Das Vergaberecht zwischen öffentlichem und privatem Recht [1 ed.] 9783428523337, 9783428123339

Die vorliegende Publikation ist konsequent als rechtssystematische Grundlagenarbeit angelegt und gliedert sich in drei K

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Das Vergaberecht zwischen öffentlichem und privatem Recht [1 ed.]
 9783428523337, 9783428123339

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1055

Das Vergaberecht zwischen öffentlichem und privatem Recht Von

Rainer Regler

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

RAINER REGLER

Das Vergaberecht zwischen öffentlichem und privatem Recht

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1055

Das Vergaberecht zwischen öffentlichem und privatem Recht

Von

Rainer Regler

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Regensburg hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-12333-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern und Großeltern

In Kunst und Wissenschaft sowie im Tun und Handeln kommt alles darauf an, dass die Objekte rein aufgefasst und ihrer Natur gemäß behandelt werden. J.W. v. Goethe

Vorwort Für den unbefangenen, doch interessierten Staatsbürger war das Feld der öffentlichen Auftragsvergabe – selbst bei unterstellter Parallelwertung in der Laiensphäre – in der Regel wenig geeignet, besonderes Interesse zu wecken. Das Wort „war“ macht die Entwicklung der letzten Jahre deutlich. Die wirtschaftliche Bedeutung und die (wirtschafts-)politische Instrumentalisierung der öffentlichen Auftragsvergabe haben in erster Linie medienwirksame Ereignisse in das allgemeine Bewusstsein gerückt. Die Auftragsvergabepraxis der Stadt Köln im Bereich des Abfallmanagements und die damit verbundenen Korruptionsvorwürfe brachten der Bundesrepublik im Jahre 2002 mitunter die Bezeichnung als „Bananenrepublik“1, der Stadt Köln die Bezeichnung „nördlichste Stadt Italiens“2 ein. Dies ist insofern nachvollziehbar, als – berechtigt oder nicht – vielfach die Annahme anzutreffen ist, „Klüngel“ bei der Vergabe öffentlicher Arbeiten seien nicht ausschließlich ein rheinisches Spezifikum 3. Die Stadion-Affäre im Münchener Norden brachte hier eine wenig erfreuliche Bestätigung. Vielerlei Beachtung fand die gescheiterte Privatisierung der Berlin Brandenburg Flughafen Holding GmbH (BBF) mit dem Zweck des Ausbaus und Betriebs des Flughafens Berlin Schönefeld zum Großflughafen Berlin Brandenburg International (BBI). Das als „mutig“ bezeichnete Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom August 1999 4 gilt als erster, vor allem in finanzieller Hinsicht bedeutender Anwendungsfall des seit Beginn des Jahres 1999 geltenden deutschen Kartellvergaberechts. Signifikanterweise krankte der erteilte Zuschlag an einem Verfahrensfehler, nämlich an einem vergaberechtswidrigen Doppelmandat, das der Freihaltung des Vergabeverfahrens vom „bösen Schein möglicher Parteilichkeit“ widersprach. Für mit der Materie Vertraute können obige Ausführungen freilich keine Geltung beanspruchen. Umfangreiche gesetzgeberische Aktivitäten auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene und deren bundesdeutsche Umsetzung haben das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe längst von seinem Mauerblümchendasein als Materie des Haushalts- und Finanzrechts entrückt. Die von Forsthoff 5 beklagte Bagatellisierung Die Zeit v. 18.4.2002, Leitartikel S. 1. Die Zeit v. 14.3.2002, Dossier, S. 33. 3 Süddeutsche Zeitung v. 9.3.2004, Kommentar von Prantl: „(...) In Wahrheit ist aber der Ort der Korruption noch gewaltiger: Er ist 990 Kilometer lang, 720 Kilometer breit und fasst 82,5 Millionen Menschen. (...)“. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999, „Flughafen Berlin“, WuW/E Verg 231 = NZBau 1999, S. 39. 5 Forsthoff, Der Staat als Auftraggeber, S. 7 ff. 1 2

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Vorwort

der Agitation des Staates als Auftraggeber könnte angesichts der heutigen Flut juristischer Literatur und der enorm gestiegenen Bedeutung in der anwaltlichen Beratung als Relikt vergangener Tage anzusehen sein. Dennoch haben die klassischen, schon von Forsthoff gestellten Fragen ihre Aktualität nicht verloren. Trotz der aus der Bedeutungszunahme erwachsenen erheblichen Einflüsse rechtlicher und wirtschaftlicher Art auf das nationale Vergaberechtsregime ist dessen Einordnung in der bisherigen Tradition verhaftet geblieben. Ungeachtet nicht seltener Großaufträge staatlicher Beschaffungsstellen wird man im Hinblick auf die verwaltungsrechtliche Klassifikation an den allseits bekannten Fall des behördlichen Büromittelkaufs erinnert und gelangt flugs zum fiskalischen Hilfsgeschäft. Dem liegt die Vorstellung des privatrechtsförmig handelnden Staates zugrunde, während eine etwaige öffentlich-rechtliche Prägung der Auftragsvergabe fern liegt. Schwung in die wissenschaftliche Diskussion brachte insoweit ein Judikat des EuGH 6, wonach europäische Vorgaben einen öffentlich-rechtlichen Akt verlangen, der im Wege eines Nachprüfungsverfahrens einer Aufhebung zugänglich sein muss. München, im Oktober 2006

Rainer Regler

6 EuGH, Urt. v. 28.10.1999, Rs. C-81/98, „Alcatel Austria AG u. a./Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr“, WuW/E Verg 262 = DVBl. 2000, S. 118 ff. = EuZW 1999, S. 759 = NZBau 1999, S. 33.

Inhaltsübersicht Einleitung

21

A. Staat und Verwaltung – bestehende Agenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

B. Das Spannungsfeld der Bedarfsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

C. Der Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

1. Kapitel Die Grundlagen des Vergabewesens A. Historische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28 28

B. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

C. Das Beschaffungswesen des Staates im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

D. Wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

2. Kapitel Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

76

A. Die öffentliche Auftragsvergabe als Prozess der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

B. Die öffentliche Auftragsvergabe im Rahmen der Privatisierung von Hoheitsträgern

93

3. Kapitel Das Vergaberechtsverhältnis

130

A. Die Stellung des Vergaberechtsverhältnisses im Dualismus von öffentlichem und privatem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 B. Die Einordnung der staatlichen Bedarfsdeckung in das System der öffentlichen und staatlichen Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 C. Die Einordnung der öffentlichen Auftragsvergabe in die Kategorien des Verwaltungshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 D. Die Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses . . . . . . . . . . 227 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

Inhaltsverzeichnis Einleitung

21

A. Staat und Verwaltung – bestehende Agenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

B. Das Spannungsfeld der Bedarfsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

C. Der Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

1. Kapitel Die Grundlagen des Vergabewesens

28

A. Historische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

B. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Internationale Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Nationale Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 36 38 46

C. Das Beschaffungswesen des Staates im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Möglichkeiten staatlicher Bedarfsdeckung – Thematische Beschränkung . . . . . II. Staatliche und privatwirtschaftliche Bedarfsdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gemeinsame Grundkonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten staatlicher Bedarfsdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61 61 64 64 67

D. Wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

2. Kapitel Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung A. Die öffentliche Auftragsvergabe als Prozess der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begrifflichkeiten im Bereich der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Herkömmliche Erscheinungsformen der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die formelle Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vermögensprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die materielle Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die funktionale Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sonstige Privatisierungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kategorisierung der öffentlichen Auftragsvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Annäherung an die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76 76 80 81 82 83 83 84 86 87 87

14

Inhaltsverzeichnis 2. Beschaffung als aufgabenbezogene Vorstufe und selbständige Aufgabenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

B. Die öffentliche Auftragsvergabe im Rahmen der Privatisierung von Hoheitsträgern . I. Annäherung an die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konkretisierung des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts . . . . . . . 2. Problemstellung im Bereich von Privatisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundsätze der vergaberechtlichen Behandlung von Privatisierungsvorhaben . 1. Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Behandlung konkreter Privatisierungsvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ansätze der Rechtsprechung und des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Betrachtung anhand eines Drei-Stufen-Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Privatisierungsrelevante Wertungsausnahmen von der Vergabepflichtigkeit . . . . 1. Gesetzliche Wertungsausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Richterrechtliche Wertungsausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Wertungsausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Problemfälle der Vergabepflichtigkeit bei Privatisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Öffentlich-rechtliche Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesellschaftsrechtliche Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Problemfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anwendung der Grundsätze nach II. und III. auf die Privatisierungsformen – Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die formelle Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die materielle Privatisierung und die Vermögensprivatisierung . . . . . . . . . . . . 3. Die funktionale Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93 93 93 98 99 99 101 101 104 106 106 107 116 118 118 120 125 127 127 127 128

3. Kapitel Das Vergaberechtsverhältnis A. Die Stellung des Vergaberechtsverhältnisses im Dualismus von öffentlichem und privatem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Trennung von öffentlichem und privatem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Trennung von Staat und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Fiskustheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die herrschenden Abgrenzungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Anknüpfungspunkt für die Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Betrachtung des Vergaberechtsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Maßgebliche Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Differenzierung zwischen Ausführungshandlung und Vergaberechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einordnung der Ausführungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einordnung des Nachprüfungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einordnung nach Maßgabe der herrschenden Abgrenzungstheorien . . . .

130

130 130 130 132 133 136 136 138 139 139 140 144 145 146 146

Inhaltsverzeichnis

15

b) Einordnung nach Maßgabe weiterer Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Betrachtung der maßgebenden Rechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Öffentliche Auftragsvergabe und staatliche Fürsorgepflichten . . . . . cc) Europäisierung der öffentlichen Auftragsvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Privatrecht kraft Natur der Sache? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die wirtschaftliche Bedeutung als Motor öffentlich-rechtlicher Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Öffentliche Auftragsvergabe und Grundrechtsrelevanz . . . . . . . . . . . . gg) Tendenzen in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Vergaberechtsverhältnis in der Zusammenschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Vergaberechtsverhältnis als verwaltungsrechtliches Verfahren . . . . . . . . 3. Besonderheiten bei Sektorenauftraggebern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151 152 159 164 167 169 170 178 186 186 188 190

B. Die Einordnung der staatlichen Bedarfsdeckung in das System der öffentlichen und staatlichen Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das System der öffentlichen und staatlichen Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Fehlen einer Staatsaufgabendogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die bestehende Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Betrachtung der öffentlichen Auftragsvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Öffentliche Auftragsvergabe und öffentliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentliche Auftragsvergabe und öffentliche Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Öffentliche Auftragsvergabe und staatliche Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betrachtung aus der Sicht der finalen Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Betrachtung aus der Sicht des Vergaberechtsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten bei Sektorenauftraggebern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192 192 193 197 204 204 205 206 206 207 211 212

C. Die Einordnung der öffentlichen Auftragsvergabe in die Kategorien des Verwaltungshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kategorien des Verwaltungshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einordnung der öffentlichen Auftragsvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herkömmliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einordnung aufgrund der Ergebnisse gemäß Abschnitte A. III. und B. III. . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213 213 218 218 222 227

D. Die Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses . . . . . . . . . . I. Grundrechtsrelevanz der öffentlichen Auftragsvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundrechtsbindung der öffentlichen Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen der Grundrechte an die Gestaltung des Vergaberechtsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Durch die Auftragsvergabe betroffene Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Weitere Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anforderungen an die Verfahrensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Wesentlichkeit der öffentlichen Auftragsvergabe . . . . . . . . . . . . . .

227 227 227 232 233 233 240 247 252 253 253

16

Inhaltsverzeichnis bb) Grundrechtliche Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Weitere verfahrensrechtliche Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtswegeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Statthafte Klageart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

255 261 262 263 269 271

Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

Abkürzungsverzeichnis a. A. ABl. Abs. a. d. a. E. a. F. AG AktG Alt. a. M. AöR Art. AT Aufl. Az. BAG BAnz. BauGB BauR Bay BayHO BayObLG BayVBl. BB BbgRettG Bd. BEG Bek. Bes. Beschl. BGB BGBl. BGH BGHZ BHO BKartA BKR BMWi BT 2 Regler

anderer Auffassung Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz an der am Ende alter Fassung Aktiengesellschaft Aktiengesetz Alternative allgemeine Meinung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Allgemeiner Teil Auflage Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Baugesetzbuch Baurecht Bayerisch(e) Bayerische Haushaltsordnung Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerische Verwaltungsblätter Betriebsberater Brandenburgisches Rettungsdienstgesetz Band Bundesentschädigungsgesetz Bekanntmachung Besonderes Beschluss Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeshaushaltsordnung Bundeskartellamt Baukoordinierungsrichtlinie Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Besonderer Teil

18 BT-Drs. BVerfG BVerwG BVFG BW BWGZ bzw. DB ders. dies. Diss. DKR DÖV DStR dt. DVBl. EG EGV Einf. Einl. ENeuOG EuGH EuR EuV EuZW EWG EWS f. (ff.) Fn. FS GA GewArch GG ggf. GmbH GmbHG GmS OGB GO GPA GVBl. GWB HGrG h. M. HmbGVBl. Hrsg. i. d. F.

Abkürzungsverzeichnis Drucksachen des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Bundesvertriebenengesetz Baden-Württemberg Die Gemeinde (Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg) beziehungsweise Der Betrieb derselbe dieselbe Dissertation Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie Die öffentliche Verwaltung Deutsches Steuerrecht deutsch Deutsche Verwaltungsblätter Europäische Gemeinschaft(en), Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft n. F. Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft a. F. Einführung Einleitung Eisenbahnneuordnungsgesetz Europäischer Gerichtshof Europarecht Vertrag zur Gründung der Europäischen Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgende, für Fußnote Festschrift Generalanwalt Gewerbearchiv Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes Gemeindeordnung Government Procurement Agreement Gesetzverkündungsblatt des Freistaats Bayern Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Haushaltsgrundsätzegesetz herrschende Meinung Hamburgisches Gesetzverkündungsblatt Herausgeber in der Fassung

Abkürzungsverzeichnis i. S. d. i. Ü. i.V. m. JuS JZ Kap. KG KOM KommZG lit. LKR LKV LSÖ MDR m. w. Nachw. n. F. NJW NJW-RR NpV Nr. NVwZ NVwZ-RR NZBau ÖstVerfGH OLG OVG PostG PPLR PPP Rdnr(n). RG RGBl. RGZ RML RMLS RPÖ Rs. S. SKR Slg. sog. u. u. a. UmwG 2*

19

im Sinne des (der) im Übrigen in Verbindung mit Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Kammergericht Berlin, Kommanditgesellschaft Dokument der Kommission der Europäischen Gemeinschaften Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit (Bayern) Buchstabe Lieferkoordinierungsrichtlinie Landes- und Kommunalverwaltung Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten bei Leistungen für öffentliche Auftraggeber Monatszeitschrift des Deutschen Rechts mit weiteren Nachweisen neuer Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Nachprüfungsverordnung Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht Österreichischer Verfassungsgerichtshof Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Postgesetz Public Procurement Law Review Public Private Partnership Randnummer(n) Reichsgericht Reichsgesetzblatt Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Nachprüfungsrichtlinie Rechtsmittelrichtlinie betreffend die Sektoren Richtlinien für die Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen Rechtssache Satz, Seite(n) Sektorenkoordinierungsrichtlinie Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs sogenannte(r, s) und und andere Umwandlungsgesetz

20 Univ. Urt. UWG v. Var. VBl.BW VerfGH VergabeR VersR VerwArch. VG VGH vgl. VgRÄG VgV VK VKR VO VO PR VOB VOF VOL Vorb. VÜA VV VVDStRL VwGO VwVfG WiR WiVerw WTO WuW WuW Verg www.bmwi.bund.de ZBR ZfBR ZGR ZHR Ziff. ZIP zit. ZKF zugl. ZVgR ZZP

Abkürzungsverzeichnis Universität Urteil Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb von, vor Variante Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Verfassungsgerichtshof Vergaberecht Versicherungsrecht Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vergaberechtsänderungsgesetz Vergabeverordnung Vergabekammer Vergabekoordinierungsrichtlinie Verordnung Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen Verdingungsordnung für Leistungen Vorbemerkung(en) Vergabeüberwachungsausschuss Verwaltungsvorschrift Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Wirtschaftsrecht Wirtschaft und Verwaltung World Trade Organisation Wirtschaft und Wettbewerb WuW-Entscheidungssammlung zum Vergaberecht Internetportal des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für das gesamte Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzrecht zitiert Zeitschrift für Kommunalfinanzen zugleich Zeitschrift für deutsches und internationales Vergaberecht Zeitschrift für Zivilprozess

Einleitung A. Staat und Verwaltung – bestehende Agenden Fleiner 1 schickt seinem bedeutenden Werk über das Verwaltungsrecht voraus, es sei der Beruf der Rechtsordnung, Befugnisse und Pflichten verschiedener Rechtssubjekte gegeneinander abzugrenzen. Eine Untersuchung, die auch die Kategorien staatlichen Handelns zum Gegenstand hat, tut demnach gut daran, im Vorfeld die Reichweite des Staates als Organisationstypus zu beleuchten. Grundlage eines jeden modernen Staatswesens ist dessen im Grundsatz – besser: „in potentia“ 2 oder „virtuell“ 3 – bestehende Allzuständigkeit. Rechtlich wird von der Kompetenz-Kompetenz gesprochen. Sie erlaubt es den jeweils zuständigen Staatsorganen, durch Neuschaffung oder Erweiterung der entsprechenden Handlungsgrundlagen auf unvorhergesehene Lagen jeglicher Art in angemessener Weise zu reagieren. Um mit Krüger 4 zu sprechen, „gehört zur existenziellen Ausstattung eines jeden Staates die General- und Blankovollmacht, sich in freier Entschließung und in eigener Verantwortung diejenigen Aufgaben stellen zu dürfen, die er wegen der zu bewältigenden Lagen für erforderlich hält“. Sie ist gleichsam ratio essendi des Staatsmodells. Prägnant ausgedrückt, muss ausschließlich dem Staat vorbehalten bleiben „die Entscheidung darüber, was die Lage erfordert und welchen Aufgaben man sich demgemäß zu stellen hat.“ 5 Das Charakteristikum dieser Aussage besteht im Passus, „was die Lage erfordert“. Auf den ersten Blick veranschaulicht sie die Möglichkeiten staatlicher Agitation, nämlich repressiv im Falle unvorhersehbarer Störfälle und präventiv im Falle allgemein bestehender Gefahren. Ihr ist auch eine historische Dimension zu Eigen. Die Bedürfnisse der Gesellschaft und ebenso diejenigen ihrer Mitglieder ändern sich laufend. Prägnant formuliert Köttgen 6, der Aktionsradius des Staates und der Verwaltung sei „keine konstante Größe, sondern dem geschichtlichen Wechsel unterworfen“. Es ist der Verdienst der Vernunftrechtler, nach der Auflösung der mittelalterlichen Ordnung die Herrschermacht mittels der Lehre vom Sozialvertrag neu zu legitimieren. Die Herrschaft eines übergeordneten Staatswesens rechtfertigt sich 1 2 3 4 5 6

Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 47. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 761. Isensee, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnr. 158. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 760 f. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 767. Köttgen, Deutsche Verwaltung, S. 143.

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Einleitung

nicht originär; sie basiert vielmehr auf der Zustimmung der Individuen, genauer: auf einer damit verbundenen Machtabtretung im Sinne eines Rechtsanwendungsbefehls 7. Während der Sozialvertrag in den Augen des Vernunftrechts noch die Aufgabe in sich trug, den Staat nicht zur Ermöglichung, sondern zur Erleichterung des gesellschaftlichen Lebens zu begreifen, also letztlich erstrebte, die als vorgegeben angesehene, allumfassende monarchische Staatsgewalt zur Gewährleistung selbstverantwortlicher Freiheit der Bürger zu beschränken 8, sieht sich der Staat moderner Prägung der Aufgabenstellung gegenüber, die in demokratischer Willensbildung legitimierte, von vornherein begrenzte staatliche Herrschaft zu konstituieren und sie – angesichts der ständig fortschreitenden Komplexität der Problemfelder und Gemengelagen – als funktions- und leistungsfähig zu erhalten. Im Vordergrund steht das Postulat, ein freies und menschenwürdiges Leben durch staatliche Planung, Lenkung und Vorsorge zu schaffen und auch in Zukunft zu gewährleisten 9. Umfassende staatliche Verantwortung für das Gemeinwesen korrespondiert nicht mit staatlicher Alleinzuständigkeit 10. Die Wahrnehmung bestehender Befugnisse und Gebote erfordert allerdings kein eigenhändiges, auf die Einschaltung und Unterstützung von und durch Private verzichtendes Handeln. Geschichtlicher Wechsel im Sinne Köttgens versteht sich auch in engeren Zeitmaßstäben, in denen geänderte gesellschaftliche Grundanschauungen eine Änderung des Rechtsregimes erforderlich werden lassen. Wie bereits angedeutet, besteht die staatliche Allzuständigkeit nur virtuell. Sie meint nicht die „aktuelle Omnipräsenz und Omnikompetenz“; der Staat ist vielmehr notwendig „sektoral“ 11 statt totalitär. Schrankenwirkung und damit „Impermeabilitätsreservate“ 12 entfalten die Säkularität, die Rechtsstaatlichkeit mit der Gliederung der staatlichen Funktionen und der Formalisierung ihrer Vollzüge, die Sicherstellung von staatlich unerreichbaren Zonen und das Prinzip der Subsidiarität. 13 Letzteres charakterisiert die rechtsstaatliche 7 Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 32 ff.; Grimm, in: Wilhelm (Hrsg.), Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte, S. 224/228 ff.; Schmitt, Verfassungslehre, S. 61 ff. 8 Grimm, in: Wilhelm (Hrsg.), Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte, S. 224/228 f. 9 Hesse, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, § 1 Rdnrn. 25 ff. 10 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 26 ff.; P. Kirchof, in: Isensee/ Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 59 Rdnrn. 2 f. 11 Isensee, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnrn. 158 f. 12 Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 15. 13 Umfassend zu den Schranken: Isensee, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnrn. 158 ff.; Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 759 ff. Kelsen (Allgemeine Staatslehre, S.40 ff.) hingegen lehnt das Bestehen von festen Grenzen bei der Expansion des Staates zugunsten einer staatsfreien Sphäre des Individuums – unabhängig von ihrer Herleitung aus dem Naturrecht oder aus der modernen Staatsrechtslehre – als vergebliches und aussichtsloses Bemühen generell ab. Seiner Auffassung nach sei weder eine Grenze für die Ausdehnung staatlicher Kompetenz bestimmbar noch lasse sich ein Mindestgehalt an staatlicher Kompetenz fixieren.

A. Staat und Verwaltung – bestehende Agenden

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Rationalität, staatliche Mittel sächlicher und persönlicher Art zur Aufgabenerfüllung nur insoweit einzusetzen, als die Wahrnehmung der Aufgaben durch die Gesellschaft nicht genügend ist 14. Sektorale, mit den Worten Krügers 15 dem „Grundsatz der Nichtidentifikation“ folgende Staatstätigkeit konvergiert mit dem Gemeinwohlprinzip, dem „allgemeinsten Leitbild“ 16 jeder Verfassung, der „umfassendsten Orientierung allen Wirkens im Gemeinwesen“ 17 und dem „Legitimationsgrund der Staatlichkeit“ 18. Die Befassung mit der Idee des Gemeinwohls kann im Rahmen der Staatslehre auf eine weite Tradition verweisen. Gerne wird die Cicero 19 entlehnte Sentenz bemüht: „Salus rei publicae suprema lex esto“. Dass jedes Handeln des Staates einer gemeinwohlorientierten Zielsetzung bedarf und nur hieraus Rechtfertigung erlangt, ist in Zeiten moderner Verfassungen selbstverständlich. Keine Änderung haben indes die mit den spezifischen Merkmalen der Gemeinwohlidee verhafteten Schwierigkeiten erfahren. Als Fundamentalprinzip verpflichtet die Gemeinwohlidee das staatliche Gemeinwesen – sprachlich einfach – auf das „Allgemeine Beste“. Ein ungleich schwierigeres Unterfangen stellt es dar, den Begriff „Gemeinwohl“ definitorisch fassbar zu machen. Im Gegensatz zu den inhaltlich umschriebenen Staatszielen ist er einer Begrenzung durch spezielle Inhalte und Tätigkeitsfelder ebensowenig zugänglich wie einer Beschränkung auf bestimmte Verfassungen oder Staatsformen. Seine Universalität bietet Angriffsflächen sowohl für den Missbrauch zu politischen und ideologischen Zwecken als auch für die stete Diskussion um die Frage nach der Existenz eines Gemeinwohls oder lediglich eines Wohls jeweils anderer Gruppen und Personen. 20 Als gesicherte Erkenntnis kann gelten, dass sich das bonum commune und das bonum particulare nicht in einem Verhältnis der Exklusivität gegenüberstehen, sondern sich wechselseitig bedingen. Im Grundgesetz kommt das Prinzip des Gemeinwohls zum Ausdruck in den positivrechtlichen Regelungen der Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 und Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, in den Amtseiden gemäß Art. 56 und Art. 64 Abs. 2 GG sowie als grundrechtliche Schranken-Schranke. Die Funktion eines Staatsziels, das der Staat sich zu Eigen macht und das er planmäßig zu 14 Das liberale Subsidiaritätsprinzip geht einher mit der katholischen Staatslehre. Die Enzyklika „Quadragesimo anno“ aus dem Jahr 1931 führt aus (AAS XXIII (1931), S. 177/203): „Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf aber niemals zerschlagen oder aussaugen.“ (zitiert nach Isensee, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnrn. 165 ff.) Allgemein zum Prinzip der Subsidiarität als Schranke staatlicher Tätigkeit: Jellinek, G., Allgemeine Staatslehre, S. 259 ff.; Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 53 ff., 772 ff. m. w. Nachw. 15 Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 763. 16 Isensee, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnrn. 1 f. 17 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 26. 18 Siehe vorherige Fußnote. 19 Moser (Hrsg.), Cicero, De legibus, III 3, 8. 20 Ehlers, in: Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, §1 Rdnr.29; Isensee, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnrn. 2 ff., 17 ff.; Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 763 ff.

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verfolgen strebt, ist dem Gemeinwohl durch die fehlende konkrete Festsetzung im Verfassungstext und – selbst bei unterstellter Festsetzung – durch die fehlende Bestimmbarkeit nicht beizumessen. 21 Das Grundgesetz stellt nach herrschender Doktrin 22 lediglich den Ausschnitt eines Gesamtsystems des Gemeinwohls dar, das einer Ableitung aus vielfältigen Erkenntnisquellen – grundgesetzlichen, staatsstrukturellen, politischen und soziologischen – bedarf. Ausgehend vom Maß der Gemeinwohlkonkretisierung lässt sich staatliches Handeln nach Staatszielen und Staatsaufgaben aufteilen. Die Abgrenzung ist aufgrund der den Staatsaufgaben eigentümlichen Beschränkung auf einen bestimmten Aufgabenbereich im Regelfall leicht zu bewerkstelligen. Jedoch sind die Begrifflichkeiten und mehr noch deren Inhalt durch unklare und uneinheitliche Verwendung gekennzeichnet. 23 Der für die vorliegende Arbeit maßgeblichen Staatsfunktion Verwaltung, die als „umfassendste“ 24 oder „lebensnotwendige“ 25 Funktion bezeichnet wird, kommt die Aufgabe zu, „die rechtlichen Beziehungen zu regeln, die zwischen dem verwaltenden Staat (oder einer anderen mit der Führung öffentlicher Verwaltung betrauten öffentlichrechtlichen Korporation) und ihren Untertanen (Einzelpersonen wie Verbänden) entstehen“ 26. Anders als die Verfassung, die das „ruhende Element des Staates ist, das dessen Ordnung und oberste Organe zu normieren habe“, stellt die Verwaltung eine „Besorgung der Geschäfte des Staates, ein(en) Inbegriff von Leistungen und Erfüllung von Staatszwecken“ 27 dar. Ein eigenständiges Verwaltungsrecht entwickelte sich als Folge seiner zunehmenden Bedeutung erst im Laufe des 19. Jahrhunderts, nachdem sich die Aufteilung der Staatsfunktionen bereits gefestigt hatte. Davor bildete die Verwaltung lediglich einen Annex zum Begriff der Regierung und kennzeichnete die zweck- und routinemäßige Durchführung von 21 Isensee, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnrn.104 ff. Weiter als das Grundgesetz geht die Bayer. Verfassung. Art.3 Satz 2 BayVerf enthält die Proklamation, der Rechts-, Kultur- und Sozialstaat Bayern (Art.3 Satz 1 BayVerf) „dient dem Gemeinwohl“. Der BayVerfGH (Entsch. v. 13.12.1973, E 26, 144) versteht die Gemeinwohlklausel als „Staatsfundamentalnorm, die sowohl im organisatorischen Bereich der Staatstätigkeit als auch im Verhältnis des Staates zu den einzelnen, insbesondere bei einem Widerstreit öffentlicher und privater Interessen, Bedeutung erlangt.“ Näher Meder, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 3 Rdnr. 23. 22 Vgl. Isensee, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnrn. 112 ff. 23 Vgl. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243/249; Isensee, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnrn. 132 ff.; Stern, Staatsrecht, Band II, § 41 I 4 a) m. w. Nachw. Siehe hierzu 3. Kapitel B. I. 24 Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S.612. Er betont dabei die zentrale Stellung der Verwaltung innerhalb der Staatsfunktionen: „Verwaltung aber, die ja die Regierung in sich enthält, muss immer geübt werden. Ohne sie könnte der Staat keinen Augenblick existieren. Despoten ohne Gesetz und Richter sind wenigstens vorstellbar, der verwaltungslose Staat wäre Anarchie.“ 25 Thoma, in: Anschütz/Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Band II, S. 110. 26 Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 47 f. 27 Stern, Staatsrecht, Band II, § 41 I 2 b). Siehe auch Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 3; Laband, Staatsrecht, Band 2, S. 176 f.

A. Staat und Verwaltung – bestehende Agenden

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Leitungsentscheidungen der Regierungsebene. 28 Allen Entwicklungsstufen gemeinsam ist die Schwierigkeit der Bestimmung des Umfangs verwaltungsrechtlicher Aktivitäten. Über lange Zeit vorherrschend war die auf Montesquieu zurückgehende und vor allem durch Mayer 29, Fleiner 30 und Jellinek 31 gefestigte negative Definition der öffentlichen Verwaltung. Als Verwaltung bezeichnete man demnach all dasjenige, was nicht zur Sphäre der Gesetzgebung und Rechtsprechung gehörte. Angesichts der nur beschränkten Aussagekraft dieser Begriffsbestimmung leiteten in erster Linie Peters 32 und Wolff 33 einen Wandel zur Berücksichtigung positiver Begriffsmerkmale ein. Heute bedient man sich regelmäßig kombinierter Begriffsbestimmungen. Verwaltung wird zunächst wie vorstehend negativ bestimmt, anschließend positiv als „die den Organen der vollziehenden Gewalt und bestimmten, diesen zuzurechnenden Rechtssubjekten übertragene eigenverantwortliche ständige Erledigung der Aufgaben des Gemeinwesens durch konkrete Maßnahmen in rechtlicher Bindung nach vorgegebener Zwecksetzung“ 34 definiert. Unabhängig von der bei der konkreten Tätigkeit verfolgten Zielsetzung kann eine als Staatsfunktion verstandene Verwaltung nur bei einer Tätigkeit im Interesse des Gemeinwohls, im öffentlichen Interesse oder aufgrund eines öffentlichen Zwecks rechtmäßig sein 35. Die Gemeinwohlmotivation der jeweiligen Verwaltungshandlung ist jedoch, anders als die allgemeine Gemeinwohlverbundenheit des Staates, weitgehend konkretisierbar. Bei der Erledigung staatlicher Aufgaben verlangen regelmäßig verschiedene öffentliche Interessen Geltung und Umsetzung, die mitunter nicht oder nur schwerlich zu vereinbaren sind. Der Verwaltung obliegt die Aufgabe, nach Möglichkeit alle öffentlichen Interessen zu optimaler Wirksamkeit gelangen zu lassen, wobei, je nach Fallgestaltung und im Rahmen der Gesetze, einzelne Interessen mit stärkerem Gewicht berücksichtigt werden können 36. Die angedeuteten Schwierigkeiten der Definition der Staatsfunktion Verwaltung machen schließlich die Vielfalt ihrer Aufgaben, Tätigkeitsfelder, Rechts- und Erscheinungsformen und die damit verbundenen rechtlichen Fragen sichtbar. 28 Fleiner, Deutsches Verwaltungsrecht, S. 4 f.; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, S. 2 f.; Stern, Staatsrecht, Band II, § 41 I 2 a). 29 Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, S. 7. 30 Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 4 f. 31 Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 6. 32 „Mit dem Verzicht auf jegliches positive Merkmal ist über die Verwaltung gar nichts ausgesagt“ (Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 4). 33 Wolff, Verwaltungsrecht I, 1. Auflage, S. 7 ff. 34 Stern, Staatsrecht, Band II, § 41 I 3 c). Vgl. auch Ehlers, in: Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rdnrn. 5 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rdnrn. 5 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 2 Rdnrn. 1 ff. 35 Die Unklarheit besteht lediglich in den Begrifflichkeiten, nicht aber in der Sache; vgl. Ehlers, in: Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, §1 Rdnr. 29; Isensee, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnr. 2; Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7/19 ff. 36 Vgl. Ehlers, in: Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rdnr. 30.

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Einleitung

B. Das Spannungsfeld der Bedarfsverwaltung Staatlicher Einfluss auf die Wirtschaft im Rahmen bestehender Agenden vollzieht sich einerseits über die Regulierung einzelner Wirtschaftszweige, andererseits über die Vergabe öffentlicher Aufträge. Das Rechtsregime des öffentlichen Auftragswesens wird durch die Normierung verhaltensrechtlicher Maßstäbe für die Nachfragetätigkeit zur Sicherung einer wirtschaftlichen Beschaffung und eines Beschaffungswettbewerbs nebst Gleichbehandlung aller Bieter dem Öffentlichen Wirtschaftsrecht, dabei dem Öffentlichen Wettbewerbsrecht zugeordnet 37. Charakteristisch für das Öffentliche Wirtschaftsrecht und so auch für das Recht der Auftragsvergabe ist die Gemengelage von haushalts- und finanzrechtlichen sowie ökonomischen, hierbei insbesondere wettbewerblichen, konjunkturpolitischen und sozialstaatlichen Aspekten 38. Pietzcker 39 betont insoweit die Ambivalenz des Vergaberechts. Die Teilnahme von Trägern öffentlicher Verwaltung am Wirtschaftsverkehr zur Nachfrage von Gütern soll mit dem Haushaltsrecht als dem klassischen Innenrecht korrespondieren. Trotz der Verwendung privatrechtlicher Handlungsformen verlangt eine Vielzahl öffentlich-rechtlicher Bindungen Berücksichtigung. Auch bürokratische Strukturen der Verwaltungsorganisation sollen für die beim privaten Wirtschaften erforderliche Flexibilität kein Hemmnis sein. Anlass für den Paradigmenwechsel hin zu einem von Wettbewerb und Gleichbehandlung geprägten deutschen Vergaberecht war die europäische Richtliniengesetzgebung. Das Spannungsfeld der Europäisierung war eröffnet. Der Bedeutungszuwachs des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe wurde im Hinblick auf die Gewährleistung einer gemeinwohlorientierten Aufgabenerfüllung und auf die Ermöglichung erforderlicher Investitionen mit der steigenden Güternachfrage öffentlicher Stellen vor dem Hintergrund knapper werdender öffentlicher Kassen verstärkt. Hinsichtlich der verwaltungsrechtlichen Erfassung staatlicher Bedarfsdeckungsgeschäfte kann auf Forsthoff 40 verwiesen werden: „Die gängige Terminologie bezeichnet das als Hilfsgeschäfte der Verwaltung, ein Ausdruck, der besser als alles andere sinnfällig macht, welche Bedeutung man dieser Verwaltungstätigkeit bisher beigemessen hat.“ Diese im Jahr 1963 gewählte Formulierung kann heute noch uneingeschränkt Geltung beanspruchen. Unklarheiten in der verwaltungsrechtlichen Dogmatik bestehen nicht lediglich hinsichtlich der Klassifikation als fiskalische Hilfsgeschäfte. Der dem deutschen Recht innewohnende Dualismus von öffentlichem und privatem Recht bereitet im Hinblick auf die Einordnung des (Öffentlichen) Wirtschaftsrechts erhebliche Schwierigkeiten. Wie Rittner 41 richtig erkennt, geht 37 38 39 40 41

Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 158 ff. Stober, Bes. Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 398 ff. Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427/428. Forsthoff, Der Staat als Auftraggeber, S. 7. Rittner, ZHR 152 (1988), S. 318/322.

C. Der Gang der Untersuchung

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es dabei „weniger um Rechtswege oder Kontrollmöglichkeiten als darum, ob das öffentliche Auftragswesen einer gesonderten, verwaltungsrechtlichen Ordnung unterstellt werden oder weiterhin ein Teil der allgemeinen Ordnung von Vertrag und Wettbewerb bleiben soll“. Genauerer Untersuchung bedarf ferner das Verhältnis von öffentlicher Auftragsvergabe zur steigenden Verlagerung staatlicher Aufgaben auf private Rechtsträger im Rahmen der Wirtschaftspolitik der Privatisierung.

C. Der Gang der Untersuchung Die Arbeit gliedert sich in drei Kapitel. Das 1. Kapitel befasst sich mit den „Grundlagen des Vergabewesens“. Im Mittelpunkt steht die Erörterung des vergaberechtlichen Rechtssystems. Die Entwicklung des nationalen Vergaberechtsregimes, insbesondere unter Berücksichtigung der gemeinschaftsrechtlichen Beeinflussung und der Verwobenheit mit wirtschaftlichen und vielfältigen politischen Zielsetzungen, ist für die Ausführungen in den folgenden Kapiteln notwendige Voraussetzung. Das 2. Kapitel beschäftigt sich mit dem Verhältnis von „öffentlicher Auftragsvergabe und Privatisierung“. Dieses Verhältnis wird im Wesentlichen auf zweierlei Weise beleuchtet: Untersucht wird zum einen, ob sich die staatliche Beschaffung im Wege der Vergabe öffentlicher Aufträge als Privatisierungsvorgang bezeichnen lässt, zum anderen, ob die verschiedenartigen Privatisierungsvorgänge und -gestaltungen die Anwendbarkeit des Vergaberechtsregimes bedingen. Das 3. Kapitel „Das Vergaberechtsverhältnis“ hat das Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zum Gegenstand. Untersucht wird, ob und ggf. wie das Vergaberechtsverhältnis in klassische verwaltungsrechtliche Disziplinen einzuordnen ist. Der Begriff „Vergaberechtsverhältnis“ meint das Beschaffungsverfahren von der Beschaffungsentscheidung bis zur Erteilung des Zuschlags. Begonnen wird in diesem Kapitel mit der Thematik der Zuordnung zum öffentlichen oder zum privaten Recht. Auf dieser Grundlage wird die Einordnung der öffentlichen Auftragsvergabe in das System der öffentlichen und staatlichen Aufgaben und in die Kategorien des Verwaltungshandelns herausgearbeitet. Geschlossen wird mit einer Betrachtung der Rechtsfolgen der festgestellten Qualifikation im Hinblick auf die Verfahrensgestaltung, wobei der Schwerpunkt auf den grundrechtlichen Verfahrensstandards liegt.

1. Kapitel

Die Grundlagen des Vergabewesens A. Historische Grundlagen Die staatliche Vergabe von Aufträgen ist nicht jünger als die Existenz staatlicher Gemeinwesen. Darauf hat bereits Kunert 1 hingewiesen. Historisch betrachtet, hat die Änderung der gesellschaftlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lediglich zu unterschiedlichen Erscheinungsformen der „Auftragsvergebung“ geführt. Als Motor für die Reformierung jeweils bestehender Regelungen können die der jeweiligen Zeit anhaftenden Missstände angesehen werden. Sichtbar wurden diese im Rahmen der zunehmenden volkswirtschaftlichen Bedeutung des Vergabewesens. Als ursprüngliche Form staatlicher Bedarfsdeckung gilt die Bedarfsdeckung in Eigenregie 2, also die Befriedigung staatlicher Bedürfnisse mit eigenen Mitteln. Freilich beansprucht diese Form der Bedarfdeckung nur der Theorie nach ausschließliche Geltung. Selbst der römische Staat, der als ein Gemeinwesen gilt, das die Beschaffung in Eigenregie bewerkstelligte, vergab in großem Umfang öffentliche Arbeiten, insbesondere die Erstellung und Unterhaltung öffentlicher Anlagen, im Wege eines geregelten Versteigerungsverfahrens 3. Als dem System der Eigenregie am nächsten verhaftet wird die mittelalterliche Staats- bzw. Hofwirtschaft betrachtet 4. Zur Aufrechterhaltung des Besitzstandes musste der gesamte Bedarf aus den eigenen Domänen erwirtschaftet werden. Ein öffentliches Vergabeverfahren mit einer wettbewerblichen Komponente etablierte sich in Deutschland als „Spiegelbild der dem Verkauf dienenden Versteigerung“ 5 in Form der Lizitation bzw. der „Abstreichverhandlung“ 6 erst im 18. Jahrhundert 7. Vorausgegangen war die Zurückdrängung des Kunert, Staatliche Bedarfdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 29. Huber, Das Submissionswesen, S. 343; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 29; Wallerath, Die Verwaltung 20 (1987), S. 137/138 f. 3 Gandenberger, Die Ausschreibung, S. 22; Huber, Das Submissionswesen, S. 3 f.; Kokott, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, Einführung Rdnrn. 2 ff.; Wallerath, Die Verwaltung 20 (1987), S. 137/139 f. 4 Huber, Das Submissionswesen, S. 3 ff.; Müller, Staatliche Preislenkung, S. 25; Wallerath, Die Verwaltung 20 (1987), S. 137/140 f. m. w. Nachw. 5 Gandenberger, Die Ausschreibung, S. 22. 6 Huber, Das Submissionswesen, Vorwort S. V. 7 Verstärkt wurde diese Entwicklung durch die Einflüsse des französischen und holländischen Vergabewesens. So gilt als erstes urkundlich nachweisbares Reglement des Vergabewe1 2

A. Historische Grundlagen

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Einflusses der in den Stadtwirtschaften bestehenden Zünfte durch das staatliche Wirtschaftssystem des Merkantilismus. Ein intaktes Zunftsystem, in erster Linie der Zunftzwang und das Verbot des Unterbietens, schlossen bis dahin einen Vergabewettbewerb aus 8. Die deutschen Territorialstaaten, die, anders als die großen Städte, nicht dem Einfluss der Zünfte unterlagen, waren bei der Festlegung wettbewerbsmäßiger Vergabeformen freier 9. Bei der Lizitation wurden umfangreiche Bauvorhaben und Materiallieferungen im Rahmen einer mündlich geführten Versteigerung, die der im römischen Staat vergleichbar war, an den günstigsten Interessenten vergeben. Langfristig überwogen die mit der reinen Ausrichtung auf das Günstigkeitsprinzip verbundenen Nachteile. So führt Dörner 10 in seiner Untersuchung zur Versens eine französische Ordonnance aus dem Jahre 1535. Unter Vauban wurden Befestigungsarbeiten an Kanälen- und Uferbauten mittels Submission durchgeführt. Colbert etablierte ein schriftliches Vergabeverfahren auf den staatlichen Hofdomänen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Huber, Das Submissionswesen, S. 3 f.; Beutinger, Das Submissionswesen, S. 13 f.; Rößle, in: Elster/Weber/Wieser (Hrsg.), Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 7. Bd., S. 1158; Schubert, in: FS f. Korbion, S. 389/391). Auch in Deutschland gab es Anzeichen für schriftliche, verdingungsähnliche Auftragsvergaben, so beim Bau einer Kirche in Xanten im Jahre 1541 und beim Festungsbau in Ingolstadt im Jahre 1542. Abgesehen von der schon bezweifelten Überprüfbarkeit dieser Angaben (Wallerath, Die Verwaltung 20 (1987), S. 137/144 f.), handelte es sich aber um Ausnahmefälle schriftlicher Vergaben. Einfluss auf die allgemeine Vergabepraxis ist ihnen nicht beizumessen. Gleiches gilt für die Hamburgische Bauhofordnung von 1617 und für die seit Beginn des 17. Jahrhunderts bestehenden Einkaufsanweisungen an städtische Beamte (Gandenberger, Die Ausschreibung, S. 22; Müller, Staatliche Preislenkung, S. 25; Schubert, in: FS f. Korbion, S. 389/391; Kirsch, Das deutsche Verdingungswesen, S. 17 f.; a. A. Heller, Das Submissionswesen, S. 2, die die Vorschriften der Hamburgischen Bauhofordnung „ohne Zweifel“ als „erste deutsche Submissionsbedingungen“ versteht.). 8 Huber, Das Submissionswesen, S. 4; Rößle, in: Elster/Weber/Wieser (Hrsg.), Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 7. Bd., S. 1158; Wallerath, Die Verwaltung 20 (1987), S. 137/143. 9 Für Preußen: „Bau-Reglement for die Churmärkische Kriegs- und Domänenkammer, wie es bey Führung des Baues und Rechnung bey denen Aembtern zu halten“ Friedrich Wilhelms I. v. 10.2.1724. Hiernach wurde der den Auftrag vergebenden Stelle vorgeschrieben, so weit wie möglich „Verdinge zu machen“, damit der Bau „mit bester Menage als möglich geführet werde“. Ein weiteres Bau-Reglement erging am 10.12.1727. Die allgemeine Anordnung der Lizitation erfolgte schließlich durch ein Bau-Reglement Friedrichs II. vom 13.5.1751. Dieses schrieb vor, dass „die auf folgendes Jahr nöthige Reparationes und Baue öffentlich dem wenigst fordernden anzuverdingen“ seien (hierzu Heller, Das Submissionswesen, S. 4 f.). In Bayern kehrte man nach dem Scheitern der „Verdingung der Arbeiten betreffend die Unterhaltung der Landesstraßen“ wieder zur Bedarfsdeckung in Eigenregie zurück. Erst im beginnenden 19. Jahrhundert wurde durch Verordnungserlass die Auftragsvergabe im Wege der Lizitation bzw. der beschränkten Submission festgeschrieben (Wallerath, Die Verwaltung 20 (1987), S. 137/145 f.). 10 Dörner, Kommunale Submissionspolitik, S.15 ff. Ähnlich auch Huber (Das Submissionswesen, S. 19): „aber man ist allseits davon [gemeint ist die Lizitation; Anm. d. Verf.] abgekommen, weil die persönliche Leidenschaft der Bieter, die Aufregung des Augenblicks, die Kürze der Zeit die reifliche Überlegung beschränkt, und die durch die unüberlegten Unterbietungen bedingte Verdienstschmälerung nur dazu drängt, in Qualität und Quantität blos das Allernothwendigste zu leisten.“

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

gabepraxis in Mannheim aus, dass „der Lizitation der große Mangel anhafte, die Bieter in der Erregung des Versteigerungskampfes zu völlig unüberlegten, übermäßig niedrigen und daher auch verlustbringenden Angeboten zu verleiten. Selbst dem kühl und leidenschaftlich rechnenden Geschäftsmann wurde es außerordentlich erschwert, in der Hast der Versteigerung richtig kalkulierte Angebote zu stellen.“ Angesichts dieser Widrigkeiten, die wegen drohender Qualitätseinbußen auch den Interessen der Vergabestellen widersprachen, wurde die Lizitation zunehmend11 von der Submission, das heißt der öffentlichen Aufforderung zur Einreichung schriftlicher Offerten, verdrängt. Das Submissionsverfahren entsprach dem erhöhten Kontrollbedarf der Auftragsvergabe infolge des stark zunehmenden staatlichen Bedarfs an Gütern im beginnenden Industriezeitalter. Rein administrative Erwägungen, genannt sei die „Vorliebe der inzwischen gewachsenen Bürokratie für die Schriftform“ 12, gesellten sich hinzu. Das Submissionswesen als schriftliche Ausschreibung mit anschließendem Zuschlag setzte sich aber erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts vollständig durch 13. Wie bereits angedeutet, geht diese Entwicklung einher mit sich ändernden staatlichen Aufgaben. Der rasche technische Fortschritt, das Streben nach Liberalisierung und das starke Bevölkerungswachstum erhöhten die Ansprüche des Gewerbes und der aufkommenden Industrie an den sich in der Entwicklung befindlichen Nationalstaat. Allein der erstmalige Aufbau einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur bewirkte eine sprunghafte Erhöhung des staatlichen Bedarfs. Hinzu kam die wachsende Nachfrage des Staates im Bereich der Rüstung.14 Die Submission hatte in erster Linie den Zweck, bisher waltende Willkür in der Vergabepraxis zu beseitigen und stattdessen vollumfängliche Konkurrenz in Form der Selbstauslese zu gewährleisten. Die den Auftrag vergebende Behörde stellte – einem Schiedsrichter gleich – lediglich den obsiegenden Bieter fest. Maßgeblich für die Zuschlagsentscheidung war ausschließlich das niedrigste Gebot. 15 Die Bezeichnung des Submissionsverfahrens als die „Personifikation der unbeschränkten Konkurrenz“ 16 und als 11 Die Verdrängung der Lizitation vollzog sich nur sukzessiv. Teilweise wurden Lizitation und Submission nebeneinander angewendet, teilweise gab es Zwischenformen (Gandenberger, Die Ausschreibung, S. 24 f.; Wallerath, Die Verwaltung 20 (1987), S. 137/147). 12 Wallerath, Die Verwaltung 20 (1987), S. 137/147. Die Submission wird vielfach lediglich als Übersetzung der Lizitation ins Schriftliche verstanden (Gandenberger, Die Ausschreibung, S. 23). 13 Bayerische Verdingungsordnung aus dem Jahr 1833; Preußische Verdingungsordnung aus dem Jahr 1834. 14 Ehrlicher, in: Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, 1. Bd., S. 785; Heller, Das Submissionswesen, S. 20 f.; Huber, Das Submissionswesen, S. 5 f.; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S.29; Rößle, in: Elster/Weber/Wieser (Hrsg.), Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 7. Bd., S. 1158; Wallerath, Die Verwaltung 20 (1987), S. 137/147. 15 Huber, Das Submissionswesen, S. 29; Müller, Staatliche Preislenkung, S. 25 f.; Schubert, in: FS f. Korbion, S. 389/392 f. 16 Huber, Das Submissionswesen, S. 12.

A. Historische Grundlagen

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eine der „bedeutendsten Errungenschaften des Liberalismus des 19. Jahrhunderts“ 17 ist hiernach nur allzu verständlich. Trotz der Sicherstellung des angestrebten, von Willkür und Bevorzugung befreiten Vergabevorgangs hat das Submissionswesen jedoch die hohen Anforderungen an ein modernes Vergaberechtsregime nicht erfüllt. Die Submission wurde bereits wenige Jahrzehnte nach ihrer Etablierung als Grundübel des späten 19. Jahrhunderts betrachtet 18. Das der zivilrechtlichen Privatautonomie widersprechende unausgewogene Verhältnis von Rechten der Vergabestelle einerseits und Pflichten des privaten Auftragnehmers andererseits 19 nahm dabei nur eine untergeordnete Rolle ein. Vielmehr kamen erneut die aus dem Prinzip der Vergabe an den Mindestfordernden resultierenden Missstände zum Tragen. Der gestiegenen volkswirtschaftlichen Bedeutung der Vergabe öffentlicher Aufträge folgend nahm die literarische Auseinandersetzung mit der Thematik in erheblichem Umfang zu. So wurde die herbe Kritik bestehender Mängel des Submissionswesens zum beherrschenden Thema der gesamten Ausschreibungsliteratur 20. Huber 21 moniert, dass das Übermaß der Konkurrenz den gleichen Effekt habe, wie der Ausschluss jeglicher Konkurrenzfreiheit. Die Folge sei ein der „Unterwerfung unter fremde Willkür ähnelnder Zustand“ sowie „liederliche Arbeit, Materialienfälschung etc.“. Das Wesen der Submission, namentlich die „prinzipielle Bevorzugung des niedrigen Preises vor der Qualität“ bedinge eine „allgemeine Verdienst-Minderung und Korrumpierung der (Handwerks-)Arbeit“ und leiste damit der „Prämiierung der Pfuscherei und Schwindelei“ Vorschub. Bezeichnend ist, dass die angeführten Missstände in besonderem Maße auch von Vertretern des Gewerbes sowie der Großund Kleinindustrie, also von dem Stand beklagt wurden, der wenige Jahrzehnte zuvor noch in vehementer Weise auf die Einführung der Auftragsvergebung im Wege der Submission gedrängt hatte. Die Bewertung der Submission entwickelte sich damit von der Annahme, sie stelle „den besten Weg“ 22 zur Vergabe öffentlicher Arbeiten dar, hin zum Vorwurf der Verantwortlichkeit für ein „gieriges Pfuscherthum“, einer „wahren Handwerkerbande“ und zum Verlangen nach Aufstellung eines Programms Schubert, in: FS f. Korbion, S. 389. Huber, Das Submissionswesen, S. 7; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 31. 19 Schubert, in: FS f. Korbion, S. 389/392 f. 20 So Gandenberger, Die Ausschreibung, S. 26. Freudenstein (Reform des Submissionswesens, S. 1) spricht gleich zu Beginn seiner Monographie von der „ethischen, juristischen, nationalökonomischen, politischen, polizeilichen, sanitären, sozialen, ästhetischen und künstlerischen absoluten Gemeinschädlichkeit und Verwerflichkeit der heutigen Submissionsmaxime“. 21 Huber, Das Submissionswesen, S. 9, 15, 19. Beispielhaft für die mitunter emotional geführte Debatte ist folgende Formulierung: „Schon mancher junge, vielversprechende Gewerbsmann ist materiell und moralisch zu Grunde gegangen, indem er zuerst niedrigere Angebote macht, um nur hinein zu kommen, dann weiter und weiter fortgerissen wurde und als Schwindler endete“. 22 So ein Antrag des Stuttgarter Gewerbevereins von 1850 (zitiert nach Schubert, in: FS f. Korbion, S. 389/393). 17 18

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

zur „Beschränkung des Hausir-, Gefängnisarbeits- und Submissionswesens“ 23. Ab 1880 wurden deshalb umfangreiche Reformversuche 24 unternommen, deren Ziel es war, wie Beutinger 25 treffend umschreibt, „Licht und Schatten zwischen der Verwaltung und den Unternehmen nach Billigkeit“ zu verteilen und „tunlichst auch den Interessen der kleineren Unternehmer und namentlich des Handwerkerstandes Rechnung zu tragen“. Neben der (Wieder-)Herstellung eines gesunden Wettbewerbs sollten bei der Ausgestaltung des Vergabeverfahrens nach den Grundsätzen der Gleichberechtigung und der Gegenseitigkeit auch sozialpolitische Belange, beispielsweise Arbeiterinteressen, berücksichtigt werden 26. Eingeleitet wurden die Reformen im Jahr 1885 durch den „Circular-Erlass des preußischen Arbeitsministeriums“ 27. Andere Länder des Deutschen Reichs lehnten ihr Vergabewesen an die preußischen und später auch an die badischen Bestimmungen an28. Maßgeblicher Inhalt der neuen Regularien war die Einschränkung des Prinzips der automatischen Zuschlagserteilung auf das niedrigste Gebot. Ohne den Wettbewerbsgrundsatz aufzugeben, durfte der Zuschlag nunmehr nur noch „auf ein in jeder Beziehung annehmbares, die tüchtige und rechtzeitige Ausführung der betreffenden Arbeit oder Lieferung gewährleistendes Gebot“ erteilt werden, wobei die „niedrigste Geldforderung als solche keineswegs vorzugsweise“ Berücksichtigung finden durfte 29. Den Interessen des Mittelstandes wurde durch die Vergabe nach Teillosen und Gewerbegattungen entsprochen, denjenigen der Arbeiterschaft durch die zunehmende Prüfung der Einhaltung der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten seitens der Auftragswerber 30. Vor dem Hintergrund der Einführung von reichseinheitlichen Vergaberechtsgrundsätzen trat 1913 eine Kommission zur Erstellung eines Reichsgesetzes betreffend das öffentliche Verdingungswesen zusammen. Der 1914 verabschiedete „Entwurf eines Reichs-Gesetzes betreffend das öffentliche Verdingungswesen“ (Reichssubmissionsgesetz) wurde vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges im Plenum nicht Nach Huber, Das Submissionswesen, S. 7. Der Verband deutscher Baugewerksmeister hatte Preise für die beste Schrift zur Verbesserung des Submissionswesens ausgesetzt (Schubert, in: FS f. Korbion, S. 389). Einen Überblick über die Reformvorschäge gibt Rothacker, Das Verdingungswesen, S. 10 ff. 25 Beutinger, Das Submissionswesen, S. 205. 26 Schubert, in: FS f. Korbion, S. 389/394 f.; Wallerath, Die Verwaltung 20 (1987), S. 137/ 149 f. 27 Circular-Erlass des Preußischen Arbeitsministers betreffend die Vergebung und Lieferung von Leistungen v. 17.7.1885 (abgedruckt bei Huber, Das Submissionswesen, S. 449 ff.). Eine Fortentwicklung erfolgte durch die Erlasse v. 23.12.1905 und v. 18.12.1912 (Rößle, in: Elster/Weber/Wieser (Hrsg.), Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 7. Bd., S. 1158 f.). 28 So beispielsweise Bayern durch Erlass v. 2.4.1903 (GVBl. 1903, S.137 ff.). Vgl. Gandenberger, Die Ausschreibung, S. 26; Rößle, in: Elster/Weber/Wieser (Hrsg.), Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 7. Bd., S. 1158 f.; Wallerath, Die Verwaltung 20 (1987), S. 137/149. 29 Teil I., Ziff. II. Nr. 1 Abs. 1, Abs. 2 des Circular-Erlasses des preußischen Arbeitsministeriums. 30 Gandenberger, Die Ausschreibung, S. 26 f.; Müller, Staatliche Preislenkung, S. 26; Schubert, in: FS f. Korbion, S. 389/395. 23 24

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mehr behandelt. 31 Die Arbeiten an einer einheitlichen Regelung wurden erst im Jahr 1921 fortgesetzt, wobei die Erstellung einer, wie 1914 vorgesehenen, gesetzlichen Regelung vom Reichstag abgelehnt wurde. Stattdem wurde ein Reichsverdingungsausschuss einberufen 32. Dessen Aufgabe bestand zwar darin, „für die Vergebung von Leistungen und Lieferungen einheitliche Grundsätze für Reich und Länder zu schaffen“ 33; primäres Anliegen war aber die Überarbeitung der Vorschriften zur Vergabe von Bauaufträgen 34. Ergebnis der Beratungen war die Verabschiedung der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) am 6. Mai 1926. Demgegenüber trat die Verdingungsordnung für Leistungen, ausgenommen Bauleistungen (VOL), an deren Entwurf nach Abschluss der Beratungen zur VOB gearbeitet wurde, erst am 1. April 1936 in Kraft 35. Die Verknüpfung des Vergaberechts mit dem Haushaltsrecht wurde durch § 46 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung vom 31. Dezember 1922 hergestellt 36, wonach „Verträgen, die für Rechnung des Reiches geschlossen werden, eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen soll“. In der Zeit des Nationalsozialismus war der Bereich des öffentlichen Auftragswesens von einer Verschärfung der Preispolitik geprägt. Der Erlass von Richtlinien für die Preisbildung, einer Verordnung über die Preisermittlung und den dazugehörigen Leitsätzen zur Preisermittlung bei öffentlichen Aufträgen bezweckte eine strikte Preisreglementierung und die Abkehr von Marktpreisen. 37

31 Gandenberger, Die Ausschreibung, S. 27; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 31; Müller, Staatliche Preislenkung, S. 26; der Entwurf des Reichssubmissionsgesetzes ist abgedruckt bei Beutinger, Das Submissionswesen, S. 213 ff. 32 Der Ausschuss setzte sich zusammen aus Vertretern der Reichsministerien, der Länderregierungen, des Deutschen Städtetages, des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, des Reichsverbandes des Deutschen Handwerks, der deutschen Architekten- und Ingenieursvereine, der Arbeitnehmer-Gewerkschaften sowie des Bundes Deutscher Architekten (Rößle, in: Elster/Weber/Wieser (Hrsg.), Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 7. Bd., S. 1165; Wallerath, Die Verwaltung 20 (1987), S. 137/151). 33 Reichstagsbeschluss v. 9.3.1921, Verh. des Reichstags, I. Wahlperiode, Bd. 365, S. 1088/1173 = Bundesministerium für Finanzen, BT-Drs. II./1397, S. 1. 34 Hierin ist die Grundsteinlegung für die Trennung der Vergabevorschriften von Bauleistungen und sonstigen Leistungen zu erblicken (Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 32). 35 Gandenberger, Die Ausschreibung, S. 27 f.; umfassend zur Entstehung der VOB: Schubert, in: FS f. Korbion, S. 389/395 ff. 36 RGBl. 1923 II, S. 17. 37 Richtlinien für die Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen (RPÖ) v. 15.11.1938, Mitteilungsblatt der Reichskommission für Preisbildung 1938, Nr. 39, S. 1; Verordnung über die Preisermittlung auf Grund der Selbstkosten bei Lieferungen für öffentliche Auftraggeber v. 15.11.1938, RGBl. 1938 I, S. 1623; Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten bei Leistungen für öffentliche Auftraggeber (LSÖ), RGBl. 1938 I, S. 1624. Umfassend zu den Preisregelungen im öffentlichen Auftragswesen nach 1933: Müller, Staatliche Preispolitik, S. 30 ff.

3 Regler

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

B. Rechtliche Grundlagen Huber 38 forderte bereits Ende des 19. Jahrhunderts vor dem Hintergrund damals herrschender Missstände „die Aufstellung einheitlicher für sämmtliche Verwaltungszweige gleichmässig bindender und schliesslich im ganzen deutschen Reiche giltiger Normen“ als Konsequenz „der nothwendigen Unifizierung, Kodifizierung und Concentration des Submissionswesens“. Das heutige Vergabewesen ist einer Vielzahl verschiedener Vorschriften sowohl auf nationaler und europäischer als auch auf internationaler Ebene unterworfen, wodurch sich die einzelne Vergabeentscheidung und deren Kontrolle nicht selten als ein komplexer Vorgang mit erheblichen Rechtsproblemen beschreiben lässt. Neßler 39 spricht von einem „mehrstufigen Rechtsgrundlagenmix“. Dass dieser Zustand dem Huber’schen Postulat (nach wie vor) nicht entspricht, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden. Freilich resultiert diese mehr als ein Jahrhundert andauernde Entwicklung weniger aus mangelndem Verständnis für Hubers grundlegende Ausführungen zur Gestaltung des öffentlichen Auftragswesens als aus der steigenden Bedeutung völkerrechtlicher Übereinkommen und aus der umfangreichen Beeinflussung durch das Recht der Europäischen Gemeinschaften. Im Vordergrund der Normsetzung stand und steht die Durchsetzung der Öffnung der Märkte und der Liberalisierung des Handels in großen Teilbereichen der nationalen Volkswirtschaften, gemeinschaftsrechtlich ausgedrückt, die Realisierung eines diskriminierungsfreien Binnenmarkts40. Gerade die Umsetzung gemeinschaftlichen Sekundärrechts gestaltete sich für den deutschen Gesetzgeber langwierig und schwierig 41. Dafür waren rechtlich und politisch nachvollziehbare Gründe verantwortlich: Zum einen hatte auch der Gesetzgeber die wirtschaftliche Bedeutung der Vergabe öffentlicher Aufträge und ihr Potenzial zur wirtschaftspolitischen Instrumentalisierung erkannt. Zum anderen sind die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Aufträge konzeptionell unterschiedlich und bewirken trotz der gebotenen Rücksichtnahme auf die nationalen Rechte im Rahmen der Harmonisierung durch Richtlinien42 einen erheblichen Eingriff in gewachsene und gefestigte Strukturen des deutschen Rechts.43 Für naHuber, Das Submissionswesen, Vorwort S. XVII. Neßler, EWS 1999, S.89 f. Er bezieht sich zwar auf den nationalen Rechtszustand der sog. haushaltsrechtlichen Lösung. Das Inkrafttreten des Vergaberechtsänderungsgesetzes (VgRÄG) zum 1.1.1999 hat durch das Festhalten am sog. Kaskadenprinzip und der damit verbundenen Absage an ein einheitliches Vergabegesetz keine Änderung der Beschreibung des vergaberechtlichen Rechtszustandes bewirkt. Näher 1. Kapitel B. III. 40 Pache, DVBl. 2001, S. 1781/1783; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, H. IV. Rdnrn. 1 ff. 41 Siehe 1. Kapitel B. III. 42 Zur europäischen Rechtsetzung durch Richtlinien: Streinz, Europarecht, Rdnrn. 385 ff.; Oppermann, Europarecht, Rdnrn. 547 ff. 43 Nicolaysen, in: FS f. Börner, S. 345/346 f. m. w. Nachw.; Rittner, in: Schwarze/MüllerGraff (Hrsg.), Das öffentliche Auftragswesen in der EG, EuR-Beiheft I/1996, S. 7/19; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, H. IV. Rdnrn. 3 ff. 38 39

B. Rechtliche Grundlagen

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tionale Umsetzungsverfahren lässt sich allgemein feststellen, dass das Beharrungsvermögen des nationalen Gesetzgebers und sein Widerstand gegen Änderungen umso größer sind, als die europäischen Vorgaben in das nationale Rechtssystem eingreifen 44. Das neuere Schrifttum 45 charakterisiert diese Entwicklung treffend als „Europäisierungsdilemma“. Obwohl europäische Richtlinienvorgaben zur Schaffung eines diskriminierungsfreien Binnenmarkts bis in die 60er und 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückreichen, wurde erst mit Inkrafttreten des Vergaberechtsänderungsgesetzes (VgRÄG) zum 1.1.1999 eine zumindest weitgehende 46 richtlinienkonforme Umsetzung in deutsches Recht erreicht47. Der vergebende Staat ist bei der öffentlichen Auftragsvergabe neben den im Folgenden aufgeführten Rechtsquellen weitergehenden Rechtsbindungen ausgesetzt. Zu berücksichtigen sind das gemeinschaftsrechtliche Primärrecht, allgemeine gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundsätze mit dem Rang des Primärrechts und das nationale Verfassungsrecht; ferner die einfachgesetzlichen Bindungen des Haushaltsrechts, des Wettbewerbsrechts sowie des Preisrechts. 48 Die nachfolgenden Ausführungen dienen als Überblick über derzeit bestehende Rechtsgrundlagen auf den verschiedenen Regelungsebenen 49.

Magiera, DÖV 1998, S. 173/178; Neßler, EWS 1999, S. 89/93. Vgl. die Nachweise bei Neßler, EWS 1999, S. 89/92 f. 46 Dreher (EuZW 1997, S. 522 ff.) bemängelt den Verzicht des deutschen Gesetzgebers, den Vergabekammern und Vergabesenaten die Reichweite des vergaberechtlichen Rechtsschutzes im VgRÄG eindeutig und zwingend vorzugeben, was einen Verstoß gegen die europarechtlichen Anforderungen an die Umsetzung von Richtlinien darstelle. In dieselbe Richtung argumentiert Waldner, Bieterschutz im Vergaberecht, S. 143–167. 47 Jasper, DB 1998, S. 2151 ff.; Kokott, in Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, Einführung Rdnrn. 15 ff.; Schwarze, in: Schwarze (Hrsg.) Die Vergabe öffentlicher Aufträge im Lichte des europäischen Wirtschaftsrechts, S. 13/18 ff.; Thieme/Corell, DVBl. 1999, S. 884 ff. Huber (JZ 2000, S. 877), spricht pragmatisch von einem „zähen Abwehrkampf“ und der „– im Grund bornierten – Grundhaltung des deutschen Gesetzgebers von dem traditionellen „approach“ im Vergaberecht zu retten, was zu retten ist“; ähnlich Hermes (JZ 1997, S. 909/911). Signifikant ist die Stellungnahme des Bundesrats (BT-Drs. 13/9340, S. 35), wonach die Bundesregierung nochmals um Prüfung gebeten wird, „ob eine entsprechende Nachbesserung oder Änderung der im Haushaltsgrundsätzegesetz bestehenden Regelung für die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes (Vergabeprüfstellen und Vergabeüberwachungsausschüsse oder nur Vergabeüberwachungsausschüsse) ausreichen würde (...)“. 48 Die Arbeit verzichtet an dieser Stelle auf eine abstrakte Darstellung der Rechtsbindungen der öffentlichen Auftragsvergabe. Ausführliche Erörterungen allgemein bestehender Rahmenvorgaben für das Vergaberecht finden sich bei Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, Vor §§ 97 ff. Rdnrn.17 ff. und 88 ff.; Huelmann, Öffentliche Beschaffungen, S. 57 ff.; Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S. 361; ders., AöR 107 (1982), S. 61 ff.; Sterner, Rechtsbindungen und Rechtsschutz, S. 37 ff.; Boesen, Vergaberecht, Einleitung Rdnrn. 10 ff. 49 Umfassend zu den Rechtsquellen im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe: Drügemöller, Vergaberecht und Rechtsschutz; Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, S. 7 ff.; Huelmann, Öffentliche Beschaffungen, S. 38 ff.; v. Köckritz/Ermisch/Dittrich/Lamm, Bundeshaushaltsordnung, § 55 BHO S. 10 ff. 44 45

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

I. Internationale Übereinkommen Bei Betrachtung der wesentlichen Ursachen für den Abschluss völkerrechtlicher Abkommen im Bereich der öffentlichen Beschaffung ergeben sich im Vergleich zu den nationalen und europäischen Rechtsetzungsbestrebungen nur wenige Besonderheiten. Motivierend wirken im Wesentlichen die auf Erleichterungen des Handelsverkehrs drängende Globalisierung wirtschaftlicher Strukturen sowie das Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel 50. Probleme der öffentlichen Auftragsvergabe wurden bereits bei Verhandlungen über das „General Agreement on Tariffs and Trade“ im Jahr 1947 (GATT) behandelt, von der Geltung des Abkommens aber ausgenommen. Im Rahmen der Tokio-Runde (1973–1979) wurde der am 1. Januar 1981 in Kraft getretene „Government Procurement Code“ (GPC = GATT-Kodex Regierungskäufe) vereinbart, der zwar Regelungen zur Nichtdiskriminierung und Transparenz der Auftragsvergabe enthielt, jedoch wegen seines geringen Teilnehmerkreises und seiner Anwendungsbeschränkungen nur wenig praktische Bedeutung erlangte und schließlich durch das in der Uruguay-Runde in Marrakesch ausgehandelte und am 1. Januar 1996 in Kraft getretene „Government Procurement Agreement“ (GPA 1994 = Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen) ersetzt wurde. Dieses Übereinkommen der Welthandelsorganisation (WTO) gilt als plurilaterales Abkommen für die Europäische Union samt ihrer Mitgliedsstaaten, für die USA, Kanada, Hongkong, Island, Israel, Japan, Liechtenstein, Singapur, Südkorea, Norwegen, die Schweiz und Aruba. 51 Der Anwendungsbereich umfasst bei Überschreiten der Schwellenwerte Beschaffungen von zentralen Regierungsstellen, von öffentlichen Einrichtungen und von Auftraggebern im Sektor der Wasser- und Stromversorgung, des Personennahverkehrs sowie von Häfen und Flughäfen. 52 Inhaltlich lehnt sich das GPA 1994 im Wesentlichen an die anschließend erörterten EG-Vergaberechtsrichtlinien an, was die Gemeinschaft als Vertragspartei des GPA jedoch nicht von einer Anpassung des europäischen Vergaberechts entband. Die Anpassung erfolgte mit erheblicher Verspätung durch die Richtlinien 97/52/EG und 98/4/EG. 53 50 Boesen, Vergaberecht, Einleitung Rdnr.49; Huelmann, Öffentliche Beschaffungen, S.24 f.; Kokott, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, Einführung Rdnrn.106 ff.; Pache, DVBl. 2001, S. 1781/1783. 51 Einen Beobachterstatus haben die WTO-Mitglieder Argentinien, Australien, Bulgarien, Chile, Island, Kolumbien, Panama, Polen und die Türkei inne. Näher: Kokott, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, Einführung Rdnrn. 109 ff.; Pache, DVBl. 2001, S.1781/1783; Pietzcker, AöR 107 (1982), S.61/66 f.; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, H. IV. Rdnrn. 178 ff. 52 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, Vor §§97 ff. Rdnr.125; umfassend zum GPA: Prieß, Europäisches Vergaberecht, S. 29 ff. 53 Richtlinie 97/52/EG: Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 92/50/EWG (Dienstleistungsrichtlinie), 93/36/EWG (Lieferkoordinierungsrichtlinie), und 93/37/EWG (Baukoordinierungsrichtlinie) v. 13.10.1997, ABlEG 1997, Nr.L328/1. Richtlinie 98/4/EG: Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 93/38/EWG (Sektorenrichtlinie) v. 16.2.1998, ABlEG 1998, Nr. L 101/1.

B. Rechtliche Grundlagen

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Auch die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die als Teilnehmer am GPA ebenso zur Umsetzung verpflichtet waren, kamen derselben nur schleppend nach. Die Kommission hatte wegen Nichtumsetzung des GPA gegen Deutschland, Frankreich, Griechenland und Österreich Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet 54. Von Bedeutung ist insoweit, dass unabhängig vom Kriterium des individualschützenden Charakters die unmittelbare Anwendbarkeit von Vorschriften des GPA überwiegend verneint wird 55. Mit Inkrafttreten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 56 am 1. Januar 1994 findet das gemeinschaftsrechtliche Vergaberecht auch auf die der EFTA (European Free Trade Association) angehörigen Staaten Anwendung 57. Auf langfristige Sicht erstrebt die Gemeinschaft58 die Liberalisierung und Ausweitung staatlicher Beschaffungsmärkte unter steter Rücksichtnahme auf die im GPA 1994 geltenden Grundsätze. Hieraus versteht sich ihre Politik, die Rechtsordnungen beitrittswilliger Staaten an das gemeinschaftsrechtliche Vergaberecht heranzuführen und mitgliedsstaatlichen Unternehmen den Zugang zu Märkten außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums zu erleichtern. 59 Unter dieser Zielsetzung wurden mit allen beitrittswilligen Staaten Mittel- und Osteuropas Assoziierungsabkommen, sog. Europaabkommen, geschlossen 60. Weitere bilaterale Abkommen hat die Gemeinschaft mit den GPA-Mitgliedsstaaten Israel, Korea, MeDie Umsetzungsfrist endete für die Gemeinschaft als Vertragspartei bereits am 1.1.1996. Näher hierzu: Bechthold, GWB, Vor § 97 Rdnr. 8; Boesen, Vergaberecht, Einführung Rdnrn. 57 f.; Prieß, EuZW 1999, S. 196; Vetter, NVwZ 2001, S. 745 f. 54 Boesen, Vergaberecht, Einleitung Rdnrn.57 f.; Kokott, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, Einführung Rdnr. 120; Vetter, NVwZ 2001, S. 745/746. Die EG-Mitgliedsstaaten waren verpflichtet, den Inhalt der Richtlinie 97/52/EG bis zum 13.10.1998, den Inhalt der Richtlinie 98/4/EG bis zum 16.2.1999 in innerstaatliches Recht umzusetzen. Die Umsetzung beider Richtlinien erfolgte durch den deutschen Gesetzgeber erst durch den Erlass der am 1.2.2001 in Kraft getretenen neuen Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge vom 9.1.2001. 55 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, Vor §§97 ff. Rdnr.127; Huelmann, Öffentliche Beschaffungen, S. 115; Kokott, in Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, Einführung Rdnr. 120; Prieß, EuZW 1999, S. 196. 56 EWR-Abkommen, ABlEG 1994, Nr. L 1. 57 Für Österreich, Finnland und Schweden gilt seit ihrem Beitritt zur EG am 1.1.1995 das gemeinschaftsrechtliche Vergaberecht unmittelbar. Die Schweiz indes hat das Abkommen nicht ratifiziert. 58 Die Kompetenz der Gemeinschaft zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge besteht nicht lediglich in Bereichen, die ihr ausdrücklich zugewiesen wurden, sondern überall dort, wo der EG-Vertrag Innenkompetenzen dergestalt zuweist, dass auch nach außen nur die Gemeinschaft als solche sinnvollerweise auftreten kann (EuGH, Urt v. 31.3.1971, Rs. C-22/70 „Kommission/Rat (AETR)“, Slg. 1971, S. 263. Allgemein: Oppermann, Europarecht, Rdnrn. 1681 ff.; Streinz, Europarecht, Rdnrn. 589 ff. 59 Huelmann, Öffentliche Beschaffungen, S. 125; Meyer, in: Schwarze (Hrsg.), Die Vergabe öffentlicher Aufträge im Lichte des europäischen Wirtschaftsrechts, S. 47/50 ff.; Prieß, EuZW 1999, S. 196/197. 60 Boesen, Vergaberecht, Einleitung Rdnr. 60; Drügemöller, Vergaberecht und Rechtsschutz, S. 32 ff.; Prieß, Europäisches Vergaberecht, S. 25; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, H. IV. Rdnrn. 185 ff.

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

xiko, der Schweiz und den USA getroffen 61. Die Öffnung der Vergabemärkte im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe wird ferner durch Europa-Mittelmeer-Abkommen mit mehreren Anrainern des südlichen Mittelmeers erreicht62. Einen Sonderstatus genießt das NATO-Truppenstatut und dessen Zusatzabkommen. Diese Regelungswerke beinhalten Vorschriften für die Bedarfsdeckung der in Deutschland stationierten NATO-Truppen und deren zivilem Gefolge. 63 Abschließend sei noch auf das von der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law, UNCITRAL) erstellte Mustergesetz für die Vergabe öffentlicher Aufträge aus dem Jahr 1994 hingewiesen. Staaten, die ihre Vergabegesetze verbessern oder überhaupt kodifizieren wollten, sollte eine Richtschnur gegeben werden. Verbindlichkeit kommt dem Modellgesetz nicht zu. 64

II. Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften Trotz der Bemühungen der Europäischen Union um eine Liberalisierung des Beschaffungswesens in den Außenbeziehungen liegt die Hauptintention des Gemeinschaftsgesetzgebers auf der Öffnung der mitgliedstaatlichen Beschaffungsmärkte. Europarechtliche Vorgaben für staatliche Beschaffungen folgen in erster Linie aus dem geschriebenen Primärrecht. Die Grundfreiheiten und das allgemeinen Diskriminierungsverbot stellen unabdingbare Voraussetzungen eines funktionierenden Binnenmarkts dar 65. Sie enthalten in Verbindung mit der Befugnis zur Rechtsangleichung nach Art. 94 und 95 EG die Aufgabe der Gewährleistung eines Gemeinsamen Marktes zwischen den Mitgliedsstaaten sowie die Kompetenz der Gemeinschaft zur Angleichung des mitgliedsstaatlichen Rechts im Bereich des öffentlichen Auftragswesens 66. Bindungen ergeben sich weiterhin aus dem europäischen Kartell- und Beihilferecht gemäß Art. 81 ff. EG sowie aus den vergaberechtlich relevanten allgemeinen Grundsätzen der Transparenz, Verhältnismäßigkeit und der gegenseitigen 61 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, Vor §§97 ff. Rdnr.130; Meyer, in: Schwarze (Hrsg.), Die Vergabe öffentlicher Aufträge im Lichte des europäischen Wirtschaftsrechts, S. 47/53 ff.; Prieß, EuZW 1999, S. 196/197 f. 62 Drügemöller, Vergaberecht und Rechtsschutz, S. 38 ff.; Meyer in: Schwarze (Hrsg.), Die Vergabe öffentlicher Aufträge im Lichte des europäischen Wirtschaftsrechts, S. 47/54 f.; Prieß, Europäisches Vergaberecht, S. 25. 63 Boesen, Vergaberecht, Einleitung Rdnr. 61; Kokott, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, Einführung Rdnr. 126. 64 Das Modellgesetz hat bislang wenig Akzeptanz gefunden. Näher Drügemöller, Vergaberecht und Rechtsschutz, S. 41 f.; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, H. IV. Rdnr. 191. 65 Kokott, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, Einführung Rdnr. 15; Noch, Vergaberecht und subjektiver Rechtsschutz, S. 20 ff.; allgemein Streinz, Europarecht, Rdnrn. 652 ff. 66 Boesen, Vergaberecht, Einleitung Rdnr. 40; Prieß, Europäisches Vergaberecht, S. 40; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, H. IV. Rdnrn. 10 f.

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Anerkennung 67. Maßgeblichen Einfluss auf das mitgliedsstaatliche Vergaberechtsregime und die mitgliedsstaatliche Vergabepraxis hatte der seit Mitte der 60er Jahre beginnende Erlass von Vergaberechtsrichtlinien 68 zur Vermeidung von Diskriminierungen. Die Richtlinien wurden vom Gemeinschaftsgesetzgeber in der Folgezeit abgeändert und nachgebessert, sodann zu Beginn der 90er Jahre neu gefasst und um weitere Richtlinien ergänzt. Mit der Baukoordinierungsrichtlinie (BKR) 69, der Lieferkoordinierungsrichtlinie (LKR) 70, der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie (DLR) 71, der Sektorenrichtlinie (SKR) 72 in der Fassung der jeweiligen Änderungsrichtlinien 73 entstand ein europäisches System der öffentlichen Auftragsvergabe. Der Durchsetzung dieser Richtlinien, insbesondere ihres allgemein bieterschützenden Charakters, diente der Erlass zweier Rechtsmittelrichtlinien (RML74 und RMLS 75). Hintergrund war, dass die vier materiellen Vergaberechtsrichtlinien keine Vorschriften hinsichtlich der Sicherstellung ihrer tatsächlichen Anwendung enthielten. Die hierzu auf mitgliedsstaatlicher Ebene bestehenden Rechtsinstitute waren regelmäßig zur Gewährleistung der praktischen Anwendbarkeit und zur Durchsetzung des gemeinschaftsrechtlichen Vergaberechts nicht genügend. Die Defizite waren meist struktureller Natur und resultierten aus dem bestehenden nationalen Regelungsregime. 76 Dennoch war die Konsolidierung des bestehenden Rechtsrahmens 67 Boesen, Vergaberecht, Einleitung Rdnrn. 11 ff.; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, Vor §§ 97 ff. Rdnrn. 20 ff.; Huelmann, Öffentliche Beschaffungen, S. 57 ff. m. w. Nachw. 68 Richtlinie 64/429/EWG, ABlEG 1964, Nr. L 117, 1880 und Richtlinie 64/427/EWG ABlEG 1964, Nr. L 117, 1863; jeweils aufgehoben durch Richtlinie 71/305/EWG des Rates v. 26.7.1971 über die Koordinierung der Verfahren öffentlicher Bauaufträge, ABlEG 1971, Nr. L 185/5, Richtlinie 71/304/EWG des Rates v. 26.7.1971 zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der öffentlichen Bauaufträge und bei öffentlichen Bauaufträgen, die an die Auftragnehmer über ihre Agenturen oder Zweigniederlassungen vergeben werden, ABlEG 1971, Nr. L 185/1, und Richtlinie 77/62/EWG des Rates v. 21.12.1976 über die Koordinierung des Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, ABlEG 1977, Nr. L 13/1. 69 Richtlinie 93/37/EWG des Rates v. 14.6.1993, ABlEG 1993, Nr. L 199/54, ber. ABlEG 1994, Nr. L 111/115. 70 Richtlinie 93/36/EWG des Rates v. 14.6.1993, ABlEG 1993, Nr. L 199/1 (Richtlinie zur Koordination der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge). 71 Richtlinie 92/50/EWG des Rates v. 18.6.1992, ABlEG 1992, Nr. L 209/1 (Richtlinie zur Koordination der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge). 72 Richtlinie 93/38/EWG des Rates v. 14.6.1993, ABlEG 1993, Nr. L 199/84 (Richtlinie zur Koordination der Auftragsvergabe im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor). 73 Richtlinie 97/52/EG (Fn. 53) und Richtlinie 98/4/EG (Fn. 53). 74 Richtlinie 89/665/EWG v. 21.12.1989, ABlEG 1989, Nr. L 395/33 (Nachprüfungsrichtlinie). 75 Richtlinie 92/13/EWG v. 25.2.1992, ABlEG 1992, Nr. L 76/14 (Rechtsmittelrichtlinie betreffend die Sektoren). 76 2. Erwägungsgrund der Richtlinie 89/665/EWG v. 21.12.1989. Vgl. Noch, Vergaberecht und subjektiver Rechtsschutz, S. 39, 131 f.; Schwarze, in: Schwarze (Hrsg.), Die Vergabe öf-

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

Ausgangspunkt der weiteren gemeinschaftsrechtlichen Reformbestrebungen. Statt grundlegender struktureller Änderungen sollten sich die Neuerungen auf eine Überarbeitung und eine Vereinfachung des bestehenden Vergaberechtsregimes beschränken. 77 Das auf dieser Grundlage im Mai 2000 auf den Weg gebrachte „Legislativpaket“ konnte jedoch erst nach einer Einigung von Rat und Parlament im Vermittlungssausschuss im Dezember 2003 verabschiedet und mit seiner Veröffentlichung im Amtsblatt am 30. April 2004 in Kraft treten 78. Das Legislativpaket führt die bisherigen Bau-, Liefer- und Dienstleistungsrichtlinien zu einer Vergabekoordinierungsrichtlinie (VKR) 79 zusammen und novelliert zugleich die Sektorenrichtlinie 80, was zu einer begrüßenswerten systematischen Parallelität der Vergaberechtsrichtlinien führt. Der Anwendungsbereich hat sich im Wesentlichen nicht geändert 81. Im Sektorbereich wurde die Telekommunikation aufgrund der bestehenden Liberalisierung ausgenommen 82, wohingegen die Postdienste einbezogen wurden. Die Neuorientierung macht sich in verfahrenstechnischer Hinsicht bemerkbar: Zusätzlich zum Offenen, Nicht offenen und dem Verhandlungsverfahren wurde die vierte Verfahrensart des „Wettbewerblichen Dialogs“ eingeführt. Diese Verfahrensart ist für „besonders komplexe Vergaben“ gedacht, insbesondere bei schwierigen Planungen und Auftragsbeschreibungen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur und der Informationstechnologie; sie ist insoweit nachrangig gegenüber dem Offenen und Nicht offenen, jedoch vorrangig gegenüber dem Verhandlungsverfahren 83. Ferner öffnen die neuen Richtlinien das Vergaberecht für elektronische Beschaffungsmechanismen 84. Umsetzungsoptionen bestehen schließlich zum Zweck der Vereinfachung der Beschaffentlicher Aufträge im Lichte des europäischen Wirtschaftsrechts, S. 13/23; Waldner, Bieterschutz im Vergaberecht, S. 43. 77 Vgl. Grünbuch der Kommission: „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union“ (KOM (1996) 583); Weißbuch der Kommission: „Mitteilung zum öffentlichen Auftragswesen in der Europäischen Union“ (KOM (1998) 143). 78 Zum Gesetzgebungsverfahren: Dageförde/Dross, NVwZ 2005, S. 19 f.; Knauff, EuZW 2004, S. 141; Rechten, NZBau 2004, S. 366 f. 79 Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 31.3.2004, ABlEG 2004. Nr. L 134/114 (Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge). 80 Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 31.3.2004, ABlEG 2004, Nr. L 134/1 (Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste). 81 Die Nichtanwendbarkeit der Vergaberechtsrichtlinien auf Dienstleistungskonzessionen ist nunmehr gemäß Art. 17 VKR und Art. 18 SKR ausdrücklich geregelt, vgl. 2. Kapitel B. I. 1. 82 Vgl. bereits Mitteilungen der Kommission v. 3.6.1999 (ABlEG 1999, Nr. C 156) und v. 13.3.2002 (ABlEG 2002, Nr. C 64). 83 Art. 29 VKR, kritisch Rechten, NZBau 2004, S. 366/368 f.; Stellungnahme der Bundesregierung zum Grünbuch der EU-Kommission zu öffentlich-privaten Partnerschaften (veröffentlicht unter www.bmwi.bund.de), S. 13 f. Die Richtlinienbestimmung wurde in deutsches Recht umgesetzt durch das Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften v. 1.9.2005 (BGBl.2005 I, S. 2676). 84 Art. 33, 42, 54 VKR; Art. 15, 48, 56 SKR: dynamische Beschaffung, elektronische Mitteilung, elektronische Auktion.

