafeln zur Aufbewahrung diente, eingehendst unterrichtet werden, erfahren wir über die äussere Beschaffenheit der Tafeln selbst, ausser dass sie auf beiden Seiten beschrieben waren, rein gar nichts.42 Das Frappierende an der Art, wie Delitzsch 1902/3 und andere christliche Gelehrte bis heute mit dem Alten Testament umgehen, besteht nicht zuletzt darin, dass man sich entgegen allen Wissens, die schriftliche Überlieferung des Judentums vor sich zu haben, den konsequenterweise dafür geltenden jüdischen Verstehens- und Auslegungszugängen etwa in mündlicher und schriftlicher Tora, beharrlich verweigert. Diese sind aber hilfreich, wenn es darum geht, sie für den jüdisch-christlichen Dialog und darüber hinaus für transdisziplinäre Forschungsperspektiven fruchtbar zu machen. Abschließende Überlegungen zu Mose-Deutung bei Moses Mendelssohn Ein sehr eindrucksvolles Beispiel für einen solchen denkerischen Zugang gibt uns der jüdische Aufklärer Moses Mendelssohn. Am Schluss seiner 1783 veröffent41 42

Delitzsch 1903b, 20. Ebd. 20–21.

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lichten Schrift Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum geht er auf eben dieselben Passagen im 2. Buch Mose ein. „Welch erhabne und schauervolle Vorbereitung!“, beschreibt Mendelssohn die Situation, nachdem die Übergabe der Gesetzestafeln zunächst scheiterte, weil das Volk abgefallen war und begonnen hatte, das goldene Kalb anzubeten. Er beschreibt, wie Moses versucht, den Zorn Gottes zu besänftigen, bei ihm Fürsprache hält für sein Volk und wie es ihm schließlich gelingt, Gott versöhnlich und gnädig zu stimmen. Er beschreibt weiter, wie das Gespräch zwischen Gott und Mose immer vertrautere, freundschaftliche und schließlich geradezu ausgelassene, ja fast schon kindlich-spielerische Züge annimmt. „Ach Herr! laß mich Deine Herrlichkeit schauen!“, so übersetzt Mendelssohn aus 2. Mose 33, 18. Und Gott antwortet: „Ich will meine Allgütigkeit vor Dir vorüberziehen lassen und mit dem Namen des Ewigen Dir bekannt machen, welchergestalt ich gewogen bin, und mich erbarme, dessen ich mich erbarme. – Meine Erscheinung sollst Du von hinten nachschauen; denn mein Antlitz kann nicht gesehen werden.“ Hierzu fügt Mendelssohn an: „Welch großer Sinn! Du willst meine ganze Herrlichkeit schauen; ich werde meine Güte vorüberziehen lassen. – Du wirst sie von hinten nach erkennen. Von vorne her ist sie sterblichen Augen nicht sichtbar.“ Den Vorgang der Herstellung zweier neuer Steintafeln übergeht Mendelssohn und kommt gleich zur zentralen Stelle in 2. Mose 34, 6–7: Darauf zog die Erscheinung vor Mose vorüber, und ließ seine Stimme hören: ‚Der Herr (ist, war und wird sein), ewiges Wesen, allmächtig, allbarmherzig, und allgnädig; langmütig, von großer Huld und Treue; der seine Huld dem tausendsten Geschlechte noch aufbehält; der Missetat, Sünde und Abfall verzeihet; aber nichts ohne Ahndung hingehen läßt!‘ Wieviel ihm diese Stelle bedeutet, unterstreicht Mendelssohn, indem er anfügt: „Wer ist so abgehärteten Sinnes, daß er dieses mit trockenen Augen lesen; wer so unmenschlichen Herzens, daß er seinen Bruder noch hassen; gegen seinen Bruder unversöhnlich bleiben kann?“43 Mendelssohn richtete seine Schrift Jerusalem als Jude ganz bewusst auch an eine christliche Leserschaft. Und was er uns hier nahebringt ist der alttestamentlich überlieferte Gott als ein liebender, barmherziger und gnädiger Gott – als der Gott mit all jenen Eigenschaften, von denen viele Christen behaupteten, sie seien erst mit Jesus Christus und dem Neuen Testament zur vollen Geltung gelangt und stünden überdies im Widerspruch zum jüdischen Gesetz. Dabei besteht die Botschaft in 2. Mose 34 doch gerade darin, dass Gnade und Gesetz sich eben nicht unversöhnlich gegenüberstehen, sondern im Gegenteil zusammengehören: Mit ihrer Übergabe sind die Gesetze zugleich in die Gnade, Vergebung und Barmherzigkeit gestellt. Umgekehrt sind mit Gottes Gnade – und auch das scheint mir wichtig – die Gebote nicht suspendiert oder abgelöst, sondern vielmehr bestärkt 43

Mendelssohn 2005 [1783], 124.

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durch sein Zutrauen ins gegenseitige Vertrauen gesetzt. Vertrauen, das die bundestheologische Dimension zum Beschluss des Buches Exodus erst begründet und das, wenn es gebrochen wird, nicht „ohne Ahndung hingehen“ wird. Auch diesen Aspekt der Strafe und Furcht vor Strafe diskutiert Mendelssohn eingehend, wenn er schreibt: Was ich zu fürchten habe, ist die Sünde selbst. Habe ich die Sünde begangen; so ist die göttliche Strafe eine Wohltat für mich, eine Wirkung seiner väterlichen Allbarmherzigkeit. Sobald sie aufhört Wohltat für mich zu sein; so bin ich versichert, sie wird mir erlassen. […] Wenn ich bitte, daß mir Gott ein Vergehen soll ohne alle Ahndung hingehen lassen, weiß ich wohl selbst was ich bitte? Ach! sicherlich, auch dieses ist eine Eigenschaft der unendlichen Liebe Gottes, daß er kein Vergehen der Menschen ohne alle Ahndung hingehen läßt!44 Möglicherweise deutet diese fein justierte alttestamentliche Auslotung im Verhältnis von Gesetz, Gnade und Ahndung, auf die Mendelssohn uns hinweist, zugleich auf einen Konstruktionsfehler – wenn nicht in Luthers Rechtfertigungslehre selbst, so doch zumindest in Teilen ihrer Auslegung hin. Wenn die göttliche Gnade (sola gratia) nämlich so unmittelbar aus dem Glauben allein (sola fide) erwachsen soll und Letzteres dadurch so intensiv auf’s rein Innerliche („christlich fromme Selbstbewußtsein“ als „Gottesbewußtsein“ in „Beziehung auf Christum“ (solus Christus)) verwiesen wird, dass darüber die Offenheit zum erst im (mit)menschlichen Handeln erleb- und erfahrbar werdenden Resonanzraum mit seinen aller Offenbarung immanenten Welt- oder Schöpfungsbezügen ins Hintertreffen zu geraten droht, so scheint mir das Gesamtgefüge letztlich doch zu esoterisch angelegt und praktisch unausgewogen zu sein. Nach Mendelssohns Verständnis des Judentums wäre der Begriff der Offenbarung übrigens weder auf das Alte Testament bzw. den Tanach noch auf das Neue Testament eingrenzbar, sondern eigentlich überhaupt nicht auf die Schrift (sola scriptura) anzuwenden. Um es mit einem Worte zu sagen: ich glaube, das Judentum wisse von keiner geoffenbarten Religion, in dem Verstande, in welchem dieses von den Christen genommen wird. Die Israeliten haben göttliche Gesetzgebung. Gesetze, Gebote, Befehle, Lebensregeln, Unterricht vom Willen Gottes, wie sie sich zu verhalten haben, um zur zeitlichen und ewigen Glückseligkeit zu gelangen; dergleichen Sätze und Vorschriften sind ihnen durch Mosen auf eine wunderbare und übernatürliche Weise geoffenbart worden; aber keine Lehrmeinungen, keine Heilsweisheiten, keine allgemeine Vernunftsätze. Diese offenbaret der Ewige uns, wie allen übrigen Menschen,

44

Ebd., 126.

Gesetz, Gnade und Ahndung

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allezeit durch Natur und Sache, nie durch Wort und Schriftzeichen.45 Mendelssohn, dessen Argumentation hier auch aufklärerische und pantheistische Referenzen aufweist, unterscheidet zwischen „ewigen Wahrheiten“ und „Geschichtswahrheiten“. Unter ewigen Wahrheiten fasst er zum einen „notwendige“ und „unveränderliche“, weil sie ihrem Wesen nach aus reinen Vernunftgründen nur „so und nicht anders denkbar sind“. Zum anderen subsumiert er unter die ewigen Wahrheiten auch „zufällige“, weil sie „so und nicht anders wirklich geworden“ seien. Zu ersteren rechnet Mendelssohn etwa die Sätze der „reinen Mathematik“, deren Geltung als ewige Wahrheiten aus reinen Vernunftgründen hinreichend abgesichert ist. Zur zweiten „Klasse“ ewiger Wahrheiten, also den der Wirklichkeit nach bestehenden, rechnet er die Naturgesetze – etwa die der Physik – zu deren exakter Erkenntnis „außer der Vernunft, auch noch Beobachtung“ erforderlich sei. Diesen „ewigen Wahrheiten“ gegenüber haben die „Geschichtswahrheiten“ die geringste Geltungskraft, weil sie eben bloß zeitliche sind. Bei ihnen handelt es sich laut Mendelssohn um „Dinge, die sich zu einer Zeit zugetragen, und vielleicht niemals wiederkommen; Sätze, die durch einen Zusammenfluß von Ursachen und Wirkungen in einem Punkte der Zeit und des Raumes wahr geworden“ und deren Wahrheitswert und Geltung eben auf diesen Zeitpunkt begrenzt bleibt. „Von dieser Art sind alle Wahrheiten der Geschichte“, schreibt Mendelssohn. Angewendet auf die Gesetze Mose als „geoffenbarte“ Gesetze heißt dies, dass diese als von Gott herkommende oder als von ihm her gegebene auf eine ewige Wahrheit zurückverweisen. In Gestalt ihrer schriftlichen Überlieferung aber sind sie, wie auch der ganze Kontext der Exodusgeschichte und sämtliche weiteren biblischen Geschichten nach Mendelssohn als Geschichtswahrheiten zu lesen und zu verstehen.46 Dass es zu ihrer Überlieferung überhaupt der vermittelnden und bewahrenden Unterstützung der Schriftlichkeit bedarf, so könnte man Mendelssohn auch verstehen, macht Geschichtswahrheiten als solche erkennbar. Ewige Wahrheiten bedürfen demgegenüber nicht der Schriftlichkeit, weil sie sich uns entweder unmittelbar durch die Vernunft oder durch ihren Bestand in der Wirklichkeit immer schon und stets aufs Neue offenbaren. So gesehen wäre auch die Geltung der Gesetze oder Gebote Mose nicht primär im Wortlaut ihrer schriftlichen Überlieferung als vielmehr aus ihrem Charakter als vom Ewigen oder von der göttlichen Gnade her kommender Appell an die menschliche Vernunft, der sich Kraft ihrer Einsicht zugleich an das menschliche Wollen und Handeln richtet, zu verstehen. Alle weiteren Begebenheiten der Erzählung, sei es von der Exklusivität des Bundesschlusses für Moses Volk, von der Abgrenzung zu anderen Bewohnern des Landes oder von der Zerstörung der Altäre etc. wären nach Mendelssohns Verständnis als Geschichtswahrheiten zu klassifizieren, mit denen man 45 46

Ebd., 90. Ebd., 99.

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sich etwa im allegorischen Sinne auseinandersetzen kann, die aber über die nähere zeitliche Bestimmung des Beschriebenen und seinen Wortlaut hinaus keine unmittelbare Geltung haben. Offenbarung daher auf die Schrift oder gar im „wählenden Umgang“ damit auf Teile daraus abzugrenzen, wäre nach Mendelssohns Verständnis schon aufgrund ihres funktionalen Charakters zur Überlieferung von Geschichtswahrheiten ein zutiefst irreführendes Unterfangen. „Das Judentum“, so Mendelssohn „rühmet sich keiner ausschließenden Offenbarung ewiger Wahrheiten, die zur Seligkeit unentbehrlich sind; keiner geoffenbarten Religion, in dem Verstande, in welchem man dieses Wort zu nehmen gewohnt ist.“47 Wenn man also den Offenbarungsbegriff an die Schrift binden oder auf sie anwenden will und dies noch dazu in einer „ausschließenden“ Weise, wäre dies zumindest nach Mendelssohns Verständnis ein Verfahren, das das Judentum so nicht betrifft. Wenn man den Offenbarungsbegriff noch dazu innerhalb der Schrift – etwa das NT gegenüber dem AT abgrenzend – in einer ausschließenden oder hierarchisierenden und dabei mitunter auch pejorativen Weise binden will, so fällt auch hier der Vorwurf des Buchstabendienstes auf jene zurück, die ihn oft dem Judentum gegenüber erhoben haben. Dies ist aber ein Problem, das weniger mit dem Judentum als vielmehr innerhalb des Christentums und seiner Kirchen zu diskutieren ist.

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Ebd., 98.

„Auf das literarkritische ist das vorderorientalische Zeitalter gefolgt.“ Hugo Greßmann, die „Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft“ und der Babel-Bibel-Streit* Peter Welten zum 85. Geburtstag Bernd U. Schipper

Wenn man die Wirkung des „Babel-Bibel-Streits“ in der alttestamentlichen Wissenschaft betrachtet, dann fällt eines auf. In dem zentralen Publikationsorgan des Faches, der „Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft“, findet sich so gut wie keine Anspielung auf die Debatte. Ein Grund hierfür liegt sicherlich in der Ausrichtung der Fachzeitschrift. Traditionell standen Forschungen zur Literaturgeschichte des Alten Testaments im Mittelpunkt.1 Eine religionsgeschichtliche Fragestellung, bei der die Verbindung der alttestamentlichen Texte mit der Literatur des Alten Orients thematisiert wurde, passte nicht recht zum Forschungsprogramm des damaligen Herausgebers der „ZAW“, wie die Zeitschrift in Fachkreisen auch genannt wird. Allerdings sollte sich dies einige Jahre später ändern. Denn mit dem Wechsel in der Herausgeberschaft im Jahr 1923/24 zu dem Berliner Alttestamentler Hugo Greßmann vollzog sich ein Paradigmenwechsel, der für die Entwicklung der alttestamentlichen Wissenschaft wichtige Impulse setzen sollte. Die folgenden Ausführungen gliedern sich in drei Teile. Am Anfang steht ein kurzer Abschnitt zur Geschichte der Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft. Darauf folgt ein Abschnitt zum Herausgeberwechsel zu Hugo Greßmann und im dritten Teil komme ich auf die Entwicklung der ZAW und den BabelBibel-Streit zu sprechen. Die Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Für die Geschichte der Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft gilt, was die Wissenschaftsgeschichte seit langem erkannt hat: Fachzeitschriften sind Instrumente der Wissenschaftspolitik.2 Sie dienen der Steuerung eines fachwissenschaftlichen Diskurses. Denn der jeweilige Herausgeber hat die Möglichkeit, ei-

* Der Vortragsstil wurde beibehalten. Mein Dank gilt Pfarrer Dr. Sascha Gebauer, der so freundlich war, mir für den Vortrag Teile seiner zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlichten Dissertation zur Verfügung zu stellen. Vgl. nun Gebauer 2020, Kap. 5 „Wissenschaftspolitik und Wissenschaftsorganisation“. 1 Vgl. dazu den forschungsgeschichtlichen Überblick von Smend 1988. 2 Vgl. von der Krone 2011 und Stöckel et al. 2009.

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nen bestimmten Ansatz in den Vordergrund zu rücken und einen anderen nicht.3 Bei der Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft lässt sich diese Form der Wissenschaftspolitik vom ersten Heft an erkennen.4 Die Zeitschrift wurde 1881 als Halbjahreszeitschrift ins Leben gerufen und zunächst von dem Gießener Alttestamentler Bernhard Stade herausgegeben. Stade konzentrierte sich in seinen Forschungen sowohl auf literaturgeschichtliche als auch auf historische Fragen und stand der sogenannten Wellhausen-Schule nahe. Er begeisterte sich „für die von Wellhausen angestoßene quellenkritische Forschung“,5 was etwa in Stades „Beiträgen zur Pentateuchkritik“ deutlich wird, die er über mehrere Jahrgänge hinweg in der ZAW veröffentlichte.6 Julius Wellhausen, der von 1892 bis 1918 an der Universität Göttingen lehrte, gab der alttestamentlichen Wissenschaft Impulse, die bis heute nachwirken. In einem Satz gesagt, beförderte Wellhausen die Beschäftigung mit der Literargeschichte der Texte, d. h. den unterschiedlichen literarischen Schichten eines alttestamentlichen Textes. Die religionsgeschichtliche oder auch historische Fragestellung wurde dabei eher vernachlässigt, auch wenn Wellhausen selbst daran durchaus interessiert war.7 Das Programm einer Literargeschichte des Alten Testaments wirkte sich also über Bernhard Stade auch auf die Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft aus.8 Religionsgeschichtliche Fragestellungen standen in „Stades Zeitschrift“, wie die ZAW damals auch genannt wurde,9 nicht im Vordergrund. Die Namen der Autoren der ersten Jahre lesen sich wie ein Who-is-Who der von Julius Wellhausen begründeten Schule: Stade selbst, der allein 16 Aufsätze in den ersten zehn Jahren der ZAW beitrug, ferner Karl Budde, Karl Cornill, Wilhelm Nowack und schließlich Rudolf Smend der Ältere.10 In den ersten Jahrgängen finden sich zahlreiche Aufsätze zu sprachlichen, lexikalischen und literargeschichtlichen Fra3

Vgl. dazu auch den Rückblick auf 100 Jahre „Theologische Revue“ in Wagner 2002 und besonders die Ausführungen zur „Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde“ in Gertzen 2013, 336–344. 4 Besonders deutlich tritt dies ab 1927 zutage, als Johannes Hempel die Herausgeberschaft der ZAW übernahm, vgl. Weber 1998, 193 und besonders 207; vgl. auch unten Fußnoten 60 und 61. 5 Gebauer 2020, 181. 6 Vgl. dazu Smend 2017, 380. 7 Vgl. ebd., 349–354. 8 Vgl. dazu auch Gunkel 1913, 3–4, der diesen Sachverhalt explizit an der Person Bernhard Stades festmachte. 9 Vgl. dazu Smend 1988, 2. 10 Smend war mit Wellhausen befreundet und hatte seinen Anteil daran, dass dieser 1891 den Ruf nach Göttingen annahm. – Die in dem vorliegenden Aufsatz zitierten Werke von Rudolf Smend stammen von dem 1932 geborenen Enkel des Alttestamentlers Rudolf Smend (1851–1913), der den gleichen Vornamen trägt wie sein Großvater und auch wie sein Vater, der Berliner Jurist und Staatsrechtler Rudolf Smend (1882–1975).