B. Rechtliche Grundlagen

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fung bei gleichartigen und wiederkehrenden Leistungen: zum einen in der Form einer „Rahmenvereinbarung“ als Vereinbarung mit einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern zur Festlegung von Bedingungen für zu vergebende öffentliche Aufträge innerhalb eines bestimmten Zeitraums; zum anderen in der Form eines „dynamischen Beschaffungssystems“ als sog. „elektronisches Warenhaus“ 85, aus dem nach Einrichtung eines Auftragnehmerkreises (1. Stufe) Aufträge an einzelne Teilnehmer vergeben werden (2. Stufe). Ausdrücklich normiert ist nunmehr die Einrichtung „zentraler Beschaffungsstellen“ 86. Wirtschaftspolitisch bedeutsam sind die Regelungen zur Möglichkeit des Vorschreibens zusätzlicher Bedingungen für die Auftragsausführung 87, in erster Line soziale und umweltbezogene Aspekte, und zur Berücksichtigung von (unmittelbar auftragsbezogenen) Umwelteigenschaften als Zuschlagskriterium 88. Hinsichtlich der Schwellenwerte einigte man sich auf einen Kompromissvorschlag des Rates, wodurch die Werte an diejenigen des GPA angepasst und daher im Durchschnitt um etwa 25 % erhöht wurden. Die Schwellenwerte werden nun zudem von der Kommission gemäß Art. 78 VKR bzw. Art. 69 SKR im Zwei-JahresRhythmus überprüft und, soweit erforderlich, neu festgesetzt. Nach der Absenkung durch die Änderungs-VO Nr. 1874/2004 89 betragen sie derzeit für Bauaufträge generell 5.923.000 EUR, für Liefer- und Dienstleistungsaufträge 154.000 EUR bzw. 236.000 EUR und für solche im Sektorenbereich 473.000EUR, wobei es freilich den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts durch Festsetzung niedrigerer nationaler Schwellenwerte zu erweitern. Die Ziele der Konsolidierung und Vereinfachung des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsrahmens für staatliche Beschaffungen wurden indes nicht erreicht 90: Die neuen Richtlinien wurden mit neuartigen, eine hohe Komplexität aufweisenden Verfahrensarten und weiteren Ausnahmetatbeständen angereichert. Dies wirkt sich besonders bei der VKR aus, die durch die Zusammenführung der Bau-, Liefer- und Dienstleistungsrichtlinien auf 84 Artikel nebst 12 Anhängen angewachsen ist. Die explizite Öffnung des Vergaberechtsregimes für vergabefremde Zwecke und das Anheben der Schwellenwerte bewirken eine Beschränkung der Marktliberalisierung. Gleiches gilt aus der Sicht mittelständischer Unternehmen im Hinblick auf die fortschreitende Zentralisierung der Beschaffung. Die neuen, lediglich als Umsetzungsoption ausgestalteten Instrumente bewirken zwar die gewünschte gemeinschaftsweite KoordinieRechten, NZBau 2004, S. 366/371. Art. 11 VKR. Insoweit werden zum Teil bereits praktizierte zentrale Beschaffungsverfahren lediglich rechtlich bestätigt; vgl. Erwägungsgrund 15 VKR. 87 Art. 19, 23, 26 VKR; Art. 28, 34, 38 SKR hierzu: Dageförde/Dross, NVwZ 2005, S. 19 ff.; Rechten, NZBau 2004, S. 366/369. 88 Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR; Art. 55 Abs. 1 lit. a SKR. 89 Verordnung (EG) Nr. 1874/2004 der Kommission v. 28.10.2004 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für die Anwendung auf Verfahren zur Auftragsvergabe, ABlEG 2004, Nr. L 326/17. 90 Knauff, EuZW 2004, S. 141 ff.; Opitz, NZBau 2003, S. 183/188; Rechten, NZBau 2004, S. 366/374; Ruthig, NZBau 2006, S. 137/138. 85 86

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

rung. Gleichzeitig wird den mitgliedstaatlichen Systemen aber ein Auseinanderdriften erlaubt. Die Rechtsmittelrichtlinien waren in das Legislativpaket nicht einbezogen. Insoweit läuft bereits ein Reformprozess im Hinblick auf den Erlass einer Änderungsrichtlinie 91. Die weiteren Reformbestrebungen 92 betreffen in erster Linie öffentlich-private Partnerschaften 93, die Stärkung der elektronischen Beschaffung sowie Beschaffungen im Verteidigungssektor 94. Hinsichtlich Letzterem gelten Besonderheiten. Das grundsätzlich anwendbare europäische Vergaberecht sieht im Falle der Betroffenheit von mitgliedstaatlichen Geheimhaltungs- oder Sicherheitsinteressen Einschränkungen seines Anwendungsbereichs vor 95. Daneben bestimmt Art.296 Abs. 1 lit. b EG, dass jeder Mitgliedsstaat die Maßnahmen ergreifen kann, die seines Erachtens für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind, soweit sie die Erzeugung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial oder den Handel damit betreffen (sog. Kriegswaffenliste). Verträge zur Beschaffung von Rüstungsgütern und andere Verträge, welche die Sicherheitsinteressen eines Mitgliedsstaats betreffen, unterfallen nicht dem Anwendungsbereich europäischen Rechts96. Allgemein enthält das gemeinschaftsrechtliche Vergaberechtsregime Legaldefinitionen des jeweiligen öffentlichen Auftrages sowie der öffentlichen Auftraggeber und beinhaltet Vorschriften zur Wahl des Ausschreibungsverfahrens, zur Bekanntmachung sowie zu Eignungs- und Zuschlagskriterien. Erreicht ein öffentlicher Auftrag den maßgeblichen Schwellenwert, ist von der beschaffenden staatlichen Stelle grundsätzlich ein verfahrensmäßig strukturiertes „offenes“ Ausschreibungsverfahren auf europäischer Ebene durchzuführen. Den Schwellenwerten, welche die ReVgl. Heuvels, NZBau 2006, S. 416 ff. Davon zu unterscheiden sind die Reformbestrebungen auf Gemeinschaftsebene, die nicht öffentliche Auftragsvergaben der Mitgliedsstaaten, sondern solche durch Gemeinschaftsorgane selbst betreffen. Hierzu: Prieß, EuZW 2001, S. 365 f.; ders., Europäisches Vergaberecht, S. 265 ff. 93 „Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“ (KOM (2004) 327). 94 Vgl. Mitteilung der Kommission (KOM (2003) 238), 20, 55. 95 Art. 2 Abs. 1 lit. b LKR; Art. 4 lit. b BKR; Art. 4 Abs. 2 DKR; Art. 10 SKR. 96 Der EuGH (Urt. v. 16.9.1999, Rs. C-414/97 „Kommission/Spanien“, Slg. 1999, S. 5585, Urt. v. 15.5.1986, Rs. C-222/84 „Johnston/Chief Constable“, Slg. 1986, S. 1651 Rdnr. 26) legt diese Bestimmung als Ausnahmevorschrift restriktiv aus. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Schweden, Italien und Spanien haben nunmehr am 27.07.2000 ein Rahmenabkommen zur Verbesserung der Kooperation in der europäischen Rüstungsindustrie geschlossen. Zur rüstungsbezogenen Zusammenarbeit im Rahmen der Westeuropäischen Union (WEU) und ihrer Untergliederung der Westeuropäischen Rüstungsgruppe (West European Armaments GroupWEAG) und allgemein zur Auftragsvergabe im Verteidigungssektor: Prieß, Europäisches Vergaberecht, S.312 ff.; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, H. IV. Rdnr.101; Schwarze, in: Schwarze (Hrsg.), Die Vergabe öffentlicher Aufträge im Lichte des europäischen Wirtschaftsrechts, S. 13/17 f. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und zur Steigerung der Effizienz der nationalen Beschaffungssysteme (Dauer, Entwicklungsund Beschaffungskosten) erstrebt die Kommission den schrittweisen Aufbau eines europäischen Marktes für Verteidigungsgüter, siehe „Grünbuch über Beschaffungen im Verteidigungssektor“ (KOM (2004) 608). Die Verteidigungsminister der Mitgliedstaaten favorisieren indes einen freiwilligen Verhaltenskodex. 91 92

B. Rechtliche Grundlagen

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levanz für den grenzüberschreitenden Wettbewerb zu konkretisieren versuchen, kommt als Anwendungskriterium die zentrale Bedeutung zu97. Die Zielsetzung der materiellen Vergaberechtsrichtlinien lässt sich mit „Liberalisierung statt Protektionismus“ bezeichnen. Die Erwägungsgründe der Richtlinien sprechen von der Entstehung eines „echten Wettbewerbs“ 98. Demzufolge werden das „Wettbewerbsprinzip“ 99 einerseits, das „Prinzip der Gleichbehandlung aller Anbieter“100 andererseits zu den tragenden Prinzipien des europäischen Vergaberechts erhoben. Ein Widerspruch liegt hierin freilich nicht. Nur bei steter Beachtung des aus den Grundfreiheiten folgenden Grundsatzes der Nichtdiskriminierung bei Vergabeentscheidungen kann überhaupt ein „echter Wettbewerb“ entstehen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz fungiert als notwendige Voraussetzung der Wettbewerbsordnung der Gemeinschaft 101. Seine Verwirklichung erfordert ein von größtmöglicher Transparenz getragenes Vergabeverfahren sowie ein dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes entsprechendes Nachprüfungsverfahren 102. Mit den genannten Prinzipien einher geht die Anerkennung des allgemein bieterschützenden Charakters der Vergaberichtlinien. Dem steht nicht entgegen, dass die Koordinierungsrichtlinien und die Sektorenrichtlinie spezielle Vorschriften über die Gewährung individueller, gerichtlich durchsetzbarer Rechtspositionen nicht enthalten. Die Rechtsmittelrichtlinien103 verlangen zumindest, dass bei Verstößen gegen das materielle Vergaberecht „Möglichkeiten einer wirksamen und raschen Nachprüfung bestehen“. Weder die europäische Sekundärgesetzgebung noch die europäische Rechtsprechung bedienen sich des in der deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik maßgeblichen Begriffs des „subjektiv-öffentli97 Die Schwellenwerte bemessen sich nach Sonderziehungsrechten (SZR) der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds, der üblichen Einheit der Welthandelsorganisation (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 100 Rdnrn. 5 ff.; Hailbronner, in: Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, § 100 Rdnr. 392 f.). 98 Die Grundsätze für die Vergabe wurden nun gemäß Art. 2 VKR und Art. 10 SKR explizit im Richtlinientext normiert: „Die Auftraggeber behandeln alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nichtdiskriminierend und gehen in transparenter Weise vor.“ 99 Boesen, Vergaberecht, § 97 Rdnr. 6; Hailbronner, WiVerw 1994, S. 173/183; Neßler, EWS 1999, S. 89/90 f.; Noch, Vergaberecht und subjektiver Rechtsschutz, S. 40; Schaller, BayVBl. 1996, S. 197. 100 Hermes, JZ 1997, S. 909/912; Oppermann, Europarecht, Rdnr. 1619; Waldner, Bieterschutz im Vergaberecht, S. 46. 101 Der EuGH (Urt. v. 22.6.1993, Rs. C-243/89 „Kommission/Königreich Dänemark – Storebaelt –“, EuZW 1993, S. 607 ff.; Urt. v. 25.4.1996, Rs. C-87/94 „Kommission/Belgien“, EuZW 1996, S. 506 ff. Rdnr. 51) begreift den Grundsatz der Nichtdiskriminierung als „Wesen“ der Richtliniengesetzgebung zur Auftragsvergabe. 102 Das Transparenzgebot verlangt die vorherige Bekanntmachung des Vergabevorhabens und der für die Ausschreibung geltenden Kriterien sowie die Veröffentlichung der tatsächlich vergebenen Aufträge. Näher: Boesen, Vergaberecht, § 97 Rdnrn. 16 ff.; Hailbronner, in: Byok/ Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, § 97 Rdnrn. 135 ff. Als Mindeststandards für das Nachprüfungsverfahren sind die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, die Möglichkeit der Aufhebung rechtswidriger Vergabeentscheidungen und die Gewährung von Schadensersatz festgelegt (Art. 2 Abs. 1 lit. a–c Richtlinie 89/665/EWG). 103 Vgl. Erwägungsgründe und Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665/EWG.

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

chen Rechts“ 104. Subjektive Rechtspositionen konkurrierender Bieter lassen sich stattdessen auf zweierlei Weise erschließen: anhand einer systematischen Auslegung der Vergaberechtsrichtlinien und anhand einer an der Zielsetzung des europäischen Vergaberechts orientierten Auslegung 105. Es besteht Übereinkunft, dass bereits die BKR, SKR, DKR und LKR aufgrund ihrer Intention zur Gewährleistung eines gemeinsamen Binnenmarkts und zur Verwirklichung der auf die Verleihung von individuellen Rechtspositionen angelegten Grundfreiheiten des EG-Vertrages einen allgemein bieterschützenden Charakter aufweisen 106. Der EuGH 107 formuliert, dass „die in den Richtlinien über die Koordination der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge enthaltenen Vorschriften über die Teilnahme und die Publizität den Bieter vor Willkür des öffentlichen Auftraggebers schützen sollen. Ein solcher Schutz kann nicht wirksam werden, wenn der Bieter sich nicht gegenüber dem Auftraggeber auf diese Vorschriften berufen und gegebenenfalls deren Verletzung vor den nationalen Gerichten geltend machen kann.“

An der Begründung individueller Rechte sowie an der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes bereits durch die „materiellen“ Vergaberechtsrichtlinien ist sonach nicht zu zweifeln. Demgegenüber haben die Rechtsmittelrichtlinien lediglich eine rechtsschutzrechtliche Sekundärfunktion 108 inne. Sie sind darauf beschränkt, „die auf staatlicher Ebene und auf Gemeinschaftsebene vorhandenen Mechanismen zur Durchsetzung der Gemeinschaftsrichtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu verstärken, vor allem dann, wenn Verstöße noch beseitigt werden können.“ 109 104 Bechthold, GWB, § 97 Rdnr. 40; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, § 97 Rdnr. 183; Noch, Vergaberecht und subjektiver Rechtsschutz, S. 141; Waldner, Bieterschutz im Vergaberecht, S. 155. 105 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, § 97 Rdnr. 181; Niebuhr, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 97 Rdnrn. 262 ff. 106 Aus dem umfangreichen Schrifttum: Boesen, Vergaberecht, § 97 Rdnrn. 173 ff.; Brinker, EWS 1995, S.255/256; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, §97 Rdnr. 181; Elbel, DÖV 1999, S. 235/238; Kokott, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, Einführung Rdnr. 19; Kulartz, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, Einleitung Rdnr. 4; Noch, Vergaberecht und subjektiver Rechtsschutz, S. 136 ff.; Pietzcker, in: FS f. Redeker, S. 501/503; Prieß, Europäisches Vergaberecht, S. 60; Sterner, Rechtsbindungen und Rechtsschutz, S. 88 f.; Triantafyllou, NVwZ 1994, S. 943/944; Waldner, Bieterschutz im Vergaberecht, S. 56, 160 f.; a. A. Hailbronner, WiVerw 1994, S. 173/238 f.; Heiermann/Ax, DB 1998, S. 505/507, die aber weniger den in den gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien zur Auftragsvergabe verankerten subjektiven Bieterschutz als die hieraus resultierende Notwendigkeit des nationalen Gesetzgebers zur Einführung subjektiv-öffentlicher Rechte bestreiten. 107 EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-433/93 „Kommission/Bundesrepublik Deutschland“, EuZW 1995, S. 635 ff. 108 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, § 97 Rdnr. 182; ähnlich Noch (Vergaberecht und subjektiver Rechtsschutz, S. 142), wonach die Rechtsmittelrichtlinien lediglich einen „prozessualen Minimalkonsens“ bezwecken, nicht aber den „materiellen Gehalt der Vergaberichtlinien anzweifeln“. 109 EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-433/93 „Kommission/Bundesrepublik Deutschland“, EuZW 1995, S. 635 ff.

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Der Gerichtshof 110 misst den Richtlinienbestimmungen über die Teilnahme und die Publizität eine bieterschützende Funktion bei. Im Hinblick auf den Umfang und die Reichweite des Bieterschutzes folgert Boesen 111, dass der Gerichtshof durch die Hervorhebung einzelner Richtlinienvorschriften als individualschützend und durch deren Verknüpfung mit dem Erfordernis gerichtlicher Überprüfbarkeit das Kriterium des Schutzzwecks der Norm aus der deutschen Schutzzwecklehre übernommen habe. Triantafyllou 112 meint sogar, der Gerichtshof habe sich ausdrücklich zur Schutznormtheorie bekannt. Eine solche, auf Schutzzweckerwägungen gerichtete Folgerung darf jedoch ernsthaft bezweifelt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Vergaberechtsrichtlinien generell dem Schutz vor Willkür zu dienen bestimmt sind, der nicht im Wege von Schutznormüberlegungen auf einzelne Vorschriften verengt werden kann. Ein derartiges Verständnis geht einher mit den Grundsätzen zur unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien 113. Es ist unbestritten. dass auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene und insbesondere im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe die Verleihung subjektiver Rechtspositionen nicht in der expliziten Normierung bestimmter Vorschriften erfolgt 114. Für eine Forderung des EuGH, die konkrete Bejahung bieterschützender Vorschriften von einer dem deutschen Recht vergleichbaren Prüfung nach Schutzzweckerwägungen abhängig zu machen, hätte es daher einer ausdrücklichen Stellungnahme bedurft. Der Gerichtshof 115 indes betont allgemein den Willkürschutz und führt aus, es sei „Sache der Rechtsordnung jedes Mitgliedsstaats“ und damit dessen Verantwortung, „für den wirksamen Schutz“ der „auf dem Gemeinschaftsrecht beruhenden Rechte“ zu sorgen. In diesem Sinn sprechen die Rechtsmittelrichtlinien 116 von der Sicherstellung der „tatsächlichen Anwendung der Richtlinien“. Für die Annahme einer subjektiven Rechtsposition aus einer gemeinschaftsrechtlichen Richtlinie genügt es, dass eine hinreichend bestimmte, durch die Gerichte durchsetzbare Verhaltenspflicht gegenüber dem Einzelnen besteht, wobei eine weite 110 EuGH, Urt. v. 10.2.1982, Rs.C-76/81 „SA Transporoute et travaux/Ministère des travaux publics“, Slg. 1982, S.417; Urt. v. 20.9.1988, Rs. C-31/87 „Gebroeder Beentjes BV/Niederlande“, NVwZ 1990, S. 353 f.; Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-433/93 „Kommission/Bundesrepublik Deutschland“, EuZW 1995, S. 635 ff. 111 Boesen, Vergaberecht, § 97 Rdnrn. 191 ff. 112 Triantafyllou, NVwZ 1994, S. 943/944. 113 Zu Anforderungen und Wirkung der unmittelbaren Anwendbarkeit von gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien allgemein: Streinz, Europarecht, Rdnrn. 394 ff. Unmittelbare Anwendbarkeit wird in dem Sinn verstanden, dass sich der Einzelne gegenüber mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichten „darauf berufen kann“. Nicht gemeint ist die vom EuGH anerkannte „objektive unmittelbare Wirkung“ (EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs.C-431/92 „Kommission/Bundesrepublik Deutschland – Wärmekraftwerk Großkrotzenburg“, EuZW 1995, S.743 ff.). Die Nähe zwischen den Begriffen „unmittelbare Anwendbarkeit“ und „subjektives Recht“ auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene betont Triantafyllou (NVwZ 1994, S. 943/944). 114 Siehe Fußnote 104. 115 EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-433/95 „Kommission/Bundesrepublik Deutschland“, EuZW 1995, S. 635/636; Urt. v. 17.9.1997, Rs. C-54/96 „Dorsch Consult/Bundesbaugesellschaft Berlin“, ZIP 1997, S. 1749/1753. 116 Vgl. Erwägungsgründe der Richtlinie 89/665/EWG.

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Auslegung zugrunde zu legen ist 117. Einer anhand von Richtlinienbestimmungen vorzunehmenden Schutznormprüfung deutschen Maßstabes ist die Sekundärrechtsetzung durch Richtlinien nicht zugänglich. Eine solche kann lediglich im mitgliedsstaatlichen Rechtsrahmen erfolgen 118: Es ist sonach Aufgabe der Mitgliedssaaten, ein Rechtsschutzsystem bereitzustellen, das den gemeinschaftsrechtlich in den materiellen Vergaberichtlinien verankerten Bieterschutz gewährleistet 119. Den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben ist andererseits eine Einschränkung der Rechtsschutzgewährleistung nicht fremd. Art. 1 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 89/ 665/EWG verlangt, dass ein Nachprüfungsverfahren „zumindest jedem zur Verfügung steht, der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen Liefer- oder Bauauftrag hat oder hatte und dem durch den behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht“. Eine Einschränkung des allgemein bieterschützenden Charakters der materiellen Vergaberichtlinien ist hiermit nicht verbunden. Eingedenk der oben ausgeführten Sekundärfunktion der Richtlinie 89/665/EWG weist ihr auch Dreher 120 zutreffend keine den Rechtsschutz beschränkende Wirkung zu, sondern versteht sie als Konkretisierung des Rechtsschutzbedürfnisses im Rahmen der Zulässigkeit von Nachprüfungsverfahren.

III. Nationale Vorschriften Treffend, gar euphemistisch im Vergleich zu anderen Stimmen im Schrifttum 121, charakterisiert Pietzcker 122 das nationale Vergaberechtsregime als ein System, das normtechnisch nicht als Glanzstück angesehen werden könne. Angesprochen wird hiermit die bestehende erhebliche Rechtszersplitterung. Bezeichnend für das deutsche Recht der öffentlichen Auftragsvergabe sind die Prinzipien der Zweiteilung 117 Grundlegend EuGH, Urt. v. 19.1.1982, Rs. C-8/81 „Becker/Finanzamt Münster“, Slg. 1982, S. 52 ff.; Hailbronner, in Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 97 Rdnr. 197; Bechthold, GWB, § 97 Rdnr. 40. 118 Für eine ordnungsgemäße Richtlinienumsetzung hat das mitgliedstaatliche Rechtsschutzsystem aber die praktische Wirksamkeit („effet utile“) der Richtlinienbestimmungen zu gewährleisten, womit die Aufstellung strengerer Anforderungen für die Bejahung subjektiver Rechtspositionen unvereinbar ist (vgl. Noch, Vergaberecht und subjektiver Rechtsschutz, S. 142; Streinz, Europarecht, Rdnrn. 388 ff.). 119 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999, „Flughafen Berlin“, WuW/E Verg 231/234; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, § 97 Rdnr. 186; Waldner, Bieterschutz im Vergaberecht, S. 155. 120 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, § 97 Rdnr. 186. 121 Rittner, in: Schwarze/Müller-Graff (Hrsg.), Das öffentliche Auftragswesen in der EG, EuR-Beiheft I/1996, S. 7/19 spricht von „fast chaotisch anmutenden Zuständen“ im Vergaberecht. Die Normenvielfalt wird als „kaum durchschaubar“ (Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, Vor §§ 97 ff. Rdnr. 24) und „kaum mehr überschaubar“ (Waldner, Bieterschutz im Vergaberecht, S. 50) angesehen und sei „schon für deutsche Juristen nur schwer verständlich“ (Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, Vor §§ 97 ff. Rdnr. 25). 122 Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 428/437.

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und der „Vergaberechtskaskade“. Unter dem Prinzip der Zweiteilung versteht man den Umstand, dass für vergleichbare Beschaffungssachverhalte allein aufgrund ihres unterschiedlichen Auftragswertes verschiedene Vergaberechtsregime zur Anwendung gelangen 123. Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung die Tatsache genützt, wonach für öffentliche Aufträge unterhalb der Schwellenwerte keine Umsetzungsverpflichtung besteht. Es verbleibt bei der ursprünglichen deutschen Rechtslage vor der gemeinschaftsrechtlichen Überformung des Vergaberechts. Das „Kaskadenprinzip“ kann demgegenüber nicht als Ausfluss der Europäisierung des Vergaberechts begriffen werden. Es bezeichnet die im deutschen Recht der öffentlichen Auftragsvergabe bestehende Regelungstechnik des dreistufigen Aufbaus von Gesetz, Verordnung und Verdingungsordnungen. Die Ursachen für die Ausgestaltung dieser Prinzipien sind in der ambivalenten Stellung des Vergaberechts sowie in der tiefen Verfestigung gewachsener Rechtsstrukturen zu suchen. Es konkurrieren haushaltsrechtliche Bezüge mit wirtschaftlicher Teilnahme am Markt, kurz gesagt, Innenrecht mit Außenrecht. Es wurde bereits erläutert, dass erhebliche Eingriffe in etablierte Rechtssysteme der Mitgliedsaaten diese nicht besonders zur Umsetzung motivieren. Erhebliche konzeptionelle Unterschiede zwingen die nationale Gesetzgebung seit dem Bestehen der gemeinschaftsrechtlichen Vergaberichtlinien zu einem permanenten Spagat zwischen gewachsenen nationalen Strukturen und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Diese Umstände sind der deutschen Verfahrensweise, nur das gemeinschaftsrechtlich unbedingt Gebotene umzusetzen, das eigene System hingegen so weit wie möglich im Bestand zu erhalten, zugute zu halten. Das deutsche Recht der Auftragsvergabe war seit der Weimarer Republik aus formalgesetzlicher Sicht Haushaltsrecht und damit Innenrecht der Exekutive. Regelungen finden sich in den Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder. Diese sehen zunächst die Bereitstellung und die Zweckbindung der für die Beschaffung erforderlichen Finanzmittel vor 124. Die spezielle haushaltsrechtliche Prägung erfuhr das Vergaberecht durch die grundsätzlichen Erfordernisse der Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen und der Vergabe nach einheitlichen Richtlinien gemäß §§ 30 HGrG, 55 BHO und den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften 125. Das öffentliche Ausschreibungsverfahren sollte im Wesentlichen zweierlei gewährleisten 126: Zum einen war es darauf angelegt, den staatlichen Stellen einen Überblick über die Marktverhältnisse zu verschaffen, um auf diese Weise ihre Schwächen als 123 Zur Frage der Vereinbarkeit der Zweiteilung des Vergaberechtsregimes für öffentliche Aufträge oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG siehe 3. Kapitel D. I. 2. a) aa). 124 Vgl. zum Haushaltsrecht des Bundes: §9 Abs. 2 BHO, §§ 27 ff. BHO und §§ 45 BHO, 27 HGrG; allgemein zum Haushaltskreislauf: Gröpl, Haushaltsrecht und Reform, S. 102 – 119. 125 § 30 HGrG lautet: „Dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen muss ein öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen.“ 126 Birkner/Bachmayer/Kellner/Haferkorn, Bayer. Haushaltsrecht, Art. 55 Erl. 1; v. Köckritz/ Ermisch/Dittrich/Lamm, Bundeshaushaltsordnung, § 55 S. 80 ff.; Pietzcker, ZHR 162 (1988), S. 428/432; Rittner, ZHR 152 (1988), S. 319 f./326 ff.

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Marktteilnehmer zu kompensieren. Zum anderen sollten dieselben gehindert werden, unkontrolliert politische Einflüsse geltend zu machen. Unter der Verpflichtung der mittelbewirtschaftenden Stellen 127 auf die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit bestand die Zielsetzung im wirtschaftlich günstigen Einkauf. In diesem Sinn weist auch das Haushaltsrecht eine wettbewerbs- und gleichheitsrechtliche Komponente auf 128. Trotz dieser haushaltsrechtlichen Verankerung bildeten die Verdingungsordnungen für Bauleistungen (VOB), für Leistungen – ausgenommen Bauleistungen – (VOL) und die erst zum 1. November 1997 in Kraft getretene Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) den Schwerpunkt des Rechts der Auftragsvergabe 129. Ausgearbeitet und verabschiedet werden diese durch den Deutschen Verdingungsausschuss für Bauleistungen (DVA) und den Deutschen Verdingungsausschuss für Leistungen – ausgenommen Bauleistungen (DVAL), denen ferner die Anpassung der Verdingungsordnungen an neue nationale oder gemeinschaftsrechtliche Vorgaben obliegt. Deren Tätigkeit ist, soweit sich die konkrete Auftragsvergabe im Bereich unterhalb der Schwellenwerte bewegt, private Rechtsetzung ohne gesetzgeberische Legitimation. Als von privaten Institutionen aufgestellte Regelungen sind sie trotz ihrer abstrakt-generellen Natur grundsätzlich rechtlich nicht verbindlich. Eine rechtliche Verbindlichkeit wird der VOF sowie den Teilen A der VOB und VOL erst durch bundes- und landesrechtliche Verweisungsnormen 130 zuteil. Ihre Verbindlichkeit beschränkt sich aber auf die von Verwaltungsvorschriften, also auf Rechtswirkungen innerhalb der staatlichen Stelle. Wirkungen im Außenverhältnis werden nicht erzeugt. 131 Die Verdingungsordnungen VOF, VOB 132 und VOL in ihren jeweiligen Teilen A enthalten Vorschriften über das Verfahren der Auftragsvergabe, über Veröffentlichungspflichten und Fristen der Ausschreibung, über die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Leistungsbeschreibung, über die Benachrichtigung unterlegener Bieter sowie über materielle Entscheidungsgrundsätze für die Auswahl der Unternehmen und den Zuschlag. Die Teile B der VOB und der VOL beziehen sich auf den jeweiligen Vertragsinhalt und stellen allgemeine Geschäftsbedingungen dar, die in den Vertrag miteinbezogen werden müssen, um Geltung zu beanspruchen. Teil C Zum Begriff: Gröpl, Haushaltsrecht und Reform, S. 50 f. Freilich ist diese rein innenrechtlicher Natur und verfolgt eine haushaltsrechtliche und haushaltswirtschaftliche Zielsetzung, vgl. Neßler, EWS 1999, S. 89/90. Nach Schranner (in: Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, A § 2 Nr. 1 Rdnrn. 24 f.) meint Wettbewerb insoweit lediglich die Beteiligung mehrerer am Vergabeverfahren. 129 Umfassend zur Entstehung und Entwicklung der Verdingungsordnungen, speziell der VOB: Schubert, in: FS f. Korbion, S. 389 ff.; Vygen, in: Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, Einleitung Rdnrn. 11 ff. 130 Für das Haushaltsrecht des Bundes: § 55 Abs. 2 BHO in Verbindung mit Vorl. VV-BHO. 131 BGH, Urt. v. 21.11.1991, NJW 1992, S. 827; Boesen, Vergaberecht, Einleitung Rdnrn. 129 ff.; Dreher, NVwZ 1999, S.1265/1266; ders., in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, Vor §§ 97 ff., Rdnr. 30. Demgegenüber liegt bei Verweisung der Vergabeverordnung auf die Verdingungsordnungen Verordnungsrecht vor. 132 Nunmehr Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen i. d. F. Bek. v. 20.3.2006. 127 128

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der VOB beinhaltet schließlich technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen und bildet mit Teil B eine Einheit. 133 Mit dem haushaltsrechtlichen und damit auch innenrechtlichen Hintergrund einher geht der nur rudimentär ausgebildete Rechtsschutz für unterlegene Bieter. Bezeichnender Weise galt das deutsche Vergaberecht in dieser Zeit als „stille“ 134 Materie sowie als „eine Domäne der Exekutive“ 135. In einer ersten Stufe erstrebte der deutsche Gesetzgeber der Umsetzungsverpflichtung dadurch Genüge zu tun, dass er die Inhalte der Vergaberichtlinien in die Verdingungsordnungen VOB/A und VOL/A integrierte 136. Angesichts der gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die Qualität mitgliedstaatlicher Umsetzungsakte war es nicht verwunderlich, dass der EuGH 137 im Rahmen eines von der Kommission initiierten Vertragsverletzungsverfahrens die deutsche Umsetzung im Wege der Integration in Verwaltungsvorschriften für unzureichend erklärte. Gleichzeitig sah der EuGH in der fehlenden Einräumung von subjektiven, vor nationalen Gerichten einklagbaren Rechten einen Umsetzungsverstoß. Der Gesetzgeber versuchte in einer zweiten Stufe in den Jahren 1993 und 1994, das bestehende Vergaberecht mittels einer formalgesetzlichen Grundlage im HGrG, der Vergabeverordnung und der Nachprüfungsverordnung zu reformieren 138. Diese als „haushaltsrechtliche Lösung“ bezeichnete Legislation war von der Zielsetzung getragen, bestehende Umsetzungsmängel zu beseitigen, die traditionelle Verankerung des Vergabewesens im Haushaltsrecht aber beizubehalten. Kernstück der Neuregelung waren die Vorschriften der §§ 57 a–c HGrG: § 57 a HGrG enthielt neben der Definition des Begriffs des öffentlichen Auftraggebers die allgemeine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Vergabeverordnung, die ihrerseits vollumfänglich auf die Verdingungsordnungen verwies. Hiermit wurde der Grundstein für das dem deutschen Recht eigentümliche Kaskadenprinzip gelegt. Durch die statische Verweisung der Vergabeverordnung auf die Verdingungsordnungen weisen Letztere im Sinne der gesetzgeberischen Begründung selbst den Rechtscharakter einer Verordnung auf 139. § 57 b 133 Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, S. 8, 25 ff.; Kulartz, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, Einleitung Rdnrn. 12 ff.; Marx, in: Jestaedt/ Kemper/Marx/Prieß, Das Recht der Auftragsvergabe, S. 3 f. 134 Rittner, in: Schwarze/Müller-Graff (Hrsg.), Das öffentliche Auftragswesen in der EG, EuR-Beiheft I/1996, S. 7/9. 135 Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S. 237. 136 Die Vorgaben der BKR wurden 1973 in die VOB/A, die Vorgaben der LKR 1984 in die VOL/A integriert. Die infolge der Richtlinienumsetzung neu geschaffenen Vorschriften wurden als „a-Paragraphen“ in die Verdingungsordnungen eingearbeitet. Näher: v. Köckritz/Ermisch/Dittrich/Lamm, Bundeshaushaltsordnung, § 55 S. 32 ff. 137 EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-433/93 „Kommission/Bundesrepublik Deutschland“, EuZW 1995, S. 635 ff. 138 Zweites Gesetz zur Änderung des Haushaltsgrundsätzgesetzes vom 26.11.1993, BGBl. I 1993, S. 1928; Verordnung über die Vergabebestimmungen für öffentliche Aufträge (Vergabeverordnung – VgV) vom 22.4.1994, BGBl. I 1994, S.321; Verordnung über das Nachprüfungsverfahren für öffentliche Aufträge (Nachprüfungsverordnung – NpV), vom 22.4.1994, BGBl. I 1994, S. 324. 139 BT-Drs. 12/4636, S. 13; OLG Düsseldorf, 29.7.1998, WuW/E Verg 202; Boesen, Vergaberecht, Einleitung Rdnr. 141; Niebuhr, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Ver-

4 Regler

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und § 57 c HGrG gestalteten zur Erfüllung der Umsetzungsverpflichtung das Verfahren zur Nachprüfung von Vergabeentscheidungen aus. Die Nachprüfung erfolgte jedoch nicht im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsschutzsystems, sondern durch zwei der Exekutive zuzurechnende, lediglich „gerichtsähnliche“ Nachprüfungsinstanzen. Erstinstanzlich wurden bei den jeweiligen Rechtsaufsichtsbehörden sog. Vergabeprüfstellen eingerichtet. Zweitinstanzlich bestanden sog. Vergabeüberwachungsausschüsse beim Bundeskartellamt für den Bund und bei jeweils geeigneten Landesbehörden für die Länder. Die Vergabeprüfstellen untersuchten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Rechtmäßigkeit der getroffenen Vergabeentscheidung. Dem Vergabeüberwachungsausschuss oblag „revisionsähnlich“ 140 noch die Überprüfung der Entscheidung der Vergabeprüfstelle auf Rechtsfehler. Die national eingerichteten Nachprüfungsinstanzen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass, dem Konzept der „haushaltsrechtlichen Lösung“ folgend, das Vergabewesen seiner Verankerung im Haushaltsrecht nicht enthoben wurde. Der deutsche Gesetzgeber hat, anders als der Großteil der übrigen Mitgliedsstaaten141, den Status des Vergaberechts als objektiv öffentlichen Interessen dienendes Innenrecht beibehalten. Deutlich wird dies aus der Amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs 142, die als Ziel der Reform postuliert, „individuelle, einklagbare Rechtsansprüche der Bieter nicht entstehen zu lassen“. Im Hinblick auf die gemeinschaftsrechtliche Umsetzungsverpflichtung war die haushaltsrechtliche Lösung nicht viel mehr als ein halbherziger Versuch. Das Schrifttum hat sowohl wegen der formalgesetzlichen Integration in das HGrG als auch wegen der Art und Ausgestaltung dieser nicht mit Kritik gespart143. Die deutsche Umsetzung stand von Anfang an unter kritischer Betrachtung der Kommission, woraus mehrere Vertragsverletzungsverfahren resultierten 144. In der grundlegaberecht, Einleitung Rdnr. 13; Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427/436; Vygen, in: Ingenstau/ Korbion, VOB-Kommentar, Einleitung Rdnr. 18; allgemein zur Zulässigkeit und Wirkung sog. statischer Verweisungen: BVerfG, Beschl. v. 1.3.1978, E 47, S. 285/313; BVerwG, Urt. v. 14.12.1978, E 57, S. 204/206. 140 Kritisch zur diesen Begriff verwendenden amtlichen Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/4636, S. 2): Ruthig, DÖV 1997, S. 539/541. 141 Vgl. Rittner, in: Schwarze/Müller-Graff (Hrsg.), Das öffentliche Auftragswesen in der EG, EuR-Beiheft I/1996, S. 7/13 f.; übersichtlich zum Vergaberecht der übrigen Mitgliedsstaaten: Kokott, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, Einführung Rdnrn. 90 ff.; Prieß, Europäisches Vergaberecht, S. 220 ff. 142 Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/4636, S. 12. 143 Boesen, EuZW 1997, S. 713 ff.; Brenner, in: Schwarze/Müller-Graff (Hrsg.), Das öffentliche Auftragswesen in der EG, EuR-Beiheft I/1996, S.23/31 ff.; Dreher, EuZW 1995, S.637 f.; ders., EuZW 1997, S. 522; Hermes, JZ 1997, S. 909 ff.; v. Meibom/Byok, EuZW 1995, S. 629/631 f.; Noch, Vergaberecht und subjektiver Rechtsschutz, S. 85 ff., 144 ff.; Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427/434 ff.; Rittner, in: Schwarze/Müller-Graff (Hrsg.), Das öffentliche Auftragswesen in der EG, EuR-Beiheft I/1996, S. 7/14 ff. 144 EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-433/93 „Kommission/Bundesrepublik Deutschland“, EuZW 1995, S. 635 ff. bezügl. der Richtlinien 89/440/EWG und 88/295/EWG für öffentliche Bau- und Lieferaufträge; Beanstandungsschreiben der EG-Kommission v. 31.10.1995, ZIP 1995, S. 1940 ff. bezügl. der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG; EuGH, Urt. v. 2.5.1996,

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genden Entscheidung „Kommission/Bundesrepublik Deutschland“, die noch die Rechtslage vor Schaffung der §§ 57 a–c HGrG betraf, führte der EuGH 145 aus, eine ordnungsgemäße Umsetzung erfordere, dass Bieter vor den nationalen Gerichten die Beachtung der vor Willkür schützenden Vorschriften geltend machen können. In der Rechtssache „Dorsch Consult“ 146 hat der EuGH, wohl aus der Überlegung heraus, eine möglichst große Zugänglichkeit zu sich zu gewährleisten 147, zwar die Vergabeüberwachungsausschüsse als Gerichte im Sinn von Art. 177 EGV (nunmehr Art. 234 EG) betrachtet. Gleichzeitig machte er jedoch deutlich, dass die Frage der Gerichtsqualität von der Frage der Erfüllung sonstiger Anforderungen der Rechtsmittelrichtlinien zu unterscheiden sei. Im Fokus stand die rein objektive Rechtskontrolle, insbesondere die fehlende Möglichkeit der Vergabenachprüfungsinstanzen, das Vergabeverfahren einstweilen auszusetzen und die Erteilung des Zuschlags zu verhindern. Das Bestehen eines effektiven Rechtsschutzes wurde insoweit verneint 148. Anlass für eine Neuordnung des Vergaberechts war nicht zuletzt auch ein steigender politischer Druck, der nicht seitens der Europäischen Union, sondern seitens der USA ausgeübt wurde. Auslöser waren die Niederlagen der USamerikanischen Unternehmen General Electric und Westinghouse bei der Vergabe von Kraftwerksaufträgen 149. Angesichts dieser Entwicklung bekannte sich der deutsche Gesetzgeber150 zum Erfordernis der Abkehr von gewachsenen Rechtsstrukturen zur vollständigen Erfüllung der gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsverpflichtung. Das deutsche Recht der öffentlichen Auftragsvergabe wurde in einer dritten Stufe durch den Erlass des zum 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Vergaberechtsänderungsgesetzes (VgRÄG) Rs. C-253/95 „Kommission/Bundesrepublik Deutschland“, bezügl. der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie 92/50/EWG; EuGH, Urt. v. 16.12.1997, Rs. C-341/96, bezügl. der Lieferkoordinierungsrichtlinie 93/36/EWG. 145 EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-433/93 „Kommission/Bundesrepublik Deutschland“, EuZW 1995, S. 635 ff. 146 EuGH, Urt. v. 17.9.1997, Rs. C-54/96 „Dorsch Consult“, ZIP 1997, S. 1749 ff. 147 Dreher, EWiR 1997, S. 987/988. Dass die Vergabeüberwachungsausschüsse nicht den Anforderungen eines Gerichts im Sinn von Art. 92 GG entsprechen, hat nun auch der deutsche Gesetzgeber eingesehen (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung, Regierungsentwurf, BTDrs. 13/9340, S. 47 f.). 148 Aus dem umfangreichen Schrifttum: Boesen, Vergaberecht, Einleitung Rdnr. 144; Brenner, in: Schwarze/Müller-Graff (Hrsg.), Das öffentliche Auftragswesen in der EG, EuR-Beiheft I/1996, S. 23/34 ff.; Neßler, EWS 1999, S. 89/91 f.; Noch, Vergaberecht und subjektiver Rechtsschutz, S. 144 ff.; Pietzcker, NVwZ 1996, S. 313/316 f.; ders., ZHR 162 (1998), S. 427/437 ff.; Sterner, Rechtsbindungen und Rechtsschutz, S. 127 f.; Waldner, Bieterschutz im Vergaberecht, S. 52 ff. 149 KG, Urt. v. 10.4.1995, EuZW 1995, S. 645 ff.; VÜA des Bundes, Beschl. v. 12.4.1995 „Kraftwerkskomponenten“, WuW/E VergAB 27 ff.; Bechthold, GWB, Vor § 97 Rdnr. 13; Jasper, DB 1998, S. 2151; Schwarze, in: Schwarze (Hrsg.) Die Vergabe öffentlicher Aufträge im Lichte des europäischen Wirtschaftsrechts, S. 13/26. 150 Als grundlegend ist der Kabinettsbeschluss der Bundesregierung vom 25.9.1996 zu einer umfassenden Reformierung des nationalen Vergaberechts anzusehen, vgl. Pressemitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft vom 25.9.1996. 4*

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

reformiert 151. Allerdings wurde wiederum nicht der Weg eines eigenständigen Vergabegesetzes eingeschlagen. Die Vorschriften über das Vergabewesen wurden vielmehr in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) integriert (sog. kartellrechtliche Lösung oder Kartellvergaberecht) 152. Ausweislich der Begründung zum Gesetzesentwurf 153 „wurde eine Konzeption im Rahmen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gewählt, um dem gewandelten Verständnis der Vergaberegeln zu entsprechen und die wettbewerbliche Bedeutung des heutigen Vergaberechts zu betonen. (...) Mit der gesetzlichen Regelung wird zugleich das Wettbewerbsprinzip gestärkt; das führt zu wirtschaftlichem Einkauf und zu noch sparsamerer Verwendung öffentlicher Mittel. Transparenz und Rechtssicherheit, auch für Bieter und Bewerber aus dem EG-Ausland, gewährleisten effektiven Rechtsschutz.“

Diesen Vorgaben entsprechend ist das deutsche Vergaberecht im vierten Teil des GWB 154, in drei Abschnitte unterteilt, niedergelegt: Der erste Abschnitt, §§ 97–101 GWB, enthält die allgemeinen Grundsätze des Vergabeverfahrens, den Anwendungsbereich der Vergaberechtsregelungen in Bezug auf die Notwendigkeit eines öffentlichen Auftrages und eines öffentlichen Auftraggebers sowie die Arten der Vergabe. Im zweiten Abschnitt, §§ 102–124, finden sich Regelungen zum Rechtsschutz, also zum vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren 155, das den Hauptgegenstand der Neuregelung darstellt. Der Rechtsweg ist weiterhin zweistufig, wobei die Vergabekammern als Eingangsinstanz fungieren. Die Vergabekammern knüpfen 151 Vergaberechtsänderungsgesetz (VgRÄG) v. 26.8.1998, BGBl. I 1998, S. 2512 ff.; Neufassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), BGBl. I 1998, S. 2546 ff. Die Vorschriften der §§ 57 a–c HGrG und die Nachprüfungsverordnung (NpV) wurden durch Art. 3 Nr. 1 VgRÄG aufgehoben. Umfassend zum Gesetzgebungsverfahren: Boesen, Vergaberecht, Einleitung Rdnrn. 145 ff.; Waldner, Bieterschutz im Vergaberecht, S. 67 f. 152 Diese Vorgehensweise fand auch Zustimmung im vergaberechtlichen Schrifttum: Boesen, EuZW 1997, S. 713/718; ders., EuZW 1998, S. 551/554; Stockmann, in: FS f. Schmidt, S. 397/404; Waldner, Subjektiver Bieterschutz, S. 70 ff. Für ein eigenständiges Vergabegesetz hingegen: Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, Vor §§ 97 ff. Rdnr. 39; ders., NVwZ 1999, S. 1265/1271; ders., EuZW 1995, S. 637 f.; ders., EuZW 1997, S. 522; v. Meibom/Byok, EuZW 1995, S. 629/631 f.; Rittner, in: Schwarze/Müller-Graff (Hrsg.), Das öffentliche Auftragswesen in der EG, EuR-Beiheft I/1996, S. 7/11 f.; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, H. IV. Rdnrn. 223 ff. 153 Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/9340, S. 12 f. 154 Die wettbewerbliche Neuausrichtung des deutschen Vergaberechts ist auch kompetenzrechtlich bedeutsam: Während die haushaltsrechtliche Lösung auf der Grundsatzgesetzgebungskompetenz gemäß Art. 109 Abs. 3 GG basierte, werden für die nunmehr geltende kartellrechtliche Lösung zusätzlich die Kompetenztitel Art. 74 Nr. 11, das Recht der Wirtschaft, und teilweise Art. 74 Nr. 16 GG, die Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung, herangezogen (Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427/441 f.). Der Regierungsentwurf (BT-Drs. 13/9340, S. 13) stellt zusätzlich auf Art. 74 Nr. 1 GG ab. 155 Die Bedeutung des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens für den effektiven Primärrechtsschutz nach Art.19 Abs.4 GG betont das BVerfG (Beschl. v. 29.7.2004, NVwZ 2004, S. 1224 ff.) im Hinblick auf die an die Antragbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB zu stellenden Anforderungen; hierzu Bultmann/Hölzl, NZBau 2004, S. 651 ff.

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organisatorisch weitgehend an die im Rahmen der haushaltsrechtlichen Lösung bestehenden Vergabeüberwachungsausschüsse an 156. Zweitinstanzlich befinden über die Entscheidungen der Vergabekammern, gegen die das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Vergabesenate, die bei den Oberlandesgerichten eingerichtet sind. Zum Zweck der Beschleunigung soll nach den Worten des Gesetzgebers „nur eine gerichtliche Instanz mit dem Rechtsstreit“ befasst werden, wobei dies angesichts der „zu erwartenden fachlichen Qualität der Entscheidungen der Vergabekammern“ nicht häufig der Fall sein werde 157. Der dritte Abschnitt, §§ 125– 129, umfasst schließlich Regelungen zum Schadensersatz bei Missbrauch der neu geschaffenen Rechtsmittel sowie bei Verstoß gegen Vergabevorschriften, Regelungen zu den Kosten des Verfahrens und Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von Verordnungen. Gemäß der Rechtstechnik des Vor-die-Klammer-Ziehens bestimmt § 97 GWB die allgemeinen Maximen der Auftragsvergabe und fungiert als „Vergabe-Verfassungsrecht“ des Vergaberechtsänderungsgesetzes: Absatz 1 stellt das Wettbewerbs- und Transparenzprinzip heraus. Absatz 2 verankert das grundsätzlich geltende Gebot der Gleichbehandlung aller potenziellen Auftragnehmer. Nach der die Eignungskriterien bestimmenden Vorschrift des Absatzes 4 sind Aufträge lediglich an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Bieter zu vergeben; weitergehende Anforderungen an die Auftragnehmer im Sinne der Berücksichtigung sog. vergabefremder Zwecke können nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgeschrieben ist 158. Zentrale Vorschrift, „Vergabe-Grundrecht schlechthin“ 159 oder die „magna charta des Vergaberechtsschutzes“ 160, ist die Vorschrift des Absatzes 7. Hiernach haben Unternehmer nunmehr „einen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält“. Diese, eine lange Rechtsentwicklung durchlaufende Gewährleistung subjektiver Bieterrechte ist, ihrer Bedeutung folgend, Anlass juristischer Diskussion. In Frage steht, ob eine Regelung wie die des § 97 Abs. 7 GWB, welche die konkrete Reichweite des vergaberechtlichen Rechtsschutzes nicht bestimmt, sondern vielmehr der Entscheidungsfindung der Vergabekammern und der Vergabesenate bei den Oberlandesgerichten überlässt, mit den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die Qualität nationaler Umsetzungsakte zu vereinbaren ist. Im Hinblick auf den Zweck der Richtlinie wird vertreRegierungsentwurf, BT-Drs. 13/9340, S. 13. Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/9340, S. 13 und 20. Insoweit wird an die Erfahrungen in Dänemark angeknüpft. 158 Diese Bestimmung war im Gesetzgebungsverfahren äußerst umstritten und stellt eine Kompromisslösung dar. Im Regierungsentwurf war die Stellung weitergehender Anforderungen an Auftragnehmer nur möglich, „wenn dies durch Bundesgesetz vorgesehen ist“. Der Bundesrat hingegen erstrebte die Einführung vergabefremder Zwecke bereits mittels materiellen Landesrechts (Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/9340, S. 4; Stellungnahme des BRats, BT-Drs. 13/9340, S. 35). Die Berücksichtigung vergabefremder Zwecke wirft sowohl gemeinschaftsrechtliche als auch verfassungsrechtliche Probleme auf (vgl. 1. Kapitel D.). 159 Gröning, ZIP 1999, S. 52/54. 160 Gröning, ZIP 1998, S. 370/372. 156 157

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

ten, lediglich ein konkreter, gesetzlich niedergelegter Katalog der einklagbaren individuellen Rechtspositionen im Sinne eines eindeutigen und zwingenden Umsetzungsakts gewährleiste eine ordnungsgemäße Richtlinienumsetzung161. Mit dieser Problematik aufs Engste verknüpft ist der aus der allgemein gehaltenen Regelung zu bestimmende Umfang des subjektiven Bieterschutzes. Der Referentenentwurf 162 bejahte einen subjektiven Schutz potenzieller Bieter nur unter dem einschränkenden Zusatz, dass die Einhaltung der „ihren Schutz bezweckenden Vorschriften“ durch den öffentlichen Auftraggeber in Frage steht. Der Begründung des Regierungsentwurfs 163 zufolge ist mit dem Verzicht auf diesen Zusatz eine Erweiterung des Rechtsschutzes nicht verbunden. Ausgangspunkt der Überlegungen muss das Richtlinienrecht sein. Wie bereits dargestellt, harmonieren europäische Richtlinienvorgaben und nationales Recht nicht in dem Maße, dass die Bejahung einklagbarer subjektiver Rechtspositionen nach gänzlich einheitlichen Maßstäben erfolgt. Es ist unzweifelhaft, dass, trotz des allgemein bieterschützenden Charakters der materiellen Vergaberechtsrichtlinien, nicht sämtliche Vorschriften im Falle ihrer Verletzung subjektive Bieterrechte begründen. Auch das Gemeinschaftsrecht setzt einen bestimmten Grad an Subjektivierung voraus. 164 Gesteigerte mitgliedstaatliche Anforderungen, beispielsweise das Erfordernis der Individualisierbarkeit der subjektiven Rechtsposition als subjektiv-öffentliches Recht, stehen unter dem Gebot richtlinienkonformer Auslegung zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit. Dann, das heißt bei mitgliedstaatlicher Sicherstellung des effet utile, genügt für die Qualität des Umsetzungsakts bereits die Festlegung eines allgemeinen rechtlichen Rahmens 165. Regelungssystematisch ist das deutsche Vergaberecht, von der Verlagerung der formalgesetzlichen Grundlagen in das GWB abgesehen, bei den gewachsenen Rechtsstrukturen verblieben. Dies gilt zum einen für den dem deutschen Vergaberechtsregime immanenten Grundsatz 166, dass ein einmal erteilter Zuschlag einer Dreher, EuZW 1997, S. 522 ff.; Waldner, Bieterschutz im Vergaberecht, S. 143 ff. Referentenentwurf eines VgRÄG, § 106 Abs. 6 GWB. 163 Regierungsentwurf (BT-Drs. 13/9340, S. 14) bejaht den Rechtsschutz weiterhin nur dann, „soweit eine bestimmte vergaberechtliche Vorschrift gerade auch den Schutz des potenziellen Auftragnehmers bezweckt“. Vgl. auch Gröning, ZIP 1999, S. 52/54; Niebuhr, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 97 Rdnrn. 257 ff. 164 Vorschriften, die sich nicht auf das Verhältnis der Auftraggeber zu den Bietern beziehen, die Letztere als Beteiligte am Vergabeverfahren also nicht treffen, können nicht als auf die Verleihung von Rechten an Dritte abzielend angesehen werden. Dies gilt beispielsweise für die Statistikpflichten gemäß Art. 34 BKR, Art. 31 LKR, Art. 39 DKR, nun Art. 75 VKR (hierzu Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, § 97 Rdnrn. 190 ff.). 165 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.3.1997, Rs. C-96/95 „Kommission/Bundesrepublik Deutschland“, EuZW 1997, S.348; OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999, „Flughafen Berlin“, WuW/E Verg 231/234. Die Problematik relativiert sich dadurch, dass die meisten (untergesetzlichen) Vergabebestimmungen die Vergabegrundsätze des § 97 Abs. 1 und 2 GWB konkretisieren (Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, § 97 Rdnr. 194). 166 Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/9340, S. 19; Bechthold, GWB, § 114 Rdnr. 3; Boesen, EuZW 1998, S. 551/553. 161 162

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nachträglichen Aufhebung nicht mehr zugänglich ist (§ 114 Abs. 2 Satz 1 GWB). Nach der gesetzlichen Grundkonzeption ist der unterlegene Bieter dann, nach dem Vorbild der Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß §113 Abs. 1 Satz 4 VwGO 167, auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des erfolgten Zuschlags gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB und der darauf basierenden Geltendmachung von Schadensersatz beschränkt 168. Zum anderen darf sich der Rechtsanwender weiterhin mit dem als Kaskadenlösung bezeichneten dreiteiligen Aufbau der vergaberechtlichen Rechtsgrundlagen, bestehend aus dem formalgesetzlichen Kartellvergaberecht, der Vergabeverordnung als Bindeglied und den Verdingungsordnungen, auseinandersetzen 169. Die Vergabeverordnung, welche die Aufgabe in sich trägt, die Vergaberechtsgrundsätze des § 97 Abs. 1–5 GWB mit Detailregelungen auszufüllen und zu diesem Zweck auf die jeweils einschlägige Verdingungsordnung verweist, beruht auf § 97 Abs. 6 GWB 170. In ihre inhaltliche Ausgestaltung flossen die grundlegenden Judikate des BKartA (1. Vergabekammer des Bundes) 171 in der Sache „Münzplättchen II“ vom 29. April 1999, des EuGH 172 in der Rechtssache „Alcatel Austria AG u. a./Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr“ vom 28. Oktober 1999 zum gerichtlichen Primärrechtsschutz sowie des OLG Brandenburg 173 in der Rechtssache „Flughafen Berlin“ vom 3. August 1999 ein. Als Reaktion auf diese Entscheidungen enthält die Vergabeverordnung in § 13 die Pflicht des Auftraggebers, die erfolglosen Bieter vor dem Zuschlag über den Namen des erfolgreichen Bieters und den Grund der Nichtberücksichtigung zu informieren 174. § 16 regelt die Problematik von „Doppelmandatierungen“, nachdem das OLG Brandenburg die entsprechende Anwendung von §20 VwVfG bejahte 175. Die Beibehaltung gewachsener Strukturen und die BeschränMarx, in: Jestaedt/Kemper/Marx/Prieß, Das Recht der Auftragsvergabe, S. 157. Nach § 124 Abs. 1 GWB entfaltet die bestandskräftige Entscheidung der Vergabekammer Bindungswirkung für nachfolgende Schadensersatzprozesse vor den ordentlichen Gerichten. Näher Bechthold, GWB, § 124 Rdnrn. 1 ff.; Gröning, ZIP 1999, S. 52/56 ff. 169 Verfassungsrechtliche Bedenken bringen vor: Dreher, NVwZ 1999, S. 1265/1266 ff.; Malmendier, DVBl. 2000, S. 963/966 f.; Noch, Vergaberecht und subjektiver Rechtsschutz, S. 96 ff.; Pache, DVBl. 2001, S. 1781/1790. 170 Beim Inkrafttreten des VgRÄG galt wegen Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren noch die auf der haushaltsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage des § 57 a Abs. 1 und 2 HGrG beruhende Vergabeverordnung vom 22.2.1994 (Vergabeverordnung 1994). Die „neue“, auf § 97 Abs. 6 GWB beruhende Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV, BGBl. 2001 I, S. 110) gilt seit dem 1. Februar 2001 (neugefasst durch BGBl. 2003 I, S. 169, zuletzt geändert durch BGBl. 2005 I, S. 2676). Eine kurze Zusammenfassung gibt Otting, NVwZ 2001, S. 775 ff. Hinsichtlich des Rechtscharakters der Verdingungsordnungen verbleibt es im Umfang der verordnungsrechtlichen Verweisung bei der Anerkennung als staatliches Verordnungsrecht mit Allgemeinverbindlichkeit und Außenwirkung. 171 BKartA (1. Vergabekammer des Bundes), Beschl. v. 29.4.1999 „Münzplättchen II“, WuW/E Verg 220. 172 EuGH, Urt. v. 28.10.1999, Rs. C-81/98 „Alcatel Austria AG u. a./Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr“ bzw. „Ökopunkte“, DVBl. 2000, S. 118 ff. 173 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999, „Flughafen Berlin“, WuW/E Verg 231 ff. 174 Umfassend zu dieser Vorschrift: Klingner, Die Vorabinformationspflicht des öffentlichen Auftraggebers, S. 151 ff. 175 Siehe im Einzelnen 3. Kapitel A. II. 5. b) gg). 167 168

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

kung auf das gemeinschaftsrechtlich Notwendige werden schließlich an der seit der haushaltsrechtlichen Lösung bestehenden und auch im VgRÄG beibehaltenen Zweiteilung des deutschen Vergaberechtsregimes deutlich. Der Gesetzgeber maß der Sicherstellung einer zeitgerechten Beschaffung, somit der Verfahrensökonomie, Vorrang zu. Verzögerungen, die durch die Inanspruchnahme primärrechtlichen Rechtsschutzes entstünden, sollten für die öffentlichen Aufträge, die unterhalb der maßgeblichen Schwellenwerte liegen, vermieden werden. 176 Für Letztere verbleibt es bei der vor der haushalts- und kartellrechtlichen Lösung allgemein bestehenden, also im Wesentlichen durch die Verdingungsordnungen ausgestalteten und keine spezielle Schutzfunktion übernehmende Rechtslage mit den entsprechenden Konsequenzen für den Rechtsschutz. Das (nationale) Vergaberecht unterhalb der Schwellenwerte gewährleistet kein unmittelbar individuell einklagbares Recht auf Einhaltung der Vergabevorschriften, so dass kein Anspruch auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens nebst Vornahme einer Ausschreibung besteht. Ein solcher Anspruch kann auch dem Deliktsrecht nicht entnommen werden. Deliktsrechtliche Primäransprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB werden aufgrund des fehlenden Schutzgesetzcharakters der ausschließlich haushaltsrechtliche und nicht bieterschützende Zwecke verfolgenden Vorschriften der Verdingungsordnungen verneint 177. Das VgRÄG mit der statischen Verweisung der Vergabeverordnung auf die Verdingungsordnungen hat insofern keine Änderung gebracht, da eine Umsetzungsverpflichtung der auf subjektiven Bieterschutz bedachten Vergaberechtsrichtlinien lediglich im Bereich oberhalb der Schwellenwerte besteht 178. Bei öffentlichen Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte bleibt der Auftraggeber zumindest an die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten, vor allem an den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, im Falle der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung auch an Art.82 EG gebunden 179. In 176 Bechthold, GWB, § 100 Rdnr. 4; Byok, NJW 1998, S. 2774/2776; Gehrlein, NZBau 2001, S. 483 f.; Hailbronner, Gutachten im Auftrag des BMWi, BT-Drs. 13/9340, S. 25; Krist, VergabeR 2001, S. 373 ff.; Niebuhr, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 97 Rdnr. 16; Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 15. 177 Z. B. BGH, Urt. v. 21.11.1991, NJW 1992, S. 827; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.4.2003, NZBau 2003, S. 462 ff. m. w. Nachw.; OLG Stuttgart, Urt. v. 11.4.2002, NZBau 2002, S. 395/396; VGH Mannheim, Urt. v. 29.6.1998, NVwZ-RR 1999, S. 264 ff.; Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, S. 110; Heuvels, NZBau 2005, S. 570 ff.; Lötzsch/ Bornheim, NJW 1995, S. 2134/2137; Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 83 ff.; kritisch: Dreher, NZBau 2002, S. 419/426 f.; Freitag, NZBau 2002, S. 204 ff.; Ruthig, NZBau 2005, S. 497/502. 178 OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1998, BauR 1999, S. 241/247; OLG Schleswig-Holstein, Urt. v. 6.7.1999, BauR 2000, S. 1046/1048; Marx, in: Jestaedt/Kemper/Marx/Prieß, Recht der Auftragsvergabe, S. 144 ff.; Schnorbus, BauR 1999, S. 77/84 f.; Vygen, in: Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, Einleitung Rdnr. 33. 179 Boesen, Vergaberecht, Einleitung Rdnr. 159; Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1019 f.; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, Vor §§ 97 ff. Rdnr. 32; Hermes, JZ 1997, S. 909/912; Huber, JZ 2000, S. 877/880 f.; Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 69 ff. Problematisch ist der Umfang möglicher primärrechtlicher Vorgaben im Hinblick auf

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Ausnahmefällen kann sich ein Anspruch auf Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens nach den aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG resultierenden Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung ergeben 180. Ohne besondere Rechtfertigung darf von einer tatsächlich bestehenden und rechtmäßigen Verwaltungspraxis der Vornahme einer öffentlichen Ausschreibung nicht abgewichen werden. Einen Anspruch des günstigsten Bieters auf Erteilung des Zuschlags nach den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung lehnt die Rechtsprechung jedoch ausdrücklich ab. 181 Individuelle und einklagbare Rechtspositionen der Bieter können sich ferner aus dem Wettbewerbsrecht, aus „der das gesamte Wettbewerbsrecht beherrschenden Generalklausel“ 182 des § 1 UWG sowie aus dem Behinderungs- und Diskriminierungsverbot marktbeherrschender oder solchen gleichgestellter Unternehmen nach §§ 20, 33 GWB 183 ergeben. Mangels Anerkennung eines allgemeinen Diskriminierungsverbots sind das Innehaben einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von § 19 Abs. 2 GWB und eine unmittelbare oder mittelbare unbillige Behindie in der Festlegung von Schwellenwerten liegende Wertentscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers. Fraglich ist, ob eine Vergleichbarkeit mit der Rechtslage bei Dienstleistungskonzessionen besteht. Vgl. Stellungnahme der Bundesregierung zum S. 15 f. und 2. Kapitel B. I. 1. 180 BGH, Urt. v. 8.9.1999, NJW 1998, S. 3636/3639; Urt. v. 21.11.1991, NJW 1992, S. 827; Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1017; Faber, DÖV 1995, S. 403/408; Hollands/Sauer, DÖV 2006, S. 55/58; Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 87. Die praktische Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs ist in der Regel zu verneinen, da der Interessent erst nach der Zuschlagserteilung an den Konkurrenten von der Nichtdurchführung eines Ausschreibungsverfahrens erfahren wird. 181 Siehe vorherige Fußnote. 182 Köhler/Pieper, UWG, Vorbemerkung § 1 Rdnr. 2. 183 Das GWB ist auf „Unternehmen, die ganz oder teilweise im Eigentum der öffentlichen Hand stehen oder von ihr verwaltet oder betrieben werden“, anwendbar (§ 130 Abs. 1 Satz 1 GWB). Soweit sich die öffentliche Hand selbst als Anbieter oder Nachfrager von Leistungen am Wirtschaftsleben beteiligt, ist sie stets ein Unternehmen im Sinn des GWB. Erfasst werden zudem Unternehmen, die rechtlich verselbständigt sind, dem öffentlichen Träger jedoch ganz oder zumindest mehrheitlich gehören, insbesondere also privatrechtliche Gesellschaften. Für die Bejahung der Unternehmenseigenschaft ist unerheblich, ob die jeweilige Organisation öffentlichrechtlich oder privatrechtlich tätig wird. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Tätigkeit gleichartig auch von privaten Unternehmen ausgeübt wird oder ausgeübt werden könnte (sog. funktionaler Unternehmensbegriff). Vgl. hierzu BGH – Kartellsenat –, Urt. v. 26.10.1961, „Gummistrümpfe“, Z 36, S. 91/101 ff.; Bechthold, GWB, § 130 Rdnrn. 3 ff.; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, § 130 Rdnrn. 29 ff.; Faber, DÖV 1995, S. 403/411. Die Beschaffungstätigkeit des Staates unterliegt dem GWB (GmS OGB, Beschl. v. 10.4.1986, BGHZ 97, S. 312/316 f.; Bechthold, GWB, § 130 Rdnr. 5; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, §130 Rdnr. 35 mit umfassenden Rechtsprechungsnachweisen; kritisch: Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S. 373 ff.; ders., AöR 107 (1982), S. 61/74 ff.). Die Geltung des UWG für den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe als Teilnahme am Wirtschaftsleben in zivilrechtlicher Handlungsform wird regelmäßig bejaht, da das UWG sich an jeden richtet, der im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs Handlungen vornimmt (Dreher, NZBau 2002, S. 419/427; Köhler/Pieper, UWG, Einf. Rdnrn.181, 196, 224 ff.; Noch, Vergaberecht und subjektiver Rechtsschutz, S.209 f.; Pietzcker, AöR 107 (1982), S.61/74). Zum Teil wird eine gesonderte Feststellung des Vorliegens einer Wettbewerbsabsicht gefordert (OLG Stuttgart, Urt. v. 11.4.2002, NZBau 2002, S. 395 f.).

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

derung oder eine ohne sachlichen Grund erfolgte unterschiedliche Behandlung Anspruchsvoraussetzungen 184. Ein etwaiger Unterlassungsanspruch ist als zivilrechtliche Rechtsstreitigkeit nach § 87 GWB im Wege der einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935 ff. ZPO bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu verfolgen. Was Primäransprüche betrifft, lässt sich feststellen, dass interessierte Bieter im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb der Schwellenwerte erheblichen Rechtsschutzdefiziten ausgesetzt sind. Hier gewinnt die von Dreher 185 artikulierte Aufteilung der staatlichen Vergaben in „zwei Welten“ an Schärfe. Unternehmen, welche die Erteilung eines (rechtswidrigen) Zuschlags bei einem Auftrag unterhalb der Schwellenwerte nicht verhindern und die Aufhebung desselben nicht erreichen können, sind nicht gänzlich schutzlos gestellt. Ihnen können schadensersatzrechtliche Sekundäransprüche zustehen. In Betracht kommt bei einer rechtswidrigen und schuldhaften Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten, beispielsweise der Bevorzugung eines Konkurrenten aus unsachlichen Gründen 186, einem Verstoß gegen Vergabevorschriften 187 oder einem fehlerhaften Ausschluss des Interessenten vom Vergabeverfahren 188, im Rahmen des vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses der Ausschreibung 189 ein Anspruch nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo). Der Anspruch richtet sich in der Regel auf Ersatz des negativen Interesses; ist der nicht zum Zuge gekommene Bieter imstande, darzulegen und zu beweisen, dass er bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens den Zuschlag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erhalten hätte oder hätte erhalten müssen, richtet sich der Anspruch ausnahmsweise auf das positive Interesse 190. Weiteren zivilrechtlichen Ersatzansprüchen sind aufgrund restriktiver Anspruchsvoraussetzungen hohe Hürden geHierzu: Bechthold, GWB, § 20 Rdnrn. 10 ff. Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, Vor §§ 97 Rdnr. 31. 186 BGH, Urt. v. 8.11.1984, BauR 1985, S. 75/76. 187 OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.3.1990, NJW-RR 1990, S. 1046/1047. 188 BGH, Urt. v. 23.9.1982, NJW 1983, S. 442 für den Fall des rechtswidrigen Ausschlusses von einem Architektenwettbewerb; Kokott, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, Einführung Rdnr. 74; einen Anspruch aus culpa in contrahendo bei rechtswidrigem Ausschluss aus dem Vergabeverfahren verneinend: Elbel, DÖV 1999, S. 235/241. 189 Nur im Fall der Ausschreibung des zu vergebenden öffentlichen Auftrages und der Beteiligung des Interessenten am Verfahren wird das für den Anspruch aus culpa in contrahendo konstitutive vorvertragliche Schuldverhältnis bejaht. Die Reichweite der konkreten Ausschreibung bestimmt den Umfang des Vertrauensverhältnisses, BGH, Urt. v. 16.11.1967, Z 49, S. 77/79; BGH, Urt. v. 8.11.1984, BauR 1985, S. 75/76; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1998, MDR 1998, S. 1220 f.; Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, S. 149; Vygen, in: Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, Einleitung Rdnr. 55. 190 Elbel, DÖV 1999, S. 235/241 f.; Kokott, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, Einführung Rdnrn. 72 ff.; Vygen, in: Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, Einleitung Rdnr. 57. Unter den Voraussetzungen der Bejahung des Anspruchsumfangs auf das positive Interesse wird teilweise vertreten, dass dem Bieter – rechtzeitige Kenntnis vorausgesetzt – ein vorbeugender Anspruch auf Unterlassung des Zuschlags aus culpa in contrahendo zustehe (Faber, DÖV 1995, S. 403/409; Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, S. 109 f.; angedeutet auch vom OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1998, MDR 1998, S. 1220/1221). 184 185

B. Rechtliche Grundlagen

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setzt: Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB kann wegen des Erfordernisses einer absoluten Rechtsgutsverletzung allenfalls bei einem Eingriff in das Rahmenrecht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs begründet sein. Dies wurde bisher lediglich in Fällen willkürlicher Auftragssperren bejaht. 191 Wie bereits ausgeführt, entfällt ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB aufgrund des fehlenden Schutzgesetzcharakters der auf haushaltsrechtliche Ziele ausgerichteten Vergaberechtsgrundlagen unterhalb der Schwellenwerte192. Ausnahmsweise kann eine Schadensersatzverpflichtung bei einem Verstoß gegen die guten Sitten nach § 826 BGB und nach § 1 UWG bestehen 193. Wird das Behinderungs- und Diskriminierungsverbot verletzt, kann bei Vorliegen der oben geschilderten Voraussetzungen ein Anspruch aus §§ 20, 33 GWB bestehen. Ausgehend vom traditionellen Verständnis der Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand als fiskalisches Hilfsgeschäft werden öffentlich-rechtliche Ersatzansprüche, insbesondere solche aus Amtshaftung, im Hinblick auf die zivilrechtliche Handlungsform der Auftragsvergabe verneint 194. Schließlich besteht die Möglichkeit des Ergreifens formloser Rechtsbehelfe, in erster Linie die Erhebung von Fach- und Dienstaufsichtsbeschwerden. Ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einschreiten der Aufsichtsbehörde besteht freilich nicht. Der Grundsatz „pacta sunt servanda“ lässt eine Aufhebung eines einmal erteilten Zuschlags auch auf diesem Weg nicht zu. 195 Durch das Inkrafttreten des EU-Legislativpakets bleibt zwangsläufig auch das nationale Vergaberecht im Fluss. Etwa zeitgleich zu den Arbeiten am Legislativpaket evaluierte das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit das bestehende Vergaberecht, wobei zwar eine deutlich erhöhte Akzeptanz der Vergaberegeln im Verhältnis zum früheren Rechtszustand, jedoch auch Kritik an der Unübersichtlichkeit zum Ausdruck kam 196. Der „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Vergaberechts“ 197 bezweckte sonach die Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen VKR und 191 BGH, Urt. v. 14.12.1976, NJW 1977, S.628/630; OLG Karlsruhe, Urt. v. 3.2.1988, VersR 1989, S. 732; aus dem Schrifttum: Faber, DÖV 1995, S. 402/410; Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S.398; Schnorbus, BauR 1999, S.77/82, der hinsichtlich der Eingriffsqualität zwischen der Auftragssperre und der bloß fehlerhaften Vergabeentscheidung differenziert. 192 Etwas anderes würde gelten, wenn man mit Pietzcker (NVwZ 1983, S. 121/124) den allgemeinen Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG als Schutznorm begreift (ebenso OLG Stuttgart, Urt. v. 11.4.2002, NZBau 2002, S. 395/397). 193 Kokott, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, Einführung Rdnr. 81; Noch, Vergaberecht und subjektiver Rechtsschutz, S. 206 ff. 194 Kokott, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, Einführung Rdnr. 71; Noch, Vergaberecht und subjektiver Rechtsschutz, S. 219; kritisch: Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 25 ff.; Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S. 397 f. 195 Faber, DÖV 1995, S. 403/407 f.; Kokott, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, Einführung Rdnrn. 87 ff.; Vygen, in: Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, Einleitung Rdnrn. 35 ff. 196 Bericht der Bundesregierung zum Vergaberechtsänderungsgesetz, BT-Drs. 15/2034. 197 Stand: 18.3.2005. Der Referentenentwurf wurde indes nach dem Regierungswechsel Ende 2005 zurückgezogen. Die beabsichtigten Neuregelungen sind abrufbar unter www.bmwi. bund.de.

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

SKR vom April 2004 und die Umsetzung des nationalen Reformbedarfs im Hinblick auf eine Verschlankung, Vereinfachung und mittelstandsfreundlichere Ausgestaltung. Neben der Ausklammerung des Telekommunikationsbereichs sind die ausdrücklichen Regelungen zu sog. In-house-Geschäften 198 und De-facto-Vergaben 199 sowie die damals geplanten Nachfolgeregelungen zu § 13 VgV gemäß § 101 a und § 101 b GWB des Entwurfs hervorzuheben. Wesentliche Neuerungen ergaben sich bei der Fassung der Vergabeverordnung, die sich auf die Verfahrensvorschriften konzentrieren sollte 200. Zu diesem Zweck sollte sie die neuen Verfahren des EU-Legislativpakets sowie das Verfahren bei Lieferungen und Dienstleistungen, nicht aber bei Bauleistungen, integrieren. Zudem sollte beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zum Zweck der Förderung der gezielten Überprüfung der Zuverlässigkeit von Unternehmen und der Bekämpfung der Korruption ein sog. Korruptionsregister eingerichtet werden. In systematischer Hinsicht wird deutlich, dass der Gesetzgeber versucht, einen Mittelweg zu gehen: Einerseits sieht er weiterhin davon ab, ein eigenständiges Vergabegesetz zu schaffen, andererseits nimmt er durch die Neufassung der Vergabeverordnung mit Ausnahme der zu vereinfachenden VOB/A zumindest von der traditionellen Vergaberechtskaskade Abstand. Öffentliche Aufträge unterhalb der Schwellenwerte bleiben indes weiterhin haushaltsrechtlich verankert. Das Haushaltsrecht soll nun allgemein den „wettbewerblichen und transparenten“ 201 Abschluss von Verträgen vorsehen. Die modifizierten Regelungen sollen dennoch lediglich der Sparsamkeit der Haushaltsführung zu dienen bestimmt sein. Bei Aufträgen, welche vom gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrecht ausgenommen sind, insbesondere solche, welche die Schwellenwerte nicht erreichen, soll auch künftig grundsätzlich kein Primärrechtsschutz gewährleistet sein. 202 Ein Teilbereich der Re§ 99 Abs. 1 Satz 2 GWB, siehe 2. Kapitel B. III. 2. § 101 b Abs. 1 Nr. 2 GWB, siehe auch 3. Kapitel A. II. 5. b) gg). 200 Entwurf einer Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV), Stand: 13.3.2005. Der Entwurf wurde durch Gesetz vom 1.9.2005 lediglich teilweise umgesetzt (BGBl. 2005 I, S. 2676). Der Verordnungsgeber ist nunmehr bestrebt, die Schwellenwerte auf das gemeinschaftsrechtlich Notwendige zu beschränken. Die Schwellenwerte betragen nach §2 VgV in der Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung, vom 23.10.2006 (BGBl. 2006 I, S. 2334) 137.000 EUR bzw. 211.000 EUR für Liefer- und Dienstleistungsaufträge, im Sektorenbereich 422.000EUR, sowie 5.278.000 EUR für Bauaufträge und Baukonzessionen. 201 So der Referentenentwurf betreffend die Vorschriften §§30 HGrG, 55 Abs.1 BHO. § 57 a HGrG in der Fassung des Entwurfs enthielt hierzu eine Verordnungsermächtigung auf der Grundlage von Art. 109 Abs. 3 GG zur Ausgestaltung des Vergabeverfahrens für öffentliche Aufträge unterhalb der Schwellenwerte nach den „Grundsätzen des Wettbewerbs und der Dokumentation“. 202 Begründung des Gesetzentwurfs, S. 7 f., 30 f., siehe 3. Kapitel D. I. 2. b) cc). Nachdem dieser Referentenentwurf infolge des Regierungswechsels gesetzgeberisch keinen Abschluss gefunden hat, beabsichtigt die Bundesregierung nun ein Vorgehen in zwei Schritten: Zunächst soll das EU-Legislativpaket im bestehenden Rechtssystem von Gesetz, Verordnung und Verdingungsordnungen umgesetzt werden. Anschließend soll das deutsche Vergaberecht vereinfacht und modernisiert werden, wobei es keine Vorgaben für öffentliche Auftraggeber geben soll, die über die europäischen Anforderungen hinausgehen (Beschluss der Bundesregierung gemäß Pressemitteilung vom 28.6.2006). Zu den Auswirkungen der nicht fristgerechten Um198 199

C. Das Beschaffungswesen des Staates im Allgemeinen

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form wurde durch das „Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften“ vom 1. September 2005 vorgezogen 203. Dem Recht der öffentlicher Auftragsvergabe zugehörig ist schließlich das Preisrecht in Form der Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. November 1953 (VO PR) 204 sowie der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten (LSP) 205. Es dient dem Schutz beider Vertragsparteien. Die Preisvorschriften räumen als bindendes Recht den Marktpreisen Vorrang vor den Selbstkostenpreisen ein und sollen den Vertragsparteien zu einem objektiven Maßstab für die Preisgestaltung verhelfen 206. Rechtsgrundlage der Verordnung ist § 2 des Preisgesetzes vom 10. April 1948 207. Preisabsprachen entgegen der VO PR sind gemäß § 134 BGB nichtig. Sie führen dazu, dass der betreffende Vertrag zum zulässigen Preis aufrechterhalten wird 208.

C. Das Beschaffungswesen des Staates im Allgemeinen I. Möglichkeiten staatlicher Bedarfsdeckung – Thematische Beschränkung Einer beschaffenden Stelle, gleich welcher Rechtsform, stehen vereinfacht gesagt zwei Möglichkeiten der Deckung ihres Bedarfs zur Verfügung: Entweder das benötigte Gut wird selbst hergestellt – Eigenproduktion – oder es wird von dritter Seite setzung des EU-Legislativpakets auf das deutsche Vergaberecht: Ruthig, NZBau 2006, S. 137 ff., 208 ff. 203 BGBl. 2005 I, S. 2676; siehe auch 2. Kapitel A. II. 4. 204 Zuletzt geändert durch Verordnung PR Nr. 1/89 v. 13.6.1989 (BGBl. 1989 I, S. 1094). 205 Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen v. 21.11.1953, BAnz Nr.244 v. 18.12.1953, S.1; Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkostenpreisen v. 21.11.1953, BAnz Nr. 244 vom 15.12.1953 S. 2. Die für die Vergabe von Bauaufträgen geltende Baupreisverordnung vom 6.3.1972 (BGBl. 1972I, S.293, zuletzt geändert durch Art.6 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz – ENeuOG) vom 27.12.1993, BGBl. 1993I, S. 2378) wurde mit Wirkung vom 1.7.1999 aufgehoben (BGBl. 1999 I, S. 1419). 206 Huelmann, Öffentliche Beschaffungen, S.50 f.; v.Köckritz/Ermisch/Dittrich/Lamm, Bundeshaushalts- ordnung, § 55 S. 16 f.; Rittner, Rechtsgrundlagen und Rechtsgrundsätze, Rdnrn. 73 ff. 207 Übergangsgesetz über Preisbildung und Preisüberwachung (Preisgesetz) v. 10.4.1948, WiGBl. Nr. 6 v. 21.4.1948, S. 27. 208 BGH, Urt. v. 23.6.1989, NJW 1989, S. 2471. Der Umstand, dass die Freiheit der Preisvereinbarung nur noch geringen Einschränkungen unterworfen ist, entbindet den Gesetzgeber nicht von einer Reformierung des Preisrechts. Geplant ist eine aus der Privatisierung von Bahn und Post resultierende Beschränkung des Anwendungsbereichs der VO PR Nr. 30/53 sowie die Beschränkung der hoheitlichen Preisprüfung (vgl. v .Köckritz/Ermisch/Dittrich/Lamm, Bundeshaushaltsordnung, § 55 S. 16 f.).

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

bezogen – Fremdbezug – 209. Die erste Variante setzt wiederum die Erlangung der Produktionsmittel voraus. Für den Staat als beschaffende Stelle ergeben sich durch die Möglichkeit des Einsatzes hoheitlicher Mittel, der „Handlungskategorie Herrschaft“ 210, noch weitere Wege, die zu seiner Aufgabenerfüllung als notwendig erachteten Mittel sächlicher und persönlicher Art zu erlangen. Prinzipiell kann jeder Inpflichtnahme von privaten Leistungen zur Erfüllung staatlicher Aufgaben Bedarfsdeckungsfunktion beigemessen werden 211. Die Heranziehung Privater als Mittel staatlicher Aufgabenwahrnehmung vollzieht sich in vielerlei Formen. Die Bandbreite erstreckt sich von der Statuierung bestimmter Handlungs- und/oder Duldungspflichten bis hin zur Indienstnahme Privater im Wege des Rechtsinstituts der Verwaltungshilfe oder der Beleihung. 212 Signifikant für die staatliche Bedarfsdeckung ist der für „staatliche Krisen- und Notzeiten“213 vorgesehene unmittelbar rechtssatzmäßige Zugriff auf private Leistungen im Wege der Requisition. Das derzeitige, der „Notstandsverfassung“ des Jahres 1968 entspringende Regelwerk aus grund- und einfachgesetzlichen Regelungen zur Reaktion auf einen externen Notstand ist durch seinen präventiven Charakter gekennzeichnet 214. Die Zentralnorm des Art. 80 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GG erlaubt die Entsperrung der einfachgesetzlichen verteidigungsvorbereitenden Rechtsvorschriften in einem abgestuften System 215. Die Sicherstellung des für die Herstellung der Verteidigungsbereitschaft erforderlichen sächlichen und persönlichen Bedarfs erfolgt durch das einfache Notstandsrecht, in erster Linie durch das Bundesleistungsgesetz216 und die vier großen Sicherstellungsgesetze 217 samt den dazugehörigen Rechtsverordnungen 218. Im Re209 Die betriebswirtschaftliche Literatur (z. B. Wolff, Betriebswirtschaftslehre, S. 99 f.) spricht freilich noch von der Möglichkeit der Entnahme der benötigten Güter aus Lagerbeständen sowie von der Möglichkeit der Beschaffung der Produktionsmittel, verbunden mit der Einschaltung einer dritten Stelle zur Weiterverarbeitung (sog. Verlagssystem). Beide Fallgruppen setzen voraus, dass das benötigte Gut bzw. der Produktionsstoff einmal durch die Grundformen der Beschaffung erlangt worden ist. 210 Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 97. 211 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Band, S. 173; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 196 ff. 212 Umfassend zu den Arten des Einsatzes hoheitlicher Mittel mit Bedarfsfunktion: Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 97 ff. 213 Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 254 f. 214 Graf Vitzthum, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VII, § 170 Rdnrn. 11 ff. 215 Art. 80 a GG gilt seinem Wortlaut nach nur, wenn Bundesgesetze über die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung auf ihn verweisen. Der Gesetzgeber hat es in der Hand, ob er die Notstandsgesetze der Anwendungssperre des Art.80 a GG unterwerfen will oder nicht. Näher: Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 80 a Rdnrn. 9 ff.; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Art. 80 a Rdnrn. 1 ff. 216 Bundesleistungsgesetz v. 19.10.1956 i. d. F. d. Bek. v. 27.9.1961, BGBl. 1961 I, S. 1769/ 1920. Pflichten Privater zur Duldung oder zur Sachleistung werden in den in §1 genannten Krisenfällen durch Einzelanordnung begründet, § 2 und § 5 Bundesleistungsgesetz. 217 Gesetz zur Sicherstellung von Arbeitsleistungen für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung (Arbeitssicherstellungsgesetz) vom 9.7.1968,

C. Das Beschaffungswesen des Staates im Allgemeinen

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gelfall – ein Fall der Entsperrung der Regelungen der Notstandsverfassung ist bisher nicht eingetreten – soll der Bedarf am Markt durch Fremdbezug gedeckt werden. Dies ist im Wesentlichen pragmatisch bedingt, ferner durch die gesetzgeberische Entscheidung für ein markt- statt ein staatswirtschaftliches Wirtschaftssystem 219. Die ursprüngliche Bedarfsdeckungsform der Eigenproduktion wurde zum einen durch das Wirtschaftssystem des Merkantilismus, zum anderen durch den in quantitativer und qualitativer Hinsicht gestiegenen Bedarf der Landesherren bzw. des Staates in den Hintergrund gedrängt 220. Die marktwirtschaftliche Konzeption verlangt, dass staatlich benötigte Güter nicht durch eigene Erzeugung, sondern – ökonomisch gesprochen – durch Einkauf am Markt beschafft werden. Die staatliche Aufgabenerfüllung durch staatliche Bedarfsdeckung am Markt ist systembedingt. Sie kann sich aber auch aus dem Verfassungsrecht ergeben. 221 In diesem Sinn ist nach Welter 222 vom „Staat als Kunden“ zu sprechen. 223

i. d. F. BGBl. 2005 I, S. 1106; Gesetz über die Sicherstellung der Versorgung mit Erzeugnissen der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie der Forst- und Holzwirtschaft (Ernährungssicherstellungsgesetz, nunmehr Ernährungsvorsorgegesetz) vom 27.8.1990 i. d. F. BGBl. 2003 I, S. 2304; Gesetz zur Sicherstellung des Verkehrs (Verkehrssicherstellungsgesetz) vom 8.10.1968 i. d. F. BGBl. 2005I, S. 2354; Gesetz über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft sowie des Geld- und Kapitalverkehrs (Wirtschaftssicherstellungsgesetz) vom 3.10.1968 i. d. F. BGBl. 2005 I, S. 2354. Auf Art. 80 a GG verwiesen wird zudem nach § 95 VwVfG und § 8 Kriegsdienstverweigerungsgesetz. 218 Die das einfache Notstandsrecht bildenden Gesetze sind weder „Geheimgesetze“ noch „öffentlichkeitsscheue Schubladengesetze“. Sie sind vielmehr im grundgesetzlich vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren erlassen worden und lediglich durch die Junktim-Klausel gemäß Art. 80 a Abs. 1 Satz 1 GG in ihrer Wirksamkeit suspendiert (Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Grundgesetz, Art.80 a Rdnr.13; Hernekamp, in: v.Münch/Kunig, Grundgesetz, Art.80 a Rdnr. 6.). 219 Vgl. Forsthoff, Der Staat als Auftraggeber, S.8; Huber, Das Submissionswesen, S.343 ff.; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 23; Rittner, ZHR 152 (1988), S. 318/320; Welter, Der Staat als Kunde, S. 20. Das Grundgesetz hingegen ist von wirtschaftspolitischer Neutralität geprägt. Die obsolet gewordene Vorschrift des Art. 15 GG wird dahin verstanden, dass das Grundgesetz nicht notwendig eine erwerbswirtschaftliche Ordnung der Wirtschaft vorschreibe (Bryde, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Art. 15 Rdnrn. 1 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 15 Rdnr. 1). Das BVerfG (Urt. v. 20.7.1954, E 4, 7/17 f.) formuliert: „Der Verfassungsgeber hat sich nicht ausdrücklich für ein bestimmtes Wirtschaftssystem entschieden. Dies ermöglicht dem Gesetzgeber die ihm jeweils sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik zu verfolgen, sofern er dabei das Grundgesetz beachtet.“ 220 Wallerath, Die Verwaltung 20 (1987), S. 137/140 ff. 221 So aus Art. 14 Abs. 1 GG das Erfordernis des freihändigen Erwerbs vor der Enteignung (zu dieser Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: Bryde, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Art. 14 Rdnr. 85; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 14 Rdnrn. 126 ff.). 222 Welter, Der Staat als Kunde, S. 20. 223 Sog. „staatsspezifische Leistungen“, also Leistungen, die ein Privater nicht erbringen kann und darf, beispielsweise die Kernbereiche der Ressorts der Inneren Sicherheit, der Verteidigung und der Rechtspflege, verbleiben im Bereich der Eigenproduktion. Hierzu: Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 114 ff.; Welter, Der Staat als Kunde, S. 20.

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

Die vorliegende Arbeit thematisiert die Bedarfsdeckung öffentlicher Stellen durch die Vergabe öffentlicher Aufträge. Die Rechtsmaterie erfasst sämtliche Regelungen, die der Staat, seine Untergliederungen und Institutionen sowie besonders definierte private Auftraggeber bei der Beschaffung von sachlichen Mitteln und Leistungen zu beachten haben 224. Sie bezweckt die Gewährleistung von Wettbewerb und Gleichheit sowie eine wirtschaftliche Haushaltsführung und erfasst die Beauftragung Privater zur Erbringung von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen, ferner von Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsaufträgen führen sollen225. Auszuscheiden sind neben der Beschaffungsform der Eigenproduktion Beschaffungen in den Bereichen der Abgabenverwaltung, also der Sicherung des Finanzbedarfs durch Erhebung von Steuern, Gebühren, Beiträgen und Sonderabgaben, der Personalverwaltung, das heißt der Deckung des Bedarfs an Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes, sowie in den Bereichen sonstiger Beschaffungsverfahren, die speziellen Regelungen unterzogen wurden und sich als eigene Rechtsmaterien verselbständigt haben 226.

II. Staatliche und privatwirtschaftliche Bedarfsdeckung Die Erfüllung bestehender Aufgaben – unabhängig von ihrer Klassifikation als autonom oder heteronom – stellt an das Beschaffungswesen die Anforderung, dass sämtliche für die Leistungserbringung notwendigen Produktionsfaktoren, hier also Güter und Leistungen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort und in genügender Menge und Qualität bereitgestellt werden. Dies gilt für den Staat und die Privatwirtschaft gleichermaßen. Im Folgenden werden bestehende Gemeinsamkeiten sowie Spezifika des Staates und seiner Untergliederungen im Bereich der Bedarfsdeckung näher beleuchtet. 1. Gemeinsame Grundkonstellation Die Aktivität wirtschaftender Einheiten, gleich ob privatwirtschaftliche oder öffentlich-rechtliche, erstreckt sich – von der Urproduktion einmal abgesehen – in zwei Richtungen, nämlich auf Nachfragerseite als Nachfrager von Produktionsfaktoren sowie auf Angebotsseite als Anbieter von Leistungen 227. Die in der Eigenschaft als Nachfrager von Gütern getätigten Bedarfsdeckungsgeschäfte weisen in funktionaler, methodischer und ökonomischer Hinsicht vergleichbare Ausgangslagen auf. Die Beschaffung von Gütern erfolgt nicht um der Bedarfsdeckung willen. Die beschaffende Stelle will einen Bedarf stillen, der ihr aus der selbst- oder fremdLeinemann/Weihrauch, Vergabe öffentlicher Aufträge, S. 1. Für den Bereich oberhalb der Schwellenwerte: § 99 GWB. 226 Dies gilt beispielsweise für das Kassenarztrecht (vgl. Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 30 ff., 60, 85 ff., 100 ff., 198 Fn. 148). 227 Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 25 f. m. w. Nachw. 224 225

C. Das Beschaffungswesen des Staates im Allgemeinen

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gesetzten Pflicht zur Wahrnehmung von Aufgaben im weitesten Sinn erwächst. Im weitesten Sinn meint die Unterscheidung in Aufgaben, die der bedarfsdeckenden Stelle gegenüber anderen Stellen oder Personen, also extern, obliegen (sog. Primäraufgaben), und in Aufgaben, die zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der bedarfsdeckenden Stelle selbst, also intern erforderlich sind (sog. Sekundäraufgaben) 228. Betriebswirtschaftlich handelt es sich bei der Zurverfügungstellung von Mitteln zur Ermöglichung bestimmter Leistungen um „Eigenbedarf“, bei den durch das Leistungsangebot zu befriedigenden Bedürfnissen um „Fremdbedarf“229. Freilich stehen Primär- und Sekundäraufgaben nicht in einem aliud-Verhältnis. Die Wahrnehmung von Sekundäraufgaben, beispielsweise die Beschaffung und Erhaltung der Räumlichkeiten der bedarfsdeckenden Stelle, hat grundsätzlich nur Relevanz für den Fall, dass der Einheit auch die Wahrnehmung entsprechender Primäraufgaben obliegt. Sonderkonstellationen bestehen im Gründungsstadium der Einheit oder bei deren Tätigkeitseinstellung. Stets fungiert die Bedarfsdeckung als Mittel zur Erfüllung bestehender Aufgaben. Als hierzu notwendige Voraussetzung ist sie eingebettet in eine „Zweck/Mittel-Relation“ 230. Vergleichbare Lagen von staatlicher und privatwirtschaftlicher Bedarfsdeckung finden sich in der Beschaffungsmethode, also bei der Beschaffungsorganisation, Beschaffungsform und bei den Bezugsquellen. 231 Maßgebend für die organisatorische Gestaltung ist die Entscheidung zwischen Zentralisation und Dezentralisation. Diese erfordert eine Abwägung der einzelnen Zielsetzungen unter Berücksichtigung der Art der zu beschaffenden Güter, der Auftragsvolumina sowie der Betriebsstruktur der beschaffenden Stelle. Zentrale Beschaffungsstrukturen weisen in der Regel zweierlei Vorteile auf: Erstens können durch größere Beschaffungsvolumina Kostenvorteile erzielt werden. Zweitens ergeben sich durch den Einsatz qualifizierter Fachkräfte, die ihre Arbeitskraft vollumfänglich den Beschaffungsstrukturen widmen, Koordinationsvorteile. Demgegenüber kommen dezentrale Strukturen in Betracht, wenn die Art der zu beschaffenden Güter stark differiert oder die zu versorgenden Einheiten räumlich zu sehr getrennt sind.232 Staatliche Be228 Becker, VerwArch. 69 (1978), S. 149/158; Kosiol, Die Organisation der Unternehmung, S. 58 ff. Die Sichtweise ist insoweit final (vgl. 3. Kapitel B. II.). 229 Becker, VerwArch. 69 (1978), S.149/158, der für den Bereich des öffentlichen Rechts die den Fremdbedarf deckenden Leistungen als „endgültigen Produktionsoutput der Verwaltung“ definiert; Furtwängler, Bindung des öffentlichen Auftraggebers, S. 17; Kosiol, Die Organisation der Unternehmung, S. 58 ff.; Leiggener, Die Vergebung von öffentlichen Aufträgen, S. 29; Wallerath, Öffentliche Bedarfdeckung und Verfassungsrecht, S. 22; Wolff, Betriebswirtschaftslehre, S. 16. Die Terminologie ist nicht einheitlich. So korrespondieren „Eigenbedarf“ und „Existenzbedarf“ sowie „Fremdbedarf“ und „Funktionsbedarf“. 230 Kosiol, Die Organisation der Unternehmung, S. 58 ff.; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 22 f. 231 Wolff, Betriebswirtschaftslehre, S. 107. 232 Ehrlicher, in: Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Band I, S. 792; v. Köckritz/Ermisch/Dittrich/Lamm, Bundeshaushaltsordnung, §55 S. 75 ff.; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 52; Wolff, Betriebswirtschaftslehre, S. 107. Zur Zentralisierung der Beschaffung nun Art. 11 VKR.

5 Regler

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

darfsdeckung ist vor allem im Sektorenbereich durch eine zentrale Beschaffungstätigkeit gekennzeichnet 233. Der Begriff „Beschaffungsform“ bezieht sich im Rahmen methodischer Überlegungen nicht auf die rechtliche Handlungsform, sondern auf den Einsatz betriebseigener oder betriebsfremder Beschaffungsorgane 234. Für den Bereich der öffentlichen Beschaffungstätigkeit setzt eine rechtmäßige Entscheidung für Letztere eine zulässige Privatisierung 235 der (Aufgabe) Beschaffung voraus. Schließlich steht die beschaffende Stelle vor der Frage des geeigneteren Bezugswe233 Die Bedarfsdeckung für den wehrtechnischen Bereich übernimmt das dem Verteidigungsministerium unterstehende, in Koblenz ansässige Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB). Zum Zweck der Privatisierung der Beschaffung und des Betriebs der Bundeswehr hat das Bundesministerium der Verteidigung die „Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH (g. e. b. b.)“ gegründet, die mit Beratungs-, Controlling- und wesentlichen operativen Aufgaben betraut ist. Als hundertprozentige Tochter des Bundes soll sie als Holdinggesellschaft fungieren, wobei bei ihren Tochtergesellschaften Beteiligungen Privater angestrebt werden (Dreher, NZBau 2001, S.360 ff.; v.Köckritz/Ermisch/Dittrich/Lamm, Bundeshaushaltsordnung, § 55 S. 78). Zur Eigenschaft der Tochtergesellschaft „LH Bundeswehr Bekleidungsgesellschaft mbH“, an der die g.e.b.b. und mittelbar der Bund zu lediglich 25, 1 % beteiligt sind: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2003, NZBau 2003, S.401 ff. Auf Bundesebene erfolgen zentrale Beschaffungen im Übrigen nur noch beim Bundesministerium des Innern und beim Bundesministerium der Finanzen. Der für die frühere Bundesbahn benötigte Bedarf wurde zentral durch die Bundesbahnzentralämter in München und Minden/Westf., der post- und fernmeldetechnische Bedarf durch die in Darmstadt ansässigen Post- und Fernmeldetechnischen Zentralämter beschafft (vgl. Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S. 237; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 52). Die Post- und Bahnreformen haben insoweit einen grundlegenden Wandel bewirkt. In Frage steht nunmehr, ob die neu gegründeten, in der Rechtsform der Aktiengesellschaft agierenden Unternehmen als öffentliche Auftraggeber anzusehen sind, die gemäß §98 GWB dem Vergaberechtsregime unterliegen. Für die aus der Deutschen Bundespost bzw. aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost Postdienst hervorgegangene Deutsche Post AG wird die öffentliche Auftraggebereigenschaft nach § 98 Nr. 2 GWB wegen des noch bestehenden Monopols im Bereich der Briefbeförderung nach § 51 PostG einerseits, wegen der aus Art. 87 f. GG abzuleitenden privatwirtschaftlichen Tätigkeit andererseits, kontrovers diskutiert (vgl. Bechthold, GWB, § 98 Rdnr. 20; Boesen, Vergaberecht, §98 Rdnrn.77 ff.; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, § 98 Rdnr. 63; Zeiss, in Heiermann/Zeiss/Kullack/Blaufuß (Hrsg.), Vergaberecht, VT 9 zu § 98 Rdnrn. 1 ff.) Die Einbeziehung der Postdienste in die SKR (siehe 1. Kapitel B. II.) führt insofern Klarheit herbei. Die Deutsche Bahn AG, derzeit noch zu 100 % vom Bund gehalten, wird allgemein als Sektorenauftraggeber nach §98 Nr.4 GWB angesehen. In Frage steht, ob sie, jedenfalls für den Bereich des Schienenwegebaus, zudem unter den klassischen Begriff des öffentlichen Auftraggebers nach Nr. 2 einzuordnen ist, der gegenüber Nr. 4 Vorrang genießt und wegen der Unteilbarkeit der Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber die generelle Anwendbarkeit des Vergaberechts zur Folge hat. Zu berücksichtigen ist, dass die Deutsche Bahn AG im Zuge der Bahnreform II lediglich noch als Holding fungiert, mit der Folge, dass die öffentliche Auftraggebereigenschaft für jede Tochtergesellschaft gesondert festzustellen ist (Werner, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, §98 Rdnrn.321 ff.; Pietzcker, ZHR 162 (1998), S.427/448 f.; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, H. IV. Rdnr.78; Zeiss, in Heiermann/Zeiss/Kullack/Blaufuß (Hrsg.), Vergaberecht, VT 8 zu § 98 Rdnrn. 1 ff.). 234 Wolff, Betriebswirtschaftslehre, S. 107. 235 Zu den Formen von Privatisierungen und den rechtlichen Anforderungen aus dem umfangreichen Schrifttum: Bauer, VVDStRL 54 (1994), S. 243 – 280; Schoch, DVBl. 1994, S. 962 ff.; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 251 ff.; siehe 2. Kapitel A. I., II.

C. Das Beschaffungswesen des Staates im Allgemeinen

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ges entweder direkt vom Hersteller oder indirekt über den Handel 236. Für den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe stellt sich diese Problematik nicht gesondert; die Zuschlagserteilung erfolgt in Fortsetzung der bisherigen Rechtslage auch gemäß § 97 Abs. 5 GWB nach dem wirtschaftlichsten Angebot 237. Generell folgen Bedarfsdeckungsgeschäfte – nicht anders als die übrigen Aktivitäten wirtschaftender Einheiten auch – dem ökonomischen Prinzip 238. Mögliche Fehlentwicklungen aus der stringenten Bindung an die Günstigkeit wurden auch für den Fall der staatlichen Bedarfsdeckung aus der historischen Entwicklung offenbar. Obige Ausführungen machen deutlich, dass staatliche und private Einheiten im Bereich der Bedarfsdeckung sich in ihren Grundpositionen derart ähneln, dass die einheitliche Heranziehung betriebswirtschaftlicher Kriterien durchweg bejaht wird 239. Der Blick auf die bei der Beschaffungstätigkeit des Staates und seiner Untergliederungen bestehenden Eigentümlichkeiten darf dennoch nicht verstellt werden. 2. Besonderheiten staatlicher Bedarfsdeckung Bei der Befassung mit spezifischen Merkmalen staatlicher Beschaffungen ist eine auf die Schlagworte „Zwangsbedarf“ und „Nachfragemonopol“ beschränkte Sichtweise augenfällig. Bei Lichte betrachtet, besteht für den Großteil der Bedarfsdeckungsgeschäfte öffentlicher Stellen ein Konglomerat von Einzelfaktoren, die der öffentlichen Beschaffung einen besonderen Stellenwert einräumen. Ausgehend von Daub/Tomascewski 240 wird der staatliche Bedarf an Gütern als „Zwangsbedarf“ erfasst, demnach als ein Bedarf, der „nach Art, Umfang und Zeit zwangsläufig befriedigt werden muss“. Die öffentliche Hand kann sich beispielsweise bei zum Zwecke des öffentlichen Wohls bestehenden Pflichtaufgaben im Bereich der Leistungsverwaltung ihren Verpflichtungen nicht entziehen, wenn sie aus privatwirtschaftlichen Wolff, Betriebswirtschaftslehre, S. 108. Die Verdingungsordnungen sahen dieses Kriterium auch schon vor Geltung des Kartellvergaberechts vor, §§ 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A, 25 Nr. 3, 25 b Nr. 1 VOL/A. Das wirtschaftlichste Angebot ist dasjenige, bei dem das günstigste Verhältnis zwischen der gewünschten Leistung und dem angebotenen Preis erzielt wird. Bei seiner Ermittlung erfolgt eine Zusammenschau zahlreicher Einzelumstände, wobei angesichts der Sicherung der Chancengleichheit der Bewerber streitig ist, ob der beschaffenden Stelle ein der gerichtlichen Nachprüfung entzogener Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist (v. Köckritz/Ermisch/Dittrich/Lamm, Bundeshaushaltsordnung, § 55 S. 145 ff.). 238 Wolff, Betriebswirtschaftslehre, S. 15. 239 Nachdrücklich Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 19 ff. Freilich besteht auch eine allgemeine Tendenz dahin, wirtschaftliche Grundsätze auf die öffentliche Hand und ihre Untergliederungen anzuwenden (Bös, in: Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Band II, S. 4). 240 Daub/Tomascewski, in: Peters (Hrsg.), Handbuch der Kommunalen Wissenschaft und Praxis, 3. Bd., S. 504 f.; vgl. auch Ehrlicher, in: Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, 1. Bd., S. 787; Haak, Die Grundrechtsbindung bei der Vergabe, S. 10; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 19; Müller, Staatliche Preislenkung, S. 19 f.; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 50 f. 236 237

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

und ökonomischen Gründen nicht mehr vertretbar sind 241. In der Tat stehen die staatlichen Stellen in Bezug auf die Leistungsbereitschaft und Leistungsqualität der Anbieter in einem Abhängigkeitsverhältnis. Flexibilitätsverluste, insbesondere die Anfälligkeit gegenüber dem Druck der Anbieter, sind die Folge. Zutreffend hat aber bereits Wallerath 242 darauf hingewiesen, dass diese Wirkungen im Verhältnis zur privaten Bedarfsdeckung allzu leicht überschätzt werden. Die bestehende größere Entscheidungsfreiheit der privaten Wirtschaft könne sich durch „ökonomische“ Zwänge faktisch so sehr verengen, dass realiter nennenswerte Unterschiede zur Nachfragesituation der öffentlichen Verwaltung kaum auszumachen seien. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die gegenüber der privaten Wirtschaft bestehenden Flexibilitätsrückstände wesentlich durch weitere Umstände, namentlich durch die „Fesseln des Haushaltsrechts“ 243, durch die „Schwerfälligkeit bürokratischer Organisation“ 244 und der des dort beschäftigten Personals 245, verursacht werden. Während die Eigenart des öffentlichen Bedarfs als „Zwangsbedarf“ geeignet ist, die Marktposition beschaffender öffentlicher Stellen zu schwächen, führt das Bestehen eines „Nachfragemonopols“ zu deren Stärkung am Markt. Die mit diesem Terminus bezeichnete besondere Marktstellung resultiert einerseits aus der Größenordnung der Beschaffungen, andererseits aus der bei bestimmten Gütern und Leistungen bestehenden alleinigen Bedarfsträgerschaft. Die nachfragemonopolistische Stellung bedingt einen entsprechenden wettbewerblichen Einfluss. Die klassische Marktformenlehre unterscheidet verschiedene Varianten: Nach Maßgabe der Abhängigkeit der Angebotsseite und des damit verbundenen Einflusses auf die Preispolitik stellt die Fallgruppe, bei der einem Nachfrager viele Anbieter gegenüberstehen, die stärkste Marktform für einen nachfragenden Betrieb dar, das sog. Monopson-Polypol 246. Diese gegenüber dem Zwangsbedarf konträre Marktstellung erlaubt eine gewisse Kompensation 247. Ein Gleichgewicht wird schon aufgrund der 241 Leisner (Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, S. 71 f.) bezeichnet die Verwaltungstätigkeit insoweit „virtuell unwirtschaftlich“ und „virtuell sozialtarifverpflichtet“. Nach Rittner (ZHR 152 (1988), S. 318/323) sind die Katastrophen des Staates das, „was er selbst ist: politisch, nicht aber ökonomisch, biologisch oder geistig“. 242 Wallerath, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 51. 243 Ehrlicher, in: Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, 1.Bd., S. 787; Welter, Der Staat als Kunde, S. 52 ff. Kritikpunkt ist vor allem die Ineffizienz der Mittelbewirtschaftung. Nach Gröpl (Haushaltsrecht und Reform, S. 172 ff.) bestehen mit dem ersatzlosen Wegfall zugeteilter Ausgabeermächtigungen mit Ablauf des Haushaltsjahres – Stichwort: „Dezemberfieber“ –, mit der Abweichungsanfälligkeit des Haushaltsplans wegen dessen Prognosecharakters und mit lediglich schwerfälligen Reaktionsmöglichkeiten auf Planabweichungen drei wesentliche Strukturdefizite. 244 Hierzu Lecheler, Verwaltungslehre, S. 103 ff.; Püttner, Verwaltungslehre, S. 272 ff.; Thieme, Verwaltungslehre, § 26 Rdnrn. 152 ff. 245 Welter, Der Staat als Kunde, S. 56 ff. 246 Wolff, Betriebswirtschaftslehre, S.105 f. Der umgekehrte Fall – ein Anbieter, viele Nachfrager – das sog. Polypol-Monopson hat für den Bereich der öffentlichen Bedarfsdeckung kaum Relevanz. 247 Daub/Tomascewski, in: Peters (Hrsg.), Handbuch der Kommunalen Wissenschaft und Praxis, 3. Bd., S. 504 f.; Ehrlicher, in: Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft,

C. Das Beschaffungswesen des Staates im Allgemeinen

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unterschiedlichen Stärke der Kräfte bezogen auf den konkreten Beschaffungsgegenstand nicht entstehen. Stehen einem Nachfrager wenige Anbieter gegenüber, sog. Monopson-Oligopol, besteht für den Monopsisten die Gefahr von marktschwächenden Absprachen unter den Anbietern. Im Falle eines Quasi-Monopols liegt faktisch die Markform Monopson-Monopol vor. 248 Eine generell monopsistische und damit marktbeherrschende Stellung kann der öffentlichen Hand bei ihren Bedarfsdeckungsgeschäften jedoch nicht beigemessen werden. Lediglich in ausgewählten Beschaffungsbereichen, zu nennen sind der gesamte wehrtechnische Bereich und der Straßen- bzw. Tiefbau 249, ist von einer herausragenden Marktposition auszugehen. Dass die beschaffenden Stellen des Staates nicht stets nach dem Prinzip der reinen Gewinnmaximierung handeln (können), wurde bereits aus dem Charakter staatlichen Bedarfs als Zwangsbedarf deutlich. Eingedenk der Möglichkeit der Nutzbarmachung des Vergabewesens zu Zwecken der Wirtschaftspolitik ist die Hinnahme betriebswirtschaftlicher Nachteile zur Förderung und Erreichung volkswirtschaftlicher Zielsetzungen mitunter gern gewollt 250. In verfahrensmäßiger Hinsicht kommt das bei öffentlichen Bedarfsdeckungen gemäß §§ 97–99 GWB und §§ 30 HGrG, 55 Abs. 1 BHO 251 grundsätzlich durchzuführende Vergabeverfahren zum Tragen. Das Vergabewesen bezweckt mit dem Erfordernis der Durchführung öffentlicher Ausschreibungsverfahren die wirtschaftliche und sparsame Verwendung von Haushaltsmitteln sowie die Intensivierung des Wettbewerbsprozesses. Zentrales Anliegen ist die Objektivierung und Überprüfbarkeit der getätigten Vergabeentscheidung. 252 Die Realisierung dieser Anliegen kann insbesondere bei Aufträgen größeren Umfangs Schwierigkeiten bereiten. Mit den Anforderungen an eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung sowie mit dem für das gesamte Verfahren zu veranschlagenden Zeitaufwand sind zwei wesentliche Aspekte genannt 253. Nicht selten ist das Interesse an der Durchführung eines 1. Bd., S. 786 f.; Haak, Die Grundrechtsbindung bei der Vergabe, S. 11; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 19; Rittner, ZHR 152 (1988), S. 318/322 f. 248 Wolff, Betriebswirtschaftslehre, S. 105 f.; vgl. auch Gandenberger, Ausschreibung, S. 158 ff. 249 Eine monopolistische Stellung besteht ferner im Bereich des Gesundheitswesens (vgl. Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 44, 48, 52 m. w. Nachw.). 250 Welter (Der Staat als Kunde, S. 54) spricht vom Bestreben, den „höchsten Nutzeffekt“ für die „eigene“ Volkswirtschaft zu erreichen. Siehe folgender Abschnitt D. 251 Für die einzelnen Bundesländer ist die jeweilige landesrechtliche Vorschrift heranzuziehen, so zum Beispiel für Bayern Art. 55 Abs. 1 BayHO. 252 Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, S. 1 ff.; v. Köckritz/Ermisch/Dittrich/ Lamm, Bundeshaushaltsordnung, § 55 S. 80 ff.; Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427/432. 253 § 9 VOB/A schreibt für Bauaufträge vor, dass „die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben ist, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können“. Eine entsprechende Regelung enthält § 8 VOL/A. Freiberufliche Leistungen, die sich nicht eindeutig und erschöpfend beschreiben lassen, unterfallen dem Anwendungsbereich der VOF und sind damit nach § 8 Abs. 1 VOF „so zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen können“. Die erforderliche Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung resultiert

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

Ausschreibungsverfahrens gering. Eine Sondersituation der staatlichen Bedarfsdeckung besteht dennoch nicht uneingeschränkt. Auch private Unternehmen neigen – aus autonomen Motiven – zusehends dazu, sowohl bei Einkaufs- als auch bei Veräußerungsgeschäften „Ausschreibungsverfahren“, sog. Auktionsverfahren, durchzuführen. Vor allem aus Sicht der Unternehmen wurde und wird mit dem Eingebundensein in die staatliche Bedarfsdeckung und damit in die staatliche Aufgabenerfüllung eine gewisse Sonderstellung verbunden. Man argumentiert mit der Bonität des Staates und mit der Auszeichnung als Staatslieferant im Sinne eines Gütezeichens, das zusätzliche Absatzchancen bei privaten Betrieben eröffne 254. Die Wirkungen dieser, „eher im Psychologischen“ 255 anzusiedelnden Gesichtspunkte sind begrenzt. Der mit dem Status als früherer Hof- und nunmehr Staatslieferant verbundene Eigenwert ist auf einige wenige Gütergruppen begrenzt. Die Wirtschaftspolitik der Privatisierung 256 hat dazu geführt, dass gerade bei Großaufträgen häufig nicht mehr der Staat, das Land oder die Kommune, sondern eine in der Rechtsform des Privatrechts agierende und zumindest mehrheitlich staatlich gehaltene Einheit mit Gütern versorgt wird. Hinzu kommt, dass die Belieferung der privaten Wirtschaft, insbesondere von international aufgestellten Konzernen, oftmals einen mindestens gleichwertigen Prestigevorsprung beinhalten dürfte.

D. Wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Bedeutung Bereits seit langem ist offenbar, dass das Faktum der wirtschaftlichen Bedeutung der öffentlichen Auftragsvergabe die zu Recht bemängelte rechtliche Bagatellisierung weit hinter sich gelassen hat. Als Maßstab für das Volumen der Beschaffung von Gütern und Leistungen in der Europäischen Union kann immer noch der von der Europäischen Kommission initiierte Cecchini-Bericht aus dem Jahr 1988 gelten. Der Anteil des Marktes der öffentlichen Auftragsvergabe wird seitdem etwa mit 15 % des EU-Bruttoinlandsprodukts veranschlagt. 257 Das Volumen der zu ver(oberhalb der Schwellenwerte) aus dem Transparenzgebot gemäß § 97 Abs. 2 GWB. Näher: Drügemöller, Vergaberecht und Rechtsschutz, S. 238 f.; v. Köckritz/Ermisch/Dittrich/Lamm, Bundeshaushaltsordnung, § 55 S. 112 ff.; Niebuhr, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 97 Rdnrn. 91 ff. Erleichterungen können sich nun grundsätzlich im Anwendungsbereich des Wettbewerblichen Verfahrens gemäß Art. 29 VKR ergeben. 254 Ehrlicher, in: Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, 1. Bd., S. 786 f.; Welter, Der Staat als Kunde, S. 49 ff.; Wolff, Betriebswirtschaftslehre, S. 108 f.; vgl. auch Leisner, Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, S. 71 f. 255 Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 58. 256 Hierzu Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 6 ff.; Schoch, DVBl. 1994, S. 962 ff. 257 Berichte über die Funktionsweise der gemeinschaftlichen Güter- und Kapitalmärkte v. 26.1.2000 (KOM (2000) 26 endg.), S. 20 und v. 23.12.2002 (KOM (2002) 743 endg.), S. 20: 16,2 % im Jahr 2001; vgl. auch Schäfer, Öffentliche Belange im Auftragswesen und Europarecht, S. 40 f.

D. Wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Bedeutung

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gebenden öffentlichen Aufträge hat sich indes mehr als verdoppelt. Während der Bericht seinerzeit von 530 Mrd. ECU ausging, übersteigt das geschätzte Volumen seit dem Jahr 1998 1.000 Mrd. EUR; seit der Jahrtausendwende wird dieser Wert erheblich überschritten 258. Für Deutschland wird ein jährliches Volumen von über 300 Mrd. EUR angenommen 259. Was die Stellung des Staates als Nachfrager im Markt betrifft, ist die Höhe des gemeinschaftlichen Auftragsvolumens nur beschränkt aussagekräftig. Maßgeblich ist das Verhältnis der staatlichen zur privaten Nachfrage in einem abgrenzbaren Wirtschaftssektor. Über die mit den Vergaberichtlinien angestrebte Verwirklichung eines europäischen Vergabebinnenmarkts lässt das Auftragsvolumen ebenfalls keine Aussage zu. Grenzüberschreitende Ausschreibungen werden grundsätzlich nur durchgeführt, wenn der öffentliche Auftrag den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet. Dies ist lediglich in etwa 15 % der Aufträge der Fall 260. Von diesem Prozentsatz wird wiederum nur ein geringer Teil tatsächlich einem obsiegenden ausländischen Bieter zugeschlagen. Der Anteil wird auf etwa 1 bis 3 % an der Gesamtzahl der öffentlichen Aufträge geschätzt 261. Eine wesentliche Erhöhung dieses Anteils ist angesichts der seit dem Jahr 2000 nahezu gleich bleibenden Zahl von im Amtsblatt veröffentlichten Ausschreibungen eher nicht zu erwarten. Idealistisch und wenig pragmatisch wäre die Annahme, durch (weitere) legislatorische Maßnahmen ließe sich eine aus der Sicht des Binnenmarkts gewünschte „Verbesserung“ der Quote erreichen. Dies resultiert aus der wettbewerblich begründeten und zutreffenden Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers, die Anwendbarkeit des europarechtlichen Vergaberechtsregimes vom Erreichen von Schwellenwerten abhängig zu machen. Mit der Auftragssumme wächst die wirtschaftspolitische Bedeutung. Bei Großaufträgen sind sowohl die Bestrebungen der Förderung der heimischen Wirtschaft und der Erhaltung von Arbeitsplätzen als auch die Verflechtungen von Staat und Wirtschaft besonders ausgeprägt. Im Technologiebereich wird nicht selten ein Know-How-Abfluss befürchtet. Insofern stimmt die Gleichung: grenzüberschreitende Ausschreibung = grenzüberschreitender Markt nur teilweise.

258 Bericht über die Funktionsweise der gemeinschaftlichen Güter- und Kapitalmärkte v. 26.1.2000 (KOM (2000) 26 endg.), S. 20, Schaubild 15, Tabelle 18; Byok, NJW 2004, S. 198/199. 259 Meyer, Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung, S. 46; Schäfer, Öffentliche Belange im Auftragswesen und Europarecht, S. 40 f. 260 Berichte über die Funktionsweise der gemeinschaftlichen Güter- und Kapitalmärkte v. 23.12.2002 (KOM (2002) 743 endgültig), S. 20 und v. 26.1.2000 (KOM (2000) 26 endg.), Tabelle 18. Die im Amtsblatt veröffentlichte Zahl von Ausschreibungsverfahren betrug hiernach im Jahr 1998 73.688. Dem deutschen Beschaffungsmarkt wird insoweit eine unterdurchschnittlich entwickelte Markttransparenz attestiert. Als Ursache wird die verzögerte Umsetzung des EU-Vergaberechts durch den deutschen Gesetzgeber genannt (Hailbronner/Kau, NZBau 2006, S. 16/19 ff.). 261 Bericht über die Funktionsweise der gemeinschaftlichen Güter- und Kapitalmärkte v. 23.12.2002 (KOM (2002) 743 endg.), S.20 f.; Meyer, Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung, S. 47; Opitz, NZBau 2003, S. 183/185.

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

Die wirtschaftliche Bedeutung der öffentlichen Auftragsvergabe ebnet den Weg zur (wirtschafts-)politischen Instrumentalisierung. Die Nutzbarmachung der Vergabe öffentlicher Aufträge für politische Zwecke und zur Realförderung weist eine lange Tradition auf. So werden öffentliche Aufträge im Rahmen einer antizyklischen Wirtschaftspolitik und zur Steuerung von Spitzentechnologien ebenso eingesetzt wie zur Regional- und Mittelstandsförderung sowie zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen und zur Stärkung des Umweltschutzes.262 Die Kontrolle dieser Politik unter Effektivitätsgesichtspunkten ist dagegen eher zurückhaltend. Die Termini „vergabefremde Zwecke“ und „vergabefremde Kriterien“ sind in diesem Bereich Allgemeinsprache geworden 263. Sie beinhalten weder einen Rechtsbegriff noch eine Aussage über die Zulässigkeit oder die Unzulässigkeit ihrer Einbeziehung 264. Neutralität und ein höherer Abstraktionsgrad werden freilich gewonnen, wenn man den englischen Begriff der „secondary policies“ rezipiert und von „Sekundärzwecken“ 265 oder von der „Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung“ 266 spricht. Die möglichen vergabefremden Kriterien werden regelmäßig nach der Art und Weise ihrer Anknüpfung unterschieden: Beziehen sie sich unmittelbar auf die anzuschaffende Lieferung, Bau- oder Dienstleistung, so sind die Kriterien „leistungsbezogen“ 267 oder „produktbezogen“ 268; beziehen sie sich auf den Auftragnehmer oder auf die Art und Weise der Auftragserfüllung, so sind sie „unternehmensbezogen“ oder „produzentenbezogen“. Klassische „Sondermärkte für öffentliche Aufträge“ werden bei den vergabefremden Kriterien der zweiten Kategorie eröffnet. Dies ist bei der Einbeziehung sozialer Belange wie der Frauenförderung, Lehrlingsausbildung und Tariftreue der Fall. Das beherrschende Thema im Bereich der vergabefremden Zwecke ist die Vereinbarkeit ihrer Einbeziehung mit dem Gemeinschaftsrecht. Es ist offenbar, dass die Einbeziehung solcher Kriterien zur Verteuerung der staatlichen Beschaffung und letztlich zu einer Mehrbelastung der Bürger führt. Sie verengt den Markt für öffentliche Aufträge und wirkt der angestrebten Liberalisierung entgegen. Insofern mag die 262 Vgl. nur Benedict, Sekundärzwecke im Vergabeverfahren, S. 17 ff.; Fante, Instrumentalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens, S. 31 ff.; v. Köckritz/Ermisch/Dittrich/Lamm, Bundeshaushaltsordnung, §55 S. 17 ff.; Meyer, Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung, S. 82 ff.; Neßler, DÖV 2000, S. 145 ff.; Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 464 ff. 263 Zu unterscheiden sind „vergabefremde Zwecke“ gemäß § 16 Nr. 2 VOB/A. Hier sind solche Ausschreibungen unzulässig, die auf andere Zwecke als die Erteilung eines Bauauftrages gerichtet sind. 264 Vgl. Meyer, Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung, S. 62 ff. 265 Benedict, Sekundärzwecke im Vergabeverfahren, S. 17 ff. 266 Meyer, Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung, S. 60/66 f. 267 Burgi, NZBau 2001, S. 64 ff. 268 Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/490 f. Kulartz, (in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 97 Rdnr. 213) nennt „leistungsbezogene“ und „vertragsbezogene“ Kriterien.

D. Wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Bedeutung

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wenig ablehnende Haltung der Kommission durchaus überraschen 269. Mit den Judikaten in den Rechtssachen „Beentjes“, „Nord-Pas-de-Calais“, „Concordia Bus“ und zuletzt „Wienstrom“ hat der EuGH grundlegende Aussagen zur Zulässigkeit der Einbeziehung getroffen 270. Demnach haben die gemeinschaftsrechtlichen Vergaberichtlinien keinen abschließenden Charakter, so dass vergabefremde Kriterien in das Verfahren einbezogen werden können, wenn sie dem jeweiligen Auftraggeber keine unbeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen und die Publizitätspflichten der Richtlinien und der EG-Vertrag im Übrigen, insbesondere das Diskriminierungsverbot, eingehalten werden. Soll mit dem Kriterium als Zuschlagskriterium das wirtschaftlichste Angebot ermittelt werden, muss es ferner mit dem Gegenstand des Auftrages zusammenhängen. 271 Bei der Gestaltung der VKR und der SKR hat sich der Gemeinschaftsgesetzgeber nun für eine – jedenfalls partielle – ausdrückliche Normierung der Problematik entschieden 272. Im Hinblick auf die Systematisierung ist zu vergegenwärtigen: Kriterien zur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots können lediglich solche sein, die einen Zusammenhang bzw. Bezug zum Auftragsgegenstand aufweisen, sog. Zuschlagskriterien gemäß Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR und Art. 55 Abs. 1 lit. a SKR. Im Übrigen verbleibt ihre Bedeutung als sonstige – bieterbezogene, die Auswahl und den Zuschlag steuernde 273 – Bedingungen nach Art. 26 VKR und Art. 38 SKR. Im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Einbeziehung vergabefremder Kriterien mit dem EG-Primärrecht steht derzeit die Beihilfenrelevanz im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Auseinandersetzung274. Insoweit sind Fragen des Verhältnisses zwischen den Beihilfevorschriften und den Grundfreiheiten sowie der Zulässigkeit der Bemessung der sog. Marktangemessenheit nach einem spezifisch öffentlich-rechtlich geprägten Beschaffungsmarkt zu diskutieren. 269 Vgl. Interpretierende Mitteilungen der Kommission zur Berücksichtigung von sozialen Belangen v. 28.11.2001 (KOM (2001) 566 endg.) und zur Berücksichtigung von Umweltbelangen v. 4.7.2001 (KOM (2001) 274 endg.). Zur rechtspolitischen Kritik: Fante, Instrumentalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens, S. 75 ff. 270 EuGH, Urt. v. 20.9.1988, Rs. C-31/87, „Gebroeders Beentjes BV/Niederlande“, NVwZ 1990, S.353 ff.; Urt. v. 26.9.2000, Rs.C-225/98, „Nord-Pas-de-Calais“, JZ 2001, S.138 ff.; Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-513/99, „Concordia Bus Finland“, EuZW 2002, S. 628 ff.; Urt. v. 4.12.2003, Rs. C-448/01, „EVN und Wienstrom“, NZBau 2004, S. 105 ff. 271 Zu dieser Thematik: Beckmann, NZBau 2004, S. 600 ff.; Benedict, Sekundärzwecke im Vergabeverfahren, 2000; ders., NJW 2001, S. 947 ff.; Götz, EuR 1999, S. 621 ff.; Fante, Instrumentalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens, S. 193 ff.; Kling, EuZW 2002, S. 229 ff.; Kühling, VerwArch. 95 (2004), S. 337 ff.; Meyer, Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung, S. 115 ff.; Mühlbach, RdA 2003, S. 339 ff.; Schumacher, DVBl. 2000, S. 467 ff.; Steinberg, NZBau 2005, S. 85 ff. 272 Art. 26 und Art. 53 Abs. 1 a) VKR; Art. 38 und Art. 55 Abs. 1 a) SKR; siehe bereits 1. Kapitel B. II. 273 Steinberg, NZBau 2005, S. 85/91. 274 Vgl. aus dem umfangreichen Schrifttum: Bartosch, EuZW 2001, S. 229 ff.; ders., WuW 2001, S. 673 ff.; Fante, Instrumentalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens, S. 128 ff.; Kese/Lukasik, VBlBW 2003, S. 226 ff.; Koenig/Kühling, NVwZ 2003, S. 779 ff.; Meyer, Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung, S. 146 ff.; Pünder, NZBau 2003, S. 530 ff.; Schardt, Öffentliche Aufträge und das Beihilfenregime des Gemeinschaftsrechts, 2003.

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1. Kap.: Die Grundlagen des Vergabewesens

Im nationalen Vergaberecht hat die Thematik in der Vorschrift des § 97 Abs. 4 GWB ihren Niederschlag gefunden, wonach die Einbeziehung weitergehender Anforderungen zulässig ist, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgeschrieben ist 275. Dem Wortlaut folgend wird überwiegend das Erfordernis eines Parlamentsgesetzes bejaht 276. Im Vergaberecht unterhalb der Schwellenwerte besteht diese Hürde nicht. Die Notwendigkeit eines formellen Gesetzes kann indes unter dem Gesichtspunkt des Parlamentsvorbehalts kraft Grundrechtswesentlichkeit bestehen 277. Zutreffend wird § 97 Abs. 4 GWB nicht als Kompetenznorm verstanden 278. In der Konsequenz ist fraglich, ob für den Erlass entsprechender Gesetze die Kompetenz für das Beschaffungswesen oder die Kompetenz für den zu regelnden Sachbereich maßgebend ist 279. Eine verfassungsrechtliche Bedeutung hat neben der Kompetenzfrage die Vereinbarkeit vergabefremder Kriterien mit den Grundrechten. Hier machte der Beschluss des Bundesgerichtshofs in der Rechtssache „Berliner Tariftreuegesetz“ Furore 280. Die Richter erblickten in der Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 des Berliner Vergabegesetzes, nach der die Vergabe von Bauleistungen und Dienstleistungen bei Gebäuden und Immobilien mit der Auflage erfolgen soll, dass die Unternehmen ihre Arbeitnehmer nach den jeweils in Berlin geltenden Entgelttarifen entlohnen und dies auch von ihren Nachunternehmen verlangen, einen Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG. Die Regelung dehne die tarifvertraglichen Bestimmungen ohne sachliche Voraussetzungen auf sog. Außenseiter aus; sie nötige diese, sich in einem ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinflussenden Punkt den tarifvertraglichen Bestimmungen zu unterwerfen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz jüngst überzeugend ausgeräumt 280 a. Nach der jeweiligen Ausgestaltung des GesetSiehe zur Gesetzgebungsgeschichte bereits 1. Kapitel B. III. Burgi, NZBau 2002, S. 62/67; Grzeszick, DÖV 2003, S. 649/652 f.; Karenfort/v. Koppenfels/Siebert, BB 1999, S. 1825/1828; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/493 ff.; a. A. Heintzen, ZHR 165 (2001), S. 62/67. 277 Grzeszick, DÖV 2003, S. 649/653; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/496; siehe 3. Kapitel D. I. 2. b) aa). 278 BGH, Vorlagebeschl. v. 18.1.2000, NZBau 2000, S. 189/194; Burgi, NZBau 2001, S. 62/67 f.; Grzeszick, DÖV 2003, S. 649/653; Heintzen, ZHR 165 (2001), S. 62/68 f. Das BVerfG (1 BvL 4/00, Beschl. v. 11.7.2006) betont die Maßgeblichkeit der Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. Eine eigene kompetenzrechtliche Legitimation von Ländergesetzen (§ 97 Abs. 4 GWB) ergebe sich aufgrund des nicht abschließenden Gebrauchmachens von der Kompetenznorm durch den Bundesgesetzgeber. 279 BGH (Vorlagebeschl. v. 18.1.2000, NZBau 2000, S.189/194) und Grzeszick (DÖV 2003, S. 649/653) einerseits, Burgi (NZBau 2001, S.62/68) und Meyer (Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung, S. 409 ff.) andererseits. 280 BGH, Vorlagebeschl. v. 18.1.2000, NZBau 2000, S. 189 ff.; hierzu: Karenfort/v. Koppenfels/Siebert, BB 1999, S. 1825 ff.; Knipper, WuW 1999, S. 677 ff.; Martin-Ehlers, WuW 1999, S. 685 ff.; Löwisch, DB 2001, S 1090 ff. Das vom Bundestag verabschiedete „Gesetz zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen und zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen“ ist im Bundesrat gescheitert. 280 a Durch das Gesetz werde weder ein „faktischer Zwang“ noch ein „erheblicher Druck“ zum Beitritt in die tarifvertragschließende Koalition ausgeübt. Allein durch den Umstand, „dass 275 276

D. Wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Bedeutung

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zes, welches das vergabefremde Kriterium enthält, kann die Vereinbarkeit mit weiteren Grundrechten, beispielsweise mit Art.3 Abs. 3 GG oder Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in Frage stehen. 281 Ob sich aus der Einbeziehung vergabefremder Kriterien in das Verfahren zur Auftragsvergabe besondere grundrechtliche Anforderungen an die Verfahrensgestaltung ergeben, ist Gegenstand späterer Ausführungen. 282 Die (isolierte) Frage der Vereinbarkeit des das vergabefremde Kriterium vorsehenden Gesetzes mit den Grundrechten ist von der Verfahrensgestaltung zu scheiden. Sie weist nur teilweise, nämlich im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG 283, eine gemeinsame Schnittmenge auf. Die Auffassung, die auf das gemeinschaftsrechtliche Erfordernis des „Zusammenhangs mit dem Auftragsgegenstand“ Bezug nimmt und damit dem allgemeinen Gleichheitssatz ein Koppelungsverbot 284 entnimmt, ist abzulehnen: Wie ausgeführt, ist der Auftragsbezug lediglich für das Vorliegen eines die Wirtschaftlichkeit des Bieterangebots ermittelnden Zuschlagskriteriums relevant, nicht aber für die allgemeine Einbeziehung als vergabefremde „sonstige Bedingung“. Mit der Problematik der Einbeziehung vergabefremder Kriterien grundsätzlich vergleichbar ist das Bestehen von gesetzlichen Bevorzugungsregelungen. Aufgrund bestimmter Eigenschaften sind bestimmte Personen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge „bevorzugt zu berücksichtigen“, so zum Beispiel Schwerbehinderte und Verfolgte. 285 Auch insoweit wird das Kriterium der Günstigkeit bzw. der Wirtschaftlichkeit eingeschränkt. Die Einschlägigkeit einer Bevorzugungsregelung ist bereits vor der Zuschlagsentscheidung relevant 286. Von den Anforderungen an die (Art und Weise der) Einbeziehung einer Bevorzugungsregelung in das Vergabeverfahren abzugrenzen ist wiederum die Verfassungsmäßigkeit und Gemeinschaftsrechtskonformität der Regelung. 287

jemand den Vereinbarungen fremder Tarifvertragsparteien unterworfen wird, ist ein spezifisch koalitionsrechtlicher Aspekt nicht betroffen“ (BVerfG, 1 BvL 4/00, Beschl.v. 11.7.2006). Auch ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG und gegen sonstiges Bundesrecht wurde verneint. 281 Vgl. Burgi, NZBau 2001, S. 64 ff.; Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/45 ff. Zur Vereinbarkeit mit den Grundrechten allgemein: Fante, Instrumentalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens, S. 246 ff.; Meyer, Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung, S. 300 ff. 282 Siehe 3. Kapitel D. I. 2. b). 283 Siehe 3. Kapitel D. I. 2. 284 Vgl. auch 3. Kapitel D. I. 2. a) aa). 285 § 68 BEG, § 56 SchwerbehindertenG; siehe 3. Kapitel A. II. 5. b) aa). 286 Siehe 3. Kapitel A. II. 5. b) aa). 287 Kritisch im Hinblick auf die Erfüllung dieser Anforderungen: Rust, EuZW 1999, S. 453/456 f.; Schäfer, Öffentliche Belange im Auftragswesen und Europarecht, S. 243.

2. Kapitel

Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung A. Die öffentliche Auftragsvergabe als Prozess der Privatisierung Die juristische Betätigung im Bereich der Privatisierung mag angesichts der bisherigen Würdigung in Literatur und Rechtsprechung als eine mit wenig Hoffnung verbundene Herausforderung anzusehen sein. Um die Veranschaulichung von Steiner 1 weiterzuführen, lässt sich bei der Eingabe des Begriffs Privatisierung in die Maske der Juris-Datenbank auf über 4763 Fundstellennachweise verweisen 2. Der Umfang und die Tiefe rechtswissenschaftlicher Betätigung auf diesem Gebiet kommen nicht von ungefähr, sondern gehen einher mit einer Jahrzehnte dauernden, nie aus der Mode kommenden und daher zeitlos anmutenden Privatisierungspolitik. Auf Bundesebene lässt sich seit dem Ende der 50er Jahre eine, zwar nicht konsequente und lineare, aber doch kontinuierliche Politik des Abbaus von während des Dritten Reichs angehäuften Unternehmensbeteiligungen feststellen3. Die 90er Jahre waren geprägt durch die Privatisierungen der Bundessondervermögen von Post, Bahn und Lufthansa sowie durch die Veräußerung und Privatisierung der früheren Staatsbetriebe der DDR 4. Eine erhebliche Bedeutung kommt nunmehr dem auf Länder- und kommunaler Ebene bestehenden Privatisierungspotenzial im Infrastrukturbereich zu 5. Die für die Privatisierung von Staatsaufgaben vorgebrachten Gründe 6 1 Steiner (in: FS f. Salger, S. 567/568) verzeichnete 1995 zu den Stichworten Deregulierung und Privatisierung fast 1000 Nennungen von Literaturstellen und Judikaten. 2 Abgefragt am 25.10.2005. Die Zahl gliedert sich in 1540 Gerichtsentscheidungen, 2841 Aufsätze und 402 Bücher. 3 Storr (Der Staat als Unternehmer, S. 6 ff.) strukturiert drei große Privatisierungswellen beginnend mit den Teilprivatisierungen von Preussag, Volkswagen und VEBA in den 50er und 60er Jahren. Die zweite Phase des staatlichen Rückzuges erstreckte sich nach dem Ende der rot-gelben Koalition von 1983 bis in die 90er Jahre, die die dritte Privatisierungsphase einleiteten. Vgl. auch Kämmerer, Privatisierung, S. 61 ff.; König, VerwArch. 79 (1988), S. 241 ff.; Möschel, in: FS f. Gernhuber, S. 905 f. 4 Freilich dienten die Privatisierungsmaßnahmen nicht lediglich der Reduzierung der Staatsquote. Sie waren zudem auf die Schaffung rentabler Unternehmens- und Konzernstrukturen gerichtet, was zu einer Erhöhung der Zahl staatlicher bzw. staatlich veranlasster Unternehmens- und Beteiligungserwerbe geführt hat (Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 8 f.). 5 Schoch, DVBl. 1994, S. 962/964; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 9 f.; vgl. auch Bericht der Bundesregierung zur Zukunftssicherung des Standortes Deutschland, BT-Drs. 12/5620, S. 15 sowie BT-Drs. 12/6889, S. 1 und 3.

A. Die öffentliche Auftragsvergabe als Prozess der Privatisierung

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und die maßgeblichen Ursachen für die geschilderte historische Entwicklung verdienen eine kurze Betrachtung. Ordnungspolitischen Gründen wird nicht zuletzt wegen ihrer Dauerhaftigkeit das größte Gewicht beigemessen 7. Das Bundesministerium der Finanzen 8 formulierte 1990 insoweit: „In der sozialen Marktwirtschaft gebührt grundsätzlich privater Initiative und privatem Eigentum Vorrang vor staatlicher Zuständigkeit und staatlichem Eigentum (Subsidiaritätsprinzip). Privates Eigentum und privatwirtschaftliche, durch Markt und Wettbewerb gesteuerte und kontrollierte unternehmerische Tätigkeit gewährleisten am besten wirtschaftliche Freiheit, ökonomische Effizienz und Anpassung an sich verändernde Marktverhältnisse und damit Wohlstand und soziale Sicherheit für die Bürger. Soweit eine soziale Flankierung des Marktgeschehens erforderlich ist, erfolgt sie durch die Ausgleichs- und Förderinstrumente der Sozial-, Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik, nicht dagegen durch die unternehmerische Betätigung des Staates.“

Sodann wurden die Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder um die Klarstellung ergänzt, dass das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit die Frage einschließt, inwieweit staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten ausgegliedert und entstaatlicht oder privatisiert werden können 9. Diesen Erwägungen haftet der Vorwurf ideologischer Prägung sowie eines zu allgemeinen und daher konzeptionslosen Charakters an 10. Konkreterer Natur sind die aktuellen Privatisierungsmotive, die als Einmal-Zwecke bezeichnet werden 11. Prägnant ausgedrückt, fungiert der Löwenanteil der Privatisierungsmaßnahmen als Allheilmittel gegen überforderte öffentliche Haushalte. Kausal für die Allgegenwär6 Vgl. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243/256; Bolsenkötter, DB 1993, S. 445/447 f.; Bull, Verw-Arch. 86 (1995), S. 621 ff.; Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 16 ff.; Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580/589 f.; Kulas, Privatisierung hoheitlicher Verwaltung, S. 7 ff.; Lecheler, BayVBl. 1994, S. 555 ff.; Möschel, in: FS f. I. Schmidt, S. 351/355 ff.; Monopolkommission, 9. Hauptgutachten, BT-Drs. 12/3031, S. 23 f.; Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 84 Rdnrn. 42 ff.; Wahl, DVBl. 1993, S. 517/519. Aus verkehrsrechtlicher Sicht: Steiner, in: FS f. Salger, S. 567 ff. 7 Möschel, in: FS f. Gernhuber, S. 905/914; Monopolkommission, 9. Hauptgutachten, BTDrs. 12/3031, S. 25; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204/209 ff.; Schoch, DVBl. 1994, S. 962/967. 8 Bundesministerium für Finanzen, Material für die Presse, Gesamtkonzept 1990 für die Privatisierungs- und Beteiligungspolitik des Bundes, S. 5 f. 9 Vgl. Erstes Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21.12.1993. Näher: Dommach, in: Heuer (Hrsg.), Haushaltsrecht, § 7 BHO Erl. 13; v. Köckritz/Ermisch/Dittrich/Lamm, Bundeshaushaltsordnung, § 7 S. 59 ff.; Birkner/Bachmayer/Kellner/Haferkorn, Bayer. Haushaltsrecht, Art. 7 Erl. 1.4. Zum sog. „normativen Privatisierungsdruck“: Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243/258 f.; Gröpl, Haushaltsrecht und Reform, S. 338; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204/220 f.; Schoch, DVBl. 1994, S. 962/966. 10 Lecheler, BayVBl. 1994, S. 555; ders., ZBR 1980, S. 69/73 ff.; Möschel, in: FS f. Gernhuber, S. 905/915. 11 Möschel, in: FS f. Gernhuber, S. 905/913; Monopolkommission, 9. Hauptgutachten, BTDrs. 12/3031, S. 25; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204/214 f.; Schoch, DVBl. 1994, S. 962/967.

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

tigkeit des Ziels der Haushaltskonsolidierung ist der den staatlichen Behörden an die Hand gegebene Aufgabenkatalog. Man spricht vom „überforderten Staat“ 12. Die Therapie ist vom Postulat der Beschränkung auf staatliche Kernaufgaben geprägt; sie richtet sich auf staatlichen Rückzug im Wege der Vermögensprivatisierung, mitunter als „Verschleuderung des Tafelsilbers bezeichnet“, ferner im Wege der als nachhaltig angesehenen Aufgaben- und Finanzierungsprivatisierung 13. Den vorstehenden Kategorien nur schwer zugänglich ist der an Bedeutung gewinnende „faktische Privatisierungsdruck“ 14. Er bezieht sich auf die Entwicklung, nach welcher der Verwaltungsapparat angesichts der fortschreitenden Spezialisierung – der umweltrechtliche Bereich sei nur beispielhaft genannt – häufig gar nicht mehr in der Lage ist bzw. sein wird, das erforderliche Fachwissen zeitgerecht anbieten zu können. Vergleichbare Lagen bestehen im Rahmen der Kreation von Gemeinschaftsunternehmen mit den regelmäßigen Zielen der Effizienzsteigerung und langfristig der Gewinnerzielung, was die Nutzbarmachung von privatem Kapital und Know-How unumgänglich macht. 15 Zur fiskalpolitischen Motivation für Privatisierungen gesellt sich eine solche gemeinschaftsrechtlicher Art. Längst ist anerkannt, dass die „Kompetenzausübungsnorm“ 16 oder „Kompetenzschranke“ 17 des Art. 295 EG, wonach der EG-Vertrag die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten unberührt lässt, in einer Zusammenschau mit anderen Normen des Vertrages, insbesondere mit den Kartell- und Beihilfevorschriften, gelesen werden muss 18. Eine gemeinschaftsrechtliche Neutralität gegenüber mitgliedstaatlichen Prozessen der Entoder Verstaatlichung kann dem Vertrag daher nicht (mehr) entnommen werden. Vielmehr steuern die vorgenannten Vorschriften sowohl durch die Statuierung von Verfahren als auch faktisch mitgliedstaatliche Privatisierungsentscheidungen 19. Dass für Privatisierungsvorhaben jeglicher Art generell ein positives Klima herrscht, liegt nach diesen Ausführungen auf der Hand. Der politische Druck, eine 12 So ausdrücklich Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243/245; Ellwein/Hesse, Der überforderte Staat, S. 186 ff.; Schuppert, DÖV 1995, S. 761; ders., VerwArch. 71 (1980), S. 309/ 333 ff.; vgl. auch Gröpl, Haushaltsrecht und Reform, S. 328 ff. 13 Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243/257; Monopolkommission, 9. Hauptgutachten, BTDrs. 12/3031, S. 25; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204/213 ff.; Schoch, DVBl. 1994, S. 962/967. 14 Schoch, DVBl. 1994, S. 962/968. 15 Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243/256; Lecheler, BayVBl. 1994, S. 555 ff.; Schoch, DVBl. 1994, S. 962/968. Möschel (in: FS f. Gernhuber, S. 905/913 f.) versteht die „höhere private Problemlösungskompetenz“ als Einmal-Zweck. Ebenso Monopolkommission, 9. Hauptgutachten, BT-Drs. 12/3031, S. 25. 16 Kingreen, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 295 Rdnr. 5. 17 Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 301. 18 Kingreen, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 295 Rdnrn. 2, 6 ff.; Schweitzer, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 295 Rdnrn. 4 f.; umfassend: Kämmerer, Privatisierung, S. 95 ff., 145 ff.; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 301 ff. 19 Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243/259 ff.; Lecheler, BayVBl. 1994, S. 555 f.; Möschel, in: FS f. I. Schmidt, S.351/359 f.; Püttner, LKV 1994, S.193 f.; Weis, NJW 1982, S.1910/1913 f.

A. Die öffentliche Auftragsvergabe als Prozess der Privatisierung

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verengte und überstrapazierte Betonung der Ökonomie sowie eine nicht selten im Bereich des Psychologischen angesiedelte Vorstellung, jede Form der Wahl privater Rechtsformen und/oder der Verantwortungsübertragung auf Private bzw. auf privatrechtlich organisierte Rechtssubjekte garantiere Effizienz und Kosteneinsparung, tun das Ihre dazu 20. Die Thematik der Privatisierung von Staatsaufgaben war und ist immer auch eine Thematik der Grenzen der Privatisierung. Bereits die Ausführungen in der Einleitung Abschnitt A. haben gezeigt, dass der Umfang der Staatsaufgaben 21 „notwendig offen“ 22 ist, der Aufgabenkreis des Staates also je nach den staatspolitischen Konstellationen differieren kann. Freilich muss sich der Staat bei der Inanspruchnahme sowie bei der Abgabe von Aufgaben im Rahmen der jeweils geltenden Verfassungsordnung halten. Er muss die Wahrnehmung einer Aufgabe rechtfertigen, besser: legitimieren 23. Entfällt diese Legitimation, so ist um der grundrechtlichen Entfaltungschancen willen grundsätzlich die Privatisierung der Aufgabe geboten. 24 Die tatsächliche und rechtliche Entwicklung der letzten fünfzehn Jahre hat offen gelegt, dass nur wenige Aufgaben verbleiben, die verfassungsrechtlich dem Staat vorbehalten 25 und demnach einer vollständigen Privatisierung verschlossen sind. Solche, dem verfassungsrechtlich definierten Staatsvorbehalt unterliegende „Aufgaben“, genauer: spezifische rechtliche Fähigkeiten sind das Gewaltmonopol sowie die Befugnis zu allgemein verbindlicher Entscheidung durch Norm und Einzelakt.26 Jedoch können 20 Lecheler, ZBR 1980, S. 69/73 ff.; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204/213 ff.; Schoch, DVBl. 1994, S. 962/965 ff.; Wahl, DVBl. 1993, S. 517/519. Im Bericht der Bundesregierung vom 25.02.1994 (BT-Drs. 12/6889, S. 1) heißt es, dass der Privatisierung in Form der Entlastung des Staates von eigener Wirtschaftstätigkeit eine große Bedeutung im internationalen Standortwettbewerb zukomme. 21 Zur Staatsaufgabendogmatik siehe 3. Kapitel B. I. 22 Böckenförde, Staat Gesellschaft Freiheit, S. 197 ff.; Klein, DÖV 1965, S. 755/758; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 131; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137/153 f.; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204/207 f.; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 52 f. 23 Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 84 Rdnrn. 42 ff. 24 So jedenfalls Isensee, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnrn. 171 f.; Lecheler, ZBR 1980, S. 69/70. 25 Die Bezeichnungen für diese (Kern-)Aufgaben differieren, z. B. ausschließliche, genuine, originäre, notwendige, unverzichtbare, geborene Staatsaufgaben (vgl. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S.99 ff.; Kaemmerer, Privatisierung, S. 152 ff.; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 52 Fn. 200). 26 Verfassungsrechtlich wird in erster Linie mit Art. 33 Abs. 4 GG, mit der Verteilung der Verwaltungskompetenzen nach Art. 83 ff. GG, mit den Staatszielbestimmungen Demokratie, Rechtsstaat und Sozialstaat sowie mit den Grundrechten argumentiert. Hierzu: Broß, NZBau 2004, S. 465 ff.; Di Fabio, JZ 1999, S. 585/590 ff.; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S.152; Heintzen, VVDStRL 62 (2003), S.222/238; Lecheler, BayVBl. 1994, S.555/557 f.; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137/159 ff.; Schoch, DVBl. 1994, S. 962/969 ff.; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 251 ff.; umfassend: Burgi, Funktionale Privatisierung

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

auch in diesen Bereichen für die Ausübung hoheitlicher Befugnisse Private in Dienst genommen werden, sofern die zuständigen Behörden die tatsächliche Sachherrschaft über den Geschehensablauf behalten, prägnanter ausgedrückt, sofern eine in diesem Sinn verstandene Gewährleistungsverantwortung nicht aus der Hand gegeben wird 27. Die Diskussion des Verhältnisses der öffentlichen Auftragsvergabe zur Privatisierung macht eine Befassung mit den diesem Rechtsgebiet eigentümlichen Begrifflichkeiten und herkömmlichen Erscheinungsformen unumgänglich.

I. Begrifflichkeiten im Bereich der Privatisierung Dem Begriff „Privatisierung“ haftet seit jeher der Hauch der Moderne an. Politisch betrachtet gilt die Gleichung: Privatisierung ist Einsparung ist Flexibilität ist Wettbewerb. So gesehen, wähnt man sich sicher, mit den Schlagwörtern Privatisierung, Deregulierung und Entbürokratisierung am „Zahn der Zeit“ zu argumentieren 28. So kurz und einfach der Begriff „Privatisierung“ dem ersten Anschein nach wirkt, so schwierig gestaltet sich die Etablierung sowohl einer klaren Definition als auch von griffigen Fallgruppen von Privatisierungsformen 29. Sofern man die Absicht verfolgt, die Vielfalt der unterschiedlichen Vorgänge zu erfassen, ist Privatisierung in einem weit gefassten Begriffsverständnis als jede Form eines Wechsels vom öffentlichen Sonderrecht hin zum Privatrecht zu verstehen, kürzer: als jede Form der Entstaatlichung 30. Konkreter, aber ebenfalls um ein weites Verständnis des Begriffs bemüht, formuliert Kaemmerer 31 Privatisierung als „jede Form der Abgabe von Rechtsmacht durch den Staat zugunsten von Personen des Privatrechts, wobei unter diese natürliche Personen und jede Art von privatrechtlich organisierten Rechtssubjekten ohne Rücksicht auf den Anteilseigner fallen“. So weit die vorstehenden und sonst im Schrifttum vorgeschlagenen Definitionen bzw. Definitionsansätze zur Annäherung an den Begriff der Privatisierung auch gefasst sind, so berücksichtigen sie und Verwaltungshilfe, S. 194 ff.; Kaemmerer, Privatisierung, S. 152 ff.; zu verwaltungsrechtlichen Aspekten: Gröpl, GewArch 1995, S. 367 ff.; Kummer/Giesberts, NVwZ 1996, S. 1166 ff.; Peine, DÖV 1997, S. 353 ff.; Schoch, DVBl. 1994, S. 962/971 ff. 27 Di Fabio, JZ 1999, S. 585/592; Gallwas, VVDStRL 29 (1971), S. 211/221 ff.; KG, Beschl. v. 23.10.1996, NJW 1997, S. 2894/2896; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 277 ff. 28 Freilich bestehen auch Antiprivatisierungstendenzen und Bedürfnisse nach einer Re-Publifizierung (z. B. Broß, NZBau 2004, S. 465 ff.). Im Bereich der Daseinsvorsorge besteht die alternative Rechtsform des Kommunalunternehmens bzw. des gemeinsamen Kommunalunternehmens als Anstalt des öffentlichen Rechts (vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3, § 91 Rdnr. 10, § 93 Rdnr. 5). 29 Nach Peine (DÖV 1997, S. 353/354) ist der Begriff Privatisierung „zu einem Schlagwort degeneriert, dem alles und letztlich nichts zugeordnet werden kann“. 30 Di Fabio, JZ 1999, S. 585; Lecheler, ZBR 1980, S. 69; Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 84 Rdnrn. 42 ff. 31 Kaemmerer, Privatisierung, S. 37.

A. Die öffentliche Auftragsvergabe als Prozess der Privatisierung

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regelmäßig nicht das mit der Abgabe staatlicher Rechtsmacht verbundene zeitliche Moment. Bauer 32 begreift den Privatisierungsvorgang zutreffend als Prozess. Er unterscheidet die Phase der Entscheidungsfindung, den Akt der Privatisierungsentscheidung, die Phase der Entscheidungsumsetzung und schließlich die auch nach der Entscheidungsumsetzung etwa verbleibende Verantwortung für die an die Person des Privatrechts abgegebene Rechtsmacht 33. Für die nähere Einordnung einer bereits vollzogenen oder künftig zu vollziehenden Abgabe von Rechtsmacht durch den Staat zugunsten von Personen des Privatrechts fungieren die in Abschnitt II. aufgeführten Fallgruppen als Behelf. Die Fragen der Privatisierung sind eingebettet in einen größeren Kontext der Dogmatik der Staatsaufgaben, deren Ausgangspunkt die grundlegende Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft ist34. Wie schon zum Ausdruck gebracht, wird der Begriff „Privatisierung“ mitunter schlagwortartig zusammen mit dem Terminus „Deregulierung“ gebraucht 35. Auch hinsichtlich dieses Be-griffs ermangelt es einer klaren Definition. Privatisierung und Deregulierung verfolgen ein einheitliches Ziel. Beide zielen auf die Abgabe von staatlicher Rechtsmacht oder den Verzicht auf diese ab. Im Vergleich zur Privatisierung ist der Begriff der Deregulierung aber in einem umfassenderen Sinn zu verstehen. Angestrebt wird der Abbau von staatlichen Eingriffen jeglicher Art in einzelne Märkte 36. Die Inanspruchnahme einer staatlichen Aufgabe und deren unmittelbare Wahrnehmung durch den Staat stellt dagegen die intensivste Form der Regulierung dar 37. Prozesse, die auf den Abbau und die Beschränkung der staatlichen Verantwortung gerichtet sind, folgen nicht dem Korrespondenzprinzip. Der staatliche Verlust an Rechtsmacht hat nicht dem privaten Rechtszuwachs zu entsprechen. 38

II. Herkömmliche Erscheinungsformen der Privatisierung Die nachstehenden Ausführungen vermitteln einen knappen Überblick über die herkömmlichen Erscheinungsformen der Privatisierung. Angesichts der vielfältiBauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243/254. Zur sogenannten Privatisierungsfolgenverantwortung, Stichwort: „After Privatization“: Hoffmann-Riem, DÖV 1997, S. 433/440 ff.; Kaemmerer, Privatisierung, S. 426 ff.; Schoch, DVBl. 1994, S. 962/974 f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3, § 93 Rdnr. 14. 34 Zu dieser Thematik siehe 3. Kapitel A. I. 1. 35 Umfassend zu den im Rahmen der Privatisierungsdebatte gebrauchten Begrifflichkeiten: Kaemmerer, Privatisierung, S. 53 ff. 36 Kaemmerer, Privatisierung, S. 53 ff.; Möschel, JZ 1988, S. 885/888 ff.; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204/211; Peine, DÖV 1997, S. 353/355. Osterloh und Peine hingegen verstehen die Privatisierung nicht als Unterfall der Deregulierung, sondern als eigenständiges, dem Abbau von Staatsmacht dienendes Phänomen. 37 Zum „Denken in Verantwortungsstufen“ bei Privatisierungsprozessen siehe 3. Kapitel B. I. 1. 38 Kaemmerer, Privatisierung, S. 34 f. 32 33

6 Regler

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

gen Variationsmöglichkeiten der Abgabe von Rechtsmacht an Private und des hierzu ergangenen Schrifttums ist lediglich eine grobmaschige Einteilung angezeigt39. Im Schrifttum überwiegt die folgende Einteilung in vier Grundtypen der Privatisierung. 1. Die formelle Privatisierung Die formelle Privatisierung – vielfach auch als unechte Privatisierung oder als Organisationsprivatisierung bezeichnet – ist in praxi der first step auf dem Weg zur Abgabe von Rechtsmacht auf Personen des Privatrechts. Sie lässt die Aufgabenebene unberührt und betrifft lediglich die Rechts- und Handlungsform der Aufgabenerfüllung, dem sog. Rechtsformwechsel. Bei der formellen Privatisierung wechselt der Staat also den Erfüllungsmodus. Der jeweilige öffentliche Träger benutzt zur Wahrnehmung der ihm obliegenden und bei ihm ungeschmälert verbleibenden Aufgabe eine von ihm zu diesem Zweck gegründete (Eigen)-Gesellschaft des Privatrechts, in der Regel eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wobei sich sämtliche Anteile in der Hand des öffentlichen Trägers befinden. 40 Die Aufgabenerfüllung gegenüber 39 Das Schrifttum argumentiert nicht einheitlich. Einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Definitions- und Untergliederungsansätze bietet Kaemmerer, Privatisierung, S. 16 ff. Kaemmerer selbst differenziert zwischen einem objekt- und einem subjektbezogenen Ansatz. Bei Ersterem stellt er auf das Bezugsobjekt (Privatisierungsobjekt, Privatisierungsgegenstand) ab und unterscheidet die Vermögensprivatisierung von der aufgabenbezogenen Privatisierung. Beim subjektbezogenen Ansatz stellt er auf das Bezugssubjekt ab und trennt zwischen Organisations- und Popularprivatisierung. Er spricht von einer „bloß“ aufgabenbezogenen Privatisierung im Gegensatz zu den Begriffen der Aufgabenprivatisierung oder der Privatisierung von Staatsaufgaben, da Aufgaben im Rechtssinne nicht übertragen werden könnten. Organisationsprivatisierung meint in der Diktion Kaemmerers nicht, wie nachstehend dargestellt, den sog. Rechtsformwechsel, sondern eine subjektive Betrachtung insofern, als der Privatisierungsadressat eine juristische Person ist, deren Gesellschaftsanteile vom Staat bzw. von einem öffentlichen Träger gehalten werden. Unter Popularprivatisierung fasst Kaemmerer sämtliche Privatisierungsvorgänge, die nicht unter die von ihm definierte Fallgruppe der Organisationsprivatisierung fallen, also solche Vorgänge, bei denen Privatisierungssubjekt entweder natürliche Personen sind oder aber juristische Personen, deren Anteile von natürlichen Personen gehalten werden. 40 Der Wechsel der Rechtsform wird hier als eigenständiger Grundtyp einer Privatisierungsform aufgeführt. Freilich wäre zu problematisieren, ob die bloße Nutzung des Privatrechts als Organisations- und Handlungsform schon als Abgabe von Staatlichkeit verstanden werden kann, ob also überhaupt der Tatbestand einer Privatisierung erfüllt ist. Gerade beim Gebrauch der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung besteht infolge ihrer Organisationsstruktur (Weisungsabhängigkeit der Geschäftsführer gemäß § 46 Nrn. 5 und 6 GmbHG, Freiheit bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages gemäß § 45 GmbHG; näher: Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1068 ff.) die Möglichkeit der Aufrechterhaltung umfassender Einflussund Steuerungsmöglichkeiten für den Hoheitsträger als (Allein-)Inhaber sämtlicher Geschäftsanteile. Für die Einordnung als Grundform der Privatisierung lässt sich hingegen anführen, dass mit der organisationsprivatisierten Einheit eine Verselbständigung bezweckt wird, die häufig als Einfallstor für spätere funktionale und materielle Privatisierungsmaßnahmen fungiert. Zur Problematik: Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580/588 ff.; Kaemmerer, Priva-

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dem Bürger vollzieht sich im „Rechtskleid des Privatrechts“ 41, demnach mittels der privatrechtlichen Gesellschaft und mittels privatrechtlicher Rechtsgeschäfte. 2. Die Vermögensprivatisierung Bei der Vermögensprivatisierung hingegen werden Vermögenswerte, in erster Linie Liegenschaften und Beteiligungen an Industrieunternehmen, aus dem öffentlichen in den privaten Sektor übertragen 42. Kurz gesagt: Anlagevermögen wird zu Geld gemacht. Der fiskalpolitische Sinn dieser Privatisierungsform liegt nahe 43. Probleme der Vermögensprivatisierung stellen sich meist nur im Rahmen der Ausgestaltung und Durchführung der der Übertragung der Vermögenswerte zugrunde liegenden zivilrechtlichen Verträge. Die Anforderungen der entsprechenden Haushaltsordnungen sind zu wahren 44. Der staatliche Aufgabenbestand bleibt unverändert. 3. Die materielle Privatisierung Die materielle Privatisierung betrifft die Aufgabenebene. Sie wird aus diesem Grund auch als echte Privatisierung bzw. als Aufgabenprivatisierung bezeichnet. Der Staat zieht sich aus der Aufgabenebene zurück; dogmatisch geschieht dies in der Form der Aufgabenübertragung auf einen privaten Rechtsträger oder in der Form der Abgabe von Rechtsmacht und deren Neuzuweisung an diesen45. Die materielle Privatisierung führt somit zu einer Verringerung des staatlichen Aufgabenbestandes mit entsprechender Entlastung des Staates.46 Sie ist der actus contrarius zur Konstituierung und Wahrnehmung einer staatlichen Aufgabe 47. Soweit der Rückzug von einer staatlichen Aufgabe verfassungsrechtlich bedenklich und/oder politisch unerwünscht ist, umfasst eine materielle Privatisierung im Hinblick auf die Privatisierungsfolgenverantwortung die Statuierung von steuernden und kontrollierenden Rechtsvorschriften 48. tisierung, S. 18 ff.; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204/231 ff.; Püttner, LKV 1994, S. 193/195; Schoch, DVBl. 1994, S. 962/973. 41 Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 324. 42 Vgl. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243/251 f.; Kaemmerer, Privatisierung, S. 39; Möschel, JZ 1988, S. 885/887 f.; Schoch, DVBl. 1994, S. 962 ff. 43 Auch bei der Vermögensprivatisierung können die allgemein mit der Überantwortung von Staatsaufgaben auf Private verfolgten Zwecke bestehen. Hierzu Möschel, JZ 1988, S. 885/887 f. und bereits Fn. 6. 44 §§ 63 ff. BHO, für Bayern: Art. 63 ff. BayHO. 45 Vgl. Kaemmerer, Privatisierung, S. 34 ff. m. w. Nachw. 46 Di Fabio, JZ 1999, S. 585 ff.; Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580/593 ff.; Gröpl, GewArch 1995, S. 367/368; Kaemmerer, Privatisierung, S. 22 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3, § 93 Rdnrn. 1 ff. 47 Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204/223. 48 Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rdnrn. 109 ff. 6*

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4. Die funktionale Privatisierung Der funktionalen Privatisierung – häufig Verwaltungshilfe 49 (neudeutsch „contracting out“ 50) genannt – ist eigentümlich, dass ein „echter“ Privater, also nicht lediglich eine formell privatisierte Einheit der öffentlichen Verwaltung, in den Vollzug einer staatlichen Aufgabe eingeschaltet ist, die staatliche Aufgabe an sich jedoch beim Träger öffentlicher Verwaltung verbleibt. Als Erscheinungsform der Privatisierung ist die funktionale Privatisierung zwischen der formellen und der materiellen Privatisierung zu verorten. Die Formen der Kooperation zwischen dem betreffenden Hoheitsträger und den privaten Rechtsträgern auf den Ebenen der Aufgabenwahrnehmung bzw. des Aufgabenvollzugs sind vielgestaltig, je nach Aufrechterhaltung des Einflusses des Hoheitsträgers abstufbar und weisen daher einen erheblichen Variantenreichtum auf. Dem Hauptgutachten der Monopolkommission 51 zufolge werden vier Grundformen der funktionalen Privatisierung unterschieden, nämlich die Ersetzung staatlicher Eigenproduktion durch Fremdbezug, das Submissionssystem, wonach ein privater Anbieter gegen Entgelt eines Hoheitsträgers eine unmittelbar den Bürgern zugute kommende Leistung erbringt, das Konzessionssystem, bei dem ein privater Betreiber gegen Entgelt eines Nutzers an diesen direkt eine Leistung erbringt, und schließlich das Gutscheinsystem, bei dem ein Hoheitsträger steuerfinanzierte Gutscheine zur Bezahlung bestimmter Lieferunternehmen vergibt. Zudem sind die unter den Sammelbegriffen 52 „Public Private Partnership“ (PPP) oder „mixed economy“ bzw. „mixed enterprises“ zusammengefassten gemischtwirtschaftlichen Unternehmungen einzubeziehen, ferner sämtliche Kooperationen der öffentlichen Hand mit Privaten. Bei einem weiten Verständnis ist unter die zuletzt genannten Kooperationen auch das Rechtsinstitut der Beleihung zu fassen 53. 49 Die in der Handlungsform des Privatrechts erbrachte Verwaltungshilfe ist die weiteste Form der funktionalen Privatisierung. Maßgeblich ist, dass sie auf eine staatliche Tätigkeit funktional bezogen ist, nicht, dass der private „Helfer“ unselbständig ist (Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 145 ff.; ders., FS f. Maurer, S. 581/586). Allgemein zur Verwaltungshilfe als „staatsaussparendes“ Handeln Privater: Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 106 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3, § 90 a Rdnrn. 1 ff. 50 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 100 ff.; Di Fabio, JZ 1999, S. 585/588 f.; Möschel, in: FS f. Gernhuber, S. 905/908; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 119. 51 Monopolkommission, 9. Hauptgutachten, BT-Drs. 12/3031, S. 23. 52 So Dreher, NZBau 2002, S. 245/246 f. 53 Der Beliehene ist nach mittlerweile allgemeiner Auffassung ein Privatrechtssubjekt, das mit der (hoheitlich-obrigkeitlichen oder schlicht-hoheitlichen) Wahrnehmung bestimmter Staatsaufgaben betraut ist. Er hat als Privatrechtssubjekt die Befugnis, staatliche Aufgaben in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts selbständig wahrzunehmen (vgl. Burgi, FS f. Maurer, S.581/593). Grundlegend zur Dogmatik der Beleihung: Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S.46 ff.; ders., JuS 1969, S.69/71. Hiernach ist nicht die Befugnis zum Einsatz der de iure dem Staat vorbehaltenen öffentlich-rechtlichen Handlungsformen („Außen“-Verhältnis), sondern die Wahrnehmung einer dem Beliehenen zugewiesenen staatlichen Aufgabe („Innen“-Verhältnis) maßgeblich. Steiner begreift das Rechtsinstitut der Beleihung nicht als einen Verzicht auf die staatliche Erfüllung einer Aufgabe, sondern als Verzicht auf die Erfüllung der betreffenden Aufgabe durch die eigenen Behörden. Mittels des Rechtsinstituts der Beleihung

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Der Begriff „Public Private Partnership“ hat durch seine schlagwortartige Verwendung wenig Aussagekraft. Er ist, um mit Dreher 54 zu sprechen, mangels Anknüpfung durch den Gesetzgeber oder durch die Rechtsprechung kein Rechts-, sondern ein Sammelbegriff. Aus diesem Grund und aus der damit verbundenen Unbestimmtheit bietet es sich an, diesen Be-griff, der durch die Kommission 55 eine erste, jedoch unzureichende Definition erfahren hat, umfassend zu interpretieren. Habersack 56 versteht Public Private Partnerships als spezielle Ausprägung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen mit beschränktem Gesellschafterkreis und mit einem auf das Gebiet der Daseinsvorsorge beschränkten Unternehmensgegenstand 57. Gröning 58 stellt das Medium der Partnerschaft in den Vordergrund und begreift PPP als „die auf vertraglicher Basis und längerfristig angelegte Zusammenarbeit zwischen Trägern öffentlicher Aufgaben und privaten Einrichtungen sowie Unternehmen zur Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher Ziele auf der Grundlage von gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen oder von Kooperationsvereinbarungen bzw. Finanzierungsverträgen“. Einer umfassenden Interpretation näher kommt der von Opitz 59 und Wolf 60 gewählte ökonomische Ansatz, wonach PPP als „Kooperationen zwischen öffentlichen und privatrechtlichen Aufgabenträgern, bei denen beide Vertragspartner spezifische Investitionen in einen gemeinsamen Leistungsprozess einbringen“ beschrieben werden. In einem extensiven Verständnis lassen sich Public Private Partnerships als sämtliche Formen der Kooperation des Staates und seiner Untergliederungen mit Privaten, die in einem öffentlichen Interesse liegen, bezeichnen. Die Beteiligung eines Privaten birgt regelmäßig die Möglichkeit der Kapitalbeschaffung und erleichtert die Finanzierung von Großprojekten, in erster Linie im werde „institutionell-organisatorisch“ und nicht „funktionell“ privatisiert. Zur Beleihung allgemein: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3, § 90 Rdnrn. 1 ff.; Stadler, Die Beleihung in der neueren Bundesgesetzgebung, 2002. 54 Dreher, NZBau 2002, S. 245/246 f. 55 Mitteilung der Kommission, ABlEG 1999, Nr. C 94, S. 4/7 ff.; vgl. auch BT-Drs. 749/97. Demnach erfasst der Begriff Public Private Partnership die „verschiedenen Formen der privaten Kapitalbeteiligung an der Finanzierung und Verwaltung öffentlicher Infrastrukturen und Leistungen des öffentlichen Sektors“. Zurückhaltender ist die Kommission im „Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“ (KOM (2004) 327), in dem sie sich auf die Nennung charakteristischer Merkmale beschränkt und im Übrigen „alle Formen der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Stellen und Privatunternehmen zwecks Finanzierung, Bau, Renovierung, Betrieb oder Unterhalt einer Infrastruktur oder die Bereitstellung einer Dienstleistung“ umfasst haben will. 56 Habersack, ZGR 1996, S. 544/545 f. 57 In diese Richtung tendiert auch Stapenhorst (VergabeR 1997, Vergabe Special, S.V): „partnerschaftliche Infrastrukturprojekte“. 58 Gröning, ZIP 2001, S. 497. 59 Opitz, ZVgR 2000, S.97/99. Zum Phänomen Public Private Partnership aus ökonomischer Sicht: Bös/Schneider, ZGR 1996, S. 519 ff. 60 Wolf, in: Jahrbuch für neue politische Ökonomie, 1996, S.243 ff. (zitiert nach Opitz, ZVgR 2000, S. 97/99).

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Bundesfernstraßenbau und im öffentlichen Hochbau 61. In neuen bzw. neu eröffneten Tätigkeitsfeldern ist dies meist auch die einzig durchführbare Möglichkeit, am Know-How des Privaten zu partizipieren. Langfristig können solche Kooperationen der Effizienzsteigerung und der Gewinnerzielung dienen. Die Vorteile sind freilich nicht auf den öffentlich-rechtlichen Partner beschränkt. Für den sich beteiligenden Privaten bietet sich die Chance, einen langfristigen und sicheren Auftrag zur Erbringung bestimmter Leistungen zu erhalten 62. Zudem ist der Private bei künftigen Privatisierungen faktisch im Vorteil. Er wird auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit häufig unschlagbar sein, da der Zuschlag gemäß § 97 Abs. 5 GWB auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wird, wobei neben der Günstigkeit die Kriterien der Eignung gemäß § 97 Abs. 4 GWB, insbesondere also auch diejenigen der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit zu berücksichtigen sind. 63 Insofern besteht bereits mit der erstmaligen Beteiligung eine gewisse, freilich nicht im streng bürgerlich-rechtlichen Sinn zu verstehende Anwartschaft auf ein expandierendes Geschäftsfeld. In mehreren Mitgliedstaaten und Beitrittsländern wurden Instrumente zur Koordinierung und Förderung von PPP, sog. Task forces, geschaffen 64. 5. Sonstige Privatisierungsformen Neben den genannten Kategorien bestehen weitere Formen von Privatisierungsprozessen. Bei der Verfahrensprivatisierung 65 schränkt der Staat nach dem Willen des Gesetzgebers seine Ordnungsfunktion in unterschiedlichem Umfang ein, womit 61 Zu den Modellen von PPP im Allgemeinen und in den Bereichen Bundesfernstraßenbau und Öffentlicher Hochbau im Speziellen: Stellungnahme der Bundesregierung zum Grünbuch der EU-Kommission zu öffentlich-privaten Partnerschaften (veröffentlicht unter www.bmwi. bund.de), S.5 ff. Zum Fernstraßenbau ferner: Byok/Jansen, NZBau 2005, S.241 ff.; Roth, NVwZ 2003, S. 1056 ff. Vgl. i. Ü. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3, § 92 Rdnrn. 24 ff. 62 Der an den Privaten oder, im Falle einer gemischtwirtschaftlichen Unternehmung, an das Unternehmen in der Regel langfristig zu vergebende öffentliche Auftrag zur Erbringung bestimmter Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen bildet meist das entscheidende „asset“, das der öffentliche Partner in die Kooperation einbringt. Mangels bisheriger Tätigkeit des Privaten auf dem bis zum Beginn der Kooperation genuin öffentlichen „Markt“ können sich für den privaten Partner erhebliche Probleme der Bewertung und Risikoabschätzung ergeben. 63 Das Kriterium der Wirtschaftlichkeit war auch schon vor Inkrafttreten des VgRÄG nach den Verdingungsordnungen maßgeblich (z. B. §§ 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A, 25 b Nr. 1 VOL/A). Nach den Vergaberechtsrichtlinien hätte der deutsche Gesetzgeber auch das Prinzip des niedrigsten Preises statuieren können. 64 Vgl. Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften (Fn. 55), S. 4. In der BRD hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Jahr 2002 einen Lenkungsausschuss zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und zur Schaffung eines Kompetenznetzwerks eingerichtet. Am 1.9.2005 wurde vom deutschen Gesetzgeber das Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften beschlossen (BGBl. 2005 I. S. 2676). Ein gemeinschaftsrechtliches Regelwerk für PPP lehnt die Bundesregierung (Stellungnahme (Fn.61), S. 20) dezidiert ab. Zu nationalen Überlegungen zur Verankerung von PPP im VwVfG: Reicherzer, DÖV 2005, S. 603 ff. 65 Hierzu Hoffmann-Riem, DVBl. 1996, S. 225 ff.

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eine Stärkung der Eigenverantwortung der Bürger einhergeht. Als markantes Beispiel kann die Verschlankung des bauordnungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens der Landesbauordnungen im letzten Jahrzehnt dienen. Die reduzierte Ordnungsfunktion wird nicht selten durch die Verwendung von Dienstleistungsvokabular flankiert. 66 Ferner besteht in jüngerer Zeit die Tendenz der Umqualifizierung bzw. Umwertung von Rechtsmaterien. Die Rechtsbereiche werden von ihrer öffentlich-rechtlichen Verankerung gelöst, gegebenenfalls materiellrechtlich modifiziert und anschließend gesondert oder im Rahmen von sog. Jedermann-Vorschriften geregelt. Mit einher geht die Entwicklung, die Kontrolle behördlicher Entscheidungen der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu überantworten. 67 Das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe oberhalb der Schwellenwerte fällt in diese Kategorie. Diese Entwicklungen lassen sich als „schleichende Privatisierung“ bezeichnen.

III. Kategorisierung der öffentlichen Auftragsvergabe In Frage steht, ob sich der Regelfall 68 der Bedarfsdeckung, nämlich die Beschaffung der staatlich benötigten Güter und Leistungen sächlicher und persönlicher Art am privaten Markt, im Wege der Vergabe öffentlicher Aufträge als Privatisierungsmaßnahme einordnen lässt. Eingedenk der Komplexität von Privatisierungsprozessen kommt man nicht umhin, das allgemeine Raster von Privatisierungsformen als heuristisch zu bezeichnen 69. Die Frage der Einordnung der Heranziehung Privater zur Deckung des staatlichen Bedarfs veranschaulicht bestehende Grauzonen einmal mehr. 1. Annäherung an die Problematik Die sich im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe vollziehende Heranziehung Privater zur Erfüllung der dem Staat obliegenden Agenden deutet auf die Kategorie der funktionalen Privatisierung bzw. des contracting out hin. Dieser Weg wird auch im Schrifttum beschritten: Pietzcker 70 folgert aus dem Verzicht auf die staatliche Eigenproduktion zugunsten der Nutzbarmachung der Arbeit von Privatunternehmen, dass jede Beschaffungsmaßnahme – zumindest in einem weiten Sinn – als vertragliche Auslagerung staatlicher Aufgabenerfüllung zu qualifizieren Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rdnr. 101. Vgl. Leisner, JZ 2006, S. 869/875; Schmidt-Aßmann, VBlBW 2000, S. 45/47; Schoch, VBlBW 2000, S. 41 ff. 68 Zu den allgemein bestehenden Möglichkeiten staatlicher Bedarfsdeckung siehe 1. Kapitel C. I. 69 Vgl. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243/251; Kämmerer, Privatisierung, S. 17 ff., 23 ff. m. w. Nachw.; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137/150; Schoch, DVBl. 1994, S. 962/966, 969. 70 Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandels, S. 339 f. 66 67

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sei. Möschel 71 versteht jeden Übergang von der Eigenproduktion zum Fremdbezug als eine Form der Privatisierung. Ob es sich hierbei um die Bewältigung von Kernaufgaben oder lediglich von Hilfsdiensten, beispielsweise der Reinigung, Instandhaltung oder Pflege von Einrichtungen, handelt, sei dahingestellt. 72 Auch Opitz 73, Bauer 74 und Graf Vitzthum 75 pflichten dem Vergabewesen Privatisierungscharakter bei. Unter Zugrundelegung eines abstrakten, weitgreifenden und jegliche Einschaltung Privater bzw. privatrechtlich organisierter Rechtssubjekte umfassenden Privatisierungsbegriffs mag eine solche Folgerung schlüssig sein. Vieles spricht jedoch dafür, die Entscheidung pro Beschaffung am Markt und die daraus resultierenden Bedarfsdeckungsgeschäfte nicht unter das Grobraster möglicher Privatisierungsarten zu subsumieren. Die häufig anzutreffende Formulierung, die Ersetzung der Eigenproduktion durch Fremdbezug lasse sich als eine Art der (funktionalen) Privatisierung begreifen, ist im Hinblick auf die Einordnung des staatlichen Beschaffungswesens mit Vorsicht zu genießen. Die im Rahmen vorstehender Ausführungen im 1. Kapitel in Abschnitt C. I. erörterte, prinzipiell bestehende Möglichkeit der Bedarfsdeckung durch Eigenproduktion bildet den Ansatz der nachstehenden Ausführungen. Dieser lässt sich nicht mit dem Einwand beiseite wischen, die historische Entscheidung sei, jedenfalls für den Sachgüterbereich, durch den sich im 19. Jahrhundert sprunghaft erhöhenden Bedarf unfrei gewesen und könne im Hinblick auf die Privatisierungsdebatte nicht fruchtbar gemacht werden. In diesem Sinn ist auch Pietzcker 76 zu verstehen, der formuliert, „der Rückgriff auf die Ressourcen des gesellschaftlich-wirtschaftlichen Bereiches ist ein Hauptmerkmal unserer Gesamtordnung und deshalb weder als Abgrenzungskriterium noch als Problemgesichtspunkt von Bedeutung“. Für die Frage der Kategorisierung muss die Motivation zur Abgabe von Rechtsmacht an Private vielmehr außer Betracht bleiben. Diese ist, wie ausgeführt, vielgestaltig und nicht immer frei von Zwängen. Dennoch impliziert die grundsätzlich bestehende Möglichkeit, den staatlichen Bedarf durch Eigenproduktion zu decken, nicht, die Ersetzung der Eigenproduktion (durch Fremdbezug) als eine Fallgruppe der funktionalen Privatisierung zu erfassen. Die Bereiche der Herstellung und Gewährleistung der zur Erfüllung einer Aufgabe notwendigen Bedingungen einerseits und das Bestehen bzw. die Wahrnehmung derselben andererseits müssen differenziert betrachtet werden. Die Kategorisierung der Einschaltung Privater, ohne ihnen die wahrzunehmende Aufgabe zu übertragen, ist nicht einheitlich. Klarheit besteht insoweit, als der Private zur Aufgabenerledigung hinzugezogen wird, also auf der Ebene der „Aufgabendurchfüh-

71 Möschel, WuW 1997, S. 120/121; ders., in: FS f. I. Schmidt, S. 351; ders., in: FS f. Gernhuber, S. 905/908. Zustimmend Opitz, ZVgR 2000, S. 97/99. 72 Vgl. auch Bolsenkötter, DB 1993, S. 445; Knemeyer, WiVerw 1978, S. 65/67. 73 Opitz, ZVgR 2000, S. 97/99. 74 Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243/250, 273. 75 Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580/591 f. 76 Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandels, S. 340.

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rung“ 77, des „Aufgabenvollzugs“ 78, der „Überantwortung“ 79 einer Aufgabe bzw. der „Leistungserstellung“ 80 tätig wird. 2. Beschaffung als aufgabenbezogene Vorstufe und selbständige Aufgabenebene Es bestehen Zweifel, ob die staatliche Bedarfsdeckung im Wege der Vergabe öffentlicher Aufträge als Wahrnehmung von staatlichen oder öffentlichen Aufgaben durch Private kategorisiert werden kann. Sie ist, wie später auszuführen sein wird81, zwar auf die konkret in Frage stehende Staatsaufgabe und ihre Wahrnehmung bezogen. Als Vorstufe und Voraussetzung geht sie ihr aber notwendig voraus und schafft die Bedingungen für eine ordnungsgemäße, durch den Staat oder durch Private erfolgende Aufgabenerfüllung. Ein solches Verständnis hat zur Konsequenz, dass die staatliche Bedarfsdeckung sich zwar unter Einbeziehung Privater vollzieht, sich wegen der Verortung auf vorgelagerter Ebene indes nicht dem gängigen Katalog möglicher Privatisierungsformen zuordnen lässt. Sie legt idealiter den Grundstein für die sich auf nachfolgender Ebene, möglicherweise unter Einbeziehung Privater, vollziehende Aufgabenerfüllung. Dass die staatliche Beschaffungstätigkeit und die jeweils wahrzunehmende, den Bedarf erst hervorrufende Staatsaufgabe nicht einer einheitlichen, sondern einer differenzierten Betrachtung nach Aufgabenebenen bedürfen, hat Burgi 82 dargestellt. Er bescheinigt beiden Betätigungsfeldern die Qualität einer Aufgabe. Terminologisch handle es sich aber bei der zu erfüllenden Staatsaufgabe um eine „finale Aufgabe“ 83. Burgi 84 beurteilt eine staatliche Beschaffungsmaßnahme bei der Frage der Bejahung eines Prozesses der funktionalen Privatisierung danach, ob bei der dem privaten Auftragnehmer obliegenden Leistung ein „funktionaler Bezug zu einer [finalen, Anm. d. Verf.] Staatsaufgabe erkennbar“ wird. In diesem Fall werde diese Leistung gleichsam ohne Zäsur, also „uno actu mit der Mitwirkung bei der Wahrnehmung der betreffenden Staatsaufgabe“ erbracht. Seiner Auffassung nach ist eine funktionale Privatisierung zu bejahen, wenn Private einen unmittelbaren Beitrag zur Staatsaufgabe leisten und hierdurch mit ihr in Beziehung treten, wo77 Gröpl, GewArch 1995, S. 367/368; Schoch, DVBl. 1994, S. 962/963; vgl. auch Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243/252; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137/147 f. 78 Schuppert, DÖV 1995, S. 761/767; Wahl, DVBl. 1993, S. 517/519. 79 Möschel, in: FS f. I. Schmidt, S. 351; Monopolkommission, 9. Hauptgutachten, BT-Drs. 12/3031, S. 23. 80 Kämmerer, Privatisierung, S. 23; Schoch, DVBl. 1994, S. 962/963. 81 Siehe 3. Kapitel B. II. 82 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S.148. Vgl. schon Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 30. 83 Die Terminologie ist nicht einheitlich. Mit den Worten Beckers und Kosiols (siehe 1. Kapitel C. III. 1.) handelt es sich um eine „Primäraufgabe“. Müller (Das öffentliche Gemeinwesen, S. 26 ff.) spricht von „externen“ öffentlichen Aufgaben. 84 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 149 ff. Ebenso Hüser, Ausschreibungspflichten bei der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 90 f.

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hingegen die Qualifikation als funktionale Privatisierung ausscheiden soll, wenn das konkrete Beschaffungsgeschäft ohne erkennbaren Bezug zur Staatsaufgabe bleibt und demnach als bloße Bedarfsdeckung in der Form eines separaten, abgeschichteten Vorgangs mit Zäsurwirkung anzusehen ist. Die Bejahung bzw. Verneinung eines Privatisierungsprozesses bei einer staatlichen Beschaffungsmaßnahme anhand des Kriteriums des erkennbaren funktionalen Bezugs zu einer finalen Staatsaufgabe wirft in mehrfacher Hinsicht Bedenken auf. Burgi entwickelt die maßgebliche Differenzierung zwischen der Ebene der Bedarfsdeckung und der Ebene der den Bedarf hervorrufenden finalen Staatsaufgaben 85. Dem ist ebenso zuzustimmen wie seiner Schlussfolgerung, wonach „die bloße Deckung des Bedarfs bei Privaten“ nicht als funktionale Privatisierung einzuordnen ist. Jedoch begreift Burgi – die Bejahung eines gemäß seiner Doktrin erkennbaren funktionalen Bezuges zur finalen Staatsaufgabe unterstellt – die Heranziehung des Privaten nur (noch) als funktionale Privatisierung mit einem bedarfsdeckenden Element und nicht als eigenständige Aufgabe der Bedarfsdeckung. Soweit der Private unmittelbar in die Erfüllung der den Bedarf hervorrufenden Aufgabe eingeschaltet ist, trete er in Beziehung zu dieser Aufgabe. Dieser funktionale Bezug zur finalen Staatsaufgabe oder die Veranlassung des Privaten zur Erfüllung von Staatsaufgaben mit bedarfsdeckendem Charakter stelle einen Prozess der funktionalen Privatisierung dar. Insoweit würden die in die Erfüllung der Staatsaufgabe einzuschaltenden Privaten „beschafft“. 86 In der Konsequenz wird die gebotene Differenzierung zwischen den Aufgabenebenen der Bedarfsdeckung und der finalen Staatsaufgabe nicht durchgehalten. Die Veranlassung eines Privaten zur Leistungserbringung wird vielmehr je nach Fallgestaltung, also je nach Bejahung oder Verneinung eines unmittelbaren funktionalen Bezuges, als ein einheitlicher Akt der Erfüllung einer finalen Staatsaufgabe und damit als ausschließlich dieser zugeordnet oder als eine bloße, das heißt eine den Formen der Privatisierung nicht zugängliche, Leistung an den Staat angesehen. Eine solche Reduktion wird den fortbestehenden Aufgabenebenen „Wahrnehmung der finalen Staatsaufgabe“ und „Bedarfsdeckung“ nicht gerecht. Richtigerweise kann trotz der Zuordnung der jeweiligen Beschaffungsmaßnahme zu der/den konkret wahrzunehmenden Staatsaufgabe/n und trotz der etwaigen Einschaltung eines ausgewählten privaten Auftragnehmers in die auf nachfolgender Ebene vonstatten gehende Aufgabenerledigung die Ebene der Bedarfsdeckung nicht verlustig gehen. Diese Ebene kann als notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung finaler 85 Der Großteil des Schrifttums stellt in dem Fall, dass ein Privater sowohl bedarfsdeckend als auch (final) aufgabenerledigend herangezogen wird, mangels Problembewusstseins lediglich auf die letztere Tätigkeit ab und bejaht unter Außerachtlassung der vorgelagerten Beschaffungsphase undifferenziert das Vorliegen einer funktionellen Privatisierung von Staatsaufgaben bzw. eines contracting out (Bolsenkötter, DB 1993, S. 445; Möschel, in: FS f. Gernhuber, S. 905/908; ders., in: FS f. I. Schmidt, S. 351; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204/223; Schoch, DVBl. 1994, S. 962/963; Wahl, DVBl. 1993, S. 517/519). 86 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 149 ff.