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gestellungen und einiges weniges zu neuen Entdeckungen der Archäologie. Ab dem Jahr 1888 (ZAW 8) gab es auch einen Überblick zu „Alttestamentlichen Studien in Amerika“, verfasst von dem amerikanischen Alttestamentler George Foot Moore. Zusammen mit englisch- und französischsprachigen Aufsätzen erhielt die Zeitschrift so bereits in ihren Anfängen eine internationale Ausrichtung.11 Als Bernhard Stade im Jahr 1906 starb, war die religionsgeschichtliche Schule fest etabliert. Hermann Gunkel, der Nachfolger Stades auf dem Lehrstuhl in Gießen, war in seiner Berliner Zeit zum Wegbereiter des religionsgeschichtlichen Ansatzes geworden. Sein Werk „Schöpfung und Chaos“, veröffentlicht im Jahr 1895,12 berücksichtigte erstmals umfangreich altorientalische Schöpfungsmythen für eine Interpretation der Schöpfungsvorstellungen des Alten Testaments. Im Vordergrund stand der babylonische Schöpfungsmythos Enuma Elisch, zu dem Gunkel im biblischen Schöpfungsbericht von Genesis 1 enge Parallelen sah.13 Gunkel selbst sprach sich für nicht weniger als einen Paradigmenwechsel in der alttestamentlichen Wissenschaft seiner Zeit aus. Grund dafür war eine Einsicht, die Gunkel in seinem großen Genesis-Kommentar aus dem Jahr 1901 wie folgt beschrieb:14 Die Unterscheidung der drei Quellenschriften Jahwist, Elohist und Priesterschrift „ist ein gemeinsames Ergebnis der alttestamentlichen Wissenschaft, an dem anderthalb Jahrhunderte gearbeitet haben. […] Ein bewunderungswürdiger Aufwand von Fleiß, von Scharfsinn, von genialer Auffassungskraft ist an diese Arbeit verwandt worden; und ein Werk ist als Ergebnis zu stande gekommen, auf das die Nachkommen stolz sein dürfen. Man vermag gegenwärtig die Quellenschriften in vielen Fällen bis auf den Vers, in einigen bis auf das Wort zu bestimmen, wenn auch natürlich manches immer im unklaren bleiben wird. Was Gunkel hier in freundlichen Worten formulierte, stellte für ihn wie auch für andere Vertreter der religionsgeschichtlichen Schule nicht weniger als ein grundlegendes Problem dar, auf das nur mit einem dezidiert anderen Blickwinkel reagiert werden konnte. Denn mit der Entdeckung der altorientalischen Kulturen und der Etablierung der Fächer Ägyptologie und Altorientalistik als akademische

11

Vgl. Gebauer 2020, Kap. 5, 2, Anm. 13–14 sowie die beiden ausführlichen Überblicke von Moore aus den Jahren 1888 und 1889. Moore selbst war zunächst am Andover Theological Seminary tätig und ab 1902 Professor an der Harvard Divinity School in Cambridge/MA, USA. 12 Gunkel 1895. 13 Die Position Gunkels hat Forschungsgeschichte geschrieben, insofern in seiner Nachfolge die Intention des ersten, „priesterschriftlichen“ Schöpfungsberichtes in Gen 1, 1–2, 4a gerne als „antibabylonisch“ bezeichnet wurde. Vgl. für eine kritische Auseinandersetzung damit und eine dezidiert andere Position Gertz 2009. 14 Gunkel 1910, LXXXI.

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Disziplinen15 gab es eine neue Basis für die Erforschung des Alten Testaments. Gunkels Meisterschüler Hugo Greßmann hielt dazu im Jahr 1909 fest: Eine Hauptaufgabe der alttestamentlichen Forschung ist gegenwärtig die Vergleichung der Religion und Literatur Israels mit den Religionen und Literaturen des vorderen Orients. Die Schranken, durch die das Alte Testament einst von der es umgebenden Welt isoliert wurde, sind längst niedergerissen.16 Das Zitat stammt aus dem Vorwort von Greßmanns Werk „Altorientalische Texte und Bilder zum Alten Testamente“, welches, wie Gunkels Genesis-Kommentar, ganze Generationen von Forschern prägen sollte. Hugo Greßmann, damals außerordentlicher Professor für Altes Testament an der Berliner FriedrichWilhelms-Universität, arbeitete in diesem Werk mit dem Semitisten Arthur Ungnad und dem Ägyptologen Hermann Ranke zusammen. Im Hinblick auf den Babel-Bibel-Streit ist bemerkenswert, dass Greßmann im Vorwort zu seinen „Altorientalischen Texten und Bildern“ aus dem Jahr 1909 zwar nicht explizit auf die von Friedrich Delitzsch ausgelöste Debatte einging, aber betonte, dass ihm als Herausgeber und seinen Mitarbeitern wichtig gewesen sei, die Gesichtspunkte der Objektivität und der Zuverlässigkeit in erster Linie walten zu lassen […] Alle Hypothesen und Konstruktionen sind nach Möglichkeit, oft zu eigenem Bedauern, unterdrückt worden, um das rein sachliche Interesse nicht zu verletzen.17 Im Kern erweist sich Greßmann mit diesem Programm einer sachlichen, auf der Philologie gründenden Beschäftigung mit den Religionen und Literaturen des Vorderen Orients als Schüler seines Lehrers Hermann Gunkel.18 Gunkel sieht die Aufgabe des Alttestamentlers darin, die Texte selbst zum Sprechen zu bringen; weitergehende Hypothesenbildung war ihm fremd. Diese Grundeinstellung kommt in Gunkels bekanntem und oft zitiertem Diktum zum Ausdruck, in dem er die alttestamentlichen Texte als „hohe Herren“ bezeichnet, „die man nicht anredet“, sondern bei denen man „wartet, bis sie selber reden“.19 Das von Greßmann im Jahr 1909 formulierte Programm einer sachlichen Beschäftigung mit religionsgeschichtlichen Fragestellungen war im Jahr seiner Ver15

Für die Ägyptologie vgl. Schipper 2006. Greßmann 1909b, III. 17 Ebd. 18 Bemerkenswert ist, dass für Greßmann nicht nur „völlige Objektivität“, sondern auch „tiefe Versenkung in den Stoff“ wichtig waren. Zu Greßmanns entwicklungsgeschichtlichem Religionsverständnis vgl. Witte 2018, 111 (dort auch das Zitat von Greßmann). 19 Der originale Wortlaut ist: „Texte sind hohe Herren, die redet man nicht an, sondern wartet, bis sie selber reden.“ Zitiert nach Baumgartner 1963, 14. 16

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öffentlichung noch nicht mehrheitsfähig. Greßmann selbst hatte 1910 in ZAW 30 einen Aufsatz über „Sage und Geschichte in den Patriarchenerzählungen“ veröffentlicht, in dem er auf babylonisches Vergleichsmaterial einging. Für die ZAW galt jedoch, was August Freiherr von Gall in ZAW 27 (1907) in einem Nachruf auf den Herausgeber Bernhard Stade betonte: „Das nüchterne und besonnene Urteil Stades zeigt sich auch in der Ablehnung des augenblicklich in so vielen Köpfen spukenden Panbabylonismus.“20 Mit dem Stichwort „Panbabylonismus“ griff Gall einen Begriff auf, den der Assyriologe Hugo Winckler geprägt hatte.21 Winckler verband mit dem Wort „Panbabylonismus“ eine historische Entwicklungslinie, bei der von einem erheblichen Einfluss der assyrisch-babylonischen Kultur auf das Alte Testament ausgegangen wurde. Alfred Jeremias fasste in einem Lexikonartikel in der 2. Auflage der „Religion in Geschichte und Gegenwart“ aus dem Jahr 1930 die Position so zusammen, dass die sumerisch-babylonische Geisteskultur die „Grundlage der Weltanschauung und Mythologie aller Völker“ sei.22 Auch wenn der „Panbabylonismus“ vom „Babel-Bibel-Streit“ deutlich zu unterscheiden ist,23 wurde er doch direkt mit diesem verbunden. So schrieb beispielsweise der Redakteur des Berliner Tageblatts, Friedrich Dernburg, im Januar 1903:24 Redet man von Panbabylonismus – das barbarische Wort ist eine Prägung der Gelehrten – so denkt der gelehrte Leser sofort an Professor Delitzsch, an seine Vorträge über Babel und Bibel, an die Anwesenheit des Kaiserpaares dabei, an die Aufregung, die sich darüber in allen konfessionellen Lagern erhoben hat, an das, was Zeitungen und Privatpersonen Kluges oder Dummes darüber gesagt haben. Insofern verwendete August von Gall in seinem Nachruf auf Stade aus dem Jahr 1907 mit dem Wort „Panbabylonismus“ geradezu einen Kampfbegriff der Zeit. Angesichts dessen verwundert es nicht, dass nach Stades Tod im Jahr 1906 die Herausgeberschaft der ZAW nicht einem Vertreter der religionsgeschichtlichen Schule übertragen wurde, sondern dem Schweizer Karl Marti. Marti war ein Anhänger Wellhausens und trug erheblich zur Verbreitung von dessen Thesen in der Schweiz bei.25 Dementsprechend findet sich in den 1910er Jahren der ZAW kaum Religionsgeschichtliches, und wenn, dann nur zu den neuen Funden auf der ägyptischen Nilinsel Elephantine, aber so gut wie nichts zu babylonischen Parallelen zum Alten Testament.26 Letztlich nahm Marti nur das auf, was sich nicht 20

Von Gall 1907, XIII. Vgl. zum Folgenden Schipper 2008, 227. 22 Jeremias 1930, 879. 23 Vgl. Lehmann 1994, 38. 24 Dernburg 1903b, 1. Beiblatt. 25 Dazu Smend 2017, 482. 26 Vgl. dazu die Beiträge von J.N. Epstein und M. Seidel in ZAW 32, 1910, 128–145, 292– 21

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vermeiden ließ, und dazu gehörte die bahnbrechende Entdeckung eines aramäischen Papyrusarchivs auf Elephantine.27 Marti hatte gegenüber Gunkel, Greßmann und der religionsgeschichtlichen Schule große Vorbehalte, die er in seiner berühmt gewordenen Berner Rektoratsrede über „Stand und Aufgabe der alttestamentlichen Wissenschaft in der Gegenwart“ vom 25. November 1911 auch deutlich zum Ausdruck brachte.28 Darin zog er eine direkte Verbindungslinie zwischen dem Babel-Bibel-Streit, dem Panbabylonismus und den Vertretern der religionsgeschichtlichen Schule. Marti ging zunächst auf Friedrich Delitzsch’ Vortrag „Babel und Bibel“ vom 13. Januar 1902 ein, um dann auf die Folgen für die alttestamentliche Wissenschaft zu sprechen zu kommen:29 So mündet der reine Panbabylonismus in die andre Hauptrichtung aus, die ich den modifizierten nennen möchte, der Babylon wohl den Löwenanteil belässt, aber auch die andern Völker des Orients herbeizieht zur Erklärung der Geschichte des Volkes und der Religion des Alten Testaments. […] Dieser Art eines modifizierten Panbabylonismus sind schon so ausgezeichnete Forscher zum Opfer gefallen wie unser berühmter Genfer Landsmann EDUARD NAVILLE und der bekannte Giessener Alttestamentler HERM. GUNKEL. Martis Hauptvorwurf war, dass Gunkel meinte, von „literarischen Vergleichungen“ mit altorientalischen Texten „die in genauer historisch-philologischer Kritik gewonnenen Resultate der alttestamentlichen Wissenschaft korrigieren zu können.“30 Damit gab sich Marti einmal mehr als Anhänger der WellhausenSchule zu erkennen. In der Folge bezieht Marti deutlich Position gegen die Vertreter des religionsgeschichtlichen Ansatzes, ohne freilich Hugo Greßmann oder andere namentlich zu nennen. Er spricht nur von Gunkel und denjenigen, „die um ihn sind“.31 Die Abgrenzung von der religionsgeschichtlichen Schule prägte auch Martis Herausgeberschaft. Ihm ging es, wie in seinem Geleitwort zum hundertsten Heft der ZAW im Jahr 1921 deutlich wird, um die Literaturgeschichte des Alten Testaments, um die Forschung zum Pentateuch, zur Prophetie und der poetischen Literatur, namentlich der Psalmen.32 Daneben war ihm der Beitrag der ZAW für die Erforschung des Neuen Testaments und der christlichen Kirche wichtig. Für Marti stand die Bedeutung des Alten Testaments für die zentralen theologischen Fragen 298; ZAW 33, 1911, 128–150, 222–235, 310–312 sowie E. König in ZAW 35, 1915. 27 Vgl. dazu den Grabungsbericht von Rubensohn/Zucker 1909. 28 Vgl. Marti 1912. Auszüge der Rektoratsrede finden sich bei Kraus 1969, 314. 29 Marti 1912, 22, Hervorhebungen im Original. 30 Ebd., 23. 31 Ebd. 32 Vgl. zum Folgenden Marti 1921a, 105.

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im Vordergrund, wie etwa „die Frage der Eschatologie, die Frage nach der Bedeutung des zentralen Dogmas der Lehre der Rechtfertigung aus dem Glauben und die Frage der Entstehung des Christentums“33. Es mag kein Zufall sein, dass Martis Vorwort im gleichen Jahr erschien wie die zweite Auflage von Karl Barths Römerbriefkommentar, der zum Wegbereiter der Wort-Gottes-Theologie werden sollte. Marti schrieb die zitierten Worte, wie Rudolf Smend betonte,34 am gleichen Tag, dem 21. September 1921, als Karl Barth im nur 60 km entfernten Basel das Vorwort zu seinem Römerbriefkommentar vollendete. Insofern erstaunt Martis Interesse an dezidiert theologischen Fragestellungen und den großen Themen der evangelischen Dogmatik wie Eschatologie und Rechtfertigung nicht. Es waren Themen, die in der wissenschaftlichen Theologie seiner Zeit in der Luft lagen. Hugo Greßmann und die Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Vor dem Hintergrund von Karl Martis Ausführungen aus dem Jahr 1921 wird der Umbruch, der mit dem Namen Hugo Greßmann verbunden ist, deutlich. Denn Greßmanns Übernahme der Herausgeberschaft der ZAW im Jahr 1923 – und damit nur zwei Jahre nach Martis Ausführungen von 1921 – führte zu einer grundlegenden Neuausrichtung: „Auf das literarkritische ist das vorderorientalische Zeitalter gefolgt.“ So formulierte es Greßmann in einem programmatischen Aufsatz in ZAW 42 (1924).35 Es ging ihm um nicht weniger als um einen Epochenwechsel in der alttestamentlichen Wissenschaft. Für Hugo Greßmann war die Stunde gekommen, das Programm der religionsgeschichtlichen Schule, das er bereits in seinen „Altorientalischen Texten und Bildern“ aus dem Jahr 1909 vertreten hatte, nun auf breiter Front umzusetzen. Angesichts der unterschiedlichen Positionen stellt sich die Frage nach den Gründen für diesen Richtungswechsel. Betrachtet man die Lage der ZAW in jener Zeit, so liegt der Schluss nahe, dass der vom Verlag und dem scheidenden Herausgeber Karl Marti vollzogene Herausgeberwechsel kaum eine bewusste Richtungsentscheidung war. Die Zeitschrift hatte durch den 1. Weltkrieg und dessen Folgen stark gelitten. Die wirtschaftliche Lage war desolat, so dass die Zeitschrift unregelmäßig erschien. Die Zahl der ausländischen Abonnenten war stark zurückgegangen;36 aus finanziellen Gründen mussten zwei Jahrgänge zu einem zusammengefasst werden. Karl Marti schrieb in seiner Einführung zum Doppeljahrgang 1919/20 von den „schweren Zeiten“ der ZAW und betonte: „Die Preise für Druck und Papier sind ins ungemessene gestiegen“, so dass auch der Preis für die Abnehmer erhöht werden musste.37 33

Ebd. Smend 1988, 8. 35 Vgl. Greßmann 1924, 8–9. 36 Vgl. dazu auch Gebauer 2020, 182. 37 Marti 1919/20, 1. Die von Marti genannten Probleme hatten auch andere Fachzeitschriften wie etwa die Theologische Revue, vgl. Meinertz 1955, Sp. 1; vgl. auch Conrad 2006, 34