A. Die öffentliche Auftragsvergabe als Prozess der Privatisierung

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Staatsaufgaben 87 nicht im Wege von Schwerpunktüberlegungen aus der Sicht eines außenstehenden Dritten zugunsten der alleinigen Zuordnung zur Aufgabenerledigung übergangen werden. Sie steht vielmehr neben der finalen Staatsaufgabe, so dass die ordnungsgemäße Erledigung einer auf die marktmäßige Beschaffung von Gütern angewiesenen Staatsaufgabe stets beide Phasen durchschreitet. Die Beschaffung der zu dieser Aufgabenerledigung erforderlichen Ressourcen stellt eine notwendige Vorstufe, gleich einer conditio sine qua non, dar 88. Sie ist als von der finalen Aufgabe abhängige, jedoch eigenständige Aufgabenebene zu begreifen 89. Zwar legt im Falle der Heranziehung Privater zur Beschaffung von Gütern und Leistungen und zugleich zur Aufgabenerledigung – quasi „uno actu“ 90 – das äußere Erscheinungsbild die Annahme nahe, dass beide Ebenen zu Gunsten der finalen Aufgabe zusammenfallen. Dass das äußerlich einheitliche Erscheinungsbild jedoch keinerlei Auswirkung auf die rechtliche Einordnung tätigt, hat bereits Wallerath 91 dargestellt. Terminologisch zu trennen sind „Beschaffungsphase“ und „Absatzphase“ 92. Für das Bestehen und Bestehenbleiben beider Phasen in der Konstellation, in der Private zusätzlich in die Erledigung der nachfolgenden finalen Aufgabe eingeschaltet sind, sprechen die zugrunde liegenden rechtlichen Verhältnisse. Es bestehen stets die Rechtsbeziehung zwischen öffentlichem Auftraggeber und privatem Auftragnehmer sowie die Rechtsbeziehung zwischen zuständiger Verwaltungsbehörde und privatem Erfüllungsgehilfen 93. Eine die rechtlichen Bezugsverhältnisse missachtende Zuordnung ausschließlich zur Bedarfsdeckung oder zur Aufgabenerledigung begegnet auch im Hinblick auf die Umsetzung anhand des Kriteriums des erkennbaren funktionalen Bezuges Schwierigkeiten. Freilich lässt sich argumentieren, Abgrenzungsfragen nach dem Schwerpunkt eines bestimmten Verhaltens oder anhand eines ähnlich gelagerten Kriteriums seien dem Beruf eines Juristen und seiner Arbeitsweise immanent. Gegen das von Burgi entwickelte Kriterium spricht aber, dass jede staatliche Bedarfsdeckungsmaßnahme einen Bezug zur wahrzunehmenden Staatsaufgabe aufweist. Bedarfsdeckendes Tätigwerden des Staates durch Heranziehung Privater ist stets Ausfluss der Verpflichtung zu deren Wahrnehmung. Es ist Folge und Voraussetzung dieser Verpflichtung zugleich. Unterschiede bestehen allenfalls insoweit, als der Bezug zur konkret wahrzunehmenden Staatsaufgabe in mehr oder weniger starker AkSo auch die Diktion von Burgi (Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 150). Ebenso Müller, Das öffentliche Gemeinwesen als Subjekt des Privatrechts, S. 35 f. 89 Vgl. 3. Kapitel B. II. 3. 90 So auf das einheitliche äußere Erscheinungsbild abstellend: Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 149. 91 Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 30. 92 „Beschaffungsphase“ meint das Auftreten eines Verwaltungs- oder Privatbetriebes als Nachfrager von Gütern, „Absatzphase“ hingegen das Auftreten als Anbieter von Leistungen (Vgl. Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 26). 93 Wallerath (Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 30) unterscheidet die Beziehungen zwischen der Verwaltung und dem Leistungserbringer und zwischen der Verwaltung und dem Leistungsempfänger. 87 88

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

zentuierung nach außen tritt. Das generelle Bestehen des Bezuges bleibt hiervon unberührt. Ein graduell unterschiedliches äußeres Erscheinungsbild eignet sich für die rechtliche Kategorisierung auch nicht als Indiz. Eingedenk der Funktion staatlicher Beschaffungstätigkeit, nämlich der Sicherstellung des aufgrund selbst- oder fremdgesetzter Aufgaben erforderlichen Bedarfs und der Vorbereitung einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung, ist zu folgern: Die reine staatliche Beschaffungstätigkeit durch die Vergabe von Aufträgen stellt keinen Akt der Privatisierung von Staatsaufgaben und keine Aufgabe mit finalem Charakter dar. (Funktionale) Privatisierungsfragen stellen sich auf der Ebene der Aufgabenerledigung gegenüber dem Leistungsempfänger, rechtlich gegenüber der zuständigen, den Privatisierungsprozess steuernden Verwaltungsbehörde. Die vorgeschaltete Ebene der Bedarfsdeckung verdient eine gesonderte Betrachtung. Die Verneinung des Charakters einer finalen Aufgabe bedeutet freilich nicht, dass die Wahrnehmung von Bedarfsdeckungsgeschäften einer Privatisierung gänzlich abträglich ist. Wie nahezu jede öffentlichrechtliche Agitation ist auch die – klassisch von der sog. Intendanturverwaltung wahrgenommene – Beschaffungstätigkeit nicht vom Sog der Privatisierungswelle verschont. Es werden Überlegungen angestellt, die Beschaffung sächlicher Güter und Dienstleistungen formell durch Beschaffungs- oder Servicegesellschaften oder sogar funktionell unter Einbeziehung eines Privaten zu privatisieren 94. 3. Ergebnis Aus Vorstehendem ergibt sich, dass die Frage nicht lauten kann, ob die staatliche Auftragsvergabe an Privatunternehmen anstelle der Eigenproduktion als Privatisierungsmaßnahme zu kategorisieren ist. Sie kann nur lauten, ob hinsichtlich des auf das Bestehen von Privatisierungsvorgängen konkret zu untersuchenden Sachverhalts die (Erledigung der) finale(n) Aufgabe (funktional oder) materiell privatisiert wird und/ oder ob die Erledigung der sich auf vorgelagerter Ebene befindlichen Aufgabe der Bedarfsdeckung in private Hände gegeben wird. Bezüglich Letzterer sind für den Regelfall der staatlichen Beschaffung von Gütern und Leistungen solche Erwägungen nicht anzustellen: Der öffentliche Auftraggeber beschafft mittels behördeninterner Einheiten, nach herkömmlicher Bezeichnung „Bedarfs-“ oder „Intendantureinheiten“ 95, die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Ressourcen sächlicher und persönlicher Art. Der private Auftragnehmer ist nicht zugleich in die Durchführung dieser Aufgabe eingeschaltet. Privatisierungsfragen stellen sich insoweit nicht, da die bloße marktmäßige Beschaffung erforderlicher Güter von Privaten mangels der Abgabe von Rechtsmacht die Bejahung einer Privatisierungsmaßnahme nicht begründen kann. Sofern hinsichtlich der eigenständigen Beschaffungsebene Aufgaben nicht aus der öffentlichen Hand gegeben werden, besteht Raum für die Annahme eines Priva94 Bull, VerwArch. 86 (1995), S. 621/625. Ein Beispiel ist das Hamburger Beleihungsgesetz v. 20.1.1997, HmbGVBl. 1997, S. 8. 95 Vgl. Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 57.

B. Privatisierung von Hoheitsträgern

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tisierungsprozesses lediglich auf der Ebene der Erfüllung der sog. finalen Staatsaufgabe. Dem steht nicht entgegen, dass an den hierfür ausgewählten Privaten bereits auf der vorgelagerten Ebene der Beschaffung Aufträge vergeben wurden. Insofern wird deutlich, dass die Thematik des Verhältnisses von Privatisierung und staatlicher Bedarfsdeckung in erheblichem Maße mit der Staatsaufgabendogmatik verwoben ist. Diese ist ferner bei der Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses und der Bedarfsdeckungsgeschäfte in die Systematik der Handlungsformen der Verwaltung maßgeblich. An dieser Stelle sei auf spätere Ausführungen96 verwiesen.

B. Die öffentliche Auftragsvergabe im Rahmen der Privatisierung von Hoheitsträgern Privatisierungsprozesse bewegen sich im Rahmen des die Privatisierung betreffenden Fachrechts sowie in vielen weiteren Rechtsgebieten, so beispielsweise im Kommunalrecht, Haushaltsrecht, Europarecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Kartellrecht, Arbeitsrecht und schließlich im Recht der öffentlichen Auftragsvergabe. Die folgenden Ausführungen widmen sich der Frage, ob die bei einem konkreten Privatisierungsvorhaben mit dem privaten Rechtsträger offen oder auch verdeckt geschlossenen Vereinbarungen und vorzunehmenden Praktiken die Anwendbarkeit des Vergaberechts eröffnen. Da Privatisierungsvorhaben die geltenden Schwellenwerte der Vergaberichtlinien, umgesetzt in §§ 100 Abs. 1, 127 Nr. 1 GWB und § 2 VgV 97, meist deutlich überschreiten, meint die Anwendbarkeit des Vergaberechts in diesem Sinn diejenige der kartellvergaberechtlichen Vorschriften der §§ 97 ff. GWB.

I. Annäherung an die Problematik 1. Konkretisierung des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts Die Anwendbarkeit der Vorschriften des Kartellvergaberechts setzt das Vorliegen eines öffentlichen Auftrages voraus. Öffentliche Aufträge sind gemäß § 99 Abs. 1 GWB entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, und Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsverträgen führen sollen 98. Zur Bejahung eiSiehe 3. Kapitel B. und C. Siehe 1. Kapitel B. II. 98 Liefer-, Bau- und Dienstleistungsverträge werden in § 99 Abs. 2–4 GWB definiert: „(2) Lieferaufträge sind Verträge zur Beschaffung von Waren, die insbesondere Kauf oder Ratenkauf oder Leasing, Miet- oder Pachtverhältnisse mit oder ohne Kaufoption betreffen. Die Verträge können auch Nebenleistungen umfassen. 96 97

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

nes öffentlichen Auftrages ist primär erforderlich, dass an dem betreffenden Vertragsverhältnis ein öffentlicher Auftraggeber beteiligt ist (sog. Vorrangprüfung der Vorschrift des § 98 GWB) 99. Im Einzelfall kann sich die inhaltliche Einordnung des jeweiligen öffentlichen Auftrages als Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsauftrag schwierig gestalten. Angesichts der vergleichsweise speziellsten Regelung des öffentlichen Bauauftrages ist dessen Vorliegen zunächst zu klären. Scheidet eine Einordnung als Bauauftrag aus, ist das Vorhandensein eines öffentlichen Lieferauftrages zu prüfen. Die Legaldefinitionen der Bau- und Lieferaufträge sind dabei extensiv zu verstehen. Erst wenn nach einem extensiven Verständnis auch ein öffentlicher Lieferauftrag nicht vorliegt, kommt der Auffangtatbestand des öffentlichen Dienstleistungsvertrages in Betracht. Für die nicht selten anzutreffende Fallkonstellation, dass der in Frage stehende öffentliche Auftrag Merkmale verschiedener Auftragstypen enthält, sah das GWB, abgesehen von der Vorschrift des § 99 Abs. 2 Satz 2 GWB, wonach Lieferverträge auch Nebenleistungen umfassen können, eine Regelung bislang nicht vor. Bei der Einordnung des betreffenden Vertrages behalf man sich, sofern es sich nicht um klar trennbare und damit um selbständige Leistungen handelte, mit den allgemeinen Grundsätzen bei gemischten Verträgen und stellte auf den Schwerpunkt bzw. das Schwergewicht des Vertrages ab. § 99 Abs. 6 GWB nimmt diese Abgrenzung nunmehr auf. 100 Entscheidend ist demnach auch weiterhin der Teil des Vertrages, der dessen Inhalt wesentlich prägt 101. Ein aus Bau- und Dienstleistungen bestehender Vertrag ist als Bauauftrag anzusehen, wenn die Bauarbeiten „nicht von untergeordneter Bedeutung“ sind; ein aus Warenlieferungen und Dienstleistungen bestehender Vertrag als Lieferauftrag, wenn der Wert der betreffenden Waren den der in den Auftrag einbezogenen Dienstleistungen übersteigt.

(3) Bauaufträge sind Verträge entweder über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung eines Bauvorhabens oder eines Bauwerks, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll, oder einer Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen. (4) Als Dienstleistungsaufträge gelten die Verträge über Leistungen, die nicht unter Abs. 2 oder 3 fallen und keine Auslobungsverfahren sind.“ 99 Zum persönlichen Anwendungsbereich des Vergaberechts: Eschenbruch, in: Niebuhr/ Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 98 Rdnrn. 16 ff.; zur Rechtsprechung: Hailbronner, DÖV 2003, S. 534 ff.; Prieß, EuZW 2001, S. 365/368; Vetter, NVwZ 2001, S. 745/747 f. 100 EuGH, Urt. v. 19.4.1994, Rs. C-331/92, „Gestión Hotelera“, EuZW 1994, S. 349; Urt. v. 18.11.1999, Rs.C-107/98, „Teckal Srl/Gemeinde Viano“, EuZW 2000, S.246/248. Ebenso nun Art. 1 Abs. 2 lit. d der SKR und der VKR sowie § 99 Abs. 6 GWB. Die Ergänzung des GWB wurde zur Schaffung von Rechtsklarheit bei Abgrenzungsproblemen durch Art.1 des Gesetzes zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften (BGBl. I 2005, S. 2676) in das GWB eingefügt. 101 Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, §98 Rdnrn. 93 ff.; Hailbronner, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, §99 Rdnrn.368 ff.; Jasper, DB 1997, S.915/917; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, H. IV. Rdnr. 110; Thieme/Corell, DVBl. 1999, S. 884/890.

B. Privatisierung von Hoheitsträgern

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Eine Sonderstellung innerhalb der öffentlichen Aufträge nehmen die Konzessionen ein. Wie ein herkömmlicher öffentlicher Auftrag erlaubt das Mittel der Konzession die Einschaltung privater Rechtsträger zur Beschaffung der nachgesuchten Leistungen. Der Konzession ist eigentümlich, dass der Private als Konzessionär für die Erbringung des Auftrages als Gegenleistung nicht ein im Vergabeverfahren festgelegtes Entgelt, sondern das Recht erhält, die zu erbringende eigene Leistung zu nutzen oder entgeltlich zu verwerten 102. Der Konzessionär einer Bau- oder Dienstleistung erhält insoweit das Recht, ein Bauwerk für einen festgelegten Zeitraum ausschließlich zu nutzen oder eine Dienstleistung ausschließlich zu erbringen. Mit diesem Recht verbunden und der Konzession immanent ist, dass dem Konzessionär zur Gänze oder zum überwiegenden Teil das wirtschaftliche Nutzungsrisiko aufgebürdet wird. Von besonderer Bedeutung ist die Abgrenzung zwischen Bau- und Dienstleistungskonzessionen. Während die Baukonzession in § 99 Abs. 3 GWB zwar nicht ausdrücklich genannt ist, jedoch unstreitig ist, dass die vorgenannte Vorschrift, wie § 6 VgV 103 vorsieht, auch Baukonzessionen als ausschreibungspflichtige öffentliche Aufträge erfasst 104, ist die Dienstleistungskonzession nach der grundlegenden Entscheidung des EuGH 105 in der Rechtssache „Teleaustria“ kein ausschreibungspflich102 Boesen, Vergaberecht, § 99 Rdnr. 32; Gallwas, GewArch 2000, S. 401/407 f.; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, H. IV. Rdnrn. 98, 105. 103 Eine umfassende Regelung sehen nun § 99 Abs. 1 GWB des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Vergaberechts und § 51 des Entwurfs einer Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Stand jeweils 18.3.2005) vor. 104 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999, „Flughafen Berlin“, NZBau 2000, S. 39/40 f.; Endler, NZBau 2002, S. 125 ff.; Hailbronner, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdnrn. 339 ff. Die Baukonzession ist in § 98 Nr. 6 GWB definiert. 105 EuGH, Urt. v. 7.12.2000, Rs. C-324/98, „Teleaustria Verlags GmbH, Telefonadress GmbH/Telekom Austria AG, früher Post & Telekom Austria AG“, NZBau 2001, S.148 ff.; nun auch Urt. v. 21.7.2005, Rs. C-231/03, „Co. Na. Me.“, NVwZ 2005, S. 1052 ff.; vgl. auch schon VÜA Bayern, Beschl. v. 2.8.1998, VÜ 16/97, „Flugbetriebsstoffversorgung“, WuW/E Verg 178/179. Der EuGH begründet seine Entscheidung mit dem Gesetzgebungsverfahren der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie, wonach der Kommissionsvorschlag zur Einbeziehung von Dienstleistungskonzessionen durch den Rat ausdrücklich gestrichen wurde, woraus zu entnehmen sei, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber beschlossen habe, Dienstleistungskonzessionen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie einzubeziehen. Der Ausnahmetatbestand der Dienstleistungskonzession ist nun in Art. 17 VKR und in Art. 18 SKR ausdrücklich kodifiziert. Freilich sind, wie der EuGH betont, auch bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen die Grundregeln des Vertrags im Allgemeinen sowie das Diskriminierungsverbot und das Transparenzgebot im Besonderen zu beachten. Hierzu: Burgi, NZBau 2005, S.610 ff.; Gröning, NZBau 2001, S. 123 ff.; Jennert, NZBau 2005, S. 131 ff. Für detaillierte primärrechtliche Vorgaben für Vergaben außerhalb des sekundärrechtlichen Vergaberechtsregimes spricht sich die Kommission imGrünbuch zu Öffentlich Privaten Partnerschaften (S. 12) aus; dagegen: Stellungnahme der Bundesregierung (S. 15), siehe jeweils Fn. 55, 61; nun: Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen, v. 1.8.2006, ABlEG 2006, Nr. C-179/02. In der Rechtssache „Parking Brixen“ konkretisiert der EuGH (Urt. v. 13.10.2005, Rs. C-458/03, Rdnr. 50, NZBau 2005, S. 644 ff.) seine Rechtsprechung nun dahingehend, dass die Vergabe einer Dienstleistungskonzession ohne jegliche Ausschreibung „weder mit den Anforderungen der Artikel 43 EG und 49 EG noch mit den Grundsätzen der Gleich-

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

tiger öffentlicher Dienstleistungsauftrag. Folglich kommt der Einordnung der Konzession als Bau- oder als Dienstleistungskonzession die Aufgabe zu, über das Erfordernis der Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens zu entscheiden. Die Einordnung vollzieht sich nicht anders als die bereits ausgeführte Abgrenzung zwischen Bau- und Dienstleistungsverträgen nach dem Schwerpunkt des Vertrags- bzw. Konzessionsgegenstandes. Je nach dem Umfang des übernommenen wirtschaftlichen Nutzungsrisikos können schließlich Abgrenzungsschwierigkeiten zum herkömmlichen Bau- und Dienstleistungsvertrag bestehen. Aus der Vorschrift des § 6 Satz 2 VgV folgt, dass der Charakter einer Konzession noch nicht dadurch verlustig geht, dass der öffentliche Auftraggeber dem Konzessionär, wie in der Praxis üblich, eine Vergütung für die Erbringung der betreffenden Leistung zahlt. Dies führt lediglich dazu, dass eine Aufbürdung des Nutzungsrisikos auf den Konzessionär insoweit nicht stattfindet, als er vom öffentlichen Auftraggeber vergütet wird. 106 Eine Grauzone bei der Abgrenzung zwischen der Konzession und einem Bau- bzw. Dienstleistungsauftrag bleibt dennoch bestehen. Eine vergleichbare Konstellation wie bei der Vergabe von Konzessionen besteht bei der Vergabe von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen durch öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß §§ 54 ff. VwVfG oder durch Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG. Hintergrund ist zum einen, dass es, wie noch auszuführen sein wird, vielfach als nützlich und als wirtschaftlich zweckmäßig angesehen wird, sich von den Fesseln des Vergaberechts befreien zu können; zum anderen, dass bestimmte Projekte, gerade im Infrastrukturbereich, nur noch im Wege von Konzessionen oder im Wege von öffentlich-rechtlichen Verträgen, beispielsweise von Erschließungsverträgen, realisierbar sind 107. Das Schrifttum spricht treffend von der „Flucht in das öffentliche Recht“ 108. Dieser wurde durch die amtliche Begründung des VgRÄG Vorschub geleistet, wonach öffentliche Aufträge privatrechtliche Verträge über die Erbringung einer Leistung gegen Entgelt sind 109. Demzufolge wurden Beschaffungen mit dem Instrument des öffentlich-rechtlichen Vertrages als vom Kartellvergaberecht nicht erfasst angesehen 110. Indes ist opinio communis, dass einem Mitgliedstaat die Berufung auf die Bestimmungen seiner internen Rechtsordnung verwehrt ist, wenn damit der Versuch unternommen wird, die Nichtanwendung des vorrangigen Gemeinschaftsrechts zu rechtfertigen. Die Vergaberichtlinien sprechen ledigbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz in Einklang“ steht. Eine Ausnahme besteht freilich bei Einhaltung der Teckal-Kriterien (EuGH, Urt. v. 6.4.2006, Rs.C-410/04, „Associazione Nazionale Autotrasporto Viaggiatori/Commune di Bari, AMTAB Servizio SpA“, NZBau 2006, S. 326 ff.; vgl. 2. Kapitel B. III. 2.). 106 Endler, NZBau 2002, S. 125/126 ff. 107 Endler, NZBau 2002, S. 125 ff.; Opitz, ZVgR 2000, S. 97/109; Pieper, DVBl. 2000, 160 ff.; Würfel/Butt, NVwZ 2003, S. 153 ff. 108 Pieper, DVBl. 2000, S. 160 ff. 109 BT-Drs. 13/9340, S. 15. 110 So zum Beispiel OLG Celle, Beschl. v. 24.11.1999, NZBau 2000, S. 299; Bechthold, GWB, § 99 Rdnr. 1, anders nun in der 3. Auflage; Dreher, DB 1999, S. 2579/2587, anders aber in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, § 99 Rdnr. 7.

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lich von schriftlichen entgeltlichen Verträgen, wohl wissend, dass in den jeweiligen Mitgliedstaaten verschiedene nationale Vergaberechtssysteme mit teils privatrechtlichem und teils ausschließlich öffentlich-rechtlichem Charakter existieren. Ziel des Gemeinschaftsgesetzgebers ist die Harmonisierung der Vergaberechtssysteme. Würde man lediglich privatrechtliche Verträge dem Vergaberechtsregime unterwerfen, würde somit erstens die häufig schwierig zu handhabende Abgrenzung zwischen einem privatrechtlichen und einem öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Anwendung des Vergaberechts entscheiden, zweitens einer unzulässigen Umgehung des gemeinschaftsrechtlichen Vergaberechts Tür und Tor geöffnet und drittens eine fehlerhafte Richtlinienumsetzung mit den entsprechenden Konsequenzen vorliegen 111. Das Bestehen eines vergabepflichtigen öffentlichen Auftrages nach § 99 Abs. 1 GWB ist daher von der Rechtsform des Rechtsaktes zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer unabhängig 112. Etwa noch bestehende Zweifel an der Einordnung von öffentlich-rechtlichen Verträgen als öffentliche Aufträge wurden durch das Urteil des EuGH 113 in der Rechtssache „Milano“ ausgeräumt. Der Gerichtshof führt insoweit aus, dass ein öffentlich-rechtlicher Regelungszusammenhang im Fall der Erstellung von Erschließungsanlagen, also ein städtebaulicher Regelungszusammenhang, nicht genügt, um die unmittelbare Erstellung der Anlagen dem Anwendungsbereich der Richtlinie zu entziehen, sofern deren Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Dass der Erschließungsvertrag dem öffentlichen Recht unterliegt und die Ausübung öffentlicher Gewalt einschließt, spreche dem nicht entgegen, sondern sogar dafür. Diese Ausführungen beanspruchen volle Geltung auch für den Fall, dass sich öffentliche Auftraggeber darauf verlagern, bestimmte Leistungen qua Verwaltungsakt zu vergeben. Ein Verwaltungsakt stellt ersichtlich weder im Sinne des gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrechts noch im Sinne des transformierten nationalen Rechts einen öffentlichen Auftrag dar. Dennoch verbietet das sich aus den Vergaberichtlinien abzuleitende umfassende Umgehungsverbot und das Gebot der Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nach Art. 10 EG eine Vergabe mittels Verwaltungsakt 114. Öffentliche Auftraggeber sind gehalten, die zu beschaffenden Leistungen mittels öffentlicher Aufträge auszuschreiben 115. 111 Die Vergabepflichtigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge ebenfalls bejahend: Burgi, NZBau 2002, S. 57 ff.; Byok, NJW 2004, S. 198/201; Dreher, NZBau 2002, S. 245/255; Endler, NZBau 2002, S. 125/128 f.; Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdnrn. 20 ff.; Opitz, ZVgR 2000, S. 97/104; Pieper, DVBl. 2000, S. 160 ff.; Schimanek, NZBau 2005, S. 304/310; Zeiss, DVBl. 2003, S. 435 ff.; OLG Brandenburg, Beschl. v. 9.9.2004, NZBau 2005, S. 236 f.; OLG Naumburg, Beschl. v. 3.11.2005, DVBl. 2006, S. 121/123 f.; offengelassen noch von BGH, Beschl. v. 12.6.2001, NZBau 2001, S.517 ff. 112 Vgl. BGH, Beschl. v. 1.2.2005, NZBau 2005, S. 290/293; Dreher, NZBau 2002, S. 245/255. Näher im Folgenden B. II. 113 EuGH, Urt. v. 12.7.2001, Rs. C-399/98, „Milano“, VergabeR 2001, S. 380 ff. 114 Endler, NZBau 2002, S. 125/129. 115 Freilich gilt dies nicht im Anwendungsbereich der „ordre public“-Vorbehalte bzw. der Vorbehalte der Ausübung öffentlicher Gewalt gemäß Art. 45, 46, 55 EG. Die mitgliedstaatlichen Behörden sind mangels Kompetenz des Gemeinschaftsgesetzgebers insoweit nicht an die Grundfreiheiten und an das gemeinschaftsrechtliche Vergaberechtsregime gebunden. Aller-

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

Ein öffentlicher Auftrag liegt ferner nur vor, wenn es sich um einen entgeltlichen Vertrag handelt. Das Merkmal der Entgeltlichkeit wird weder durch die Vorschriften des GWB noch durch die europäischen Richtlinienvorgaben 116, die ebenfalls lapidar von schriftlichen 117 entgeltlichen Verträgen sprechen, konkretisiert. Allgemein gesagt ist eine vertragliche Vereinbarung entgeltlich, wenn sie auf einen Austausch von Leistungen abzielt, wobei Leistung und Gegenleistung miteinander rechtlich verknüpft werden. Zur Begründung der Entgeltlichkeit ist nicht erforderlich, dass die Gegenleistung geldwert oder vermögensrechtlich ist. Es genügt vielmehr eine kausale Verknüpfung dergestalt, dass Geschäftsgrundlage der zu erbringenden Leistung ist, dass hierfür eine Verpflichtung eingegangen oder eine Gegenleistung bewirkt wird. 118 Ein solches weites Verständnis der Entgeltlichkeit ist angesichts der Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit, insbesondere der Verhinderung der Umgehung, auch den europäischen Richtlinienvorgaben und ihrer nationalen Umsetzung in § 99 Abs. 1 GWB zugrunde zu legen 119. 2. Problemstellung im Bereich von Privatisierungen Der Staat und seine Untergliederungen haben, wie in Abschnitt A. II. dargelegt, verschiedene Möglichkeiten bei der Abgabe von Rechtsmacht zugunsten von Personen des Privatrechts. Soweit im Rahmen des Privatisierungsprozesses ein öffentlicher Auftrag nach §99 Abs.1 GWB zu vergeben ist, erfordern §§97 Abs.1, 98 GWB grundsätzlich die Durchführung eines Vergabeverfahrens gemäß §101 GWB. Gerade bei funktionalen Privatisierungsvorgängen, beispielsweise der Etablierung eines gedings ist der Begriff der „Ausübung öffentlicher Gewalt“ nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gemeinschaftsrechtlich und als Rechtfertigung einer Ausnahme restriktiv zu verstehen. Gefordert wird eine „unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt“ (z. B. EuGH, Urt. v. 15.3.1988, Rs. C-147/86, „Kommission/Griechenland“, Slg. 1988, S. 1653/1654; Urt. v. 5.12.1989, Rs. C-3/88, „Kommission/Italien“, NVwZ 1991, S. 356 ff.; hierzu: Dreher, NZBau 2002, S. 245/256 f.; Endler, NZBau 2002, S. 125/129. Das OLG Brandenburg (Beschl. v. 9.9.2004, NZBau 2005, S. 236 ff.) hat bei rettungsdienstlichen Aufgaben gemäß § 5 BbgRettG das Merkmal der öffentlichen Gewalt bejaht. 116 Vgl. Art. 1 a BKR; Art. 1 a LKR; Art. 1 a DKR; Art. 1 Ziff. 4 SKR; nun Art. 1 Abs. 2 a) SKR und Art. 1 Abs. 2 a) VKR. 117 Das deutsche Kartellvergaberecht erwähnt das Merkmal der Schriftlichkeit nicht. Streitig ist, ob es sich um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers handelt oder ob auch mündlich geschlossene Verträge öffentliche Aufträge im Sinn von § 99 GWB sein können (vgl. Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdnr. 19; Hailbronner, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdnrn. 341 f.). 118 RG, Beschl. v. 30.1.1940, Z 163, S. 348/356; BGH, Urt. v. 4.3.1999, NJW 1999, S. 1549 ff.; Beschl. v. 1.2.2005, NZBau 2005, S. 290/293; vgl. auch Putzo, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 516 Rdnr. 8. 119 EuGH, Urt. v. 12.7.2001, Rs. C-399/98, „Milano“, VergabeR 2001, S. 380 ff.; BGH, Beschl. v. 1.2.2005, NZBau 2005, S. 290/293; OLG Naumburg, Beschl. v. 3.11.2005, DVBl. 2006, S. 121/125 f.; Boesen, Vergaberecht, § 99 Rdnr. 57; Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/ Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdnr. 39; Jennert, NZBau 2005, S. 131/134; a. A. Werner/Köster, NZBau 2003, S. 420 ff.

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mischtwirtschaftlichen Unternehmens, ist der öffentlich-rechtliche Aufgabenträger in Bezug auf die Auswahl des Privaten wenig gewillt, sich den Zwängen des Kartellvergaberechts zu unterwerfen. Ihm ist häufig daran gelegen, kein Vergabeverfahren durchzuführen, den öffentlichen Auftrag stattdessen an einen von vornherein ins Auge gefassten Auftragnehmer bzw. an eine bestimmte gemischtwirtschaftliche Gesellschaft zu vergeben. Hierfür können vielfältige Gesichtspunkte ursächlich sein: Man hat sich beispielsweise bereits zu Beginn der Privatisierungsbestrebungen mit einem bestimmten privaten Partner oder mit diesem auf eine bestimmte, unter Umständen noch zu gründende Gesellschaft geeinigt und will nun nicht das Risiko auf sich nehmen, dass dieser oder diese in einem durchzuführenden Vergabeverfahren unterliegt. Ferner können faktische Zwänge bestehen, so zum Beispiel aus einer bereits gegebenen Zusage oder aus einer politischen Entscheidung, wonach mit einem bestimmten Partner kooperiert werden soll. Nicht selten ist der Fall, dass nach dem Willen des öffentlichen Auftraggebers die Kooperation mit dem oder den Privaten möglichst schnell beginnen soll, womit eine Zeitverzögerung infolge der Durchführung eines Vergabeverfahrens als nicht vereinbar erscheint. Die Frage nach dem Vorliegen eines vergabepflichtigen öffentlichen Auftrages kann unter Umständen nicht mit der von den Beteiligten gewünschten Rechtssicherheit beantwortet werden. Zu Beginn des Projekts mag dies aufgrund des noch rudimentären Planungsstandes wenig verwundern. Darüberhinaus kann die Bejahung oder Verneinung der Vergabepflichtigkeit eine Wertungsfrage sein, so dass der Vollzug der Kooperation von einer Risikoabwägung der Beteiligten abhängt. Es bleibt zu vergegenwärtigen, dass es sich bei der Frage der Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts im Rahmen von großen Privatisierungsprojekten wegen des damit verbundenen zeitlichen, sächlichen und finanziellen Aufwandes sowie wegen der schon angedeuteten Gefahr des Unterliegens eines schon ausgewählten Partners nicht lediglich um eine Vorfrage formalen Charakters handelt. Neben der schon angesprochenen „Flucht in das öffentliche Recht“ wurden die „Flucht in das Gesellschaftsrecht“ 120 sowie De-facto-Vergaben 121 als „Ausweichinstrumente“ praktiziert.

II. Grundsätze der vergaberechtlichen Behandlung von Privatisierungsvorhaben 1. Allgemeine Grundsätze Im Hinblick auf die Vermeidung von Ausschreibungspflichten öffentlicher Auftraggeber bei Privatisierungsvorgängen steht die Prüfung der Einschlägigkeit von Ausnahmetatbeständen im Zentrum der Betrachtung. Ausnahmetatbestände, gleich ob im gemeinschaftsrechtlichen Primär- oder Sekundärrecht oder in der Rechtsprechung des EuGH verankert, unterliegen einer Auslegung, die der Verwirklichung 120 121

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Siehe 2. Kapitel B. II. 2. a) und IV. 2. Siehe 3. Kapitel A. II. 5. b) gg).

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

des Binnenmarkts und der Öffnung der öffentlichen Auftragsmärkte unter den Bedingungen der Gleichbehandlung und Transparenz folgt. Hierdurch bestehen nach der Diktion des EuGH zwei Verpflichtungen: erstens, die Verpflichtung zur Anwendung der einschlägigen Gemeinschaftsrechtsvorschriften im Falle der Erfüllung der vorgesehenen Voraussetzungen, zweitens, die Verpflichtung zur engen Auslegung einer jeden Ausnahme 122. Die vergaberechtliche Behandlung von öffentlichen Aufträgen oberhalb der Schwellenwerte muss zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit sonach von einem Verständnis pro Wettbewerb, pro Aufbrechen der nationalen Beschaffungsmärkte und pro Transparenz, letztlich also pro Ausschreibung geprägt sein. Ein am Telos des gemeinschaftsrechtlichen Vergaberechts orientiertes Verständnis hat den Vorteil der – nicht nur vergaberechtlichen – Rechtssicherheit. Privatisierungsprozesse sind in besonderem Maße im Sinn von Art. 87 EG beihilfenrelevant. Der gemeinschaftsrechtlich extensiv verstandene 123 Beihilfenbegriff erfasst sämtliche staatlichen Maßnahmen, die geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, die dem Begünstigten einen Vorteil gewähren und den Wettbewerb verfälschen oder zumindest zu verfälschen drohen 124. Beihilfen können beispielsweise in einem nicht marktgerechten Verkauf von staatlichen Grundstücken und Unternehmensbeteiligungen an gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften oder an Eigengesellschaften liegen, ferner in der Einbeziehung bestimmter, auf wirtschaftspolitischen Zielsetzungen beruhender Bedingungen125. Gleiches gilt im Fall der Beleihung eines Privaten, der hierdurch über ein geschütztes Stammgeschäft verfügt 126. Trotz fehlender Notifizierung kann die staatliche Maßnahme mangels eines Beihilfecharakters bestehen bleiben, wenn der Privatisierungsform ein hinreichend publiziertes, allgemeines und bedingungsfreies Bieterverfahren vorausgeht, auf dessen Grundlage materiell, funktional oder Vermögen privatisiert wird 127. Die Durchführung einer Ausschreibung ist als taugliches Mittel zur Ermittlung des Marktpreises anzusehen. Sie hat die Funktion, die Gleichwertigkeit von Leistung 122 EuGH, Urt. v. 11.1.2005, Rs. C-26/03, „Stadt Halle, RPL Recyclingpark Lochau GmbH/TREA Leuna“, NZBau 2005, S. 111 ff.; Urt. v. 18.11.1999, Rs. C-107/98, „Teckal Srl./ Gemeinde Viano u. a.“, EuZW 2000, S. 246 ff. Die Beweislast für das Bestehen eines Ausnahmefalls liegt bei demjenigen, der sich auf die Ausnahme beruft. 123 EuGH, Urt. v. 24.7.2003, Rs. C- 280/00, „Altmark Trans“, NZBau 2003, S. 503/507. 124 Siehe vorherige Fußnote. Allgemein: Hakenberg/Erlbacher, EWS 2001, S. 208 ff.; Koenig/Kühling, NJW 2000, S. 1065 ff. 125 Zu dieser streitigen Frage: Bartosch, EuZW 2001, S. 229 ff.; ders., WuW 2001, S. 673 ff.; Kühling, VerwArch. 95 (2004), S. 337/353 f.; Meyer, Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der Beschaffung, S. 146 ff.; Pünder, NZBau 2003, S. 530 ff.; Schardt, Öffentliche Aufträge und das Beihilfenregime des Gemeinschaftsrechts, 2003; siehe bereits 1. Kapitel D. 126 Zeiss (DVBl. 2003, S. 435/438) unter Verweisung auf EuGH, Urt. v. 17.9.1980, Rs. C-730/79, „Philipp Morris/Kommission“, Slg. 1980, S. 2671/2688 f. 127 Mitteilung der Kommission, ABlEG 1997, Nr. C 209, S. 3; ABlEG 2000, Nr. L 265, S. 15/23; ABlEG 2001, Nr. L 44, S. 39/41; Dietlein, NZBau 2004, S. 472/473; Schimanek, NZBau 2005, S. 304/308; Zeiss, DVBl. 2003, S. 435/438.

B. Privatisierung von Hoheitsträgern

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und Gegenleistung zu gewährleisten. Verfahrensrechtlich macht die europaweite Ausschreibung die Prüfung (und Notifizierung) einer versteckten Beihilfe obsolet. Die Beihilfenrelevanz beinhaltet sonach eine Präferenz für die Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens 128. Ein vom Grundsatz „im Zweifel für die Ausschreibung“ getragenes Verständnis entspricht neben den vorstehenden wettbewerblichen und beihilferechtlichen Anforderungen auch denjenigen des Haushaltsrechts an die Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit öffentlicher Beschaffungen. Der grundsätzlich gegebene Zeitvorsprung im Falle einer Vergabe des öffentlichen Auftrages ohne Durchführung des kartellvergaberechtlichen Vergabeverfahrens läuft nicht selten Gefahr, durch die aufwändige und zeitraubende Diskussion und Prüfung einer bestehenden Vergabepflichtigkeit verlustig zu gehen. Die insoweit vorzunehmende Risikoabwägung des öffentlichen Auftraggebers wird nunmehr maßgeblich durch die Judikatur zu sog. De-facto-Vergaben beeinflusst, wonach vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren zur Gewährleistung von Primärrechtsschutz auch dann zur Verfügung stehen, wenn der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens an den gewünschten Privaten vergeben hat 129. Angesichts dieser Gesichtspunkte und angesichts der Größenordnung der öffentlichen Aufträge sowie der sich im Falle der Verpflichtung zur Rückabwicklung des Vertrages stellenden Probleme kommt der Rechtssicherheit der Beschaffung eine Vorrangfunktion zu. 130 2. Behandlung konkreter Privatisierungsvorhaben a) Ansätze der Rechtsprechung und des Schrifttums Die Betrachtung konkreter Privatisierungsvorhaben ist durch einen gemeinsamen dogmatischen Ausgangspunkt gekennzeichnet. Dogmatisch steht nach dem vorstehend Gesagten die Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit durch Verhinderung von Umgehungen des Vergaberechts im Vordergrund. Hierzu bedient sich die Judikatur des Rückgriffs auf den Zweck und die Funktion des gemeinschaftsrechtlichen Vergaberechtsregimes 131. Parallel zum funktionalen Verständnis der Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber 132 hat sich deshalb ein funktionales Verständnis des öfSo Zeiss, DVBl. 2003, S. 435/438. Siehe 3. Kapitel A. II. 5. b) gg). 130 Vgl. auch Dietlein, NZBau 2004, S. 472 ff.; Faber, DVBl. 2001, S. 248/252 ff.; Schimanek, NZBau 2005, S. 304/308; Zeiss, DVBl. 2003, S. 435/438. 131 BGH, Beschl. v. 1.2.2005, NZBau 2005, S. 290/293; BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, NZBau 2002, S. 397/399; OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.2001, NZBau 2001, S. 645 ff.; VK Stuttgart, Beschl. v. 24.1.2001, NZBau 2001, S. 340. Zur Rechtsprechung des EuGH siehe bereits Fn. 122. 132 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.9.1988, Rs. C-31/87, „Beentjes“, Slg. 1988, S. 4635; Urt. v. 12.12.2002, Rs. C-470/99, „Universale Bau AG“, WuW 2003, S. 205 ff.; Hailbronner, DÖV 2003, S. 534/535 ff.; Opitz, NZBau 2003, S. 252/253 ff. Zum „funktionalem Auftragnehmerbegriff“: OLG Naumburg, Beschl. v. 3.11.2005, DVBl. 2006, S. 121/123. 128 129

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

fentlichen Auftrages etabliert 133. Die tatsächliche Prüfung von Privatisierungsvorgängen unter Berücksichtigung eines funktionalen Auftragsbegriffs weist eine entsprechende Einheitlichkeit nicht auf. Ausgehend von den Judikaten der Vergabekammer Stuttgart 134 und der Vergabekammer Düsseldorf 135, denen gesellschaftsrechtliche Sachverhalte zugrunde lagen, wird sich überwiegend für eine „Gesamtbetrachtung“ des Privatisierungsvorgangs nach funktionalen, zunehmend auch nach „wirtschaftlichen“ Gesichtspunkten ausgesprochen 136. Sonach sei eine „wirtschaftliche Gesamtbetrachtung“ dahingehend vorzunehmen, ob ein entgeltlicher „Beschaffungsbezug“ 137, „Beschaffungscharakter“ 138 oder „beschaffungsrechtlicher Einschlag“ 139 bestehe. Das Vorliegen eines Umgehungssachverhalts, demnach einer entgeltlichen Beschaffung, die aus dem von den Beteiligten gewählten öffentlich- oder privatrechtlichen Rechtsakt nicht offen hervor tritt, wird indes für die Annahme der Vergabepflichtigkeit meist als noch nicht ausreichend erachtet. Vielmehr wird das Erfordernis einer subjektiven Umgehung bejaht; in der Regel zwar nicht in Form einer Umgehungsabsicht, sondern in Form von subjektiven Momenten, wie „Motiven“, „Planungen“ und (mittel- und langfristig) „verfolgten Zwecken“ 140. Wie in anderen Rechtsbereichen wird den mit subjektiven Anforderungen verbundenen Nachweisschwierigkeiten dadurch Rechnung zu tragen versucht, dass das Bestehen des subjektiven Tatbestandes bei Vorliegen bestimmter objektiver Indizien vermutet wird. In erster Linie wird auf den „sachlichen und zeitlichen Zusammenhang“ abgestellt.141 Zum Teil wird die Frage der Vergabepflichtigkeit auch mittels Schwerpunktüberle133 Dreher, NZBau 2002, S. 245/248; Endler, NZBau 2002, S. 125/133; Hüser, Ausschreibungspflichten bei der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 241 ff.; Jaeger, NZBau 2001, S. 6/10; Krutisch, NZBau 2003, S. 650/651; Opitz, ZVgR 2000, S. 97/104; Otting, BWGZ 2002, S. 134/136; Schimanek, NZBau 2005, S. 304/306. 134 VK Stuttgart, Beschl. v. 24.1.2001, NZBau 2001, S. 340. 135 VK Düsseldorf, Beschl. v. 7.7.2000, NZBau 2001, S. 46. Vgl. auch VK Lüneburg, Beschl. v. 10.8.1999, NZBau 2001, S. 51/52. 136 Dreher, NZBau 2002, S. 245/247 f.; Jaeger, NZBau 2001, S. 6/10 f.; Otting, BWGZ 2002, S. 134/135; Schimanek, NZBau 2005, S. 304/306; VK Lüneburg, Beschl. v. 10.8.1999, NZBau 2001, S. 51 f.; Zeiss, DVBl. 2003, S. 435/436 ff. 137 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.2001, NZBau 2001, S. 645 ff.; Dreher, NZBau 2002, S. 245/248; Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdnrn. 40 ff.; Gnittke/Siederer, ZVgR 2000, S. 236/242 ff.; Otting, BWGZ 2002, S. 134/137; Ziekow/Siegel, VerwArch. 96 (2005), S. 119/131. 138 Endler, NZBau 2002, S. 125/132; Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdnr. 24; Frenz, DÖV 2002, S. 186/187. 139 Dietlein, NZBau 2004, S. 472/474. 140 Berger, ZfBR 2002, S. 134/135; Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdnr. 42 Fn. 35; Frenz, DÖV 2002, S. 186/189; Gnittke/Siederer, ZVgR 2000, S. 236/242 ff.; Schröder, NJW 2002, S. 1831 ff.; VK Düsseldorf, Beschl. v. 7.7.2000, NZBau 2001, S. 46/47; VK Stuttgart, Beschl. v. 24.1.2001, NZBau 2001, S. 340. 141 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.2001, NZBau 2001, S. 645 ff.; VK Düsseldorf, Beschl. v. 7.7.2000, NZBau 2001, S. 46/47; VK Stuttgart, Beschl. v. 24.1.2001, NZBau 2001, S. 340; Frenz, DÖV 2002, S. 186/191; Jennert, ZKF 2001, S. 248/251; Otting, BWGZ 2002, S. 134/135 f.; Schimanek, NZBau 2005, S. 304/307; umfassend Hüser, Ausschreibungspflichten bei der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 245 ff.

B. Privatisierung von Hoheitsträgern

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gungen zu klären versucht. Hiernach soll maßgeblich sein, ob der „wirtschaftliche Schwerpunkt“ 142 eines Privatisierungsvorgangs auf dem diesen konstituierenden Rechtsakt, beispielsweise auf der Gründung einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft, dem Verkauf von Geschäftsanteilen einer Eigengesellschaft oder der Beleihung oder auf der entgeltlichen Beschaffung von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen liegt. Zur geschilderten Behandlung von etwaigen Umgehungssachverhalten ist Folgendes anzumerken: Für die Bestimmung der Ausschreibungspflichtigkeit eines Vorgangs sollte es vermieden werden, auf subjektive Erwägungen des öffentlichen Auftraggebers abzuheben. Konkurrenten und Nachprüfungsinstanzen würden „in die Not der Motivforschung“ 143 und, mehr noch, in die Not der Nachweisbarkeit der entsprechenden (subjektiven) Motive und Planungen gedrängt. Der Gestaltung von Umgehungsfällen im Widerspruch zum Zweck des Vergaberechts wären Tür und Tor geöffnet. 144 Die divergierenden Entscheidungen des OLG Brandenburg 145 und der Vergabekammer Stuttgart 146, in denen bei Geschäftsanteilsveräußerungen ein zeitlicher Zusammenhang bei einer „Schamfrist“ von sechs Jahren noch bejaht, bei einem Jahr indes verneint wurde, veranschaulichen, dass objektive Indizien zur Bestimmung einer subjektiven Umgehung des Vergaberechts nur bedingt geeignet sind. Das gemeinschaftsrechtliche Richtlinienrecht eröffnet die Vergabepflichtigkeit ausschließlich nach objektiven Voraussetzungen und verlangt bei deren Vorliegen ihre strikte Einhaltung. Die Anwendbarkeit des Vergaberechts kann zweckgemäß nur objektiv bestimmt werden. Eine handlungsformneutrale und materielle Betrachtung der Privatisierungsvorgänge macht eine Heranziehung subjektiver Gesichtspunkte im Übrigen entbehrlich. Auch am Nutzen einer „wirtschaftlichen“ Gesamtbetrachtung ist zu zweifeln. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise wird von der Rechtsprechung und vom Schrifttum in erster Linie bei gesellschaftsrechtlichen Sachverhalten, vor allem bei der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen einer zunächst als Eigengesellschaft gegründeten Kapitalgesellschaft, favorisiert 147. Rechtlich hat ein Abstellen auf das wirtschaftlich Gewollte keinen eigenständigen Aussagewert. Es handelt sich wiederum um die Heranziehung der Planungen der Beteiligten, letztlich um eine Relevanz von subjektiven Erwägungen, die bei einem funktionalen Verständnis des öffentlichen Auftrages nicht geboten ist. Bei Lichte betrachtet, dient ein „wirtschaft142 So Dietlein, NZBau 2004, S. 472/477; Frenz, DÖV 2002, S. 186/191; Kleine/Flöther/ Bräuer, NVwZ 2002, S. 1046/1047 f. 143 Jaeger, NZBau 2001, S. 6/11. 144 Vgl. Dietlein, NZBau 2004, S. 472/477; Dreher, NZBau 2001, S. 245/249; Endler, NZBau 2002, S. 125/133; Jaeger, NZBau 2001, S. 6/11. 145 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.2001, NZBau 2001, S. 645 ff. 146 VK Stuttgart, Beschl. v. 18.7.2001, zit. nach Dietlein, NZBau 2004, S. 472/478. 147 Z. B. OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.2001, NZBau 2001, S. 645 ff.; VK Düsseldorf, Beschl. v. 7.7.2000, NZBau 2001, S. 46/47; VK Stuttgart, Beschl. v. 24.1.2001, NZBau 2001, S. 340; Byok, NJW 1998, S.2774/2776; Dreher, NZBau 2001, S.245/247; Jaeger, NZBau 2001, S. 6/10; Krutisch, NZBau 2003, S. 650 ff.; Schröder, NJW 2002, S. 1831/1832; a. A. BGH, Beschl. v. 1.2.2005, NZBau 2005, S. 290/293.

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

licher“ Ansatz als Behelf, um eine umfassende vergaberechtliche Erfassung gesellschaftsrechtlicher Modelle darzutun. Ein funktionales Auftragsverständnis erfordert indes kein gesondertes Abstellen auf wirtschaftliche Erwägungen der Beteiligten. Als wenig hilfreich sind ferner jene Schwerpunktüberlegungen anzusehen, welche die Vergabepflichtigkeit je nach Überwiegen des Beschaffungsbezuges oder des die Privatisierung konstituierenden Rechtsakts bestimmen wollen. Solche Überlegungen sind zielführend in Fallgestaltungen, in denen zwischen zwei oder mehreren teilweise einschlägigen Handlungstypen in Bezug auf das Überwiegen eines Typus zu entscheiden ist, so insbesondere bei gemischten Verträgen 148. Die vorliegende Fallgestaltung ist nicht vergleichbar, da die zur Entscheidung stehenden Handlungstypen sich nicht auf einer gemeinsamen Ausgangslage befinden, die Schwerpunktüberlegungen zugänglich ist. Einerseits wären das Bestehen und der Umfang eines öffentlichen Auftrages in die Waagschale zu werfen; andererseits wäre nach den obigen Beispielen eine Gesellschaftsgründung, eine Geschäftsanteilsveräußerung oder eine Beleihung anzusetzen. Dies ist insofern unzutreffend, als letztere Vorgänge angesichts ihres für die Privatisierung konstituierenden Charakters stets notwendig sind. Sie sind daher einer Überlagerung im Wege von Schwerpunktüberlegungen nicht zugänglich. Diese Vorgänge bilden die Grundlage für die Verantwortungsverlagerung auf Private; als die Privatisierung konstituierende Rechtsakte befinden sie sich auf einer eigenständigen, nicht überlagerungsfähigen Ebene. Prägnant ausgedrückt, kann eine dem funktionalen Verständnis des öffentlichen Auftrages folgende „Gesamtbetrachtung“ nie eine Schwerpunktbetrachtung sein. b) Betrachtung anhand eines Drei-Stufen-Modells Dem funktionalen Verständnis des öffentlichen Auftrages nach § 99 Abs. 1 GWB wird lediglich eine Gesamtbetrachtung des konkreten Privatisierungsvorgangs gerecht. Diese dient der Ermittlung des Bestehens von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsverträgen gemäß § 99 GWB. Hierbei darf es auf die Rechtsnatur der Rechtsbeziehungen zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Privaten ebenso wenig ankommen, wie auf die (formale) Bezeichnung dieser Beziehungen, da nur eine handlungsformneutrale Betrachtung zweckgemäß sein kann149. Ein öffentlicher Auftrag ist sonach allein materiell-rechtlich zu bestimmen. Der Fokus liegt auf der Ermittlung offener und verdeckter entgeltlicher Beschaffungsströme hin zum öffentli148 Dies gilt allgemein, auch außerhalb der Typen öffentlicher Aufträge nach §99 GWB (vgl. 2. Kapitel B. I. 1.). 149 Ebenso BGH, Beschl. v. 1.2.2005, NZBau 2005, S. 290/293; Byok/Ott, NVwZ 2005, S. 763/764; Dreher, NZBau 2001, S. 245/248; Zeiss, DVBl. 2003, S. 435/437. Fehlgehend ist dagegen der Ansatz, die Vorschrift des § 99 GWB sei „weit auszulegen“ (Graf Kerssenbrock, WuW 2001, S. 122 ff.; Krutisch, NZBau 2003, S.650/651). Einem solchen Ansatz liegt eine ursprüngliche Beschränkung öffentlicher Aufträge auf offen gelegte privatrechtliche Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsverträge zugrunde, die dem gemeinschaftsrechtlichen Vergaberechtsregime nicht zu entnehmen ist und im Übrigen zweckwidrig wäre.

B. Privatisierung von Hoheitsträgern

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chen Auftraggeber. Da, wie dargelegt, Schwerpunktüberlegungen zur Ermittlung der Vergabepflichtigkeit untauglich sind, meint „Gesamtbetrachtung“ in diesem Sinn die grundsätzliche Beachtlichkeit einer jeden entgeltlichen und den maßgeblichen Schwellenwert erreichenden Beschaffung von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen unabhängig von ihrer Bedeutung innerhalb des gesamten Privatisierungsprozesses. Eine diesen Grundsätzen folgende Gesamtbetrachtung könnte sich anhand eines Drei-Stufen-Modells vollziehen. Die Vergabepflichtigkeit bestimmt sich dann nach zwei objektiven Prüfungsstufen sowie nach einer weiteren, normativen Prüfungsstufe. Privatisierungsprozesse, gleich ob formell, materiell oder funktional, werden gemischt objektiv-normativ beurteilt. Der erste Prüfungsschritt beinhaltet eine rein formalrechtliche Betrachtung, die der Ermittlung und Darlegung sämtlicher, auch flankierender Rechtsbeziehungen zwischen den am jeweiligen Privatisierungsprozess beteiligten öffentlichen und privaten Rechtsträgern, genauer: rechtlich selbständigen Personen des Privatrechts dient. Die Wertigkeit dieser Prüfungsstufe kommt vor allem bei funktionalen Privatisierungsvorgängen, die ggf. mehrere Rechtsakte und Vereinbarungen unterschiedlicher Rechtsnatur aufweisen, zum Tragen. Über die Vergabepflichtigkeit des betreffenden Privatisierungsprozesses trifft die formalrechtliche Betrachtungsebene noch keine endgültige Aussage 150. Vielmehr kann die Vergabepflichtigkeit eines Vorgangs zu bejahen sein, obwohl zwischen der privatisierenden öffentlichen Stelle und der rechtlich selbständigen Person des Privatrechts eine ausdrückliche Vertragsbeziehung über die Beschaffung von Leistungen nicht besteht. Der formalrechtliche Ansatz bildet die Grundlage für die Vornahme einer beschaffungsrechtlichen Betrachtung auf der zweiten Stufe. Die beschaffungsrechtliche Betrachtung des Privatisierungsvorgangs ist Ausfluss der Handlungsformneutralität des öffentlichen Auftrages nach § 99 GWB. Sie dient der Erfassung sämtlicher entgeltlicher Beschaffungsströme im Rahmen der auf der ersten Stufe festgestellten Rechtsakte des Privatisierungsvorgangs 151; sie dient damit der Ermittlung eines etwaigen entgeltlichen „Beschaffungsbezugs“ 152 und der Verwirklichung des Zwecks des Vergaberechts. Mit einer beschaffungsrechtlichen Betrachtung wird „das rechtliche Gewand“ 153 geöffnet. Ihr ist ein materieller, funktionaler und objektiver Ansatz zu Eigen. Die zweite Stufe bildet den Schwerpunkt der vergaberechtlichen Prüfung. Besteht anhand dieser beiden Prüfungsstufen eine entgeltliche Beschaffung von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen von einer rechtlich selbständigen Person des Privatrechts durch den privatisierenden öffentlichen Rechtsträger, dann liegt bei Überschreiten des jeweils maßgebenden Schwellenwerts im Grundsatz ein vergabepflichtiger öffentlicher Auftrag im Sinn des Kartellvergaberechts vor. Die Vergabepflichtigkeit kann entfallen, wenn bei einer normati150 Einer formalen Betrachtung verhaften bleiben Hertel/Recktenwald (NZBau 2001, S. 538 ff.) und Mehlitz (WuW 2001, S. 569 ff.). 151 Darüber hinaus sind etwaige sonstige entgeltliche Beschaffungsströme hin zur öffentlichen Stelle zu eruieren, also solche, denen keine Rechtsakte zugrunde liegen. 152 Siehe Fn. 137. 153 So BGH, Beschl. v. 1.2.2005, NZBau 2005, S. 290/293.

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

ven Betrachtung auf der dritten Prüfungsstufe gemeinschaftsrechtliche Wertungsgesichtspunkte eine Ausschreibung entbehrlich machen. Die normative Prüfungsstufe differenziert zwischen normierten Wertungsausnahmen und solchen, die aus richterlicher Rechtsfortbildung resultieren, wobei normierte Ausnahmen Vorrang genießen.

III. Privatisierungsrelevante Wertungsausnahmen von der Vergabepflichtigkeit Wertungsausnahmen, die für Privatisierungsvorgänge relevant sein können, sind maßgeblich solche, die unter den Begriff der „vergabefreien In-house-Geschäfte“ gefasst werden. In seinem ursprünglichen Verständnis meint dieser Begriff lediglich Auftragserteilungen an rechtlich unselbständige Einheiten im Sinne bloßer Abteilungen des öffentlichen Auftraggebers 154. Im Folgenden wird der breiten Verwendung des Begriffs des vergabefreien In-house-Geschäfts Rechnung getragen, so dass sowohl Auftragsvergaben an vom öffentlichen Auftraggeber unselbständige Einheiten als auch an selbständige Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts, die jeweils nicht dem Kartellvergaberecht unterfallen, erfasst werden. Der Begriff wird weder von den Vergaberichtlinien noch vom EuGH gebraucht 155. 1. Gesetzliche Wertungsausnahmen Gesetzliche Wertungsausnahmen enthalten § 100 Abs. 2 lit. f, g und i GWB. Für Privatisierungsvorhaben ist in erster Linie die Regelung gemäß § 100 Abs. 2 lit. g GWB von Bedeutung. Sie setzt die Richtlinienvorgaben nach Art. 18 VKR und Art. 25 SKR 156 um. § 100 Abs. 2 lit. g GWB erfasst in richtlinienkonformer Auslegung lediglich Dienstleistungs-aufträge 157. Die Vergabefreiheit besteht jedoch nur, wenn der Dienstleistungsauftrag an eine Person vergeben wird, die ihrerseits öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr. 1, 2 oder 3 GWB ist und ein auf Gesetz oder Verordnung beruhendes ausschließliches Recht zur Erbringung der (Dienst-)Leistung hat. Es besteht Einigkeit, dass dieses ausschließliche Recht unmittelbar durch eine Rechtsvorschrift, also durch Gesetz oder Verordnung, zugewiesen sein und dem pri154 Auf die begriffliche Schwäche des Begriffs des vergabefreien In-house-Geschäfts weist Arrowsmith (PPLR 1997, S. 198/203) hin: „Where an authority decides to place work with an in-house-unit – one which is legally part of the authority itself – there is no solicitation of offers under the procurement rules, and thus no need to advertise the work under the regulations’ procedures.“ Vgl. auch Opitz, ZVgR 2000, S. 97/105. 155 Art. 43 Satz 2 DKR erwähnt zumindest den Begriff der „staatlichen Eigenleistungen“. Zu einer allgemeinen Normierung von In-house-Ausnahmen in der SKR und der VKR ist es nicht gekommen (vgl. Knauff, EuZW 2004, S. 141). 156 Früher Art. 6 DKR und Art. 11 SKR a. F. 157 Allg. Ansicht, vgl. nur Boesen, Vergaberecht, § 100 Rdnr. 76; Dreher, NZBau 2001, S. 360/361; Faber, DVBl. 2001, S. 248/255; Portz, BWGZ 2000, S. 191/197.

B. Privatisierung von Hoheitsträgern

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vaten Leistungserbringer bereits vor der Auftragserteilung gebühren muss 158. Die Vorschrift gelangt daher im Rahmen von Privatisierungen nur selten zur Anwendung. Wertungsausnahmen bestehen im Übrigen im Sektorenbereich: § 100 Abs. 2 lit. i GWB normiert in Verbindung mit § 127 GWB und § 10 VgV für konzerninterne Dienstleistungsaufträge eine sog. In-house-Ausnahme auf der Grundlage von Art. 13 SKR a. F. 159. Der Anwendungsbereich der Nachfolgeregelung gemäß Art. 23 SKR ist deutlich erweitert. Sie erfasst nunmehr auch Bau- und Lieferaufträge, wobei als maßgebliches Kriterium weiterhin die Leistungserbringung innerhalb des Konzerns zu durchschnittlich mindestens 80 % fungiert. Bei jüngeren Unternehmen, für die keine Umsatzzahlen der letzten drei Jahre bestehen, kann die überwiegende Leistungserbringung prognostiziert werden. 160 § 100 Abs. 2 lit. f schließlich fußt auf Art. 8 SKR a. F. und erlaubt die Nichtanwendung des Vergaberechtsregimes auf öffentliche Aufträge im Telekommunikationsbereich, soweit bereits ein effektiver Wettbewerb existiert, also andere Unternehmen die Möglichkeit haben, entsprechende Dienste in demselben geographischen Gebiet unter im Wesentlichen gleichen Bedingungen anzubieten 161. Art. 30 SKR 162 sieht nun die Möglichkeit der Freistellung in allen Sektoren vor, wenn die konkrete Sektorentätigkeit „in dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgeübt wird, auf Märkten mit freiem Zugang unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt ist“. Die modifizierten Ausnahmetatbestände im Sektorenbereich sollen künftig nicht mehr in der VgV, sondern in einer erweiterten Fassung des § 100 Abs. 2 GWB in nationales Recht umgesetzt werden 163.

2. Richterrechtliche Wertungsausnahmen Da die gesetzlichen Wertungsausnahmen in praxi wenig relevant sind bzw. sich auf den Sektorenbereich beschränken, liegt das Hauptaugenmerk auf den richterrechtlichen Ausnahmen von der Vergabepflichtigkeit. Im Mittelpunkt steht das 158 Gnittke/Siederer, ZVgR 2000, S. 236/239 f.; Jaeger, NZBau 2001, S. 6/8; Opitz, ZVgR 2000, S. 97/105 f.; Reidt, ZVgR 2000, S. 289/290. 159 Hierzu Boesen, Vergaberecht, § 100 Rdnrn. 111 ff. Eine Anwendbarkeit für Lieferaufträge wird vom EuGH verneint (Urt. v. 11.5.2006, Rs. C-340/04, DÖV 2006, S. 691 ff.). 160 Demgegenüber wurden die Anforderungen für vergabefreie Auftragserteilungen eines Auftraggebers an ein mit anderen Auftraggebern gegründetes gemeinsames Unternehmen und umgekehrt gemäß Art. 23 Abs. 4 SKR erhöht (vgl. Optiz, NZBau 2003, S. 183/197 ff.; Rechten, NZBau 2004, S. 366/373 f.). 161 Art. 8 SKR. Hierzu Endler, NZBau 2002, S. 125/134; Hailbronner, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 100 Rdnrn. 417 ff. Auf dem Telekommunikationsbereich ist bereits ein echter Wettbewerb gewährleistet, vgl. Mitteilungen der Kommission v. 3.6.1999 (ABlEG 1999, Nr. C 156) und v. 13.3.2002 (ABlEG 2002, Nr. C 64). Der Telekommunikationsbereich ist daher von der SKR nicht mehr erfasst. 162 Hierzu Entscheidung der Kommission v. 7.1.2005 über die Durchführungsmodalitäten für das Verfahren, ABlEG 2005, Nr. L 7/7. 163 So der Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Vergaberechts (Stand: 18.3.2005), S. 2 ff.

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

grundlegende Judikat des EuGH in der Rechtssache „Teckal Srl./Gemeinde Viano u. a.“. Diesem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die beklagte italienische Gemeinde Viano übertrug durch Beschluss des zuständigen Kommunalorgans ohne Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens dem auf gesetzlicher Grundlage gegründeten Konsortium „Azienda Gas-Acqua Consorziale“ (AGAC), dem neben anderen Gemeinden auch sie selbst angehörte, den Betrieb von Heizungsanlagen in öffentlichen Gebäuden und die Lieferung von Brennstoffen. Die AGAC, ein Unternehmen zur Erbringung von Energie- und Umweltdienstleistungen nach Art. 22 und Art. 23 des italienischen Gesetzes Nr. 142 vom 8.6.1990 über die Organisation der Autonomie der Gebietskörperschaften (GURI Nr. 135 vom 12.6.1990), besaß eine eigene Rechtspersönlichkeit und unternehmerische Selbständigkeit. Hinsichtlich des übertragenen Auftrages lag der Schwerpunkt auf der Lieferung von Brennstoffen. Die Klägerin, Teckal Srl., erbrachte als Private die entsprechenden Leistungen für die Gemeinde Viano vor der Beauftragung der AGAC. Sie erhob Klage gegen deren Beauftragung und machte im Ausgangsverfahren vor dem Tribunale Amministrativo Regionale per l’Emilia-Romagna geltend, dass die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge hätten eingehalten werden müssen. Im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens wollte das vorlegende nationale Gericht wissen, welche Vergaberechtsrichtlinie, DKR oder LKR, anwendbar und ob der Ausnahmetatbestand gemäß Art. 6 DKR einschlägig sei.

Der Gerichtshof bejahte aufgrund des unstreitigen Schwergewichts des Auftrages auf den Lieferleistungen die Anwendbarkeit der LKR. Er führte aus, dass die LKR ein Ausschreibungsverfahren vorschreibe, wenn eine Gebietskörperschaft als öffentlicher Auftraggeber nach Art. 1 lit. b LKR einen öffentlichen Lieferauftrag vergebe, dessen Auftragswert oberhalb des Schwellenwerts liege, ohne dass es darauf ankomme, ob der Lieferant selbst öffentlicher Auftraggeber sei. Die LKR sei nämlich nur in den Fällen unanwendbar, die in ihr selbst ausdrücklich und abschließend aufgeführt seien. Hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines Lieferauftrages als Vereinbarung zwischen zwei verschiedenen Personen formuliert der EuGH 164: „Dazu genügt es nach Art.1 lit. a Richtlinie 93/36 EWG [LKR, Anm. d. Verf.] grundsätzlich, dass der Vertrag zwischen einer Gebietskörperschaft und einer rechtlich von dieser verschiedenen Person geschlossen wurde. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Gebietskörperschaft über die fragliche Person eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Person zugleich ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften verrichtet, die ihre Anteile innehaben.“

Mit dem Erfüllen der Voraussetzungen des zweiten Satzes des vorstehenden Zitats wird daher die Vergabe des öffentlichen Auftrages ohne Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens erlaubt. Den Ausführungen des Gerichtshofs kommt zunächst eine Bindungswirkung inter partes zu, also eine Bindungswirkung für das vorlegende Gericht sowie für sämtliche Gerichte, die innerhalb des nationalen In164 EuGH, Urt. v. 18.11.1999, Rs. C-107/98, „Teckal Srl./Gemeinde Viano u. a.“, EuZW 2000, S. 246/248. Kritisch zu diesen Kriterien im Hinblick auf die Binnenökonomisierung und sich ändernde Kooperationsformen der Verwaltung: Pöcker/Michel, DÖV 2006, S. 445 ff.

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stanzenzuges mit dem Streitgegenstand der Vorlagefragen befasst sind. Eine Wirkung erga omnes besteht nicht. 165 Richtlinienrecht ist lediglich hinsichtlich des genannten Ziels verbindlich und bedarf zu seiner Wirksamkeit grundsätzlich der Umsetzung in mitgliedstaatliches Recht. Daher ist Reidt 166 im Grunde zuzustimmen, wonach der Schluss, dass Auftragsvergaben entsprechend der Vergabe eines Lieferauftrages an die AGAC in der Bundesrepublik nicht ausschreibungspflichtig seien, nicht zwingend ist, zumal das nationale Recht auch höhere Anforderungen als das gemeinschaftsrechtliche Richtlinienrecht festlegen kann 167. Für die mitgliedstaatlichen Behörden ist aber neben dem umgesetzten nationalen Recht das Gemeinschaftsrecht, insbesondere die Pflicht zu richtlinienkonformer Auslegung maßgeblich 168. Der Bundesgerichtshof 169 hat sich im Fall der Vergabe eines Dienstleistungsauftrages an eine Eigengesellschaft der richtlinienkonformen Auslegung der §§ 97 ff. GWB nach Maßgabe der Ausführungen des EuGH bedient: „Diese Bewertung berücksichtigt die EG-Richtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens. Diese Berücksichtigung ist geboten, weil der Vierte Teil des GWB der vollständigen Umsetzung dieser Richtlinien dient und die §§ 97 ff. GWB im Einklang mit dem europäischen Recht die Rechte der Beteiligten festlegen sollen (...). Dies führt zur Anwendung der Grundsätze, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 18. November 1999 in der Rechtssache „Teckal“ (...) aufgestellt hat.“

Der EuGH 170 hat klargestellt, dass die „Teckal-Grundsätze“ auf den Bereich der DKR übertragbar sind. Die ausdrücklichen Privilegien nach Art. 6 DKR 171 bzw. Art. 18 VKR sowie der Sektorenauftraggeber nach Art. 13 SKR a. F. bzw. Art. 23 SKR bleiben unberührt 172. Die Ausführungen des EuGH und des BGH beinhalten 165 Zur Bindungswirkung im Rahmen von Vorabentscheidungsverfahren: Wegener, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 234 Rdnrn. 32 ff. 166 Reidt, ZVgR 2000, S. 289/290. 167 Sofern darin keine fehlerhafte Umsetzung begründet wird und die Anforderungen des Primärrechts gewahrt werden. 168 Grundlegend zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts: Bleckmann, EuR 1979, S. 239 ff.; ders., NJW 1982, S. 1177 ff. 169 BGH, Beschl. v. 12.6.2001, NZBau 2001, S. 517 ff. Die Relevanz dieser Entscheidung liegt nicht lediglich in der Eins-zu-Eins-Umsetzung der „Teckal-Rechtsprechung“, sondern zudem darin, dass die zu beschaffenden Leistungen im Wege eines öffentlich-rechtlichen Vertrages vergeben wurden, der eine Beleihung enthielt (siehe 2. Kapitel B. IV. 1). Wie der BGH: BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, NZBau 2002, S. 397/399; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.1.2004, NZBau 2004, S. 343/345. 170 EuGH, Urt. v. 7.12.2000, Rs. C-94/99, „ARGE Gewässerschutz/Bundesmin. für Landund Forstwirtschaft“, NZBau 2001, S. 99. 171 Art. 6 DKR bzw. Art. 18 VKR bewirken nicht, dass andere Ausnahmen von der Vergabepflicht ausgeschlossen sind (BGH, Beschl. v. 12.6.2001, NZBau 2001, S. 517 ff.; VK Düsseldorf, Beschl. v. 7.7.2000, NZBau 2001, S.46; Gallwas, GewArch 2000, S. 401/405 f.; Gnittke/Siederer, ZVgR 2000, S. 236/237; Gröning, ZIP 2001, S. 497/500 ff.; Jaeger, NZBau 2001, S. 6/9). 172 Dreher, NZBau 2004, S. 14/16; Hausmann/Bultmann, NVwZ 2005, S. 377/379.

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

eine Beschränkung des Begriffs des öffentlichen Auftrages im Sinn der LKR bzw. der DKR, im Ergebnis eine teleologische Reduktion 173. Ein öffentlicher Auftrag setzt grundsätzlich voraus, dass ein öffentlicher Auftraggeber Güter oder Leistungen von einem Unternehmen beschafft. Als „Unternehmen“ gilt jede Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt und die aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers auf dem Anbietermarkt agiert, wobei es auf die Rechtsform und die Art der Finanzierung nicht ankommen soll 174. Wie ausgeführt, schützt der Umstand, dass der potenzielle Auftragnehmer selbst öffentlicher Auftraggeber ist, nicht vor der Vergabepflichtigkeit. Eine Ausnahme kommt nach dem sog. Kontrollkriterium lediglich dann in Betracht, wenn der öffentliche Auftraggeber über den Auftragnehmer „eine Kontrolle ausübt wie über eine eigene Dienststelle“ 175. Die Entscheidung in der Rechtssache „Teckal Srl./Gemeinde Viano u. a.“ betraf die Auftragserteilung an ein Konsortium, das aus mehreren öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften bestand (sog. gemischtöffentliches Unternehmen). Die Gemeinde Viano selbst war am Auftragnehmer lediglich mit 0,9 % beteiligt 176. Insofern vertritt der Gerichtshof eine wenig restriktive Sichtweise. Dem Kontrollkriterium wird durch eine Kontrolle mehrerer öffentlicher Auftraggeber Genüge getan 177, wobei zu verlangen ist, dass von allen Anteilseignern dieselben öffentlichen Interessen verfolgt werden 178. Funktional betrachtet, handelt es sich um einen (internen) staatlichen Organisationsakt, den mehrere staatliche Stellen steuern179. A maiore ad minus folgt freilich, dass die Ausführungen des Gerichtshofs für den Fall gelten, dass als Auftragnehmer eine rechtlich selbständige Person tätig ist, an der ausschließlich der öffentliche Auftraggeber beteiligt ist 180. Unter Verwendung der Terminologie der Privatisierungsformen handelt es sich um die typischen Fallgruppen der formellen Privatisierung. Den klassischen Anwendungsfall bildet die Auf173 Dreher, NZBau 2001, S. 360/362; a. A. Endler, NZBau 2002, S. 125/130: teleologische Reduktion des Unternehmensbegriffs gemäß § 99 GWB; Reidt, ZVgR 2000, S. 289/291: Eine richtlinienkonforme Auslegung ist nicht möglich, eine teleologische Reduktion bedenklich. 174 EuGH, Urt. v. 23.4.1991, Rs. C-41/90, „Höfner-Elser/Macroton GmbH“, NJW 1991, S. 2891 f.; Hausmann/Bultmann, NVwZ 2005, S. 377. 175 An der „Teckal-Rechtsprechung“ des EuGH wird wegen der fehlenden Konkretisierung des Kontrollkriteriums Kritik geübt; vgl. Dreher, NZBau 2001, S.360/362; Faber, DVBl. 2001, S. 248/253; Gallwas, GewArch 2000, S. 401/405; Gnittke/Siederer, ZVgR 2000, S. 236/237; Gröning, ZIP 2001, S. 497/501; Jaeger, NZBau 2001, S. 6/9 f. 176 Schlussanträge GA Cosmas v. 1.7.1999, Rs. C-107/98, „Teckal Srl./Gemeinde Viano u. a.“, Rdnr. 17. 177 Ebenso EuGH, Urt. v. 11.1.2005, Rs. C-26/03, „Stadt Halle, RPL Recyclingpark Lochau GmbH/TREA Leuna“, NZBau 2005, S. 111/115: „öffentliche Stellen“; Urt. v. 11.5.2006, Rs. C-340/04, DÖV 2006, S. 691 ff. 178 Hausmann/Bultmann, NVwZ 2005, S. 377/380. 179 Krohn, NZBau 2005, S. 92/95; Pape/Holz, NJW 2005, S. 2264/2265. 180 BGH, Beschl. v. 12.6.2001, NZBau 2001, S. 517 ff.; OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.12.2002, NZBau 2003, S. 229 ff.; Endler, NZBau 2002, S. 125/131; Heinbuch/Bohne, NVwZ 2004, S. 177; Opitz, ZVgR 2000, S. 97/105.

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tragsvergabe an eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren sämtliche Anteile sich in der Hand des beschaffenden öffentlichen Rechtsträgers befinden. Ob auch gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Auftragnehmer im Sinne der „Teckal-Grundsätze“ in Betracht kommen, war Gegenstand konträrer Diskussion. Von dieser Fragestellung ist die Vielzahl derjenigen Public-Private-Partnerships betroffen, die durch Hereinnahme eines privaten Gesellschafters oder bereits durch die gemeinsame Gründung einer Gesellschaft des Privatrechts versuchen, sich die Vorzüge des jeweils aus dem anderen Sektor stammenden Mitgesellschafters zunutze zu machen 181. Gegen die Anwendbarkeit der „Teckal-Grundsätze“ lässt sich in erster Linie anführen, dass das zugrunde liegende Judikat lediglich den Fall einer gemischtöffentlichen Unternehmung betraf. Ausnahmen von der Vergabepflichtigkeit sind, wie bereits dargelegt 182, restriktiv zu verstehen; dies gilt umso mehr, als der Ausnahmecharakter der Kriterien in der Entscheidung mehrfach betont wird 183. Ferner lässt sich argumentieren, die Wortwahl der „Teckal-Kriterien“ sei eine klassisch öffentlich-rechtliche und mache deutlich, dass ein Ausnahmefall nach Maßgabe der genannten Kriterien lediglich in Fällen in Betracht komme, in denen das beauftragte Unternehmen über eine enge Einbindung in den Staatsbereich verfüge, was bei einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft nicht angenommen werden könne 184. Dennoch befürwortet die überwiegende Auffassung die Vergabefreiheit bei gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften, sofern sich die Beteiligung des Privaten im Rahmen des Kontrollkriteriums hält. Zwar wird nicht bezweifelt, dass mit der Formulierung: „Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen“ ein Vokabular verwendet wird, dass der hierarchischen Verwaltungsorganisation entlehnt ist 185. Allgemein wird vertreten, es könne nicht eine identische, sondern nur eine vergleichbare Kontrolle gemeint sein 186. Der Diktion der knappen und abstrakt gehaltenen Sachentscheidungsgründe wird eine generelle Anwendbarkeit der Kriterien entnommen. Dem Zweck des gemeinschaftsrechtlichen Vergaberechts soll nicht auf der Ebene der generellen Anwendbarkeit der „Teckal-Kriterien“, sondern auf der Ebene ihrer inhaltlichen Konkretisierung bei der Einbeziehung Privater Geltung verschafft werden. 187 Unterschiedliche Auffassungen bestehen im Hinblick auf die konkreten Anforderungen des Kontrollkriteriums, was die Höhe der Beteiligung des Privaten und Zu den Motiven für derartige Kooperationen bereits in diesem Kapitel A. II. 4. Siehe 2. Kapitel B. II. 1. 183 Endler, NZBau 2002, S. 125/132. 184 Endler, NZBau 2002, S. 125/132; Faber, DVBl. 2001, S. 248/256 f.; dies., DVBl. 2003, S. 761/766. 185 Faber, DVBl. 2001, S. 248/254; Gröning, ZIP 2001, S. 497/501: „verwaltungsrechtliche Archetype“. 186 OLG Naumburg, Beschl. v. 8.1.2003, NZBau 2003, S. 224/228; BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, NZBau 2002, S. 397/399; Faber, DVBl. 2000, S. 248/253 f. 187 OLG Naumburg, Beschl. v. 8.1.2003, NZBau 2003, S. 224/228; Dreher, NZBau 2002, S. 245/252 f.; Jaeger, NZBau 2001, S. 6/9. 181 182

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages und ggf. der Gesellschaftervereinbarungen betrifft: Jaeger 188 verneint die erforderliche Kontrolle bereits bei einer Beteiligungsquote von 10 %, da dem Gesellschafter ab dieser Quote Kontroll- und Sperrrechte zustehen. Andererseits wird die einfache gesellschaftsrechtliche Beherrschung ab einer Quote von 50,1 % in Verbindung mit weiteren gesellschaftsrechtlichen Modifizierungen für ausreichend gehalten 189. Mehrheitlich wird zur Ermittlung der notwendigen Kontrolle eine Einzelfallbetrachtung befürwortet, wobei den Beteiligungsquoten lediglich indizielle Bedeutung beigemessen wird190. Das OLG Naumburg 191 führte zur Frage der In-house-Fähigkeit gemischtwirtschaftlicher Gesellschaften durch Vorlagebeschluss eine Entscheidung des EuGH herbei. Im Fall betrug die Beteiligung des Privaten an der bereits gegründeten gemischtwirtschaftlichen GmbH 24,9 %. Der EuGH 192 widersprach der herrschenden nationalen Auffassung, die den Entscheidungsgründen nach sowohl die Judikatur in der Rechtssache „Teckal Srl./Gemeinde Viano u. a.“ als auch den Zweck des gemeinschaftsrechtlichen Vergaberechts verkannte. Nach den Ausführungen des Gerichtshofs 193 „schließt die – auch nur minderheitliche – Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, es auf jeden Fall aus, dass der öffentliche Aufraggeber über diese Gesellschaft eine ähnliche [Hervorhebung des Verf.] Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen“. Er begründet seine stringente Auffassung mit der Funktion des Vergaberechts 194 und damit, dass die Anlage von privatem Kapital in einem Unternehmen auf Überlegungen beruhe, die mit privaten Interessen zusammenhingen und andersartige Ziele als öffentliche Interessen verfolgten 195. Jaeger, NZBau 2001, S. 6/9 f.; ebenso Jennert, ZKF 2001, S. 248/250 f. Gröning, ZIP 2001, S.497/502; Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, S.21 f.; Kleine/Flöther/Bräuer, NVwZ 2002, S. 1046/1053; Müller-Serten, NZBau 2000, S. 120/122; Recker, ZKF 2001, S. 146/150; ebenso Schlussanträge GA’in Stix-Hackl v. 23.9.2004, Rs. C-26/03, „Stadt Halle, RPL Recyclingpark Lochau GmbH/TREA Leuna“, Rdnr. 70; Schlussanträge GA Léger v. 15.6.2000, Rs. C-94/99, „ARGE Gewässerschutz/Bundesmin. für Land- und Forstwirtschaft“, Rdnrn.62 ff. Eine „positive Beherrschung“ von grundsätzlich mindestens 75 % vertritt Hüser, Ausschreibungspflichten bei der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 211/226. 190 Z. B. BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, NZBau 2002, S. 397/399 f.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.1.2004, NZBau 2004, S.343/345; Böckel, Der Landkreis 2003, S.518/520 f.; Dreher, NZBau 2002, S. 245/252 f.; Gnittke/Siederer, ZVgR 2000, S. 236/238; Stellungnahme der Bundesregierung zum Grünbuch der EU-Kommission zu öffentlich-privaten Partnerschaften (Fn. 61), S. 30. 191 OLG Naumburg, Beschl. v. 8.1.2003, NZBau 2003, S. 224 ff. 192 EuGH, Urt. v. 11.1.2005, Rs. C-26/03, „Stadt Halle, RPL Recyclingpark Lochau GmbH/ TREA Leuna“, NZBau 2005, S. 111 ff.; Urt. v. 10.11.2005, Rs. C-29/04, „Kommission/Österreich“, DVBl. 2006, S. 101 f. 193 Siehe vorherige Fußnote Rdnrn. 49–51. Der EuGH folgt damit der Stellungnahme der Kommission (siehe Behörden Spiegel, Beschaffung Vergaberecht, Juni 2004, S. 23); nun auch OLG Köln, Urt. v. 15.7.2005, EuZW 2005, S. 637 ff. 194 Siehe bereits 2. Kapitel B. II. 1. 195 Kritisch Krohn, NZBau 2005, S. 92/94 f. 188 189

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So manchen öffentlichen Auftraggebern in ihren auf funktionale Privatisierung gerichteten Bestrebungen dürfte dieses Judikat bei den anstehenden Vorhaben (zunächst) wenig Freude bereiten 196. Bei Lichte betrachtet, bringt die Entscheidung eine begrüßenswerte und überfällige Rechtssicherheit bei der Einbeziehung Privater in die staatliche Aufgabenerfüllung. Für die Beteiligten entfallen aufwändige Prüfungen und die Gefahr, die abstrakten Kriterien zur Begründung von In-house-Ausnahmen gemäß „Teckal“ einem zweckwidrigen weiten Verständnis zu unterwerfen. 197 Die unterschiedlichen zur Auslegung des Kontrollkriteriums vertretenen Auffassungen machen deutlich, dass die Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts bislang in Frage stand. Die Anwendbarkeit des Vergaberechts konnte nach der herrschenden Auffassung im Falle der Beauftragung einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft erst nach einer einzelfallbezogenen Untersuchung des Gesellschaftsvertrages und sämtlicher Gesellschaftervereinbarungen – und in der Regel mit verbleibender Rechtsunsicherheit – „geklärt“ werden. Insbesondere war – hierauf weist Dreher 198 hin – eine dauerhafte ex-post-Kontrolle dahingehend notwendig, ob die Gesellschafter die zu Beginn der Kooperation vereinbarte und vergaberechtlich geprüfte Kontrolle durch den öffentlichen Auftraggeber beibehalten und nicht im Wege der Satzungsänderung, einfacher noch im Wege der Änderung der Gesellschaftervereinbarungen, zugunsten eines Mitgesellschafters verlagern. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass ein solches Ergebnis weder dem Zweck des Vergaberechts noch der – politisch gewünschten und geförderten 199 – Kooperation zwischen der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft dienlich ist. Ein restriktives und eindeutiges Verständnis von In-house-Geschäften dient dagegen der Verwirklichung von Transparenz, Wirtschaftlichkeit und Diskriminierungsfreiheit bei der Beschaffung und bringt für öffentliche Auftraggeber und Private mehr Vorteile als eine unter dem Damoklesschwert der Aufhebbarkeit stehende De-facto-Vergabe. Die Begründung einer In-house-Ausnahme erfordert weiterhin, dass der Auftragnehmer seine Tätigkeit im Wesentlichen für den bzw. die beteiligten öffentlichen Auftraggeber verrichtet, das sog. Wesentlichkeitskriterium. Der EuGH hat dieses Merkmal zunächst nicht näher konkretisiert. Das OLG Naumburg 200 legte dem Gerichtshof in seinem Vorlagebeschluss die Frage vor, ob es für die Zurechnung einer Gesellschaft der öffentlichen Hand zum Geschäftsbetrieb des öffentlichen Auftraggebers genügt, dass mindestens 80 % des von dieser während der letzten drei Jahre in der Gemeinschaft erzielten durchschnittlichen Umsatzes im Dienstleistungssek196 Problematisch für öffentliche Auftraggeber ist das Bestreben der Kommission, die Aufhebung bereits freihändig vergebener und noch laufender Aufträge mittels eines Zwangsgeldverfahrens nach Art. 228 EG zu erreichen (vgl. Hausmann/Bultmann, NVwZ 2005, S. 377/380; Krohn, NZBau 2005, S. 92/95; Zeiss, DÖV 2005, S. 819 ff.). 197 Hausmann/Bultmann, NVwZ 2005, S. 377/378. Vgl. 2. Kapitel B. II. 1. 198 Dreher, NZBau 2002, S. 245/253. 199 Siehe 2. Kapitel A. II. 4. 200 OLG Naumburg, Beschl. v. 8.1.2003, NZBau 2003, S. 224 ff.

8 Regler

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

tor aus der Erbringung von Dienstleistungen für den öffentlichen Auftraggeber stammt oder, wenn keine dreijährige Geschäftszeit besteht, dass im Wege der Prognose eine Erfüllung der 80 %-Regelung zu erwarten ist. Der EuGH musste die Frage nicht beantworten, da sie nur für den Fall der Bejahung der Anwendbarkeit der „Teckal-Kriterien“ auf gemischtwirtschaftliche Gesellschaften gestellt war. Die Vorlagefrage resultierte aus der bislang wohl herrschenden Auffassung, wonach für die Konkretisierung des Wesentlichkeitskriteriums die Vorschrift der Spezialregelung nach Art. 3 Abs. 1 lit. b SKR 201 entsprechend herangezogen werden könne 202. Andererseits wird auch eine restriktivere Ansicht vertreten und gefordert, dass sich die Tätigkeit nahezu ausschließlich auf den öffentlichen Auftraggeber beschränkt 203. Gegen die entsprechende Anwendung der starren 80 %-Regelung der SKR spricht die fehlende Rücksichtnahme auf qualitative Kriterien, insbesondere auf die konkrete Geschäftsentwicklung und die Wettbewerbssituation des Unternehmens 204. Die Wertung des Gemeinschaftsgesetzgebers, einen Ausnahmetatbestand nur im Sektorenbereich zu statuieren, darf zudem nicht außer Acht gelassen werden. Gleiches gilt für die in den Judikaten „Teckal“ und „Stadt Halle“ deutlich zum Ausdruck gekommene enge Auslegung von Ausnahmebestimmungen zur Verwirklichung des Zwecks des gemeinschaftsrechtlichen Vergaberechts. Die Heranziehung der 80 %-Regelung zur Bestimmung der Vergabefreiheit von In-house-Geschäften ist sonach keineswegs gesichert. Nunmehr verlangt der Gerichtshof, dass das beauftragte „Unternehmen hauptsächlich für diese Körperschaft tätig wird und jede andere Tätigkeit nebensächlich ist“, wobei hierzu „alle – qualitativen und quantitativen – Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen“ sind 205. Die Zwecksetzung des gemeinschaftsrechtlichen Vergaberechtsregimes erfasst lediglich Beschaffungen mit wettbewerblicher Relevanz, hingegen nicht interne Beschaffungen von Stellen, die in die Organisationsstruktur der beschaffenden Stelle selbst eingebunden sind. In-house-Vergaben stehen beschaffungstechnisch zwischen den möglichen Formen staatlicher Bedarfsdeckung durch Eigenproduktion und Beschaffung am privaten Markt. Die Beschaffung durch rechtlich unselbständige Regiebetriebe und lediglich organisatorisch verselbständigte EigenbetrieUmgesetzt in § 10 VgV; nunmehr Art. 23 SKR und § 100 Abs. 2 GWB. Endler, NZBau 2002, S. 125/132; Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdnr. 62; Faber, DVBl. 2001, S. 248/255; Gnittke/Siederer, ZVgR 2000, S. 236/238; Heinbuch/Bohne, NVwZ 2004, S. 177/178; Hüser, Ausschreibungspflichten bei der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 183/200 f. 203 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.1.2004, NZBau 2004, S. 343/345; Dreher, NZBau 2001, S. 360/363; Schlussanträge GA Léger v. 15.6.2000, Rs. C-94/99, „ARGE Gewässerschutz/ Bundesmin. für Land- und Forstwirtschaft“, Rdnr. 81; Pape/Holz, NJW 2005, S. 2264/2266; Schlussanträge GA’in Stix-Hackl v. 23.9.2004, Rs. C-26/03, „Stadt Halle, RPL Recyclingpark Lochau GmbH/TREA Leuna“, Rdnr. 89. 204 Krohn, NZBau 2005, S. 92/95; Pape/Holz, NJW 2005, S. 2264/2266; Schlussanträge GA’in Stix-Hackl v. 23.9.2004, Rs. C-26/03, „Stadt Halle, RPL Recyclingpark Lochau GmbH/TREA Leuna“, Rdnrn. 86 ff. 205 EuGH, Urt. v. 11.5.2006, Rs. C-340/04, DÖV 2006, S. 691 ff. 201 202

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be 206 stellt eine Leistungserbringung mit eigenen Mitteln dar. Eine umfängliche Zurechnung zum öffentlichen Bereich ist unter Wahrung des Wesentlichkeitskriteriums ebenfalls im Falle der Beauftragung einer rechtlich selbständigen Eigengesellschaft zu bejahen. Die einheitliche rechtliche Trägerschaft von beschaffender und mit der Leistungserbringung beauftragter Stelle macht mangels eines Wettbewerbs und mangels eines Bedürfnisses ein europaweites Vergabeverfahren entbehrlich. Die Entscheidung zur Beschaffung von Gütern und Leistungen durch solche rechtlich unselbständige oder rechtlich selbständige Einheiten stellt eine Organisationsprivatisierung 207 bzw. einen Akt der internen behördlichen Organisationsstruktur 208 dar. Faktisch unterscheidet sich die Funktion nicht von der einer „internen Verwaltungsabteilung“ 209. Letztlich handelt es sich um eine Leistungserbringung mit eigenen Mitteln 210. Die Begründung von In-house-Ausnahmen im vorstehenden Umfang (auch) mit der staatlichen Organisationshoheit, insbesondere der kommunalen Organisationshoheit als Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, rechtfertigt es jedoch nicht, die Versagung eines weitergehenden Anwendungsbereichs von Inhouse-Geschäften als einen unzulässigen Eingriff in die Organisationshoheit zu bewerten. Nicht selten wird die kommunale Selbstverwaltungsgarantie zur Rechtfertigung einer über „Teckal“ hinausgehenden Vergabefreiheit von Maßnahmen der funktionalen Privatisierung instrumentalisiert 211. Zwar gewährleistet die Organisationshoheit den Kommunen die Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Aufbauorganisation, insbesondere die Entscheidung für privatrechtlich organisierte Verwaltungseinheiten 212. Auch sieht das Kommunalwirtschaftsrecht Anforderungen für die Errichtung von juristischen Personen des Privatrechts vor. Dennoch ist bereits umstritten, ob die Formen der interkommunalen Zusammenarbeit, sog. Public-PublicPartnerships bzw. In-State-Geschäfte, als dem gemeinschaftsrechtlichen Vergaberecht nicht unterfallende innerstaatliche Organisationsakte behandelt werden kön206 Insoweit entfällt die Vergabepflichtigkeit schon aufgrund der Nichtverwirklichung des Tatbestandsmerkmals des öffentlichen Auftrags als Vereinbarung zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einer von dieser rechtlich verschiedenen Person. 207 Faber, DVBl. 2001, S.248/251 m.w. Nachw.; Müller-Serten, NZBau 2000, S.120/122 ff.; Portz, BWGZ 2000, S. 191/196; Thieme/Corell, DVBl. 1999, S. 884/886. 208 Boesen, Vergaberecht, § 100 Rdnrn. 95, 98; Gallwas, GewArch 2000, S. 401/404; Gnittke/Siederer, ZVgR 2000, S. 236/237. 209 Opitz, ZVgR 2000, S. 97/105; Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdnr. 54. 210 Opitz, ZVgR 2000, S. 97/105; Stapenhorst, VergabeR 1997, Vergabe Special, S. V/VIII; vgl. auch Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Grünbuch „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Region: Überlegungen für die Zukunft“ vom 11.08.1997, ABlEG 1997, Nr. C 244, S. 28, Ziff. 2.4.3. 211 Z.B. Boesen, Vergaberecht, §100 Rdnrn.95, 98 ff.; Kämper/Heßhaus, der städtetag 2000, S. 36/39 ff.; Schröder, NJW 2000, S. 1831/1834. 212 Vgl. nur Seewald, in: Steiner (Hrsg.), Bes. Verwaltungsrecht, Kap. I. Rdnrn. 89 ff. m. w. Nachw.