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In dem von Sascha Gebauer bearbeiteten Briefwechsel zwischen Hugo Greßmann und seinem Lehrer Hermann Gunkel findet sich ein Brief, in dem Greßmann über den Herausgeberwechsel berichtet. Er wurde, so Greßmann, von dem Verleger Alfred Töpelmann selbst angefragt, da dieser die Notwendigkeit sah, die ZAW auf ein neues Fundament zu stellen. Sie solle stärker international ausgerichtet werden, wozu Greßmann besonders in der Lage schien. Dieser hatte den Ruf auf die Nachfolge Gunkels in Gießen abgelehnt und wurde 1921 zum ordentlichen Professor an der Berliner theologischen Fakultät ernannt.38 Mit der Übernahme des von Hermann Leberecht Strack gegründeten Berliner Institutum Judaicum (1923) vollzog Greßmann den Wandel weg von einer Judenmission, wie sie etwa ein halbes Jahrhundert zuvor von dem Alttestamentler Franz Delitzsch – dem Vater von Friedrich Delitzsch – vertreten wurde, hin zu einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Judentum. Greßmann lud dazu bedeutende jüdische Gelehrte seiner Zeit nach Berlin ein, wie etwa Ismar Elbogen, Michael Guttmann oder Leo Baeck.39 Zudem hatte Greßmann durch seine Veröffentlichungen, allen voran die zum Standardwerk gewordenen „Altorientalische Texte und Bilder zum Alten Testamente“ aus dem Jahr 1909, eine wichtige Position im Fach erlangt, die ihm auch auf internationalem Parkett große Anerkennung bescherte.40 Ausdruck dessen ist die Einladung als Gastprofessor an das 1922 von Rabbi Stephen S. Wise gegründete Jewish Institute of Religion in New York. Greßmann war der erste ausländische nicht-jüdische Wissenschaftler, dem diese Ehre zuteilwurde.41 Dem Verleger Töpelmann und dem scheidenden Herausgeber Marti war daran gelegen, dass die ZAW neu belebt wurde. Hinzu kam, dass der religionsgeschichtliche Ansatz von Greßmann, Gunkel und anderen mittlerweile salonfähig geworden war. So betonte der Greifswalder Alttestamentler Rudolf Kittel in einem Vortrag auf dem ersten Orientalistentag in Leipzig im Jahr 1921: [M]it Ruhe überblickt, kann man schwer verstehen, was eigentlich an diesem Programm an sich zu beanstanden und zu bekämpfen gewesen wäre, sobald seine Vertreter selbst es sachlich aufstellten und handhabten.42 Kittel unterteilte in seinem Vortrag die alttestamentliche Forschung seiner Zeit in drei Schulen, die von Wellhausen geprägte literarkritische Schule, die von Gun347–351. 38 Greßmann gibt in einem Brief an Gunkel vom 31. Juli 1920 die räumliche Nähe zu den Sammlungen vorderasiatischer und ägyptischer Kunst in den Berliner Museen an, die ihn dazu bewogen hat, in Berlin zu bleiben, vgl. dazu Welten 1989, 347 und Witte 2018, 110. 39 Vgl. dazu Gebauer 2020, 170–177. 40 Vgl. dazu die Ausführungen des britischen Alttestamentlers Theodore H. Robinson in der von ihm formulierten „Beileidskundgebung der Society for Old Testament Study“; Robinson 1927, V. 41 Smend 2017, 567. 42 Kittel 1921, 87.

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kel und Greßmann bestimmte religionsgeschichtliche Schule und die von ihm selbst bestimmte historische Schule.43 Letztere wurde über Gelehrte wie Albrecht Alt und Martin Noth genauso wirkungsvoll wie die beiden anderen Schulen.44 Für Kittel stand außer Frage, dass es an der Zeit war für eine neue Herangehensweise: „Das verflossene Zeitalter ist das der Literarkritik.“45 Damit sprach er aus, was Greßmann auch dachte. Insofern nahm Hugo Greßmann die Anfragen des Verlegers Töpelmann und des Herausgebers Marti zunächst mit Verwunderung und dann mit Genugtuung zur Kenntnis. Er schrieb am 27. Dezember 1923 an Gunkel:46 Für mich versteht es sich natürlich von selbst, daß die Zeitschrift kein Organ einer einzelnen Richtung, sondern aller Richtungen sein muß und (wieder) die Führung in der gesamten alttest[amentlichen] Wissenschaft erringen muß. Dies entsprach ganz dem Anliegen Karl Martis, der in seinem zusammen mit Greßmann verfassten Geleitwort zum Wechsel der Herausgeberschaft betonte, die ZAW dürfe „nicht persönlichen Liebhabereien dienen, bei denen die Person eine größere Rolle als die Sache zu spielen pflegt, noch in einseitigen Richtungen sich verlieren […].“47 Die Sorge Martis, dass Greßmann seine eigene Position fortan zum Programm der ZAW machen würde, war nicht unbegründet. In dem genannten Brief an Gunkel folgt auf den eben zitierten Satz, dass die ZAW kein Organ einer einzelnen Richtung sein dürfe, die Aussage Hugo Greßmanns:48 Es ist Ehrensache, daß jetzt – wo die Literarkritiker abgewirtschaftet haben – wir zeigen, was wir können. 43 Kittel spricht von der Gruppe, „die sich bemüht, das Wertvolle am Erbe der älteren in Synagoge und Kirche überlieferten Auffassung zu erhalten und zu vertiefen“, vgl. Kittel 1921, 86–87 und dazu die ausführliche Analyse bei Smend 2000, 261–264. 44 Besonders Martin Noth prägte das Fach in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wie kein anderer. Dies wird beispielsweise in den autobiographischen Skizzen von Rudolf Smend, Horst Seebass, Manfred Metzger, Henning Graf Reventlow und anderen deutlich, vgl. dazu die entsprechenden Beiträge in Grätz/Schipper 2007. 45 Kittel 1921, 91. Marti selbst betonte in seinem im selben Heft der ZAW veröffentlichten Rückblick auf die „Tagung der alttestamentlichen Forscher in Leipzig am 19. September 1921“ hingegen das Verbindende und meinte, dass es „eine fast einhellige Zustimmung zu den von KITTEL aufgestellten theologisch-religiösen Zielen der alttestamentlichen Wissenschaft“ gegeben habe (Marti 1921b, 111, Hervorhebung im Original). 46 Greßmann an Gunkel, 27.12.1923, ULB Halle, Yi 33 I G 270, zitiert nach Gebauer 2020, 185. 47 Marti/Greßmann 1923, VI. 48 Greßmann an Gunkel, 27.12.1923, ULB Halle, YI 33 I G 270, zitiert nach Gebauer 2020, 185.

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Und Greßmann fuhr fort: Ein anderes Gepräge soll die Z[eitschrift für die] A[lt]T[estamentliche] W[issenschaft] und muß sie durch uns erhalten; das wird wohl ganz von selbst geschehen, da mir neulich ein Kollege sagte: die Rel[igions]gesch[ichtler] haben die ganze Produktion im A[lten] T[estament] „an sich gerissen“ – als ob das unser freie Wille gewesen wäre! Die (offiziellen) Gründe des Redaktionswechsels sind die wirtschaftlichen Schwierigkeiten; eine Herausgabe im Ausland ist bei dem zu teuren Porto unmöglich. Die wirklichen Gründe liegen doch in der Unfähigkeit Martis oder in den für ihn besonders ungünstigen Verhältnissen, die Fachgenossen heranzuziehen. Ein Redaktor muß das Vertrauen aller haben, und ich bitte Dich an Deinem Teile mitzuhelfen. Hugo Greßmann war nie um ein klares Wort verlegen, was ihm nicht viele Freunde in der Zunft eingebracht hatte.49 Legendär ist sein Brief über die Berliner theologische Fakultät, in dem er sein halbes Kollegium als „Mummelgreise“ bezeichnete und hinzufügte, diese hätten Schaden daran genommen, dass sie in jungen Jahren nach Berlin berufen wurden – ein Glück, wie Greßmann voller Ironie schrieb, „das ich niemandem wünsche“.50 Für Greßmann war mit dem Herausgeberwechsel die Stunde gekommen, dem religionsgeschichtlichen Ansatz mit der Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft eine eigene Plattform zu geben. Dies liest sich freilich im Geleitwort zur ZAW anders als in den persönlichen Briefen an Gunkel. Was Greßmann dachte und wie er die ZAW fortan inhaltlich ausrichten wollte, wird in einem Brief an seinen Lehrer vom 13. Januar 1924 deutlich:51 Ich muß natürlich Parität wahren und die Vertreter der Literarkritik zu Wort kommen lassen – den Schwätzer Eduard König schließe ich selbstverständlich aus – aber Männer wie Budde, Hölscher + Genossen kann ich nicht mundtot machen. Die Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft und der Babel-Bibel-Streit Als Greßmann die Herausgeberschaft der ZAW übernahm, ging er zunächst pragmatisch vor. Er handelte mit dem Verleger Töpelmann aus, dass dieser 500 Reichsmark als Sicherheit hinterlegte, um zwei Jahrgänge der ZAW abzusichern. 49

Vgl. dazu auch Smend 2017, 567, der Greßmann charakterisierte als „stets zum Streit bereit“. Julius Wellhausen sprach in einem seiner Briefe schlicht vom „derbe(n) Greßmann“, Smend 2013, 630. 50 Greßmanns Familienrundbrief datiert auf den 26.10.1908 und ist bei Klatt 1969, 44 abgedruckt. 51 Greßmann an Gunkel, 13.01.1924, ULB Halle, Yi 33 I G 271, zitiert nach Gebauer 2020, 189.

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Die Beteiligten ahnten freilich nicht, dass Greßmanns Herausgeberschaft nur vier Jahre währen sollte. Hugo Greßmann starb 1927 im Alter von nur 50 Jahren auf einer Vortragsreise in den USA.52 Die vier Jahre von Greßmanns Herausgeberschaft waren für die ZAW eine Blütephase. Verglichen mit den 17 Jahren davor unter Marti und den auf Greßmann folgenden 32 Jahren unter Johannes Hempel erscheinen die GreßmannJahre der ZAW als ein „Turning Point“, wie es der britische Alttestamentler Theodore H. Robinson später schrieb.53 Greßmann erweiterte den Titel der Zeitschrift, so dass diese nun hieß: „Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft und die Kunde des nachbiblischen Judentums“.54 In einem Brief vom 17. April 1924 an seinen Lehrer Gunkel schrieb er über das von ihm konzipierte erste Heft:55 Für das 1. Heft ist charakteristisch die Mitarbeit 1) von Forschern aus Deutschland, England, Amerika, Holland + der Schweiz 2) von Literarkritikern (Fullerton), Orthodoxen (Böhl, Caspari) und Religionsgeschichtlern. Im 2. Heft des Jahrgangs 1924 veröffentlichte Greßmann einen programmatischen Aufsatz, der in mehrfacher Hinsicht bedeutungsvoll war – eine Abhandlung über „Die neugefundene Lehre des Amenemope und die vorexilische Spruchdichtung Israels“ (ZAW 42, 1924, 272–296). Greßmann hatte durch seinen Berliner Kollegen, den Ägyptologen Adolf Erman, von einem Vortrag gehört, den Erman am 1. Mai 1924 vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften gehalten hatte.56 In dem Vortrag mit dem Titel „Eine ägyptische Quelle der Sprüche Salomos“ führte Erman den Nachweis, dass eine Passage des alttestamentlichen Buches der Proverbien in einem direkten literarischen Verhältnis zur ägyptischen Lehre des Amenemope steht.57 In seinem Aufsatz in der ZAW 42, vollendet am 23. Oktober 1924, führte Greßmann die Überlegungen Ermans fort und entwickelte, frei von jeder Polemik, 52 Bei einem Aufenthalt in Chicago erkrankte Greßmann am 31. März 1927 an einer Lungenentzündung, an der er am 7. April starb, vgl. Smend 2017, 567. 53 Robinson 1927, V; vgl. auch Sellin 1927, XVII, der davon sprach, dass Greßmann die ZAW aus einem „Dornrößchenschlaf“ geweckt habe. 54 Vgl. dazu Weber 1998, 199. 55 Greßmann an Gunkel, 17.04.1924, ULB Halle, Yi 33 G 275, zitiert nach Gebauer 2020, 191. 56 Ermans Arbeit erschien zunächst in den Sitzungsberichten der Preußischen Akademie der Wissenschaften und ist wiederabgedruckt in Erman 1986, 330–346. – Aus demselben Jahr stammt auch eine deutsche Übersetzung Ermans, veröffentlicht in der Orientalistischen Literaturzeitung: Erman 1924. 57 Erman war über seinen britischen Kollegen Ernest Wallis Budge auf die ägyptische Weisheitslehre aufmerksam geworden. Budge hatte bereits 1922 einen Artikel zum Thema in der Gedenkschrift für Champollion veröffentlicht und 1923 eine Textausgabe publiziert (Budge 1923).

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wegweisende Thesen zur Geschichte der alttestamentlichen Weisheitsliteratur und zur Kompositionsgeschichte des Sprüchebuches.58 Greßmanns Artikel zog zahlreiche Studien nach sich, Monographien und Aufsätze, die den Sensationsfund von allen Seiten untersuchten und bewerteten.59 Dabei zeigt sich, fasst man die umfangreiche Diskussion in zwei Sätzen zusammen, ein interessantes Phänomen. In der Beschäftigung mit der nicht wegzudiskutierenden inhaltlichen Nähe zwischen Sprüche 22,17–23,11 und der ägyptischen Lehre des Amenemope wird genau das Gegenüber von religionsgeschichtlicher und theologischer Fragestellung deutlich, welches die alttestamentliche Wissenschaft bestimmte. Auf der einen Seite waren die Forscher, die sich das Programm der religionsgeschichtlichen Methode zu eigen machten und nach altorientalischen und ägyptischen Parallelen zum Alten Testament suchten. Auf der anderen Seite standen jene Forscher, die in der Nähe zwischen der alttestamentlichen und altorientalischen Weisheit ein theologisches Problem sahen, das bereits im Babel-Bibel-Streit deutlich wurde. Wo bleibt der Offenbarungscharakter der Heiligen Schrift, wenn das Alte Testament in Teilen nicht nur der altorientalischen Literatur nahesteht, sondern womöglich sogar auf dieser basiert?60 Die Lösung bestand darin, nun innerhalb des Alten Testaments eine Trennlinie zu ziehen. Die Weisheit Israels wurde kurzerhand zum „Fremdkörper“ deklariert, denn was dem Alten Orient nahestand, musste dem theologischen Kern des Alten Testaments fern sein. So betonte Hartmut Gese im Jahr 1958 mit Bezug auf Walter Baumgartners Studie aus dem Jahr 1933: „Es ist anerkannt, daß die Lehre der Weisheit in der Welt des Alten Testaments einen Fremdkörper darstellt.“61 Schluss Wenn man nach den Auswirkungen des Babel-Bibel-Streites für die alttestamentliche Wissenschaft fragt und dafür deren bedeutendstes Publikationsorgan, die Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, heranzieht, dann können fünf Punkte thesenhaft festgehalten werden. 1. Eine direkte Auswirkung des Babel-Bibel-Streites findet sich in der ZAW nicht. In gewisser Weise erforderte dies auch keine besondere Anstrengung der Herausgeber. Man machte einfach so weiter wie bisher, denn die 58

Vor seinem Aufsatz in der ZAW veröffentlichte Greßmann einen populärwissenschaftlichen Artikel über „Ägypten im Alten Testament“, Vossische Zeitung 294 vom 22. Juni 1924, 2–3. 59 Vgl. dazu den forschungsgeschichtlichen Überblick bei Schipper 2005, 53–58. 60 Die Debatte über das Verhältnis von Religionsgeschichte und Theologie des Alten Testaments findet sich auch in der Kontroverse zwischen Ludwig Köhler, Emil Brunner und Hugo Greßmann aus dem Jahr 1926 über die Interpretation der Sündenfallgeschichte; vgl. Schmid 2008, 335–355 und zu den Positionen Eissfeldt 1926, 1–12. 61 Gese 1958, 2; vgl. auch Preuß 1987, 186–187; Baumgartner 1933 und zur forschungsgeschichtlichen Einordnung Schipper 2018, 3.

„Auf das literarkritische ist das vorderorientalische Zeitalter gefolgt.“

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ZAW war seit ihren Anfängen im Jahr 1881 literargeschichtlich ausgerichtet. 2. Als im Jahr 1906 ein Herausgeberwechsel anstand, entschied man sich bewusst gegen einen Vertreter der religionsgeschichtlichen Schule, um auch hier weiterzumachen wie bisher – mit einem Alttestamentler wie Karl Marti, der das literarkritische Paradigma fortführte. Der Wandel im Fach ließ sich jedoch nicht aufhalten, so dass 1923 mit Hugo Greßmann ein Vertreter der religionsgeschichtlichen Methode die Herausgeberschaft der ZAW übernahm – zwei Jahre nachdem Friedrich Delitzsch die sechste Ausgabe seiner Ausführungen über Babel und Bibel veröffentlicht hatte und ein Jahr nach seinem Tod. 3. Wie schon Stade und Marti zuvor nutzte auch Greßmann die Herausgeberschaft zur Steuerung des fachwissenschaftlichen Diskurses seiner Zeit. Ihm ging es um die Etablierung der religionsgeschichtlichen Fragestellung, um so das seit Julius Wellhausen prominente „literarkritische Zeitalter“, wie er es formulierte, abzulösen. Mit seinem programmatischen Aufsatz über die von Erman so bezeichnete „ägyptische Quelle der Sprüche Salomos“, den Greßmann ein Jahr nach der Übernahme der Herausgeberschaft veröffentlichte, stieß er jedoch eine Debatte an, an deren Ende das Pendel in eine Richtung ausschlug, die Greßmann selbst am wenigsten wollte. Die Mehrheit der deutschsprachigen alttestamentlichen Forschung verfolgte eine dezidiert theologische Fragestellung und zog nun die Trennlinie innerhalb des Alten Testaments selbst. Die Weisheit Israels wurde zum Fremdkörper erklärt, da sie nichts für die zentralen Themen der alttestamentlichen Theologie wie Bund, Volk oder Geschichte austrage. 4. Es ist eine bittere Note der Forschungsgeschichte, dass Greßmanns Nachfolger in der Herausgeberschaft, der Berliner Alttestamentler Johannes Hempel, mit seiner antisemitischen Einstellung und seiner Sympathie für die völkische Frage ausgerechnet ein Erbe des späten Friedrich Delitzsch aufgriff.62 Jüdische Wissenschaftler wurden ausgegrenzt und die von Greßmann vollzogene Titelerweiterung der Zeitschrift um „die Kunde des nachbiblischen Judentums“ rückgängig gemacht.63 Die Folgen für die Zeitschrift waren dramatisch und es brauchte viele Jahre, um das verlorengegangene Vertrauen in die Neutralität und Wissenschaftlichkeit der

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Als Hempel 1937 von Göttingen nach Berlin berufen wurde, engagierte er sich nicht nur fachlich, sondern auch politisch, was bedeutete, die Arbeit am Alten Testament in den Dienst der nationalsozialistischen Ideologie zu stellen; vgl. Weber 1998, 204–206. 63 Vgl. dazu auch Witte 2018, 115 mit Anm. 41. Hempel gehörte 1933 zu den Unterzeichnern des „Bekenntnis(ses) der Professoren an deutschen Hochschulen und Universitäten zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“.