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

nen 213. Die Vergabepflichtigkeit der Einbeziehung Privater im Rahmen gemischtwirtschaftlicher Gesellschaften ist mit solchen Kooperationsformen nicht vergleichbar. Die Organisationshoheit als Teil der Selbstverwaltungsgarantie besteht nur im Rahmen der Gesetze und ist daher grundgesetzlich relativ ausgestaltet 214. Vorrang genießen das primäre und sekundäre Gemeinschaftsrecht, ferner höherrangiges nationales Recht und zwar unabhängig davon, ob als originäres Recht oder umgesetztes Richtlinienrecht. Im Hinblick auf die Eingriffsintensität ist zu berücksichtigen, dass die Vergabepflichtigkeit von Kooperationen mit Privaten lediglich eine verfahrensmäßige Reglementierung der Organisationshoheit bewirkt, die hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Beschaffung zudem im Interesse des öffentlichen Trägers liegt 215. Ein Eingriff in den unantastbaren Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie erscheint als fernliegend. 3. Sonstige Wertungsausnahmen Überlegungen zum Bestehen sonstiger Wertungsausnahmen sind von vornherein auf einen recht geringen Anwendungsbereich begrenzt. Die praktische Wirksamkeit des gemeinschaftsrechtlichen Vergaberechts verlangt nach den Ausführungen des Gerichtshofs bei Vorliegen der Voraussetzungen die Durchführung eines Vergabeverfahrens und ein restriktives Verständnis von Ausnahmevorschriften 216. Als Anwendungsbereich für Ausnahmen verbleiben Konstellationen, in denen der gemeinschaftsrechtliche Zweck der Öffnung der Beschaffungsmärkte im Wege transparenter und nichtdiskriminierender Verfahren nicht betroffen ist. Bei Privatisierungsvorhaben besteht die Möglichkeit, dass eine beschaffungsrechtlich relevante entgeltliche Leistung an den öffentlichen Auftraggeber im Rahmen des Gesamtvorgangs eine völlig untergeordnete Bedeutung einnimmt und dennoch die Vergabepflichtigkeit begründen würde. Das Kriterium der untergeordneten Bedeutung war bereits Gegen213 Nach dem OLG Naumburg (Beschl. v. 3.11.2005, DVBl. 2006, S. 121/123) ist auch im Vertragsverhältnis zwischen zwei öffentlichen Auftraggebern das Vergaberecht anwendbar, wenn ein öffentlicher Auftraggeber wie ein Privater am Markt auftritt. Dies sei nur dann nicht der Fall, wenn aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen ein Wettbebewerb schlichtweg ausgeschlossen sei, so bei einem Verwaltungsmonopol. I. Ü.: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.5.2004, NZBau 2004, S. 398 ff.; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 7.9.2004, NZBau 2004, S. 692; vgl. auch EuGH, Urt. v. 13.1.2005, Rs. C-84/0, „Kommission/Spanien“, EuR 2005, S. 21 ff.; Burgi, NZBau 2005, S. 208 ff.; Flömer/Tomerius, NZBau 2004, S. 660 ff.; Schröder, NVwZ 2005, S. 25 ff.; Storr, LKV 2005, S. 521 ff.; Ziekow/Siegel, VerwArch. 96 (2005), S. 119 ff.; Stellungnahme der Bundesregierung zum Grünbuch der EU-Kommission zu öffentlich-privaten Partnerschaften (Fn. 61), S. 2 ff. 214 In Bezug auf das Vergaberecht: Endler, NZBau 2002, S. 125/130; Faber, DVBl. 2001, S. 248/251 f.; Opitz, ZVgR 2000, S. 97/105; allgemein: Seewald, in: Steiner (Hrsg.), Bes. Verwaltungsrecht, Kap. I. Rdnrn. 45 ff. m. w. Nachw. 215 BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, NZBau 2002, S. 397/400; OLG Naumburg, Beschl. v. 3.11.2005, DVBl. 2006, S. 121/125;Dietlein, NZBau 2004, S. 472/476; Flömer/Tomerius, NZBau 2004, S. 660/666; Ziekow/Siegel, VerwArch. 96 (2005), S. 119/135 ff. 216 Siehe 2. Kapitel B. II. 1.

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stand der Judikatur 217. Für die Beurteilung eng begrenzter Wertungsausnahmen können daher Schwerpunktüberlegungen sowie subjektive Erwägungen Bedeutung erlangen 218. Die Beweislast liegt bei demjenigen, der sich auf die Ausnahme berufen möchte. Eine Wertungsausnahme könnte im Hinblick auf die Vermeidung von sog. Doppelausschreibungen bestehen. Hierunter wird die Konstellation verstanden, in der zwar die Voraussetzungen eines In-house-Geschäfts, beispielsweise im Falle der Auftragserteilung an eine staatliche Eigengesellschaft, vorliegen, ein Vergabeverfahren aber dennoch durchgeführt wird. Wird nun ein Teil der Gesellschaftsanteile an der Eigengesellschaft an einen privaten Investor verkauft 219, so soll ein weiteres Vergabeverfahren trotz des Vorliegens seiner Voraussetzungen nicht erforderlich sein 220. Hiernach würde der öffentliche Auftraggeber bzw. die Eigengesellschaft für die Durchführung eines nicht erforderlichen Ausschreibungsverfahrens bei der „erstmaligen“ Auftragserteilung belohnt. Allerdings ist zweifelhaft, ob eine solche Belohnung mit dem Zweck des gemeinschaftsrechtlichen Vergaberechts vereinbar ist, zumal die rechtlich nicht erforderliche Durchführung eines Vergabeverfahrens bei der Auftragserteilung an die Eigengesellschaft für den öffentlichen Auftraggeber aus anderen Erwägungen, so beispielsweise zur Sichtung des Marktes und zur Ermittlung des Marktpreises, vorteilhaft sein kann. Dreher 221 diskutiert das Bestehen einer Ausnahme auch dann, wenn bei der Veräußerung von Anteilen an einer mit einem öffentlichen Auftrag betrauten Gesellschaft „die Restlaufzeit des Auftrages im Verhältnis zu der Gesamtlaufzeit vernachlässigbar ist“. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vergabepflichtigkeit lediglich bei Überschreiten des maßgeblichen Schwellenwerts besteht. Die Wertung des Gemeinschaftsgesetzgebers bei der Festlegung der Schwellenwerte darf nicht außer Acht bleiben. Auch insoweit ist die Annahme einer untergeordneten Bedeutung der Beschaffung im Rahmen der grundsätzlich beschaffungsrechtlich relevanten Anteilsveräußerung zumindest fraglich. Eine Vergabefreiheit wird bei der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen ferner angenommen, wenn der Erwerb lediglich einen Durchgangserwerb darstellt, die Anteile also innerhalb überschaubarer Zeit an einen Zweiterwerber veräußert werden, ohne dass der Ersterwerber in der Zwischenzeit Einfluss auf die Gesellschaft ausübt. Allerdings kommt man im Rahmen einer funktionalen Betrachtung nicht umhin, das Vergaberecht dann auf die Weiterveräußerung anzuwenden 222, wobei die Problematik der fehlenden Auftraggebereigenschaft des Veräußerers nach § 98 GWB zu überwinden ist. 217 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999, WuW Verg 231, S. 929 ff.; EuGH, Urt. v. 19.4.1994, Rs. C-331/92, „Gestión Hotelera“, EuZW 1994, S. 349; Schimanek, NZBau 2005, S. 304/307 f. 218 Anders liegt es im Rahmen der beschaffungsrechtlichen Betrachtung; vgl. 2. Kapitel B. II. 2. a) und b). 219 Der hierdurch „beschaffungsrechtlich“ in der Höhe seiner Beteiligung den öffentlichen Auftrag erwirbt; siehe im Folgenden Abschnitt IV. 2. 220 Arrowsmith, PPLR 1997, S. 198/199; Dietlein, NZBau 2004, S. 472/478; Dreher, NZBau 2002, S. 245/252; Opitz, ZVgR 2000, S. 97/106. 221 Dreher, NZBau 2002, S. 245/251 f. 222 Siehe vorherige Fußnote.

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

IV. Problemfälle der Vergabepflichtigkeit bei Privatisierungen 1. Öffentlich-rechtliche Institute Als öffentlich-rechtliche Institute wurden im Abschnitt über die Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts bereits der öffentlich-rechtliche Vertrag und der Verwaltungsakt erwähnt. Im Bereich von Privatisierungen steht das Rechtsinstitut der Beleihung im Mittelpunkt. Bei einer Beleihung wird durch Gesetz oder auf der Grundlage eines formellen Gesetzes die Erledigung von Staatsaufgaben in den Formen des öffentlichen Rechts durch Verwaltungsakt oder durch öffentlich-rechtlichen Vertrag 223 auf Private übertragen 224. Formalrechtlich betrachtet, liegt in der Beleihung als Befugnisübertragung in den Formen des öffentlichen Rechts kein vergabepflichtiger öffentlicher Auftrag. In diesem Sinn hat der Bundesgerichtshof225 entschieden: „Ein entgeltlicher Vertrag wurde damals nicht geschlossen; es ist vielmehr ein Beleihungsakt zu Stande gekommen, der auf § 44 Abs. 3 ThürLHO beruht und materiell die Übertragung eines Teils der Staatsfunktion an ein Subjekt des Privatrechts darstellt mit der Befugnis, selbständig und im eigenen Namen öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit auszuüben (...). Ein solcher Beleihungsvorgang allein kann einer den Anwendungsbereich des Vergaberechts eröffnenden vertraglichen Grundlage im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB auch nicht gleichgestellt werden.“

Bedeutsam ist das Wort „allein“ im zweiten Satz des vorstehenden Zitats. Hier kommt zum Ausdruck, dass (nur) der isolierte Beleihungsakt keinen vergabepflichtigen öffentlichen Auftrag begründet. Anders kann sich aber die Rechtslage bei der gebotenen beschaffungsrechtlichen Betrachtung des Gesamtvorgangs darstellen, sofern neben dem eigentlichen Beleihungsakt noch entgeltliche Beschaffungsströme bestehen. Diese können in einem zusätzlichen öffentlich-rechtlichen Vertrag 226 oder im Falle der Beleihung mittels eines subordinationsrechtlichen Vertrages auch in diesem Vertrag selbst liegen, der dann auch koordinationsrechtliche Elemente aufweist. Im Fall der Entscheidung für eine Beleihungslösung verzichtet der Staat auf die Wahrnehmung einer ihm zugewiesenen Aufgabe durch eigene Behörden; stattdessen werden mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Private für ihn tätig. Nach außen handeln die Beliehenen gegenüber den Bürgern im Rahmen des Vollzugs einer finalen Staatsaufgabe 227, nach innen erbringen sie durch die Aufgaben223 Ein subordinationsrechtlicher Vertrag kann gemäß §54 Satz 2 VwVfG an die Stelle eines Verwaltungsaktes treten. 224 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3, § 90 Rdnrn. 1 ff.; siehe bereits 2. Kapitel A. II. 4. 225 BGH, Beschl. v. 12.6.2001, NZBau 2001, S. 517 ff. 226 So lag der Sacherhalt bei BGH, Beschl. v. 12.6.2001, NZBau 2001, S. 517 ff. Der Vorgang war indes wegen der Erfüllung der Anforderungen der „Teckal-Kriterien“ nicht vergabepflichtig. 227 Siehe hierzu 2. Kapitel A. III. und 3. Kapitel B.

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wahrnehmung eine Dienstleistung gegenüber dem Staat. Soweit der Private hierfür eine Gegenleistung erhält, ist die Dienstleistung entgeltlich im Sinn von § 99 Abs. 1 GWB. Als Gegenleistung wird in der Regel die Zahlung eines Entgelts oder die Gewährung eines exklusiven Nutzungs- und Verwertungsrechts bzw. eine Kombination von beidem vereinbart sein 228. Eine dem funktionalen Auftragsbegriff folgende objektive, materielle und damit beschaffungsrechtliche Betrachtung des Gesamtvorgangs der Beleihung gelangt daher zur Bejahung eines öffentlichen Auftrages 229. Aufgrund der Vergabepflichtigkeit ist bei Erreichen des Schwellenwerts sonach der Gesamtvorgang europaweit auszuschreiben 230, es sei denn, ein Vergabeverfahren ist aus normativen Gründen entbehrlich. Zwar besteht ein „bloßer“ Organisationsakt insoweit, als der öffentliche Auftraggeber lediglich die Zuständigkeit für die Wahrnehmung der Aufgabe ändert. Soweit jedoch hoheitliche Befugnisse auf „echte“ Private, nicht lediglich auf staatliche Eigengesellschaften in privater Rechtsform übertragen werden, kommt nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache „Stadt Halle“ die Annahme eines In-house-Geschäfts nicht in Betracht. Eine Wertungsausnahme kann grundsätzlich dann bestehen, wenn zwar ein entgeltlicher Beschaffungsstrom besteht, die Dienstleistungen jedoch von völlig untergeordneter Bedeutung sind. Allerdings gilt es wiederum, die Wertung des Gemeinschaftsgesetzgebers bezüglich des Erreichens der Schwellenwerte zu berücksichtigen. Schließlich besteht beim öffentlich-rechtlichen Institut der Beleihung eine Sonderkonstellation im Falle der Ausübung öffentlicher Gewalt. Entsprechende Tätigkeiten sind von der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 55, 45 EG ausgenommen. Der Gerichtshof zieht den Anwendungsbereich dieser Vorschriften im Hinblick auf die Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit jedoch sehr eng und fordert eine „unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt“ 231. Hierzu wird regelmäßig gefordert, dass dem Beliehenen (zumindest auch) die Verantwortlichkeit für Zwangsbefugnisse übertragen wird 232. Öffentlich-rechtliche Institute im Sinn dieses Abschnitts sind ferner die Kommunalunternehmen in der Rechtsform der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen 228 Hüser, Ausschreibungspflichten bei der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 282 ff.; Zeiss, DVBl. 2003, S. 435/436; vgl. auch Dreher, NZBau 2002, S. 245/255 f. Allgemein zu den Fragen der Aufwandsfinanzierung der beliehenen Tätigkeit im Falle ihrer Regelung in einer Beleihungsvereinbarung und ihrer Nichtregelung: Steiner, in: FS f. Reiner Schmidt, Abschn. I. 4. 229 Im Falle des Vorliegens einer Dienstleistungskonzession entfällt freilich eine Vergabepflicht nach §§ 97 ff. GWB. 230 Auch die Beihilfenrelevanz dürfte regelmäßig eine Ausschreibung erfordern; vgl. 2. Kapitel B. II. 1. 231 Siehe 2. Kapitel B. I. 1.; ferner Henssler/Kilian, EuR 2005, S. 192 ff. 232 Dreher, NZBau 2002, S.245/256 f.; Endler, NZBau 2002, S.125/129; Schimanek, NZBau 2005, S. 304/310; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3, § 90 Rdnr. 43; vgl. auch OLG Celle, Beschl. v. 24.11.1999, NZBau 2000, S. 299 f. Das Gemeinschaftsrecht fordert insoweit eine rechtliche Ausgestaltung der Beleihung, die über die deutsche Beleihungsdomatik hinausgeht (vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3, § 90 Rdnr. 35).

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

Rechts. Hintergrund dieser neuen Rechtsform des kommunalen Wirtschaftsrechts ist es, wirtschaftlich ein Gegengewicht zur GmbH zu schaffen, das der GmbH aber im Hinblick auf die Erhaltung kommunaler Steuerungsmöglichkeiten durch die öffentlich-rechtliche Rechtsform überlegen ist 233. Kommunalunternehmen entstehen durch Gründung oder durch Umwandlung von bestehenden Regie- und Eigenbetrieben 234. Wird ein Kommunalunternehmen mit der Erbringung entgeltlicher Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen betraut, so liegt formal- und beschaffungsrechtlich ein öffentlicher Auftrag nach § 99 Abs. 1 GWB vor. Allerdings werden die Leistungen stets In-house vergeben, da Träger des Kommunalunternehmens ausschließlich die Kommune als öffentlicher Auftraggeber sein kann. Eine Vergabepflichtigkeit besteht aus normativen Gesichtspunkten daher nicht. Im Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit im Wege sog. gemeinsamer Kommunalunternehmen 235 wird die Einhaltung der In-house-Kriterien indes kontrovers diskutiert 236. 2. Gesellschaftsrechtliche Modelle Beim Großteil der Privatisierungsvorgänge bedient sich die öffentliche Hand der Rechtsformen des Kapitalgesellschaftsrechts. Im Wesentlichen bestehen zwei Vorgehensweisen: Die erste Variante zeichnet sich dadurch aus, dass zunächst eine Kapitalgesellschaft als staatliche Eigengesellschaft oder als gemischtwirtschaftliche Gesellschaft gegründet und anschließend mit einem öffentlichen Auftrag betraut wird. In der zweiten Variante werden, nachdem die Gesellschaft in der Regel als Eigengesellschaft gegründet und beauftragt wurde, Gesellschaftsanteile an einen privaten Investor veräußert. Vergaberechtlich einfacher gelagert ist die erste Variante: Die Gründung einer Kapitalgesellschaft, gleich ob als Eigengesellschaft oder als gemischtwirtschaftliche Gesellschaft, erfüllt weder formalrechtlich noch beschaffungsrechtlich die Merkmale eines öffentlichen Auftrages. Die Frage der Vergabepflichtigkeit stellt sich dann, wenn die gegründete Gesellschaft ihrem Unternehmensgegenstand gemäß mit Leben erfüllt, also mit der entgeltlichen Erbringung von Leistungen nach § 99 Abs. 1 GWB beauftragt wird. Das Bestehen eines den maßgeblichen Schwellenwert übersteigenden entgeltlichen Vertrages bedingt dann bereits aus formalrechtlicher Sicht die Notwendigkeit der europaweiten Ausschreibung. Anders verhält es sich, wenn die Voraussetzungen eines In-house-Geschäfts zu bejahen sind. Nach den Judikaten in den Rechtssachen „Teckal“ und „Stadt Halle“ lässt sich eine normative Vergabefreiheit lediglich bei staatlichen Eigengesellschaften begründen, soweit zudem die Anforderungen des Wesentlichkeitskriteriums gewahrt sind. Glei233 Schulz, BayVBl. 1996, S. 97 ff.; zur vergaberechtlichen Stellung: Schröder, NVwZ 2003, S. 596 ff. 234 Für Bayern: Art. 89 f. GO. 235 Für Bayern: Art. 49 f. KommZG. 236 Vgl. bereits Fn. 213.

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ches gilt, wenn der Auftrag nicht einer Tochter-, sondern einer Enkelgesellschaft erteilt wird, soweit der öffentliche Auftraggeber alleiniger Anteilseigner beider Gesellschaften ist 237. Der Alleinbesitz genügt dem Kontrollkriterium auch dann, wenn er lediglich vermittelt ist. Ein vergabefreies In-house-Geschäft besteht ferner bei einem nach der Auftragsvergabe stattfindenden Formwechsel nach § 301 UmwG, beispielsweise beim Formwechsel eines in der Anstaltsform agierenden Kommunalunternehmens in die GmbH. Soll die öffentliche Aufgabe indes – wie im Sachverhalt des Vorlagebeschlusses des OLG Naumburg – künftig durch eine gemischtwirtschaftliche Gesellschaft erfüllt werden, die mit dem öffentlichen Auftrag betraut werden soll, so fordert die Partizipation des beteiligten privaten Gesellschafters am Wert des öffentlichen Auftrages stets die Durchführung eines Vergabeverfahrens. Da eine bereits gegründete gemischtwirtschaftliche Gesellschaft Gefahr läuft, den vergabepflichtigen Auftrag nicht zu erhalten, sind insoweit ein Gesellschaftsanteil einer zu gründenden Gesellschaft und der Abschluss eines öffentlichen Auftrages mit dieser Gesellschaft auszuschreiben. 238 Unerörtert blieb bislang, ob das Gesellschaftsrecht einer „dienststellenähnlichen Kontrolle“ des bzw. der Anteilseigner nicht entgegensteht. Die dominierende Rechtsform der GmbH ist durch die Bindung der Geschäftsführer an rechtmäßige Gesellschafterbeschlüsse gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG sowie allgemein an Weisungen der Gesellschafter gekennzeichnet. Es besteht seitens der Gesellschafter ein Durchgriff auf das Geschäftsgebaren der Gesellschaft, der eine ähnliche239 Kontrolle wie über eine Dienststelle erlaubt 240. Eine entsprechende Weisungsgebundenheit des Leitungsorgans besteht bei der Aktiengesellschaft nicht. Der Vorstand leitet die Gesellschaft in eigener Verantwortung (§ 76 AktG). Mit einer dienststellenähnlichen Kontrolle ist dies nicht vereinbar 241. Hierüber hilft auch ein Katalog von zustimmungspflichtigen Maßnahmen (§ 111 Abs. 4 AktG), die Notwendigkeit der Einholung von Hauptversammlungsbeschlüssen bei Maßnahmen von herausragender Bedeutung 242 oder das Bestehen einer faktischen Kontrolle im Sinne eines fakti237 OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2003, NVwZ 2004, S. 254; hierzu Heinbuch/Bohne, NVwZ 2004, S. 177 ff. 238 Insbesondere für PPP-Modelle ist das neue Vergabeverfahren des wettbewerblichen Dialogs vorgesehen (Knauff, NZBau 2005, S. 249 ff.; kritisch: Stellungnahme der Bundesregierung zum Grünbuch der EU-Kommission zu öffentlich-privaten Partnerschaften (Fn. 61), S. 13 f.). 239 So nun EuGH, Urt. v. 11.1.2005, Rs. C-26/03, „Stadt Halle, RPL Recyclingpark Lochau GmbH/TREA Leuna“, NZBau 2005, S. 111/115 Rdnr. 49. 240 BGH, Beschl. v. 12.6.2001, NZBau 2001, S. 517 ff.; Endler, NZBau 2002, S. 125/131 f.; Faber, DVBl. 2001, S. 248/254. 241 EuGH, Urt. v. 18.11.1999, Rs. C-107/98, „Teckal Srl./Gemeinde Viano u. a.“, EuZW 2000, S. 246 ff.: „keine eigene Entscheidungsgewalt“; Endler, NZBau 2002, S. 125/131; Kleine/Flöther/Bräuer, NVwZ 2002, S. 1046/1052 f. Die Wahrung des Kontrollkriteriums im Falle der Beauftragung einer Aktiengesellschaft wird vom EuGH (Urt. v. 13.10.2005, Rs. C-458/03, „Parking Brixen“, NZBau 2005, S. 644 ff.) nach den Umständen des Einzelfalls geprüft. 242 BGH, Urt. v. 25.2.1982, „Holzmüller“, NJW 1982, S.1703 ff.; Urt. v. 26.4.2004, „Gelantine“, DStR 2004, S. 922 ff.

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

schen Konzerns 243 nicht hinweg. Die Rechtsform der Aktiengesellschaft kann dem Kontrollkriterium nur genügen, wenn durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrages ein Vertragskonzern gebildet und dadurch eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Vorstand nach § 308 Abs. 1 AktG erlangt wird 244. Um die Einhaltung der Grenzen von In-house-Geschäften geht es auch bei der Problematik von Auftragsvergaben zwischen zwei von derselben Mutter gehaltenen staatlichen Eigengesellschaften, sog. Schwester-Vergaben oder horizontale Vergaben im Rahmen einer HoldingStruktur. Eine dienststellenähnliche Kontrolle kann hier lediglich die Mutter, nicht aber die den öffentlichen Auftrag erteilende Schwester ausüben. Eine vermittelte Kontrollintensität wie bei der Enkelgesellschaft besteht nicht, so dass eine direkte Anwendung der In-house-Grundsätze ausscheidet. Dreher 245 bejaht dennoch ein Inhouse-Geschäft, weil die den Auftrag erteilende Schwestergesellschaft vergaberechtlich der Muttergesellschaft zuzurechnen sei. Tatsächlich läge eine Betriebsabteilung vor; die rechtliche Verselbständigung der Schwestergesellschaft sei lediglich Folge der Unternehmensorganisation. Dieser pragmatische Ansatz ist nicht frei von Bedenken: Richtig ist, dass sich Fragen der Unternehmensstruktur in der Form der Auslagerung von Tätigkeiten auf Eigengesellschaften auf die innere Organisation beschränken. Die entgeltliche Beschaffung von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen durch Tochterunternehmen teilt diese Eigenschaft nicht. Sie eröffnet einen Markt, in dem der rechtlich selbständigen Schwestergesellschaft keine Sonderstellung zukommt 246. Ein derart weitgehendes Verständnis der In-house-Ausnahme lässt sich mit den deutlichen Ausführungen des Gerichtshofs in der Rechtssache „Stadt Halle“ nur schwer vereinbaren. Bei der bereits angesprochenen zweiten Variante ist die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen einer vergabefrei gegründeten und beauftragten Eigengesellschaft an einen privaten Investor auf ihre Vergabepflichtigkeit hin zu würdigen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich in gleicher Weise auf sonstige gesellschafts- und umwandlungsrechtliche Vorgänge, die es Privaten ermöglichen, Gesellschaftsanteile zu erwerben und Gesellschafter einer dann gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft zu werden. Hierunter fallen beispielsweise eine Kapitalerhöhung bei einer GmbH durch Ausgabe neuer Geschäftsanteile und Zulassung eines Privaten zur Übernahme eines Geschäftsanteils 247 und die Ausgliederung eines Eigenbetriebs aus dem Vermögen einer Gebietskörperschaft auf eine Kapitalgesellschaft mit der Wirkung einer (partiellen) Gesamtrechtsnachfolge 248. Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, Endler, NZBau 2002, S. 125/131 f.; anders wohl Faber, DVBl. 2001, S. 248/254. Endler, NZBau 2002, S.125/131. Die öffentliche Hand kann „Unternehmer“ im Sinn von §§ 15 ff. AktG sein, (Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, AG, § 68 Rdnr. 12 m. w. Nachw.). 245 Dreher, NZBau 2004, S. 14/18 ff. Freilich verlangt er, dass zusätzlich das Wesentlichkeitskriterium erfüllt ist. 246 Schröder, NZBau 2005, S. 127 ff. 247 §§ 55, 57 h GmbHG. 248 §§ 168, 171, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. 243 244

B. Privatisierung von Hoheitsträgern

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insbesondere der Verkauf und die Abtretung von Geschäftsanteilen, sind formalrechtlich betrachtet gänzlich ohne Beschaffungscharakter. Die Beschaffungsrichtung verläuft ausschließlich vom öffentlichen zum privaten Sektor, nicht (zumindest auch) umgekehrt. Verkürzt gesagt: Ein Verkauf ist kein Einkauf 249. Der Funktion des gemeinschaftsrechtlichen Vergaberechts wird indes allein eine beschaffungsrechtliche Sichtweise gerecht. Ein Verkaufsvorgang beinhaltet dann eine entgeltliche Beschaffung von Gütern oder Leistungen nach § 99 Abs. 1 GWB, wenn die Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden, mit einem öffentlichen Auftrag betraut ist. Anderenfalls bestünde die Möglichkeit, im Wege einer gesellschaftsrechtlichen Maßnahme einen Auftrag ohne Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens zu erlangen. Beschaffungsrechtlich macht es keinen Unterschied, ob eine Gesellschaft mit einem Privaten gegründet und mit einem öffentlichen Auftrag ausgestattet werden soll, oder ob – zeitlich verzögert – die Anteile einer mit einem öffentlichen Auftrag ausgestatteten Eigengesellschaft an einen Privaten veräußert werden sollen. Dreher 250 spricht plastisch vom „eingekapselten Beschaffungsverhältnis“; in der Diktion des Bundesgerichtshofs 251 ist die Anteilsveräußerung „das rechtliche Gewand“ für die Vergabe eines öffentlichen Auftrages. Wie in diesem Kapitel unter Abschnitt B. II. 2. ausgeführt, spielen bei der Frage des Bestehens entgeltlicher Beschaffungsströme subjektive Erwägungen, insbesondere das Bestehen oder Nichtbestehen einer Umgehungsabsicht, keine Rolle. Gleiches gilt für die Frage eines zeitlichen 252 und/oder sachlichen Zusammenhangs zwischen der Gesellschaftsgründung und der nachfolgenden Anteilsveräußerung. Denn der Beschaffungscharakter geht nicht dadurch verlustig, dass der Anteilserwerb erst einige Jahre nach der Gründung der staatlichen Eigengesellschaft stattfindet 253. Gegen-stand des Vergabeverfahrens ist dann nicht nur der „verdeckte“ oder „eingekapselte“ öffentliche Auftrag, sondern als sog. Gesamtausschreibung der zu veräußernde Gesellschaftsanteil und der – kraft Gesetzes stattfindende – Eintritt in den öffentlichen Auftrag, welcher der – dann gemischtwirtschaftlichen – Gesellschaft erteilt ist 254. Als Korrektiv für die Vergabepflichtigkeit fungiert stets das Erreichen des maßgeblichen Schwellenwerts. Im Falle der Erlangung eines öffentlichen Auftrages im Wege des Anteilserwerbes stellen sich Fragen der Auftragswertberechnung. Unzweifelhaft kann bei einer Anteilsveräußerung, in deren Rahmen der bereits vergebene öffentliche Auftrag „eingekauft“ wird, nur der Zeitraum maßgebend sein, auf 249 Prieß, PPLR 1998, Volume 7, S. 1/7 f.: „A sale is not a purchase and a seller is not a purchaser.“ 250 Dreher, NZBau 2002, S. 245/247 ff.; ihm folgend Dietlein, NZBau 2004, S. 472/476. 251 BGH, Beschl. v. 1.2.2005, NZBau 2005, S. 290/293. 252 Die Maßgeblichkeit der Gesamtheit der gesellschaftsrechtlichen Vorgänge und nicht ihrer zeitlichen Abfolge betont nun auch der EuGH (Urt. v. 10.11.2005, Rs. C-29/04, „Kommission/Österreich“, DVBl. 2006, S. 101 f.). 253 Endler, NZBau 2002, S. 125/133; Jaeger, NZBau 2001, S. 6/11. 254 Dreher, NZBau 2005, S. 245/248; Gnittke/Siederer, ZVgR 2000, S. 236/243; Jaeger, NZBau 2001, S. 6/11; Opitz, ZVgR 2000, S. 97/106.

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

den sich der öffentliche Auftrag noch erstreckt 255. Der Auftragswert ist sonach nach der Restlaufzeit des öffentlichen Auftrages ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Anteilsveräußerung zu bestimmen. Auf Wertungen angewiesen ist die weitere Frage, ob in die Berechnung der gesamte Wert des Auftrages 256 oder lediglich derjenige Betrag, der auf den an den Privaten zu veräußernden Anteil entfällt 257, einfließen soll. Der Logik folgend scheint die letztere Auffassung nahe zu liegen. Der Private erhält lediglich einen Gesellschaftsanteil mit einer bestimmten Beteiligungsquote, in deren Höhe er am öffentlichen Auftrag partizipiert. Sollte ein Mehr ausgeschrieben und berechnet werden als das, wofür der Markt eröffnet wird und was den Wettbewerb beeinflussen kann? Auch bei der Auftragswertberechnung korrespondieren die Wertungsgesichtspunkte mit dem funktionalen Auftragsbegriff. Zur Verhinderung von Umgehungsgestaltungen kann daher der zeitverzögerte Anteils- und Auftragserwerb nicht anders behandelt werden als der Auftragserwerb im Rahmen der Gründung einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft258. Bei der Gründung ist der gesamte Auftragswert für die gemischtwirtschaftliche Gesellschaft als Auftragnehmerin anzusetzen. Der beschaffungsrechtlich einzig relevante Unterschied ist der in der Zwischenzeit verstrichene Zeitraum, dem durch die Maßgeblichkeit lediglich der Restlaufzeit Rechnung getragen wird. Anderenfalls könnte durch das gestufte Verfahren einer der Gesellschaftsgründung und Auftragsvergabe nachfolgenden Anteilsveräußerung das Vergaberecht dadurch zweckwidrig unterlaufen werden, dass stets solche Anteile veräußert werden, die mit ihrer Beteiligungsquote den geltenden Schwellenwert nicht erreichen. Ein weiteres Korrektiv bei Anteilsveräußerungen besteht grundsätzlich nicht. Zwar wird zum Teil versucht, die Veräußerung unter dem Gesichtspunkt einer „Suche nach einem privaten Mitgesellschafter“ als Vorgang mit persönlichem Einschlag oder als Vertrauensbeziehung den Vergabevorschriften zu entziehen 259. Hiergegen sprechen gewichtige Einwände 260. Jeder öffentliche Auftrag ist eine Vertragsbeziehung, deren Erfolg von einer guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit der Vertragsbeteiligten abhängt. Privilegien hinsichtlich der Auftragnehmereigenschaft eines Privaten als Gesellschafter einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft wider255 Dreher, NZBau 2002, S.245/250; Endler, NZBau 2002, S.125/134; Jaeger, NZBau 2001, S. 6/11. 256 Dietlein, NZBau 2004, S. 472/478 f.; Dreher, NZBau 2002, S. 245/250 f.; Endler, NZBau 2002, S. 125/134. 257 VK Stuttgart, Beschl. v. 24.1.2001, NZBau 2001, S. 340; Jaeger, NZBau 2001, S. 6/11. 258 Die Gründung einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft vor der Auftragserteilung – so lag der Sachverhalt im Vorlagebeschluss des OLG Naumburg v. 8.1.2003 (NZBau 2003, S. 224 ff.) – scheidet nach der Rechtsprechung zu „Stadt Halle“ praktisch aus, da bei Durchführung eines Vergabeverfahrens die Erlangung des öffentlichen Auftrags nicht gesichert ist. 259 Frenz, DÖV 2002, S. 186/190 ff. m. w. Nachw.; Hertel/Recktenwald, NZBau 2001, S. 538/539; Kniesel/Schneebarth, der städtetag 1998, S. 340/344 f.; Portz, BWGZ 2000, S. 191/ 197. 260 Vgl. hierzu OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.2001, NZBau 2001, S. 645 ff.; Dietlein, NZBau 2004, S. 472/475; Faber, DVBl. 2001, S. 248/256 f.; Otting, BWGZ 2002, S. 134/135.

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sprächen dem Zweck und der praktischen Wirksamkeit des Vergaberechts. Aspekte des persönlichen Vertrauens sind überdies nach § 97 Abs. 4 GWB als Vergabekriterien nicht vorgesehen; ferner wären sie mit einer transparenten und diskriminierungsfreien Beschaffung gemäß § 97 Abs. 1 und 2 GWB nicht vereinbar. Im Übrigen wird es bei der Auswahl des Privaten primär auf dessen Know-how im nachgefragten Bereich ankommen 261. Schließlich ist ein Erfordernis für eine entsprechende Ausnahme von der Vergabepflichtigkeit nicht erkennbar: § 97 Abs. 4 HS. 1 GWB nennt für sämtliche öffentlichen Aufträge oberhalb der Schwellenwerte die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit als Vergabekriterien. Diese Kriterien erlauben, Aufträge an solche Auftragnehmer zu vergeben, mit denen eine erfolgreiche Zusammenarbeit zum Zwecke der Beschaffung von Leistungen zu erwarten ist. Dies gilt auch für private Mitgesellschafter. Die fehlende Eignung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie zur Vermeidung von Ausschreibungspflichten für kommunale Auftraggeber wurde bereits dargelegt 262. Einem Entfallen der Vergabepflichtigkeit der zweiten Variante durch das Eingreifen von Wertungsausnahmen auf der dritten Stufe 263 steht die Entscheidung des Gerichtshofs 264 in der Rechtssache „Stadt Halle“ entgegen, die nur allgemein von der „Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft“ spricht. Auch im Rahmen der normativen Betrachtung ist es unerheblich, ob der Private bereits bei der Gründung der Gesellschaft oder nachfolgend im Wege einer Anteilsveräußerung einbezogen wird. Die Möglichkeit etwaiger anderer Ausnahmen von der Vergabepflicht wurde in Abschnitt B. III. 3. erörtert. 3. Sonstige Problemfälle Bei sonstigen – sich nicht nur bei Privatisierungsvorgängen stellenden – Problemfällen handelt es sich um die vergaberechtliche Relevanz von Änderungen und Verlängerungen öffentlicher Aufträge nach § 99 Abs. 1 GWB. Die Einbeziehung Privater in bislang als Eigengesellschaften geführte Unternehmen macht regelmäßig ein Bedürfnis nach Modifizierung der bestehenden Vereinbarungen offenbar. Formal- und beschaffungsrechtlich stellt die Änderung eines öffentlichen Auftrages keine entgeltliche Beschaffung von Gütern oder Leistungen dar. Die beschaffungsrechtliche Sichtweise ändert sich dann, wenn die Vertragsänderungen bei einer vorzunehmenden Gesamtbetrachtung so erheblich sind, dass sie einer Neuvergabe gleichkommen 265. Dies wird bejaht, wenn die essentialia negotii in erVgl. 2. Kapitel A. II. 4. Siehe 2. Kapitel B. III. 2. 263 Zum Drei-Stufen-Modell siehe 2. Kapitel B. II. 2. b). 264 EuGH, Urt. v. 11.1.2005, Rs. C-26/03, „Stadt Halle, RPL Recyclingpark Lochau GmbH/TREA Leuna“, NZBau 2005, S. 111/115 Rdnr. 49. 265 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.1.2004, NZBau 2004, S. 343/344; Byok, NJW 2004, S. 198/202; Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdnr. 33; Frenz, DÖV 2002, S. 186/192; Schröder, NJW 2002, S. 1831/1832. 261 262

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

heblicher Weise modifiziert werden. Die Vergabepflichtigkeit liegt daher nahe, wenn die Hauptleistungspflichten geändert werden sollen, insbesondere also der Auftragsgegenstand und -umfang, die Entgeltregelung und die Laufzeit des Vertrages 266. Die Bedeutsamkeit der Laufzeit wirkt sich bei der Problematik von Vertragsverlängerungen aus. Hierbei ist zwischen nachträglich vereinbarten Vertragsverlängerungen und solchen im Wege der Ausübung oder Nichtausübung von Gestaltungsrechten zu differenzieren. Nachträglich vereinbarte, also zweiseitige Vertragsverlängerungen, umgehen das Vergaberecht; sie stellen sich beschaffungsrechtlich als eine vergabepflichtige Neubeschaffung von Lieferungen oder Leistungen dar 267. Anders verhält es sich bei sog. automatischen Verlängerungen, die vorsehen, dass sich ein öffentlicher Auftrag um eine bestimmte Laufzeit verlängert, sofern kein Vertragspartner innerhalb eines bestimmten Zeitraums den Auftrag wirksam kündigt. Vergleichbar ist der umgekehrte Fall, wenn einem oder beiden Vertragspartnern eine Option eingeräumt ist, den Vertrag durch einseitige Erklärung um eine bestimmte Zeit zu verlängern. Die Ausübung oder Nichtausübung eines (einseitigen) Gestaltungsrechts kann weder bei einer formal- noch bei einer beschaffungsrechtlichen Betrachtung als „neuer“ öffentlicher Auftrag gemäß § 99 Abs. 1 GWB angesehen werden, vorausgesetzt die automatische Verlängerung oder das Optionsrecht war bereits Bestandteil des Erstvertrages und wurde in diesem Vergabeverfahren bekannt gemacht 268. Dann sind die einseitigen Verlängerungsmöglichkeiten funktional dem Erstauftrag zuzurechnen und vergabefrei. Freilich bestehen Grenzen der Vertragsgestaltung. Grundsätzlich ist die lange Laufzeit von Verträgen vergaberechtlich nicht anstößig 269. Dies wird durch die Anerkennung von Rahmenvereinbarungen bestärkt 270. Eine Vergabepflichtigkeit kann indes zu bejahen sein, wenn die Vertragsgestaltung von Anfang an auf die Umgehung einer etwaigen Verpflichtung zur Neuausschreibung angelegt ist 271, ferner dann, wenn das primärrechtliche Diskriminierungsverbot und das Transparenzgebot 272

266 OLG Rostock, Vorlagebeschl. v. 5.2.2003, NZBau 2003, S. 457 f.: bloße, den Schwellenwert übersteigende nachträgliche Änderung, die weniger als 5% des Werts der Gesamtbeschaffung ausmacht; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.2.2001, VergabeR 2001, S. 210 ff.; Erdl, VergabeR 2001, S. 213; Gnittke/Siederer, ZVgR 2000, S. 236/241; Hausmann/Bultmann, NVwZ 2005, S. 377/380; Schröder, NJW 2002, S. 1831/1832 f. 267 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.2.2001, VergabeR 2001, S. 210 ff.; Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdnr. 34; Frenz, DÖV 2002, S. 186/193. 268 OLG Celle, Beschl. v. 4.5.2001, NZBau 2002, S.53; Hausmann/Bultmann, NVwZ 2005, S. 377/380 f. m. w. Nachw.; Schröder, NJW 2002, S. 1831/1833; a. A. Erdl, VergabeR 2001, S. 213. 269 Frenz, DÖV 2002, S. 186/193; Gnittke/Siederer, ZVgR 2000, S. 236/240 f.; Schröder, NJW 2002, S. 1831/1833. 270 Art. 32 VKR und Art. 14 SKR. 271 Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdnrn. 34 ff. 272 Eine vergleichbare Lage besteht bei Dienstleistungskonzessionen, vgl. 2. Kapitel B. I. 1.

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oder allgemeine wettbewerbliche Grundsätze 273 eine Neuvergabe nach angemessener Zeit gebieten.

V. Anwendung der Grundsätze nach II. und III. auf die Privatisierungsformen – Ergebnis 1. Die formelle Privatisierung Der Wechsel zur privaten Rechtsform einer staatlichen Eigengesellschaft stellt grundsätzlich dann einen vergaberechtlich relevanten Sachverhalt dar, wenn der Gesellschaft ein öffentlicher Auftrag nach § 99 Abs. 1 GWB erteilt wird. Allerdings stellen die Gründung und Beauftragung der Gesellschaft innerstaatliche Organisationsakte dar, die sich außerhalb des Marktes vollziehen und keine wettbewerbliche Bedeutung aufweisen. Als sog. In-house-Geschäft ist die Beauftragung einer Eigengesellschaft nach der Rechtsprechung des EuGH von der gemeinschaftsrechtlichen Vergabepflicht freigestellt, vorausgesetzt die Gesellschaft wird im Wesentlichen für den die Anteile innehabenden öffentlichen Auftraggeber tätig. Die Rechtslage stellt sich nicht anders dar bei gemischtöffentlichen Gesellschaften, deren Anteilseigner dieselben öffentlichen Interessen verfolgen. § 99 Abs. 1 Satz 2 GWB in der Fassung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Vergaberechts 274 bestimmte das Nichtvorliegen eines öffentlichen Auftrages, „wenn ein öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr. 1, 2 oder 3 Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen durch einen anderen öffentlichen Auftraggeber erbringen lässt, sofern dieser Auftraggeber im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber oder überhaupt nicht am Markt für die einzukaufende Leistung tätig ist und an ihm Private nicht beteiligt sind“. 2. Die materielle Privatisierung und die Vermögensprivatisierung Materielle Privatisierungen als staatlicher Aufgabenrückzug und Vermögensprivatisierungen als Veräußerung von staatlichen Vermögenswerten sind im Hinblick auf ihre Vergabepflichtigkeit gleich zu behandeln. Die Beschaffungsrichtung verläuft formalrechtlich ausschließlich vom öffentlichen zum privaten Sektor. Der dem öffentlichen Auftrag nach § 99 Abs. 1 GWB immanente entgeltliche Beschaffungsbezug ist grundsätzlich zu verneinen 275. Eine Vergabepflichtigkeit kann jedoch zu 273 Hierzu Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, §99 Rdnrn. 29 f.; Frenz, DÖV 2002, S. 186/193 ff. 274 Stand: 18.3.2005; siehe Fn. 198. 275 Boesen, Vergaberecht, § 100 Rdnrn. 104 ff.; Dreher, NZBau 2002, S. 245/246; Endler, NZBau 2002, S. 125/134; Hailbronner, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdnr. 336; Otting, BWGZ 2002, S. 134 f.; Prieß, in: Jestaedt/Kemper/Marx/Prieß, Das Recht der Auftragsvergabe, S. 53; ders., PPLR 1998, Volume 7, S. 1/8; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, H. IV. Rdnrn. 111 ff.

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2. Kap.: Öffentliche Auftragsvergabe und Privatisierung

bejahen sein, wenn qua flankierender Vereinbarung 276 durch den öffentlichen Auftraggeber im Rahmen bzw. anlässlich der Transaktion die entgeltliche Beschaffung bestimmter Lieferungen oder Leistungen garantiert oder zugesagt wird 277, ferner, wenn in bereits bestehende öffentliche Aufträge eingetreten wird. Vorbehaltlich des Erreichens der maßgeblichen Schwellenwerte unterliegen solche Vereinbarungen aufgrund ihres Beschaffungscharakters der Vergabepflicht, soweit diese nicht durch normative Erwägungen ausnahmsweise entfallen kann. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Vergaberechtsregimes ist eingedenk der finanziellen Volumina bei Veräußerungsvorgängen die Einhaltung der primärrechtlichen Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Transparenz sicherzustellen. Hiervon zu unterscheiden ist die als Ausfluss der Privatisierungsfolgenveranwortung im Einzelfall bestehen bleibende Bindung des Privaten an das Vergaberecht nach vollzogener materieller Privatisierung gemäß § 98 Nr. 4 und Nr. 2 GWB. 3. Die funktionale Privatisierung Die funktionale Privatisierung ist dadurch gekennzeichnet, dass der privatisierende Träger öffentlicher Verwaltung den Aufgabenvollzug zumindest auch auf Private verlagert, die Staatsaufgabe aber behält. Vorgänge der funktionalen Privatisierung sind durch die entgeltliche Beschaffung privater Lieferungen oder Leistungen das klassische Anwendungsfeld des Kartellvergaberechts. Die formalrechtliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten ist dabei nicht geeignet, die Frage der Vergabepflichtigkeit zu lösen. Das gemeinschaftsrechtliche Vergaberecht erfordert zur Gewährleistung seiner praktischen Wirksamkeit ein funktionales Verständnis des Begriffs des öffentlichen Auftrages, das darauf gerichtet ist, sämtliche entgeltliche Beschaffungsströme von Lieferungen und Leistungen hin zum öffentlichen Auftraggeber zu erfassen. Auf subjektive Erwägungen der Beteiligten kommt es dabei nicht an. So können die eine Beleihung Privater flankierenden Vereinbarungen eine Vergabepflicht begründen. Bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben durch gemischtwirtschaftliche Gesellschaften macht es im Hinblick auf die Vergabepflichtigkeit – sowohl bei der beschaffungsrechtlichen als auch bei der nachfolgenden normativen Betrachtung – im Ergebnis keinen Unterschied, ob der private Unternehmer im Rahmen der Gründung oder im Wege eines späteren Erwerbs von Gesellschaftsanteilen als Mitgesellschafter einbezogen wird. Gesetzliche Ausnahmen von der Vergabepflichtigkeit sind nach der Rechtsprechung des EuGH im Hinblick auf den Zweck der Verwirklichung eines europaweiten diskriminierungsfreien und transparenten Beschaffungsmarkts restriktiv auszulegen. Die Wertungsausnahme des In-house-Geschäfts steht Privatisierungsvorgängen unter Einbeziehung priDen Begriff „flankierend“ verwendet in diesem Kontext Möschel, WuW 1997, S.120/124. Dies geschieht häufig zur Sicherstellung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit und/ oder zur Abmilderung des wirtschaftlichen Risikos des Privaten (Möschel, WuW 1997, S. 120/124; Opitz, ZVgR 2000, S. 97/102; Otting, BWGZ 2002, S. 134/136 f.; Schimanek, NZBau 2005, S. 304/311). 276 277

B. Privatisierung von Hoheitsträgern

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vater Unternehmen nicht offen. Andere Ausnahmen von der Vergabepflicht kommen lediglich in den seltenen Fällen in Betracht, in denen die entgeltliche Beschaffung im Verhältnis zum gesamten Privatisierungsvorgang von völlig untergeordneter Bedeutung ist. Hierbei ist der durch die Festsetzung von Schwellenwerten absolute statt relative Ansatz des Gemeinschaftsgesetzgebers zu würdigen. Allgemein ist es in Zweifelsfällen angezeigt, unter den Gesichtspunkten der Funktion des Vergaberechts, der haushaltsrechtlichen Vorgaben und vor allem der Rechtssicherheit der Beschaffung eine Entscheidung pro Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens zu treffen. Dies gilt im Besonderen im Hinblick auf die Beihilfenrelevanz von Vorgängen der funktionalen Privatisierung.

9 Regler

3. Kapitel

Das Vergaberechtsverhältnis A. Die Stellung des Vergaberechtsverhältnisses im Dualismus von öffentlichem und privatem Recht I. Die Trennung von öffentlichem und privatem Recht Die deutsche Rechtsordnung scheidet öffentliches und privates Recht. Dieser Satz ist ebenso kurz wie praktisch notwendig, mag dabei auch eine Flut von wissenschaftlichen Beiträgen über das Entstehen und das Erfordernis des Fortbestehens des Dualismus von öffentlichem und privatem Recht übersehen sein. Über argumentativ festen Boden verfügt man im Wesentlichen nur, wenn man, wie nachstehend noch dargelegt, die Zweiteilung der deutschen Rechtsordnung in erster Linie als Zweiteilung des positiven Rechts begreift. Nicht selten beginnt eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik unter Hinweis auf ein Ulpian 1 zuzuschreibendes Zitat, woraus geschlossen wird, dass bereits das römische Recht zwischen öffentlichem und privatem Recht unterschieden habe. Dennoch ist der heute vorzufindende Rechtszustand das Ergebnis einer vor allem im 19. Jahrhundert entstandenen Rechtsentwicklung. 1. Die Trennung von Staat und Gesellschaft Die Trennung von öffentlich und privat widerspiegelt die Trennung von Staat und Gesellschaft 2. Als Ausgangspunkt für diesen Dualismus des Rechts wird das Ende des 18. Jahrhunderts, also die Epoche des fürstlichen Absolutismus, angesehen. Was die Rechtsordnung betrifft, war diese Epoche vom Bestreben der Landesfürsten, 1 „... publicum ius est quod ad statum rei Romanae spectat, privatum quod ad singulorum utilitatem: sunt enim quaedam publice utilia, quaedam privatim. Publicum ius in sacris, in sacerdotibus, in magistratibus consistit. Privatum ius tripertitum est: collectum etenim est ex naturalibus praeceptis aut gentium aut civilibus.“ Zitiert nach Molitor, Über öffentliches Recht und Privatrecht, S. 8 f. 2 Böckenförde, Staat Gesellschaft Freiheit, S. 185/200 ff.; Heintzen, VVDStRL 62 (2003), S. 220/235 ff.

A. Dualismus von öffentlichem und privatem Recht

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Macht auf sich zu konzentrieren, gekennzeichnet. Die Machtkonzentration vollzog sich zum einen dadurch, dass die Kategorie der Rechtsbeziehungen zwischen Fürst und Untertanen – das Öffentliche – der Kontrolle durch die Gerichte und durch die Gesellschaft entzogen wurde, zum anderen, dass die Rechtsbeziehungen der Untertanen unter sich – das Private – einer privatautonomen, freilich vom Herrschaftsanspruch des Fürsten definierten Ordnung überlassen wurden. 3 Richtigerweise wird zu diesem Zeitpunkt noch nicht von einem Dualismus, sondern von einer Hierarchie zwischen öffentlichem und privatem Recht gesprochen. 4 Die Trennung von Staat und Gesellschaft entwickelte sich aus der Naturrechtslehre 5 und ging einher mit der Entstaatlichung von Religion, Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft. Eine liberale, sich selbst tragende und nichtautoritäre Bürgerwelt – die Gesellschaft – distanzierte sich vom Staat. 6 In Deutschland bildete sich zwar das Privatrecht als autonome und damit stabile Rechtsordnung im Gegensatz zum instabilen öffentlichen und zugleich politischen Recht heraus. Aufgrund der bekannten Schwäche der bürgerlichen Bewegung in der Verfassungsepoche des 19. Jahrhunderts etablierte sich jedoch lediglich ein Privatrecht im Sinne einer staatsfreien Materie. Es blieb letztlich beschränkt auf eine Freiheit vom Staat. 7 Die Legitimation eines Dualismus von öffentlichem und privatem Recht ist angesichts der Trennung des Obrigkeitsstaats von einer sich in der Entwicklung befindlichen bürgerlichen Gesellschaft, der danach eingetretenen politischen und wirtschaftlichen Veränderungen, der Annäherung und auch Angleichung der Rechtsbereiche sowie angesichts der Herausbildung vielfältiger Verschränkungen und Sonderrechtsbereiche – vorsichtig gesagt – nicht mehr in gleicher Weise vorhanden. Wissenschaftlich wird nun von einem „wechselseitigen Beziehungsgeflecht“, von „Interdependenzen“ und von „wechselseitiger Zuordnung“ und „Durchdringung“ gesprochen 8. Der (noch vorhandene) Dualismus legitimiert sich nunmehr aus dem positiven Recht. Er ist, wenn auch nicht im Sinne einer durchgängigen, dem Rechtszustand nicht entsprechenden Zweiteilung, in der Rechtswissenschaft

3 Bullinger, in: Löwisch/Schmidt-Leithoff/Schmiedel (Hrsg.), Beiträge zum Handels- und Wirtschaftsrecht, S. 69/70 ff.; Grimm, in: Dilcher/Horn (Hrsg.), Sozialwissenschaften im Studium des Rechts, Band IV. Rechtsgeschichte, S. 55/59 ff.; Stolleis, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 41/45 ff. 4 Grimm, in: Dilcher/Horn (Hrsg.), Sozialwissenschaften im Studium des Rechts, Band IV. Rechtsgeschichte, S. 55/59 ff. 5 Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 32 ff.; Grimm, in: Wilhelm (Hrsg.), Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte, S.224/228 ff.; Schröder, in: FS f. Gernhuber, S. 961 ff. 6 Bullinger, in: Löwisch/Schmidt-Leithoff/Schmiedel (Hrsg.), Beiträge zum Handels- und Wirtschaftsrecht, S. 69/71 ff.; Grimm, in: Dilcher/Horn (Hrsg.), Sozialwissenschaften im Studium des Rechts, Band IV. Rechtsgeschichte, S. 55/59 f.; Rupp, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 28 Rdnr. 3. 7 Rupp, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 28 Rdnr. 4. 8 Vgl. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 140 f.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

anerkannt. 9 Freilich hat die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht in erster Linie Bedeutung für den einschlägigen Rechtsweg. In dieser für den zu führenden Rechtsstreit immens wichtigen Frage erschöpft sie sich jedoch nicht. Sie ist maßgeblich für Zuständigkeits- und Verfahrensfragen, für materiellrechtliche Voraussetzungen von Rechtsakten, für Rechtswirkungen und den Rechtsschutz, für Staatshaftungsfragen sowie für ein System von öffentlichen und staatlichen Aufgaben. Positivrechtlich wird einerseits das Bestehen von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Rechtssätzen, Rechtsverhältnissen und Handlungsweisen vorausgesetzt. Andererseits lässt sich die Tendenz erkennen, die Frage des einschlägigen Rechtsweges ausdrücklich zu regeln oder sogar eine eigenständige Gerichtsbarkeit für bestimmte Sachbereiche zu etablieren. 10 Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass auch das Recht der Europäischen Gemeinschaften die Zweiteilung (aner-)kennt 11 und mit der gemeinschaftsrechtlichen Ausgestaltung einer Rechtsmaterie deren Zuordnung zum öffentlichen oder zum privaten Recht – gewollt oder ungewollt – beeinflussen kann. 12 2. Die Fiskustheorie Rekurrierend auf die Vorstellungen von Otto Mayer 13 war der Fiskus seit dem Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus „der Staat als gewöhnlicher Privatmann“. Der Staat hatte zwei Kleider: eines für sein Auftreten als Souverän und insoweit als unangreifbarer Hoheitsträger, ein zweites für sein Auftreten als privatrechtliches Vermögenssubjekt. Als Hintergrund dieser „staatlichen Persönlichkeitsspaltung“ wird, nicht unumstritten, die Gewährleistung von Rechtsschutz zugunsten der Bürger in sämtlichen vermögensrechtlichen Fragen angeführt. 14 Der Begriff „vermögensrechtlich“ unterlag rechtspolitisch einem weiten Verständnis. Beispielsweise wurden auch Zahlungen erfasst, die heute öffentliche Abgaben darstellen. Prägnant 9 Umfassend: Böckenförde, Staat Gesellschaft Freiheit, S.185 ff.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 37 ff.; Molitor, Über öffentliches Recht und Privatrecht, S. 23; Rinck, WiR 1972, S. 5/7; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 13 ff.; a. A. Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 75 ff.; Raiser, Die Aufgabe des Privatrechts, S. 208/216 ff. 10 Bachof, in: Bachof/Heigl/Redeker (Hrsg.), Verwaltungsrecht zwischen Freiheit, Teilhabe und Bindung, S. 1/2 f.; Dreier, DÖV 2002, S. 537/545 f.; siehe hierzu 2. Kapitel A. II. 6. und 4. Kapitel A. II. 3. 11 Z. B. Art. 238 EG; EuGH, Urt. v. 28.10.1999, Rs. C-81/98, „Alcatel Austria AG u. a./Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr“, DVBl. 2000, S. 118 ff.; vgl. auch Skouris, EuR 1998, S. 111 ff. 12 Iglesias, NJW 1999, S. 1/3 ff.; Skouris, EuR 1998, S. 111 ff.; siehe hierzu 3. Kapitel A. II. 3. 13 Mayer O., Dt. Verwaltungsrecht, 1. Bd., S. 122; vgl. auch Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 208/221 ff. Der Begriff „Fiskus“ bezeichnete jedoch bereits im römischen Staatsrecht einen rechtlich selbständigen Teil des Staatsvermögens, der der Verfügungsgewalt des Kaisers unterlag (Burmeister, DÖV 1975, S. 695/699). 14 Burmeister, DÖV 1975, S. 695/699 f.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 75 ff.; Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 324¸ Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 127.

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formuliert, wurde das Dulden der Handlungen des Souveräns durch die Möglichkeit des Liquidierens beim Fiskus erträglicher. 15 Diese sog. klassische Fiskustheorie ist seit der Anerkennung des Rechtsstaatsprinzips lediglich noch von rechtshistorischer Bedeutung. Im modernen Rechtsstaat gehalten hat sich indes die Firmierung eines Hoheitsträgers als „Fiskus“, wenn er im Privatrechtsverkehr auftritt 16, wobei zum Teil gefordert wird, dass sein Auftreten insoweit sachlich gerechtfertigt sein müsse, dass er eigenes Vermögen verwalte, sich erwerbswirtschaftlich betätige oder Bedarfsdeckungsgeschäfte vornehme 17. Ob die Vornahme von Beschaffungsgeschäften zutreffend unter den Bereich der noch verbleibenden Fiskaltätigkeit fällt, ist Gegenstand der nachstehenden Ausführungen. Hingewiesen sei bereits an dieser Stelle, dass bei der – mit Ehlers 18 gesprochen, besser zu unterlassenden – Verwendung des Begriffs des „Fiskus“ oder der „fiskalischen Betätigung des Staates“ über die Erkenntnis einer (evidenten) Betätigung in der privaten Handlungsform hinaus keinerlei Aussage über die Zulässigkeit der Privatrechtsform und die bestehenden Bindungen des privatrechtsförmig handelnden Hoheitsträgers gewonnen wird. 3. Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung Eng verknüpft mit den vorstehenden Ausführungen zu den im modernen Staat noch vorzufindenden Relikten der Fiskustheorie ist die Thematik der dem Staat und seinen Untergliederungen für ihre Tätigkeiten zur Verfügung stehenden Rechtsformen. Rechtsformen in diesem Sinn meint die Agitation im öffentlich-rechtlichen oder im privatrechtlichen Rechtsregime sowohl auf der Organisations- als auch der Handlungsebene. Opinio communis ist, dass die Verwaltung sich den Organisations- und Handlungsformen des Privatrechts bedienen kann, soweit nicht im Einzelfall die Wahl der Privatrechtsform durch das positive Recht untersagt ist, die sog. Formenwahlfreiheit der Verwaltung 19. Hat sich die Verwaltung zur Wahrnehmung einer Aufgabe für eine privatrechtliche Organisationsform entschieden und beispielsweise eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet, so ist sie in Bezug auf die Ausführungshandlung an die privatrechtliche Rechtsform gebunden, da eine auf der Organisationsebene eingeschaltete Person des Privatrechts ausschließlich privatrechtlich handeln kann. Indes besteht für den Fall der Wahl einer öffentZeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 208/222 m. w. Nachw. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 75 ff.; Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 24 f.; Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 128. 17 Burmeister, DÖV 1975, S. 695/701. 18 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 78; ebenso Betghe, AöR 104 (1979), S. 265/ 270 f. 19 Brohm, NJW 1994, S. 281/284; Ehlers, in: Erichsen H.-U. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rdnrn. 33 ff.; ders., Verwaltung in Privatrechtsform, S. 4 ff.; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 45; Rennert, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, § 40 Rdnr. 45; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 80 Rdnr. 59; Wilke/Schachel, WiVerw 1978, S. 95; Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 208/215. 15 16

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lich-rechtlichen Organisationsform, beispielsweise der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts, ein weiteres, dann doppeltes Wahlrecht insoweit, als der öffentliche Rechtsträger dennoch eine privatrechtliche Handlungsform für seine Tätigkeit im Rechtsverkehr wählen kann. Diese Freiheit der Rechtsformenwahl, besser: diesen „pflichtgebundenen Gestaltungsspielraum“ 20 hat sich auch das BVerwG 21 zu Eigen gemacht. Die Anerkennung der Formenwahlfreiheit wurde stets kritisch beäugt. Nicht durchgesetzt haben sich aber solche Auffassungen, die das Regel-AusnahmeVerhältnis hinsichtlich der Zulässigkeit der Rechtsformenwahl dahingehend umkehren, dass der Zugang des Staates zur privaten Rechtsform die Ausnahme bilden müsse und demnach nur in Ausnahmefällen statthaft sei: Nach Pestalozza 22 ist das öffentliche Recht zwingend als Sonderrecht der öffentlichen Verwaltung zu qualifizieren. Ein Rückgriff auf das Privatrecht komme lediglich dann in Betracht, wenn es an einer öffentlich-rechtlichen Norm zur Regelung eines Sachverhaltes fehle. Der Auffassung v. Zezschwitzs 23 zufolge sind aufgrund des prinzipiellen kollisionsrechtlichen Vorrangs des öffentlichen Rechts und seiner damit verbundenen Verdrängungswirkung sämtliche Vereinbarungen, die verwaltungsrechtliche Rechte und Pflichten beinhalten, anhand von § 62 Satz 2 VwVfG in Verwaltungsverträge umzudeuten. Wolff 24 plädiert für eine Anwendung der allgemeinen Kriterien für die Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht, wobei er für die einzuordnende Rechtsform die gesetzliche Regelung des Rechtsverhältnisses fingiert. Zuleeg 25 schließlich versteht die von den Hoheitsträgern ausgeübte öffentliche Gewalt im Hinblick auf Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG als verfassungsrechtlich begründete Kollisionsregel. Nach der hiernach begründeten „Hoheitstheorie“ sei die Wahl einer privaten Rechtsform lediglich bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig.

Den Kritikern der Formenwahlfreiheit ist zuzugeben, dass es an ihrer hinreichenden dogmatischen Rechtfertigung fehlt 26. Mit Ossenbühl 27 gesagt, besteht eine dogmatische Unterbilanz. Richtig ist auch, dass die Wahl der Rechtsform in concreto als die Wahl des anwendbaren Rechtsregimes anzusehen ist 28, was im Falle der Wahl des Privatrechts zu einer Beschneidung des öffentlich-rechtlichen Rechtsregimes, insbesondere des Umfangs der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, führt. Verkannt wird dabei nicht, dass aufgrund der Zunahme der Staatsaufgaben für den schon angesprochenen „überforderten Staat“ unabwendbare Bedürfnisse für einen Rückgriff Ehlers, in: Erichsen H.-U. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rdnr. 38. BVerwG, Urt. v. 31.8.1961, E 13, S. 47/54; Urt. v. 11.2.1993, NJW 1993, S. 2695/2697; Beschl. v. 18.10.1993, NJW 1994, S. 1169 f. 22 Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, S.170 ff.; ders., DÖV 1974, S. 188/189 ff.; vgl. schon Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 328. 23 v. Zezschwitz, NJW 1983, S. 1873/1875 ff. Auch Burmeister (VVDStRL 52 (1993), S. 190/229 Fn. 91) befürwortet die Abwicklung der Bedarfsdeckung mittels öffentlich-rechtlicher Verträge. 24 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 22 Rdnr. 56 m. w. Nachw. 25 Zuleeg, VerwArch. 73 (1982), S. 384/393 ff. 26 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 69; Unruh, DÖV 1997, S. 653/658 f. 27 Ossenbühl, DÖV 1971, S. 513/515. 28 Burmeister, DÖV 1975, S. 695/699; Unruh, DÖV 1997, S. 653/658 f. 20 21

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auf private Rechtsformen zu konstatieren sind. Meist wird mit der Organisationsund Finanzhoheit der betreffenden Verwaltungsträger sowie der Lückenhaftigkeit des vorhandenen öffentlich-rechtlichen Rechtsrahmens, besser: dessen unzureichender Ausformung und Ausgestaltung, argumentiert 29. Die Freiheit der Rechtsformenwahl stellt so in erster Linie eine Domäne der Praxis dar. Insoweit hat sich der Schwerpunkt der Diskussion weg von der grundsätzlichen Frage der Freiheit der Rechtsformenwahl und hin zur Frage nach Art und Umfang des Bestehens öffentlich-rechtlicher Bindungen nach vollzogener Wahl der Privatrechtsform verlagert. Bei Lichte betrachtet, beschränkt sich der praktische Anwendungsbereich der Formenwahlfreiheit der Verwaltung nach noch allgemeiner Auffassung auf die Wahrnehmung sog. unmittelbarer Verwaltungsaufgaben 30. Je nach Wahl der öffentlichen oder der privaten Rechtsform wird im Allgemeinen von schlicht-hoheitlicher oder verwaltungsprivatrechtlicher Verwaltung gesprochen. Erfüllt der Verwaltungsträger sonach öffentliche Aufgaben unter Zuhilfenahme einer privaten Rechtsform, so handelt er verwaltungsprivatrechtlich, nicht aber rein privatrechtlich. Die Wahl der privaten Rechtsform entbindet den Verwaltungsträger nicht von den bestehenden öffentlich-rechtlichen Bindungen. Als „steter Sachwalter der Allgemeinheit“ 31 wird der Staat nie privat; er bleibt staatlich und handelt auch in der privatrechtlichen Rechtsform aufgrund eines „öffentlich-rechtlich geformten und determinierten Willens“ 32. Generiert wird eine Privatautonomie, die de iure durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert oder modifiziert wird 33. Konsequent wird eine Bindung an die bestehenden Zuständigkeitsordnungen, die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungshandelns sowie an das Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG, bejaht. Soweit ein Verwaltungsträger die Vergabe von Subventionen oder den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen regelt, findet nach ständiger Rechtsprechung 34 die sog. Zwei-Stufen-Lehre Anwendung. Diese von Ipsen 35 für den Bereich der Subventionsvergabe entwickelte Lehre gliedert den Zugang zu staatlichen Leistungen in ein öffentlich-rechtliches Grundverhältnis, über das in der Form des Verwaltungsakts entschieden wird (Stufe 1), sowie in ein privatrechtliches Abwicklungsverhältnis, über das nach öffentlich-rechtlicher Beja-

29 Siehe 2. Kapitel A.; zum Stand bestehender Alternativkonzepte: Unruh, DÖV 1997, S. 653/665 f. 30 Ehlers, in: Erichsen H.-U. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rdnr. 34; Maurer, Verwaltungsrecht, § 3 Rdnr. 9; Unruh, DÖV 1997, S. 653/662; grundlegend Siebert, in: FS f. Niedermeyer, S. 215/219 ff.; siehe 3. Kapitel B. 31 Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 208/229. 32 Röhl, VerwArch. 86 (1995), S. 531/538. 33 BVerfG, Urt. v. 28.2.1961, E 12, S. 205/244; BVerwG, Beschl. v. 6.3.1990, DÖV 1990, S. 614; Ehlers, in: Erichsen H.-U. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, §2 Rdnrn. 78 ff.; Löwer, VVDStRL 60 (2001), S. 417/418 ff.; Ossenbühl, DÖV 1971, S. 513/518 ff.; Wolff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 23 Rdnr. 32 m. w. Nachw. 34 Erstmalig BVerwG, Urt. v. 12.1.1955, E 1, S. 308/310. 35 Ipsen, DVBl. 1956, S. 602 ff.

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hung des Zugangs zur Leistung ein privatrechtlicher Vertrag geschlossen wird (Stufe 2). Das traditionell geprägte Verständnis des Verwaltungsprivatrechts sondert die staatliche Bedarfsdeckung als fiskalisches Staatshandeln ab. Staatliche Bedarfsdeckung vollziehe sich zwar auch in der Rechtsform des Privatrechts. Mangels unmittelbarer öffentlicher Aufgabenerfüllung gelte jedoch aufgrund von Form und Funktion ausschließlich Privatrecht 36. Der Anwendungsbereich der Formenwahlfreiheit wird verneint. Ob und inwieweit dennoch eine Grundrechtsbindung im Rahmen von Bedarfsdeckungsgeschäften, der sog. Fiskalgeltung der Grundrechte, besteht, ist seit langem Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion 37. Die aufgezeigten Möglichkeiten der Rechtsformenwahl in den traditionellen Anwendungsbereichen der Leistungsverwaltung bzw. der Daseinsvorsorge 38 machen deutlich, dass der Ebene des jeweiligen Staatshandelns, der Organisationsform bzw. des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses einerseits, der Ausführungshandlung andererseits, maßgebliche Bedeutung zukommt. Hierauf wird zurückzukommen sein. 4. Die Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht a) Die herrschenden Abgrenzungstheorien Die seit jeher bestehenden Schwierigkeiten der Rechtspraxis bei der Vornahme der Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht haben zahlreiche wissenschaftliche Klärungsversuche hervorgerufen 39. Ihnen haftet jedoch regelmäßig das Problem an, die einzuordnende Rechtsnorm bzw. das einzuordnende Rechtsverhältnis nur wiederum anhand der Verwendung des Terminus „öffentlich-rechtlich“, eines verwandten Terminus oder eines Synonyms als öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich bestimmen zu können 40. So wird unter anderem an „das spezifisch Hoheitliche“, an das „öffentliche Interesse“ und an das dem Staat „als Zuordnungssubjekt Zuzurechnende“ angeknüpft. Eine dauerhafte Standfestigkeit haben lediglich die Interessentheorie, die Subordinationstheorie sowie die Subjektstheorie erlangt, freilich ohne dass ein Obsiegen einer Theorie festgestellt werden kann. Hinzu kommt, dass die vorhandenen Theorien eher auf pragmatischen als auf dogmatischen Füßen stehen und in ihrer Formelhaftigkeit zur Abgrenzung von schwierigen 36 BGH – Kartellsenat –, Urt. v. 26.10.1961, Z 36, S. 91 ff.; GmS OBG, Beschl. v. 10.4.1986, BGH Z 97, S. 312 ff.; BVerwG, Urt. v. 8.3.1962, E 14, S. 65 ff.; Ehlers, in: Erichsen H.-U. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rdnr. 28; Maurer, Verwaltungsrecht, § 3 Rdnr. 7; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 42 Rdnr. 62; Rennert, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, § 40 Rdnr. 72; Rittner, in: FS f. Benisch, S. 99/101 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 22 Rdnr. 67; vgl. 3. Kapitel C. 37 Siehe 3. Kapitel D. I. 38 Zum Begriff: Badura, DÖV 1966, S. 624 ff.; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 80 Rdnrn. 6 ff. 39 Eine umfassende Darstellung findet sich bei Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 40 Rdnrn. 220 ff. und bei Molitor, Über öffentliches Recht und Privatrecht, S. 25 ff. 40 Vgl. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 11 Rdnrn. 14 ff.; Leisner, JZ 2006, S. 869 ff.

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Grenzfällen nur selten geeignet sind. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich daher auf die Darstellung der vorgenannten gängigen Abgrenzungstheorien sowie der Praxis der Rechtsprechung. Die Interessentheorie41 fußt auf dem ersten Teil der oben zitierten Ulpian-Stelle. Sie scheidet öffentliches und privates Recht nach der Art der Interessen, die durch eine Rechtsnorm bzw. durch ein Rechtsverhältnis geschützt werden. Rechtsnormen und Rechtsverhältnisse, die bestimmt sind, überwiegend den Interessen des Bürgers zu dienen, sind dem Privatrecht zuzuordnen; solche, die überwiegend den Interessen der Allgemeinheit dienen, dem öffentlichen Recht. Die Subordinationstheorie, auch Subjektionstheorie genannt, knüpft an das Verhältnis der beteiligten Rechtsträger an. Rechtsnormen und Rechtsverhältnisse, die die Tätigkeit von Hoheitsträgern betreffen, sollen als öffentlich-rechtlich anzusehen sein, wenn sie ein Über-Unterordnungsverhältnis regeln. Regeln sie hingegen ein Verhältnis der Gleichordnung, so sollen sie als privatrechtlich anzusehen sein. 42 Die Subjektstheorie, auch Zuordnungstheorie genannt, schließlich differenziert zur Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht nach den Zuordnungssubjekten der maßgeblichen Rechtsnormen und Rechtsverhältnisse. Hiernach sind als öffentliches Recht diejenigen Rechtssätze anzusehen, deren verpflichtetes Subjekt notwendig und ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt ist, wohingegen Rechtssätze, die für alle Rechtssubjekte einschließlich der Hoheitsträger, also für jedermann gelten, als Privatrecht anzusehen sind. 43 Folgt man dem Standpunkt von Mayer 44, so ist zur öffentlich-rechtlichen Qualifikation des maßgeblichen Rechtsverhältnisses weiter zu verlangen, dass der Träger öffentlicher Gewalt gerade „als solcher“ berechtigt und verpflichtet wird. Ein Teil des Schrifttums spricht sich zur Bewältigung der Abgrenzungsprobleme für eine Kombination der verschiedenen Abgrenzungstheorien aus 45. Die Praxis der Rechtspre-

41 Die Interessentheorie wird regelmäßig nur in Verbindung mit anderen Theorien angewendet. Hierzu: Eyermann/Fröhler, VwGO, § 40 Rdnrn. 41 ff.; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 40 Rdnrn. 6 ff. Zu den historischen Grundlagen der Interessentheorie: Menger, in: FS f. Hans J. Wolff, S. 149/155 f.; Nawiasky, Staatsrechtslehre, S. 168 ff. 42 Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 82; Molitor, Über öffentliches Recht und Privatrecht, S. 31 ff.; in Kombination mit der Subjektstheorie: GmS OBG, Beschl. v. 10.4.1986, BGH Z 97, S. 312/314. 43 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 22 II c); Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 22 Rdnrn. 24 ff.; Bachof, in: Bachof/Heigl/Redeker (Hrsg.), Verwaltungsrecht zwischen Freiheit, Teilhabe und Bindung, S. 1/7 ff.; Menger, in: FS f. Hans J. Wolff, S. 149/160 ff.; Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, S. 173 ff.; zur Unterteilung in formelle und materielle Subjektstheorie: Ehlers, in: Erichsen H.-U. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rdnrn. 17 ff. 44 Mayer, O., Dt. Verwaltungsrecht, 1. Bd., S. 16; nun „materielle Sonderrechtstheorie“ (Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 22 Rdnr. 27). 45 Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 11 Rdnr. 24; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rdnrn. 14 ff.; Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozessrecht, S. 48; Eyermann/Fröhler, VwGO, § 40 Rdnrn. 6 ff.; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 40 Rdnrn. 6 ff.; a. A. Ehlers, in: Erichsen H.-U. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rdnr. 30; Menger, in: FS f. Hans J. Wolff, S. 149/160 ff.

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chung ist nicht einheitlich. Die Judikatur des BGH46 war traditionell der Subordinationstheorie zugeneigt, die des BVerwG 47 der Subjektstheorie. Seit den Entscheidungen des GmS OBG 48 werden die Abgrenzungstheorien regelmäßig je nach Sachlage im Einzelfall kombiniert. Für den Fall des Tätigwerdens des Staates und seiner Untergliederungen zur Erfüllung öffentlicher Zwecke wird mitunter an dem Grundsatz festgehalten, dass ein solches Handeln grundsätzlich als öffentlichrechtlich anzusehen ist 49. b) Der Anknüpfungspunkt für die Abgrenzung Die Vornahme der Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht verlangt die Bestimmung des Abgrenzungsobjekts. Nach ständiger Rechtsprechung50 ist das Abgrenzungsobjekt die „Natur des streitgegenständlichen Rechtsverhältnisses, aus dem der im Rechtsstreit geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird“. Für den Fall der Abgrenzung im Rahmen der Rechtswegfrage liegen demnach öffentlich-rechtliche Streitigkeiten vor, wenn sie sich als Folge eines Sachverhalts darstellen, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist. Die Natur und der Charakter des zugrunde liegenden und damit maßgeblichen Rechtsverhältnisses bemessen sich nach dem „erkennbaren Ziel des Rechtsschutzbegehrens und den vom Antragsteller vorgetragenen Behauptungen tatsächlicher Art“. Die Judikatur stellt wiederum im Falle der Rechtswegfrage allein auf die wirkliche Natur des behaupteten Rechtsverhältnisses, nicht dagegen auf die rechtliche Qualifizierung des geltend gemachten Anspruchs durch den Antragsteller selbst und ebenso nicht auf das tatsächliche Handeln des Staates ab. Ferner werden für die Zuordnung des konkreten Rechtsverhältnisses die Kriterien der Sachnähe und des Sachzusammenhangs zu öffentlichrechtlich oder zu privatrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen herangezogen. 51 46 Z. B. BGH, Urt. v. 5.2.1970, Z 53, S. 184/186; anders aber BGH, Urt. v. 2.4.1973, NJW 1973, S. 1078; diese Entscheidung ablehnend Rimmelspacher, JZ 1975, S. 165 f. 47 Z. B. BVerwG, Urt. v. 26.8.1971, E 38, S. 81 ff. 48 GmS OBG, Beschl. v. 10.4.1986, BGH Z 97, S. 312/314; Beschl. v. 10.7.1989, BGH Z 108, S. 284/286; BGH, Beschl. v. 14.1.1993, Z 121, S. 126/128; BVerwG, Urt. v. 17.12.1991, E 89, S. 281/282; Vgl. Bachof, in: Bachof/Heigl/Redeker (Hrsg.), Verwaltungsrecht zwischen Freiheit, Teilhabe und Bindung, S. 1/3 ff. 49 OVG Münster, Beschl. v. 30.6.2000, NJW 2001, S. 698/700; ebenso Brohm, NJW 1994, S. 281/285; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 40 Rdnr. 22; grundlegend zur Streitfrage des Vorrangs des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts: Burmeister, DÖV 1975, S. 695/701 f.; Rittner, in: FS f. Benisch, S. 99/100 ff.; ders. in: FS f. Müller-Freienfels, S. 509 ff.; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 80 Rdnrn. 55 ff. 50 Z. B. GmS OBG, Urt. v. 10.4.1986, BGH Z 97, S. 312/313 f.; BVerwG, Urt. v. 15.11.1990, E 87, S. 115/119; BAG, Urt. v. 14.12.1988, NJW 1989, S.2909. Demgegenüber will ein Teil des Schrifttums (Brohm, NJW 1994, S. 281/288; Menger, VerwArch. 68 (1977), S. 293 ff.) die Zuordnung des in Frage stehenden Rechtsverhältnisses nach der begehrten Rechtsfolge und damit allein nach der Handlungsform vornehmen. 51 OVG Münster, Beschl. v. 30.6.2000, NJW 2001, S.698/700; Urt. v. 23.3.1990, NJW 1990, S. 3226.

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II. Die Betrachtung des Vergaberechtsverhältnisses Der folgende Abschnitt widmet sich der konkreten Positionierung des Vergaberechtsverhältnisses im öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Rechtsregime. Diese setzt zunächst die Darlegung der maßgeblichen Rechtsbeziehungen und deren Verhältnis untereinander voraus.

1. Maßgebliche Rechtsverhältnisse Wie bereits im 1. Kapitel 52 dargestellt, vollzieht sich die Vergabe öffentlicher Aufträge in der Bundesrepublik einstufig zivilrechtlich. Die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers über den Zuschlag tritt nach außen erst mit Abschluss des zu vergebenden öffentlichen Auftrages mit dem Auftragnehmer in Erscheinung. Die Entscheidung selbst trägt hiernach einen rein innenrechtlichen Charakter. Unabhängig von dieser einstufigen Sicht des Rechtsverkehrs weist das Verfahren der staatlichen Auftragsvergabe folgende mehrpolige Verfahrensebenen auf: Die Ausführungshandlung konkretisiert die Ebene des Vertragsschlusses des betreffenden öffentlichen Auftrages. Es kontrahiert der öffentliche Auftraggeber mit dem Auftragnehmer, der den Zuschlag erhalten hat, zu den ausgeschriebenen Vergabebedingungen. Der Ausführungshandlung liegt das Vergabeverfahren zugrunde, das mit der öffentlich-rechtlich determinierten Entscheidung pro Beschaffung von vergabepflichtigen Leistungen beginnt, die Art und Weise des Verfahrens über die Vergabe des entsprechenden Auftrages regelt und mit der Entscheidung über den Zuschlag endet. Diese, auf der Ebene der Organisationsform angesiedelte Verfahrensstufe wird im Folgenden als „Vergaberechtsverhältnis“ bezeichnet. Auf der Ebene der Nachprüfung schließlich wird die im Vergaberechtsverhältnis getroffene bzw. zu treffende Vergabeentscheidung – soweit die Auftragssumme des zu vergebenden öffentlichen Auftrages den für die Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts maßgeblichen Schwellenwert übersteigt – der Kontrolle durch die Vergabekammern als Eingangsinstanz unterzogen, dem sog. Nachprüfungsverfahren. Für den Fall, dass die Vergabeentscheidung mangels des Erreichens der Schwellenwerte außerhalb des GWB getroffen wurde, unterliegt diese den beschränkten Rechtschutzmöglichkeiten gemäß den Ausführungen im 1. Kapitel unter Abschnitt B. III. Primärrechtsschutz wird hier grundsätzlich nicht gewährleistet 53.

1. Kapitel B. III. Hierzu OLG Stuttgart, Urt. v. 11.2.2002, NZBau 2002, S. 395 ff.; Thieme/Corell, DVBl. 1999, S. 884/886; Koenig/Haratsch, NJW 2003, S. 2637/2641 m. w. Nachw. 52 53

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

2. Differenzierung zwischen Ausführungshandlung und Vergaberechtsverhältnis Weiterer Erörterung bedarf die rechtliche Beziehung zwischen Ausführungshandlung und Vergaberechtsverhältnis. Bereits die Ausführungen zur Formenwahlfreiheit der Verwaltung haben gezeigt, dass für die Zuordnung zum öffentlich-rechtlichen oder zum privatrechtlichen Rechtsregime die Tätigkeitsebenen Organisation und Handlung gesondert zu würdigen sind. Dies gilt im Grundsatz für das Verhältnis von Ausführungshandlung und Vergaberechtsverhältnis in gleicher Weise. Zwar mag man auf den ersten Blick verführt sein zu argumentieren, dies komme lediglich im Falle der unmittelbaren Erfüllung von Verwaltungsaufgaben in Betracht. Ob die staatliche Bedarfsdeckung unter die Kategorie der unmittelbaren Erfüllung von Verwaltungsaufgaben gefasst werden kann, verlangt hier aber noch keine Entscheidung, da sich die Grundkonstellation der Tätigkeitsebenen Ausführungshandlung und Vergaberechtsverhältnis hiervon unabhängig positiv feststellen lässt 54. Das Nachprüfungsverfahren gehört dabei systematisch zum Vergaberechtsverhältnis als Organisationsform. Die Existenz zweier Tätigkeitsebenen sagt jedoch im Bereich der staatlichen Bedarfsdeckung nichts über die rechtliche Zuordnung zum öffentlich-rechtlichen oder zum privatrechtlichen Rechtsregime aus. Dasselbe gilt für die Frage der Qualität einer Tätigkeitsebene lediglich als Innen- oder Außenrechtsverhältnis sowie für die Frage des Bestehens oder der Konstruktion eines Verwaltungsaktes als Abschluss einer Tätigkeitsebene. In der Verwaltungsrechtsdogmatik ist anerkannt, dass öffentliche Aufgaben nicht notwendig in öffentlich-rechtlicher Rechtsform erfüllt werden müssen, sondern der Verwaltungsträger grundsätzlich im Rahmen der Formenwahlfreiheit disponieren kann. Anerkannt ist ferner, dass die gewählte Handlungsform keine Aussage über die bestehenden öffentlich-rechtlichen Bindungen trifft, diese Aussage vielmehr der Organisationsform obliegt. Im Rahmen der Zuordnung von Rechtsverhältnissen unterlässt es die Judikatur schließlich nicht, darauf hinzuweisen, dass aus dem Bestehen von öffentlichen Aufgaben und öffentlichen Bindungen keine Schlüsse auf ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis auf der Ebene der Handlung gezogen werden können. 55 Dogmatisch betrachtet, bildet die Entscheidung über den Zuschlag – trotz der bestehenden Einstufigkeit des deutschen Vergaberechtsregimes im Hinblick die Sicht 54 Das Bestehen eines Verfahrens vor der Ebene der Ausführungshandlung ist allgemein anerkannt. Fraglich ist dessen Einordnung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 40 Rdnr. 25 b; Rennert, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, § 40 Rdnrn. 47 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 429/ 435; Ziekow/Siegel, ZfBR 2004, S. 30/32 f.). Kritisch in Bezug auf ein „eigenständiges Verfahren“ mangels einer Entscheidung mit Außenwirkung: Ruthig, NZBau 2005, S. 497/500. 55 BVerfG, Urt. v. 14.5.1985, E 70, S. 1/18 f.; BVerwG, Urt. v. 7.11.1957, DÖV 1958, S. 303 f.; Urt. v. 21.7.1964, DVBl. 1965, S.522 f.; Urt. v. 10.11.1972, DÖV 1973, S.244 f.; GmS OBG, Urt v. 10.4.1986, BGH Z 97, S. 312/313 f.; BGH – Kartellsenat –, Urt. v. 26.10.1961, Z36, S.91/96; ebenso Bettermann, DVBl. 1971, S.112 f.; Dawin, NVwZ 1983, S.400. Vgl. i.Ü. bereits 3. Kapitel A. I. 3.

A. Dualismus von öffentlichem und privatem Recht

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des Rechtsverkehrs – die maßgebliche verfahrensrechtliche Zäsur 56. Der Zuschlag führt zur Annahme des Bieterangebots und vergibt den öffentlichen Auftrag in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht. 57 Er markiert das Ende des Vergaberechtsverhältnisses und führt mit der inkorporierten Annahme 58 des Bieterangebots den Vertragsschluss des öffentlichen Auftrages auf der Ebene der Handlung herbei59. Die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens hat die Einhaltung der Vergabebestimmungen bis zur Erteilung des Zuschlags zum Gegenstand. Wird während des Verfahrens der Zuschlag erteilt, so erledigt sich das Nachprüfungsverfahren. Nach Erteilung des Zuschlags ist die Einleitung eines solchen nicht mehr statthaft.60 Daraus erhellt, dass die Ausführungshandlung die Aufgabe in sich trägt, das Vergaberechtsverhältnis zu erfüllen. Als Vollzugsebene bringt die Ausführungshandlung die Zuschlagsentscheidung in den Rechtsverkehr und begründet wechselseitige vertragliche Rechte und Pflichten von Auftraggeber und Auftragnehmer. Rechtlich bestehen zwei nacheinander ablaufende Verfahren, nämlich das Vergaberechtsverhältnis als Verfahren zur Herbeiführung der Zuschlagsentscheidung und die Ausführungshandlung als Ebene des Vollzugs der Zuschlagsentscheidung. Das Vergaberechtsverhältnis generiert mit der Zuschlagsentscheidung einen Anspruch auf den Abschluss des vergabepflichtigen öffentlichen Auftrages, genauer gesagt: einen Anspruch auf Abgabe der privatrechtlichen Annahmeerklärung zum bestehenden Bieterangebot.61 Die Art der Geltendmachung dieses Anspruchs hängt von der in diesem Kapitel zu untersuchenden Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses ab. Demgegenüber hat die bloße verfahrensrechtliche Besonderheit des Zusammenfallens von Zuschlagsentscheidung und zivilrechtlicher Annahmeerklärung aus der Sicht des Rechtsverkehrs weder Einfluss auf die Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses noch auf das Systemverständnis zwischen diesem und der Ausführungshandlung. Die Konstruktion des Zusammenfallens von Zuschlagsentscheidung und zivilrechtlicher Annahmeerklärung hat aufgrund des dem deutschen Recht eigentümlichen Grundsatzes der Nichtaufhebbarkeit einer einmal erfolgten Zuschlagsentscheidung (lediglich) zur Folge, dass die Gewährleistung effektiven Primärrechtsschutzes ausschließlich 56 Für eine Abschichtung von „Verteilungsentscheidung“ und Ausführungshandlung auch Huber, JZ 2000, S. 877/882. 57 Reidt, BauR 2000, S. 22 f. m. w. Nachw.; Jaeger, EWS 2000, S. 124 f.; Martin-Ehlers, EuZW 2000, S. 101 f. 58 § 28 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A, § 28 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A. 59 Es gelten im Falle der privatrechtlichen Ausführungshandlung die zivilrechtlichen Grundsätze, §§ 145 ff. BGB, insbesondere § 150 BGB. 60 So für öffentliche Aufträge oberhalb der Schwellenwerte (vgl. Byok, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht § 114 Rdnrn. 746 ff.). 61 Ähnlich Röhl, VerwArch. 86 (1995), S. 531/535 f. Röhl knüpft an die von der Verwaltung abzugebende und auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung der Verwaltung an. Jedoch begreift er diese Willenserklärung, mit welcher der privatrechtliche Vertrag und ebensolche Rechtsfolgen zustande kommen, gleichwohl generell als öffentlich-rechtlich, da das Zivilrecht einen Anspruch auf Abschluss eines Vertrages außerhalb bereits bestehender Vertragsverhältnisse nicht vorsehe und auch nicht vorsehen könne. Dagegen Brüning, DÖV 2003, S. 389/396.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

durch vorbeugenden Rechtsschutz möglich wird. Der vorstehend erwähnte und aus dem Vergaberechtsverhältnis resultierende „Anspruch“ auf Abgabe der privatrechtlichen Annahmeerklärung folgt aus der Systematik von Ausführungshandlung und Vergaberechtsverhältnis; er besteht freilich nur theoretisch für den Fall, dass der öffentliche Auftraggeber zwar die Zuschlagsentscheidung getroffen hat, die Annahme des Bieterangebotes aber verweigert. 62 Praktische Relevanz kommt ihm dagegen als Abwehranspruch im Rahmen des vorbeugenden Rechtsschutzes zu. In der Konsequenz heißt das, dass das Vergaberechtsverhältnis entscheidet, ob der öffentliche Auftraggeber die beabsichtigte Maßnahme auf der Ebene der Handlung vornehmen darf. Mit den Worten von Röhl 63 gesprochen, kann das Vergaberechtsverhältnis als ein Rechtsverhältnis, das im Vorfeld eines Vertragsschlusses die Probleme (besser: die Besonderheiten der Beteiligung der Verwaltung) bewältigt, als sog. „Vertragsverfahrensrecht“ bezeichnet werden. Unterschiede zwischen den Rechtsverhältnissen der Ausführungshandlung und des Vergaberechtsverhältnisses lassen sich zudem in Bezug auf die Beständigkeit der getroffenen Zuordnung zum öffentlich-rechtlichen oder zum privatrechtlichen Rechtsregime erkennen: Die Ausführungshandlung ist als Vollzugsgeschäft Einflüssen und Änderungen betreffend die Zuordnung zu einem Rechtsregime in praxi nicht unterworfen. Das Vergaberechtsverhältnis führt, wie im 1. Kapitel ausgeführt, zur Anwendbarkeit einer Vielzahl von nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Normen und Grundsätzen. Es unterliegt hierbei verschiedenartigen Bindungen und Einflüssen. Es trägt, wie die vergaberechtliche Rechtsentwicklung der letzten Jahre zeigt, einen dynamischen Charakter. Hieraus folgt, dass das Vergaberechtsverhältnis, zumindest dem Grundsatz nach, als wandelbar anzusehen ist. Vorstehende Ausführungen vergegenwärtigt, sind bei der Qualifizierung der Agitationsebenen Vergaberechtsverhältnis und Ausführungshandlung im Hinblick auf deren Zuordnung zum öffentlich-rechtlichen oder zum privatrechtlichen Rechtsregime folgende Schlüsse zu ziehen: Das Vergaberechtsverhältnis und die Ausführungshandlung stellen sowohl die zeitliche Abfolge und den zeitlichen Umfang als auch die rechtliche Anknüpfung betreffend gesonderte Ebenen im Rahmen staatlicher Beschaffungsgeschäfte dar. Die Ausführungshandlung bezeichnet das Vollzugsinstrument der im Vergaberechtsverhältnis geschaffenen Zuschlagsentscheidung. Die Vollzugsform bestimmt sich nach dem konkreten vergabepflichtigen öffentlichen Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsauftrag. Die Zuordnung zum maßgeblichen Normenkomplex folgt aus der Rechtsnatur des Vertrages und bereitet keine Schwierigkeiten. Das Vergaberechtsverhältnis ist darauf angelegt, eine Zuschlagsentscheidung über den vergabepflichtigen öffentlichen Auftrag zu treffen. Die Zuordnung zum maßgeblichen Normenkomplex folgt nach dem oben Gesagten 64 aus der Natur bzw. dem Charakter des Vergaberechtsverhältnisses. 62 63 64

Zu den Rechtsgrundlagen und zum Inhalt dieses Anspruchs: 3. Kapitel D. II. Röhl, VerwArch. 86 (1995), S. 531/533. 3. Kapitel A. I. 4.