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ZAW wiederherzustellen.64 5. Und zuletzt: Fragt man nach den Auswirkungen des Babel-Bibel-Streites auf die alttestamentliche Wissenschaft, so kann man zu Rudolf Kittels Ausführungen „Zum Stand der alttestamentlichen Wissenschaft“ aus dem Jahr 1921 zurückkehren. Für Kittel lag auf der Hand, dass die „Arbeit des Spatens und der Altertumskunde“ den eigentlichen „Anstoß zur Erneuerung unserer Wissenschaft gegeben“ hat.65 Durch die Archäologie und die Beschäftigung mit den altorientalischen Kulturen wurde der alttestamentlichen Wissenschaft eine neue Aufgabe gegeben, die bis heute nachwirkt und sich gerade in jüngerer Zeit wieder neuer Zustimmung erfreut.66

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Vgl. Weber 1998, 193. Kittel 1921, 87 und Smend 2000, 266. 66 Es ist ein Faktum, dass die großen Umbrüche im Fach durch außerbiblisches Material hervorgerufen wurden, seien es die Archäologie, die 1947 entdeckten Schriftrollen vom Toten Meer (Qumran) oder religionsgeschichtliche Fragestellungen. Vgl. zu alttestamentlichen Perspektiven aus dem Babel-Bibel-Streit Liwak 2013, 27–33. 65

The Paradoxical After-life of the Babel-Bible Controversy Yaacov Shavit

In February 1903, Shimon Menachem Lazar (1864–1932), a Galician journalist and biblical scholar, wrote in a Hebrew-language newspaper about the “BB Streit,” There, in the valley of northern Germany, on the Spree River, a second Tower of Babel [Babylon] was built, its head in heaven, from which the wise men of Ashkenaz [Germany] could wage a battle against the holiness of the Hebrew Bible and the influence of Shem on the world. I find it remarkable that Lazar chose to compare Berlin to the Tower of the Babel rather than to the Babylon of Revelation 17, where Babylon is described as “Babilon the great, the mother of whores, and of earth’s abomination.” I cannot tell whether Lazar was familiar with the long history of Babylon as an archetype from Augustine to Luther; who used the name “Babylon” to allude to the Roman Catholic Church, but he certainly knew that in the Wilhelminian era, the image of Babylon had evolved and that Berlin had become the epicenter of German fascination with Babylon [and Assyria].1 In any event, from Lazar’s perspective, and that of his fellow Jews, Berlin was seen as a source of great evil, to paraphrase Jeremiah 1:14, “out of Berlin disaster shall break forth” (or in the King James translation: “out of Berlin an evil shall break forth”). The “evil” associated with Berlin by Lazar referred to an immediate threat to the status of the Bible (the Old Testament), and thus to Judaism. Berlin became a new “Tower of Babel,” spreading a modern version of anti-Judaism [adversus Judaeos]; this time disseminated by “scholars” rather than by theologians and clerics. Not everyone shared this view. For example, at a Jewish assembly which convened in Berlin in January 1903, one speaker asserted that people had over-reacted to “only helped fuel Delitzsch’s pseudo-scientific megalomania”. The GermanFrench Jewish Assyriologist Julius Oppert commented sarcastically that the sensation generated by Delitzsch’s lectures was, in fact, the result of “the narrowmindedness of the German public.” Some respondents mocked Delitzsch’s theory as mere “soap bubbles,” adding that his theory had been “blown away by scientific criticism and vanished.” One American Rabbi asserted that Delitzsch was attempting to provide the Germans “with an archaeological Krupp gun for the use of anti-Semitism,” while another suggested that there is no reason to get upset * Much of what is written here relies on Shavit and Eran 2007, 205–232. Therefore, I did not make many references here. 1 Polaschegg/Weichenhan 2017.

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because the polemic would quickly be forgotten, just as it happened with previous attempts to detract from the Bible its greatness. There was no need to be concerned about it since: “Babel is dead, and her gods have fallen and her monuments have crumbled into dust, Israel’s God lives and will outlive all his cursers.” However, many felt that Delitzsch’s lectures should not be allowed to pass without notice, partly because the Kaiser had temporarily extended his patronage to him. Jews’ reactions to pan-Babylonism in general, and Delitzsch’s lectures, in particular, hardly feature in the scholarly literature of (Jewish studies), or, more accurately, in the literature on the intellectual history of German Jewry during the period under discussion. However, at that time, early 20th century Jews were quick to dispute the documentary hypothesis, which, to quote Ludwig Phillipson already in 1875, “tore the Bible into shreds” – and continues to do so to this day. In some Jewish circles, Julius Wellhausen (and “his school”), not Delitzsch, was and still is presented as the arch-enemy of the Bible. On the other hand, Jews’ response to pan-Babylonism, and particularly to Delitzsch, the “Apostole der neubabylonische Religion,” was indeed extraordinarily heated, but it was, nevertheless, a short-lived affair that soon faded away. Given the above, two questions come to mind: First, why did Delitzsch’s three lectures provoke such a flood of reactions, with people considering them an attack against the Bible and equating the need to refute them to fulfilling the commandment to sanctify God’s name, even to the point of martyrdom (kiddush HaShem) Moreover, why did this particular debate become such a public affair – or even an event – that it transformed the scholarly world into a world of pamphlets and journalism? The Orthodox historian Zeev Yavetz wrote that the debate made its way into Eastern European coffee houses and was taken up by “the coffee-drinking maskilim, who draw their wisdom from the press, morning and evening, [and] rise from their seats in the taverns, clapping their hands loudly enough to make the earth tremble.” Literature concerning the influence exerted in antiquity by various cultures, such as that of Pharaonic Egypt, Canaanite Ugarit, and Persia on the religion and culture of the Israelites had already emerged and began to proliferate in the eighteenth and, mainly, the nineteenth centuries; these theories found their way into Jewish literature as well, and their assertions were regarded as radical and even heretical but did not provoke the same type of furor. Why, then, the furious response to Delitzsch? The second question is why, following its brief ascendance, did this stormy debate not have an afterlife. Instead, as we will see, some of Delitzsch’s views were accepted by believing Jews. Concerning the first question, from the Jewish point of view, it was, on the one hand, a debate between “Jews” and “Christians” and “new Pagans,” and, on the other hand, a debate within the Jewish public. In the latter case, the reactions to Delitzsch’s theory reflected the religious, cultural, and ideological schism within Jewish society in Germany, and elsewhere. In other words, the Jewish polemic

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was conducted both “within and without,” both as a dialogue with German (and, more broadly, European) theology and scholarship, and internally, among the various currents of 19th century Jewry. From the Jewish perspective, this new “attack” (Angriff ) against the Bible was different from the traditional theological Christian polemic. Delitzsch’s aim was not to Christianize the Bible, but, in the words of Eduard Köning, the Babelysierung der Bibel. This radical Angriff surfaced at a time when the Bible became, for a particular segment of Jews, almost a sola scriptura; the text that modeled and formed their identity and constituted Judaism’s significant assets and heritage, the foundation of their world view and values, and it represented their contribution to humankind. (Heine declared that “wie Luther das Papsthum, so stürzte Mendelssohn den Talmud.”) Indeed, in the 19th century, the (Hebrew) Bible became more than the “Torah” or a code of laws; it became a compendium of theology and political ideas. In Goethe’s words, it offered material for reflection on human affairs, becoming a cultural Bible and historical Bible, and, no less important, from a liberal Jewish point of view, a “common property, shared by Jews and Christians.” Delitzsch’s lectures were perceived as a deliberate and malicious attempt to deprive Judaism and Jews of their most precious asset – carried out not by theologians, but by scholars who employed the new and prestigious disciplines of historical-philology and archeology to attack the Jews. Delitzsch’s anti-Judaism was not directed neither against the Talmud and rabbinical Judaism nor against the Judaism of the Second Temple period, but against “biblical Judaism.” What was so astounding and dangerous in the opinions that Delitzsch expounded in his three lectures? It was not the assertion that foundational elements of ancient Israel’s religion and culture, such as omnipotent God and the revealed Mosaic laws, were borrowed from Mesopotamia? Indeed, this was partly the case, but what was more worrying were the anti-Jewish and racial elements in the second and third lectures, in which Delitzsch crossed the line separating philological-historical discussion about cultural parallels and influences to value-laden arguments on moral superiority, and, as a result, instead of Babel und Bibel, or the Bible in light of Babel, the debate became one of Babel gegen Bibel. This was not a matter of tracing the influence of Mesopotamian literature on the Bible, because Delitzsch now maintained that the Bible had distorted the content of the former. Instead of a humane worldview and benevolent values, the God of Israel, he asserted, was a god of [insatiable] anger. From a Jewish point of view, Delitzsch’s assertion that the Mesopotamian original was “better” than its Jewish “imitation” by virtue of its universal and moral nature could not be left uncontested since this was an inversion of the Jewish self-awareness. The “evil” element in Delitzsch’s argument was his tendency toward neo-paganism and his racialist theory. It seems then that the intensity and fervor of the Jewish response stemmed not only – or not primarily – from its rejection of the idea of Mesopotamian influence on the Bible, but rather because of the negative

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way in which Delitzsch portrayed ancient Judaism, and the implications of that portrayal for contemporary Judaism. However, the Jews’ response, then, could not be restricted to the domain of values and moral superiority. It was necessary to ground objections in “scientific,” or scholarly, “facts” and analysis to prove that Delitzsch’s theory rested on pseudo-science. Thus, a new type of Jewish scholar was emerging in Orthodox, liberal, and reform circles, and more than a few Jewish scholars were well-versed in the languages and cultures of the ancient Near East. The result was a profound transformation in Jewish intellectual history that we could define as a response in kind. In other words, both learned Orthodox and non-Orthodox Jews not only accepted that modern “scientific” scholarship was relevant and recognized the primacy of the interpretative tradition, but both were also ready to employ new sources (extra-biblical documents) and methods, and to use the findings of this new form of scholarship to refute what they considered to be distorted and biased work. However, perhaps above all else, the most significant result of the Streit was the awareness that one cannot adequately understand the history of the Israelite religion and culture in isolation from its Grossen Zusamenhang. Israel is not “a people living alone” (Numbers 23:9). In their pioneering Hebrew-language book published in Berlin in 1925 Geschichte der Biblekritik, (in Hebrew) Solowetschik and Rubascheff wrote that once the wall separating the study of the Bible from the study of “Babylon” had collapsed, scholars no longer restricted themselves to pointing out parallels between the two. Instead, they found countless aspects of Babylonian culture “spread throughout the entire breadth of the Bible” – from Genesis to Psalms. Ancient Israel was nourished by its neighboring cultures and nourished them in turn. This argument gained an essential role in modern Jewish polemic. Here is one example: In 1911, in the aftermath of the BBS, a feuilleton in Russian titled An Exchange of Complaints was published in which a casual conversation takes place between a Russian and a Jew on a train. This feuilleton is one piece of evidence, out of many, of the extent to which Delitzsch’s views penetrated the popular discourse at the time. The Russian claims that Jews are “a race with no real value; they had never created anything of their own.” “It has been proven already that your one God and your Sabbath were borrowed from others,” “… you acted as nothing more than a popularizer and a traveling salesman.” The Jew responds: “In your opinion, anyone who has borrowed cultural elements from Babylonia is likened to a traveling salesman. And, in my opinion, every work of creation in the world is based on borrowed elements.” Thus, Jews knew “how to collect fragments of gold and make of them an eternal temple.” But, and this is a fundamental “but,” what gave the ancient Israelites the power to make an eternal temple from collected fragments? The answer: it was their unique creative genius, or Geisteskraft, or Volksgeist, that was the motivating

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power behind this unique creation and entity (Eigenheit and Einheit). In the end, Jews became, for many, a Kulturvolk or Kulturnation. Like its German predecessors, modern Orthodoxy operates within the internal tension between science and faith (or tradition). Orthodox scholars see no problem accepting that ancient Israel borrowed words, concepts, symbols, and material culture from Mesopotamia, but the idea that it borrowed religious concepts is unacceptable. According to Orthodox scholar Jacob Klein, during the biblical period, the people of Israel “absorbed many values from the rich and advanced Mesopotamian literature, but the people of Israel internalized some of these values and put its original stamp on them while rejecting others, and, in so doing, developed its unique culture.”2 Another Orthodox rabbi, and biblical scholar, does not find it problematic accepting the view that there are similarities between the laws of the Bible and the legal systems of Near Eastern cultures and explains that the authors of the Bible were familiar with these legal systems and drew from them. In this, he finds no theological problem. The Torah, he writes, adopted those laws that were compatible with the demands of morality and probity, while, at the same time, they fundamentally altered a good number of their underlying principles. The Torah, he maintains, has a “divine perspective.” However, he disregards – or ignored – the fact that, according to the Believers, the Pentateuch, or the Torah, or the five books of Moses, in their entirety, were given to the Jews by God.3 Furthermore, here is the paradox: while Believers consider biblical criticism’s hypothesis to undermine belief in the “Heavenly Torah,” Delitzsch is almost forgotten, but his foundational view is considered the mainstream of biblical studies. It is not based on historical philology but rather on “objective” literary evidence, that is to say, the parallelisms between Mesopotamian and biblical literature. Perhaps there is hard evidence that the Pentateuch is not the “Heavenly Torah” and not written by Moses, but, instead, that it took shape sometime at the end of the monarchy and the Babylonian exile.4 Thus the reason for ignoring them and their conclusions, or alternatively, as a strategy to establish the individuality of the Jewish religion and culture during the biblical period not upon theology but the inherent qualities of ancient Israel.

2

Klein 2011, 523–579 (in Hebrew). Bazak 2013 (in Hebrew). 4 Ignác Goldziher, the great scholar of Islam, wrote that the Babylonian exiles adopted aspects of Mesopotamian heritage but adapted it to their mature monotheistic view, which inspired a new spirit within them and accorded them a broad moral influence that has existed forever. Moreover, it is impossible to accept the view of a culture with a low degree of cultural development that takes an interest in complex theological matters. Only when ancient Israel attained a sufficiently high degree of cultural development was it able to cultivate its own unique literary heritage. This was stated in a speech in memory of Ernst Renan in 1893 and printed the following year by the Hungarian academy at which he taught. Goldziher 1894. 3

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However, the BBS consists of many arguments, which are still alive and relevant today, that anticipated later polemic. Among these are the tensions between scholarship and pseudo-scholarship and ideology; the built-in tension between “belief” and “science”; fundamental questions regarding the contacts between cultures; questions of cultural transmission, debt, acculturation, and others; and finally, determining the normative (or practical) boundaries between the “inner” and the “outer” concerning culture. Perhaps this is the main reason why the BBS deserves an after-life as a typological event in the corner of the history of biblical studies, and the history of Wissenschaft des Judentums. Jacob Burckhardt argued that parallels may be investigated up to a certain point, but can never be compared to one another with absolute strictness and certainty. The more plainly our evidence seems to speak in these matters, the more carefully must we refrain from certain assumptions and rush generalization5 (The Civilization of the Renaissance in Italy, 271–370). Moreover, parallels and resemblances are important, but no less the distinguish marker signals which define the nature of an individual culture and its boundaries.

5

Burkhardt, 1990, 270–271.

Der Babel-Bibel-Streit: Politik, Theologie und Wissenschaft um 1900 Eine Sonderausstellung des Vorderasiatischen Museums im Pergamonmuseum

Der Babel-Bibel-Streit: Politik, Theologie und Wissenschaft um 1900 Eine Sonderausstellung des Vorderasiatischen Museums im Pergamonmuseum1 Nadja Cholidis, Youssef El Khoury, Juliane Eule, Helen Gries, Barbara Helwing, Christine Kainert und Lutz Martin

1. Einführung Aus Anlass der internationalen Konferenz „Der Babel-Bibel-Streit und die Wissenschaft des Judentums“ des Moses Mendelsohn-Zentrums Potsdam und der DFG-Kollegforschungsgruppe 2615 „Rethinking Oriental Despotism“ an der Freien Universität Berlin widmete das Vorderasiatische Museum dem Thema eine Studienausstellung.2 Anliegen der kleinen Exposition in zwei Räumen war es, die Besucher auf einen heute fast vergessenen Streit zu Beginn des 20. Jahrhundert aufmerksam zu machen. Der Disput, der von einem Gelehrten der damals noch jungen Keilschriftwissenschaft ausgelöst wurde, fand eine unerwartete Resonanz in der Öffentlichkeit und wurde in zahlreichen Berliner Printmedien diskutiert. Lutz Martin 2. Das Thema Der Babel-Bibel-Streit bildet beispielhaft die gewaltigen sozialen und politischen Umwälzungen in der Zeit des deutschen Kaiserreichs (1871‒1918) ab. Staat und Kirche verloren an Autorität, zugleich erlebten die Wissenschaften einen ersten Höhepunkt und boten neue Deutungsmuster an. Forschung in Museen und Uni1 Die Ausstellung wurde mit großem Interesse von den Besuchern aufgenommen und es kam wiederholt die Frage auf, ob die kurzen Beschreibungen zu den einzelnen Ausstellungsstationen auch gedruckt verfügbar sind. Wir haben deshalb das Angebot, im vorliegenden Band die Sonderausstellung zu dokumentieren, dankbar angenommen. Anliegen des reich bebilderten Beitrages ist die Vermittlung eines Eindrucks von der Ausstellungsgestaltung und die Dokumentation ihrer originalen Beschriftungstexte, die lediglich um wenige Anmerkungen erweitert wurden. Bei der Behandlung der sehr komplexen und z.T. auch kontrovers diskutierten Themen ist es zwangsläufig zu Vereinfachungen der Sachverhalte gekommen. Die Lektüre der Ausstellungstexte erspart deshalb keineswegs die Beschäftigung mit der einschlägigen Literatur. Der Beitrag umfasst die nur geringfügig veränderten Ausstellungstexte, die in der gleichnamigen Sonderausstellung des Vorderasiatischen Museums vom 5. November 2019 bis zum 31. März 2020 zu lesen waren. 2 Die Ausstellung wurde durch das Einstein Center Chronoi, den Förderverein Freunde der Antike auf der Museumsinsel e.V., die Museum & Location Veranstaltungs-GmbH der Staatlichen Museen zu Berlin und die Deutsche Orient-Gesellschaft e.V. gefördert.

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versitäten widmete sich auch der Keilschriftforschung oder Assyriologie. Die babylonischen Texte waren der biblischen Überlieferung überraschend ähnlich, so dass ein gemeinsamer Ursprung dieser Motive wahrscheinlich war. Der Assyriologe Friedrich Delitzsch hielt zwischen 1902 und 1903 drei populäre Vorträge zum babylonischen Ursprung der Bibel. Damit wollte er Kaiser Wilhelm II. wie auch eine breite Zuhörerschaft von der Notwendigkeit überzeugen, Ausgrabungen in Babylonien durchzuführen. Religionsvertreter aller Konfessionen kritisierten Delitzsch heftig, da sie die Bibel als direkte Offenbarung Gottes ansahen. In der breiten Bevölkerung und bei progressiven Kreisen fanden Delitzschs Argumente hingegen offene Ohren. Populäre Medien griffen den Streit auf und stilisierten Delitzsch zur Gallionsfigur eines heroischen Kampfs gegen konservative religiöse Kräfte. Kaiser Wilhelm II., zugleich Oberhaupt der evangelischen Landeskirche, war zunächst begeistert von Delitzsch Thesen, doch änderte er seine Meinung unter dem Druck der konservativen Kirchenvertreter. Barbara Helwing 3. Die thematische Gliederung der Ausstellung 3.1 Berliner Zeitgeist und religiöses Leben Im deutschen Kaiserreich des 19. Jahrhunderts prägten christliche Traditionen die Weltsicht der Bevölkerung. Über 60% gehörten dem protestantischen Glauben an, 35% waren Katholiken und 5% Juden. Die Industrialisierung zog viele Menschen in die rapide wachsenden Städte, wo Wohnungsbau und Kirchenbau mit dem Wachstum nicht Schritt halten konnten. Vor allem arme Familien lebten unter miserablen Bedingungen. Unter diesen Umständen nahm die Bedeutung der Religion im praktischen Alltag rasch ab. Um 1914 gingen in Sachsen lediglich noch 31% der Bevölkerung zum Abendmahl, in Berlin waren es sogar nur 14%.3 Trotzdem blieb die Kirche ein wichtiger sozialer und politischer Faktor. Kranken- und Waisenhäuser wie auch Arbeitervereine waren oft konfessionell gebunden und Kaiser Wilhelm II. war als Landesherr zugleich der evangelische Landesbischof im überwiegend protestantischen Berlin. Umso wichtiger war es für ihn, einen Ausgleich zwischen den konservativen Ansichten der protestantischen Kirche und den Perspektiven der modernen Wissenschaft zu finden, wie er sich im Babel-Bibel-Streit manifestierte. Barbara Helwing 3.2 Ausgrabungen im Zweistromland und die Erforschung Babels Mitte des 19. Jahrhunderts erbrachten englische und französische Ausgrabungen in den assyrischen Königsstädten Ninive und Nimrud spektakuläre Ergebnisse. 3

Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, herausgegeben vom Kaiserlichen Statistischen Amt, Band 22, 1901, 4 Tabelle 6: „Religionsverhältnisse der Bevölkerung vom 1. Dezember 1890“.

Der Babel-Bibel-Streit: Politik, Theologie und Wissenschaft um 1900

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Großformatige Palastreliefs (Abb. 1) und tausende Keilschrifttafeln aus der Bibliothek des Königs Assurbanipal weckten auch in Preußen das Interesse an Mesopotamien. 1897/1898 entsandten die Königlichen Museen zu Berlin daher eine Expedition in das Zweistromland, um einen Ort für eigene Ausgrabungen zu finden. Erst nach der Rückkehr fiel die Wahl auf Babylon, die durch die Erwähnungen im Alten Testament bekannte Hauptstadt des babylonischen Reiches: Die jüdische Gefangenschaft, der Turmbau zu Babel und die damit verbundene Sprachverwirrung hatten seit dem Mittelalter viele Künstler inspiriert (Abb. 2). Sollte es nun den Ausgräbern gelingen, den Wahrheitsgehalt der biblischen Erzählungen zu belegen? Ausschlaggebend für die Entscheidung waren letztlich kleine glasierte Reliefziegelbruchstücke von „eigenartiger Schönheit und kulturhistorischer Wichtigkeit“, wie sich Robert Koldewey, einer der Teilnehmer der Expedition, später erinnerte.4 Die Finanzierung der Unternehmung übernahm die im Januar 1898 in Berlin gegründete „Deutsche Orient-Gesellschaft“. Lutz Martin 3.3 Friedrich Delitzsch – Begründer der Assyriologie in Deutschland Der Keilschriftforscher Friedrich Delitzsch (1850–1922) erhielt 1878 die erste außerordentliche Professur für Assyriologie in Leipzig. 15 Jahre später etablierte er das neue Fach auch an der Universität Breslau, an die er berufen wurde. Sein Ruf an die Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität im Jahr 1899 ermöglichte ihm im Nebenamt die Leitung der neu gegründeten Vorderasiatischen Abteilung (Abb. 3).5 Der ungehinderte Zugang zur Tontafelsammlung erwies sich für seine philologische Tätigkeit und die Lehre als sehr förderlich. Delitzsch ging es in seiner Amtszeit hauptsächlich um die wissenschaftliche Nutzung der Sammlung und weniger um deren museale Präsentation. Gleichwohl trug er durch Vorträge in Deutschland, Europa und den Vereinigten Staaten maßgeblich zur populären Verbreitung des Wissens um die altvorderasiatischen Kulturen bei. Als sich 1898 in Berlin die Deutsche Orient-Gesellschaft konstituierte, ein privater Verein zur Förderung der Forschung in Mesopotamien, Palästina und Ägypten, gehörte Delitzsch zu ihren Gründungsvätern. Trotz unbestrittener Verdienste in der Assyriologie und grundlegender Beiträge zur alttestamentlichen Textkritik litt seine Reputation unter dem sogenannten Babel-Bibel-Streit und seinen zunehmenden antijudaistischen und teilweise antisemitischen Äußerungen. Lutz Martin

4

Koldewey 1990, 7. Zu Friedrich Delitzsch als Direktor der Vorderasiatischen Abteilung im Nebenamt siehe Crüsemann 2000, 149–164.

5

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3.4 Wilhelm II. und „Das Große Spiel“6 1888 wurde Wilhelm II. (1860–1941) zum Kaiser gekrönt. Mit ihm trat Deutschland in eine neue Phase imperialer Expansionspolitik ein in dem Bestreben, mit England und Frankreich gleichzuziehen. Damit wuchs zugleich das Interesse an Vorderasien. Ein Jahr nach seinem Amtsantritt reiste der Kaiser nach Konstantinopel und schloss Freundschaft mit Sultan Abdul Hamid II. Bei seiner Fahrt 1898 in das Heilige Land besuchte der seit seinem Studium in Bonn archäologiebegeisterte Monarch wichtige religiöse und archäologische Stätten (Abb. 4‒6).7 Vorrangig ging es ihm aber um die außenpolitische Bindung des Osmanischen Reiches an Deutschland. Ohne seine direkte Einflussnahme und Unterstützung hätten die Berliner Museen ihre Ausgrabungen im Osmanischen Reich, ihre Erwerbungen und ihr Bauprogramm kaum realisieren können. Seit 1901 war der Kaiser auch Protektor der Deutschen Orient-Gesellschaft und verfolgte mit großem Interesse Delitzschs Thesen zum Thema Babel und Bibel. Lutz Martin 3.5 Die Vorträge Am 13. Januar 1902 hielt Friedrich Delitzsch auf Einladung der Deutschen OrientGesellschaft den ersten Vortrag über Babel und Bibel (Abb. 7) in der Singakademie zu Berlin. Er thematisierte darin die Parallelen zwischen biblischen Erzählungen, wie Schöpfung oder Sintflut, und den Texten auf den Keilschrifttafeln. Die neuen Entdeckungen sollten zu einer fortwährenden „Weiterbildung der Religion“8 beitragen, denn sie erlaubten ein besseres Verständnis der biblischen Welt, da im Alten und Neuen Testament religiöse Vorstellungen aus Babylon fortlebten. Der anwesende Kaiser war begeistert und ordnete eine Wiederholung und sofortige Drucklegung des Vortrags an. Delitzsch stellte somit Teile der Bibel als direkte Offenbarung Gottes gegenüber Moses in Frage. Dies rief einen Konflikt mit konservativen Religionsvertretern aller Konfessionen hervor. Während die Protestanten Delitzsch eine einseitig pro-babylonische Sicht vorwarfen, sahen jüdische Gelehrte ihren Anspruch, die erste monotheistische Religion der Welt begründet zu haben, in Gefahr. Unzählige Zeitungs- und Zeitschriftenartikel brachten die gelehrte Diskussion schnell in die breite Öffentlichkeit. Im zweiten Vortrag am 12. Januar 1903 behandelte Delitzsch wieder die alttestamentlichen und babylonischen Texte, nun formuliert als eine sarkastische 6

Mit dem Großen Spiel / The Great Game wurde ursprünglich der über 100 Jahre andauernde Konflikt zwischen England und Russland um die imperiale Aufteilung Zentralasiens bezeichnet. Die Formulierung steht heute auch für die enge Verbindung politischer und wissenschaftlicher Interessen bei der archäologischen Erforschung Vorderasiens seit Mitte des 19. Jahrhunderts, ausführlich dazu Trümpler 2008, 15–19. 7 Zur Kaiserreise siehe Richter 1997; Petersen 2010, 398–409. 8 Delitzsch 1903b, 40.

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Kampfansage gegen den Offenbarungsgehalt der Bibel und als Kommentar zu den Schriften seiner Gegner. Diesmal waren die Reaktionen noch heftiger: Zahlreiche Pastoren ergriffen das Wort, wieder berichteten sämtliche Zeitungen, selbst in Straßenbahnen wurde über Babel-Bibel diskutiert. Delitzsch selber zählte Ende 1903 „circa 1350 kleinere und über 300 große Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, dazu 28 Broschüren“9 und weitere Veröffentlichungen im In- und Ausland. Der Kaiser zog bereits im Februar seine Unterstützung zurück und wies den 2. Vorsitzenden der Deutschen Orient-Gesellschaft, Friedrich Hollmann, in einem offenen Brief an, den Assyriologen in seine Schranken zu weisen. Im gleichen Tempo, in dem die Hysterie aufkam, ebbte sie nun wieder ab und bald war der große BabelBibel-Streit kein Thema mehr, deshalb fand 1904 der dritte Vortrag nur noch wenig Interesse. Barbara Helwing / Juliane Eule 3.6 Antijudaismus bei Friedrich Delitzsch? Sowohl Christen als auch Juden verstanden das Zurückführen des Alten Testaments bzw. Tanachs auf babylonische Quellen als ein Zweifeln am Offenbarungsgehalt der Bibel. Delitzschs Thesen wurden deshalb auch als Kritik am Judentum aufgefasst. Antijüdisches Gedankengut war im ersten Babel-Bibel-Vortrag nur unterschwellig vorhanden. Doch ab 1903 gebrauchte Delitzsch in der Auseinandersetzung mit seinen Gegnern zunehmend antijüdische Argumentationsmuster.10 Offen trat der Antijudaismus in Delitzschs 1920 erschienenem Spätwerk „Die Große Täuschung“ zutage. Dort stritt er dem Alten Testament, und damit auch dem Judentum, jegliche Eigenständigkeit und Berechtigung ab.11 Den Antisemitismus-Vorwurf wies Delitzsch selbst immer von sich.12 Helen Gries 3.7 Die Quellen Der Schwarze Obelisk In seinem zweiten Vortrag erwähnte Friedrich Delitzsch den sogenannten Schwarzen Obelisken (Abb. 8). Die Inschrift des Objekts nennt den aus der Bibel 9

Delitzsch 1904a, 3. Die Unterscheidung zwischen christlichen Antijudaismus und (Rassen)antisemitismus ist in der Antisemitismusforschung umstritten vgl. zum Beispiel Hoffmann 1994; Botsch 2014; Botsch/Treß 2020. Durch die Abgrenzung sollte für die Besucher*innen der Ausstellung, aber deutlich gemacht werden, dass die Judenfeindlichkeit Delitzschs auf christlichen theologischen Argumentationsmustern beruhte und zumindest zu Beginn der Auseinandersetzung nicht rassenideologisch motiviert war. 11 Zu Antisemitismus und -judaismus in Delitzschs Werk siehe Lehmann 1994, 268–271; Gertzen 2019; Gertzen 2020, 181–186. 12 Lehmann 1994, 270. 10

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– vor allem aus dem 2. Buch Könige, Kapitel 9 und 10 – bekannten König Jehu von Israel.13 Ein Bildfeld des Obelisken zeigt, wie sich Jehu mit seinem Gefolge dem assyrischen König Salmanassar III. (858–824 v. Chr.) unterwirft und Tribut bringt. Für Delitzsch veranschaulichte diese Darstellung die biblischen Erzählungen, obwohl die Begebenheit selbst im Alten Testament keine Erwähnung findet. Der „Schwarze Obelisk“ wurde bei den Grabungen Austen Henry Layards im Jahr 1846 in Nimrud gefunden. Obgleich die Entzifferung der Keilschrift damals noch in ihren Kinderschuhen steckte, konnte man bereits 1851 König Jehu (Jaua) von Israel (Haus Omri) identifizieren.14 Gipsabformungen dieses spektakulären Monuments wurden an Museen in der ganzen Welt verschenkt oder verkauft. So erwarben auch die Königlichen Museen zu Berlin vor 1872 einen Abguss des Schwarzen Obelisken.15 Helen Gries Der Kodex Hammurapi In den ersten beiden Vorträgen verglich Friedrich Delitzsch die Gesetzestafeln des Mose mit dem Kodex des babylonischen Königs Hammurapi (1792‒1750 v. Chr.). Die Stele (Abb. 9) wurde um 1200 v. Chr. als Kriegsbeute aus Babylonien in die ca. 350 km entfernte elamische Hauptstadt Susa verschleppt und dort 1901 von französischen Ausgräbern wiederentdeckt. Das Relief zeigt König Hammurapi vor dem Sonnengott Schamasch (Abb. 10), dem Gott der Gerechtigkeit, der ihm den Stab und den Ring als Insignien der Macht übergibt. Die erhaltenen 282 Paragraphen unter dem Bildfeld behandeln u.a. Fälle von Eigentumsdelikten, Gewaltverbrechen, Ehe- und Erbrecht. Die Parallelen zum Alten Testament sind unverkennbar, denn in beiden Texten ist das sogenannte Talionsrecht fest verankert. So findet sich z.B. die Wendung „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (Exodus 21, 23–25) bereits im Paragraphen 196 des Kodex Hammurapi: „Wenn ein Bürger das Auge eines (anderen) Bürgers zerstört hat, so soll man sein Auge zerstören“. Juliane Eule Die Keilschrifttafeln In seinen Vorträgen verwies Friedrich Delitzsch explizit auf bestimmte Keilschrifttexte und zog Parallelen zur Bibel.