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Die unterschiedliche Art und Weise der Zuordnung kann grundsätzlich dazu führen, dass für die Ausführungshandlung und das Vergaberechtsverhältnis unterschiedliche Rechtsmaterien gelten. Die Verwaltungsrechtsdogmatik steht dem nicht entgegen, da öffentlich-rechtliche Handlungen mit privatrechtsgestaltender Wirkung anerkannt sind 65. Das Vergabeverfahren insgesamt betrachtet, liegt der Schwerpunkt des Verfahrens auf dem Vergaberechtsverhältnis. Im Gegensatz zur Ausführungshandlung, die ausschließlich den Vollzug und etwaige Vollzugsstreitigkeiten betrifft, steuert das Vergaberechtsverhältnis im Rahmen einer Konkurrenzsituation und unter Berücksichtigung der anwendbaren Normenvielfalt den Zuschlag als Grundlage der Annahme des Bieterangebots. Das Vergaberechtsverhältnis stellt das Fundament für den öffentlichen Auftrag her. Die Ausführungshandlung fußt auf diesem Fundament des Vergaberechtsverhältnisses; sie steht in einem Abhängigkeitsverhältnis. Ebenso wenig wie aus den bestehenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben und Bindungen auf ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben geschlossen werden kann, ist aufgrund des unterschiedlichen Charakters von Ausführungshandlung und Vergaberechtsverhältnis hinsichtlich des jeweils maßgeblichen Rechtsregimes ein Schluss von der einen Tätigkeitsebene auf die jeweils vorausgehende oder nachfolgende Tätigkeitsebene zulässig. Insbesondere ist die nicht nur in der Praxis der Rechtsprechung 66 anzutreffende Schlussfolgerung von der Rechtsnatur der meist rechtseinheitlichen Ausführungshandlung auf die Rechtsnatur des grundsätzlich wandelbaren Vergaberechtsverhältnisses systemwidrig. Hieraus folgt, dass die Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses als öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich gesondert und unabhängig von der nach außen tretenden Ausführungshandlung vorzunehmen ist 67. Soweit demnach grundsätzlich die Möglichkeit der Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses zum öffentlich-rechtlichen Rechtsregime besteht, trifft die bloße Einordnung eines Verfahrens als öffentlich-rechtlich noch keine Aussage über die Anwendbarkeit der Zwei-Stufen-Theorie. Ein seiner Natur nach öffentlich-rechtliVgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, § 40 Rdnr. 8 a; Rinck, WiR 1972, S. 5/10 f. BVerwG, Urt. v. 7.11.1957, DÖV 1958, S. 303 f.; Urt. v. 21.7.1964, DVBl. 1965, S. 522 f.; Urt. v. 10.11.1972, DÖV 1973, S. 244 f.; BGH, Urt. v. 23.9.1969, Z 52, S. 325/327 f.; OVG Schleswig, Beschl. v. 25.8.1999, NZBau 2000, S. 216; VG Leipzig, Beschl. v. 6.9.2005, BauR 2005, S. 1928 ff.; VG Potsdam, Beschl. v. 20.9.2005, NZBau 2006, S.69 f.; ebenso Bettermann, DVBl. 1971, S. 112 f.; Fante, Instrumentalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens, S. 95 ff.; Ruthig, NZBau 2005, S. 497/500; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 22 Rdnr. 36. 67 Im Ergebnis wie hier: Hoffmann-Becking, VerwArch. 62 (1971), S. 191/195 f.; Röhl, VerwArch. 86 (1995), S. 534 ff.; generell einen Rückschluss von der Rechtsnatur der Ausführungshandlung ablehnend: Bachof, AöR 83 (1958), S. 233; Burmeister, DÖV 1975, S. 695/701; Dawin, NVwZ 1983, S. 400/401; Furtwängler, Bindung des öffentlichen Auftraggebers, S. 83; Hurst, DVBl. 1965, S. 523 ff.; Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 25; Leiggener, Die Vergebung von öffentlichen Aufträgen, S. 133; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 40 Rdnr. 21; Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen?, S. 18. 65 66

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

ches Rechtsverhältnis muss nicht zugleich ein Rechtsverhältnis nach § 9 VwVfG sein. Diese Vorschrift definiert das Verwaltungsverfahren legal als die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. Für den Bereich der Verwaltungsverfahren gesellt sich zudem das Merkmal hinzu, dass diese unter der Verantwortung eines Trägers öffentlicher Verwaltung ausgeführt werden. Die für den Begriff des Verwaltungsverfahrens erforderliche Verantwortung besteht aber auch – gegenüber dem Verfahrensbegriff des § 9 VwVfG weitergehender – bei Verfahren, die auf das Hervorbringen administrativer Entscheidungen gerichtet sind, und bei Verfahren, die allgemein auf das Hervorbringen von Entscheidungen, gleich welcher Rechtsform, gerichtet sind. 68 Mit dem schillernden Begriff der „Verantwortung“ wird „die Intensität der staatlichen Aufgabenwahrnehmung in Bezug auf die eigenhändige Zielverwirklichung durch den Staat“ zu beschreiben versucht. 69 Die Verpflichtung zur Erreichung bestimmter Ziele ist normativ; sie folgt aus der Verfassung und aus den gesetzlichen Aufgaben- und Befugniszuweisungen 70. Die Qualifikation eines Rechtsverhältnisses als öffentlich-rechtlich erfordert weder aus dogmatischen noch aus systematischen Gründen eine Entscheidung durch Verwaltungsakt. Effektiver Rechtsschutz kann auch außerhalb der Möglichkeiten von Verpflichtungs- und Anfechtungsklage gewährleistet werden. 71 Insoweit ist es verfehlt, die Einordnung eines Rechtsverhältnisses als öffentlich-rechtlich mit der Begründung abzulehnen, das in Frage stehende Rechtsverhältnisse sehe zum einen einen Abschluss durch Verwaltungsakt nicht vor, zum anderen bestehe kein Bedürfnis nach einer Fiktion eines Verwaltungsaktes. In der deutschen vergaberechtlichen Rechtsprechung lässt sich eine Antipathie gegenüber einer etwaigen Anwendbarkeit der Zwei-Stufen-Theorie ablesen 72. Dabei scheint es, dass deren Anwendungsbereich zu Unrecht durch eine öffentlich-rechtlichen Qualifikation der Auftragsvergabe als eröffnet erachtet wird. 3. Einordnung der Ausführungshandlung Das deutsche System der staatlichen Bedarfsdeckung ist – traditionell fiskalisch – durch die Auftragsvergabe mittels zivilrechtlicher Verträge geprägt 73. Da das gemeinschaftsrechtliche Vergaberechtsregime keine Entscheidung für die Rechtsform der Vergabe öffentlicher Aufträge trifft oder vorgibt, ist es – wie im 2. Kapitel aus68 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, §19 Rdnr.1, Clausen, in: Knack, VwVfG, Vor §9 Rdnr. 3. 69 Heintzen, VVDStRL 62 (2003), S. 220/237 ff.; Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentl. Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S.167/198 m. w. Nachw. 70 Siehe vorherige Fußnote. 71 Hoffmann-Becking, VerwArch. 62 (1971), S. 191 ff.; siehe 3. Kapitel D. II. 72 BVerwG, Urt. v. 7.11.1957, DÖV 1958, S. 303 f.; Urt. v. 8.3.1962, E 14, S. 65/67 ff.; Beschl. v. 6.5.1970, DVBl. 1970, S. 866 f. 73 Vgl. 1. Kapitel B. III. und 3. Kapitel A. I. 2.

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geführt 74 – zwar grundsätzlich möglich, wenn auch gemeinschaftsrechtlich im Hinblick auf Art. 10 EG wenig hilfreich, öffentliche Aufträge per öffentlich-rechtlichen Vertrag oder sogar per Verwaltungsakt zu vergeben. Geschieht dies, so besteht auf der Ebene der Ausführungshandlung ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis, nämlich ein Verwaltungsverfahren nach § 9 VwVfG 75. Von diesen Ausnahmefällen abgesehen, ist die Ausführungshandlung im deutschen Vergaberecht durch den Abschluss zivilrechtlicher Verträge zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem obsiegenden Bieter als Auftragnehmer unzweifelhaft als privatrechtlich einzuordnen. Eingedenk der Ausführungen unter vorstehend 2. betrifft diese Aussage lediglich die Ausführungshandlung als das vom Vergaberechtsverhältnis abhängige Vollzugsinstrument. In Bezug auf die Rechtswegfrage heißt dies, dass die Ausführungshandlung den Zivilrechtsweg eröffnet, jedoch beschränkt auf Streitigkeiten aus dem auf dieser Ebene geschlossenen zivilrechtlichen Vertrag. Hierunter fallen beispielsweise Fragen der wirksamen Vertretung, des Vorliegens von Willensmängeln und Fragen der Schlechterfüllung. Für die Einordnung sämtlicher Streitigkeiten, die das Verfahren der Vergabe des öffentlichen Auftrages bis zur Zuschlagsentscheidung betreffen, ist die Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses entscheidend. In praxi handelt es sich materiellrechtlich um Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung; formalrechtlich – dem Grundsatz nach – um vorbeugenden Rechtsschutz, gerichtet auf Unterlassung der beabsichtigten Auftragsvergabe 76. Die sich hieran anschließende und hiervon abhängige Ebene der Ausführungshandlung ist für die Beantwortung von Fragen der Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung ungeeignet. 4. Einordnung des Nachprüfungsverfahrens Das kartellvergaberechtliche Nachprüfungsverfahren ist an die Stelle der haushaltsrechtlichen und verwaltungsinternen Überprüfung durch die Vergabeprüfstellen und die Vergabeüberwachungsausschüsse nach §§ 57 b und c HGrG und der Nachprüfungsverordnung (NpV) getreten. Es ist in den Vorschriften §§ 102–115 GWB und §§ 17–22 VgV 77 normiert. Die Vergabekammer entscheidet, ob der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist und trifft die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen 2. Kapitel B. I. 1. Bzw. nach den entsprechenden Ländervorschriften. 76 „Dem Grundsatz nach“ deshalb, weil für den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe ein speziell normiertes Nachprüfungsverfahren besteht (zur Problematik der Umqualifizierung und „schleichenden Privatisierung“ siehe 2. Kapitel A. II. 5. und 3. Kapitel D. II.) und weil zumindest auch der Fall der Klage auf Abschluss des (privatrechtlichen) öffentlichen Auftrages nach erfolgter Zuschlagsentscheidung denkbar ist. 77 Nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Vergaberechts (Stand: 18.3.2005) sollten einige Vorschriften des Nachprüfungsverfahrens von der VgV in das GWB überführt werden. An der Grundstruktur des Nachprüfungsverfahrens sollte festgehalten werden (vgl. S. 4 f. des Entwurfs der Begründung). 74 75

10 Regler

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

zu verhindern (§ 114 Abs. 1 Satz 1 GWB). Mangels Gerichtsqualität ergehen die Entscheidungen der Vergabekammern gemäß § 114 Abs. 3 Satz 1 GWB nicht durch Urteil, sondern durch Verwaltungsakt 78. Hieraus und aus den Vorschriften der §§ 105 und 106 GWB folgt, dass die Vergabekammern besondere, mit weitgehender Unabhängigkeit ausgestattete Verwaltungsbehörden sind 79. Stellt sich das Handeln einer Behörde, das ein Rechtsschutzsuchender begehrt oder gegen das sich dieser wehrt, als Verwaltungsakt dar, so liegt ein Verwaltungsverfahren nach § 9 VwVfG bzw. nach den entsprechenden Ländervorschriften vor 80. Das Nachprüfungsverfahren ist sonach als öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis einzuordnen. 5. Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses Zur Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses in das öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Rechtsregime ist nach dem oben Gesagten dessen Natur und Charakter zu eruieren. a) Einordnung nach Maßgabe der herrschenden Abgrenzungstheorien Abstellend auf die durch das Vergaberechtsverhältnis geschützten Interessen, ergibt sich Folgendes: Werden die kartellvergaberechtlichen Schwellenwerte nicht erreicht, so resultiert die grundsätzliche Pflicht zur Ausschreibung gemäß §§ 30 HGrG, 55 BHO aus dem Haushaltsrecht. Dementsprechend lässt sich eine haushaltsrechtliche Zielsetzung feststellen: In erster Linie soll der Stelle, die den Auftrag vergibt, ein Überblick über die Marktverhältnisse verschafft werden. Ferner soll diese vor politischen Einflussnahmen geschützt werden. In zweiter Linie sollen die notwendigen Leistungen möglichst sparsam und wirtschaftlich beschafft werden. 81 Bei der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit des Einkaufs und beim Schutz der beschaffenden Stelle als Marktteilnehmer handelt es sich unzweifelhaft um Interessen, die dem Staat als Gemeinwesen und damit dem Allgemeininteresse zu dienen bestimmt sind 82. Auch der dennoch enthaltene Wettbewerbsgedanke im Sinne einer Beteiligung mehrerer Bieter am Ausschreibungsverfahren ist haushaltsrechtlich geprägt und dem Allgemeininteresse dienend. Ein Überwiegen privater Interessen lässt sich 78 Hintergrund ist die gemeinschaftsrechtlich geforderte Durchsetzbarkeit der Entscheidung (BT-Drs. 13/9340, S. 19). 79 OLG Schleswig, Beschl. v. 1.6.1999, NZBau 2000, S.96 ff.; BT-Drs. 13/9340, S.13; Kopp/ Ramsauer, VwVfG, § 35 Rdnr. 39; Ziekow/Siegel, ZfBR 2004, S. 30/31 f.; vgl. 1. Kapitel B. III. 80 BVerwG, Urt. v. 23.1.1962, E 13, S. 308 f.; Kopp/Schenke, VwGO, § 40 Rdnr. 15 a. 81 Vgl. 1. Kapitel B. III. 82 Ein fehlerhafter Schluss aus dem Merkmal der (etwaigen) Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf die Natur des Rechtsverhältnisses liegt insoweit nicht vor, da die Rechtsnatur des Grund-, das heißt des Vergaberechtsverhältnisses, nicht aber die der Ausführungshandlung in Frage steht.

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nicht feststellen. Oberhalb der Schwellenwerte legt die Vorschrift des § 97 GWB die Grundsätze des Vergabeverfahrens fest und trägt der gemeinschaftsrechtlich veranlassten Neuausrichtung Rechnung: Gesetzlich normiert wurden der Wettbewerbsund Transparenzgrundsatz (Abs. 1), der Grundsatz der Nichtdiskriminierung (Abs. 2), der Grundsatz der Mittelstandsförderung (Abs. 3), der Grundsatz der Zuschlagserteilung nach Eignung und Wirtschaftlichkeit (Abs. 4 und 5) sowie ein Rechtsanspruch auf Einhaltung des Vergabeverfahrens (Abs. 7). Hinsichtlich eines Teils dieser Grundsätze fanden sich bereits Bestimmungen in den Verdingungsordnungen 83. Der amtlichen Begründung zufolge 84 war mit der ausdrücklichen Regelung im GWB eine Aufwertung der vorhandenen Bestimmungen und eine Stärkung der wettbewerblichen Bedeutung bezweckt. Schon eine erste Betrachtung zeigt, dass die normierten Grundsätze eine einheitliche Zweckrichtung nicht aufweisen. Die Grundsätze der Eignung und der Wirtschaftlichkeit liegen nach den vorstehenden Ausführungen – mindestens überwiegend – im öffentlichen Interesse. Die übrigen Grundsätze weisen eine doppelte Zweckrichtung auf, die es nicht erlaubt, das Vergabeverfahren insgesamt als ausschließlich dem privaten oder dem öffentlichen Interesse dienend zuzuordnen. Vielfältig verflochtene öffentliche und private Interessen sind für den modernen und öffentliche Aufgaben wahrnehmenden Sozialstaat kennzeichnend. Die Bewertung komplexer Rechtsverhältnisse unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden Rechtsmaterien ist durch die Heranziehung allein der Interessentheorie nicht zu bewerkstelligen. Augenfällig sind die Schwierigkeiten im Bereich der Prüfung von Schutznormen. Der Rechtsuchende muss sich auf eine Norm berufen können, die neben dem öffentlichen Interesse zumindest auch den Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter zu dienen bestimmt ist. Hieraus folgt, dass zwar die Verflechtung und Überlagerung von Zielsetzungen, nicht aber die im Rahmen der Zuordnung zu öffentlichem oder privatem Recht notwendige Abgrenzung bewerkstelligt werden kann 85. Augenfällig ist ferner, dass ein öffentliches Interesse Voraussetzung jedes staatlichen Handelns unabhängig von der Handlungsform ist, wodurch die Gefahr besteht, entweder jedes Handeln als öffentlich-rechtlich einzuordnen oder aufgrund dieses Umstandes jedem neben dem generellen öffentlichen Interesse bestehenden privaten Interesse den Vorrang einzuräumen 86. Die Untrennbarkeit der verfolgten Zwecke und Aufgaben ist gerade in mehrpoligen Verhältnissen die Ursache dafür, dass sich die Interessentheorie zur AbgrenVgl. § 2 Nr. 1 und 2 VOB/A; § 2 VOL/A; § 4 VOF; § 25 Nr. 3 VOB/A; § 25 Nr. 3 VOL/A. BT-Drs. 13/9340, S. 12 f. 85 Bachof, in: Bachof/Heigl/Redeker (Hrsg.), Verwaltungsrecht zwischen Freiheit, Teilhabe und Bindung, S.1/6; Ehlers, in: Erichsen H.-U. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, §2 III2 Rdnr. 15; Menger, in: FS f. Hans J. Wolff, S. 149/156 f.; Molitor, Über öffentliches Recht und Privatrecht, S. 30. 86 So Furtwängler (Bindung des öffentlichen Auftraggebers, S.44 f.), der, abstellend auf die Verdingungsordnungen, jeweils Teile A und B, den auf Ausgleich der Interessen der beteiligten Vertragspartner gerichteten Zweck des Vergabeverfahrens als überwiegendes privates Interesse ansieht. Ferner versteht er das Interesse für die Auswahl des geeignetsten Vertragspartners als überwiegendes privates Interesse. 83 84

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

zung nur flankierend heranziehen lässt. Sie ist für die Einordnung des Kartellvergaberechts nur eingeschränkt tauglich. Nach Maßgabe der Subordinationstheorie ist das Vergaberechtsverhältnis als öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis einzuordnen, wenn es ein Über-Unterordnungsverhältnis zum Gegenstand hat. Erforderlich ist keine wörtliche Überordnung im Verhältnis zum anderen Rechtsträger, sondern ein Gegenübertreten in Ausübung öffentlicher Gewalt. Anerkanntermaßen ist diese Abgrenzungstheorie, die lange Zeit als herrschend bezeichnet wurde 87, für die Klärung einer Vielzahl von Abgrenzungsfragen gut geeignet. Dies gilt insbesondere für das klassische Tätigkeitsfeld der Eingriffsverwaltung. Das Feld der öffentlichen Auftragsvergabe, auch wenn es auf den Bereich des Vergaberechtsverhältnisses reduziert wird, weist indes grundsätzlich keine Formen der Eingriffsverwaltung auf 88. Es steht, so zeigen die nachstehenden Ausführungen in diesem Abschnitt, vielmehr der leistenden Verwaltung nahe. Das der Ebene der Ausführungshandlung zeitlich und notwendig vorausgehende Verfahren schafft die Voraussetzungen für das Zustandekommen des öffentlichen Auftrages. 87 Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 82; Molitor, Über öffentliches Recht und Privatrecht, S. 30 m. w. Nachw.; Menger, in: FS f. Hans J. Wolff, S. 149/153 f. m. w. Nachw. 88 Ein Ausnahmecharakter kommt der sog. Auftragssperre zu. Hierunter wird der unbefristete oder – im Regelfall – befristete Ausschluss eines Unternehmens vom konkreten und ggf. von weiteren Vergabeverfahren wegen eines Fehlverhaltens und der daraus resultierenden Unzuverlässigkeit verstanden. Der Begriff „Auftragssperre“ ist weder in den Vergaberichtlinien noch in den Vorschriften der nationalen Vergaberechtskaskade ausdrücklich genannt. Nach den Richtlinien können Unternehmen von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, die „mit rechtskräftigem Urteil aus Gründen bestraft worden sind, die ihre berufliche Zuverlässigkeit in Frage stellen“ oder die „im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen haben, die von den öffentlichen Auftraggebern nachweislich festgestellt wurde“ (Art. 24 lit. c, d BKR, Art. 20 lit. c, d LKR, Art. 29 lit. c, d DKR, Art. 31 Abs. 1, 2 SKR; nunmehr: Art. 45 Abs. 2 lit. c, d VKR, Art. 54 Abs. 4 SKR). § 8 Nr. 5 Abs. 1 c) VOB/A und § 7 Nr. 5 c) VOL/A erlauben einen Ausschluss von Unternehmern, die „nachweislich eine schwere Verfehlung begangen haben, die ihre Zuverlässigkeit als Bewerber in Frage stellt“, während § 11 b und §11 c VOF wie die Vergaberichtlinien formulieren. Mit §21 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und § 6 Arbeitnehmer-Entsendegesetz bestehen auch spezialgesetzliche Regelungen. Tatbestand und Rechtsfolgen einer Auftragssperre lassen auf den ersten Blick auf einen Sanktionscharakter schließen. Im Vordergrund der Diskussion um die Auftragssperre stehen indes in erster Linie Fragen der Zulässigkeit generalisierter und koordinierter Sperren, der Zurechnung von Verfehlungen und der Anforderungen an deren Nachweis sowie des Erfordernisses einer gesetzlichen Rechtsgrundlage. Von grundlegender Relevanz ist dabei wiederum die Einordnung der Auftragssperre in den Dualismus von öffentlichem und privatem Recht nach Maßgabe der Natur des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses. Zugrunde liegendes Rechtsverhältnis ist ausschließlich das Vergaberechtsverhältnis: Die Auftragssperre ist der actus contrarius der Zuschlagsentscheidung. Während der Zuschlag zeitlich am Ende des Vergaberechtsverhältnisses steht und sachlich das Vergaberechtsverhältnis abschließt, steht die Auftragssperre am Beginn desselben und versagt bereits die Teilnahme hieran. Auch die vorstehend genannten Tatbestandsmerkmale der Auftragssperre sind solche, die nur im Rahmen des Vergaberechtsverhältnisses, nicht auf der Ebene der Ausführungshandlung relevant werden. Die rechtliche Einordnung hat sich folglich nach der Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses zu richten. Allgemein zur Auftragssperre: Pietzcker, in: Beck’scher VOB-Kommentar, VIII. Auftragssperre, Rdnrn. 1 ff.; ders., ZHR 162 (1998), S. 427/460 ff.

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Mit der Ausschreibung und der Abgabe eines Angebots entsteht ein Rechtsverhältnis, das bei positiver Zuschlagsentscheidung als Gleichordnungsverhältnis fortgeführt wird. Dieses Vertragsverfahrensrecht 89 kann als notwendige Voraussetzung der Ausführungshandlung nicht mittels des Merkmals der Über-Unterordnung qualifiziert werden. Wie Furtwängler 90 zutreffend ausgeführt hat, wird zwar die Privatautonomie des Bieters durch die weitgehende Fixierung des Vertragsinhalts sowie durch die „Akzeptanz“ der allgemeinen Bedingungen des Vertrages (Teile B der Verdingungsordnungen) zum Teil erheblich eingeschränkt. Die Einschränkung rechtfertigt es jedoch aufgrund der verbleibenden Mitgestaltungsrechte nicht, ein Über-Unterordnungsverhältnis anzunehmen. Das Vergaberechtsverhältnis steht einem Verhältnis der Gleichordnung weit näher als einem Über-Unterordnungsverhältnis. Das Vorhandensein eines überwiegend auf Gleichordnung zwischen den beteiligten Rechtsträgern gerichteten Verhältnisses führt indes nicht automatisch zum privaten Rechtsregime 91. Vielmehr ist entscheidungserheblich, ob das jeweilige Rechtsverhältnis einen so engen Sachzusammenhang zum öffentlichen Recht aufweist, dass es diesem zugerechnet werden kann 92. Wie die Interessentheorie ist auch die Subordinationstheorie 93 auf die Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses nicht zugeschnitten. Sie erlaubt nicht, zumindest nicht in ihrer originären Form, eine Zuordnung zum öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Rechtsregime. Nach der Subjekts- oder Zuordnungstheorie kommt es darauf an, ob das durch die maßgeblichen Rechtsnormen verpflichtete Subjekt notwendig und ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt ist. Dabei muss der Träger hoheitlicher Gewalt gerade als solcher berechtigt und verpflichtet werden. Demnach sind Rechtsverhältnisse grundsätzlich als privatrechtlich einzuordnen, wenn sie Rechtssätzen unterworfen sind, die für jedermann gelten. Für die Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses sind zunächst die folgenden Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Mit der durch das VgRÄG veranlassten Normierung des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte im GWB erstrebte der deutsche Gesetzgeber eine wettbewerbliche Neuausrichtung. Insoweit hat das Vergaberecht einen wirtschaftsrechtlichen Mantel erhalten94. Grundsätzlich handelt es sich bei den Vorschriften des GWB um sog. JedermannVorschriften. § 130 Abs. 1 GWB stellt klar, dass die im GWB enthaltenen Vorschriften auch Anwendung finden auf Unternehmen, die ganz oder teilweise im Eigentum Röhl, VerwArch. 86 (1995), S. 531/533. Furtwängler, Bindung des öffentlichen Auftraggebers, S. 52 ff. 91 GmS OBG, Urt. v. 10.4.1986, BGH Z 97, S. 312/314; a. A. noch Bender, JuS 1962, S. 178/179; Furtwängler, Bindung des öffentlichen Auftraggebers, S. 64. 92 GmS OBG, Urt. v. 10.4.1986, BGH Z 97, S. 312/314; Menger, in: FS f. Hans J. Wolff, S. 149/155; Zuleeg, VerwArch. 73 (1982), S. 384/391. 93 Zu den Unzulänglichkeiten der Subordinations- oder Subjektionstheorie allgemein: Bachof, in: Bachof/Heigl/Redeker (Hrsg.), Verwaltungsrecht zwischen Freiheit, Teilhabe und Bindung, S. 1/7; Ehlers, in: Erichsen H.-U. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rdnr. 16; Menger, in: FS f. Hans J. Wolff, S. 149/153 ff.; Zuleeg, VerwArch. 73 (1982), S. 384/391: „Die Achillesferse der Subjektionstheorie zeigt sich in der Leistungsverwaltung.“ 94 Siehe hierzu 3. Kapitel A. II. 5. b) aa). 89 90

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

der öffentlichen Hand stehen oder die von ihr verwaltet oder betrieben werden. Das Wirtschaftsrecht hat sich im Rahmen der Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht als Sonderbereich entwickelt, in dem eine einheitliche Zuordnung zum einen oder zum anderen Rechtsregime nicht möglich ist 95. Es ist anerkannt, dass bestimmte Vorschriften, die als Jedermann-Vorschriften anzusehen sind, trotzdem (auch) Hoheitsträger als solche berechtigen und verpflichten können 96. Betrachtet man die Gesamtheit der Vorschriften des GWB, so sind die vergaberechtlichen von den „allgemeinen“ Regelungen zu sondieren. Die Vorschriften der §§97 ff. GWB haben einen einzigen Regelungsgegenstand, nämlich die Steuerung des Verfahrens bei staatlichen Bedarfsdeckungsgeschäften. Andere Rechtsträger als öffentliche Auftraggeber sind diesem Rechtsregime nicht unterworfen. Insoweit spricht viel für ein staatliches Sonderrecht. Nun mag man einwenden, der Begriff der öffentlichen Auftraggeber gemäß § 98 GWB sei irreführend. Auch juristische Personen des Privatrechts handeln als öffentliche Auftraggeber im Sinn der vorgenannten Vorschrift 97. Die bloße Organisationsprivatisierung führt – wie ausgeführt 98 – lediglich einen Wechsel des Erfüllungsmodus, also der Ausführungshandlung, herbei. Sie entbindet die Verwaltung jedoch nicht von den bestehenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben und führt erst recht nicht zu einer anderen Zuordnung von staatlichem Sonderrecht. Dies wird allgemein so gesehen 99. Die Vorschriften des § 98 Satz 1 Nr. 2 und 3 GWB stehen einem staatlichen Sonderrecht daher nicht entgegen. In Frage steht, ob dies auch in Bezug auf die weiteren in §98 GWB genannten Privaten zutrifft. Gesetzgeberischer Hintergrund der Erfassung von Sektorenauftraggebern ist ihr Tätigwerden in „abgeschotteten Märkten“, also in Märkten, die noch von starker staatlicher Beeinflussung gekennzeichnet sind, ferner ihr Tätigwerden aufgrund besonderer, staatlich verliehener Rechte 100. Als Zweck der Erfassung der subventionierten Auftraggeber und der Baukonzessionäre nach § 98 Satz 1 Nr. 5 und 6 GWB ist die Verhinderung der Umgehung der Vergabepflichtigkeit im Wege der Zwi95 Leisner, JZ 2006, S. 869 ff.; Rinck, WiR 1972, S. 5/16 f.; Rittner, in: FS f. Benisch, S. 99 ff.; ders., in: FS f. Müller-Freienfels, S. 509 ff.; a. A. Kahl, in: FS f. v. Zezschwitz, S. 151/155. 96 Bachof, in: Bachof/Heigl/Redeker (Hrsg.), Verwaltungsrecht zwischen Freiheit, Teilhabe und Bindung, S. 1/11 f. m. w. Nachw. Die betreffende Rechtsnorm wird dann je nach Kategorie des Anspruchstellers als öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich eingeordnet. 97 § 98 Satz 1 GWB erfasst in Nr. 2–6 juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, wenn Stellen, die unter Nr. 1 oder Nr. 3 fallen, sie einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanzieren oder über ihre Leitung die Aufsicht ausüben oder mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organe bestimmt haben (Nr. 2); ferner Verbände solcher Personen (Nr. 3), private Sektorenauftraggeber (Nr. 4), staatlich subventionierte private Auftraggeber (Nr. 5) und private Baukonzessionäre (Nr. 6). Zu den Anwendungsproblemen dieser Norm siehe 2. Kapitel B. I. 1. 98 2. Kapitel A. II. 1. 99 Ehlers, in: Erichsen H.-U. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rdnr. 27. 100 Erwägungsgründe 11 und 12 SKR a. F.

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schenschaltung Privater zu begreifen 101. Hieraus folgt, dass die Einbeziehung dieser Rechtsträger in den Begriff der öffentlichen Auftraggeber eine gesetzgeberische Entscheidung auf vorgelagerter Stufe darstellt. Trotz materieller Privatisierung und trotz privater Rechtsträgerschaft werden diese Rechtsträger dem System der staatlichen Bedarfsdeckung unterworfen und ihnen somit gesteigerte Bindungen auferlegt. Weitergehende Wirkungen sollten jedoch weder gemeinschaftsrechtlich noch national erzielt werden. Das gemeinschaftsrechtliche Vergaberechtsregime, so zeigen die nachstehenden Ausführungen, wirkt vielmehr publifizierend. Die nationale Vergabegesetzgebung war lediglich auf die Umsetzung des gemeinschaftsrechtlich Notwendigen gerichtet. Aus der Einbeziehung von Privaten in die Eigenschaft als öffentliche Auftraggeber lässt sich hinsichtlich der Frage der Einordnung des Kartellvergaberechts als staatliches Sonderrecht keine Aussage entnehmen, zumal es sich im Sektorenbereich nach dem gesetzgeberischen Willen um eine nicht dauerhafte Erscheinung 102 und im Übrigen um Ausnahmefälle handelt. Soweit dennoch aufgrund der Einbeziehung Privater in die Vorschrift des § 98 GWB Tendenzen für eine zivilrechtliche Verankerung des Vergaberechtsverhältnisses zu erblickt werden 103, ist dem nicht zuzustimmen. Eine Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses als öffentlichrechtlich nach Maßgabe der Subjekts- bzw. Zuordnungstheorie verlangt zwar ferner, dass der Hoheitsträger gerade als solcher berechtigt und verpflichtet wird. Als solcher wird er aber nicht tätig, wenn „eindeutige Hinweise dafür sprechen“104, dass bei der betreffenden Tätigkeit gerade kein Sonderrecht in Anspruch genommen wird. Dies wird im Allgemeinen für die Fälle der staatlichen Bedarfsdeckung bejaht. Soweit hierbei jedoch – meist pauschal – mit der Ebene der Handlung argumentiert wird, liegt ein unzulässiger Rückschluss vor, der der Dogmatik von Vergaberechtsverhältnis und Ausführungshandlung widerspricht und damit für die Einordnung untauglich ist. Wird darauf abgestellt, dass es an Anzeichen fehle, die darauf hinweisen, dass der Hoheitsträger als solcher angesprochen werden soll, so wäre es nur konsequent, das Vergaberechtsverhältnis statt der Ausführungshandlung genauer zu beleuchten. Was letztlich deutlich wird, ist die schon angesprochene105 Insuffizienz der bestehenden und singulär angewendeten Abgrenzungstheorien, die im Ergebnis zirkelschlussartig das Öffentlich-Rechtliche aus dem Öffentlich-Rechtlichen oder im Umkehrschluss aus dem Privatrechtlichen zu begründen versuchen. b) Einordnung nach Maßgabe weiterer Kriterien Eine Zuordnung des Vergaberechtsverhältnisses zum öffentlichen oder zum privaten Recht ist unter singulärer Anwendung der herrschenden Abgrenzungstheorien Werner, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 98 Rdnrn. 286 ff. Vgl. Art. 44 SKR a. F., Art. 30 SKR; zudem Werner, in Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 98 Rdnrn. 279 ff.; 1. Kapitel B. II. 103 Sterner, Rechtsbindungen und Rechtsschutz, S. 97. 104 So bei Ehlers, in: Erichsen H.-U. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rdnr. 28. 105 3. Kapitel A. I. 4. b). 101 102

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

nicht möglich. In praxi sind für die Einordnung „weiche“ Abgrenzungsmerkmale heranzuziehen. Solche Abgrenzungskriterien mit Indiziencharakter sind das Bestehen einer staatlichen Aufgabenverantwortung und eines Leistungs- und Fürsorgecharakters des den Anspruch begründenden Rechtsverhältnisses, das Bedürfnis nach Steuerung, der Zweck der zugrunde liegenden Rechtsmaterien sowie, aufgrund der Wandelbarkeit des Vergaberechtsverhältnisses, auch die Rechtsentwicklung. Dem Postulat der Vornahme der Abgrenzung nach der Natur und dem Charakter des in Frage stehenden Rechtsverhältnisses wird diese Vorgehensweise am ehesten gerecht. Die Ergebnisse der Abgrenzungstheorien können flankierend berücksichtigt werden. Insoweit erfolgt die Abgrenzung in der Weise, dass der „Sachnähe“ 106 und dem „Sachzusammenhang“ 107 zur einen oder zur anderen Rechtsordnung maßgebende Bedeutung zukommt; ferner danach, ob das Vergaberechtsverhältnis ein öffentlich-rechtliches oder ein privatrechtliches „Gepräge“ 108 aufweist. Ebenso wie bei Verhältnissen der Gleichordnung kommt dem Gedanken der „Zurechnung“ 109 zum öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Rechtsregime ein besonderes Gewicht zu. aa) Betrachtung der maßgebenden Rechtsnormen Zunächst sind die im Vergaberechtsverhältnis maßgebenden Rechtsnormen näher zu beleuchten. Im Hinblick auf die Einordnung der staatlichen Bedarfsdeckung wird vor allem mit den kartellvergaberechtlichen Vorschriften und den Verdingungsordnungen argumentiert. Die Normierung der vergaberechtlichen Vorschriften für öffentliche Aufträge im GWB wird unter Bezugnahme auf die amtliche Gesetzesbegründung als eine bewusste Entscheidung pro Wettbewerb und damit pro Zivilrecht interpretiert. Grundanliegen des VgRÄG war die Stärkung des Wettbewerbsgedankens. Dieses Anliegen wurde mit der Normierung im GWB erfüllt. Eine weitergehende Wirkung ist mit dieser normtechnischen Einordnung jedoch nicht verbunden. Insbesondere kann und sollte der Normierung im GWB keine gesetzgeberische Grundsatzentscheidung im Hinblick auf das Rechtsregime zukommen. Wirtschaftsrechtliche und wettbewerbliche Rechtssätze sind zumeist Jedermann-Vorschriften und damit trotz ihrer Geltung auch für Hoheitsträger in der Regel zivilrechtlicher Natur. Insoweit könnte es nahe liegen, ihnen hinsichtlich der Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses zumindest indizielle Bedeutung beizumessen. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden: Das Wettbewerbsprinzip bildet die tragende Säule des gemeinschaftsrechtlichen Vergaberechts und der nationalen Umsetzungsakte. Die106 OVG Münster, Beschl. v. 30.6.2000, NJW 2001, S. 698/700; Urt. v. 23.3.1990, NJW 1990, S. 3226. 107 BGH – Kartellsenat –, Urt. v. 26.10.1961, Z 36, S. 91/96; BVerwG, Urt. v. 13.3.1970, DÖV 1971, S. 137/138. 108 BVerwG, Urt. v. 7.11.1957, DÖV 1958, S. 303/304. 109 GmS OBG, Urt. v.10.4.1986, BGH Z 97, S. 312/314; BVerwG, Urt. v. 5.10.1965, E 22, S. 138/140 f.; BGH, Urt. v. 12.7.1971, Z 56, S. 365/368.

A. Dualismus von öffentlichem und privatem Recht

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ses auf dem Prinzip der Gleichbehandlung bzw. der Nichtdiskriminierung gemäß Art. 12 EG fußende Prinzip soll oberhalb der Schwellenwerte durch ein transparentes Vergabeverfahren und durch ein effektives Rechtsschutzsystem umgesetzt werden. Die Gewährleistung von Wettbewerb durch Verfahrenssteuerung und -regulierung sowie die damit verbundene Gewährung eines subjektiven Rechtes 110 erlauben keine typisierende privatrechtliche Einordnung, zumal der Aspekt des Grundrechtsschutzes durch Verfahrensgestaltung zum Tragen kommt 111. Die Regelung des Vergaberechts im GWB stellt nicht mehr als die wettbewerbliche „Verpackung“ einer Rechtsmaterie nach außen dar. Im materiellrechtlichen Regelungszusammenhang des GWB ist diese de iure als ein Fremdkörper anzusehen. Wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, handelt die den öffentlichen Auftrag vergebende Stelle nicht aufgrund der Regelung in § 130 GWB. Vielmehr besteht ein kartellvergaberechtlicher Abschnitt, der abgesehen von den genannten Sonderkonstellationen ausschließlich die staatliche Bedarfsdeckung zum Gegenstand hat und insoweit ein staatliches Sonderrecht indiziert. Eingedenk der Ausführungen im 2. Kapitel ist die Einbeziehung der vergaberechtlichen Vorschriften in das GWB als Ausfluss der „Großtendenz Privatisierung“, hier in Form der Umwertung bzw. Umqualifizierung von Gesetzen, zu begreifen. Ziel ist es, für Rechtsmaterien, die (noch) dem öffentlichen Recht zugerechnet werden, die eine Zuordnung aufgrund ihres Charakters als Sondermaterie noch nicht erhalten haben oder die aufgrund gesetzgeberischer Entwicklungen dem öffentlichen Recht zugeneigt sind, zivilrechtliches Terrain zu gewinnen. Diese Entwicklung wurde bereits als „schleichende Privatisierung“ bezeichnet. Huber 112 spricht von einer „falsa demonstratio“; Kahl 113 formuliert, das VwVfG sei „sträflich missachtet“ worden. Die auf eine rein formale Sichtweise der vergaberechtlichen Vorschriften oberhalb der Schwellenwerte gründende und insoweit beschränkte Einordnung kann in systematischer Hinsicht nicht überzeugen. Die Integration einer Rechtsmaterie wie der des Vergaberechts in das GWB, die absehbar einem weiteren gemeinschaftsrechtlich veranlassten Wandel ausgesetzt sein wird, birgt ferner die Gefahr, als „Vehikel zu politisch opportunen, aber nicht systemgerechten Änderungen des [übrigen, Anm. d. Verf] materiellen Kartellrechts“ 114 pervertiert zu werden. Dabei wurde und wird immer wieder auf das Erfordernis eines eigenständigen Vergabegesetzes hingewiesen und hingewirkt 115. Aus dem Vorstehen110 Dies muss nicht zwingend der Fall sein, wenn man beispielsweise die traditionell haushaltsrechtliche Organisation trotz ihrer wettbewerblichen Komponente in den Verdingungsordnungen des deutschen Vergaberechts betrachtet. 111 Siehe hierzu 3. Kapitel A. II. 5. b) ff). 112 Huber, JZ 2000, S. 877/882; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Einführung Rdnr. 53: „wenig systemgerecht“; a. A. Fante, Instrumentalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens, S. 97. 113 Kahl, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgesetz, S. 67/74. 114 Dreher, NVwZ 1999, S. 1265/1271. 115 Dreher, NVwZ 1999, S.1265/1271; ders., in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, Vor §§ 97 ff. Rdnr. 39; Kahl, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgesetz, S.67/74; Malmendier, DVBl. 2000, S.963/967; Ritt-

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

den ergibt sich, dass der Normierung der vergaberechtlichen Vorschriften im GWB nur schwerlich eine Bedeutung für die Frage der Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses zukommen kann. Das Vergabeverfahrensrecht der Verdingungsordnungen der VOF und Teile A der VOL und VOB könnte schließlich für eine zivilrechtliche Verankerung des Vergaberechtsverhältnisses sprechen. Als von privaten Institutionen ohne gesetzgeberische Legitimation verfasste abstrakt-generelle Regelungen weisen die Verdingungsordnungen keinen verbindlichen Rechtscharakter auf, sondern stellen im Grunde private Rechtsetzung dar. Bei Lichte betrachtet, ist für die Einordnung der Verdingungsordnungen aber nicht deren Entstehungsgeschichte, sondern deren Entwicklung im Rahmen des Vergaberechts unterhalb und oberhalb der Schwellenwerte maßgeblich. Als dritter Teil des vergaberechtlichen Kaskadenprinzips erlangen die Verdingungsordnungen durch die statische Verweisung 116 der auf der Grundlage von §§ 97 Abs. 6, 127 GWB erlassenen Vergabeverordnung selbst die Rechtsqualität einer Verordnung. Im Bereich unterhalb der Schwellenwerte ist ihr Anwendungsbereich über die Verweisung in §§ 33 HGrG, 50 BHO und den entsprechenden Landeshaushaltsordnungen als Verwaltungsvorschriften mit rein innenrechtlichem Charakter eröffnet. Das Belassen des traditionellen deutschen Systems der Verdingungsordnungen trotz vorhandener anderer Gestaltungsmöglichkeiten und Gestaltungsempfehlungen ist aus dem Bestreben des deutschen Gesetzgebers entstanden, die vorhandenen vergaberechtlichen Systeme und die bestehende Vergabepraxis so gering wie möglich einer gemeinschaftsrechtlichen Neuorientierung zu unterziehen. 117 Das Kaskadensystem begründet sich rechtshistorisch aus Praktikabilitätserwägungen. Dies gilt sowohl für den Versuch der haushaltsrechtlichen Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Richtlinienvorgaben in den Vorschriften der §§ 57 a–c HGrG als auch für die Umsetzung durch das VgRÄG im GWB. Aufgrund der Verweisungsnormen liegen nun staatlich gesetztes Verordnungsrecht oder Verwaltungsvorschriften vor, die jeweils Teil eines einheitlich zu beurteilenden Vergaberechtsverhältnisses sind. Für dessen Natur und Charakter kann den Verdingungsordnungen keine Aussage pro Zivilrecht entnommen werden. Die im Kartellvergaberecht als Bindeglied zwischen GWB und Verdingungsordnungen wirkende Vergabeverordnung ist ebenso als Bestandteil des hinsichtlich der Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses einheitlich zu betrachtenden Kartellvergaberechts anzusehen. 118 Einen eigenständigen Gehalt weist sie diesbezüglich nicht auf. Auf die bisherigen Ausführungen unter vorstehend 5. a) wird verwiesen. ner, in: Schwarze/Müller-Graff (Hrsg.), Das öffentliche Auftragswesen in der EG, EuR–Beiheft, I/1996, S. 7/11 f.; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, H. IV. Rdnrn. 223 ff. 116 „Statisch“, weil auf die gültige Fassung der Verdingungsordnungen ausdrücklich „starr“ Bezug genommen wird (Niebuhr, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 97 Rdnr. 236). 117 Vgl. 1. Kapitel B. III. 118 Gleiches gilt für den Entwurf einer Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Stand: 13.3.2005), welcher die Verfahren bei Lieferungen und Dienstleistungen integrieren

A. Dualismus von öffentlichem und privatem Recht

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Unabhängig vom Wert des konkret zu vergebenden öffentlichen Auftrages gelten die verbleibenden haushaltsrechtlichen Bindungen. Das Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte betreffende VgRÄG hat im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien in der Vorschrift des § 97 Abs. 5 GWB den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit normiert. Bereits die vorher bestehende nationale Regelung sowie die fortbestehende Regelung der Auftragsvergaben unterhalb der Schwellenwerte beruhen auf diesem haushaltsrechtlichen Prinzip. Die Vorschrift des § 97 Abs. 5 GWB ist insoweit lex specialis. Die haushaltsrechtliche Zielsetzung ist unter den Aspekten des verfolgten Zwecks, des Zuordnungssubjekts von Rechtssätzen sowie der Sachnähe unzweifelhaft öffentlich-rechtlicher Natur. Zu klären wird sein, ob die Gesichtspunkte der Gleichheit und des Wettbewerbs zur Gewährleistung eines subjektiven Bieterschutzes, letztlich also die Zielsetzung des VgRÄG, dem Vergaberechtsverhältnis einen zivilrechtlichen Charakter verleihen. Einen besonderen Platz in der vergaberechtlichen Judikatur betreffend die Einordnung des Vergaberechts in das öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Rechtsregime nehmen gesetzlich normierte Bevorzugungsregelungen ein. Beispielhaft genannt sind die Vorschriften § 56 SchwerbehindertenG zur Bevorzugung von Schwerbeschädigten und Schwerbehinderten, §§ 74, 76 BVFG a. F., 14 BVFG zur Bevorzugung von Vertriebenen und Flüchtlingen sowie § 68 BEG zur Bevorzugung von Verfolgten. Das durch die Bevorzugungsnorm begründete Rechtsverhältnis zwischen der den öffentlichen Auftrag vergebenden Stelle und dem unter die Bevorzugungsnorm zu subsumierenden Bieter wird im Folgenden als „Bevorzugungsverhältnis“ bezeichnet. Hinsichtlich der rechtlichen Zuordnung von Auftragsvergaben aufgrund von Bevorzugungsregelungen war die Rechtsprechung des BVerwG zunächst uneinheitlich. Im Urteil vom 6. Juni 1958 119 wurde für die Klage auf bevorzugte Berücksichtigung bei einer öffentlichen Auftragsvergabe noch der Verwaltungsrechtsweg als eröffnet erachtet, wohingegen im Urteil vom 8. März 1962 120 und in der folgenden Rechtsprechung 121 ausschließlich der Zivilrechtsweg als richtiger Rechtsweg betrachtet wird. Der Verwaltungsrechtsweg ist hiernach lediglich für die Feststellung des Bestehens bzw. Nichtbestehens des Bevorzugungsverhältnisses der zulässige Rechtsweg. Zum Verfahren der Bevorzugung führt das BVerwG 122 aus: und dadurch das Verfahren oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte regeln sollte. An der rechtlichen Qualifikation – Maßgeblichkeit des Kartellvergaberechts oberhalb und des Haushaltsrechts unterhalb der Schwellenwerte – sollte indes keine Änderung eintreten. 119 BVerwG, Urt. v. 6.6.1958, E 7, S. 89 ff. Ebenso OVG Berlin, Urt. v. 27.4.1961, NJW 1961, S. 2130 ff. 120 BVerwG, Urt. v. 8.3.1962, E 14, S. 65 ff. 121 Z. B. BVerwG, Beschl. v. 6.5.1970, DVBl. 1970. S. 866 ff. 122 BVerwG, Urt. v. 8.3.1962, E 14, S. 65/69 f. Im Folgenden heißt es: „Aus den nicht schon aus formellen Gründen ausgeschiedenen Angeboten ist zunächst das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot auszuwählen. Dann wird der für bevorzugte Bieter zulässige Mehrpreis ermittelt. Im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ist der Zuschlag auf das Angebot des Bieters zu erteilen, der unter Berücksichtigung seiner Be-

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

„Ebenso wenig wie über die Zugehörigkeit eines Bewerbers zum bevorzugten Personenkreis ist in den Bevorzugungsvorschriften oder in den Vorschriften über das Ausschreibungsverfahren eine für die Beteiligten verbindliche und darum als Verwaltungsakt ergehende Entscheidung der ausschreibenden Stelle über das Bestehen, den Inhalt und das Ausmaß des zu gewährenden Vorzugs vorgesehen. Sie ist weder mit der Erteilung oder Nichterteilung des Zuschlags , d.h. mit der Annahme oder Ablehnung des Angebots eines Bieters zu verbinden, noch geht sie ihr voraus. Es ist weder aus rechtlichen noch aus logischen Gründen geboten, einen solchen Verwaltungsakt zu fingieren mit der Folge, dass vor dem Verwaltungsgericht auf seine Aufhebung oder auf die nachträgliche Feststellung seiner Rechtswidrigkeit oder seiner Vornahme geklagt werden könnte. Der Vorzug des Bewerbers wirkt sich nur als Vorrang bei der Wertung der Angebote aus.“

Im Schrifttum werden Bevorzugungsverhältnisse im Hinblick auf die Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses ebenfalls unterschiedlich gehandhabt 123. Richtigerweise ist hinsichtlich der rechtlichen Zuordnung von Auftragsvergaben mit Bevorzugungsverhältnissen zweifach zu differenzieren: Einerseits zwischen dem Vergaberechtsverhältnis und dem Bevorzugungsverhältnis, andererseits zwischen der Vergabe eines öffentlichen Auftrages mit der Anwendbarkeit einer Bevorzugungsregelung und zweistufig strukturierten Rechtsverhältnissen, also Rechtsverhältnissen, bei denen die Anwendbarkeit der Zwei-Stufen-Theorie anerkannt ist. Die das Bevorzugungsverhältnis begründenden Rechtsnormen sind öffentlich-rechtlicher Natur. Der Staat stellt nicht lediglich durch die Vergabe eines öffentlichen Auftrages ein Vergabeverfahren zur Verfügung, sondern erbringt über die Bevorzugungsregelung Leistungen auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge. Die den Auftrag vergebende Stelle erfüllt durch die Berücksichtigung der Bevorzugungsnorm eine staatliche (und öffentliche) Aufgabe, wodurch, in den klassischen Kategorien des Verwaltungshandelns gesprochen, die Annahme einer fiskalischen Verwaltungstätigkeit entfällt. Der öffentlich-rechtliche Charakter des Bevorzugungsverhältnisses als „Rechtsverhältnis, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird“ ist nahezu unstreitig. 124 Das Bevorzugungsverhältnis steht jedoch als Rechtsverhältnis, das auf einem speziellen Rechtssatz beruht und eigene materiellrechtliche Voraussetzungen aufweist, selbständig neben dem generell das Verfahren der Ausschreibung sowie die Prüfung und Wertung der Angebote regelnden Vergaberechtsverhältnis. Als Sonderkonstellation im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe ist die Aussagekraft hinsichtlich der Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses notwendig begrenzt. Aus vorzugungsmerkmale den Vorrang vor allen anderen Bietern hat, sofern sein Angebot den zulässigen Mehrpreis nicht übersteigt. Die Ermittlung des niedrigsten Angebotspreises und des zulässigen Mehrpreises ist dabei ein mit kaufmännischen Überlegungen verbundener rechnerischer Vorgang.“ 123 Vgl. Bettermann, DVBl. 1971, S. 112 ff.; Hoffmann-Becking, VerwArch. 1971 (62), S. 191 ff.; Kopp, BayVBl. 1980, S. 609 ff.; Ziekow/Siegel, ZfBR 2004, S. 30/33. 124 BVerwG, Urt. v. 6.9.1970, DVBl. 1970, S. 866 ff.; Dawin, NVwZ 1983, S. 400 f.; Hoffmann-Becking, VerwArch. 1971 (62), S. 191/194 f.; Rennert, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, § 40 Rdnr. 48; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 22 Rdnr. 67; a. A. nur Bettermann, DVBl. 1971, S. 112/115.

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der grundsätzlichen Selbständigkeit der Rechtsverhältnisse resultiert, dass es für die Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses vollkommen unerheblich ist, ob die Entscheidung im Bevorzugungsverhältnis durch Verwaltungsakt oder anders ergeht 125. Selbst bei unterstellter Erheblichkeit wäre damit für die Frage der Anwendbarkeit der Zwei-Stufen-Theorie beim Vergaberechtsverhältnis noch nichts gewonnen. Der Sachverhalt bei öffentlichen Auftragsvergaben gestaltet sich anders als beim Zugang zu öffentlichen Einrichtungen oder bei der Vergabe von Grundstücken im Rahmen eines Einheimischenmodells. Dort schließt sich an die vorgelagerte Auswahlentscheidung auf der ersten Stufe („ob“ der Vergabe) unmittelbar die Ausführungshandlung („wie“ der Vergabe) an. Bei der Auftragsvergabe indes besteht neben dem – dem Verwaltungsrechtsweg unterliegenden – Regelungsgegenstand des Bevorzugungsverhältnisses und unabhängig vom tatsächlichen Vorliegen einer normativen Begünstigung stets das allgemeine Vergaberechtsverhältnis mit dem vorgesehenen Ablauf des Vergabeverfahrens. In der Systematik von Stufen gesprochen, existieren mit dem Bevorzugungsverhältnis, dem Vergaberechtsverhältnis und der Ausführungshandlung drei Stufen. Was die Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses als öffentlich-rechtlich oder als privatrechtlich betrifft, gelangt man daher zu folgenden (Zwischen-)Ergebnissen: Soweit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge eine Bevorzugungsregelung einschlägig ist, so entsteht hierdurch ein Bevorzugungsverhältnis, welches selbständig neben dem Vergaberechtsverhältnis steht. Aufgrund der Nichtidentität der Rechtsverhältnisse nimmt das hier zu beurteilende Vergaberechtsverhältnis weder an der Rechtsqualität der im Bevorzugungsverhältnis zu treffenden Entscheidung noch unmittelbar an deren Rechtsnatur teil. Die Fragestellung hinsichtlich der Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses lautet zutreffend, ob das Vergaberechtsverhältnis durch den die Auswahlentscheidung beeinflussenden Bevorzugungstatbestand derart öffentlichrechtlich geprägt wird, dass auch das Vergaberechtsverhältnis als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren ist. Da dem zu bevorzugenden Bieter im Rahmen der Auswahlentscheidung dann der Zuschlag zu erteilen ist, wenn sein Angebot noch unterhalb des zulässigen Mehrpreises bleibt, ist der Bevorzugungsregelung bei der Auswahlentscheidung ein wesentliches Gewicht beizumessen. Für den Fall, dass das Vergaberechtsverhältnis generell nach den in diesem Kapitel in Abschnitt A. I. 4. genannten Kriterien dem öffentlichen Recht zuzurechnen ist, spielt die Reichweite der Überlagerung indes keine Rolle mehr, da das Rechtsverhältnis nicht „öffentlich-rechtlicher“ werden kann. Generell, das heißt in Fällen von öffentlichen Auftragsvergaben, in denen der Anwendungsbereich einer Bevorzugungsregelung nicht eröffnet ist, kann die Existenz von Bevorzugungsregelungen auf eine öffentlich-rechtliche Prägung des Vergaberechtsverhältnisses hindeuten. Für den Gesetzgeber stellt die Rechtsmaterie der Vergabe öffentlicher Aufträge ein probates Instrument staatlicher Steuerung und Gestaltung, die sog. politische Auftragsvergabe, dar. Mit der Normierung von Be125 BVerwG, Urt. v. 6.9.1970, DVBl. 1970, S. 866 ff.; Hoffmann-Becking, VerwArch. 1971 (62), S. 191/194 f.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

vorzugungsregelungen, die eine Schutz- und Förderfunktion bestimmter Personengruppen innehaben, handelt der Staat in Erfüllung öffentlicher Zwecke und verleiht der Auftragsvergabe leistungsverwaltenden, öffentlich-rechtlichen Charakter. Der Staat behält trotz der Vergabe des Auftrages an Private ein Mehr an Verantwortung und Steuerung. Im Gegensatz zu anderen Regelungen der Förderung bestimmter schutzwürdiger Personengruppen richten sich die Bevorzugungsregelungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zudem ausschließlich an öffentliche Auftraggeber. Vergleichbar mit der Problematik der Bevorzugungsregelungen im Hinblick auf die rechtliche Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses ist die Berücksichtigung vergabefremder Zwecke bei der Auftragsvergabe. § 97 Abs. 4 GWB regelt, dass andere oder weitergehende Anforderungen als Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit nur gestellt werden dürfen, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist. Die Berücksichtigung vergabefremder Zwecke stellt weit mehr noch als das Bestehen von Bevorzugungsregelungen den klassischen Anwendungsfall der (wirtschafts-)politischen Auftragsvergabe dar 126. Hier kommt es darauf an, ob sich aus der Berücksichtigung vergabefremder Kriterien Rückschlüsse auf die Rechtsnatur der Vergabeentscheidung ziehen lassen. Mit dem Erlass von Vorschriften nach § 97 Abs. 4 GWB setzt der Bundes- oder Landesgesetzgeber seine Nachfragemacht gezielt ein, um politische Ziele zu erreichen. Entsprechende Gesetze sind Ausfluss der jeweils verfolgten Politiken; sie sind von ihrem Interesse und ihrer Zwecksetzung her öffentlich-rechtlich. Auch richten sie sich bezüglich des Zuordnungssubjekts ausschließlich an öffentliche Auftraggeber, so dass es sich bei den entsprechenden Regelungen um öffentlich-rechtliche Rechtssätze handelt. Parlamentsgesetze mit dem Inhalt der Berücksichtigung vergabefremder Zwecke unterscheiden sich jedoch in ihrer Funktionsweise von Bevorzugungsnormen. Anders als Bevorzugungsnormen begründen sie nicht in einem gegenüber dem Vergaberechtsverhältnis eigenständigen Bevorzugungsverhältnis einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Bevorzugung. Sie führen vielmehr dazu, dass Bieter, die das konkrete vergabefremde Kriterium nicht erfüllen, im Rahmen der Zuschlagsentscheidung aus dem Bieterkreis herausfallen. Was die rechtliche Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses betrifft, führen sie wie die Bevorzugungsregelungen zu einer öffentlichrechtlichen Überlagerung. Diese ist, das Vergaberecht insgesamt betrachtet, angesichts der Vielzahl der Vergaben unter Heranziehung vergabefremder Zwecke weit erheblicher als bei den Bevorzugungsnormen. Entsprechend den Bevorzugungsnormen kommt den Gesetzen zur Berücksichtigung vergabefremder Zwecke auch im Falle ihrer Nichtanwendbarkeit auf einen konkret zu vergebenden öffentlichen Auftrag die Wirkung der öffentlich-rechtlichen Prägung des Vergaberechtsverhältnisses zu. Diese resultiert nicht lediglich aus der öffentlich-rechtlichen Rechtsqualität der Rechtssätze nach § 97 Abs. 4 GWB, sondern aus der einhergehenden Qualität der staatlichen Steuerung, Einflussnahme und Verantwortung.

126

Siehe 1. Kapitel D.

A. Dualismus von öffentlichem und privatem Recht

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Die bestehende haushaltsrechtliche Zielsetzung des Vergaberechts unterhalb der Schwellenwerte sowie deren Fortbestehen in § 97 Abs. 5 GWB für Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte verleihen dem Vergaberechtsverhältnis eine öffentlich-rechtliche Komponente. Ferner indizieren gesetzliche Bevorzugungsnormen sowie gesetzliche Regelungen zur Berücksichtigung vergabefremder Kriterien eine öffentlich-rechtliche Überlagerung des Vergaberechtsverhältnisses. Demgegenüber lassen sich aus der „wettbewerblich veranlassten“ Regelung des Vergabeverfahrens im GWB keine verwertbaren Aussagen über die rechtliche Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses gewinnen. Die Vergabeverordnung sowie die Verdingungsordnungen VOB/A, VOL/A und VOF enthalten im Hinblick auf die Qualifikation des Vergaberechtsverhältnisses keinen eigenständigen Aussagewert. Die Betrachtung des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsregimes und dessen Entwicklung bleibt der nachstehenden Darstellung unter cc) vorbehalten. bb) Öffentliche Auftragsvergabe und staatliche Fürsorgepflichten In Gemengelagen von öffentlichem und privatem Recht zeichnen sich öffentlichrechtliche Rechtsverhältnisse dadurch aus, dass sie trotz einer etwaigen privatrechtlichen Ausführungshandlung und trotz des Fehlens obrigkeitlicher Gewalt in den Formen von Befehl und Zwang hoheitliche Zwecke verfolgen 127. Nach dem System der öffentlichen und staatlichen Aufgaben 128 handelt es sich in solchen Fällen um die Wahrnehmung (jedenfalls) öffentlicher Aufgaben. In den Kategorien des Verwaltungshandelns spricht man je nach der Rechtsnatur der sich anschließenden Handlungsform von schlicht-hoheitlicher und verwaltungsprivatrechtlicher Verwaltung. Den Fürsorgegedanken betonend, hat die Judikatur das Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses bejaht in den Fällen der Vergabe öffentlicher Subventionen, der Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen sowie der Vergabe gemeindeeigener Grundstücke nach Maßgabe eines wohnungspolitisch und städtebaulich geprägten Kriterienkataloges 129. Nach der von Siebert 130 begründeten und noch herrschenden Doktrin des Verwaltungsprivatrechts setzt ein entsprechendes Handeln ferner die unmittelbare Erfüllung von Verwaltungsaufgaben voraus. Staatlichen Bedarfdeckungsgeschäften wird als „rein fiskalischen Geschäften“ das Merkmal der unmittelbaren öffentlichen Aufgabenerfüllung jedoch regelmäßig versagt 131. Die Begründung hierfür klingt zunächst einleuchtend. Die staatlichen Be127 Dörr, DÖV 2001, S. 1014 ff.; Siebert, in: FS f. Niedermeyer, S. 215/221 ff.; Unruh, DÖV 1997, S. 653/662; Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 208/215 ff.; vgl. auch BayVGH, Beschl. v. 23.8.2004, BayVBl. 2005, S. 443. 128 Vgl. 3. Kapitel B. I. 129 VG München, Urt. v. 27.2.1996, BayVBl. 1997, S. 533 ff.; OVG Münster, Beschl. v. 30.6.2000, NJW 2001, S.698 f.; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 40 Rdnrn. 21 ff.; Rennert, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, § 40 Rdnrn. 50 f. 130 Siebert, in: FS f. Niedermeyer, S. 215/221 ff. 131 Vgl. nur GmS OGB, Beschl. v. 10.4.1986, BGH Z 97, S. 312 ff.; Bettermann, DVBl. 1971, S. 112/114; Brohm, NJW 1994, S. 281/286; Ehlers, in: Erichsen H.-U. (Hrsg.), Allge-

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

darfsdeckungsgeschäfte werden nach dem Zweck der jeweils verfolgten Aufgabe aufgeteilt, wobei als Aufgabe in diesem Sinn die finale Staatsaufgabe zu verstehen ist. Demnach werden Aufträge einerseits zur Erfüllung ausdrücklich statuierter Pflichten, beispielsweise dem Bau von Straßen und Schulen, andererseits zur Erfüllung des allgemein bestehenden Verwaltungsauftrages, beispielsweise der vielzitierte Fall der Beschaffung von Büromaterialien, vergeben. Dem Kriterium der Unmittelbarkeit genügen der allgemeinen Auffassung nach beide Fallgruppen nicht. Im ersten Fall erkennt man die Beschaffung zwar an – aber auch nur – als Voraussetzung der finalen Staatsaufgabenerfüllung, die dieser nur mittelbar diene. Im zweiten Fall wird der allgemeine Verwaltungsauftrag lediglich als (mittelbare) Voraussetzung für die gegenüber der Allgemeinheit bestehenden Aufgaben angesehen. In erster Linie historisch bedingt wird die staatliche Bedarfsdeckung allein nach ihrem Verhältnis zur finalen Aufgabe bewertet, wodurch ihr selbst keine unmitttelbare Aufgabenqualität zuerkannt wird. Die Ausführungen im 2. Kapitel 132 haben jedoch bereits gezeigt, dass sich die staatliche Bedarfsdeckung durchaus als notwendige und aufgabenbezogene Vorstufe der zu erfüllenden finalen Aufgabe sowie als selbständige Aufgabenebene qualifizieren lässt. Für die hier zu untersuchende Frage des Rechtscharakters des Vergaberechtsverhältnisses kommt es darauf an, in welchem Umfang staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte selbst öffentliche Zwecke verfolgen. Grundlage eines eigenständigen Aufgabencharakters der staatlichen Bedarfsdeckung ist der konkret zu vergebende öffentliche Auftrag. Die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung der öffentlichen Auftragsvergabe für den privaten Sektor wurde bereits dargestellt. Das Volumen des einzelnen Auftrages ist häufig geeignet, die Existenz privater Wirtschaftsunternehmer nachhaltig zu sichern. Auch im Bereich von Public-Private-Partnerships mit Unternehmen der Großindustrie stellt – wirtschaftlich gesprochen – die Einbringung eines hochdotierten und langfristigen Vertrages das einzige und entscheidende „Asset“ des beteiligten Trägers öffentlicher Verwaltung dar, das aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine operative oder lediglich finanzielle Beteiligung des Privaten rechtfertigt. Mit dem zu vergebenden öffentlichen Auftrag stellt der Auftraggeber eine Leistung zur Verfügung, und zwar dadurch, dass er „in hoheitlicher Funktion bestimmten Anbietern den Zugang zu einem hoch spezialisierten Markt“ 133 gewährt. Leistung 134 im Bereich der Bedarfsdeckung als selbständige Aufgabenebene ist als „Leistung von (Auftrag und) Verfahren“ zu verstehen. Eine Leistungsgewährung entfällt nicht angesichts des Umstands, dass der Leistung der Verwaltung eine Gegenleistung des Privaten gegenübersteht. Leistung in diesem Sinn ist nämlich nicht der öffentliche Auftrag an sich, meines Verwaltungsrecht, § 2 Rdnr. 28; Furtwängler, Bindung des öffentlichen Auftraggebers, S. 82 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, § 40 Rdnr. 25 b. 132 2. Kapitel A. III. 133 Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgesetz, S. 277/301. 134 Allgemein zum Leistungsbegriff und zur Leistungsverwaltung: Badura, DÖV 1966, S. 624 ff.

A. Dualismus von öffentlichem und privatem Recht

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sondern das Vergaberechtsverhältnis. Dies ist, in bürgerlich-rechtlichen Termini gesprochen, subjektiv und objektiv unentgeltlich, während die Ausführungshandlung entgeltlich ist. Indes bleibt zu vergegenwärtigen, dass trotz der Entgeltlichkeit auf der Ebene der Handlung eine Vielzahl der öffentlichen Aufträge aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung den Charakter einer Realförderung inkorporiert. Aus dem entstandenen öffentlichen Bedarf und der Entscheidung pro Beschaffung entsteht für den öffentlichen Auftraggeber ein öffentlicher Zweck in Form einer Fürsorgeverpflichtung. Diese zielt, bereits ausgehend von der traditionell haushaltsrechtlichen Zwecksetzung des deutschen Vergaberechtsregimes, auf eine in einem objektiven Verfahren gerechte Vergabe des entsprechenden öffentlichen Auftrages ab. Der moderne Begriff „gerecht“ wurde rechtlich durch die Gestaltung des Vergaberechtsverhältnisses nach Maßgabe des allgemeinen Gleichheitssatzes und des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Nichtdiskriminierung umgesetzt. Die in diesen Rechtssätzen gründende wettbewerbliche Komponente erlangte Umsetzung durch die Verdingungsordnungen. Da der staatliche Bedarf aus der Existenz des staatlichen Gemeinwesens heraus, also kraft Natur der Sache und des Staates, entsteht, existiert unabhängig von der Rechtsentwicklung des letzten Jahrzehnts eine staatliche Pflicht zur Verfahrensgestaltung, genauer: eine Pflicht zur Gewährleistung eines willkür- und diskriminierungsfreien Verfahrens. Zur bestehenden (Verfahrens-)Fürsorgepflicht gesellt sich eine gemeinschaftsrechtlich veranlasste Fürsorgepflicht. Mit dem Erlass der gemeinschaftsrechtlichen Vergaberichtlinien, insbesondere auch der Rechtsmittelrichtlinien bezweckte der Gemeinschaftsgesetzgeber im Schwerpunkt eine Harmonisierung im Bereich des subjektiven Bieterschutzes, des wettbewerblichen, europaweit diskriminierungsfreien und transparenten Vergabeverfahrens sowie des Systems effektiven Primärrechtsschutzes. Der letztere Zweck wurde durch die „Alcatel-Entscheidung“ des EuGH 135 nochmals hervorgehoben. Die „Leistung von Verfahren“ erhält durch die mit der gemeinschaftsrechtlichen Überformung verbundene Subjektivierung besonderes Gewicht. Nichtdiskriminierung und Gleichheit werden durch staatliche Regulierung gewährleistet. Hierbei kommt ein gestiegenes Maß staatlicher Aufgabenverantwortung zum Ausdruck. Der Qualität der sog. Europäisierung des Vergaberechts und dem Einfluss auf das nationale Vergaberechtsverhältnis wird in den Ausführungen unter cc) nachgegangen. Zentrales Element und „magna charta des Vergaberechtsschutzes“ 136 bei Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte ist die Vorschrift des § 97 Abs. 7 GWB. Anspruchsinhalt ist die Befugnis des (potenziellen) Bieters, vom Auftraggeber eine bestimmte Verhaltensweise erzwingen zu können, die den Vorgaben des GWB, der Vergabeverordnung und den Verdingungsordnungen entspricht 137. Die Vorschrift entfaltet ihre Wirkung im Vergaberechtsverhältnis. Dem steht nicht entgegen, dass das Vorliegen ihrer Voraussetzungen erst im Nach135 EuGH, Urt. v. 28.10.1999, Rs.C-81/98, „Alcatel Austria AG u. a./Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr“, DVBl. 2000, S. 118 ff.; siehe bereits 1. Kapitel B. III. 136 Gröning, ZIP 1998, S. 370/372; vgl. 1. Kapitel B. III. 137 Niebuhr, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 97 Rdnr. 269.

11 Regler

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

prüfungsverfahren geprüft wird. Das Vergaberechtsverhältnis dient (zumindest auch) der Durchsetzung öffentlicher Zwecke und öffentlicher Bindungen. Der Vorschrift des § 97 Abs. 7 GWB, die die Verfahrenssteuerung sichert und durchsetzt, kommt daher insoweit die Eigenschaft als subjektiv-öffentliches Recht zu. Sie ist zudem im Sinne der Anforderungen der verwaltungsgerichtlichen Klagebefugnis des § 42 Abs. 2 VwGO zu verstehen 138. Ein subjektiv-öffentliches Recht ist notwendig Teil eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses. Das Vergaberechtsverhältnis in der Ausprägung als aufgabenbezogene Vorstufe und selbständige Aufgabenebene weist über die geschilderten Fürsorgepflichten aus dem Verfahren selbst heraus noch weitere Fürsorgepflichten auf. Einen klassischen, das heißt dem Verwaltungsprivatrecht innewohnenden Fürsorgecharakter tragen die schon erörterten gesetzlichen Bevorzugungsregelungen. Hier findet der der Philosophie entlehnte Begriff der Daseinsvorsorge Anwendung; der Staat betätigt sich „pflegend, fördernd, schützend“ 139. Im Falle der Einschlägigkeit einer Bevorzugungsreglung wird deren öffentlich-rechtlicher Charakter nicht verkannt. Eine Ausnahme hiervon macht Bettermann 140, der, abstellend auf die Ausführungshandlung, eine einstufige zivilrechtliche Betrachtung befürwortet und sämtliche „Motive der Behörde bei der Entscheidung über das ob, wie und wer der Auftragserteilung“ im Hinblick auf die Zuordnung des Vergaberechtsverhältnisses zum öffentlichen oder zum privaten Recht für „unerheblich“ hält. Im Übrigen wird zum Teil die unmittelbare Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe bejaht, wohingegen die öffentlich-rechtliche Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses aufgrund der Selbständigkeit der beiden Rechtsverhältnisse verneint wird 141. Schließlich wird die Entscheidung über den Zuschlag unter Verkennung der Nichtidentität von Bevorzugungsverhältnis und Vergaberechtsverhältnis insgesamt als öffentlich-rechtlich und in der Regel durch Verwaltungsakt ergehend angesehen, wodurch der Anwendungsbereich der ZweiStufen-Theorie als eröffnet angesehen wird 142. Aufgrund der Ausführungen unter vorstehend aa) stellt das Bevorzugungsverhältnis ein selbständiges, nicht mit dem Vergaberechtsverhältnis identisches Rechtsverhältnis dar, das das Letztere öffentlich-rechtlich überlagert. Unabhängig von der systematischen Ordnung von Bevor138 Kullack, in: Heiermann/Zeiss/Kullack/Blaufuß (Hrsg.), Vergaberecht, §97 Rdnrn.113 ff.; Niebuhr, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 97 Rdnrn. 252 ff.; siehe auch 1. Kapitel B. III. 139 Siebert, in: FS f. Niedermeyer, S. 215/222. 140 Bettermann, DVBl. 1971, S. 112 ff. 141 Furtwängler, Bindung des öffentlichen Auftraggebers, S. 93 ff.; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 69 ff.; OVG Schleswig, Beschl. v. 25.8.1999, NZBau 2000, S. 216. Auch das BVerwG hält an der einstufig zivilrechtlichen Betrachtung der öffentlichen Auftragsvergabe fest. Die zwischenzeitlich vertretene Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges wurde aufgegeben. Allein das Bestehen der Bevorzugung kann hiernach mit einer Feststellungsklage vor den Verwaltungsgerichten geltend gemacht werden; vgl. 3. Kapitel A. II. 5. b) aa). 142 Haak, Die Grundrechtsbindung bei der Vergabe, S. 66 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, § 40 Rdnr. 25 a; Rennert, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, § 40 Rdnr. 48.

A. Dualismus von öffentlichem und privatem Recht

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zugungsverhältnis und Vergaberechtsverhältnis zueinander, besteht an der unmittelbaren Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Falle der Einschlägigkeit einer Bevorzugungsregelung kein Zweifel. Von größerer praktischer Bedeutung als die Auswahlentscheidung aufgrund einer Bevorzugungsnorm ist die öffentliche Auftragsvergabe unter Berücksichtigung vergabefremder Zwecke. Der bei der konkreten Auftragsvergabe jeweils verfolgte vergabefremde Zweck beruht auf einem öffentlich-rechtlichen Rechtssatz 143. Der Staat steuert die Zuschlagsentscheidung durch verschiedensten Zwecken des Gemeinwohls dienende Spezialvorschriften. Mit der Erteilung des Zuschlags an einen Auftragnehmer, der das vergabefremde Kriterium einhält, erfüllt der Staat durch den öffentlichen Auftraggeber im verwaltungsprivatrechtlichen Sinn unmittelbar 144 öffentliche Aufgaben. Verwaltungsrechtsdogmatisch stellt das Vergaberechtsverhältnis betreffend die Bevorzugungsnormen und die Berücksichtigung vergabefremder Zwecke mehr Lenkungs- als Leistungsverwaltung dar. Der Aspekt der Fürsorgepflicht bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen gewinnt zudem bei Vorgängen der funktionalen Privatisierung an Bedeutung. Wie bereits im 2. Kapitel dargestellt 145, wird von einer funktionalen Privatisierung dann gesprochen, wenn ein Privater 146 in den Aufgabenvollzug einer staatlichen Aufgabe eingeschaltet ist, die staatliche Aufgabe an sich aber bei dem Träger öffentlicher Verwaltung verbleibt. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse im 2. Kapitel zur funktionalen Privatisierung lässt sich im Grundsatz ein Prinzip von Ursache und Wirkung aufstellen, das lautet: Funktionale Privatisierung bedingt Vergabepflichtigkeit. Die steigende Anzahl von Vorgängen der funktionalen Privatisierung setzt sich in der steigenden Anzahl vergabepflichtiger öffentlicher Aufträge fort. Die zunehmende Heranziehung Privater im Rahmen des Vollzugs öffentlicher Aufgaben führt mitunter zu dem Verständnis, die Verwaltung erfülle Aufgaben durch Vergabe 147. Diese Aussage ist angesichts der obigen Ausführungen mit Vorsicht zu genießen. Sie stellt (auch) auf die finale Aufgabe ab, die jedoch bei Vorgängen der funktionalen Privatisierung beim Verwaltungsträger verbleibt und von diesem gegenüber den Bürgern erfüllt wird. In diesem Verständnis erfüllt die Vergabe grundsätzlich lediglich mittelbar eine öffentliche Aufgabe. Dennoch erlauben Vorgänge der funktionalen Privatisierung Schlussfolgerungen bezüglich der Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses: Zunächst steigt mit der Zunahme von funktionalen Privatisierungsprozessen die Bedeutung des Vergaberechtsverhältnisses und damit auch die Bedeutung der willkürfreien und nichtdiskriminierenden Verfahrensgestaltung. Ferner sind vergabepflichtige Prozesse der funktionalen Privatisierung nur begrenzt mit der klassischen Vergabe eines Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsauftrages verSiehe 3. Kapitel A. II. 5. b) aa). Zum Begriff der „unmittelbaren“ Erfüllung öffentlicher Aufgaben siehe 3. Kapitel C. II. 145 2. Kapitel A. II. 4. 146 Gemeint ist ein „echter“ Privater, nicht lediglich eine formell privatisierte Einheit der öffentlichen Verwaltung. 147 Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1016. 143 144

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

gleichbar. Häufig handelt es sich um die Erbringung hochqualifizierter Dienstleistungen eines privaten Auftragnehmers, der diese in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, beispielsweise im Rahmen eines joint-ventures, eines Public-PrivatePartnership oder auch allein, gegenüber der Verwaltung und als Verwaltungshelfer gegenüber den Bürgern erbringt. Infolge der Einschaltung des Privaten in den Aufgabenvollzug tritt dieser insoweit direkt gegenüber den Bürgern in Erscheinung. Freilich bestehen Rechte und Pflichten lediglich in der Rechtsbeziehung zwischen Verwaltung und Bürger einerseits sowie zwischen Verwaltung und privatem Auftragnehmer andererseits. Ebenso verbleibt die Aufgabenverantwortung beim Träger öffentlicher Verwaltung. Die Gestaltung kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die im Schrifttum 148 vehement kritisierte Differenzierung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Erfüllung öffentlicher Aufgaben nur schwer durchzuhalten ist. Da Akte der funktionalen Privatisierung eine Vergabepflichtigkeit begründen, ist darauf zu schließen, dass das entstehende Vergaberechtsverhältnis einen Teilaspekt der verbleibenden Aufgabenverantwortung bildet. Sofern sich der Verwaltungsträger entscheidet, eine öffentliche Aufgabe nicht selbst, sondern durch einen Privaten zu erfüllen, so verpflichtet ihn die Aufgabenverantwortung zur Auswahl eines geeigneten Privaten sowie zu dessen Auswahl in einem Verfahren, das die Grundrechte und die wesentlichen verwaltungsrechtlichen Grundsätze wahrt. Das Vergaberechtsverhältnis ist sonach logischer Bestandteil der verbleibenden (staatlichen) Aufgabenverantwortung und wird von dieser öffentlich-rechtlich infiziert. Die vorstehenden Ausführungen erhellen, dass der Staat bei der Vergabe öffentlicher Aufträge stets öffentliche Zwecke in Form von Fürsorgepflichten erfüllt. Im Falle der Anwendbarkeit von Bevorzugungsnormen und von vergabefremden Kriterien kommt zu den generell vorhandenen Fürsorgepflichten die unmittelbare Erfüllung der in der jeweiligen Spezialvorschrift liegenden öffentlichen Aufgabe hinzu. Den öffentlich-rechtlichen Charakter verstärkende Fürsorgepflichten bestehen ferner bei vergabepflichtigen öffentlichen Aufträgen, die aus Akten der funktionalen Privatisierung resultieren. Es kann allgemein festgestellt werden, dass die Entscheidung über den Zuschlag und damit das der Ausführungshandlung vorgelagerte Vergaberechtsverhältnis öffentlich-rechtlich geprägt sind. Mit Schmidt-Aßmann kann subtil von einer „verwaltungsprivatrechtlichen Durchdringung“ gesprochen werden 149. cc) Europäisierung der öffentlichen Auftragsvergabe Die Rechtsentwicklung der letzten Jahrzehnte ist durch die „Groß-Trends“ 150 der Privatisierung und Europäisierung gekennzeichnet. Die Europäisierung bezeichnet das Phänomen der fortschreitenden und unumkehrbaren Einflussnahme und Durch148 149 150

Siehe 3. Kapitel B. II. Schmidt-Aßmann, in: FS f. Lerche, S. 513/524. Dreier, DÖV 2002, S. 537/540.

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dringung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen durch ein neugeschaffenes europäisches Recht 151. Der Definition von Schmidt-Aßmann 152 zufolge handelt es sich um den „Prozess fortschreitender Beeinflussung, Wandlung und Überformung eines Rechtsgebietes durch die Rechtsmassen europäischen Rechts und durch das in ihnen wirksame Rechtsdenken“. Bereits Mitte der neunziger Jahre waren statistisch 80 % der Regelungen im Bereich des Wirtschaftsrechts durch das Gemeinschaftsrecht determiniert; 50 % aller deutschen Gesetze waren gemeinschaftsrechtlich veranlasst 153. Fundament aller Europäisierungstendenzen ist die Befugnis – auch unter originärer Ausweitung des Aufgabenbereichs – zur Rechtsvereinheitlichung und Rechtsangleichung im Hinblick auf die Herstellung eines gemeinsamen Binnenmarktes, einer Wirtschafts- und Währungsunion und die Politiken gemäß Art. 3 und Art. 4 EG. Einher gehen der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht sowie die Verpflichtung der Mitgliedsaaten zum effektiven Vollzug des Gemeinschaftsrechts. Die gemeinschaftsrechtliche Durchdringung der nationalen Rechtsordnungen hat eine Qualität angenommen, durch die zum einen ganze Rechtsbereiche neu strukturiert, zum anderen „tragende Säulen“154 des Allgemeinen Verwaltungsrechts überformt und modifiziert werden. Dennoch wird nicht verkannt, dass die weitere Umsetzung der europäischen Integrationsidee nur mit einer „größeren verwaltungsrechtlichen Verklammerung“ der Mitgliedstaaten möglich sein wird 155. Die Position einer tragenden Säule des deutschen Rechts, die von Europäisierungstendenzen nicht verschont bleibt, nimmt auch die Trennung von öffentlichem und privatem Recht ein 156. Die Europäisierung im Vergaberecht zeichnet sich formal betrachtet durch den Erlass der vier Vergaberechtsrichtlinien BKR, DKR, LKR und SKR und der beiden Rechtsmittelrichtlinien aus157. Insoweit ist von einer „strukturellen Europäisierung“ 158 zu sprechen. Die Ausführungen in vorstehend bb) zeigen, dass sich die europäische Rechtsentwicklung über die Stärkung und Subjektivierung von Verfahren auf die (nationale) Zuordnung von Rechtsverhältnissen zum öffentlichen oder privaten Recht auswirken kann. Der Art. 295 EG entnommene Grundsatz der Neutralität des Gemeinschaftsrechts im Hinblick auf den mitgliedstaatlichen Umfang von Staatsaufgaben steht dieser Entwicklung 151 Allgemein zur Europäisierung sowie zur Herausbildung eines europäischen Verwaltungsrechts: Dreier, DÖV 2002, S. 537 ff.; Huber, in: FS f. Maurer, S. 1165 ff.; Klein, Der Staat, 33. Bd. (1994), S. 39 ff.; Rengeling, VVDStRL 53 (1994), S. 202 ff.; Schmidt-Aßmann, in: FS f. Lerche, S. 513 ff.; Schoch, JZ 1995, S. 109 ff. 152 Schmidt-Aßmann, in: FS f. Lerche, S. 513. 153 Vgl. Schoch, JZ 1995, S. 109; BVerfG, Urt. v. 12.10.1993, NJW 1993, S. 3047. 154 Schoch, JZ 1995, S. 109/111. 155 Schwarze, in: Schwarze (Hrsg.), Das Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S.20. 156 Eine Einflussnahme des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsregimes auf die nationale Zuordnung von Rechtsmaterien, insbesondere des Vergaberechts, zum öffentlichen oder privaten Recht bejahen: Dreier, DÖV 2002, S. 537/546; Iglesias, NJW 1999, S. 1/3; Schmidt-Aßmann, in: FS f. Lerche, S. 513/524; Skouris, EuR 1998, S. 111 ff. Eine Wirkung auf die Rechtswegfrage verneint Ruthig, NZBau 2005, S. 497/502. 157 Freilich auch durch die jüngst ergangene VKR und SKR. 158 Vgl. 3. Kapitel B. II. 1. c).

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

nicht entgegen. Bereits im Rahmen des zweiten „Groß-Trends“ der Privatisierung 159 wurde dargelegt, dass der EG-vertragliche Grundsatz der Neutralität eben „nur“ ein Grundsatz ist, und zwar ein solcher, der nicht imstande war, mit der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsentwicklung Schritt zu halten. Die Ausführungen in Abschnitt II. des 1. Kapitels vergegenwärtigt, lässt sich im Bereich des Vergaberechts eine besondere Qualität der Europäisierung der Rechtsordnung ausmachen: Durch die europäischen Vergaberichtlinien wurden für öffentliche Aufträge oberhalb der jeweils geltenden Schwellenwerte eine europaweite Publikationspflicht sowie ein detailliertes und durchstrukturiertes Vergabeverfahren etabliert. Ferner finden sich Bestimmungen über die Beschreibung des jeweiligen Auftragsgegenstandes und über zulässige Eignungs- und Zuschlagskriterien. Die Intensität der Steuerung liegt in der Tendenz der allgemeinen Wirkungen der Europäisierung im Verwaltungsrecht, nämlich in der Schwerpunktverlagerung auf die Verfahrensebene 160. Durch die Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG wurde ein System effektiven Rechtsschutzes durch die Gewährleistung von subjektiven Bieterrechten verbunden mit der Möglichkeit, Vergabeentscheidungen anzufechten, Schadensersatz zu verlangen und vorläufigen Rechtsschutz geltend zu machen, verwirklicht. Diese Einflussnahme auf den Rechtschutz verdient unter dem Gesichtspunkt, dass sich der Gemeinschaftsgesetzgeber bei zu vereinheitlichenden Rechtsmaterien ganz überwiegend auf die Regelung materiellrechtlicher Vorschriften beschränkt, besondere Berücksichtigung. Ein Bestreben des europäischen Gesetzgebers, das gesamte Rechtsgebiet des Vergaberechts ab Erreichen der Schwellenwerte gemeinschaftsrechtlich umfassend zu normieren, ist unverkennbar 161. Die starken Eingriffe in die mitgliedstaatlichen Systeme lassen sich an den Umsetzungsschwierigkeiten des deutschen Gesetzgebers 162 ablesen. Art und Umfang der gemeinschaftsrechtlichen Regelung verdeutlichen das Bedürfnis nach Steuerung und Regulierung, das der Gemeinschaftsgesetzgeber beim Erlass der Vorschriften gesehen hat. Wie schon mehrfach angedeutet, stehen die gestiegene wirtschaftliche Bedeutung der öffentlichen Auftragsvergabe und deren Bedeutung für das Fortkommen potenzieller Auftragnehmer nicht an letzter Stelle. Die Intensität der gemeinschaftsrechtlichen Steuerung des Vergabeverfahrens bringt die Funktion des Staates als öffentlicher Auftraggeber zum Ausdruck: Der Staat wird durch seine den Auftrag vergebenden Behörden einem detailliert geregelten Verfahren unterworfen und steht Verfahrensbeteiligten gegenüber, die mit subjektiven Rechten und effektivem Primärrechtsschutz ausgestattet sind. Ein freies und einem Privaten gleiches Auftreten am Beschaffungsmarkt kann hierin nur schwerlich erblickt werden. Vielmehr deutet die Betonung des Verfahrens in Verbindung mit der subjektiven Rechtsschutzgewährleistung auf eine öffentlich-rechtliche Rechtsnatur des Verga159 160 161 162

Siehe 2. Kapitel A. Skouris (EuR 1998, S. 111/116) spricht insoweit von einer „Formalisierungstendenz“. Skouris, EuR 1998, S. 111/116 f. 1. Kapitel B. III.