13

Für die Inschrift vgl. Grayson 1996, A.0.102.88. Am 27.12.1851 veröffentliche der Ire Edward Hincks (1792–1866), ein Pionier der Keilschriftforschung, in The Athenaeum einen Brief in welchem er die Identifizierung von Jehu vorschlug. 15 Rehm 2018, 142–143, Nr. 49. 14

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Erste Tafel des Weltschöpfungsmythos Enūma Eliš16 Enūma eliš, übersetzt „Als oben“, ist der Name des sieben Tafeln umfassenden babylonischen Weltschöpfungsepos (Abb. 11). Der Text beginnt mit der Beschreibung zweier finsterer Urmeere, deren Vereinigung die Geburt der ersten Götter zur Folge hat. Der anschließende Kampf zwischen Meeren und Göttern führt zur Ordnung der Welt, der Erschaffung von Himmel, Erde und schließlich des Menschen aus göttlichem Blut. Elfte Tafel des Gilgameš-Epos mit Beschreibung der Sintflut17 Das Gilgameš-Epos gehört zu den bedeutendsten Werken der Weltliteratur. Auf zwölf Tafeln der Standard-Version erzählt es von den Abenteuern des Gilgameš, König von Uruk. Auf seiner Suche nach Unsterblichkeit trifft dieser am Ende der Welt Utnapištim, der ihm seine Geschichte erzählt (Abb. 12): Einst beschlossen die Götter, eine Sintflut zur Vernichtung der Menschheit herabzuschicken. Doch der Weisheitsgott Ea hatte Mitleid und warnte Utnapištim im Traum. Daraufhin baute dieser ein Schiff und ließ seine ganze Familie, die Herdentiere der Steppe, die wilden Tiere der Steppe und alle Handwerker einsteigen. Dann regnete es sechs Tage und sieben Nächte lang. Als am siebten Tag der Regen nachließ, legte das Schiff am Berg Nimuš an. Sechs Tage lang gab der Berg das Schiff nicht frei. Am siebten Tag schickte der Fährmann eine Taube los, die wiederkam, da sie keinen Ruheplatz fand. Dann schickte er eine Schwalbe los, die ebenfalls wiederkam. Der Rabe schließlich kam nicht wieder. Die Sintflut war überstanden und Enlil verlieh Utnapištim und seiner Frau Unsterblichkeit. Adapa und der Südwind18 Die Tontafel erzählt von der Erschaffung des sterblichen Adapa durch den Weisheitsgott Ea (Abb. 13). Adapa als erster Mensch erinnert an den biblischen Adam. Trotz seiner Sterblichkeit besiegt er den starken Südwind. Dies erzürnt den Himmelsgott Anu, der Adapa zu sich ruft und ihm Brot und Wasser anbietet. Adapa verweigert die Mahlzeit aus Angst, es sei das Brot und Wasser des Todes. Doch das Essen hätte ihm die Unsterblichkeit verliehen ... Beschrifteter Tonzylinder, vermutlich aus einem Grab19 Der Text auf dem Tonkegel (Abb. 14) beschreibt einen sehr schönen Ort für die besonders Frommen unter den Verstorbenen und einen furchtbaren Ort für die weniger Frommen. Darin sah Delitzsch einen frühen Beleg für Himmel und Hölle. Juliane Eule

16

Siehe z.B. Kämmerer/Metzler 2012. Siehe z.B. George 2003. 18 Siehe z.B. Hecker 2001. 19 Siehe Delitzsch 1903a, 38–41. 17

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3.8 Der Babel-Bibel-Streit im wissenschaftlichen Umfeld seiner Zeit Friedrich Delitzsch war keinesfalls der erste Gelehrte, der auf Bezüge zwischen Erzählungen des Alten Testaments und den mesopotamischen Keilschrifttexten hinwies. Schon seit der Entzifferung der Keilschrift Mitte des 19. Jahrhunderts standen der Bibel umfangreiche zeitgenössische Quellen gegenüber. Schnell erkannte man, dass sich dort biblische Erzählungen, wie z.B. die Sintflutgeschichte, wiederfanden. Eine einflussreiche Strömung in der deutschen Altorientalistik am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert war der sogenannte Panbabylonismus. Dieser ging von der Annahme aus, dass in Babylonien ein universelles Weltbild geschaffen worden sei, das sich von dort über die ganze Welt verbreitet habe. Grundlage dieser heute größtenteils überholten These war die babylonische Sternenkunde, die als Ursprung aller religiösen, gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen gesehen wurde.20 Durch Delitzschs Babel-Bibel-Vorträge erreichte die bis dahin rein akademische Diskussion um die Entstehung der Bibel eine breite Öffentlichkeit. Helen Gries 3.9 Das Medienecho des Streits: Karikaturen ‒ Federstrich als Waffe Zur Zeit des Babel-Bibel-Streits erschienen in Berlin etwa 1100 Zeitungen und Zeitschriften, darunter auch populäre Satireblätter wie der Simplicissimus (Abb. 15) oder die Lustigen Blätter in hoher Auflage.21 Letztere stürzten sich mit spitzer Feder auf die sich heftig streitenden Parteien. Neben pointierten Gedichten, Witzen und Wortspielen waren es tendenziöse Karikaturen, die auf Friedrich Delitzsch und seine Thesen sowie seine Kritiker zielten und den Gelehrtenstreit ab 1903 popularisierten.22 Im März 1903 widmeten die „Lustigen Blätter“ der Debatte ein ganzes Heft.23 Für das Titelblatt ließ der führende Berliner Grafiker Lyonel Feininger den ehemaligen Hofprediger und notorischen Antisemiten Adolf Stöcker als Verfechter eines protestantischen Fundamentalismus gegen Delitzsch antreten (Abb. 16). In der gleichen Ausgabe verulkten Max Schaberschul, Wilhelm Anton Wellner und Franz Jüttner noch weitere Themen mit Berlinbezug (Abb. 17), kleideten diese in ein assyrisch-babylonisches Gewand und nahmen damit indirekt auch die Ausgrabungen in Babylon „auf die Schippe“. Der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt, ging es doch vorrangig darum, die Leser zu unterhalten, künstlerisch zu erziehen und durch die grafische Zuspitzung politische, religiöse oder gesellschaftliche Streitthemen zu kommentieren. Nicht immer blieb es bei geistreichen Spottbildern; so fanden sich in einigen Blättern,

20

Zum Panbabylonismus siehe Weichenhan 2016. Hermann 1901 zu deutschen Karikaturen im 19. Jahrhundert. 22 Lehmann 1994, 236‒241 zur Publizität des Babel-Bibel-Streits. 23 Lustige Blätter XVIII. Jahrgang, Nr. 11. (11. März 1903), Babylon-Nummer. 21

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wie z.B. dem „Simplicissimus“, zunehmend auch stereotype antisemitische Karikaturen.24 Nadja Cholidis Ausgewählte Zitate Neben den Karikaturen wurde der Babel-Bibel-Streit auch in pointierter Form schriftlich ausgetragen, wie die folgenden Zitate belegen: Religion ist Privatsache.25 Von Delitzsch bis [August] Bebel [einem der Begründer der deutschen Sozialdemokratie] ist dann allerdings, was die Religion anbetrifft, kein großer Schritt mehr, wenn man nur die Consequenzen zu ziehen wagt. Ob aber vor diesen Consequenzen nicht Manchem bange werden wird, der den Vortrag von Professor Dr. Delitzsch angehört und demselben damit eine besondere Bedeutung gegeben hat? 26 Die Frommen im Lande sind in Unruhe über das Treiben eines gewissen Professors Friedrich Delitzsch, der im alten Babylon allerlei assyrisches Zeugs ausgräbt, aus dem er zu beweisen sucht, daß die Bibel nicht Gottes Wort sei […].27 […] aber wir fürchten, daß das Zentrum und der orthodoxe Protestantismus, diese interessante Verneinung in sich, aufsässig werden, wenn das so weiter geht. Immerhin, auf dem Wege zur Geistesfreiheit liegt die wirkliche und wahrhafte Größe des deutschen Volkes. Die alte deutsche Eiche wird weiter wachsen und grünen, wenn man die schwarzen Maulwürfe von ihren Wurzeln fegt. Das walte Gott!28 Er [Delitzsch] verließ leider den Standpunkt des strengen Historikers und Assyriologen und geriet in theologisch-religiöse Schlüsse und Hypothesen hinein, welche doch recht nebelhaft oder gewagt waren.29 Für uns liegt [...] in ‚Babel und Bibel‘ keine Gefahr; denn Delitzsch hat das Judentum nur vom historischen Standpunkt angegriffen, das Christentum

24

Gidal 1997, 256‒257. Forderung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands auf ihrem Parteitag in Erfurt 1891, Absatz 5. 26 Germania. Zeitung für das deutsche Volk (17./18. Jan. 1903), zit. nach Lehmann 1994, 196. 27 Welt am Montag. Unabhängige Zeitung für Politik und Kultur, zit. nach Lehmann 1994, 196. 28 Ebenda zit. nach Lehmann 1994, 196. 29 Wilhelm II. an Staatssekretär Friedrich von Hollmann, in: Das Bekenntnis des Kaisers im Urteile der Zeitgenossen, Halle a. S. 1903, 1‒2. 25

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dagegen in seinem dogmatischen Fundament erschüttert.30 [...] wir Juden werden uns das Alte Testament, für das unsere Märtyrer sich geopfert haben, nie rauben lassen. Wie weit die Protestanten das Erbteil ihrer großen ‚Reformatoren‘, die Bibel und ihre Heilswahrheiten, opfern wollen, um das von Martin Luther mit einem scharfen Wort gekennzeichnete ‚Babel‘ zu verehren, ist ihre, nicht unsere Sache!31 Über alle Fortschritte auf assyriologischem, egyptologischem und jedem anderen wissenschaftlichen Gebiete wollen wir uns herzlich freuen, unsere Bibel aber soll man uns nicht antasten; von der lassen wir uns kein Jota nehmen.32 „Also, der liebe Gott offenbart sich von Zeit zu Zeit in irgendeinem großen Manne?“ „Ja, vorher vergewissert er sich aber immer erst, ob der Mann thatsächlich aus Preußen stammt.“33 Ich bin, wie Sie wissen, kein Theolog, kein Alttestamentler. Aber ich bin Keilschriftentäfelchengräber und, indem ich so eminent jenseits des Nullpunktes unserer Zeitrechnung stehe, habe ich den freiesten Umblick über alle Zeiten und bin der Archimedes der Gegenwart.34 Es geht ein Geistessturm im Wasserglas durch die deutschen Lande, ein Geschlecht, das sich schon sattgezweifelt, richtet inbrünstig den Blick auf geheimnisvolle Steintäfelchen, die erneuter Skepsis den wissenschaftlichen Boden zu geben verheissen, ja, man muss fürchten: Der Thurm von Babel, dessen Bau schon einmal gestört worden, werde diesmal wirklich in den Himmel wachsen. Armer Eiffel! Der Gott, der Eisen wachsen liess, scheint zu dulden, dass der Laientross der Stubengelehrten höher baue als die moderne Technik.35 Ruhe hat man nun schon gar nicht mehr, jede Minute eine Versammlung, ein Vortrag. Wenn irgendwo ein Känguru einen Walzer tanzt oder ein Kamel mit seinem Rüssel einen Esel umwedelt, gleich kommt ein Professor und hält einen Vortrag darüber, und wer hat die Arbeit davon? Ich!36

30

Rabbi Benzion Seligkowitz, Der Vortrag „Babel und Bibel“ in seinen Konsequenzen für Judentum und Christentum, in: Israelitische Wochenzeitschrift 8 (20.02.1903), 107‒109. 31 Im Deutschen Reich. Zeitschrift des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens 9:1 (Januar 1903), 81. 32 Adolph von Hertzberg, in: Das Bekenntnis des Kaisers im Urteile der Zeitgenossen, Halle a. S. 1903, 18. 33 Jugend. Münchner illustrierte Wochenschrift, Nr. 16 (1903), 280. 34 Professor Babylonowitsch in: Bondi 1903, 6. 35 Fuchs 1903, 17. 36 Wachtmeister in „Babel und Bibel“, in: Bondi 1903, 5.

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Angeregt von der Kühnheit dieses Hochgedankens haben auch andere große Wortführer – z. T. leider schon vorher – ähnliche grundstürzende Forderungen erhoben und [...] verlangt, daß Moses aus dem Pentateuch, Paulus aus dem Römerbrief, David aus dem Psalter, Homer aus Ilias und Odyssee, Buddha aus dem Buddhismus, Bismarck aus dem deutschen Reiche zu verweisen sei. Zwei in ähnlicher Richtung sich bewegende Arbeiten meiner Feder, welche die Forderung vertraten, Muhammed aus dem Koran und Rudolf Mosse aus dem Berliner Tageblatt zu entfernen, sind leider im Archiv einer Kaltwasserheilanstalt verloren gegangen.37 Nadja Cholidis / Juliane Eule 3.10 Babylon 1899‒2019 ‒ Vom antiken Weltwunder zum UNESCO Weltkulturerbe Am 26. März 1899 begann Robert Koldewey mit Ausgrabungen in Babylon, der Hauptstadt des Babylonischen Reichs. Zu dem Zeitpunkt erinnerten auf der Oberfläche nur ein paar farbig glasierte Ziegelfragmente an die einstige Pracht des Orts, der bereits in der Antike durch die „Hängenden Gärten von Babylon“ als ein Weltwunder bekannt war und immer wieder von frühen Forschungsreisenden besucht wurde. Bis Dezember 1902 legte Koldewey Abschnitte der älteren Prozessionsstraße und des Ischtar-Tors frei. Die Ruinenstätte gehörte bis 1920 zum Osmanischen Reich und anschließend zum Britischen Mandatsgebiet Mesopotamien, das erst 1932 mit der Gründung des Königreichs Irak ein unabhängiger Staat wurde. Die Ausgrabungen in Babylon unterlagen deshalb zunächst dem Osmanischen Antikengesetz und ab 1922 der Legislative des Britischen Mandats. Seit 1884 verbot das Osmanische Antikengesetz den Export von Altertümern aus dem Staatsgebiet, doch bestand zwischen der Osmanischen Regierung und den Königlichen Museen Berlin ein Sonderabkommen über die Teilung von Grabungsfunden. So kam 1903 das erste Konvolut von Funden aus Babylon nach Berlin. Der osmanische Antikendirektor Osman Hamdi Bey unterstrich damals den hohen wissenschaftlichen Wert der geplanten Restaurierung der Glasurziegel in Berlin (Abb. 18).38 Die zweite Sendung mit Funden aus Babylon kam auf der Grundlage des neuen Antikengesetzes des Irak, das eine gleichmäßige Fundteilung zwischen Ausgräbern und dem Irak vorsah, nach Berlin. Die Direktorin des Iraqi Directorate Generale of Antiquities Gertrude Bell hatte im Namen der Antikenverwaltung 1926 der Fundteilung zugestimmt und Walther Andrae, der damalige Direktor der Vorderasiatischen Sammlung in Berlin, hatte die Versendung organisiert. So gelangten 1927 die Objekte, u.a. das Göttersiegel des Adad (Abb. 20), in das Museum. 37 38

Von der Hagen 1905, 3‒4. Crüsemann 2000, 284.

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Koldeweys Ausgrabungen dauerten mit wenigen Unterbrechungen bis 1917. Anschließend konzentrierte man sich in Berlin auf die Erforschung der Funde und die Rekonstruktion der Architektur. Die detailgenaue Dokumentation während der Grabung ermöglichte das Zusammensetzen von zehntausenden Ziegelbruchstücken. Durch sorgfältige Ergänzungen konnte so ein verkleinerter Ausschnitt der Prozessionsstraße und ein Teil des Ischtar-Tors im Museum ab 1930 zu neuem Leben erweckt werden (Abb. 19). 1956 und 1966 folgten weitere deutsche Forschungen an einem hellenistischen Theater und am Stufentempel Entemenanki. 1974 und 1987–1989 untersuchte eine irakisch-italienische Mission zwei Tempel im Stadtviertel Shu-ana. Seit den späten 1970er Jahren hatte auch Saddam Hussein umfangreiche Wiederaufbaumaßnahmen in der Ruine veranlasst und sich später einen eigenen Palast dort errichtet. Nach der alliierten Invasion in Irak 2003 wurde Babylon Militärstützpunkt. Seit 2009 führt der World Monument Fund neue Restaurierungen durch. Jahre nach Beginn der Ausgrabung wurde Babylon am 5. Juli 2019 in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten aufgenommen. Barbara Helwing / Christine Kainert 4. Exhibition design The design and scenography of the temporary exhibition in the Vorderasiatisches Museum, which occupied one and a part of its other galleries, tried to set itself apart from the existing permanent exhibition and at the same time to contextualize its content (Abb. 21). A historic street advertising column (Litfaßsäule) situated at the beginning of the procession street (Abb. 22), announced the exhibition and indicated its entrance. It also set a historic context for the Zeitgeist of the controversy. An irregular surface was built in front of the existing walls as an unfolding newspaper where the visitor could walk in and wander through the themes and objects on display (Abb. 23). This surface framed the existing showcases used for the exhibits and covered other unneeded ones. It served as plinths and background for the artifacts displayed in front of it; and it functioned as a surface for the graphics. The irregular shape of this ‘unfolding newspaper’ was not trivial. It structured the space as well as the themes of themes of the exhibition as commissioned by the curators. The colors employed for of the exhibition were simply inspired by the color palette of the historic glazed bricks of the Ishtar Gate on display in the VAM. Hence, the green tone of the walls and the brick orange color of the texts’ backgrounds (Abb. 24‒25). Those vivid yet calm colors, in addition to the warm dimmed lighting, separated the temporary from the permanent exhibition, and helped the visitors’ perception of the space. The graphic concept was a continuation of the design. The texts’ design and layouts, in their categories (titles, main texts, secondary texts, labels…) were in-

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spired by newspaper clippings and borrowed from their aesthetics and design vocabulary. Two caricatures from newspapers of the time were enlarged and printed on the walls. One showed Delitzsch – the main protagonist of the exhibition – squeezed by a giant lamassu [winged bulls; mythological figure] against a church wall; the second showed a giant cuneiform typewriter (Abb. 26‒27). This controversial public debate occupied a large share of the tabloids in its time; the visitors were simply invited to browse through the themes of the exhibition, and could draw parallels to current debates and events. Youssef El Khoury 5. Zeittafel (Christine Kainert / Barbara Helwing / Lutz Martin) Daten

Friedrich Delitzsch

Historische Ereignisse

03.09.1850 in Erlangen als Sohn des lutherischen Alttestamentlers und Hebraisten Franz Delitzsch und seiner Ehefrau Clara geboren 1855 Erster Ankauf assyrischer Reliefs für die Königlichen Museen von den englischen Ausgrabungen in Nimrud und Ninive 1868 Beginn des Studiums der orientalischen und indogermanischen Sprachen an der Universität Leipzig 1870/1871 Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg als Einjährig-Freiwilliger 18.01.1871 Reichsgründung: Der preußische König Wilhelm I. wird Deutscher Kaiser und Otto von Bismarck Reichskanzler 1871 Fortsetzung des Studiums in Leipzig 1872 Wechsel an die FriedrichWilhelm-Universität zu Berlin 1873 Dissertation über indogermanisch- Gründerkrach: Einbruch der Finanzsemitische Wurzelverwandtschaf- märkte und Rückgang der Wirtschaftsten, Hinwendung zur Assyriologie entwicklung verstärken auch antisemitische Tendenzen in der Gesellschaft 1874 Habilitation mit einer Abhandlung über „Assyrische Tiernamen“ an der Universität Leipzig 1878 Ernennung zum außerordentlichen Professor für Assyriologie in Leip-

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Daten 1880

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Friedrich Delitzsch zig Heirat mit Margarethe Hoffmann. Aus der Ehe gehen sechs Kinder hervor

1888

1889 07.04.1889 Vortrag über Babylon in Anwesenheit des Kaisers 1893 Ruf an die Universität Breslau 1897–1898

24.01.1898 1898 26.03.1899

Historische Ereignisse

Wilhelm II. wird Deutscher Kaiser, Ausgrabungen des Orient-Comités in Zincirli/Sam’al beginnen unter der Leitung von Felix von Luschan Wilhelm II. reist nach Konstantinopel und trifft Sultan Abdul Hamid II.