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berechtsverhältnisses hin 163. Die Rechtsprechung des EuGH, der im Rahmen der Europäisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen eine maßgebliche Bedeutung zukommt 164, verstärkt diese Rechtsentwicklung mit dem Judikat in der Rechtssache „Alcatel“ 165. Der Zweck des Vergaberechtsregimes – Öffnung der staatlichen Beschaffungsmärkte sowie Förderung von Gleichheit und Wettbewerb – steht dem nicht entgegen. Dieser Zweck wird auf der Ebene des Vergaberechtsverhältnisses nicht durch Privatisierung, sondern durch Verfahren und Verfahrensgestaltung, also durch Regulierung, zu erfüllen versucht. Die Europäisierung der mitgliedstaatlichen Systeme im Bereich des Vergaberechts ist Ausdruck einer Rechtsentwicklung hin zum öffentlichen Recht. Das Vergaberechtsverhältnis ist durch seine Wandelbarkeit für eine derartige Rechtsentwicklung offen. Im Gegensatz zum „Groß-Trend“ der Privatisierung bedeutet der „Groß-Trend“ der Europäisierung im Bereich des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe eine Publifizierung. dd) Privatrecht kraft Natur der Sache? Ein probates Mittel zur Bewerkstelligung rechtlicher Zuordnungen im Fall von Gemengelagen stellt mitunter das Argument der „Natur der Sache“ dar. Es wird auch bei der Einordnung von Vergabeentscheidungen fruchtbar zu machen versucht. So knüpft das BVerwG 166 an das Kriterium der „Natur der Sache“ an und formuliert: „Nach natürlicher Auffassung sind Entscheidungen und Entschließungen der hier in Frage stehenden Art, wenn sie in Zusammenhang mit der Erteilung von bürgerl.- rechtlichen Aufträgen von einem öffentlichen Auftraggeber getroffen werden, regelmäßig nicht wesensverschieden von entsprechenden kaufmännischen Maßnahmen eines privaten Unternehmers.“

Das Schrifttum folgt zum Teil diesen Ausführungen 167. Insoweit befindet man sich inmitten des klassischen Verständnisses der öffentlichen Auftragsvergabe als fiskalische und damit einstufig privatrechtliche Hilfsgeschäfte. Die Qualifikation 163 „Zweig des Besonderen Verwaltungsrechts“ (Skouris, EuR 1998, S. 111/119 f.) und „Teil des Verwaltungsverfahrensrechts“ (Ruthig, NZBau 2006, S. 137/139 ff., 208/214; Kahl, in: FS f. v. Zezschwitz, S. 151 ff.). 164 Iglesias, NJW 1999, S. 1/5 ff.; Klein, Der Staat, 33. Bd. (1994), S. 39/43 ff.; Schoch, JZ 1995, S. 109/113. 165 EuGH, Urt. v. 28.10.1999, Rs.C-81/98, „Alcatel Austria AG u. a./Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr“, DVBl. 2000, S. 118 ff.: „Da die Erteilung des Zuschlags und der Abschluß des Vertrages in der Praxis zusammenfallen, fehlt in einem solchen System ein öffentlich-rechtlicher Akt, der den Beteiligten zur Kenntnis gelangen und im Rahmen einer Nachprüfung aufgehoben werden könnte, wie es Art. 2 I lit. b Richtlinie 89/665/EWG vorsieht.“ 166 BVerwG, Urt. v. 7.11.1955, E 5, S. 325; Urt. v. 29.1.1958, DÖV 1958, S. 302/304; Urt. v. 10.11.1972, DÖV 1973, S. 244. 167 Furtwängler, Bindung des öffentlichen Auftraggebers, S. 65; im Ergebnis: Bettermann, DVBl. 1971, S. 112 ff.; Gusy, JA 1989, S. 26/33 f.; Hösch, BayVBl. 1997, S. 193/196 f.; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 407 f.; a. A. Haak, Die Grundrechtsbindung bei der Vergabe, S. 47 f.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

des Vergaberechtsverhältnisses anhand des Kriteriums der „Natur der Sache“ überzeugt weder im Hinblick auf dessen generelle Anwendbarkeit noch im Hinblick auf dessen konkrete Anwendung. Eine Abgrenzung nach „natürlicher Auffassung“ mag im Rahmen grundgesetzlicher Kompetenzfragen im Einzelfall sinnvoll und notwendig sein; im Rahmen der Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht ist sie es nicht. Sie trifft kategorische Entscheidungen mit einem Alles-oder-Nichts-Charakter und wirft bestehende Abgrenzungsregeln in Gemengelagen und Gleichordnungsverhältnissen über Bord. Das Kriterium der „Natur der Sache“ kann allenfalls als Ausfluss der Subordinations- bzw. Subjektionstheorie angesehen werden, die jedoch für die Zuordnung zum öffentlichen oder zum privaten Recht im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe nicht tauglich ist 168. Zutreffend wird eine derartige Abgrenzung als „verschwommene, nichtssagende Formel“, mit der die Lehre von der Abgrenzung der Rechtsgebiete „wieder an den Anfang zurückgeworfen“ wird, bezeichnet 169. Für die Vergleichbarkeit mit kaufmännischen Maßnahmen eines Unternehmers spricht zwar, dass der öffentliche Auftraggeber zu Beschaffungszwecken am Markt in zivilrechtlicher Handlungsform auftritt. Diese Sichtweise verkennt jedoch die Trennung von Ausführungshandlung und Vergaberechtsverhältnis. Der Weg der Qualifikation des Vergaberechtsverhältnisses über das Vollzugsinstrument der privatrechtlichen Ausführungshandlung im Wege des Rückschlusses ist, wie die Ausführungen in diesem Kapitel unter A. II. 2. zeigen, nicht gangbar. Dies gilt umso mehr, als der öffentliche Auftrag ggf. unter Berücksichtigung vergabefremder Zwecke oder unter Anwendung einer Bevorzugungsnorm vergeben wird. Die entsprechenden Regelungen sind öffentlich-rechtlicher Natur und bilden nicht selten den zentralen Prüfungsmaßstab im Rahmen der Vergabeentscheidung. Soweit man dennoch an einer Abgrenzung anhand der „Natur der Sache“ festzuhalten bestrebt ist, lassen sich gegen eine Vergleichbarkeit mit dem Beschaffungsgebaren eines privaten Unternehmers sowohl tatsächliche als auch rechtliche Gesichtspunkte anführen: Der Staat nimmt eine Sonderstellung am Markt ein170. Ihm fehlt regelmäßig die Marktübersicht; er handelt nicht nach dem reinen Prinzip der Gewinnmaximierung, sondern verfolgt (auch) wirtschaftspolitische Zielsetzungen. Aufgrund des fehlenden Insolvenzrisikos und der Möglichkeit der Mittelbeschaffung durch Abgabenerhöhung ist er nicht in vergleichbarer Weise wie ein Privater den Kräften des Marktes ausgeliefert. Zum einen kann der Staat über ein Nachfragemonopol verfügen, zum anderen kann sein Bedarf einen Zwangsbedarf darstellen. Diese Unterschiede versucht das Vergaberecht mit der Gewährleistung eines wirtschaftlichen Einkaufs im Rahmen eines geordneten Bieterverfahrens einzuebnen. Rechtlich geschieht dies durch ein ausdifferenziertes Vergabeverfahren, das von einer enormen Regelungsdichte geprägt ist und, wie bereits ausgeführt, einer Vielzahl von öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt. Die Nichteinhaltung des

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Siehe 3. Kapitel A. II. 5. a). Haak, Die Grundrechtsbindung bei der Vergabe, S. 47. Vgl. 1. Kapitel C. III. 2.

A. Dualismus von öffentlichem und privatem Recht

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vorgesehenen Verfahrens ist unabhängig vom Auftragswert mit Sanktionen bewehrt, die von der Schadensersatzpflicht bis zur Nichtigkeitssanktion gemäß § 13 S. 6 VgV reichen 171. Von größerer Bedeutung ist in der Praxis der Auftragsvergabe jedoch der zu betreibende Verfahrensaufwand; einerseits durch die inhaltlichen Anforderungen an die Leistungsbeschreibung, andererseits durch die zeitlichen Anforderungen an die Veröffentlichung des Angebots, die Angebotsfrist, die Wertung der Angebote und, für Vergaben oberhalb der maßgeblichen Schwellenwerte, durch das Verfahren der Vorabinformation sowie ein etwa sich anschließendes Nachprüfungsverfahren. Das Vergaberechtsverhältnis führt in praxi zu einer größeren „Kluft“ 172 zwischen den Beschaffungen privater Unternehmer und denjenigen des Staates. Eine bei natürlicher Betrachtung dem Staat als öffentlichem Auftraggeber zuteil werdende unternehmerische Freiheit wird damit zur Farce. Treffend äußert Pietzcker 173: „Kein Privatunternehmer würde sich aus wirtschaftlichen Überlegungen einem dem öffentlichen Vergaberecht vergleichbar starren Einkaufsregime unterwerfen.“ Die Ausführungen machen hinreichend deutlich, dass eine Konkordanz zwischen Beschaffungen des Staates und denjenigen privater Unternehmer nicht in der Weise besteht, dass aus der gemeinsamen privatrechtlichen Handlung bei „natürlicher Betrachtung“ auf eine privatrechtliche Ausgestaltung des Vergaberechtsregimes an sich geschlossen werden könnte. Es scheint, dass man den Abgrenzungsschwierigkeiten zum Trotz mittels des Kriteriums der „Natur der Sache“ am einstufig privatrechtlichen System festhalten wollte.

ee) Die wirtschaftliche Bedeutung als Motor öffentlich-rechtlicher Regulierung Dass die wirtschaftliche Bedeutung der Vergabe öffentlicher Aufträge Auswirkungen auf die Zuordnung des Vergaberechtsverhältnisses zum öffentlichen oder zum privaten Recht zeitigen könnte, mag auf den ersten Blick erstaunen. Forsthoff 174 hat in seinen grundlegenden Ausführungen über den Staat als Auftraggeber die zu erwartende Bedeutungszunahme dieses Rechtsgebiets betont. Es kann nicht verwundern, wenn jedem größeren Staatsauftrag ein realfördernder Charakter beigemessen wird 175. Auch wenn die Nachfragemacht im Sinne einer Monopolisierung nicht mehr wie in früherem Maß vorhanden ist, kann sie in Teilbereichen immer noch einen Monopolcharakter aufweisen. Zu berücksichtigen sind ferner die verbleibende öffentlich-rechtliche Aufgaben- und damit „Vergabeverantwortung“ bei

Siehe hierzu und zur Nachfolgeregelung 1. Kapitel B. III. So Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427/431 ff. 173 Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427/432; ebenso Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgesetz, S. 277/301. 174 Forsthoff, Der Staat als Auftraggeber, S. 7 ff. 175 Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1016; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 189. 171 172

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

Akten der funktionalen Privatisierung 176. Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass der Terminus der „fiskalischen Hilfsgeschäfte“ als Kategorie des Verwaltungshandelns mit der wirtschaftlichen Bedeutung der öffentlichen Auftragsvergabe und der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsentwicklung längst nicht mehr Schritt hält. Die wirtschaftliche Bedeutung staatlicher Agitation trifft per se keine Aussage hinsichtlich der Einordnung einer Rechtsmaterie. Relevanz kommt ihr insoweit zu, als sich der Gesetzgeber je nach deren Umfang zu einem Tätigwerden veranlasst zu sehen hat 177. Im Bereich des Vergaberechts war Anlass für das gemeinschaftsrechtliche Bedürfnis des Aufbrechens der einzelstaatlichen Beschaffungsmärkte in vorderster Linie der Marktwert der zu vergebenden öffentlichen Aufträge. Das gewählte Mittel ist eine Verfahrenssteuerung mittels Vergaberechts- und Nachprüfungsrichtlinien. Die Frage richtet sich hier nicht nach der Wahl des richtigen Mittels 178, sondern nach der Qualifikation des gewählten Mittels. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt die publifizierende Wirkung des „neutralen“ Gemeinschaftsrechts. Für die deutsche Ausgestaltung des Vergaberechtsverhältnisses gilt dies nach den bisherigen Überlegungen in gleicher Weise. Das bisherige haushalts- und innenrechtliche Vergaberechtsverhältnis wurde unter Beibehaltung der Strukturen für Auftragsvergaben oberhalb der jeweiligen Schwellenwerte bieterschützend und damit außenrechtlich modifiziert. Zentrales Merkmal der gemeinschaftsrechtlich veranlassten Verfahrenssteuerung ist die in der Vorschrift des § 97 Abs. 7 GWB umgesetzte Gewährleistung subjektiver Bieterrechte. Der im Bereich des Vergabewesens noch nicht verwirklichte Binnenmarkt war und ist im Hinblick auf den Umfang der derzeit und künftig zu vergebenden öffentlichen Aufträge Anstoß und Motor für die gemeinschaftsrechtliche Neuordnung des Vergaberechts. Der Gemeinschaftsgesetzgeber versucht diese mit einer Stärkung und Harmonisierung der verfahrensrechtlichen Instrumente sowie einer effektiven Rechtsschutzgewährleistung zu bewerkstelligen. Auf der Umsetzungsebene des deutschen Rechts sprechen diese Publifizierungstendenzen für das öffentliche Recht. Die Verankerung im GWB ist demgegenüber nur das wettbewerbliche Kleid. ff) Öffentliche Auftragsvergabe und Grundrechtsrelevanz Die folgenden Erörterungen befassen sich mit der Frage, ob und inwieweit die Vergabe öffentlicher Aufträge grundrechtsrelevant sein, also Grundrechte tangieren kann, und, im Falle der Bejahung dieser Frage, ob sich aus der Grundrechtsrelevanz Aussagen für die rechtliche Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses gewinnen Siehe 3. Kapitel A. II. 5. b) bb). Den Aspekt der Reduktion des gesetzgeberischen Spielraums des Normsetzers aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung des Vergabewesens betonen: Malmendier, DVBl. 2000, S. 963/968; Wittig, Wettbewerbs- und Verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 346. 178 Gegen ein Sonderrecht der öffentlichen Auftragsvergabe: Rittner, in: FS f. Benisch, S. 99 ff. 176 177

A. Dualismus von öffentlichem und privatem Recht

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lassen. Klarzustellen ist, dass die folgenden Ausführungen allein die Relevanz der öffentlichen Auftragsvergabe für die Grundrechte der unterlegenen (Mit-)Bieter zum Gegenstand haben. Hiervon zu scheiden ist die Problematik, ob der Staat bei der Vergabe öffentlicher Aufträge an die Grundrechte gebunden ist. Der traditionellen Auffassung nach handelt der Staat bei privatrechtlicher Tätigkeit, die nicht der unmittelbaren Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient, fiskalisch und unterliegt nicht der Grundrechtsbindung nach Art.1 Abs.3 GG. Die öffentliche Auftragsvergabe wird sodann unter diese Kategorie subsumiert. 179 Ob diese Auffassung im Allgemeinen und in Bezug auf die öffentliche Auftragsvergabe im Besonderen auch heute noch Geltung beansprucht, muss hier nicht untersucht werden. Im Hinblick auf die Frage der rechtlichen Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses kann nämlich der richtige Ansatzpunkt nicht die Prüfung der Grundrechtsbindung der den öffentlichen Auftrag vergebenden Stelle sein, ohne Ursache und Wirkung zu vermengen. Erörterungen über die Fiskalgeltung der Grundrechte würden notwendig nur für den Fall, dass der Staat im Verfahren der Vergabe öffentlicher Aufträge privatrechtlich agiert, das Vergaberechtsverhältnis sonach als privatrechtliches Rechtsverhältnis einzustufen wäre. Soweit die Fiskalgeltung der Grundrechte im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe thematisiert wird, muss der logisch notwendige Ausgangspunkt die privatrechtliche Qualifikation des Vergaberechtsverhältnisses sein. Vorliegend ist indes gerade dessen Rechtsnatur zu eruieren. Diese stellt erst die Weichen für eine Prüfung der Bindung nach Art. 1 Abs. 3 GG und geht ihr notwendigerweise voraus. Freilich ist Hermes 180 insoweit zuzustimmen, als die Bejahung oder Verneinung der Grundrechtsbindung des Art.1 Abs. 3 GG nicht per se aus der Rechtsnatur des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses folgt. Für den Fall aber, dass die jeweilige Agitation des Staates als öffentlich-rechtlich einzustufen ist, kann die Bindung an die Grundrechte nicht verneint werden. Ob eine Fiskalgeltung der Grundrechte anzunehmen ist und ob es überhaupt auf diese Fragestellung ankommt, ist sonach späteren Erörterungen vorbehalten 181. Gleiches gilt folgerichtig für die in Bezug auf die Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses nicht entscheidungserhebliche Frage der betroffenen Grundrechte eines mitbietenden, jedoch unterlegenen Bieters. Grundrechtsrelevanz gewinnt das Vergaberechtsverhältnis durch die Durchführung und Leitung eines Vergabeverfahrens, das mit der Zuschlagsentscheidung und damit der Annahme eines Bieterangebotes endet. Gegenstand des Verfahrens ist eine Verteilungsentscheidung, bei der der Staat den öffentlichen Auftrag als ein bestimmtes und begrenztes öffentliches Gut durch Auswahl eines Privaten verteilt. Wie bereits dargestellt, führt die Erbringung von Leistungen durch den zum Zuge kommenden Auftragnehmer im Rahmen eines entgeltlichen Vertrages auf der Ebene der Ausfüh179 BGH – Kartellsenat –, Urt. v. 26.10.1961, Z 36, S. 91 ff.; VG Potsdam, Beschl. v. 20.9.2005, NZBau 2006, S .68 f.; Arndt, in: Steiner (Hrsg.), Bes. Verwaltungsrecht, Kap. VII. Rdnr. 114; Forsthoff, Der Staat als Auftraggeber, S. 13 ff. 180 Hermes (JZ 1997, S. 909/912) in Bezug auf die Entscheidung des BGH – Kartellsenat –, Urt. v. 26.10.1961, Z 36, S. 91 ff. 181 Siehe 3. Kapitel D. I.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

rungshandlung zu keinem anderen Ergebnis. Eine besondere Ausprägung stellt die Vergabe von Aufträgen unter Berücksichtigung vergabefremder Zwecke und unter Berücksichtigung von Bevorzugungsnormen dar. Demnach besteht eine Vergleichbarkeit der öffentlichen Auftragsvergabe mit anderen mehrpoligen 182 Rechtsverhältnissen, deren Regelungsgegenstand eine Verteilungsentscheidung ist. Beispielhaft zu nennen sind der Zugang zum Notarberuf 183, die Ernennung und Beförderung von Beamten 184 und die Vergabe von Studienplätzen 185. Die Verteilungsentscheidung begünstigt notwendig den einen – erfolgreichen – und belastet notwendig den anderen – unterlegenen – Bewerber. Ihr ist daher ein individualrechtsgestaltender Charakter beizumessen. Es besteht ein Bedürfnis nach staatlich regulierten Verfahren, die die betreffende Auswahl- und Verteilungsentscheidung steuern. Das BVerfG 186 formuliert insoweit: „Durch die Gestaltung des Auswahlverfahrens wird unmittelbar Einfluss auf die Konkurrenzsituation und damit auf das Ergebnis der Auswahlentscheidung genommen.“

Die Bewerber begehren, vom Ausnahmefall des Bestehens eines Anspruchs auf die begehrte Sachentscheidung abgesehen, ihre gleichheitsgemäße und damit willkürfreie Berücksichtigung im Rahmen eines Verteilungsverfahrens. Der Staat ist an diese Maßstäbe schon unter dem Gesichtspunkt der Eröffnung eines staatlichen Sondermarktes 186 a, nämlich der Vergabe eines öffentlichen Auftrages, gebunden. Wirtschaftlich folgt aus diesem Sondermarkt eine Realförderung des Auftragnehmers. Rechtlich, was insoweit den Schwerpunkt darstellt, folgt die Leistung eines Auswahl- und Verteilungsverfahrens. Prägnant ist von einer staatlichen „Ingerenzpflicht“ zu sprechen. Staatlich geführte Auswahl- und Verteilungsverfahren erlangen eine besondere (materielle) Bedeutung bei Entscheidungen, in denen auf materiell-rechtlicher Ebene der zuständigen Behörde ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt ist 187, oder, in denen sich der Staat etwa durch die Einschaltung Privater auf das Innehaben einer Gewährleistungsverantwortung beschränkt 188. Verfahrensrechtlich steht mit Huber 189 gesprochen in sämtlichen der vorgenannten VerteiVgl. hierzu Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 34 ff. BVerfG, Beschl. v. 25.4.1994, NJW 1994, S. 3353 ff.; Beschl. v. 8.5.1995, NJW 1995, S. 2359 ff.; Beschl. v. 1.7.2002, DNotZ 2002, S. 889 ff.; Beschl. v. 20.9.2002, DNotZ 2002, S. 891 ff. 184 Vgl. nur Köpp, in: Steiner (Hrsg.), Bes. Verwaltungsrecht, Kap. III. Rdnrn. 91 ff. 185 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 12 Rdnr. 76. 186 BVerfG, Beschl. v. 8.5.1995, NJW 1995, S.2359/2360; Beschl. v. 1.7.2002, DNotZ 2002, S. 889/890; Beschl. v. 20.9.2002, DNotZ 2002, S. 891/892. 186 a Undifferenzierter dagegen das BVerfG (1 BvR 1160/03, Beschl. v. 13.6.2006; Rdnr. 52, einschränkend jedoch in Rdnr. 61) zu Vergabeentscheidungen unterhalb der jeweils geltenden Schwellenwerte: „In dieser Rolle als Nachfrager unterscheidet er [der Staat; Anm. des Verf.] sich nicht grundlegend von anderen Marktteilnehmern.“ 187 BVerfG, Beschl. v. 1.7.2002, DNotZ 2002, S. 889 ff.; Beschl. v. 20.9.2002, DNotZ 2002, S. 891 ff.; vgl. hierzu Starke, DNotZ 2002, S. 831 ff. 188 Vgl. 3. Kapitel A. II. 5. b) bb). 189 Huber, JZ 2000, S. 877/878. 182 183

A. Dualismus von öffentlichem und privatem Recht

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lungskonstellationen ein „Konkurrenzverdrängungsanspruch“ im Mittelpunkt, also ein Anspruch mit dem Ziel, „Interessenverkürzungen zu verhindern oder ungeschehen zu machen, die sich daraus ergeben, dass nicht der (unterlegene) Bieter den Zuschlag erhalten hat, sondern sein Konkurrent“. Daraus erhellt, dass die Gestaltung staatlich geführter Auswahl- und Verteilungsverfahren in erster Linie am allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG zu messen ist. Der Gleichheitssatz beansprucht dabei eine „doppelte Geltung“, einerseits bei der Verfahrensgestaltung, andererseits im konkreten Auswahl- und Verteilungsverfahren selbst 190. Bei Letzterem verlangt er, dass die jeweiligen Auswahlkriterien nicht willkürlich, sondern gleichheitsgemäß und sachgerecht angewendet werden 191. Für die Frage der Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses ist die Auswirkung von Art. 3 Abs. 1 GG auf die Verfahrensgestaltung maßgeblich. Es entspricht ständiger Rechtsprechung192, dass Auswahl- und Verteilungsverfahren eine angemessene Verfahrensregelung zur Wahrung der Rechte der Konkurrenten erfordern. Sie sind „gleichheitssichernd und gleichheitskonkretisierend“ 193 auszugestalten. Dies gilt unabhängig davon, ob öffentliche Aufträge oberhalb oder unterhalb der Schwellenwerte zu vergeben sind. Gleichheitssichernd kann das Verfahren aber nur sein, wenn der jeweilige Bewerber auch ein Recht auf Einhaltung der grundrechtlichen Verfahrensanforderungen hat 194. Die effektive Durchsetzbarkeit dieses Rechts bestimmt sich dann im Zusammenwirken mit der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, die auf die Verfahrensgestaltung ausstrahlt und noch zu erörtern sein wird. Dass die Vergabe öffentlicher Aufträge für die potenziellen Auftragnehmer eine erhebliche Grundrechtsrelevanz aufweist, wird auch von Vertretern der einstufig privatrechtlichen Struktur der Auftragsvergabe nicht bestritten 195. Einen (Spezial-)Fall grundrechtsrelevanter Verfahrensgestaltung stellt die Möglichkeit der Auftragssperre 196 dar. Grundrechtsrelevanz wird ihr dadurch zuteil, dass sie durch den in der Regel generalisierten und von sechs Monaten bis zu zwei Jahren befristeten Ausschluss von der Teilnahme an Vergabeverfahren einem Verfahrensakt der Eingriffsverwaltung 190 Man spricht von „Grundrechtsschutz durch Verfahren“ und „Grundrechtsschutz im Verfahren“ (BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979, E 53, S. 30/65 ff.; BVerwG, Urt. v. 31.10.1990, E 87, S. 62/71 f.; vgl. auch Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rdnr. 339. 191 BVerfG, Beschl. v. 18.6.1986, E 73, S. 280/296; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Vorb. Rdnrn. 105 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Vorb. vor Art. 1 Rdnr. 9; Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 39; Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rdnr. 33. 192 BVerfG, Urt. v. 18.7.1972, E 33, S. 303/345 ff.; Beschl. v. 14.10.1975; E 40, S. 196 ff.; Beschl. v. 18.6.1986, E 73, S. 280/296. 193 Hermes, JZ 1997, S. 909/913. 194 Freitag, NZBau 2002, S. 204/205 f.; Hermes, JZ 1997, S. 909/911 ff.; Huber, JZ 2000, S. 877/878 f.; Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 36; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/480. 195 Umfassend Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 34 ff. Voraussetzung ist freilich die Bejahung der Grundrechtsbindung gemäß Art.1 Abs. 3 GG. Hierzu auch Fante, Instrumentalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens, S. 95 ff. 196 Siehe Abschnitt A. II. 5 a).

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

nahe steht. Die Rechtsprechung 197 bejaht bislang lediglich eine mittelbare Auswirkung des Gleichheitssatzes aufgrund der Anwendung der Verdingungsordnungen unter dem Aspekt der Selbstbindung der Verwaltung: „Die VOB/A kann allerdings, wenn sie zur Grundlage einer Ausschreibung gemacht wird, mittelbar Rechtswirkungen begründen (etwa Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluß, Ansprüche auf Gleichbehandlung im Rahmen der Grundsätze über die Selbstbindung der Verwaltung oder Konkretisierungen der Grundsätze von Treu und Glauben, dies vor allem in der Form des treuwidrig widersprüchlichen Verhaltens).“

Zu den sich aus dem Gleichheitssatz für das Vergaberechtsverhältnis ergebenden Anforderungen liegt ein Judikat noch nicht vor 198. Mit dem Inkrafttreten des VgRÄG und damit eines Rechtsanspruchs auf Einhaltung des Vergabeverfahrens gemäß § 97 Abs. 7 GWB ist die eingeschränkte Anwendung des Gleichheitssatzes durch die Rechtsprechung lediglich für Auftragsvergaben unterhalb der Schwellenwerte von Bedeutung. Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht ist die Geltung des (gemeinschaftsrechtlichen) Gleichheitssatzes im Recht der öffentlichen Auftragsvergabe aufgrund des individualschützenden Charakters der Vergaberechtsrichtlinien sowohl in seiner negativen Komponente als Willkürverbot als auch in seiner positiven Geltung aus dem Wesen des Richtlinienrechts anerkannt 199. Eine Begrenzung auf Verfahren oberhalb der jeweiligen Schwellenwerte liegt hierin freilich nicht. Unterhalb der Schwellenwerte gelangt der Gleichheitssatz durch die Grundfreiheiten und das allgemeine Diskriminierungsverbot als primäres Gemeinschaftsrecht zur Geltung200. Neben der Wirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes wird auch dem Freiheitsgrundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG eine verfahrensgestaltende Wirkung bei Auswahl- und Verteilungsverfahren zugesprochen. Während bei den vorgenannten und mit dem Vergabeverfahren vergleichbaren Auswahlentscheidungen die Berufsfreiheit, gegebenenfalls mit der Beschränkung nach Art. 33 Abs. 2 197 BGH, Urt. v. 21.11.1991, NJW 1992, S. 827; ferner Urt. v. 8.9.1998, NJW 1998, S. 3636/3639. 198 Unklar ist hingegen die folgende Formulierung des BGH (Urt. v. 8.9.1998, NJW 1998, S. 3636/3638), die er im Rahmen der Geltung der haushaltsrechtlichen Lösung und im Kontext der explizit genannten rein innenrechtlichen Verdingungsordnungen einerseits sowie der Anforderungen des EG-Vergaberechtsregimes andererseits tätigt: „Indem er ein Vorhaben nach Maßgabe der Verdingungsordnung für Bauleistungen ausschreibt, legt der öffentliche Auftraggeber zugleich den rechtlichen Rahmen für das Ausschreibungsverfahren fest. Damit kommt der Vorschrift für das Verhältnis zwischen ihm und den Teilnehmern an der Ausschreibung schon aus diesem Grunde Rechtssatzqualität zu; eines Eingehens auf die Frage, ob dieses Verständnis darüber hinaus auch im Hinblick auf die Vorgaben der einschlägigen EG-Richtlinie [...] geboten ist, bedarf es daher an dieser Stelle nicht.“ Die Formulierung bezieht sich wohl lediglich auf die Erklärung des Auftraggebers zu Beginn des Vergabeverfahrens. Vgl. auch Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 88 f. 199 EuGH, Urt. v. 10.2.1982, Rs. C-76/81, „SA Transporoute et travaux/Ministre des travaux publics“, Slg. 1982, S. 417 ff.; Urt. v. 22.6.1993, Rs. C-243/89, „Kommission/Königreich Dänemark – Storebaelt –“, EuZW 1993, S. 607 ff. 200 Hermes, JZ 1997, S. 909/912; Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 69 ff.; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/485; Triantafyllou, NVwZ 1994, S. 943/944 ff.

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GG 201, eine tragende Rolle spielt, ist ihre Geltung im Rahmen des Vergaberechtsverhältnisses umstritten. Traditionell wird die Anwendbarkeit von Art. 12 Abs. 1 GG mangels des Vorliegens eines Eingriffs verneint: Weder läge eine Regelung mit berufsregelnder Zielrichtung noch eine Regelung mit zumindest tatsächlichen oder mittelbaren Auswirkungen auf den Beruf vor. Angesichts der gewandelten höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Eingriffsbegriff wird bezweifelt, ob sich die Einschlägigkeit von Art. 12 Abs. 1 GG noch mit diesen Argumenten ablehnen lässt. Nunmehr werden unter den grundrechtlichen Eingriffsbegriff nicht lediglich imperative, sondern auch faktische Beeinträchtigungen gefasst. Bei Letzteren tritt die Grundrechtsrelevanz lediglich „mittelbar, tatsächlich, gewissermaßen als Reflex, das heißt als Folge oder Nebenwirkung staatlichen Handelns“ auf.202 Aufgrund der verfassungsgerichtlich anerkannten Relevanz von Grundrechtsgefährdungslagen 203 streitet ferner der Umfang der zu vergebenden öffentlichen Aufträge sowie deren wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Bedeutung sowohl generell als auch den konkreten „Großauftrag“ betreffend für die Geltung des Grundrechts der Berufsfreiheit. Letztlich wird pragmatisch argumentiert: Soweit man eine Anwendbarkeit des Freiheitsgrundrechts der Berufsfreiheit als unpassend betrachtet, wird zumeist wegen des dann ausgelösten Regelungsvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG und damit vom Ergebnis her und rechtspolitisch motiviert die Eröffnung des Schutzbereichs verneint 204. Die zu Art. 12 GG im Vergaberecht vertretenen Auffassungen reichen von der Bejahung, der eingeschränkten Bejahung bis zur Verneinung der Anwendbarkeit 205. Fokussierend auf die Frage der Grundrechtsrelevanz bei der Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses bleibt zu vergegenwärtigen, dass eine Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bieterangeboten zu treffen ist. Primäres Grundrecht zur verfahrensrechtlichen Steuerung und zur Gestaltung von Auswahl- und Verteilungsentscheidungen ist ohne Zweifel der allgemeine Gleichheitssatz. Dessen maßgebliche Bedeutung steigt für den Fall, dass, wie im Bereich des Vergaberechts, zumindest dem Grunde nach 206 keine Zulassungshürden im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG bestehen. 201 Art. 33 Abs. 2 GG regelt als spezielles Gleichheitsgrundrecht den Zugang zu öffentlichen Ämtern nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Die Vorschrift drängt die Wirkung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG zurück und räumt der Verwaltung ein weites Organisationsermessen ein, womit aber die Verpflichtung zu einer dem Grundrechtsschutz aus Art. 12 Abs. 1 GG angemessenen Verfahrensgestaltung korrespondiert (für Notare: BVerfG, Beschl. v. 1.7.2002, DNotZ 2002, S.889 ff.; Beschl. v. 20.9.2002, DNotZ 2002, S.891 ff.; vgl. im Übrigen Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 33 Rdnrn. 7 ff.). 202 Niebuhr, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 97 Rdnr. 241 m. w. Nachw.; vgl. auch Betghe, VVDStRL 57 (1998), S.7/40 ff.; Huber, JZ 2000, S. 877/878 f.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Vorb. vor Art. 1 Rdnr. 26. 203 Z. B. BVerfG, Beschl. v. 16.12.1983, E 66, S. 39/58; Beschl. v. 29.10.1987, E 77, S. 170/220. 204 Gusy, JA 1989, S. 26/30; Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 22 ff. 205 Siehe 3. Kapitel D. I. 206 Eine andere Betrachtung könnte im Fall der Auftragsvergabe unter Berücksichtigung von vergabefremden Zwecken geboten sein (streitig, Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/483 einerseits, Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 32 f. andererseits). Eine Sonderstellung

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

Basis für eine Relevanz der Grundrechte bei der Verfahrenssteuerung ist ihr Verständnis als objektive Wertordnung, aus der nicht lediglich Abwehrrechte, sondern auch Schutzpflichten zu deduzieren sind. Für die Materie der Verfahrensgestaltung lautet die Diktion des BVerfG 207, dass „die Grundrechte nicht nur die Ausgestaltung des materiellen Rechts beeinflussen, sondern zugleich Maßstäbe für eine den Grundrechtsschutz effektivierende Organisations- und Verfahrensgestaltung sowie für eine grundrechtsfreundliche Anwendung vorhandener Verfahrensvorschriften setzen“. Die Grundrechtsdogmatik bedient sich des Vehikels der Grundrechte als „Verfahrensgarantie“ 208 oder der „Ausstrahlungswirkung“ 209, um der „Gefahr der Entwertung der materiellen Grundrechtsposition vorzubeugen“ 210. Die Sachbereiche Grundrechte, Verfahren und Organisation stehen hiernach in einem Verhältnis der wechselseitigen Durchdringung und Verschränkung, das in erster Linie dann Berücksichtigung verlangt, wenn der Staat – rechtlich oder auch faktisch – Monopolstellungen innehat und/oder leistungsverwaltend tätig wird 211. Die Erweiterung des Grundrechtsschutzes um den Verfahrensschutz kommt zum Tragen, wenn die Grundrechte ihre „materielle Schutzfunktion nicht hinlänglich erfüllen können“, insbesondere also, wenn eine (materielle) grundrechtliche Ergebniskontrolle erst dann vorgenommen werden kann, wenn „etwaige Grundrechtsverletzungen nicht mehr korrigierbar“ sind 212. Das Erfordernis der Grundrechtssicherung verlangt in diesen Fällen eine Vorverlagerung des Grundrechtsschutzes auf die Verfahrensebene. Innerhalb des Grundrechtskataloges werden zur Umsetzung vorrangig die Justizgrundrechte oder Verfahrensgrundrechte bemüht 213. Die Eröffnung und Durchführung von Verfahren haben demnach grundrechtlichen Mindestanforderungen zu genügen. Der Gesichtspunkt des Grundrechtsschutzes durch Verfahren korrespondiert mit den Ausführungen unter vorstehend A. II. 5. b) bb) zu den im und aus dem Vergaberechtsverhältnis bestehenden Fürsorgepflichten. Im Hinblick auf die rechtliche Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses kann festgestellt werden: Eine Grundrechtsrelevanz im Sinne eines erforderlichen Grundrechtsschutzes durch Verfahren kann allgemein bestehen, das heißt bei öffentlichrechtlichen Verfahren ebenso wie bei privatrechtlichen Verfahren. Dies folgt wienimmt wiederum der Fall der Auftragssperre ein, für den im Rahmen der Versagung der Teilnahme beim konkreten und ggf. bei künftigen Vergabeverfahren Art. 12 Abs. 1 GG streitet. Siehe im Einzelnen und zu weiteren möglicherweise betroffenen Grundrechten 3. Kapitel D. I. 2. 207 BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985; E 69, S. 315/355; vgl. auch Sondervoten der Richter Simon und Heußner, Beschl. v. 20.12.1979, E 53, S. 30/69 ff. 208 Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/479 f.; vgl. auch Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Vorb. Rdnrn. 105 f.; Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rdnr. 33 f. 209 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Vorb. vor Art. 1 Rdnr. 58. 210 BVerfG, Beschl. v. 8.2.1983, E 63, S. 131/143. 211 v. Münch, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Vorb. Art. 1–19 Rdnrn. 25 f.; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), S. 193/207 ff.; Wahl, VVDStRL 41 (1983), S. 151/166 ff. 212 BVerfG, Urt. v.22.2.1994, E 90, S. 60/96. 213 v. Münch, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Vorb. Art. 1–19 Rdnr. 27; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), S. 193/207 ff.; Wahl, VVDStRL 41 (1983), S. 153/166 ff.

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derum notwendig aus dem objektivrechtlichen Gehalt der Grundrechte, wonach Beziehungen zwischen Privaten nach der opinio communis zumindest mittelbar durch die Grundrechtsgeltung beeinflusst werden 214. Das Vergaberechtsverhältnis zeichnet sich indes dadurch aus, dass auf der einen Seite des Rechtsverhältnisses stets ein öffentlicher Auftraggeber steht, also eine Person des öffentlichen Rechts oder eine von einer solchen beherrschte Person des Privatrechts (§ 98 Nr. 1–3 GWB), was auf eine öffentlich-rechtliche Prägung hindeutet. Zwar mag man gegen diese Sichtweise kritisch einwenden, dass sie die Stellung der Sektorenauftraggeber sowie der staatlich subventionierten Auftraggeber und der Baukonzessionäre (§ 98 Nr. 4–6 GWB) missachte. Obige Ausführungen unter A. II. 5. a) haben jedoch bereits hinreichend verdeutlicht, dass die letztgenannten Auftraggeber eine Sonderstellung einnehmen und aus Erwägungen in den Kreis der öffentlichen Auftraggeber einbezogen wurden, die für die Zuordnung des Vergaberechtsverhältnisses zum öffentlichen oder zum privaten Recht keinerlei Aussage treffen. 215 Im Rahmen dieser Ausführungen zum verfahrensschützenden und formellen Gehalt der Grundrechte ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass für den Teilbereich der Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG im Vergabewesen bereits das Judikat des BKartA (1. Vergabekammer des Bundes) in der Rechtssache „Münzplättchen II“ 216 grundlegende Ausführungen trifft. Angesichts der Nichtaufhebbarkeit eines einmal erteilten Zuschlags in Verbindung mit der Benachrichtigung der unterlegenen Bieter erst nach der Zuschlagserteilung sowie angesichts der grundsätzlich nicht gegebenen Möglichkeit der nachträglichen Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens stellte die 1. Vergabekammer des Bundes für Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte wegweisend fest, dass eine „derart weitgehende Beschneidung der Rechtsschutzmöglichkeiten eines Bieters im öffentlichen Vergabeverfahren“ mit der Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar ist. Art. 19 Abs. 4 GG stellt als „Grundsatznorm für die gesamte Rechtsordnung“217 einen Teilbereich des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs dar, der wiederum Teil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips ist. Grundrechtsschutz durch Verfahren gewährt Art. 19 Abs. 4 GG insoweit, als er für den Bereich des gerichtlichen Verfahrens als lex specialis gegenüber der Ausstrahlungswirkung der materiellen Grundrechtsartikel anzusehen ist. 218 Zutreffend judiziert die 1. Vergabekammer des Bundes, dass die staatliche Bedarfsdeckung in der Handlungsform privatrechtlicher Verträge der Annahme öffentlicher Gewalt im Sinn von Art. 19 Abs. 4 GG nicht entgegenstehe. Jedoch behalf sie sich dabei des Vehikels der Grundrechtsbindung gemäß Art. 1 Abs. 3 GG, ohne sich mit den grundlegenden Strukturprinzipien der öffentlichen Auftragsvergabe näher auseinander zu setzen. Vgl. nur die Ausführungen bei Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 1 Rdnr. 58. Siehe zu diesem Bereich: 3. Kapitel A. III. 3. 216 BKartA (1. Vergabekammer des Bundes), Beschl. v. 29.4.1999, NJW 2000, S.151 ff. Siehe auch im Folgenden unter gg). 217 BVerfG, Beschl. v. 23.6.1981, E 58, S. 1/40. 218 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 19 Rdnr. 23 m. w. Nachw. 214 215

12 Regler

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

Unter Feststellung staatlichen Fiskalhandelns bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und unter Bejahung einer umfassenden Grundrechtsbindung der Verwaltung wurde eine Parallele hinsichtlich des Begriffsmerkmals der „öffentlichen Gewalt“ zwischen den Vorschriften des Art. 1 Abs. 3 GG und des Art. 19 Abs. 4 GG gezogen. Mit dem Argument der Parallelität lässt sich auf der Ebene der herrschenden Lehre argumentieren 219. Die Problemverlagerung auf die Fragestellung des Umfangs der Grundrechtsbindung weist den Vorteil auf, dass für die Anwendung der Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 GG vergleichsweise geringe Klippen zu überwinden sind. Die umfassende Bejahung der Grundrechtsbindung in Bereichen privatrechtlicher Handlungsformen entspricht der ganz allgemeinen Auffassung im Schrifttum 220. Lediglich der Bundesgerichtshof hat im Jahr 1961 in der Entscheidung „Gummistrümpfe“ 221 (noch) anders entschieden. Vor diesem Hintergrund zeichnet sich die Entscheidung des BKartA sowohl durch eine streitgegenständliche Prägnanz als auch durch eine Ergebnisorientiertheit aus. Bei Lichte betrachtet, liegt eine zweifache Problemverlagerung vor: Einerseits bei der vorstehend erörterten Parallelität zwischen Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 1 Abs. 3 GG, andererseits bei der allgemeinen Bejahung der Grundrechtsbindung, gleich ob der Staat in öffentlich-rechtlicher oder in zivilrechtlicher Handlungsform agiert. Demgegenüber unterbleibt eine Auseinandersetzung mit der Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses. Dabei setzt die präzise Anwendung der Vorschrift des Art. 1 Abs. 3 GG die Qualifikation der Rechtsnatur des konkreten Staatshandelns voraus. Allgemein kann das Judikat in der Rechtssache „Münzplättchen II“ 222 als Bestätigung der Ausführungen zum Grundrechtsschutz durch Verfahren angesehen werden. Die Leitung und Durchführung des Vergabeverfahrens liegen stets und ausschließlich in der Hand des öffentlichen Auftraggebers, der die alleinige Verantwortung für das Vergaberechtsverhältnis trägt. Diese Verantwortung beinhaltet die mit dem Vergaberechtsverhältnis verbundenen (unmittelbaren) Fürsorgepflichten ebenso wie die aus seiner Grundrechtsrelevanz resultierenden Anforderungen an die Verfahrensgestaltung. Insoweit ist das Vergaberechtsverhältnis maßgeblich öffentlichrechtlich geprägt. gg) Tendenzen in der Rechtsprechung In jüngerer Zeit wurde die Rechtsprechung vermehrt mit grundlegenden Strukturfragen der öffentlichen Auftragsvergabe befasst. Hierzu zählen in erster Linie der bereits vorstehend angesprochene Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes in Anders aber Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 54 f. Siehe hierzu 3. Kapitel D. I. 221 BGH – Kartellsenat –, Urt. v. 26.10.1961, Z 36, S. 91/95 ff. 222 Dem BKartA (1. Vergabekammer des Bundes, Beschl. v. 29.4.1999, NJW 2000, S. 151 ff.) folgen: OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999, WuW Verg 231, S. 929/933; OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.2001, 1 Verg 9/00; VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 6.6.2001, 1 VK/6/01; OLG Celle, Beschl. v. 25.10.1999, NZBau 2001, S. 111 ff. 219 220

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der Rechtssache „Münzplättchen II“, die „Alcatel-Entscheidung“ des EuGH sowie die „Flughafen-Entscheidung“ des OLG Brandenburg 223. Bei der Rechtssache „Münzplättchen II“ stand die Vergabe öffentlicher Aufträge zur Herstellung und Lieferung von Ronden (Münzplättchen) zur Produktion von Euro- und Centmünzen der Bundesrepublik Deutschland in einem nichtoffenen Verfahren im Streit, bei dem die Antragstellerin nicht berücksichtigt wurde. Die 1. Vergabekammer des Bundes billigte der Antragstellerin für den Fall, dass sie den betreffenden öffentlichen Auftrag nicht erhält, „einen Anspruch darauf zu, zehn Tage vor Erteilung des Zuschlags von der VSt [Vergabestelle; Anm. d. Verf.] über die Gründe der Ablehnung ihres Angebots und den Namen der Bieter informiert zu werden, denen der Zuschlag erteilt werden soll. (...) Den durch das Nachprüfungsverfahren gewährleisteten Primärrechtsschutz kann der Bieter dann nicht wahrnehmen, wenn er erst nach Zuschlagserteilung erfährt, dass und aus welchen Gründen er den Zuschlag nicht erhalten hat (...).“

Begründet wird diese Pflicht zur Vorabinformation mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes 224 und mit einer Parallelität zur Stellenbesetzung von Beamten. Dort können Besetzungsentscheidungen aufgrund des Grundsatzes der Ämterstabilität nicht mehr rückgängig gemacht werden, so dass die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht eine Vorabinformation der unterlegenen Konkurrenten zur Gewährleistung eines vorbeugenden und damit effektiven Rechtsschutzes erfordert 225. Als einfachgesetzliche Grundlage für die Verpflichtung zur Vorabinformation der unterlegenen Bieter zieht die 1. Vergabekammer des Bundes die Vorschrift des § 27 a VOL/A heran, die verfassungskonform dahingehend auszulegen sei, dass nichtberücksichtigte Bieter im Falle der Antragstellung nach § 27 a VOL/A zum Zeitpunkt der Einreichung des Angebots oder zumindest geraume Zeit vor dem Zuschlag, spätestens zehn Tage vor Zuschlagserteilung, von ihrer nach Abschluss der Wertung feststehenden Nichtberücksichtigung, von den Gründen dieser sowie von dem Namen der/ des obsiegenden Bieter/s in Kenntnis zu setzen sind. Der Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes ist vor einem gemeinschaftsrechtlichen Hintergrund zu betrachten. Nach Art. 2 Abs. 1 der Rechtsmittelrichtlinie OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999, WuW Verg 231, S. 929 ff. Hilfsweise für den Fall der Nichtanwendbarkeit des Art.19 Abs. 4 GG wird die Verpflichtung zur rechtzeitigen Benachrichtigung der unterlegenen Konkurrenten zur Gewährleistung von Primärrechtsschutz aus dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet (BKartA, 1. Vergabekammer des Bundes, Beschl. v. 29.4.1999, NJW 2000, S.151/153; ebenso BGH, Beschl. v. 19.12.2000, NZBau 2001, S. 151/154). Das BVerfG (Beschl. v. 29.7.2004, NVwZ 2004, S. 1224 ff.) hat nunmehr die besondere Bedeutung des kartellvergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren nach §§ 102 ff. GWB als einzige Möglichkeit zur Gewährleistung des nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen Primärrechtsschutzes hervorgehoben. 225 BVerfG, Beschl. v. 19.9.1989, NJW 1990, S. 501 f. Allgemein zur beamtenrechtlichen Konkurrentenklage: Köpp, in: Steiner (Hrsg.), Bes. Verwaltungsrecht, Kap. III. Rdnrn. 91 ff. Bereits vor der Entscheidung der 1. Vergabekammer der Bundes in der Rechtssache „EuroMünzplättchen“ einen Informationsanspruch aufgrund der Parallelität zum Beamtenrecht fordernd: Hermes, JZ 1997, S. 909/914. 223 224

12*

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

89/665/EWG haben die Mitgliedstaaten im Rahmen der vergaberechtlichen Nachprüfung Befugnisse vorzusehen, dass so schnell wie möglich im Wege einstweiliger Verfügung vorläufige Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten Rechtsverstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern; ferner, dass die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen vorgenommen oder veranlasst werden kann. Die Entscheidung des EuGH vom 28.10.1999 in der Rechtssache „Alcatel“ 226 erging zum österreichischen Vergaberecht und betraf im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens die Vergabe eines Auftrages zur Lieferung, Montage und Inbetriebnahme eines Computerprogramms und entsprechender Hardware zur automatischen Übermittlung bestimmter Daten auf österreichischen Autobahnen. Das österreichische Vergaberecht war insofern mit dem deutschen vergleichbar, als die Bekanntmachung der vorausgehenden internen Zuschlagsentscheidung und der Vertragsschluss faktisch zusammenfielen. In gleicher Weise konnte der Zuschlag nach der dem Bieter mitgeteilten Zuschlagsentscheidung nicht mehr für nichtig erklärt werden227. Der Gerichtshof judiziert in Teilziffer 48: „Da die Erteilung des Zuschlags und der Abschluß des Vertrages in der Praxis zusammenfallen, fehlt in einem solchen System ein öffentlich-rechtlicher Akt, der den Beteiligten zur Kenntnis gelangen und im Rahmen einer Nachprüfung aufgehoben werden könnte, wie es Art. 2 I lit. b Richtlinie 89/665/EWG vorsieht.“

Das bis dahin bestehende Rechtsschutzsystem vermochte sowohl den nationalen als auch den gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben des effektiven Rechtsschutzes nicht zu genügen. Der Gesetzgeber reagierte auf diese Rechtsprechung unter Rekurs auf das deutsche Kaskadenprinzip dadurch, dass er in § 13 Sätze 1–4 VgV eine generelle Informationspflicht öffentlicher Auftraggeber gegenüber nicht berücksichtigten Bietern verankert hat, die spätestens vierzehn Tage vor dem beabsichtigten Vertragsschluss zu erfüllen ist 228. Vor Fristablauf oder ohne Erteilung der Bieterinformation und Fristablauf darf ein Vertrag nicht abgeschlossen werden, §13 Satz 5 VgV. Die Verletzung dieser Pflicht hat gemäß § 13 Satz 6 VgV die Nichtigkeit eines dennoch geschlossenen Vertrages zur Folge 229. Ein effektiver Rechtsschutz wird sonach 226 EuGH, Urt. v. 28.10.1999, Rs.C-81/98, „Alcatel Austria AG u. a./Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr“, EuZW 1999, S. 759 ff. 227 Allerdings differenziert das deutsche Recht bislang nicht zwischen interner Auswahlentscheidung und Mitteilung der Zuschlagsentscheidung an den erfolgreichen Bieter (vgl. Jaeger, EWS 2000, S. 124 f.; 3. Kapitel A. II. 2.). 228 Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 13 VgV im Hinblick auf den Umfang der Ermächtigungsnorm gemäß § 97 Abs. 6 GWB hat der BGH (Beschl. v. 9.2.2004, NZBau 2004, S. 229 ff.) ausgeräumt. Ebenso OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2003, NZBau 2003, S. 400/ 404. 229 Streitig war, ob § 13 Satz 6 VgV auch zur Nichtigkeit von vergabepflichtigen Verträgen führt, bei denen kein Vergabeverfahren durchgeführt, sondern nur mit einem einzigen Auftragnehmer verhandelt wurde, sog. De-facto-Vergaben. Eine direkte Anwendung der Vorschrift scheidet aus, da diese das Verfahren bei der Vergabe öffentlicher Aufträge näher ausgestaltet und damit zwingend ein solches Verfahren voraussetzt. Eine entsprechende Anwendung der Vor-

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durch die Bieterinformation im Vorfeld des Zuschlags gewährleistet. Ob dieses Rechtsschutzsystem, das in seiner Funktionsweise nicht an einen ausdrücklichen und nachträglich aufhebbaren „öffentlich-rechtlichen Akt“ anknüpft, den in der „Alcatel-Entscheidung“ konkretisierten Anforderungen der Rechtsmittelrichtlinie genügt, ist noch nicht abschließend geklärt. Überwiegend wird im Hinblick auf die Möglichkeit der Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen eine Vereinbarkeit bejaht 230. Unzweifelhaft ist die gemeinschaftsrechtliche Ausgangslage, wozu der Gerichtshof in Teilziffer 43 feststellt, dass Art. 2 Abs. 1 lit. a und lit. b mit Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 89/665/EWG dahingehend auszulegen ist, dass „die dem Vertragsschluss vorangegangene Entscheidung des Auftraggebers darüber, mit welchem Bieter eines Vergabeverfahrens er den Vertrag schließt, in jedem Fall einem Nachprüfungsverfahren zugänglich zu machen“ ist 231. Die Richtlinie gründet hiernach auf dem Prinzip der Trennung von Zuschlag und Vertragsschluss. Einstufige Systeme erscheinen dagegen als nicht richtlinienkonform. Die gemeinschaftsrechtlich angelegschrift des § 13 Satz 6 VgV wird zum Beispiel abgelehnt von: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.12.2003, NZBau 2004, S.113 ff.; Dietlein/Spießhofer, VergabeR 2003, S.509/512; Schimanek, ZfBR 2002, S. 39/41. Anders werden freilich die Fälle einer bewussten Missachtung des Vergaberechts oder eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer beurteilt: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.12.2003, NZBau 2004, S.113/116. Demgegenüber bejahen eine entsprechende Anwendung von §13 Satz 6 VgV im Wege eines Erst-Recht-Schlusses: Prieß, EuZW 2001, S. 365/367; Byok, NJW 2001, S. 2295/2301. Eine vermittelnde Auffassung vertritt das BKartA (1. Vergabekammer des Bundes, Beschl. v. 12.12.2002, NZBau 2003, S.406). Es bejaht eine Anwendung für solche Unternehmen, die ein Interesse am konkret zu vergebenden öffentlichen Auftrag haben und deren Interesse dem öffentlichen Auftraggeber bekannt war. Ebenso: Stockmann, NZBau 2003, S.591 ff. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 30.4.2003, NZBau 2003, S. 400 ff.) verlangt § 13 VgV kein förmliches Vergabeverfahren; es genügt ein „wettbewerbliches Verfahren“, also ein Verfahren, in dem es Bieter und Angebote gibt. Für die analoge Anwendbarkeit von § 13 VgV bei De-facto-Vergaben hat nun der BGH (Beschl. v. 1.2.2005, NZBau 2005, S. 290 ff.) entschieden. Er stellt darauf ab, dass in der Vorschrift „ein Grundgedanke effektiven Rechtsschutzes“ zum Ausdruck kommt. Primärrechtsschutz ist daher auch nach Abschluss des öffentlichen Auftrags möglich, sofern es sich um eine De-facto-Vergabe handelt. Vgl. zum Ganzen auch: Burgi, NZBau 2003, S.16 ff.; Kaiser, NZBau 2005, S. 311 ff.; Klingner, Die Vorabinformationspflicht des öffentlichen Auftraggebers, S. 264 ff.; Kus, NZBau 2005, S. 96 ff.; Wagner/Wiegand, NZBau 2002, S. 369/372; BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, NZBau 2002, S. 397 ff.; OLG Naumburg, Vorlagebeschl. v. 8.1.2003, NZBau 2003, S. 224 ff. Auch der EuGH (Urt. v. 11.1.2005, Rs. C-26/03, „Stadt Halle, RPL Recyclingpark Lochau GmbH/TREA Leuna“, NZBau 2005, S. 111 ff.) hat De-facto-Vergaben nicht vom Rechtsschutzsystem ausgenommen: „weiter Begriff der Entscheidung der Vergabebehörden nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665“. Eine Nachfolgeregelung zu § 13 VgV war nach dem inzwischen zurückgezogenen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Vergaberechts (Stand: 18.3.2005) in §§ 101 a, 101 b GWB mit der Sanktion der schwebenden Unwirksamkeit vorgesehen. Zur Änderung der Rechtmittelrichtlinien im Hinblick auf De-facto Vergaben: Heuvels, NZBau 2006, S. 416 ff. 230 Vgl. Boesen, ZIP 1999, S. 1942 f.; Jaeger, EWS 2000, S. 124/125; Kus, NJW 2000, S. 544 ff.; Malmendier, DVBl. 2000, S. 963/966 ff.; Pache, DVBl. 2001, S. 1781/1788; Reidt, BauR 2000, S. 22 ff. 231 EuGH, Urt. v. 28.10.1999, Rs.C-81/98, „Alcatel Austria AG u. a./Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr“, EuZW 1999, S. 759/761.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

te Zweistufigkeit ist dabei aus der Notwendigkeit des Primärrechtsschutzes unterlegener Bieter veranlasst. Dass das deutsche System sehr wohl zwischen Vergaberechtsverhältnis mit abschließender Zuschlagsentscheidung und nachfolgender Ausführungshandlung zu differenzieren weiß, wurde bereits dargelegt. Einstufig verbleibt die Zuschlagsentscheidung in der Form der Vertragsannahme einzig in ihrer Außenrechtswirkung. Aufgrund der fehlenden Außenwirkung der Zuschlagsentscheidung ist die in der „Münzplättchen II-Entscheidung“ entwickelte und in § 13 VgV perpetuierte Konstruktion einer Vorabinformationspflicht unter dem gemeinschaftsrechtlichen Postulat des effektiven Primärrechtsschutzes einerseits unumgänglich, andererseits wegen des bestehenden Umsetzungsspielraums und der Neutralität gegenüber den jeweiligen mitgliedsstaatlichen Systemen auch hinreichend. Die „Flughafen-Entscheidung“ des OLG Brandenburg 232 zur Privatisierung des geplanten Großflughafens Berlin-Brandenburg-International stellte den ersten großen Anwendungsfall des neuen Vergaberechts nach dem VgRÄG dar. Gegenstand des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens war die Anwendbarkeit des Vergaberechts auf sog. Baukonzessionen 233 und, für die Frage der Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses von Bedeutung, die Behandlung von sog. Doppelmandaten. Im konkreten Sachverhalt war eine Person zugleich Aufsichtsratsmitglied bei dem der Vorschrift des § 98 Nr. 4 GWB unterfallenden öffentlichen Auftraggeber sowie beim Auftragnehmer bzw. bei an diesem beteiligten Gesellschaften. 234 Die gleichzeitige Wahrnehmung von Aufsichtsratsfunktionen auf Auftraggeber- und Auftragnehmerseite stellt nach der Auffassung des OLG Brandenburg eine unzulässige Verletzung der Neutralitätspflicht dar. Unter Heranziehung des Diskriminierungsverbots gemäß § 97 Abs. 2 GWB und des damit verbundenen Gleichbehandlungs- und Neutralitätsgebots stellt das OLG Brandenburg in Anwendung des Rechtsgedankens der Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG einen Neutralitätsverstoß fest. Zur Vermeidung des „bösen Scheins möglicher Parteilichkeit“ komme es nicht auf eine tatsächliche Benachteiligung konkurrierender Bieter an, vielmehr genüge die konkrete Möglichkeit der Beeinflussung des Vergabeverfahrens durch das doppelmandatierte Aufsichtsratsmitglied. 235 Neben der Bejahung der Vergabeentscheidung als OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999, WuW Verg 231, S. 929 ff. Siehe hierzu 2. Kapitel B. I. 1. 234 Allgemein werden unter der Problematik der „Doppelmandate“ Konstellationen verstanden, in denen auf der Seite des öffentlichen Auftraggebers Personen handeln, die zugleich bei Bietern Funktionen wahrnehmen oder deren Interessen vertreten oder die auf sonstigem Weg mit Entscheidungsträgern auf der Seite der Bieter eng verbunden sind. 235 Die Entscheidung des OLG Brandenburg hat Zustimmung (BayObLG, Beschl. v. 20.12.1999, NZBau 2000, S. 259 ff.; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 22.10.1999, NZBau 2000, S. 158 ff.), wie Kritik (OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.3.2000, NZBau 2000, S. 301 ff.; Berrisch, DB 1999, S. 1797/1798 f.; Dreher, NZBau 2000, S. 280 ff.; ders., in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, § 97 Rdnrn. 52 ff.; Vetter, NVwZ 2001, S. 745/751) erfahren. Die vorgenannten kritischen Stimmen richten sich gegen die Annahme eines Vergaberechtsverstoßes schon auf Grund des „Scheins möglicher Parteilichkeit“, also ohne die Voraussetzung einer Kausalität im Sinn einer tatsächlich nachteiligen und sachlich nicht gerechtfertigten 232 233

A. Dualismus von öffentlichem und privatem Recht

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„Akt öffentlicher Gewalt“ im Sinn von Art. 1 Abs. 3 GG führt das Oberlandesgericht aus: „Für seine Anwendung [gemeint ist der Rechtsgedanke der Vorschrift des § 20 VwVfG; Anm. d. Verf.] spricht bereits, daß das bislang dem fiskalischen Bereich zugeordnete Vergabehandeln der öffentlichen Hand zunehmend gemeinschaftsrechtlich veranlaßten Verfahrensregelungen unterworfen wird, die dem Verwaltungsverfahren nachgebildet sind. Zudem ist die öffentliche Hand auch im Bereich der Beschaffung nicht frei von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen. Dies ergibt sich zum einen daraus, daß sie den Erfordernissen eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen hat, zum anderen aus der Bindung an das haushaltsrechtliche Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, das wiederum durch die Pflicht zur Ausschreibung öffentlicher Aufträge konkretisiert wird. (...) Entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen rein fiskalischem Handeln – das in erwerbswirtschaftlichem Handeln zum Zwecke der Erhaltung, Vermehrung oder Veräußerung des Finanz- und Verwaltungsvermögens zu sehen ist – und dem Verwaltungsprivatrecht zugewiesenem Handeln des Staates zur Verfolgung ihm durch öffentlich-rechtliche Aufgabenbestimmung zugewiesener öffentlicher Verwaltungszwecke ist, welche Aufgaben bzw. Zwecke die Verwaltung verfolgt.“

Diesen Erörterungen liegt ungeachtet der privatrechtlichen Handlungsform ein öffentlich-rechtliches Verständnis der öffentlichen Auftragsvergabe zugrunde. Dies folgt weniger aus der Bejahung der Grundrechtsbindung gemäß Art. 1 Abs. 3 GG, der eine Anknüpfung an bestimmte Kategorien des Verwaltungshandelns unterlässt. Vielmehr ist beachtlich, dass die Vergabeentscheidung sowie die zeitlich vorausgehende Privatisierungsentscheidung als verwaltungsprivatrechtliches Handeln kategorisiert werden. Man mag einwenden, das OLG Brandenburg habe vom Ergebnis, nämlich von der Anwendbarkeit des Rechtsgedankens des § 20 VwVfG, her argumentiert. Ferner werde allein aus den bestehenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen und aus der gemeinschaftsrechtlichen Überformung ein verwaltungsprivatrechtliches Handeln bejaht. Eine entsprechende Kategorisierung verlange aber zusätzlich die Darlegung der „Unmittelbarkeit“ der öffentlichen Aufgabenerfüllung. 236 Etwaige Bedenken dieser Art sind indes nicht durchgreifend: Vergabepflichtig in der „Flughafen-Entscheidung“ war eine Baukonzession, also eine besondere Art des öffentlichen Bauauftrages, bei dem die Gegenleistung für die Arbeiten ausschließlich in dem Recht zur Nutzung oder in diesem Recht zuzüglich der Auswirkung des Doppelmandats auf das Vergabeverfahren (vgl. auch OLG Koblenz, Beschl. v. 10.8.2000, NZBau 2000, S.534/536). Weitergehend wendet sich Dreher gegen die Ausführungen des OLG Brandenburg zum Rechtscharakter des Vergabeverfahrens und zur – seiner Auffassung nach abzulehnenden – Heranziehung der Vorschrift des § 20 VwVfG „im Bereich der privatrechtlich geregelten vergaberechtlichen Verfahren“. Das OLG Rostock (Beschl. v. 29.9.1999, NZBau 2000, S. 479/481) hat die Frage der Anwendbarkeit der Vorschrift des § 20 VwVfG offengelassen. Nicht zuzustimmen ist der Auffassung von Vetter (NVwZ 2001, S. 745/751; ebenso Meyer, in: Knack, VwVfG, § 1 Rdnr. 73), wonach die Problematik mit der Schaffung der Vorschrift des § 16 VgV über ausgeschlossene Personen „erledigt“ sei; vielmehr bleibt die Frage im Hinblick auf den Rechtscharakter des Vergaberechtsverhältnisses von Bedeutung. 236 Siehe bereits 3. Kapitel A. II. 5. b) bb).

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

Zahlung eines Preises besteht 237. Im Gegensatz zu einer reinen Beschaffungstätigkeit, bei der die Einbindung des Auftragnehmers mit der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung endet 238, ist der Auftragnehmer in seiner Stellung als Konzessionär in die Erfüllung der finalen, beim Staat verbleibenden Aufgabe unmittelbar und dauerhaft eingeschaltet. Bei der vorgelagerten Entscheidung pro funktionale Privatisierung wird zudem deutlich, dass sich öffentliche Aufgaben – jedenfalls nach einer weit verstandenen finalen Sichtweise 239 – auch unmittelbar mit dem Instrument der Vergabe öffentlicher Aufträge erfüllen lassen. Insoweit sah sich das OLG Brandenburg zu weiteren Ausführungen hinsichtlich einer unmittelbaren Aufgabenerfüllung nicht veranlasst. Es stellt an späterer Stelle auf eine (weitere) unmittelbare öffentliche Aufgabe ab, als es formuliert: „Das Vergaberecht hat dagegen den Schutz der Bieter vor der Parteilichkeit des Auftraggebers sicherzustellen.“ 240 Hier kommt die gesetzgeberische (Schutz-)Pflicht zur Etablierung und Ausgestaltung eines neutralen sowie diskriminierungsfreien Vergabeverfahrens zum Ausdruck. Auf diese Aufgabe in Form der Verfahrensaufgabe wird zurückzukommen sein 241. Der Gesetzgeber hat auf das Judikat des OLG Brandenburg reagiert und in § 16 VgV eine Regelung über „Ausgeschlossene Personen“ in Vergabeverfahren aufgenommen 242. Im Grunde eine Sonderkonstellation betreffen die Judikate des VG Koblenz 243 und des im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zuständigen OVG Koblenz 244. Der Beschluss des VG Koblenz beinhaltet genauer gesagt drei Sonderkonstellationen, nämlich eine Vorabentscheidung über den eröffneten Rechtsweg in einem Eilverfahren nach § 17 a Abs. 3 Sätze 1 und 2 GVG, eine Vergabestelle, die ihrer verfahrensrechtlich gebotenen Mitwirkung in einem gerichtlichen Verfahren unzureichend genügte, sowie eine Beschaffung von Lenkwaffen für Korvetten der Bundesmarine durch das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung, also eine Beschaffung im Verteidigungsbereich, die gemäß § 100 Abs. 2 lit. e GWB in Verbindung mit Art. 296 Abs. 1 lit. b EG vom Geltungsbereich der gemeinschaftsrechtlichen Vergaberichtlinien und damit vom Kartellvergaberecht ausgenommen ist. Dem letzteren Merkmal misst das VG Koblenz im konkreten Beschaffungsvorgang ein solches Gewicht bei, das eine Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. Insoweit wird der allgemeinen Auffassung nach lediglich die für die Einordnung als verwaltungsprivatrechtliche Tätigkeit nicht ausreichende mittelbare Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe bejaht. Siehe 3. Kapitel A. II. 5. b) bb). 239 In diesem Sinn Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1018 f.; kritisch aber vorstehend 3. Kapitel A. II. 5. b) bb). 240 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999, WuW Verg 231, S. 929/934. 241 Siehe 3. Kapitel B. II.; bereits oben A. II. 5. b) bb). 242 Kratzenberg, NZBau 2001, S. 119 ff. Zum Anwendungsbereich dieser Regelung: Quilisch/Fietz, NZBau 2001, S. 540 ff.; Schröder, NVwZ 2004, S. 168 ff. 243 VG Koblenz, Beschl. v. 31.1.2005, NZBau 2005, S. 412 ff. 244 OVG Koblenz, Beschl. v. 25.5.2005, NZBau 2005, S. 411 f.; ihm folgend OVG Münster, Beschl. v. 20.9.2005, NZBau 2006, S. 67; OVG Bautzen, Beschl. v. 13.4.2006, NZBau 2006, S. 393 f.; a. A. VG Gelsenkirchen, Az. 12 L 2120/04, Beschl. v. 15.10.2004. 237 238

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Ausnahme zur gewöhnlichen verfahrensrechtlichen Struktur von Beschaffungen rechtfertigt 245. Hiernach unterfällt eine Beschaffung von Rüstungsgütern bei Vorliegen einer „genuin hoheitlichen Beschaffungsentscheidung“, die vom Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts nicht erfasst ist, der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung nach § 40 Abs. 1 VwGO. Das Gericht stellt in den Entscheidungsgründen ausdrücklich klar, dass den – rechtlichen und politischen 246 – Besonderheiten des Sachverhaltes Rechnung getragen werden müsse, ein grundlegender Systemwechsel im vergaberechtlichen Rechtsschutz indes nicht in Rede stehe247. Die „Vergabe“ durch das zuständige Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung sei lediglich die „vertragstechnische Abwicklung einer hoheitlichen Entscheidung des vorgesetzten und weisungsbefugten Bundesministeriums für Verteidigung“, welche die vertragliche Durchführung auslöse und steuere. Hinsichtlich dieser „genuin hoheitlichen Entscheidung“ sieht das Gericht ein Bedürfnis nach verwaltungsgerichtlichem Primärrechtsschutz zur Vermeidung justizfreier Hoheitsakte 248. Zu weiteren Ausführungen zur Rechtsqualität des Hoheitsaktes und zur statthaften Klageart war das Gericht nicht veranlasst 249. Die besondere Sachverhaltsgestaltung hat zur Folge, dass die Erwägungen für die allgemeine Qualifikation des Vergaberechtsverhältnisses nur beschränkt von Nutzen sind. Beachtlich ist indes, dass das VG Koblenz den Schwerpunkt bei staatlichen Beschaffungen nicht auf die Ausführungshandlung, sondern zutreffend auf die Vergabe- bzw. Zuschlagsentscheidung und damit auf das Vergaberechtsverhältnis legt, ferner, dass die Einbeziehung vergabefremder Zwecke auf eine öffentlich-rechtliche Ausformung dieses Verhältnisses hindeutet. Die Beschwerdeentscheidung des OVG Koblenz dagegen kehrt von der Betonung eines rechtlichen „Ausreißers“ ab und trifft im Gegensatz zur Ausgangsentscheidung generalisierende Aussagen zur Rechtsstruktur staatlicher Beschaffungen. Außerhalb des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts – unterhalb der Schwellenwerte nach § 100 Abs. 1 GWB oder aufgrund der Ausnahmen des § 100 Abs. 2 GWB – unterfalle die staatliche Auftragsvergabe nicht insgesamt dem Privatrecht. Unter vornehmlicher Berufung auf Kopp 250 gehe dem Abschluss des privatrechtlichen Vertrages als zweiter Stufe eine erste, öffentlich-rechtliche Stufe in Gestalt eines eigenständigen Vergabeverfahrens voraus. Die vergaberechtliche Anwendbarkeit der Zwei-Stufen-Theorie begründet 245 Zur besonderen Öffentlich-Rechtlichkeit des Beschaffungsvorgangs bei Rüstungsgütern: Prieß/Hölzl, NZBau 2005, S. 367/370 ff. 246 Näher Prieß/Hölzl, NZBau 2005, S. 367/368. 247 VG Koblenz, Beschl. v. 31.1.2005, NZBau 2005, S. 412/414; zustimmend Prieß/Hölzl, NZBau 2005, S. 367/371. 248 Das Gebaren der Vergabestelle im Verfahren nach § 17 a Abs. 3 GVG dürfte hierzu nicht unwesentlich beigetragen haben (siehe Fn. 247). 249 Sofern die öffentlich-rechtliche Entscheidung bewusst in den Rechtsverkehr tritt, ist grundsätzlich der Anwendungsbereich der Zwei-Stufen-Theorie eröffnet; siehe 3. Kapitel D. II. 2. 250 Kopp/Schenke, VwGO, § 40 Rdnr. 25 a; vgl. auch ders., BayVBl. 1980, S. 609 ff., und in diesem Kapitel D. II. 2.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

das Oberverwaltungsgericht damit, dass allein die Annahme eines Stufenverhältnisses der effektiven Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG unter dem Aspekt der Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen gerecht werde. Der verwaltungsgerichtliche Rechtsweg auf der ersten Stufe wird deshalb als eröffnet angesehen, weil die staatliche Auftragsvergabe öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliege, wobei auf das Haushaltsrecht und die Verdingungsordnungen Bezug genommen wird. Diese – angesichts der Bedeutung der Sachfrage – recht kurzen Erwägungen vermögen nicht zu überzeugen 251. Zunächst wird die Anwendung der Zwei-StufenTheorie vorschnell im Hinblick auf das Erfordernis effektiven Rechtsschutzes bejaht. Dabei bleiben die Fragen der Rechtsnatur der Zuschlagsentscheidung und der Grundstruktur des deutschen Vergaberechts 252 ebenso unberücksichtigt wie die Rechtsprechung des BKartA in der Rechtssache „Münzplättchen II“ und die besondere Fallgestaltung der Ausgangsentscheidung. Dagegen argumentiert das Gericht mit der Rechtsprechung des BVerwG 253, die zum einen die Sonderkonstellationen gesetzlicher Bevorzugungsregelungen betraf, zum anderen ausdrücklich aufgegeben wurde. Zudem bejaht das OVG Koblenz außerhalb des § 97 Abs. 7 GWB einen Anspruch auf Einhaltung der Vorschriften über das Vergabeverfahren. Dieser wird auf den Wortlaut von § 2 VOL/A und auf die Außenwirkung der Verdingungsordnungen über den allgemeinen Gleichheitssatz gestützt. Das Judikat des OVG Koblenz stärkt zwar eine öffentlich-rechtliche Betrachtung des Vergaberechtverhältnisses. Angesichts der speziellen Konstellation, der Kürze und der fehlenden Tragfähigkeit seiner generalisierenden Begründung ist jedoch zu erwarten, dass die Entscheidung wenig Gefolgschaft finden wird.

III. Ergebnisse 1. Das Vergaberechtsverhältnis in der Zusammenschau Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich im Hinblick auf die Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses folgendes Bild: Die Betrachtung der das Vergaberechtsverhältnis steuernden Rechtsnormen hat gezeigt, dass die kartellvergaberechtlichen Regelungen des GWB, die Regelungen der Vergabeverordnung sowie diejenigen der Verdingungsordnungen nicht geeignet sind, eine privatrechtliche Qualifikation herbeizuführen. Der vergaberechtliche Rechtsrahmen im Übrigen ist durch einen überwiegenden öffentlich-rechtlichen Charakter 254 gekennzeichnet. Bestärkt wird dieser durch die mit der öffentlichen Auftragsvergabe verbundene öffentliche Aufgabenerfüllung, ferner durch den insoweit zum Ausdruck kommenden FürsorEbenso Heuvels, NZBau 2005, S. 570/571 f.; Ruthig, NZBau 2005, S. 497 ff. Siehe hierzu 1. Kapitel B. III. und 3. Kapitel D. II. 2. 253 BVerwG, Urt. v. 6.6.1958, E 7, S. 89 ff.; Urt. v. 26.11.1969, E 34, S. 213/214 f.; Urt. v. 17.2.1971, E 37, S. 243/244 f.; siehe bereits 3. Kapitel A. II. 5. b) aa). 254 Die Begründung des OVG Koblenz (Beschl. v. 25.5.2005, NZBau 2005, S. 411/412): „Bestehen öffentlich-rechtlicher Bindungen“ ist freilich zu kurz. 251 252

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gegedanken. Die öffentliche Aufgabenerfüllung und die bestehenden Fürsorgepflichten müssen dabei nicht über den Umweg der finalen Aufgabe deduziert werden; sie sind dem Vergaberechtsverhältnis immanent 255. Die Eröffnung eines staatlichen Sondermarkts, die Steuerung der Zugänglichkeit und der sich anschließenden Auswahlentscheidung lassen eine privatrechtliche Einordnung im Wege eines Rückschlusses aus der Rechtsnatur der Ausführungshandlung nicht zu. Hiergegen sprechen auch die dem Vergaberechtsverhältnis als Verteilungsverfahren zukommende Grundrechtsrelevanz und die ihm zukommende erhebliche und weiter steigende wirtschaftliche sowie wirtschaftspolitische Bedeutung. Das Recht der Auftragsvergabe hat sich zu einem detailliert geregelten Rechtsgebiet entwickelt 256, auf dem sich der Staat und seine Untergliederungen nicht mehr als „gewöhnliche Privatleute“ gerieren können. Im Bereich von Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte wird dies durch die gemeinschaftsrechtliche Überformung in besonderem Maß deutlich. In der Zusammenschau der Rechtsformkriterien ist das Vergaberechtsverhältnis oberhalb wie unterhalb der gemeinschaftsrechtlichen Schwellenwerte als öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis zu qualifizieren. Den Termini der Rechtsprechung zufolge ist es aufgrund der „Sachnähe“ und des „Sachzusammenhangs“ dem öffentlichen Recht „zuzurechnen“. Es weist ein öffentlich-rechtliches „Gepräge“ auf. Demgegenüber können die bislang und nach wie vor angeführten sowie für eine privatrechtliche Einordnung sprechenden Gesichtspunkte nicht überzeugen. Das Festhalten an einer rein privatrechtlichen Qualifikation der Auftragsvergabe mit dem Annex des Vergabeverfahrens als (privatrechtliches) Vertragsanbahnungsverfahren verkennt die Bedeutung des Vergaberechtsverhältnisses als Verteilungsverfahren und als Fundament der Ausführungshandlung. Gerade das Vergaberechtsregime oberhalb der Schwellenwerte ist durch eine erhebliche staatliche Verfahrenssteuerung und -regulierung gekennzeichnet. Die mit der wettbewerblichen Einkleidung verbundene Umwertung durch den deutschen Gesetzgeber ändert nicht die Natur des Rechtsverhältnisses, zumal es sich bei den Vorschriften des Wettbewerbsrechts um sog. Jedermann-Vorschriften handelt. Der öffentlich-rechtlichen Einordnung stehen auch nicht die von Pietzcker 257 vorgetragenen Einwendungen entgegen: Dass ein privatrechtliches Handeln der Verwaltung zulässig ist, wird durch eine öffentlich-recht255 Siehe 3. Kapitel A. II. 5. b) bb) und B. II. Zudem besteht ein besonderes Näheverhältnis zur Erfüllung finaler Staatsaufgaben bei Vorgängen der funktionalen Privatisierung. Eine Sonderkonstellation ist ferner bei der staatlichen Aufgabe der Beschaffung von Rüstungsgütern zur Aufrechterhaltung der Verteidigungsbereitschaft zu bejahen (vgl. VG Koblenz, Beschl. v. 31.1.2005, NZBau 2005, S. 412 ff.; Prieß/Hölzl, NZBau 2005, S. 367/370; 3. Kapitel B. I. 2., II. 3.). 256 Die Maßgeblichkeit der Rechtsentwicklung betont auch das BVerfG (Beschl. v. 14.5.1985, E 70, S. 1/15 ff.). Es bejahte im Fall der Zahntechniker und ihrer Berufsorganisationen eine „Einbeziehung in das öffentlich-rechtliche System des Kassenarztrechts in den besonders wichtigen Bereichen der Vergütung und der Rechnungslegung, die sich in zunehmender gesetzlicher Regelung und Ausweitung des öffentlich-rechtlichen Vertragssystems manifestiert“. 257 Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 17 ff.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

liche Natur des Vergaberechtsverhältnisses keineswegs in Frage gestellt; vielmehr verbleibt es bei der privatrechtlichen Form des öffentlichen Auftrages auf der Ebene der Handlung. Überbewertet wird die erörterte und zum Teil gemeinschaftsrechtlich veranlasste „Großtendenz“ der Privatisierung. Im Bereich des Vergaberechts werden die Ziele des Gemeinschaftsgesetzgebers, namentlich die Öffnung der Märkte und die Stärkung des Wettbewerbs, gerade nicht mit den Mitteln der Privatisierung, sondern mit der Normierung eines den Gleichheitsgrundsatz wahrenden und bieterschützenden Vergabeverfahrens, also mit den Mitteln der Publifizierung, zu erreichen versucht 258. Soweit Pietzcker auf die Nachteile der Zwei-Stufen-Theorie zurück greift und einen Widerspruch zur sonst stattfindenden Zurückdrängung dieser Lehre ausmacht, kann dem zum einen damit begegnet werden, dass – wie die Ausführungen in Abschnitt A. II. 2. zeigen und diejenigen in Abschnitt D. II. zeigen werden – ein öffentlich-rechtliches Verständnis des Vergaberechtsverhältnisses die Anwendung der Zwei-Stufen-Theorie nicht erfordert; zum anderen damit, dass die Diskussion um die Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses nicht vom (möglichen) Ergebnis her geführt werden kann. 2. Das Vergaberechtsverhältnis als verwaltungsrechtliches Verfahren An die Qualifikation des Vergaberechtsverhältnisses als öffentlich-rechtlich schließt sich die Frage an, inwiefern es sich bei diesem um ein verwaltungsrechtliches Verfahren handelt. Verwaltungsrechtliche Verfahren oder Verwaltungsverfahren sind nach allgemeiner Doktrin „planvoll geordnete Vorgänge der Informationsgewinnung und -verarbeitung, die in der Verantwortung eines Trägers öffentlicher Verwaltung ablaufen und der Hervorbringung administrativer Entscheidungen dienen“ 259. Den Verfahrensablauf betrachtet, ist das Verwaltungsverfahren gekennzeichnet durch ein Verfahrensziel, einen Träger öffentlicher Verwaltung, dem die Durchführung obliegt, sowie durch mehrere Beteiligte, denen verschiedene Handlungsmöglichkeiten offen stehen. Dogmatisch liegt das Schwergewicht nicht auf der Kontrolle des Verfahrensablaufs, sondern auf dem Verfahrensziel, nämlich der Herbeiführung einer Entscheidung. Da die vorgenannte Definition in ihrer abstrakten und weiten Fassung „alle denkbaren administrativen Handlungsformen umschließt“ 260, ist das auf den Zuschlag gerichtete (öffentlich-rechtliche) Vergaberechtsverhältnis jedenfalls als Verwaltungsverfahren in diesem Sinn anzusehen. Aufgrund dieses Verständnisses wird ein durch einen öffentlichen Träger gesteuertes Verfahren zur Herbeiführung einer Entscheidung nach dem jeweils geltenden

Skouris, EuR 1998, S. 111/119 f.; 3. Kapitel A. II. 5. b) cc). Badura, in: Erichsen H.-U. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, §33 Rdnr. 7; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), S.21/23; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 2, § 58 Rdnr. 1; vgl. bereits oben 3. Kapitel A. II. 2. 260 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 2, § 58 Rdnr. 1. 258 259

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und allein maßgeblichen privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Rechtsregime eingeordnet. Die fehlende Konturschärfe des Terminus „Verwaltungsverfahren“ wird offenbar, wenn man mit Clausen 261 nicht einmal mehr den administrativen Charakter der Entscheidung verlangt, sondern lediglich auf den Erlass einer Entscheidung – gleich welcher Rechtsform – durch einen Verwaltungsträger abstellt. Ein derart weites Begriffsverständnis wird mit der „Verschiedenartigkeit der Aufgaben und der Entscheidungsgrundlagen der Exekutive“ begründet und gleichwohl kritisiert 262. Konturschärfe bei der weiteren Konkretisierung des Begriffs des Verwaltungsverfahrens wird indes gewonnen, sofern man nach der Qualität der öffentlich-rechtlichen Entscheidung differenziert. Die Vorschrift des § 9 VwVfG definiert den Begriff des Verwaltungsverfahrens des VwVfG, auch das Verwaltungsverfahren im engeren Sinn genannt, als die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. Mit dem Verfahrensabschluss durch Zuschlagsentscheidung als (interne) öffentlich-rechtliche Entscheidung genügt das Vergaberechtsverhältnis nicht den Anforderungen des Verwaltungsverfahrens im engeren Sinn. Kategorien des Verwaltungshandelns, die nicht unter den Begriff des § 9 VwVfG fallen, also Verwaltungsverfahren im weiteren Sinn, sind die rechtsetzende, verwaltungsinterne, privatrechtliche und schlichthoheitliche Tätigkeit der Verwaltung sowie Realakte und informelles Verwaltungshandeln 263. Das Vergaberechtsverhältnis bezweckt mit der abschließenden Zuschlagsentscheidung den rechtlichen Erfolg einer auf wirtschaftliche Beschaffung von Gütern und Leistungen gerichteten Verwaltungstätigkeit mittels eines öffentlichen Auftrages auf der Ebene der Handlung. Dieser Aspekt erlaubt keine Einordnung als rein verwaltungsinternes Rechtsverhältnis. Die bloße verfahrensrechtliche Konstruktion des Zusammenfallens von öffentlich-rechtlicher Zuschlagsentscheidung und zivilrechtlicher Annahmeerklärung aus der Sicht des Rechtsverkehrs kann aufgrund der dem Vergaberechtsverhältnis zukommenden und in Abschnitt II. dargelegten rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung nicht zu einer Gleichbehandlung mit innerbehördlichen Verfahren führen. Das Vergaberechtsverhältnis steht vielmehr dem Verwaltungsverfahren im engeren Sinn näher als dem im weiteren Sinn. Die Verfechter der Zwei-Stufen-Theorie im Recht der öffentlichen Auftragsvergabe 264 fingieren einen Verwaltungsakt. Ihre Auffassung ist insofern zutreffend, als das Verwaltungsverfahren im engeren Sinn von seinem Zuschnitt her grundsätzClausen, in: Knack, VwVfG, Vor § 9 Rdnr. 3. Badura, in: Erichsen H.-U. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 34 Rdnr. 1; Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgesetz, S. 10 f.; Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rdnr. 83. 263 Vgl. hierzu und zu sonstigen Handlungsformen der Verwaltung: Clausen, in: Knack, VwVfG, Vor § 9 Rdnrn. 4 ff.; Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rdnrn. 83 ff. m. w. Nachw. 264 Siehe 3. Kapitel A. II. 2. und D. II. 261 262

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

lich auf das Vergaberechtsverhältnis Anwendung finden kann. Nach Röhl 265 sind die vergaberechtlichen Vorschriften „Verfahrenssicherungen“ im Vorfeld des Vertragsschlusses, deren Lücken durch eine Anwendung der Verwaltungsverfahrensgesetze geschlossen werden könnten. In gleicher Weise hat das OLG Brandenburg in seiner „Flughafen-Entscheidung“ mangels der Einschlägigkeit einer speziellen vergaberechtlichen Norm auf die Vorschrift des § 20 VwVfG zurückgegriffen 266. Auch wird eine Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vergaberichtlinien im Rahmen der besonderen Verwaltungsverfahren im VwVfG befürwortet 267. Richtigerweise ist das Vergaberechtsverhältnis daher als „besonderes“, nicht als „weiteres“ Verwaltungsverfahren zu bezeichnen. Der Begriff „besonderes Verwaltungsverfahren“ ist dabei ausschließlich auf das (formelle) Verfahrensrecht, nicht auf das (materielle) Verwaltungsrecht zu beziehen. Denn das Vergaberecht ist zur Sicherung von Gleichheit und Wettbewerb in erster Linie Verfahrensrecht 268. 3. Besonderheiten bei Sektorenauftraggebern? Die Qualifikation des Vergaberechtsverhältnisses als öffentlich-rechtlich sowie als „besonderes Verwaltungsverfahren“ steht hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Beschaffungen von Sektorenauftraggebern auf dem Prüfstand. Sektorenauftraggeber sind die nach § 98 Nr. 4 GWB natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts. Grundlage für ihre Einbeziehung in den Kreis der öffentlichen Auftraggeber ist die SKR 269. Relevanz kommt dieser Thematik daher nur bei der Vergabe öffentlicher Aufträge oberhalb der Schwellenwerte zu. Die Beschränkung dieses Abschnitts auf Sektorenauftraggeber ist verkürzt. Gemäß § 98 Nr. 5 und 6 GWB weisen ferner Private als staatlich subventionierte Auftraggeber sowie als Baukonzessionäre eine öffentliche Auftraggebereigenschaft auf 270. Die folgenden Ausführungen gelten für diese privaten öffentlichen Auftraggeber in gleicher Weise. Dem Grunde nach kann ein Rechtsverhältnis nur dann ein Verwaltungsrechtsverhältnis – im engeren, weiteren oder besonderen Sinn – sein, wenn zumindest auf der einen Seite eine Behörde, nach dem weiten verfahrensrechtlichen Behördenbegriff des § 1 Abs. 1 und 4 VwVfG also eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, beteiligt ist. Zwar werden bereits mit dem Vergaberechtsverhältnis selbst öffentliche Aufgaben erfüllt 271, im Falle eines Privaten als öffentlichem AufRöhl, VerwArch. 86 (1995), S. 532/558 ff. Siehe 3. Kapitel A. II. 5. b) gg). Schmidt-Aßmann (VBlBW 2000, S.45/47) spricht von der Notwendigkeit des Rückgriffs auf „zentrale Wertungen“. 267 Kahl, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgesetz, S. 67/75; ders., in: FS f. v. Zezschwitz, S. 151/164 ff. Die Nähe zum Verwaltungsverfahren nach § 9 VwVfG betont auch Ruthig (NZBau 2006, S. 137/139 f.). 268 Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 458/486; Skouris, EuR 1998, S. 111/119 f. 269 Siehe 1. Kapitel B. II. 270 Werner, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 98 Rdnrn. 286 ff. 271 Vgl. 3. Kapitel A. II. b) bb), B. II. 265 266

A. Dualismus von öffentlichem und privatem Recht

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traggeber jedoch ausschließlich durch die gesetzliche Pflicht zur Vergabe im Rahmen eines die Grundsätze von Gleichheit und Wettbewerb wahrenden Verfahrens, nicht aber durch den Privaten selbst. Ferner verlangt der Behördenbegriff des kodifizierten Verwaltungsverfahrensrechts zumindest die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten und zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge. Wie die Ausführungen in Abschnitt A. II. 5. a) dieses Kapitels zeigen, war Ursache der Einbeziehung der Privaten nach § 98 Nr. 4 bis 6 GWB ihre Agitation in (noch) von starker staatlicher Beeinflussung gekennzeichneten und damit „abgeschotteten“ Märkten aufgrund besonderer, staatlich verliehener Rechte oder aufgrund von Subventionen. Ihre Ausnahmestellung erlaubt es nicht, aus der Einbeziehung in den Katalog der öffentlichen Auftraggeber Aussagen hinsichtlich der Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses zu entnehmen. Die Unterwerfung der genannten Privaten unter das Vergaberechtsregime oberhalb der Schwellenwerte ist aus ihrer Historie und ihrer nunmehrigen Marktstellung bedingt. In der Konsequenz der gesetzgeberischen Grund-entscheidung der Auftraggebereigenschaft nach § 98 Nr. 4 bis 6 GWB ist die öffentlich-rechtliche Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses und dessen Charakter als besonderes Verwaltungsverfahren nicht widersprüchlich. Sämtliche in den vorstehenden Abschnitten erörterten Erwägungen für die öffentlich-rechtliche Qualifikation des Vergaberechtsverhältnisses beanspruchen in gleicher Weise Geltung bei Vergaben durch Sektorenauftraggeber sowie durch die weiteren in § 98 Nr. 5 und 6 GWB genannten Privaten 272. Ein besonderes Augenmerk verdient dabei der Aspekt der fortbestehenden (staatlichen) Aufgabenverantwortung. Hinsichtlich der Prozesse der funktionalen Privatisierung wurde erläutert 273, dass diese die Vergabe von öffentlichen Aufträgen bedingen. Zudem lässt sich die Pflicht zur Durchführung eines den Anforderungen von Gleichheit und Wettbewerb genügenden Vergabeverfahrens aus der verbleibenden (staatlichen) Aufgabenverantwortung deduzieren. Dieser Aspekt kann fruchtbar gemacht werden: §98 Nr. 4 Alt. 2 GWB erfasst im Gegensatz zu § 98 Nr. 2 GWB 274 nur gewerblich tätige Personen des Privatrechts. Unter die Auftraggebereigenschaft nach § 98 Nr. 4 GWB fallen sonach in erster Linie solche Private, die aus einer materiellen bzw. Aufgabenprivatisierung hervorgegangen sind. Mit der Übertragung der Aufgabe vom Staat auf den Privaten endet die Kontrolle der Geschäftspolitik des Unternehmens, soweit nicht aus gesetzlichen oder sonstigen Gründen das Fortbestehen einer staatlichen Kontrolle oder Regulierung geboten ist. Der Gesetzgeber war bei der Einbeziehung der Privaten nach der Vorschrift des § 98 Nr. 4 GWB in das Vergaberecht der Auffassung, dass die staatliche Verantwortung im Privatisierungsprozess eine vergaberechtliche Kontrolle bei Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte gebietet. 272 Dies gilt auch für die Fragen der Grundrechtsrelevanz nach Art. 1 Abs. 3 GG oder, bei mangelnder staatlicher Beherrschung, über die Grundsätze der mittelbaren Drittwirkung. Hierzu Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 164 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 1 Rdnrn. 28, 31; Skouris, EuR 1998, S. 111/123 ff. 273 3. Kapitel A. II. 5. b) bb). 274 Die letztere Vorschrift ist nach herrschender Lehre als lex specialis anzusehen (Werner, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 98 Rdnrn. 282 ff.).