Die Königlichen Museen schicken Eduard Sachau und Robert Koldewey auf eine Erkundungsexpedition nach Mesopotamien Gründung der Deutschen Orient-Gesellschaft Palästinareise Wilhelm II. in Begleitung seiner Gemahlin Beginn der Babylon-Grabung unter Leitung von Robert Koldewey

10.04.1899 Berufung an die FriedrichWilhelms-Universität zu Berlin auf den Lehrstuhl für orientalische Philologie „unter besonderer Berücksichtigung der Assyriologie“ 06.05.1899 Berufung zum Direktor im Nebenamt an die neu gegründete Vorderasiatische Abteilung der Königlichen Museen zu Berlin 1901 Wilhelm II. übernimmt das Protektorat über die Deutsche Orient-Gesellschaft 13.01.1902 Erster Vortrag „Babel und Bibel“ im großen Saal der Sing-Akademie (heute Spielstätte des MaximGorki-Theater) in Anwesenheit des Kaisers 01.02.1902 Wiederholung des Vortrags im Berliner Stadtschloss in Anwesen-

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Daten

Friedrich Delitzsch

heit des Kaisers, der Kaiserin und des Oberhofpredigers Ernst Dryander 1902 Delitzsch reist nach Mesopotamien und trifft Abdul Hamid II. Längerer Aufenthalt in Babylon 12.01.1903 „Zweiter Vortrag über Babel und Bibel“ in der Sing-Akademie in Anwesenheit des Kaiserpaars 15.02.1903 27.10.‒ 9.11.1904 1905

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Historische Ereignisse

Der „Hollmann-Brief“: Der Kaiser entzieht Delitzsch seine Unterstützung

Dritter Vortrag »Babel und Bibel: Ein Rückblick und Ausblick« in Barmen, Köln und Frankfurt/M. Delitzsch reist nach Assur (Irak), Rückreise über Ägypten

01.08.1914

Kriegseintritt Deutschlands

30.09.1918 Delitzsch beendet seinen Dienst an der Vorderasiatischen Abteilung 09.11.1918 Abdankung des Kaisers, Ausrufung der Republik 28.06.1919 Friedensvertrag von Versailles 19.12.1922 Delitzsch stirbt in Bad Schwalbach bei Wiesbaden

Abbildungen

Abb. 1: Alabasterrelief aus dem Palast des assyrischen Königs Assurnasirpal II., Nimrud (Irak), 9. Jh. v. Chr.

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Abb. 2: Ansichtskarte, La Tour de Babel, Fotoskulptur von Domenico Mastroianni.

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Abb. 3: Friedrich Delitzsch.

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Abb. 4: Ansichtskarte, Souvenir de Jerusalem, Farblithografie.

Abb. 5: Ansichtskarte, Zur Erinnerung an die glückliche Rückkehr Kaisers Wilhelm II. von der Palästina-Reise …, Lithografie.

Der Babel-Bibel-Streit: Politik, Theologie und Wissenschaft um 1900

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Abb. 6: Medaille der Deutschen Orient-Gesellschaft zur silbernen Hochzeit des Kaiserpaares, 27. Februar 1906, Vs. Wilhelm II. und Auguste Victoria im Porträt, Rs. Logo der Deutschen Orient-Gesellschaft, Bronze.

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N. Cholidis et al.

Abb. 7: Titelblatt der Publikation Babel und Bibel. Ein Vortrag von Friedrich Delitzsch, Leipzig 1902.

Der Babel-Bibel-Streit: Politik, Theologie und Wissenschaft um 1900

Abb. 8: Schwarzer Obelisk, Kalkstein schwarz, Nimrud (Irak), 9. Jh. v. Chr., Abguss vom Original, Gips, getönt.

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Abb. 9: Kodex Hammurapi, Diorit, Susa (Iran), 18. Jh. v. Chr., Abguss vom Original, Gips, getönt.

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Abb.: 10: Detailaufnahme vom Bildfeld der Hammurapi-Stele.

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Abb. 11: Enuma Eliš, erste Tafel des Babylonischen Weltschöpfungsmythos, gebrannter Ton, Assur (Irak), 9.‒7. Jh. v. Chr.

Der Babel-Bibel-Streit: Politik, Theologie und Wissenschaft um 1900

Abb. 12: Gilgameš-Epos, elfte Tafel mit der Beschreibung der Sintflut, gebrannter Ton, Assur (Irak), 8./7. Jh. v. Chr.

Abb. 14: Beschrifteter Zylinder mit einer Beschreibung der Unterwelt, gebrannter Ton, Fundort unbekannt, 19./18. Jh. v. Chr.

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Abb. 13: Adapa und der Südwind, Tontafel, gebrannter Ton, Tell el-Amarna (Ägypten), 14. Jh. v. Chr.

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Abb. 15: Babel und Bibel, Karikatur von Thomas Theodor Heine, aus: Simplicissimus. Illustrierte Wochenschrift, 7. Jahrgang, Nummer 52, 24. März 1903, Titelblatt.

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Abb. 16: Und Keilschrift heisst es alldieweilen, weil sie mit ihren Keilen keilen, Karikatur von Lyonel Feininger, aus: Lustige Blätter, XVIII. Jahrgang, Nr. 11, Babylon-Nummer, 11. März 1903, Titelblatt.

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Abb. 17: Karikaturen von Max Schaberschul, Wilhelm Anton Wellner und E. Kuntze mit Berlinbezug, aus: Lustige Blätter, XVIII. Jahrgang, Nr. 11, Babylon-Nummer, 11. März 1903, Seite 6.

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N. Cholidis et al.

Abb. 18: Originale Transportkisten aus Holz mit glasierten Ziegelfragmenten aus Babylon.

Abb. 19: Rekonstruktion des Ischtar-Tores von Babylon nach Entwürfen von Walter Andrae, zwischen 1928 und 1930 in Berlin aus farbig glasierten, gebrannten Lehmziegeln und modernen Ergänzungen zusammengesetzt, Babylon (Irak), 6. Jh. v. Chr.

Der Babel-Bibel-Streit: Politik, Theologie und Wissenschaft um 1900

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Abb. 20: Siegel des Gottes Adad, Lapislazuli, Babylon (Irak), 9. Jh. v. Chr.

Abb. 21: Entwurf für die Umgestaltung des Babylon-Saales mit Farbkonzept, Berlin 2019.

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Abb. 22: Hier wird gestritten, originale Litfaßsäule mit Hinweis auf die Sonderausstellung, Berlin 2019.

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N. Cholidis et al.

Abb. 23: Rauminstallationen in Form einer „Zeitung“, Berlin 2019.

Abb. 24: Erster Ausstellungsraum, Berlin 2019.

Der Babel-Bibel-Streit: Politik, Theologie und Wissenschaft um 1900

Abb. 25: Zweiter Ausstellungsraum, Berlin 2019.

Abb. 26: Delitzsch vom Babylonischen Stier gegen die Kirchenwand gequetscht, Wandgrafik von Anna Lena Hohmann nach einer Karikatur von Franz Albert Jüttner, aus: Lustige Blätter, XVIII. Jahrgang, Nr. 44, 4. März 1903, Seite 13.

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Abb. 27: Schreibmaschine für Keilschrift, Wandgrafik von Anna Lena Hohmann nach einer Karikatur von Max Schaberschul, aus: Lustige Blätter, XVIII. Jahrgang, Nr. 11, Babylon-Nummer, 11. März 1903, Seite 6.

Bildnachweise Vorwort der Herausgeber Abb. 1: Karikatur aus der satirischen Zeitschrift Simplicissmus: Jg. 8 Heft 12, 16.06.1903: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Abteilung Historische Drucke, Yy 156/90b. Abb. 2: Der Textilgroßhändler und Mäzen James Simon um 1895: Gemeinfrei, Wikimedia Commons: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:James_Sim on.png. Abb. 3: Der Assyriologe Friedrich Delitzsch im Jahr 1903: [Gemeinfrei: Wikimedia Commons: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Friedrich_Delitzsch_2.jpg]. Abb. 4: Titelbild der Lustigen Blätter: Karikatur von Lyonel Feininger, Lustige Blätter Nr. 18.6, 1903; Universitätsbibliothek Heidelberg. Abb. 5: Antisemitische Karikatur aus den Lustigen Blättern: Sondernummer 11, „Babylon“ 1903; Staatsbibliothek Berlin. Beitrag Reinhard G. Lehmann Abb.: Olaf Gulbransson, Das Unerforschliche: Simplicissimus 7.52, 1903, 41 Beitrag Hans Neumann Abb. 1: Eberhard Schrader (1836–1908), aus: ZA 22 (1909). Abb. 2: Bruno Meissner (1868–1947), Gemeinfrei: Wikimedia Commons: https: //cdli.ox.ac.uk/wiki/doku.php?id=meissner_bruno. Abb. 3: Felix Peiser (1862–1921), aus: Tilitzki 2012, 749. Abb. 4: Friedrich Delitzsch (1850–1922), aus: Salje 2001, 18 Abb. 13a. Abb. 5: Otto Schroeder (1887–1928), aus: AfO 4 (1927), 245. Abb. 6: Leopold Messerschmidt (1870–1911), aus: Crüsemann 2000, 165. Abb. 7: Hugo Winckler (1863–1913), aus: OLZ 16 (1913). Beitrag Rudolf Smend Abb. 1: Franz Delitzsch (1813–1890): Gemeinfrei: Wikimedia Commons: https:// commons.wikimedia.org/wiki/File:FranzDelitzsch.jpg. Abb. 2: Julius Wellhausen (1844–1918): Gemeinfrei: Wikimedia Commons: https://mg.m.wikipedia.org/wiki/Sary:Julius_Wellhausen_-_Studien_zur_se mitischen_Philologie,_1914.jpg. Beitrag Olaf Matthes Abb. 1: James Simon, Fotografie um 1910. Quelle: Privat. Abb. 2: Franz von Mendelssohn: bpk / Becker Maass. Abb. 3: Paul von Schwabach, Kaltnadelradierung (Ausschnitt) von Emil Orlik, 1912. Quelle: Privat.

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Bildnachweise

Abb. 4: Karikatur auf Rudolf Martins Jahrbuch der Millionäre, um 1912. Quelle: Matthes 2000, S. 206. Beitrag Ludger Hiepel Abb. 1: ADPSJ, Abt 80 Q 144a, S. 47 (Ausschnitt) – Ausbildung im Orden (3. Jahr Philosophie Valkenburg 1913/14). Abb. 2: ADPSJ, Abt 80 271 (Zuschnitt). Abb. 3: ADPSJ, Abt 47 Nr. 777 – Prospekt des Verlags Aschendorff (Münster) zum Nachdruck von „Sternkunde und Sternendienst in Babel“. Abb. 4: Kugler 1900, Titelseite. Abb. 5: Kugler 1903, Titelseite. Abb. 6: Kugler 1907b, Titelseite. Abb. 7: Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Winck ler,_Hugo.jpg (01.11.2020). Abb. 8: Weidner, Ernst F.: Alfred Jeremias, in: ArOr 10 (1935–1936) 195–196, hier 195. Abb. 9: Kugler 1909, 477. Abb. 10: Kugler 1910, Titelseite. Abb. 11: ADPSJ, Abt 47 Nr. 777 – Prospekt des Verlags Aschendorff (Münster). Beitrag Rüdiger Liwak Abb. 1: Nachzeichnung eines Siegelabdrucks bei Delitzsch, Babel und Bibel (1902), S. 38. Abb. 2: Siegeldarstellung aus dem British Museum: Courtesy of the Trustees of the British Museum. Beitrag Vorderasiatisches Museum Abb. 1: Alabasterrelief aus dem Palast des assyrischen Königs Assurnasirpal II., Nimrud (Irak), 9. Jh. v. Chr., Ankauf 1855, VA 939a–c (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 2: Ansichtskarte, La Tour de Babel, Fotoskulptur von Domenico Mastroianni, Verlag A. Noyer, Paris 1916 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Repro: Olaf M. Teßmer). Abb. 3: Friedrich Delitzsch, (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Fotograf: Carl Günther, Berlin 1902). Abb. 4: Ansichtskarte, Souvenir de Jerusalem, Farblithografie, Kunstverlag H. Vogel, Leipzig 1898 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Repro: Olaf M. Teßmer). Abb. 5: Ansichtskarte, Zur Erinnerung an die glückliche Rückkehr Kaisers Wilhelm II. von der Palästina-Reise …, Lithografie, Verlag Max Marcus, Berlin 1898 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Repro: Olaf M. Teßmer).

Bildnachweise

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Abb. 6: Medaille der Deutschen Orient-Gesellschaft zur silbernen Hochzeit des Kaiserpaares, 27. Februar 1906, Vs. Wilhelm II. und Auguste Victoria im Porträt, Rs. Logo der Deutschen Orient-Gesellschaft, Bronze, Münzkabinett 18266627 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Münzkabinett, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 7: Titelblatt der Publikation Babel und Bibel. Ein Vortrag von Friedrich Delitzsch, Leipzig 1902 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Repro: Nadja Cholidis). Abb. 8: Schwarzer Obelisk, Kalkstein schwarz, Nimrud (Irak), 9. Jh. v. Chr., Abguss vom Original, Gips, getönt, Ankauf 1872, VAG 1 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 9: Kodex Hammurapi, Diorit, Susa (Iran), 18. Jh. v. Chr., Abguss vom Original, Gips, getönt, Schenkung 1903, VAG 131 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 10: Detailaufnahme vom Bildfeld der Hammurapi-Stele, VAG 131 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 11: Enuma Eliš, erste Tafel des Babylonischen Weltschöpfungsmythos, gebrannter Ton, Assur (Irak), 9.‒7. Jh. v. Chr., Fundteilung 1914, VAT 9668 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 12: Gilgameš-Epos, elfte Tafel mit der Beschreibung der Sintflut, gebrannter Ton, Assur (Irak), 8./7. Jh. v. Chr., Fundteilung 1914, VAT 11087 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 13: Adapa und der Südwind, Tontafel, gebrannter Ton, Tell el-Amarna (Ägypten), 14. Jh. v. Chr., Schenkung 1888, VAT 348 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 14: Beschrifteter Zylinder mit einer Beschreibung der Unterwelt, gebrannter Ton, Fundort unbekannt, 19./18. Jh. v. Chr., Ankauf 1901, VA 3114 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 15: Babel und Bibel, Karikatur von Thomas Theodor Heine, aus: Simplicissimus. Illustrierte Wochenschrift, 7. Jahrgang, Nummer 52, 24. März 1903, Titelblatt (URL: http://www.simplicissimus.info). Abb. 16: Und Keilschrift heisst es alldieweilen, weil sie mit ihren Keilen keilen, Karikatur von Lyonel Feininger, aus: Lustige Blätter, XVIII. Jahrgang, Nr. 11, Babylon-Nummer, 11. März 1903, Titelblatt (URL: http://digi.ub.uni-heidel berg.de/diglit/lb18/0174). Abb. 17: Karikaturen von Max Schaberschul, Wilhelm Anton Wellner und E. Kuntze mit Berlinbezug, aus: Lustige Blätter, XVIII. Jahrgang, Nr. 11, Baby-

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Bildnachweise

lon-Nummer, 11. März 1903, Seite 6 (URL: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/ diglit/lb18/0179). Abb. 18: Originale Transportkisten aus Holz mit glasierten Ziegelfragmenten aus Babylon (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 19: Rekonstruktion des Ischtar-Tores von Babylon nach Entwürfen von Walter Andrae, zwischen 1928 und 1930 in Berlin aus farbig glasierten, gebrannten Lehmziegeln und modernen Ergänzungen zusammengesetzt, Babylon (Irak), 6. Jh. v. Chr., VA Bab 1408–1449 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 20: Siegel des Gottes Adad, Lapislazuli, Babylon (Irak), 9. Jh. v. Chr., Fundteilung 1926, VA Bab 647 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 21: Entwurf für die Umgestaltung des Babylon-Saales mit Farbkonzept, Berlin 2019 (© Dr.-Ing. Youssef El Khoury, Ausstellungsarchitekt, Abu Dhabi). Abb. 22: Hier wird gestritten, originale Litfaßsäule mit Hinweis auf die Sonderausstellung, Schenkung der Draussenwerber GmbH, Berlin 2019 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 23: Rauminstallationen in Form einer „Zeitung“, Berlin 2019 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 24: Erster Ausstellungsraum, Berlin 2019 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 25: Zweiter Ausstellungsraum, Berlin 2019 (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 26: Delitzsch vom Babylonischen Stier gegen die Kirchenwand gequetscht, Wandgrafik von Anna Lena Hohmann nach einer Karikatur von Franz Albert Jüttner, aus: Lustige Blätter, XVIII. Jahrgang, Nr. 44, 4. März 1903, Seite 13 (URL: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/lb18/0747) (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer). Abb. 27: Schreibmaschine für Keilschrift, Wandgrafik von Anna Lena Hohmann nach einer Karikatur von Max Schaberschul, aus: Lustige Blätter, XVIII. Jahrgang, Nr. 11, Babylon-Nummer, 11. März 1903, Seite 6 (URL: http:// digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/lb18/0179) (© Staatliche Museen zu Berlin ‒ Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer).

Abkürzungsverzeichnis AALA Abb. ABRL ADOG ADPSJ AfO AKG AmJT Anm. AOAT APuZ ArOr ATA ATD BaAr BarR BASOR BBB BBKL bes. Bd./Bde. BEvT BiKi BKAT BN BZAW CA CDOG DBI DEKZ Derslb. DNP DOG Ebd. EJSB engl. et al. FAT

Asien, Afrika, Lateinamerika. Zeitschrift des Zentralen Rates für Asien-, Afrika- und Lateinamerikawissenschaften in der DDR Abbildung Anchor Bible Reference Library Abhandlungen der Deutschen Orient-Gesellschaft Archiv der Deutschen Provinz der Jesuiten, München Archiv für Orientforschung Arbeiten zur Kirchengeschichte The American Journal of Theology Anmerkung Alter Orient und Altes Testament Aus Politik und Zeitgeschichte Archiv für Orientforschung Alttestamentliche Abhandlungen Das Alte Testament Deutsch Babylonische Archive Biblical archaeological review Bulletin of the American Schools of Oriental Research Bonner Biblische Beiträge Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon besonders Band/Bände Beiträge zur evangelischen Theologie Bibel und Kirche Biblischer Kommentar Altes Testament Biblische Notizen Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Confessio Augustana = Augsburger Bekenntnis Colloquien der Deutschen Orient-Gesellschaft Dictionary of Biblical Interpretation Deutsche evangelische Kirchenzeitung Derselbe Der Neue Pauly Deutsche Orient-Gesellschaft Ebenda Europäisch-jüdische Studien, Beihefte englisch lat.: et alii = und andere Forschungen zum Alten Testament

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FN FRLANT FzB ggfls. HdO HeBAI Hg. hgg. v. HK HMRG InOr IPIAO JbDOG JBL JBTh Jh. JNSL JSOT Supl Jtsd. KB KGA Kgl. lat. MDOG MOS n. NBL NDB NF NTOA OBO OLZ Or.NS passim RGG RIMA RINAP RKZ RlA S. s.a.

Abkürzungsverzeichnis

Fußnote Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Forschung zur Bibel gegebenenfalls Handbuch der Orientalistik Hebrew Bible and Ancient Israel Herausgeber/in/nen herausgegeben von Göttinger Handkommentar zum Alten Testament Historische Mitteilungen im Auftrage der Ranke-Gesellschaft Investigatio Orientis Die Ikonographie Palästinas/Israels und der Alte Orient Jahresbericht der Deutschen Orient-Gesellschaft Journal of Biblical Literature Jahrbuch für Biblische Theologie Jahrhundert Journal of Northwest Semitic Languages Journal for the study of the Old Testament, Supplement Series Jahrtausend Keilinschriftliche Bibliothek Kritische Gesamtausgabe (F.D.E. Schleiermacher) Königlich lateinisch Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft Mittheilungen aus den Orientalischen Sammlungen engl.: note = Anmerkung Neues Bibel-Lexikon Neue Deutsche Biographie Neue Folge Novum testamentum et orbis antiquus Orbis Biblicus et Orientalis Orientalistische Literaturzeitung Orientalia Nova Series da und dort, zerstreut, allenthalben Religion in Geschichte und Gegenwart Royal Inscriptions of Mesopotamia Assyrian Period The Royal Inscriptions of the Neo-Assyrian Period Reformierte Kirchenzeitung Reallexikon der Assyriologie Seite (nur wo zur Eindeutigkeit benötigt) siehe auch

Abkürzungsverzeichnis

SAACT SBLABS sc. SGKAO SGV SJ SMB-ZA Sp. SSAW ThLZ ThRv TUAT TVGMS ULB UTB VAM Vgl. VS VT.S WA WdO ZA ZAH ZÄS ZÄS-B ZAW z.B. ZDMG ZDPV ZfG Zit. ZKWL ZnTh ZRGG z.T. ZThK

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State Archives of Assyria Cuneiform Texts SBL – Archaeology and Biblical Studies lat.: scilicet = gemeint ist Schriften zur Geschichte und Kultur des Alten Orients Sammlung gemeinverständlicher Vorträge und Schriften aus dem Gebiet der Theologie und Religionsgeschichte Studia Judaica Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin Spalte Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften Theologische Literaturzeitung Theologische Revue Texte aus der Umwelt des Alten Testaments TVG-Monographien und Studienbücher Universitäts- und Landesbibliothek, Sachsen-Anhalt Uni-Taschenbücher Vorderasiatisches Museum, Berlin Vergleiche Vorderasiatische Schriftdenkmäler der Königlichen / Staatlichen Museen zu Berlin Vetus Testamentum, Supplements Weimarer Ausgabe (D. Martin Luthers Werke) Die Welt des Orients Zeitschrift für Assyriologie und Vorderasiatische Archäologie Zeitschrift für Althebraistik Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde, Beihefte Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft zum Beispiel Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zitat Zeitschrift für Kirchliche Wissenschaft und kirchliches Leben Zeitschrift für neuere Theologiegeschichte Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte zum Teil Zeitschrift für Theologie und Kirche

Bibliographie Da die gedruckten Ausgaben der drei Vorträge Friedrich Delitzschs zu „Babel und Bibel“ immer wieder neu aufgelegt worden sind und sich die Texte im Detail durchaus unterscheiden, wird in den einzelnen Beiträgen, wann immer erforderlich, das jeweils zitierte Kontingent (z.B. 31.–35. Tausend) angegeben. Auf eine gesonderte Aufführung in der Gesamtbibliographie wird hingegen verzichtet. Ältere Publikationen werden in der Bibliographie z.T. nach den verwandten (Neu-) Ausgaben aufgeführt, welche mitunter deutlich ‚jüngeren‘ Datums sind; auf die Angabe des Ersterscheinungsdatums wird dabei i.d.R. verzichtet [ansonsten in eckigen Klammern hinten angestellt]. Unterschiedliche Auflagen werden durch hochgestellte Ziffern unmittelbar am Buchtitel angegeben. Abel, Ludwig. 1892. Stück einer Tafel aus dem Fund von El-Amarna, in: ZA 7, 117–124. Achenbach, Adolf, et al. (Hg.). 1913. Unser Kaiser. Fünfundzwanzig Jahre der Regierung Kaiser Wilhelms II. 1888–1913, Berlin u.a.: Deutsches Verlagshaus Bong & Co. Adam, Thomas. 1999. Heinrich Pudor – Lebensreformer, Antisemit und Verleger, in: M. Lehmstedt / A. Herzog (Hg.), Das bewegte Buch. Buchwesen und soziale, nationale und kulturelle Bewegungen um 1900. Schriften und Zeugnisse zur Buchgeschichte 12, Wiesbaden: Harrassowitz, 183–196. Albertz, Rainer. 1993. „Ihr werdet sein wie Gott“. Gen 3,1–7 auf dem Hintergrund des alttestamentlichen und des sumerisch-babylonischen Menschenbildes. WdO 24, 89–111. Alstola, Tero. 2020. Judeans in Babylonia: A Study of Deportees in the Sixth and Fifth Centuries BCE. Culture and History of the Ancient Near East 109, Leiden: Brill. Alt, Albrecht. 1925. Die Landnahme der Israeliten in Palästina. Territorialgeschichtliche Studien. Leipzig: Druckerei der Werkgemeinschaft (Nachdruck in: Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel. München: C.H. Beck, 1953, 89–125). — 1966. Essays on Old Testament History and Religion. Translated by R.A Wilson. Oxford: Blackwell. Andrae, Walter. 1988. Lebenserinnerungen eines Ausgräbers2, Stuttgart: Freies Geistesleben. Andresen, Bernd. 1995. Ernst von Dryander. Eine biographische Studie. Arbeiten zur Kirchengeschichte 63, Berlin: De Gruyter. Anonymus (Hg.). 1919. 25 Jahre Ignatiuskolleg Valkenburg 1894–1919, Freiburg i.B.: Herder.

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Register Abdul Hamid II. 32, 111, 252, 262, 263 Abel, Ludwig 68, 79 Abraham 34, 98, 123, 124 Abydenus 24 Adapa 202, 255 Alt, Albrecht 235 Althoff, Friedrich 69, 111 Amel-Marduk 181 Andrae, Walter 79, 80 Ascher, Saul 218 Assurbanipal 54, 125, 126, 192, 251 Atramchasis 202 Augustinus 94 Baeck, Leo 211, 234 Bartels, Adolf 152, 158 Barth, Karl 233 Bebel, August 257 Beck, August 95 Becker, Ferdinand Wilhelm 82 Bell, Gertrude 259 Belsazar 34 Berossos 24 Beyschlag, Willibald 95 Bezold, Carl 66, 67, 168 Biedenkapp, Georg 150, 151 Bismarck, Otto von 65, 68, 71, 259, 261 Bonus, Arthur 31 Borchardt, Ludwig 140 Budde, Karl 228, 236 Buddha 259 Bülow, Bernhard von 71, 94 Burckhardt, Jacob 246 Caprivi, Graf Leon von 71 Chamberlain, Houston Stewart 40, 98, 100, 116, 117, 156, 157, 158

Champollion, Jean François 24 Cornill, Karl 228 Dalman, Gustaf 82 Darwin, Charles 21, 86 David, König von Israel 34, 259 De Wette, Wilhelm Martin Leberecht 220, 221 Delitzsch, Franz 13, 26, 29, 60, 145, 195, 261 Delitzsch, Friedrich passim Delitzsch, Hermann 191 Dernburg, Friedrich 144, 231 Dillmann, August 26, 29 Dios 24 Dohm, Konrad Wilhelm 218 Döller, Johannes 163 Döllinger, Friedrich siehe Weinländer, Karl Dryander, Ernst 262 Dryander, Ernst von 95, 96, 120 Ebeling, Erich 78 Egidy, Moritz von 154 Ehrlich, Paul 133 Elbogen, Ismar 234 Epping, Joseph 166 Erman, Adolf 237, 239 Esau 220 Esra 186 Esther 53 Eulenburg, Philipp Fürst zu 98, 102 Eupolemos 24 Eusebius von Caesarea 24 Ewald, Heinrich 23 Ewald, Johann Ludwig 220 Feininger, Lyonel 256 Fleischer, Heinrich Leberecht 82 Flöckner, Karl 164 Foot Moore, George 229

332

Francé, Raoul H. 143 Friedlaender-Fuld, Friedrich von 133 Friedrich Wilhelm III. 91, 92 Friedrich Wilhelm IV. 64, 90, 91, 92 Fries, Jakob Friedrich 217, 218, 219, 220, 221 Fritsch, Theodor 143, 144, 145, 146 Fürst, Julius 82 Gall, August von 231 Gersdorff, Cläre von 194 Gesenius, Wilhelm 24 Gilgamesch 177, 178, 202, 255 Gobineau, Arthur Comte de 160 Goethe, Johann Wolfgang von 98, 124 Goldschlag (Judenmissionar) 82 Greßmann, Hugo 197, 227, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 239 Grotefend, Georg August 191 Gulbransson, Olaf 19 Gunkel, Hermann 22, 195, 229, 230, 232, 234, 235, 236, 237 Güterbock, Bruno 133, 137 Güterbock, Gustav 133 Guttmann, Michael 234 Haman 53 Hamdi Bey, Osman 259 Hammurapi 98, 124, 145, 254 Harnack, Adolf von 38, 39, 55, 92, 93, 94, 95, 97, 210, 211, 213, 214, 217 Hauck, Ernst 152 Haupt, Paul 39 Hehn, Johannes 28, 163 Heidemann, Johann Nepomuk 134 Heine, Heinrich 243 Hempel, Johannes 239

Register

Hengstenberg, Ernst Wilhelm 23, 81 Herder, Johann Gottfried 24, 25 Herodot 23, 24 Herzl, Theodor 111 Hess, Michael 218 Hinzpeter, Georg Ernst 98, 99 Hirsch, Franz Julius 60, 81 Hofmann, Johann C. K. von 84 Hollmann, Friedrich 92, 115, 118, 253 Homer 98, 124, 259 Hommel, Fritz 79, 171 Huldschinsky, Oskar 133 Hussein, Saddam 260 Isaac, Julius 134 Jakob 218, 220 Jehu, König von Israel 254 Jensen, Peter C.A. 46, 68 Jeremias, Alfred 46, 81, 171, 173, 174, 175, 196, 231 Jesaja 107, 108, 120 Jesus von Nazareth 51, 54, 55, 56, 58, 59, 83, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 104, 114, 120, 121, 123, 124, 148, 157, 170, 171, 208, 210, 211, 213, 223 Joinville, Jean de 177 Jojakin, König von Juda 181 Josephus, Flavius 23 Justi, Carl 90 Jüttner, Franz 256 Kant, Immanuel 98, 124 Karl der Große 98, 100, 124 Kaufmann, David 83 Kaulen, Franz 144, 164 Keil, P. 164 Kekulé von Stradonitz, Reinhard 90, 93, 95 Keßler, Johannes 102 Kittel, Rudolf 234, 235, 240 Klein, Jakob 245

Register

Koldewey, Robert 73, 79, 147, 251, 259, 260, 262 König, Eduard 236, 243 Kraeger, Heinrich 146 Krupp, Friedrich Alfred 134 Kugler, Franz Xaver 14 Kyros II. 182, 184 Lagarde, Paul de 157, 160 Lanz von Liebenfels, Jörg 149, 150 Layard, Henry Austen 254 Lazar, Shimon Menachem 241 Lehmann, Carl 68 Lehmann-Hohenberg, Johannes 154, 155 Lenormant, Francois 74 Leo III., Papst 100 Lindl, Ernst 79 Lisco, Gustav 97 Ludendorff, Mathilde 152 Ludwig IX. 177 Luschan, Felix von 262 Luthardt, Christoph Ernst 85 Luther, Martin 98, 99, 124, 160, 213, 220, 224, 243, 258 Marcion 209, 210 Marti, Karl 231, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 239 Marx, Karl 21 Maurenbrecher, Wilhelm 89 Megasthenes 24 Meissner, Bruno 68, 70, 79 Menander 24 Ménant, Joachim 74 Mendelssohn, Franz von 133, 134 Mendelssohn, Moses 222, 223, 224, 225, 226, 243 Messerschmidt, Leopold 68, 76 Meyer, Eduard 86 Mohammed 259 Mordechai 53

333

Moses 34, 48, 56, 98, 103, 124, 178, 182, 193, 218, 221, 222, 223, 225, 259 Mosse, Rudolf 134, 259 Naaman 55 Nabonid 24 Naville, Eduard 232 Nebukadnezar 24, 25, 34, 181, 182 Nehemia 182, 186 Niedlich, Joachim Kurd 152 Nikel, Johannes 164 Noth, Martin 235 Nowack, Wilhelm 228 Oppert, Julius 74, 241 Parsifal 157 Paul, Jean 89 Paulus 178, 222, 259 Peiser, Felix 63, 68, 72, 73 Phillipson, Ludwig 242 Philon Byblios 24 Pudor, Heinrich 158 Rade, Martin 23 Ranke, Hermann 230 Ranke, Leopold von 89, 90 Rathenau, Walther 153 Reinecke, Adolf 143, 150 Rühs, Friedrich 217, 218, 220 Sachau, Eduard 69, 70 Salmanassar III. 254 Salomo, König von Israel 34 Salomon, Gotthold 218, 219 Sanchuniathon 24 Sanherib 34 Sardanapal 116, 192 Sayce, Henry Archibald 74, 144 Schaberschul, Max 256 Schemann, Ludwig 159, 160 Schleiermacher, Friedrich 50, 100, 160, 211, 212, 213, 214, 215

334

Schrader, Eberhard 24, 26, 29, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 74, 76, 78, 79, 191 Schroeder, Otto 78 Schwabach, Paul 133, 134 Schwaner, Wilhelm 40, 143, 146, 153, 154, 155, 195 Seeligmann, Isac Leo 84 Shakespeare, William 98, 124 Simon, Eduard 133 Simon, James 8, 73, 110, 132, 134, 135, 139 Simon, Louis 133 Smith (Reverend) 85 Smith, George 21, 191 Soden, Wolfram von 78 Stade, Bernhard 228, 229, 231, 239 Stauff, Philipp 145, 146 Stöcker, Adolf 217, 256 Strack, Hermann Leberecht 234 Strassmaier, Johann Nepomuk 167 Strauß, David Friedrich 23 Sydow, Adolf 97 Tallquist, Knut 68 Tholuck, August 95 Tholuck, Friedrich 99 Tiglatpileser III. 188 Töpelmann, Alfred 234 Treitschke, Heinrich von 218 Ungnad, Arthur 76, 230 Vatke, Wilhelm 23

Register

Wachler, Ernst 156 Wahrmund, Adolf 144 Weil, Jacob 219, 220 Weinländer, Karl 148, 150 Weißbach, Franz Heinrich 80 Wellhausen, Julius 22, 27, 81, 84, 86, 182, 183, 184, 228, 231, 234, 239, 242 Wellner, Wilhelm Anton 256 Wendrin, Franz von siehe Wydrinski, Franz Wenzel-Heckmann, Elisabeth 134 Wilhelm I. 65, 98, 124, 261 Wilhelm II. 8, 14, 33, 36, 70, 71, 73, 129, 150, 154, 155, 192, 193, 194, 242, 250, 252, 262, 263 Winckler, Hugo 46, 57, 68, 71, 78, 171, 173, 195, 231 Wise, Stephen S. 234 Wolf, Heinrich 149, 150 Wolf, Immanuel 218 Wolf, Joseph 218, 219 Wolff, Karl Felix 148, 150, 151 Wydrinski, Franz 158 Xerxes I. 183 Yavetz, Zeev 242 Zababa-šar-uṣur 183 Zedekia 181 Zimmern, Heinrich 75 Zimmern, Sigmund 218 Zorell, Franz 164 Zunz, Leopold 218