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

Unabhängig von der Vorschrift des § 1 Abs. 1 und 4 VwVfG ist im Verwaltungsrecht anerkannt, dass sich ein Verwaltungsrechtsverhältnis auch zwischen zwei Privaten begründen lässt. Namentlich für den öffentlich-rechtlichen Vertrag ist anerkannt, dass er auch zwischen Privaten bestehen kann 275. Regelmäßig haben öffentlich-rechtliche Verträge zwischen Privaten eine spezialgesetzliche Normierung erfahren 276. Wie bei der Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses sind bei der Einordnung eines Vertrages als privatrechtlich oder als öffentlich-rechtlich in erster Linie weder die Rechtsstellung der beteiligten Rechtssubjekte noch deren subjektive Vorstellungen über den Vertrag, sondern Gegenstand, Zweck und Inhalt des Vertrages maßgeblich 277. Sofern ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, also ein Verwaltungsrechtsverhältnis im engeren Sinn, zwischen zwei Privaten bestehen kann, so kann a maiore ad minus für das Vergaberechtsverhältnis als bloßes „besonderes Verwaltungsverfahren“ nichts anderes gelten. Die fortbestehende Privatisierungsverantwortung bei den Sektorenauftraggebern nach § 98 Nr. 4 GWB einerseits, die Subventionierung und der Umgehungsschutz bei den Auftraggebern nach § 98 Nr. 5 und 6 GWB andererseits, beinhalten für die dort erfassten privaten Rechtsträger nicht anders als bei „klassischen“ öffentlichen Auftraggebern eine öffentlich-rechtliche Aufgabe der Verfahrenssteuerung 278. Hieraus folgt, dass das Vergaberechtsverhältnis seinen Charakter als besonderes Verwaltungsverfahren bei Vergaben durch Private nach § 98 Nr. 4 bis 6 GWB behält.

B. Die Einordnung der staatlichen Bedarfsdeckung in das System der öffentlichen und staatlichen Aufgaben I. Das System der öffentlichen und staatlichen Aufgaben Eine Untersuchung der Verwaltungsagenda „Bedarfsdeckung“ im Wege der Vergabe öffentlicher Aufträge kommt um eine Einordnung in das System der öffentlichen und staatlichen Aufgaben nicht umhin. Der Frage, ob und auf welche Art bei der Vergabe öffentlicher Aufträge öffentliche und staatliche Aufgaben erfüllt werden, kommt maßgebende Bedeutung sowohl im Hinblick auf die Privatisierungsproblematik (2. Kapitel A. III.) als auch im Hinblick auf die Einordnung der staatlichen Bedarfsdeckung in die Kategorien des Verwaltungshandelns (3. Kapitel C.) 275 Kopp/Ramsauer, VwVfG, §54 Rdnr. 7; BVerwG, Urt. v. 12.6.1992, NJW 1992, S.2908 f., das aber einer analogen Anwendung der Vorschriften der §§ 54 ff. VwVfG wegen § 1 Abs. 1 VwVfG kritisch gegenüber steht. 276 So z. B. die vertragliche Übernahme der öffentlich-rechtlichen Straßenreinigungspflicht. 277 Prägnant Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 54 Rdnrn. 27 ff. 278 Ähnlich Röhl, VerwArch. 86 (1995), S. 532/536.

B. Die Einordnung der staatlichen Bedarfsdeckung

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zu. Nicht minder ist die generelle Bedeutung des Systems der Staatsaufgaben für das staatliche Gemeinwesen an sich: Öffentliche und staatliche Aufgaben betreffen Grundfragen des Funktionierens und der Legitimation des Staates; sie kohärieren mit den Staatszielen, Staatszwecken und dem Gemeinwohl 279. Öffentliche und staatliche Aufgaben sind neben ihrer staatsrechtlichen und staatswissenschaftlichen Relevanz von erheblicher politischer Brisanz und Aktualität. Die Politik bzw. der Wandel politischer Auffassungen entscheiden – freilich im Rahmen der Gesetze – darüber, ob der Staat und seine Untergliederungen eine Aufgabe zur eigenen Erledigung an sich ziehen, behalten bzw. vollständig oder teilweise einem Privaten überantworten und sich gegebenenfalls bestimmte Eingriffs- und Aufsichtsbefugnisse vorbehalten 280. 1. Das Fehlen einer Staatsaufgabendogmatik Die Lehre von den Staatsaufgaben ist „heute erst Entwicklungsland der deutschen Staatsrechtslehre“; sie „hat bisher keine hinlänglich klare und hinlänglich differenzierte Begrifflichkeit geschaffen, die den Bedürfnissen der staatsrechtlichen Praxis und Theorie unter Geltung des Grundgesetzes Genüge täte“. So281 oder ähnlich 282 beginnen nicht wenige Arbeiten, die sich (zumindest auch) mit der Problematik der öffentlichen und staatlichen Aufgaben befassen. Weder die gesamtstaatliche Reichweite noch die Bedeutung für Fragen des Rechtsschutzes, rechtlicher Bindungen und der Haftung bei der konkreten Aufgabenwahrnehmung haben zur Etablierung einer gesicherten Staatsaufgabenlehre geführt. Auch in neueren Arbeiten 283 finden sich zuvorderst Verweise auf die grundlegenden Ausführungen von Peters 284, Klein 285, Leisner 286, Martens 287 und Steiner 288. Insoweit ist mitunter eine gewisse Resignation 279 Grundlegend: Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 5 ff.; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 103 ff.; zum Begriff der „Gemeinwohlverantwortung“: Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 26 ff. 280 Zur Frage des Bestehens eines „privatisierungsfesten Aufgabenkerns“ jüngst: Kaemmerer, Privatisierung, S. 157 ff.; vgl. hierzu bereits 2. Kapitel A. 281 Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnr. 1. 282 Z. B. Ellwein, Einführung in die Regierungs- und Verwaltungslehre, S. 13 ff.; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S.135; Herzog, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 58 Rdnrn. 1 ff.; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 73; Schuppert, VerwArch. 71 (1980), S. 309; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 103 f. 283 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 41 ff.; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 13 ff.; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 135 ff.; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnrn. 1 ff.; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 206/225. 284 Peters, in: FS f. Nipperdey, S. 877 ff. 285 Klein, DÖV 1965, S. 755 ff.; ders., Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 23 ff. 286 Leisner, Werbefernsehen und Öffentliches Recht, S. 15 ff. 287 Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 123 ff.

13 Regler

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

im Hinblick auf das Erreichen einer grundgesetzlichen Staatsaufgabenlehre zu konstatieren 289. Das BVerfG hat – trotz der Kritik des Schrifttums, auf die noch einzugehen sein wird – im „Fernsehurteil“ 290 dazu beigetragen, die Grundlage des heute vorherrschenden formalen Staatsaufgabenbegriffs zu legen. Die Schwierigkeiten bei der Abschichtung von öffentlichen und staatlichen Aufgaben erinnern an die Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht 291. Staatswissenschaftlich ist dies freilich eine logische Schlussfolgerung, verfügen doch beide Fallgruppen über denselben Ausgangspunkt, nämlich die ursprüngliche Trennung von Staat und Gesellschaft 292. Die Kreation staatlicher Aufgaben ist die Konsequenz der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft; wird diese Unterscheidung verneint, so erscheint eine Abschichtung von öffentlichen und staatlichen Aufgaben nicht haltbar 293. Auch die weiters genannten Ursachen für das Fehlen einer Staatsaufgabendogmatik sind komplexer Natur: In erster Linie wird ein „Versagen der Wissenschaft“ 294 beklagt; auch ein solches der Rechtswissenschaft, vor allem aber der Politologie und der Soziologie 295. Besondere Berücksichtigung verlangt die historische Ausgangslage. 296 Der in Hochzeiten der Privatisierungsdebatte kritisierte, mit Aufgaben „überantwortete“ Staat hat seine Wurzeln bereits im ausgehenden Mittelalter. Die territoriale Zergliederung und die Machtkonzentration auf die Landesfürsten führten dazu, dass das jeweilige Herrschaftsregime für damalige Verhältnisse eine Vielzahl an Aufgaben an sich zog und dem sich langsam entwickelnden Bürgertum wenig Verantwortung überließ. Die bürgerliche Bewegung forderte wenig Eigenverantwortung ein, sie begnügte sich vielmehr mit einer Freiheit vom Staat. Der Entwicklung eines aufgabenintensiven und fürsorglichen Gemeinwesens wurde dadurch Vorschub geleistet. Die Krüger’sche 297 „General- und Blankovollmacht“ des Staates und der notwendig offene und damit politischen Schwankungen unterworfene Aufgabenbereich des Staates verdanken ihre Bedeutung in erster Linie dem Umstand der (insoweit vielfach be-

Steiner, DÖV 1970, S. 526 ff.; ders., Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 46 ff. Vgl. Schuppert, VerwArch. 71 (1980), S. 309. 290 BVerfG, Urt. v. 28.2.1961, E 12, S. 205 ff. 291 Die Besonderheit besteht darin, dass die Vergleichspaare „öffentliches Recht/staatliche Aufgaben“ und „privates Recht/öffentliche Aufgaben“ lauten, wodurch bereits zum Ausdruck kommt, dass die öffentliche Aufgabe gerade nicht in den Formen des öffentlichen Rechts wahrgenommen werden muss. An dieser terminologischen Ungenauigkeit der „öffentlichen“ Aufgabe setzt sogleich Bull (Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 48 f.) an. 292 Siehe 3. Kapitel A. I. 1. 293 Böckenförde, Staat Gesellschaft Freiheit, S. 200 ff.; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 43; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 139 ff. 294 So Ellwein, Einführung in die Regierungs- und Verwaltungslehre, S. 13 ff. 295 Einen interdisziplinären Ansatz fordern z.B. Ellwein, Einführung in die Regierungs- und Verwaltungslehre, S. 13 ff.; Häberle, AöR 111 (1986), S. 595/600; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 103 ff. 296 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S.64 ff.; Ellwein, Einführung in die Regierungs- und Verwaltungslehre, S. 19 ff. m. w. Nachw. 297 Siehe Einleitung A. 288 289

B. Die Einordnung der staatlichen Bedarfsdeckung

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klagten) Zurückhaltung des Grundgesetzes 298 bei der Normierung ausdrücklicher Staatsaufgaben. Schließlich ist es auch im signifikanten Bereich der Daseinsvorsorge nicht gelungen, Betätigungen des Staates und seiner Untergliederungen zu eruieren, die originär als öffentliche Verwaltung anzusehen sind 299. Der Herausarbeitung handhabbarer Kriterien zur Qualifikation öffentlicher und staatlicher Aufgaben war zudem die Rechtsprechung des BVerfG 300, die im Schrifttum 301 wegen ihrer mitunter indifferenten Verwendung der Termini „öffentlicher“ und „staatlicher“ Aufgaben ausgiebig kritisiert wurde, abträglich. Die Diskussion über die Abschichtung von öffentlichen und staatlichen Aufgaben wird in letzter Zeit unter geänderten Vorzeichen geführt. Sie hat sich zu einer Diskussion über staatliche Verantwortungsstufen verlagert, welche nach dem jeweiligen Grad der staatlichen Intensität differieren. Trute 302 als einer der Vordenker spricht von der „Verantwortungsteilung“ als „Neuakzentuierung staatlicher Steuerungskapazität unter veränderten Bedingungen, die Verantwortungsteilungen weniger als einen 298 Herzog, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 58 Rdnrn. 28 ff. Burgi (Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 58) formuliert treffend: „In aller Regel empfängt der Staat bei der Entscheidung über die Bestimmung zur Staatsaufgabe aus der Verfassung nicht mehr als eine Art Rückendeckung, bisweilen wird ihm eine Richtung aufgezeigt.“ Ansätze für eine Normierung unter rechtsvergleichenden Gesichtspunkten liefert Häberle (AöR 111 (1986), S. 595/605 ff.). 299 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 131 ff.; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 140 f.; Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 31. 300 Die Rechtsprechung des BVerfG ist durch eine fehlende Differenzierung der „öffentlichen“ von den „staatlichen“ Aufgaben gekennzeichnet (z. B. Urt. v. 24.6.1958, E 8, S. 51 ff. „Parteienfinanzierung“; Urt. v. 23.3.1960, E 11, S. 30 ff. „Kassenärzte“; Urt. v. 19.12.1962, E 15, S. 235 ff. „Industrie- und Handelskammern“). Obwohl begrifflich als „öffentliche Aufgaben“ bezeichnet, handelt es sich bei den Betätigungen in den genannten Judikaten um solche, die, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, den Anforderungen an „staatliche Aufgaben“ genügen. Im „Fernsehurteil“ (Urt. v. 28.2.1961, E 12, S. 205 ff.; vgl. weiters die Entscheidungen Beschl. v. 14.01.1976, E 41, S. 205/217 f.; Urt. v. 24.7.1979, E 52, S. 63/85; Beschl. v. 25.3.1980, E 53, S. 366/401) scheidet das BVerfG erstmals öffentliche von staatlichen Aufgaben. Das BVerfG (Urt. v. 27.7.1971, E 31, S. 314/329) verwendet schließlich auch den Begriff der „öffentlich-rechtlichen Aufgabe“. Dem folgen zum Teil die Fachgerichte, z. B. BVerwG, Beschl. v. 7.6.1994, NJW 1994, S. 2500. Dieser Terminus erweist sich indes für die Abschichtung der öffentlichen von den staatlichen Aufgaben als ungeeignet, da sich ein Rückschluss von der Form des zur Aufgabenwahrnehmung eingesetzten Mittels auf die Qualität der Aufgabe selbst verbietet (siehe bereits 3. Kapitel A. II. 2.; auch Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 45). Eine Zusammenstellung der Rechtsprechung des BVerfG bis zum Jahr 1965 gibt Klein (DÖV 1965, S. 755 ff.). 301 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 50, 105; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 41 ff.; Leisner, Werbefernsehen und Öffentliches Recht, S. 24 f.; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 138/152: „phraseologisch und apodiktisch“; Peters, in: FS f. Nipperdey, S. 877/890: „Mangel an Weitblick“. 302 Trute, in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13/15. Vgl. im Übrigen: ders., in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 169/197 ff.; Hoffmann-Riem, DÖV 1997, S. 433/440 ff.; Schuppert, Die Verwaltung 31 (1998), S. 415 ff.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

Rückzug als vielmehr einen Formenwandel staatlicher Steuerung ausweisen“. Nicht nur er 303 sieht im Übergang vom „Leistungs- zum Steuerungsstaat“ den „Königsweg zwischen Aufgabenprivatisierung und staatlicher Überforderung“. Ursächlich für diesen rechts- und sozialwissenschaftlichen Ansatz sind der durch die Privatisierungswelle ausgelöste Rückzug des Staates aus der Aufgabenerfüllung bzw. – nach Trute – die damit formgewandelte staatliche Steuerung und die hierdurch initiierte Ausdifferenzierung der Aufgaben zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Stellen. An der Notwendigkeit eines „Denkens in Verantwortungsstufen“ besteht angesichts der vielfältigen Formen des Zusammenwirkens sowie der Kooperation staatlicher und privater Stellen bei der Wahrnehmung öffentlicher und staatlicher Aufgaben kein Zweifel, zumal eine einheitliche Kategorisierung ganzer Sachbereiche, das Verkehrswesen ist hierfür ein eindrucksvolles Beispiel, nicht mehr möglich ist 304. Insoweit steht die Idee der abgestuften und geteilten Verantwortung an der Schnittstelle zwischen der ursprünglichen und nunmehr als Verschränkung verbleibenden Trennung von Staat und Gesellschaft sowie den neu entdeckten Formen staatlicher Aufgabenwahrnehmung. Unter Letztere sind beispielsweise die verstärkte Verwendung des öffentlich-rechtlichen Vertrages und der Instrumente des informellen Staatshandelns sowie die gestiegene Bedeutung des Verfahrensrechts und der Steuerungsgesetzgebung zu subsumieren 305. Dennoch gilt es, die vorstehend angesprochene (bloße) Verlagerung der Staatsaufgabendiskussion im Auge zu behalten: Ein an der Intensität des Staatshandelns orientiertes Denken in Verantwortungsstufen stellt keine Lösung der Staatsaufgabendebatte dar; es trägt auch nicht den Anspruch einer Lösung in sich. Vielmehr ist es als Reaktion auf die geschilderte Rechtsentwicklung zu begreifen. Aufgaben werden in Teilbereiche untergliedert und nach dem Grad staatlicher und/ oder privater Wahrnehmung aufgespalten. Bekannte Probleme der Staatsaufgabendogmatik stellen sich, sobald nach einer normativen Rechtfertigung bzw. nach normativen Grenzen der Verantwortungsbereiche gefragt wird 306. Im Hinblick auf die Verwaltungsagenda der Bedarfsdeckung durch Vergabe öffentlicher Aufträge ist eine gegenläufige Rechtsentwicklung zu konstatieren. Die Untersuchungen zur Herausbildung verschiedener, nach ihrer Intensität gestaffelter Stufen staatlicher Verantwortung sind Ausfluss der Privatisierung von Aufgaben, die ursprünglich vom Staat auf höherer Verantwortungsebene wahrgenommen wurden. Während die allgemeine Diskussion über die Verringerung von Aufgaben(verHermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 155. Herzog, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 58 Rdnrn. 32 ff.; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnrn.138 ff.; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 138 f. Siehe ferner Stender-Vorwachs, Staatliche Verantwortung für gemeinverträglichen Verkehr auf Straße und Schiene, S. 8 ff. 305 Hoffmann-Riem, DÖV 1997, S. 433 ff.; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 152 f. 306 Zur „normativen Betrachtung staatlicher Verantwortungsbereiche“: Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 157 f. Vgl. i. Ü. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 62 ff. 303 304

B. Die Einordnung der staatlichen Bedarfsdeckung

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antwortung) geführt wird, ist der Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe gerade durch die Zunahme der staatlichen Verantwortung, in erster Linie der Verfahrensverantwortung, gekennzeichnet. Wie die Ausführungen im 2. Kapitel A. III. gezeigt haben, ist die staatliche Bedarfsdeckung am privaten Markt auch nicht unter den Begriff der Privatisierung zu subsumieren. Weiters darf die staatliche Bedarfsdeckung nicht ausschließlich in ihrer Funktion als notwendiges Instrument finaler Aufgabenerfüllung verstanden werden. Die Dogmatik der öffentlichen und staatlichen Aufgaben sowie das Denken in staatlichen Verantwortungsstufen setzen jedoch einen Aufgaben- bzw. Verantwortungsabbau weder voraus noch beschränken sie sich auf eine solchen. Dies gilt erst recht für eine Betrachtung der Bedarfsdeckung samt ihrer Funktionen als eigenständige Aufgabenebene. 2. Die bestehende Systematisierung Überlegungen zu einer Kategorisierung des Staatshandelns weisen einen gemeinsamen Ausgangspunkt auf: die Verpflichtung des Staates auf das „gemeine Beste“, also auf die bestmögliche Verwirklichung des Gemeinwohls. Diese Verpflichtung wird auf den Ebenen der Staatszwecke, Staatsfunktionen, Staatsziele und Staatsaufgaben erörtert. Die Abschichtung der hier relevanten Ebene der Staatsaufgaben wird nach Maßgabe der einschlägigen Abstraktionsstufe bewerkstelligt 307: Die Staatszwecke sind der „individuellen Existenz“ und des „individuellen Wohlbefindens“ 308 untergeordnet; sie binden und begrenzen die Staatsgewalt. Staatszwecke befassen sich mit der Errichtung und der Organisation der Staatsgewalt auf der höchsten Abstraktionsstufe. Unter Staatsfunktionen wird allgemein die Unterscheidung nach den drei Staatsgewalten verstanden 309. Staatsziele schließlich stehen in Bezug auf den Abstraktionsgrad zwischen den Staatszwecken und den Staatsaufgaben. Staatsziele stellen in der Verfassung verankerte Grundsätze des Staatshandelns dar, die sowohl eine Handlungspflicht als auch eine Ermessensdirektive beinhalten. Sie verpflichten das Staatswesen, diese Grundsätze „nach Kräften anzustreben“ und sein „Handeln danach auszurichten“ 310. Abstellend auf das Gemeinwohl als Ausgangspunkt sowie auf einen konkreten Sachbereich als Gegenstand einer Staatsaufgabe unterscheidet die Rechtslehre öffentliche Interessen, öffentliche Aufgaben und staatliche Aufgaben. Öffentliche bzw. allgemeine Interessen sind Interessen des Gemeinwohls. Ist die Öffentlichkeit 307 Böckenförde, Staat Gesellschaft Freiheit, S. 188 ff.; Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 43 ff.; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 136; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 103 ff. 308 Herzog, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 58 Rdnrn. 4 ff.; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 103 ff.; grundlegend Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 230 ff. 309 Herzog, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 58 Rdnr. 2. 310 So die lehrbuchhafte Definition gemäß Art. 13 Sächsische Verfassung. Eingehend Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

an deren Erfüllung „maßgeblich interessiert“, so handelt es sich nach den grundlegenden Ausführungen von Peters 311 um öffentliche Aufgaben. Das Schrifttum ist nicht einheitlich. Vielfach wird das Bestehen einer öffentlichen Aufgabe dann bejaht, wenn deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt 312. Weitere Ausführungen sind insoweit nicht geboten, da die öffentliche Aufgabe ihre Bedeutung nicht durch die Ermöglichung einer klaren Grenzziehung zum öffentlichen Interesse, sondern als Grundlage der von ihr zu scheidenden staatlichen Aufgabe erlangt. Die dieser Unterscheidung historisch zugrunde liegende Trennung von Staat und Gesellschaft 313 konkretisiert sich im Bereich der Staatsaufgabendogmatik dahingehend, dass, die Ebene der öffentlichen Aufgabe isoliert betrachtet, ein konkreter Sachbereich besteht, welcher der Art und Weise, mit der sich seiner befasst werden soll, indifferent gegenüber steht. Das Bestehen einer öffentlichen Aufgabe trifft keinerlei 314 Aussage über die Befugnis zur Aufgabenwahrnehmung, über deren Rechtsform oder über den für die Wahrnehmung zuständigen öffentlichen oder privaten Rechtsträger. Dennoch kommt der Kategorisierung eines Bereichs als (nur) öffentliche und nicht (auch) staatliche Aufgabe Relevanz zu, insbesondere in Fragen des Rechtsschutzes, der Haftung und der bestehenden rechtlichen Bindungen. Diese Ausführungen erhellen, dass der Kritik 315 zum Trotz am Kriterium der öffentlichen Aufgabe festzuhalten ist. Daher ist Badura beizupflichten, wonach nicht auf die juristische Wertlosigkeit des Kriteriums der öffentlichen Aufgabe zu schließen ist, „wenn auch Existenz, Modus und Verwirklichungsdichte der öffentlichen Aufgaben (...) umstritten und zweifelhaft sein können“ 316. Dies verdeutlicht, dass 311 Peters, in: FS f. Nipperdey, S. 877/878. Ähnlich Steiner (DÖV 1970, S. 526/529): „erhebliche öffentliche Relevanz“. 312 Badura (in: FS f. Schlochauer, S. 3/9) spricht von einer „spezifischen Bedeutung für die Gesamtheit oder das gemeine Wohl“, durch die der betreffende Bereich „besonderer rechtlicher Regelung oder staatlicher Beaufsichtigung bedürftig und zugänglich ist“. Burgi (Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 43) und Uerpmann (Das öffentliche Interesse, S. 32) verlangen lediglich das Bestehen eines allgemeinen bzw. öffentlichen Interesses. Ehlers (Verwaltung in Privatrechtsform, S.200) plädiert dafür, den Begriff der „öffentlichen Aufgabe“ durch den der „Verwaltungsaufgabe“ zu ersetzen. Da er unter „Verwaltungsaufgaben“ indes Aufgaben versteht, die der Verwaltung durch Rechtssatz übertragen wurden oder welche die Verwaltung in rechtlich zulässiger Weise an sich gezogen hat, subsumiert er bereits auf der Ebene der Staatsaufgaben; siehe hierzu im Folgenden. 313 Siehe 3. Kapitel A. I. 1. 314 Steiner (DÖV 1970, S. 526/529) bejaht eine Funktionsvermutung zu Gunsten staatsfreier Tätigkeit. In diese Richtung auch Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnr. 138; zweifelnd Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 138/155 Anm. 80. Freilich sei darauf hingewiesen, dass, soweit die Ebene der öffentlichen Aufgabe nicht isoliert betrachtet wird, bestimmte Sachbereiche eine unmittelbare staatliche Wahrnehmung erfordern, sog. notwendige Staatsaufgaben (vgl. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 99 ff.; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 52 Fn. 200; siehe auch 2. Kapitel A.). 315 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 47 ff.; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 123 ff.; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 107 f. 316 Badura, in: FS f. Schlochauer, S. 3/9.

B. Die Einordnung der staatlichen Bedarfsdeckung

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die opinio communis 317 einerseits die Zulässigkeit eines Schlusses vom öffentlichen Interesse auf die öffentliche Aufgabe, andererseits die Unzulässigkeit eines Schlusses von der öffentlichen auf die staatliche Aufgabe folgert. Die Unterscheidung von öffentlichen und staatlichen Aufgaben ist indes nicht als eine „echte Abgrenzung“ in dem Sinn einzuordnen, dass ein aliud-Verhältnis bestünde 318. Die Abgrenzung wird vom Kriterium der Spezialität bestimmt, so dass die öffentliche Aufgabe als der Grundfall, die staatliche Aufgabe als der Spezialfall anzusehen ist. Eine staatliche Aufgabe ist immer auch eine öffentliche Aufgabe, wohingegen eine öffentliche Aufgabe eine staatliche nur dann ist, wenn sich ein staatlicher Kreationsakt im Sinn der nachstehenden Ausführungen feststellen lässt. Nicht die erforderliche Klarheit besitzt die vielfach verwendete Formulierung, öffentliche Aufgaben lägen im Gegensatz zu den staatlichen in der Verantwortung der Gesellschaft oder würden von dieser erfüllt 319. Derartige Formulierungen legen statt dem Verhältnis der Spezialität ein aliud-Verhältnis nahe; zuzustimmen ist ihnen nur, soweit sie sich mit solchen öffentlichen Aufgaben befassen, die ausschließlich öffentliche, nicht auch staatliche Aufgaben sind. Zur Kategorisierung öffentlicher Aufgaben als staatliche Aufgaben führt das BVerfG im „Fernsehurteil“ 320 aus: „Die Veranstaltung von Rundfunksendungen ist nach der deutschen Rechtsentwicklung eine öffentliche Aufgabe. Wenn sich der Staat mit dieser Aufgabe in irgendeiner Form befaßt, (auch dann, wenn er sich privatrechtlicher Formen bedient), wird sie zu einer staatlichen Aufgabe im Sinne von Art. 30 GG.“

Die Rechtswissenschaft hielt und hält überwiegend an dieser Grundaussage fest; meist dahingehend modifiziert, dass die „Befassung in irgendeiner Form“ als Mindestvoraussetzung verfassungskonform zu erfolgen hat. Sonach werden als staatliche Aufgaben solche verstanden, die der Staat im Rahmen der geltenden Verfassungsordnung rechtswirksam oder zulässigerweise für sich in Anspruch nimmt321. Für eine Befassung in diesem Sinn kommt es dabei nicht darauf an, ob sie durch gemeinschaftsrechtliches Primär- oder Sekundärrecht veranlasst wurde 322. Etabliert 317 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 42 ff.; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 14 ff.; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnrn. 136 ff.; Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 25; Peters, in: FS f. Nipperdey, S. 877 ff.; Scheuner, in: FS f. Peters, S. 797/801 ff.; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 54; ders., JuS 1969, S. 69 f.; Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 32 ff.; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 176 m. w. Nachw. 318 Ein aliud-Verhältnis bzw. ein Verständnis als „Gegenbegriffe“ befürwortet indes Weiß (Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 22 ff.). 319 v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 14 f.; Klein, DÖV 1965, S. 755/758. 320 BVerfG, Urt. v. 28.2.1961, E 12, S. 205 ff. 321 Böckenförde, Staat Gesellschaft Freiheit, S. 203; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnr. 137; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 131; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 138/153; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 46; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 177. 322 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 50; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 131.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

wird damit der sog. formale Staatsaufgabenbegriff. Rekurrierend auf die Staatstheorie ist der formale Staatsaufgabenbegriff eine ebenso logische wie zwingende Konsequenz, da der mit einem materiellen Staatsaufgabenbegriff verbundene Rechtfertigungszwang bei der staatlichen Befassung mit öffentlichen Aufgaben mit der potenziellen bzw. virtuellen Allzuständigkeit 323 nicht vereinbar wäre 324. Demgegenüber wird aus einem Erfordernis der Verfassungskonformität deutlich, dass der Staatsaufgabenbegriff de facto nicht rein formaler Natur ist. Burgi 325 schlägt insoweit vor, die staatliche Allzuständigkeit als „Bestimmungskompetenz“ bei der als Kompetenzregel verstandenen Grundrechtsbindung des Art. 1 Abs. 3 GG zu verankern. Für die praktische Handhabung ist damit noch nicht viel gewonnen. In Frage steht, welche Anforderungen an die verfassungskonforme Befassung mit einer Aufgabe im Wege eines – mit den Worten Isensees 326 – „staatlichen Kreationsaktes“ zu stellen sind. Verfassungskonformität bedeutet, dass dem Grundgesetz die „Grundentscheidungen über die politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Ordnung“ entnommen werden können, deren Ausgestaltung Sache des einfachen Rechts ist und aufgrund der erforderlichen Flexibilität bei sich ändernden Rahmenbedingungen auch sein muss 327. Verfassungsreal und verfassungskonform ist sonach eine Staatsaufgabenkaskade, bestehend aus Grundgesetz, einfachem Recht und Verwaltungsvorschriften. 328 Dass die Ermittlung der Staatlichkeit einer Aufgabe (in erster Linie) als Frage der Verfassungsauslegung begriffen wird 329, mag darin begründet sein, dass das Grundgesetz als Ausgangspunkt der Überlegungen fungiert. Das Grundgesetz verwendet in Art. 30 den Terminus der „staatlichen Aufgaben“. Hierbei kommt zum Ausdruck, dass Regelungsgegenstand des Grundgesetzes unmittelbar nur Kompetenzen und Staatsfunktionen sind, die einer Umdeutung in Staatsaufgabenkataloge nicht zugänglich sind. Eine Verknüpfung findet insoweit statt, als lediglich Staatsaufgaben als Gegenstand einer Kompetenz in Betracht kommen. 330 Eine grundgesetzliche Aufgabenrelevanz kommt ferner den Staatszielbestimmun-

Siehe Einleitung A. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S.91; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 48 ff.; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 52 f. 325 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 52 ff. 326 Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, §57 Rdnr.137. 327 Grundlegend Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 114 ff. 328 Wallerath (Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 179) formuliert: „Allein entscheidend ist somit, ob und inwieweit das Grundgesetz öffentliche Bedarfsdeckung als Gegenstand staatlicher Aufgabenwahrnehmung sanktioniert, sei es, daß es sie ausdrücklich als „staatliche Aufgabe“ deklariert, sei es, daß es sie stillschweigend als solche voraussetzt und ihre nähere Ausgestaltung Gesetzgeber und/oder Verwaltung überläßt.“ 329 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S.105 ff.; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnr. 137; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 138/155. 330 So Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnrn. 147 ff.; vgl. auch Klein, DÖV 1965, S. 755/758; ders., Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 24 f. 323 324

B. Die Einordnung der staatlichen Bedarfsdeckung

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gen und den Grundrechten zu 331. Bezüglich der Grundrechte ist dies die Folge ihres Verständnisses als objektive Wertordnung, wodurch sich Grundrechte und Staatsaufgaben einander annähern. Häberle 332 hat neben dem (vorhandenen) „Schrankendenken“ ein „Aufgabendenken“ etabliert. Grundrechte weisen hiernach einen doppelten Bedeutungsgehalt auf; einerseits normieren sie die Grenzen staatlicher Betätigung und Befassung, andererseits umschreiben sie positiv Aufgaben des Staates. Letztere Eigenschaft des Grundrechtskataloges ist indes nur zweitrangig, soweit wie in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 7 Abs. 1 GG ausdrücklich Pflichten normiert werden. Im Bereich der Leistungsverwaltung ist eine grundrechtliche Aufwertung von Verfahren zu konstatieren 333. Grundrechte sind allgemein als für eine Deduktion von Staatsaufgaben geeignet anzusehen. Die Ermittlung des konkreten „staatlichen Kreationsaktes“ ist also zunächst auf die Auslegung des gesetzgeberischen Willens gerichtet, wobei diese Frage dann entschärft ist, wenn der Gesetzgeber die Staatlichkeit der betreffenden Aufgaben ausdrücklich deklariert hat 334. In den verbleibenden Fällen, die den überwiegenden Teil ausmachen, wird die Steiner’sche 335 Gesamtbetrachtung aller „tatsächlichen und normativen Elemente des in Frage stehenden Sachverhalts“ bei Ossenbühl 336 durch eine Indizientheorie modifiziert. Ossenbühl gibt zur Ermittlung der Staatlichkeit folgende Indizien an die Hand: Staatlich seien sonach Aufgaben, die einer öffentlich-rechtlichen Organisation zugewiesen sind. Soweit der Staat bestimmte Sachbereiche auf private Rechtsträger verlagert, komme es im Hinblick auf die Staatlichkeit der Aufgabe darauf an, dass keine Aufgaben vorliegen, die nur von privaten Rechtsträgern wahrgenommen werden können, ferner darauf, ob beim Verwaltungsträger eine Verwaltungsaktsbefugnis mit Drittwirkung verbleibe und ob es sich um Verwaltungstätigkeiten handle, die der unmittelbaren oder mittelbaren Staatsverwaltung selbst obliegen. Im Übrigen seien grundsätzlich auch Gesichtspunkte der konkreten rechtlichen Ausgestaltung, wie zum Beispiel Haftung, Verantwortlichkeit, Rechtsschutz, Aufsicht und Weisungsbindung, zu würdigen. Nur „grundsätzlich“ soll dies deshalb sein, weil die (bloße) staatliche Steuerung durch eine Rahmenvorgabe und durch die Wahrnehmung der Aufsicht für die Staatlichkeit der Aufgabe im Regelfall noch nicht genügt 337. Ferner dürften diese Gesichtspunkte bereits beim Merkmal der „öffentlich-rechtlichen Organisation“ verbraucht sein. Zu verge331 Zu weiteren grundgesetzlichen Bestimmungen mit Aufgabenrelevanz im Bereich der Beschaffung: Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 179 f. 332 Häberle, AöR 111 (1986), S. 595/602 f.: „grundrechtsorientiertes Kompetenzdenken“; ders., VVDStRL 30 (1972), S. 44/103 ff. 333 Sog. Grundrechtsschutz „im“ und „durch“ Verfahren; vgl. 3. Kapitel A. II. 5. b) ff). 334 Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 51 f. 335 Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 50. 336 Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 138/155 ff. 337 Zum Erfordernis der eigenständigen staatlichen Aufgabenwahrnehmung im Gegensatz zum bloßen Umfang staatlicher Betätigung: Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 62 ff. und nachfolgend.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

genwärtigen ist, dass – das haben die Entscheidungen im Rundfunkbereich hinreichend verdeutlicht 338 – die Bejahung einer öffentlich-rechtlichen Organisation einen Schluss auf die Staatlichkeit der Aufgabe nicht ohne weiteres zulässt. Eine Indizwirkung soll schließlich auch dem „Aufgabenzusammenhang“ zukommen. Hierunter sind nach Ossenbühl die Merkmale der Annexität bzw. der Konnexität zu subsumieren, wonach Aufgaben dann als staatliche einzuordnen sind, wenn sie in „untrennbarem Konnex“ zu staatlichen Aufgaben stehen oder sich „als Teilakte einer umfassenderen Kompetenz erweisen, die im Schwerpunkt von staatlichen Behörden ausgeübt werden“ 339. Neben der Ermittlung der Staatlichkeit im Wege einer Gesamtbetrachtung der Rechtstatsachen ist ein formeller Ansatz im Vordringen befindlich, der die Staatlichkeit der Aufgabe nach ihrem – untechnisch gesprochen – „öffentlich-rechtlichen Charakter“, besser: nach ihrer Verankerung im öffentlichen Recht beurteilt. Dieser Ansatz zeichnet sich zunächst dadurch aus, dass den „klassischen“ Kategorien des Staatshandelns keine Maßgeblichkeit beigemessen wird. Nicht relevant ist zunächst die Handlungsform der staatlichen Ausführungshandlung. Insofern sei auf die Ausführungen in diesem Kapitel unter Abschnitt A. II. 2. verwiesen. Keine (unmittelbare) Bedeutung kommt darüber hinaus den Kategorien der Eingriffsverwaltung, der schlicht-hoheitlichen, verwaltungsprivatrechtlichen sowie der erwerbswirtschaftlichen und bedarfsdeckenden Verwaltung zu 340. Dies spielt mit dem Umfang der bestehenden und bestehenbleibenden öffentlich-rechtlichen Bindungen, insbesondere aus Art. 1 Abs. 3 GG, zusammen 341. Klein 342 begreift öffentliche Aufgaben dann als staatliche, wenn sie zumindest andeutungsweise in Normen des öffentlichen Rechts festgelegt und dem Staat rechtssatzmäßig aufgegeben sind. Die Staatlichkeit öffentlicher Aufgaben wird hiernach durch den der konkreten Staatstätigkeit zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Rechtssatz ausgelöst. Die Vornahme privatrechtlicher Rechtsgeschäfte stellt sich dann als Wahrnehmung von Staatsaufgaben dar, soweit sie in Erfüllung einer öffentlich-rechtlich normierten öffentlichen Aufgabe geschieht. Näher an die Diktion des BVerfG im „Fernsehurteil“ hält sich Burgi 343: In Erfüllung einer staatlichen Aufgabe handle der Verwaltungsträger dann, wenn er erstens das „Zurechnungsendsubjekt“ der Aufgabe sei und zweitens die betroffene Aufgabe (selbst) wahrnehme. Die Abgrenzung zur (nur) öffentlichen Aufgabe voll338 BVerfG, Urt. v. 28.2.1961, E12, S. 205 ff.; Urt. v. 27.7.1971, E31, S. 314 ff.; abweichende Meinung der Richter Dr. Geiger, Dr. Rinck und Wand, E 31, S. 337 ff. 339 Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S.138/158; in diesem Sinn auch Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 91 ff. 340 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 54 f.; Forsthoff, Der Staat als Auftraggeber, S. 20 f.; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 152 ff.; Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 24 f.; Mallmann, VVDStRL 19 (1961), S. 165/196 f. 341 Siehe 3. Kapitel D. I. 342 Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 24 f. 343 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 63 ff.

B. Die Einordnung der staatlichen Bedarfsdeckung

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zieht sich anhand der Schwelle zwischen der staatlichen Wahrnehmung und dem bloßen Umfang 344 der staatlichen Wahrnehmung. Eine öffentliche Aufgabe wird noch nicht dadurch zur staatlichen Aufgabe, dass der Staat „ihre Wahrnehmung lenkt, überwacht oder fördert“. Die für die Staatlichkeit erforderliche „eigenständige“ oder „eigenverantwortliche“ 345 Wahrnehmung der Aufgabe ist bei der unmittelbaren Tätigkeit des Staates und seiner Untergliederungen nach außen zu bejahen, ferner bei der Tätigkeit organisationsprivatisierter Einheiten sowie bei der staatlichen Zwischenschaltung von Beliehenen und Verwaltungshelfern 346. Bei den Einheiten der mittelbaren Staatsverwaltung gilt grundsätzlich 347 nichts anderes. Bei Lichte betrachtet, sind die vorstehenden Ansätze so formell nicht. Die Prüfung der Staatlichkeit der konkreten Aufgabe wird zum Teil durch die akzessorische Anknüpfung an die Öffentlich-Rechtlichkeit erleichtert. De facto verlagert sich die Prüfung auf diejenige der Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht, die sich, wie gesehen, mit (materiellen) Abwägungskriterien gut vertraut zeigt. Auch die Feststellung der eigenständigen staatlichen Wahrnehmung kommt in der Regel nicht ohne materiellrechtliche Hilfestellungen aus. Eine Zwitterstellung als gemischt formell-materieller Ansatz nimmt die Burgi’sche 348 Auffassung insofern ein, als sie in der Aufgabendogmatik „unvertretbare“ und „trägerbezogene“ Staatsaufgaben kategorisiert. Unter „unvertretbare“ Aufgaben subsumiert Burgi Aufgaben, die „in einer Weise auf den Aufgabenträger Staat und seinen Untergliederungen bezogen sind, dass sie lediglich von diesen wahrgenommen“ werden können. Hierunter werden also Betätigungen gefasst, die aufgrund ihrer Aufgabenbedingtheit und Trägerbezogenheit nur eine staatliche Wahrnehmung erlauben. Er begründet dies final 349 nach Maßgabe des verfolgten Interesses: Bezweckt die Beschaffung die bloße Deckung des Bedarfs zur Aufrechterhaltung der Verwaltungstätigkeit, dann sei die Aufgabe wesensmäßig trägerbezogen und damit als unvertretbare staatliche Aufga344 Hier setzt die Abgrenzung zum „Fernsehurteil“ ein. Die Bejahung der Staatlichkeit verlangt eine bestimmte Qualität der Befassung. 345 Auf das Kriterium der Eigenverantwortlichkeit für die Bestimmung der Staatlichkeit der Aufgabe stellen Kunert (Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 81 ff.) und Bull (Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 50) ab. 346 Die Beleihung ist „kein Verzicht des Staates auf die Erfüllung einer Aufgabe, sondern ein Verzicht auf die Erfüllung einer Aufgabe durch eigene Behörden“ (Steiner, JuS 1969, S.69/71). Sie ist als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung konzipiert, so dass die vom Beliehenen wahrzunehmenden Aufgaben als staatliche verbleiben. Hierzu: Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 68 f.; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private; S. 46 ff.; 2. Kapitel A. II. 4. 347 „Grundsätzlich“ deshalb, weil trotz der Organisation durch Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts die Wahrnehmung von Staatsaufgaben verfassungsrechtlich ausgeschlossen sein kann, z. B. bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Bereich der Programmgestaltung, bei Kirchen und im Hochschul- und Kulturbereich, näher: Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 67 f. 348 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 59 ff. 349 Hierzu und zum Begriff der finalen Aufgabe siehe 2. Kapitel A. III.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

be einer Privatisierung 350 entzogen. Vergleichbar ist der Ansatz von Isensee 351, der das Begriffspaar der „finalen“ und „instrumentalen“ Staatsaufgaben prägte. „Instrumental“ und zugleich „unvertretbar“ seien Staatsaufgaben, die zwar unentbehrlich, einem öffentlichen Interesse jedoch nur indirekt zu dienen bestimmt sind352 und sich auf das staatliche Instrumentarium der Gemeinwohlverwirklichung beziehen. Als gemeinsames Ganzes lässt sich nach alledem feststellen: Der Staatsaufgabenbegriff kann im bestehenden Verfassungsgefüge nur ein formaler sein. Insoweit ist das Schrifttum der Diktion des BVerfG gefolgt. Im Wesentlichen unergiebig für die Abschichtung einer staatlichen von einer öffentlichen Aufgabe sind die Handlungsform der Betätigung des Verwaltungsträgers sowie die Kategorien des Staats- und Verwaltungshandelns, also der eingriffsverwaltenden, schlicht-hoheitlichen und verwaltungsprivatrechtlichen sowie erwerbswirtschaftlichen und bedarfsdeckenden Tätigkeit. Dennoch lässt sich die Abgrenzung nicht unter Anwendung rein formaler Gesichtspunkte bewerkstelligen. Hierfür sind die gewachsenen Verflechtungen von Staat und Gesellschaft zu vielfältig und ausdifferenziert. Ob der schon zitierte „staatliche Kreationsakt“ bei der konkreten öffentlichen Aufgabe stattgefunden hat, ist nach Maßgabe einer Gesamtschau der erörterten Abgrenzungskriterien zu entscheiden.

II. Die Betrachtung der öffentlichen Auftragsvergabe Die Einordnung der öffentlichen Auftragsvergabe in das Raster der Öffentlichkeit bzw. der Staatlichkeit von Aufgaben bestimmt sich den vorstehenden Ausführungen gemäß nach dem Bestehen eines öffentlichen Interesses und einer öffentlichen Aufgabe, hinsichtlich der Staatlichkeit auch danach, ob Anknüpfungspunkt die finale Aufgabe oder das Vergaberechtsverhältnis selbst ist. 1. Öffentliche Auftragsvergabe und öffentliches Interesse Bereits bei der Grundanknüpfung an das Interesse an einer bestmöglichen Verwirklichung des Gemeinwohls wird die zweifache Aufgabenausprägung der öffent350 Die Formulierung ist ungenau. Auch der Bereich der unvertretbaren und trägerbezogenen Aufgaben ist einer Aufgabenüberantwortung zugänglich, soweit die Trägerschaft beim Staat bzw. bei seinen Untergliederungen verbleibt. Es handelt sich insoweit um eine Frage der Abschichtung und genauen Bestimmung des Privatisierungsgegenstandes (vgl. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 62 ff.). Richtigerweise ist von der Unzulässigkeit einer „vollständigen“ Privatisierung zu sprechen. 351 Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 57 Rdnr. 154 f.: „Hier wird der Staat sich selbst zur Staatsaufgabe“. 352 „Finale Staatsaufgaben“ seien demgegenüber dadurch gekennzeichnet, dass sie unmittelbar ein öffentliches Interesse verfolgen.

B. Die Einordnung der staatlichen Bedarfsdeckung

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lichen Auftragsvergabe deutlich. Der Beitrag zur Verwirklichung des „gemeinen Besten“ lässt sich zunächst aus der Bedeutung für die jeweils zu erfüllende finale Aufgabe bemessen. Abgestellt auf den Zweck der verfolgten Aufgabe leisten staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte einen notwendigen Beitrag auf vorgelagerter Stufe; einerseits bei der Erfüllung konkreter Aufgaben, beispielsweise dem Bau von Schulen, andererseits bei der Erfüllung des allgemeinen Verwaltungsauftrages. Diese – finale – Sichtweise entspricht auch der Sichtweise des Haushaltsrechts353. Als Posten im Haushaltsplan sind lediglich finale Aufgaben einschließlich des allgemeinen Verwaltungsauftrages genannt, nicht hingegen non-finale Aufgaben wie diejenige der Bedarfsdeckung, da aus finaler Sicht eine Bedarfsdeckung um der Bedarfsdeckung willen nicht denkbar ist. Die (Gesamt-)Betrachtung der finalen Aufgabe umfasst die Beschaffung der hierzu erforderlichen Leistungen und Güter. Der herrschenden Diktion nach liegt ein mittelbares Interesse vor 354. An der Bedarfsdeckung mittels der Vergabe öffentlicher Aufträge besteht als notwendige Vorstufe der konkret zu erfüllenden finalen Aufgabe gleich welcher Art ein öffentliches Interesse im Sinn der Aufgabendogmatik. Die Erfüllung von Gemeinwohlinteressen ist schließlich integraler Bestandteil des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe selbst. Als öffentliche Interessen werden die Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung sowie die Fürsorge für zulässige vergabefremde Zwecke verfolgt; nicht zuletzt ist der realfördernde Charakter der Auftragsvergabe zu nennen. Weiters ist das Recht der Auftragsvergabe auf die Gewährleistung eines willkür- und diskriminierungsfreien und damit wettbewerblichen Verfahrens gerichtet. Auf die obigen Ausführungen355 zu den Interessen und Fürsorgepflichten des auftragsvergebenden Staates kann Bezug genommen werden. Diese mit dem Vergaberechtsverhältnis, also der öffentlichen Auftragsvergabe selbst, verfolgten Interessen sind unzweifelhaft unmittelbare öffentliche Interessen und zwar unabhängig davon, ob sie formellen oder materiellen Zwecken dienen. 2. Öffentliche Auftragsvergabe und öffentliche Aufgabe Die Kategorie der öffentlichen Aufgabe wird durch das Vorhandensein von öffentlichen Interessen determiniert. Diese führen nach dem oben Gesagten dann zu einer öffentlichen, von der Gesellschaft zu erfüllenden Aufgabe, wenn die Öffentlichkeit an deren Erfüllung „maßgeblich interessiert“ ist. An der Bejahung von maßVgl. Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 176 f. GmS OBG, Beschl. v. 10.4.1986, BGH Z 97, S. 312 ff.; Badura, in: FS f. Schlochauer, S. 5 ff.; Bettermann, DVBl. 1971, S. 112/114; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 46; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 87; ders., in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 40 Rdnr. 277; vgl. auch Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 175 m. w. Nachw. 355 3. Kapitel A. II. 5. b) bb). 353 354

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

geblichen Gemeinwohlinteressen besteht weder beim öffentlichen Interesse an (der Ermöglichung) der Wahrnehmung finaler Aufgaben noch bei den dem Vergaberechtsverhältnis immanenten öffentlichen Interessen ein Zweifel. Eine Indizwirkung kommt dem vorhandenen Rechtsregime des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe, der wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Bedeutung von staatlichen Bedarfsdeckungsgeschäften und dem Umstand des Bestehens einer Konkurrenzsituation bei der Verteilung eines beschränkten öffentlichen Guts zu. Unterscheidbar ist die Art der öffentlichen Aufgabe: Bei der Wahrnehmung von finalen Aufgaben weist die Bedarfsdeckung durch die Vergabe öffentlicher Aufträge die Bedeutung einer conditio sine qua non auf. Öffentliche Aufgabe ist allein die finale Aufgabe; das öffentliche Interesse am Funktionieren der Vorstufe der Bedarfsdeckung lässt die staatliche Bedarfsdeckung an der finalen öffentlichen Aufgabe (nur) teilhaben. Isoliert die Ebene der finalen Aufgabe betrachtet, kommt der öffentlichen Auftragsvergabe keine eigene Qualität einer öffentlichen Aufgabe zu. Demgegenüber handelt es sich bei den im Rahmen des Vergaberechtsverhältnisses bestehenden öffentlichen Interessen um eine eigene und unmittelbare öffentliche Aufgabe. Diese eigenständige Aufgabenebene erfährt aus der rechtshistorischen Entwicklung des Auftragsvergaberechts eine Zweiteilung. Die ursprüngliche Zwecksetzung des Vergaberechts – haushalts- und innenrechtlich, im Hinblick auf vergabefremde Zwecke und gesetzliche Bevorzugungen auch fürsorgend – wurde mit der Maßgabe aufgewertet, dass über die Vergabe eines öffentlichen Auftrages in einem transparenten, diskriminierungsfreien, wettbewerblichen und mit effektivem Primärrechtsschutz ausgestatteten Verfahren entschieden wird. Die Publifizierung des Vergaberechts wirkt in erster Linie auf der Ebene des Verfahrens. Insgesamt hat das Vergaberechtsverhältnis oberhalb wie unterhalb der Schwellenwerte eine erhebliche Aufwertung erfahren. Das hierin liegende Gemeinwohlinteresse ist als Interesse an einem Verfahren, das eine die Grundrechte respektierende Verteilungsentscheidung zwischen Konkurrenten erlaubt, zu qualifizieren. Wie bei den vorstehenden Ausführungen in diesem Kapitel schon ausgeführt 356, ist von einer öffentlichen Verfahrensaufgabe zu sprechen. Die maßgebliche Schwelle – wenn auch keine „echte“ Abgrenzung – stellt nach der in Abschnitt I. dargestellten Systematisierung nicht die Frage der Öffentlichkeit, sondern der Staatlichkeit der konkreten Aufgabe dar, auf die im Folgenden näher einzugehen ist. 3. Öffentliche Auftragsvergabe und staatliche Aufgabe a) Betrachtung aus der Sicht der finalen Aufgabe Auch auf der Ebene der Staatlichkeit einer öffentlichen Aufgabe bleibt aus Sicht der finalen Aufgabe allein die Letztere maßgeblich. Ebenso wie bei der Öffentlich356

3. Kapitel A. II. 5. b) bb).

B. Die Einordnung der staatlichen Bedarfsdeckung

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keit einer Aufgabe nimmt die Bedarfsdeckung an der Entscheidung nur teil. Entscheidungserheblich für die Staatlichkeit ist die jeweilige finale Aufgabe. Diese bestimmt sich nach den im vorstehenden Abschnitt dargestellten Grundsätzen, wobei diese Bestimmung hier nicht in Frage steht. Trotz der wesentlichen Bedeutung der Bedarfsdeckung für die Erfüllung der finalen Aufgabe kommt dieser im Rahmen der finalen Aufgabendogmatik lediglich eine Annexfunktion 357 zu. Aufgliedern lässt sich lediglich auf der Ebene der finalen Staatsaufgabe und zwar danach, für welche finale Aufgabe die durch die Auftragsvergabe zu beschaffenden Leistungen oder Güter erforderlich sind. Finale Aufgabe in diesem Sinn ist auch die Erfüllung des allgemeinen Verwaltungsauftrages 358. b) Betrachtung aus der Sicht des Vergaberechtsverhältnisses Anders liegt die Frage der Staatlichkeit der (eigenständigen) öffentlichen Aufgabe der Bedarfsdeckung durch die Vergabe öffentlicher Aufträge. Zur Ermittlung des staatlichen Kreationsakts sind die Rechtsgrundlagen des Vergaberechtsregimes, insbesondere des Vergaberechtsverhältnisses, und der darin zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wille zu betrachten. Hinsichtlich der normativen Grundlagen ist zwischen Auftragsvergaben oberhalb und unterhalb der jeweiligen Schwellenwerte zu differenzieren. Oberhalb der Schwellenwerte besteht der Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts mit den die Vergaberechtskaskade bildenden Verweisungen auf die Vergabeverordnung und auf die Verdingungsordnungen. Der gesetzgeberische Hintergrund, in erster Linie die Stärkung von Wettbewerb und die Verhinderung von Diskriminierung unter möglichst weitgehender Erhaltung des vorhandenen Rechtsregimes, wurde bereits dargestellt 359. Der Staat hat die Rechtsmaterie des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte im Gesetzgebungs- bzw. Verordnungsverfahren nach Erlass der gemeinschaftsrechtlichen Vergaberechtsrichtlinien einer umfassenden Neuordnung unterzogen. Unabhängig von weiteren Kriterien der Staatlichkeit 357 Dieser Ansatz wird von Kunert (Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 91 ff.), Burgi (Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 45 ff., 147 ff.) und Zeidler (VVDStRL 19 (1961), S. 208/238) vertreten. Ähnlich Brohm, NJW 1994, S. 281/286; Leiggener, Die Vergebung von öffentlichen Aufträgen, S. 133 ff. Im Rüstungsbereich wird die Staatlichkeit der Aufgabe der Sicherstellung der Verteidigungsbereitschaft nach Art.87 a Abs.1 Satz 1 GG über die sog. Wehrbeschaffungshoheit auf die Beschaffung erstreckt (Prieß/Hölzl, NZBau 2005, S. 367/370). Insoweit wird ein finaler Ansatz verfolgt. 358 Anders hingegen Kunert (Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 91 ff.). Er bejaht zwar auch in Fällen, in denen die Beschaffung der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung dient, das Bestehen einer staatlichen Aufgabe. Die Staatlichkeit folge aber mangels ausdrücklicher Statuierung von Aufgabe und Sanktion aus der Bereitstellung der Mittel im Haushaltsplan. Ihm, unabhängig von der zwischenzeitlichen vergaberechtlichen Rechtsentwickung, folgend: Fante, Instrumentalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens, S. 8 f. 359 Zu den bestehenden Rechtsgrundlagen: 1. Kapitel B.; zur Einordnung im Hinblick auf die Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses: 3. Kapitel A. II. 5. b) aa).

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

von öffentlichen Aufgaben kann eine hinreichende „staatliche Befassung“ mit der Rechtsmaterie des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte nicht in Zweifel gezogen werden. Unterhalb der Schwellenwerte indes ist das bestehende Rechtsregime zurückhaltend. Ausgangspunkt ist die haushaltsrechtliche Normierung, die durch das Instrumentarium der Verdingungsordnungen konkretisiert wird. Die Vorschriften der § 30 HGrG und § 55 BHO verlangen, dass dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen grundsätzlich eine öffentliche Ausschreibung vorauszugehen hat 360, ferner, dass beim Abschluss dieser Verträge nach einheitlichen Richtlinien zu verfahren ist. Zweifelhaft könnte sein, ob diese haushaltsrechtliche Grundlage als hinreichende staatliche Befassung verstanden werden kann. Im Bereich der Verdingungsordnungen ist zu berücksichtigen, dass diese unterhalb der jeweiligen Schwellenwerte lediglich interne Verwaltungsvorschriften sind 361. Dennoch lassen sich folgende Gesichtspunkte für die Staatlichkeit anführen: Die haushaltsrechtliche Verankerung trifft zwar keine Aussage hinsichtlich des „finalen Zwecks der Beschaffung“, allerdings – und hierauf kommt es bei einer an der Beschaffung selbst ansetzenden Sichtweise an – trifft sie die gesetzgeberische Aussage, einen öffentlichen Auftrag grundsätzlich erst nach Durchführung eines in den Verdingungsordnungen Teil A geordneten Vergabeverfahrens zu vergeben. Somit besteht eine Aussage „zum Zweck des Vergaberechtsverhältnisses“. Die grundsätzlich private Rechtsetzung der Verdingungsordnungen ist unerheblich. Die Organisation durch Verwaltungsvorschriften ist öffentlich-rechtlich. Schon die Ausführungen unter Abschnitt A. II. 5. b) aa) dieses Kapitels haben gezeigt, dass der Rechtsnatur der Verdingungsordnungen und der rechtstechnischen Besonderheit der Vergaberechtskaskade keine Bedeutung im Hinblick auf die Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses zukommen 362. Zu vergegenwärtigen ist ferner, dass sich das Vergaberecht oberhalb und unterhalb der maßgeblichen Schwellenwerte nicht vollends im Wege einer isolierten Betrachtung trennen lässt. Die gesetzgeberische Entscheidung – rechtspolitisch richtig oder falsch – lautete dahin, das Vergaberecht unterhalb der Schwellenwerte beim haushaltsrechtlichen Innenrecht zu belassen, sich also auf das gemeinschaftsrechtlich Notwendige zu beschränken 363. Die bewusste Entscheidung für Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sowie gegen effektiven Primärrechtsschutz von Konkurrenten kann indes nicht derart abgespalten werden, dass sie bei einem gesetzgeberischen Regelungskonzept im Bereich des Vergaberechts außen vor bleibt. Auf dem Prüfstand des Gesetzgebers stand das gesamte nationale Vergaberechtsre360 Künftig hat die Beschaffung von Gütern und Leistungen „wettbewerblich“ und „transparent“ zu erfolgen; siehe 1. Kapitel B. III. 361 Siehe 1. Kapitel B. III. und 3. Kapitel A. II. 5. b) aa). 362 Dies wird bestärkt durch den Entwurf einer Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge, die künftig zum Zweck der Vereinfachung und Effizienzsteigerung der Verfahren den Rückgriff auf die VOL und VOF erspraren soll, während die haushaltsrechtliche Prägung für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte durch die Verordnungsermächtigung des „neuen“ § 57 a HGrG keine Änderung erfahren soll; siehe 1. Kapitel B. III. 363 Siehe 1. Kapitel B. III.

B. Die Einordnung der staatlichen Bedarfsdeckung

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gime, wobei das Belassen des Regelungsinstrumentariums unterhalb der Schwellenwerte sich als Kehrseite eines Gesamtkonzeptes der Neuordnung des Vergaberechts darstellt. Eine fehlende Befassung liegt hierin nicht 364. Flankierend können noch folgende Überlegungen angestellt werden: De lege ferenda gewinnt der in Abschnitt A. II. 5. b) ff) dieses Kapitels dargelegte Grundrechtsschutz durch Verfahrensgestaltung an Bedeutung. Die Wertordnung der Grundrechte erfordert bei der Eröffnung des staatlichen Sondermarkts der Vergabe öffentlicher Aufträge ein gleichheitssicherndes und gleichheitskonkretisierendes Verfahren. Hieraus kann eine Pflicht zur einfachgesetzlichen Verfahrensgestaltung und damit zur staatlichen Befassung 365 deduziert werden. Hierauf wird zurückzukommen sein 366. Da bei der Ermittlung der hinreichenden Befassung neben normativen auch tatsächliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen, ist die haushaltsrechtliche Mittelbereitstellung zu berücksichtigen. Wie bei der Subventionsvergabe als dem klassischen Anwendungsfall der Leistungsverwaltung 367 kann eine staatliche Befassung insoweit bejaht werden, als finanzielle Mittel für bestimmte Beschaffungen bzw. Verwendungszwecke in einem besonderen Verfahren bewilligt und im Haushaltsplan bereit gestellt werden; ferner, als deren konkrete Verwendung durch Rechnungsprüfungsinstanzen kontrolliert wird 368. Die vorstehenden Gesichtspunkte deuten darauf hin, dass im gesamten deutschen Recht der öffentlichen Auftragsvergabe von einer „staatlichen Befassung“ im Sinn der Rechtsprechung des BVerfG im „Fernsehurteil“ auszugehen ist. Neben einer Gesamtbetrachtung der vorhandenen Rechtstatsachen sind zur Bestimmung der Staatlichkeit schließlich die „formalen“ Einordnungskriterien zu würdigen. Hierbei lassen sich die Ausführungen in Abschnitt A.II. dieses Kapitels fruchtbar machen. Das Vergaberechtsverhältnis und auch das Nachprüfungsverhältnis sind öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse; die Bedarfsdeckung ist öffentlich364 Hierfür spricht die Beibehaltung der Vergaberechtskaskade oberhalb der Schwellenwerte. Durch Verweisung in der Vergabeverordnung (§ 4–7 VgV) auf die (bestehen bleibenden) Verdingungsordnungen erhalten diese Verordnungsrang. Im Falle einer vom Gesetzgeber geplanten Neuregelung des Vergaberechts, insbesondere der Vergabeverodnung, die das Verfahren für Aufträge oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte enthalten soll, käme das gesetzgeberische Konzept einer umfassenden Befassung mit dem Vergaberecht noch klarer zum Ausdruck. 365 Zur Pflicht zum gesetzgeberischen Tätigwerden: BVerfG, Beschl. v. 7.12.1977, E 46, S. 325/334; Urt. v. 22.2.1994, E 90, S. 60/96; v. Münch, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Vorb. Art. 1–19 Rdnrn. 25 ff. m. w. Nachw.; Sachs, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Vor Art. 1 Rdnrn. 31 ff. 366 Siehe 3. Kapitel D. 367 Zu den Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes bei der Subventionsvergabe: Arndt, in: Steiner (Hrsg.), Bes. Verwaltungsrecht, VII. Rdnrn. 192 ff. 368 Den Aspekt der Beschaffung durch Bereitstellung von Mitteln betonen – freilich aus finaler Sicht – Kunert (Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 94) und Wallerath (Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 177). Die Ausführungen gelten in gleicher Weise für Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte. Aus systematischer Sicht sei angemerkt, dass dem jeweiligen Haushaltsplan finale Staatsaufgaben zugrunde liegen. Zur Einteilung von öffentlichen Aufgaben in die Haushaltssystematik: Schuppert, VerwArch. 71 (1980), S. 309/310 ff.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

rechtlich organisiert 369. Zwar werden auf der Ebene der Ausführungshandlung in der Regel zivilrechtliche Verträge zur Beschaffung des nachgefragten Gutes geschlossen. Jedoch verbietet sich die Maßgeblichkeit der Vollzugsebene, weil sonst ein – wie festgestellt 370 – unzulässiger Rückschluss von der Rechtsnatur der Ausführungshandlung vorgenommen würde. Schließlich erfüllt die staatliche Bedarfsdeckung die Voraussetzungen einer instrumentalen bzw. unvertretbaren und trägerbezogenen Aufgabe. Sie ist mit Ausnahme des Sektorenbereichs notwendig auf den Aufgabenträger Staat und seine Untergliederungen bezogen. Nur diese können staatlich beschaffen; nur sie können sich im Rechtsregime des Vergaberechts betätigen. Die Aufgabe der staatlichen Bedarfsdeckung erlaubt ausschließlich eine staatliche Wahrnehmung. Ferner ist eine instrumentale Aufgabe zu bejahen, da die Deckung des Bedarfs für das Funktionieren des Staates sowie für die Durchführung finaler Staatsaufgaben unentbehrlich ist und eigene unmittelbare Gemeinwohlinteressen in sich trägt. Hieraus ergibt sich, dass der Staat und seine Untergliederungen, mit Burgi 371 gesprochen, das „Zurechnungsendsubjekt“ der Aufgabe der Bedarfsdeckung sind. Die Aufgabenwahrnehmung ist eigenständig; sie beschränkt sich nicht lediglich auf den bloßen Umfang staatlicher Betätigung, also auf Aufsichts-, Förderoder Lenkungsmaßnahmen. Nach alledem ist die Staatlichkeit der öffentlichen Aufgabe der Bedarfsdeckung zu folgern. Zu erwägen ist schließlich, ob nicht lediglich eine öffentliche, sondern auch eine staatliche Verfahrensaufgabe zu bejahen ist. Allerdings betrifft die staatliche Befassung bzw. die Pflicht zur staatlichen Befassung unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Verfahrensaufgabe nur allgemein den Umfang des staatlichen Einschreitens. Die Verwirklichung einer den Grundrechten entsprechenden Verfahrensgestaltung erhebt die Staatlichkeit der Aufgabe nicht zur Bedingung. Der Verfahrensaspekt ist in Bezug auf die rechtliche Qualität der Wahrnehmung und der Zugehörigkeit zum öffentlichen Recht indifferent. Die für die Staatlichkeit notwendige Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung lässt sich daher nicht aus der öffentlichen Aufgabe der Gewährleistung eines grundrechtlichen Schutzniveaus folgern. Maßgeblich bleiben die vorstehenden Ausführungen zur öffentlich-rechtlichen Einordnung sowie zur Instrumentalität der Aufgabe, auf die sich im Rahmen einer isolierten Betrachtung der öffentlichen Verfahrensinteressen gerade nicht zurückgreifen lässt. Es verbleibt dabei, dass weder aus der Pflicht zum staatlichen Tätigwerden noch aus der Bedeutsamkeit der konkreten Aufgabe 372 auf deren Staatlichkeit zu schließen ist. Das Kriterium ist die der Kompetenz-Kompetenz entspringende Entscheidung des Staates, wie er im Hinblick auf diese Aufgabe tätig werden will. Die Verfahrensaufgabe isoliert betrachtet, ist daher festzustellen, dass diese als eine 369 Zu den an die Organisation anknüpfenden Fragen des Rechtsschutzes und der Haftung siehe 3. Kapitel D. II. und III. 370 3. Kapitel A. II. 2. 371 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 65. 372 Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 54.

B. Die Einordnung der staatlichen Bedarfsdeckung

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(nur) öffentliche, nicht aber staatliche Aufgabe qualifiziert werden kann. Dennoch lässt sich eine mittelbare Wirkung feststellen. Die Vergabe eines öffentlichen Auftrages als staatliche Verteilungsentscheidung erfordert einen Grundrechtsschutz durch Verfahren, der ein Indiz für ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis darstellt, welches wiederum als Kriterium für die Staatlichkeit einer Aufgabe herangezogen wird. c) Besonderheiten bei Sektorenauftraggebern? Ebenso wie bei der Zuordnung des Vergaberechtsverhältnisses zum öffentlichrechtlichen Rechtsregime sind bei der Prüfung der Staatlichkeit der Aufgabe die Besonderheiten der Vergabe von Aufträgen durch Sektorenauftraggeber gemäß § 98 Nr. 4 GWB zu berücksichtigen. Gleiches gilt wiederum für die privaten öffentlichen Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 5 und 6 GWB. Im Bereich der Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses wurde trotz der mit der fortschreitenden materiellen Privatisierung verbundenen privaten Rechtsform der Sektorenauftraggeber ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis festgestellt. Aus der Sicht der Aufgabendogmatik ergibt sich folgendes Bild: Gemeinwohlinteressen bestehen in zwar eingeschränktem Umfang auch bei der Auftragsvergabe durch Sektorenauftraggeber. Die Anwendbarkeit des Vergaberechts bedingt die Einhaltung eines diskriminierungsfreien und transparenten Vergabeverfahrens mit der Folge, dass dem Vergaberechtsverhältnis selbst unmittelbare und autonome öffentliche Interessen zu entnehmen sind. Im Vergleich zu „gewöhnlichen“ öffentlichen Auftraggebern lassen sich öffentliche Interessen im Sektorenbereich grundsätzlich nicht aus haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten sowie aus Gesichtspunkten der Fürsorgepflicht, insbesondere was die Förderung bestimmter Auftragnehmer betrifft, ableiten 373. Auch nach der finalen Sichtweise werden öffentliche Interessen ebenso bei der Tätigkeit im konkreten Sektor verfolgt. Denn der Staat hat nicht lediglich ein Interesse an der Liberalisierung der vorgenannten Märkte, sondern – als Privatisierungsfolgenverantwortung – auch an deren Funktionieren zur Sicherstellung der Versorgung der Allgemeinheit. Ein originäres Streben des jeweiligen Sektorenauftraggebers nach Maximierung des Gewinns, des Marktanteils oder der Marktkapitalisierung schadet dabei nicht. Die auch im Sektorenbereich bestehenden öffentlichen Interessen begründen unter Bezugnahme auf die Ausführungen unter vorstehend 2. öffentliche Aufgaben. Für die Staatlichkeit der öffentlichen Aufgabe der Bedarfsdeckung im Sektorenbereich spricht zwar die öffentlich-rechtliche Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses. Dennoch ist die Staatlichkeit der Aufgabe aus den folgenden Erwägungen 373 Insoweit sind originäre ökonomische Interessen des jeweiligen Auftraggebers maßgeblich. Eine Gemeinwohlbindung besteht grundsätzlich nicht unter dem Gesichtspunkt einer Realförderung; grundsätzlich deshalb, weil die Gründe der Einbeziehung der Sektorenauftraggeber – Vorliegen eines beherrschenden Einflusses oder Tätigwerden aufgrund besonderer oder ausschließlicher Rechte (§ 98 Nr. 4 GWB) – mittelbar wirken können.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

abzulehnen: Zum einen hat die öffentlich-rechtliche Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses im Sektorenbereich eine geringere Aussagekraft. Die Pflicht zur Auftragsvergabe im öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnis resultiert aus der vorgelagerten gesetzgeberischen Entscheidung, bestimmte Sachbereiche aufgrund ihrer früheren Staatlichkeit und ihrer noch bestehenden Staatsnähe nicht ungebremst einem hierzu noch nicht bereiten freien Beschaffungsmarkt zu überlassen 374. Ein durchgängiger und dauerhafter öffentlich-rechtlicher Zuständigkeitsentscheid ist hierin nicht zu erblicken. Zum anderen ist die staatliche Befassung nicht als eigenständige Wahrnehmung eines Sachbereichs, sondern als „bloßer Umfang“ 375 einer staatlichen Betätigung in diesem Bereich zu verstehen. Dabei kann auf die vorstehenden Ausführungen zur Verneinung einer staatlichen Verfahrensaufgabe Bezug genommen werden. Die Auftragsvergabe durch weitgehend materiell privatisierte und in privater Rechtsform agierende Sektorenauftraggeber unterfällt weder den Kriterien einer instrumentalen bzw. unvertretbaren Aufgabe noch denjenigen einer eigenständigen staatlichen Befassung. Vielmehr ist Grundlage der Einbeziehung die im Sektorenbereich noch nicht erreichte vollständige Liberalisierung der Beschaffungsmärkte. Aufgrund der fortdauernden Privatisierungsverantwortung besteht ein Rest an Öffentlich-Rechtlichkeit, der sich in der Einbeziehung in das öffentlich-rechtliche Vergabeverfahren konkretisiert. Die Normierung eines Regelwerks bzw. vorliegend die Einbeziehung in ein Regelwerk stellen einen Anwendungsfall staatlicher Rahmensetzung und Aufsicht dar; sie rechtfertigen jedoch nicht die Annahme einer staatlichen Aufgabe. Bei Sektorenauftraggebern besteht sonach lediglich eine öffentliche, durch die Gesellschaft wahrgenommene (Verfahrens-)Aufgabe.

III. Ergebnis Die staatliche Bedarfsdeckung durch die Vergabe öffentlicher Aufträge stellt eine öffentliche Aufgabe dar. Auch sind die normativen und tatsächlichen Voraussetzungen für die Staatlichkeit dieser öffentlichen Aufgabe erfüllt. Im Sektorenbereich indes besteht eine nur öffentliche Aufgabe. Sofern die öffentliche Aufgabe der Verfahrensgestaltung isoliert betrachtet wird, sind die Anforderungen an die Staatlichkeit ebenfalls nicht gegeben.

374 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, §98 Rdnr. 84; Werner, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 98 Rdnrn. 271 ff. 375 Vgl. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 63 m. w. Nachw.

C. Einordnung in die Kategorien des Verwaltungshandelns

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C. Die Einordnung der öffentlichen Auftragsvergabe in die Kategorien des Verwaltungshandelns I. Kategorien des Verwaltungshandelns Die juristische Qualifikation des Tätigkeitsbereichs der öffentlichen Auftragsvergabe erfordert die Darlegung der herrschenden Kategorisierung der Verwaltungstätigkeit und der dieser zugrunde liegenden Qualifikationskriterien. Die Beschränkung auf die „herrschende“ Kategorisierung bringt zum Ausdruck, dass hierfür einerseits je nach Art der Anknüpfung vielfältige Möglichkeiten bestehen und dass andererseits die verschiedenen Kategorien durch einen leichtfertigen und uneinheitlichen Gebrauch der Begrifflichkeiten geprägt sind 376. Zunächst liegt eine formelle Anknüpfung nach der Rechtsform des Tätigwerdens der Verwaltung nahe. Ausgehend von der Handlungsform lassen sich die öffentlichrechtlich und die privatrechtlich handelnde Verwaltung unterscheiden. Sofern der jeweilige Verwaltungsträger für die Einteilung maßgeblich ist, ist je nach Hauptverwaltungsträger von Bundes-, Landes-oder Kommunalverwaltung zu sprechen. Eine Unterscheidung nach dem Gegenstand der Verwaltung knüpft an die einzelnen Sachbereiche an. Die Verwaltung ist hiernach in die Finanzverwaltung, Sozialverwaltung, Bauverwaltung, Wirtschaftsverwaltung etc. gegliedert. Ähnlich, gleichwohl juristisch interessanter, ist die Anknüpfung an die Art der Aufgabenstellung, die über den jeweiligen sachlichen Tätigkeitsgehalt hinaus auch die rechtlichen Folgen der Betätigung erfasst. Ehlers 377 differenziert zunächst die Ordnungsverwaltung, die sich überwiegend darauf beschränkt, die Einhaltung der gesetzlich geregelten Ordnung zu überwachen. Ihr stehen hierfür die Mittel von Befehl und Zwang sowie der Sanktion zur Verfügung. Als nächste Kategorie nennt er die Leistungsverwaltung, die zwei Bereiche erfasst, nämlich die Bereitstellung der staatlichen Infrastruktur und die (gezielte) Begünstigung einzelner Personen. Weiters wird die Kategorie der Abgabenverwaltung gebildet, deren Aufgabe die Beschaffung staatlicher Geldmittel durch den Katalog zulässiger Abgaben ist. Die Bedeutung einer eigenständigen Kategorie hat nach Ehlers auch die Bedarfsverwaltung als Tätigkeitsbereich zur Beschaffung der für die Aufgabenerfüllung erforderlichen sachlichen und persönlichen Mittel. Schließlich werden noch die Kategorien der Vermögensverwaltung und der wirtschaftenden Verwaltung, letztere als staatliche bzw. kommunale Teilnahme am Wirtschaftsleben, gebildet. Ehlers erfasst im Hinblick auf die Rechtsform des Tätigwerdens die Ordnungs-, Leistungs- und Abgabenverwaltung grundsätzlich als öffentlich-rechtlich, die übrige Verwaltung grundsätzlich als privatrechtlich. Die Leistungsverwaltung zeichne sich dadurch aus, dass sich Zweck376 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 43; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 42. 377 Ehlers, in: Erichsen H.-U. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rdnrn. 36 ff.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

bindungen grundsätzlich nicht mit den Mitteln des Zwangs, sondern lediglich mit den Mitteln der Aufhebung und Abänderung durchsetzen ließen. Die Ehlers’sche Einteilung überwindet mit den Bereichen der Ordnungs- und Leistungsverwaltung den lange vorzufindenden Dualismus von Eingriffs- und Leistungsverwaltung. Mit der Kategorie der Eingriffsverwaltung verbindet man eine Verwaltungstätigkeit in hoheitlicher Rechtsform. Demgegenüber orientiert sich der Bereich der Leistungsverwaltung nicht an der Rechtsform, sondern am Inhalt der Tätigkeit. Die Kategorie der Ordnungsverwaltung erlaubt gegenüber derjenigen der Eingriffsverwaltung zudem die Erfassung der lenkenden Verwaltungstätigkeit. Der schillernde Begriff der Leistungsverwaltung verdient weitere Betrachtung. Als „Leistungsaufgaben“ werden diejenigen Aufgaben der Verwaltung angesehen, die der „Allgemeinheit oder bestimmten Gruppen unmittelbar zu dienen bestimmt sind“ 378. Genannt werden beispielsweise die Bereiche der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, öffentlichen Fürsorge, Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes sowie vorsorgende, lenkende und fördernde Maßnahmen gegenüber der Privatwirtschaft. Badura 379 hat verdeutlicht, dass die Leistungsverwaltung durch den in ihr wirksamen Zweck der Daseinsvorsorge 380 charakterisiert ist. Die Verwaltung greife in Erfüllung der „für den Sozialstaat typischen Sozialverantwortung des Staates in das private System der Bedarfsdeckung durch die Erbringung von Leistungen ein.“ Leistungsverwaltung in Form der Daseinsvorsorge sei dann zu bejahen, wenn die Hingabe von Leistungen oder Vorteilen „allein zum Zwecke der Befriedigung eines Bedürfnisses erfolgt, das durch die Hilfsquellen des Begünstigten oder durch die Arbeitsweise des Marktes nicht hinreichend befriedigt werden würde“. Bei der inhaltlichen Konkretisierung der Begriffe, gleich ob Leistungsverwaltung oder Daseinsvorsorge 381, gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass sie zum einen nicht auf den Bereich der Sozialleistungen im engeren Sinn beschränkt werden können. Sie umfassen vielmehr den gesamten Bereich, in dem öffentliche Teilhaberechte des Bürgers bestehen. 382 Zum anderen bildet die Gestaltung Badura, DÖV 1966, S. 624/629; Menger, DVBl. 1960, S. 297/298. Badura, DÖV 1966, S. 624/630 f. 380 Der Begriff der „Daseinsvorsorge“ geht auf Forsthoff (Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938) zurück. Grundlegende Ausführungen zur Herkunft und zur Funktion des Begriffs der „Daseinsvorsorge“ finden sich bei Ossenbühl (DÖV 1971, S. 513 ff.). Hiernach soll die Daseinsvorsorge – soziologisch – die Leistungen des Staates bezeichnen, auf die der Einzelne im Falle seiner sozialen Bedürftigkeit angewiesen ist, ferner – heuristisch – die Verwaltungsrechtslehre auf diese Aufgabe hinweisen und damit die Leistungsverwaltung in der öffentlichen Verwaltung verankern. Zum Begriff der Daseinsvorsorge bemerkt Ossenbühl (DÖV 1971, S. 513/514) einleitend: „Es gibt in der neueren Rechtswissenschaft wohl kaum einen Terminus, der eine größere Faszination ausgelöst hat, aber andererseits auch mehr Ärgernis erregt hat als der Begriff der Daseinsvorsorge.“ 381 Je nach Anknüpfung geht die Leistungsverwaltung über den (beschränkten) Umfang der Daseinsvorsorge hinaus oder die Daseinsvorsorge als Zweck der Leistungsverwaltung wird in einem umfassenderen Sinn verstanden. 382 Mallmann, VVDStRL 19 (1961), S.165/168; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 80 Rdnrn. 6 ff. 378 379

C. Einordnung in die Kategorien des Verwaltungshandelns

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der rechtlichen Rahmenbedingungen, welche die Erfüllung der Bedürfnisse der Bürger gewährleisten sollen, einen wesentlichen Teil der leistenden bzw. daseinsvorsorgenden Verwaltung 383. Die Gestaltung (nur) der Rahmenbedingungen verdeutlicht, dass das Ausfüllen des im konkreten Sachbereich vorhandenen Rahmens Aufgabe der Bürger bleibt. Sache des Staates ist es, den Rahmen nach den Bedürfnissen im konkreten Sachbereich enger oder weiter auszugestalten und entsprechende Schutzinstrumente zum Funktionieren der eröffneten Teilhabe der Bürger vorzusehen. Maßnahmen der Daseinsvorsorge bezeichnen den Inhalt und den Zweck eines Verwaltungshandelns; eine Aussage über die Rechtsform des Tätigwerdens im Rechtsverkehr, also über die Handlungsform, kann ihnen nicht entnommen werden. Die Daseinsvorsorge ist als fürsorgende Verwaltung im öffentlichen Recht verankert, wohingegen die Handlungsform öffentlich-rechtlich oder zivilrechtlich ausgestaltet sein kann. 384 Eine lenkende Verwaltungstätigkeit und damit Ordnungsverwaltung liegt vor, wenn „auf bestimmte gesellschaftliche Zustände oder Abläufe“ eingewirkt wird, „um einen wirtschafts- oder sozialpolitischen Zustand herzustellen oder zu erhalten.“ 385 In Fällen, in denen die Verwaltung leistet und wirtschafts- oder sozialpolitisch lenkt und damit gestaltet, ist der Schwerpunkt der Tätigkeit für die Einordnung der Maßnahme als Lenkungs- oder Leistungsverwaltung entscheidend. 386 Rekurrierend auf eine „herrschende“ Kategorisierung ist festzustellen, dass die Siebert’sche Einteilung 387 nach wie vor als die Verbreiteste anzusehen ist. Dies mag darin begründet sein, dass sie verschiedene Einordnungskriterien in sich vereint. So lassen sich aus einem Schema die Organisations- und Handlungsformen, Handlungsmodalitäten und die Aufgabenanknüpfung ablesen. 388 Siebert unterteilt auf der ersten Gliederungsebene in hoheitliche und privatrechtliche Betätigung. Innerhalb des Teilbereichs der hoheitlichen Verwaltung scheidet er auf der zweiten Gliederungsebene die obrigkeitliche von der nichtobrigkeitlichen Verwaltung. Hoheitliche Verwaltung in Form der obrigkeitlichen Verwaltung wird dann bejaht, wenn seitens des Verwaltungsträgers mit den Mitteln von Befehl und Zwang gearbeitet wird. Hingegen handle der Verwaltungsträger hoheitlich-nichtobrigkeitlich, wenn er zwar selbst öffentliche Aufgaben durchführt, sich hierzu aber nicht des Mittels des behördlichen Eingriffs bedient, so beispielsweise im Bereich der Wohlfahrtspflege, des öffentlichen Schulwesens und der Sozialversicherung. Im Bereich der privatrechtlichen Betätigung scheidet Siebert auf der zweiten Gliederungsebene die verwal383

Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 80 Rdnrn.

6 ff. Badura, DÖV 1966, S. 624/630 f.; siehe bereits 3. Kapitel A. I. 3. Badura, DÖV 1966, S. 624/630. 386 Der Diktion Baduras zufolge (DÖV 1966, S. 624/630) unterscheidet sich der lenkende vom leistenden Staat dadurch, dass er es bei der privatwirtschaftlichen Versorgung belässt, diese aber einer sozial- oder wirtschaftspolitischen Kontrolle oder Beeinflussung unterwirft. 387 Siebert, in: FS f. Niedermeyer, S. 215/219 ff. 388 Befürwortend: Furtwängler, Bindung des öffentlichen Auftraggebers, S. 82 ff.; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 42 ff. 384 385

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

tungsprivatrechtliche von der fiskalischen Betätigung. Die Kategorie des Verwaltungsprivatrechts umfasst die Verwendung des privaten Rechts als Mittel öffentlicher Verwaltung und dient somit der Beschränkung des fiskalischen Handelns auf die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit und die privatrechtlichen Hilfsgeschäfte der Verwaltung. Unterscheidungsmerkmal zur hoheitlich-nichtobrigkeitlich tätigen Verwaltung ist die private Rechtsform, zu den übrigen Tätigkeiten in privater Rechtsform die unmittelbare Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Der Begriff und die Kategorie des Verwaltungsprivatrechts sind allgemeine Meinung geworden. Charakteristisch für diese Kategorie ist die Formenwahlfreiheit 389 der leistenden Verwaltung, welche dem Träger öffentlicher Verwaltung zwar die Verwendung der Privatrechtsform erlaubt, ihm jedoch den Vollgenuss der Privatautonomie versagt, ihn vielmehr zahlreichen öffentlich-rechtlichen Bindungen unterwirft, die das Zivilrecht „ergänzen, überlagern oder modifizieren“. 390 Die hieraus resultierende Gemengelage zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Vorschriften zeichnet sich zuvorderst durch die Bindung an die Grundrechte nach Art. 1 Abs. 3 GG aus, dabei in erster Linie an den Gleichheitssatz, die Freiheitsrechte und an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Insofern wird dem Fleiner’schen 391 Verbot der „Flucht ins Privatrecht“ genügt. Trotz der Etabliertheit der Kategorie des Verwaltungsprivatrechts ist sie seit jeher rechtswissenschaftlicher Kritik ausgesetzt. Dieser sind die bestehenden ungeklärten Fragen des Umfangs der öffentlich-rechtlichen Überlagerung freilich zuträglich. Gleiches gilt für Rechtsunsicherheiten in den Bereichen des Verwaltungsverfahrensrechts und des Prozessrechts. 392 Die Durchsetzbarkeit alternativer Modelle ist jedoch unwahrscheinlich 393. Für die in diesem Abschnitt zu leistende Einordnung der öffentlichen Auftragsvergabe kommt der Voraussetzung der unmittelbaren Erfüllung öffentlicher Aufgaben ein besonderes Gewicht zu. Eine unmittelbare Erfüllung öffentlicher Aufgaben soll dann zu bejahen sein, wenn die Aufgabe gegenüber dem Partner der Rechtsbeziehung besteht 394. Öffentlich-rechtliche Bindungen kommen demgemäß nur in Betracht, wenn der Verwaltungsträger „nicht nur schlechthin und irgendwie, sondern gerade in der je geregelten Sonderverbindung gegenüber gerade den von dieser Verbindung betroffenen Partnern als Sachwalter der Angelegenheiten der verfaßten sozialen Gesamtheit tätig“ 395 wird. Diese Anforderung ist nicht erfüllt, wenn die 3. Kapitel A. I. 3. BGH, Urt. v. 10.10.1991, NJW 1992, S. 171/173; Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, §84 Rdnr. 47; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 23 Rdnr. 32. 391 Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 326. 392 Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, §1 Rdnrn.96 ff.; Unruh, DÖV 1997, S. 653/663 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 23 Rdnrn. 32 a ff. 393 Vgl. Ehlers, DVBl. 1986, S. 912 ff.; Röhl, VerwArch. 86 (1995), S. 531/577 ff.; Unruh, DÖV 1997, S. 653/665 f. 394 Z. B. BGH – Kartellsenat –, Urt. v. 26.10.1961, Z 36, S. 91/96; Wilke/Schachel, WiVerw 1978, S. 95. 395 Barbey, WiVerw 1978, S. 77/91. 389 390

C. Einordnung in die Kategorien des Verwaltungshandelns

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Rechtsbeziehung zum Partner auf dieser Sonderverbindung nicht beruht, sie gleichsam rein zufällig erscheint 396. Auf dieser Grundlage verursacht das Merkmal der Unmittelbarkeit nicht selten erhebliche Abgrenzungsprobleme. In Kenntnis, dass Abgrenzungsschwierigkeiten den juristischen Disziplinen immanent sind397, ist das Festhalten am Unmittelbarkeitserfordernis gleichwohl seit jeher umstritten. Als Abhilfemaßnahmen werden im Wesentlichen vertreten: Zum einen wird an den traditionellen Begrifflichkeiten festgehalten, wobei die Unmittelbarkeit in einem weiteren, oftmals wirtschaftlichen Sinn verstanden wird 398. Ein solcher Ansatz korrespondiert mit der im Abschnitt B. dieses Kapitels dargestellten finalen Betrachtung. Er ist ferner besser geeignet, die vielfältigen Kooperationen der öffentlichen Hand mit Privaten im Sinne eines weiten Public-Private-Partnership-Begriffs 399 zu erfassen. Im Gegenzug lässt dieser Ansatz eine Schwächung des Unmittelbarkeitserfordernisses und der damit verbundenen Abgrenzungsfunktion erwarten. Zum anderen wird die Tauglichkeit des Abgrenzungskriteriums der Unmittelbarkeit generell bezweifelt und für dessen Aufgabe plädiert 400. Diese Überlegungen beruhen freilich weniger auf der Sorge um die Kategorisierung der Verwaltungstätigkeit als auf den Rechtsfolgen der Verneinung der Unmittelbarkeit, in concreto, auf der nach herkömmlicher Auffassung auch nicht partiell zu bejahenden Fiskalgeltung der Grundrechte401. Im Bereich der hoheitlichen Betätigung haben sich die Termini gegenüber der Siebert’schen Einteilung fortentwickelt. Handeln Träger öffentlicher Verwaltung in Ausübung obrigkeitlicher Gewalt, indem sie zum Beispiel Verbote oder Gebote aussprechen, Zwang androhen oder anwenden, so handeln sie (nur) obrigkeitlich 402. Handelt der Verwaltungsträger zwar in den Formen des öffentlichen Rechts, übt er dabei jedoch keine obrigkeitliche Tätigkeit aus, so wird allgemein von „schlicht-hoheitlicher Tätigkeit“ gesprochen 403. Der Begriff wurde von Jellinek 404 geprägt. Hier 396 Barbey, WiVerw 1978, S. 77/91; Ossenbühl, DÖV 1971, S. 513/521; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 397 ff. 397 Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 95 f.; Dürig, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 483; Ossenbühl, DÖV 1971, S. 513/521. 398 Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1015 f.; Leiggener, Die Vergebung von öffentlichen Aufträgen, S. 133 ff.; Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 208/238. 399 Siehe 2. Kapitel B. I. 2. 400 Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1015; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 246; Gusy, DÖV 1984, S. 872/878; Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 24; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S.95 ff.; Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S. 367 ff.; Röhl, VerwArch. 86 (1995), S. 531/574; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 397 ff.; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 174, 196. 401 Hierzu 3. Kapitel D. I. 402 Die Begriffe „hoheitlich“ und „obrigkeitlich“ werden mitunter vermengt. „Hoheitlich“ in Art. 33 Abs. 4 GG meint „obrigkeitlich“ (Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 23 Rdnr. 39). 403 Und nicht von „hoheitlich-nichtobrigkeitlicher“ Tätigkeit. Die Terminologie ist wiederum nicht einheitlich (vgl. Clausen, in: Knack, VwVfG, Vor § 9 Rdnrn. 7 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 23 Rdnr. 40. Mallmann (VVDStRL 19 (1961), S. 165/168 ff.)

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

wird der Verwaltungsträger allein aufgrund seines allgemeinen Auftrages tätig, das Wohl der Allgemeinheit zu erhalten, zu fördern und zu pflegen. Bezugnehmend auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben handelt es sich in praxi um „öffentlich-rechtliche Leistungsverwaltung“ 405. In dieser Kategorie werden in erster Linie die Bereiche der Sozialversicherung und Wohlfahrtspflege, der öffentlich-rechtlichen Anstaltsbenutzungsverhältnisse, des öffentlich-rechtlichen Vertrages und der öffentlich-rechtlichen Subventionsverhältnisse (Frage des „ob“) erfasst. Abgrenzungsfragen bestehen einerseits zum Verwaltungsprivatrecht. Insoweit konkretisiert sich die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht. Andererseits gilt es, von der schlicht-hoheitlichen Tätigkeit diejenigen, in der jüngsten Rechtsentwicklung stark angewachsenen Tätigkeiten zu scheiden, die zwar ebenso dem öffentlichen Recht zugeordnet werden, indes nicht auf Bewirken eines rechtlichen, sondern eines tatsächlichen Erfolges gerichtet sind. Hierunter fallen beispielsweise (Wissens-)Erklärungen zu bestimmten Produkten oder Sachverhalten, Warnungen, Empfehlungen und Absprachen. Auch diese Handlungen werden zum Teil unter den Oberbegriff der schlicht-hoheitlichen Tätigkeit gefasst; näher liegt jedoch die Subsumtion unter die eigenständige Kategorie des schlichten, tatsächlichen oder informellen Verwaltungshandelns. 406

II. Einordnung der öffentlichen Auftragsvergabe Bei Subsumtion der öffentlichen Auftragsvergabe unter die vorstehende Kategorisierung der staatlichen Betätigung ergibt sich Folgendes: 1. Herkömmliche Einordnung Nach Maßgabe der herkömmlichen Einordnung handeln der Staat und seine Untergliederungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge fiskalisch 407. Das Recht der öflehnt den Begriff entschieden ab. Den Versuch einer dogmatischen Strukturierung unternimmt Robbers (DÖV 1987, S. 272 ff.). 404 Jellinek (Verwaltungsrecht, S. 22) formuliert: „Schlichte Hoheitsverwaltung sind alle Fälle, in denen der Staat von seiner Höhe herabsteigt, ohne darum Fiskus zu werden, ohne die ihm eigentümliche Gewalt einzusetzen.“ 405 Die Grenzen der Abgrenzbarkeit kommen zum Vorschein, wenn – für die Leistungsverwaltung nicht fremd – der Verwaltungsträger die Annahme seiner im Rahmen der öffentlichen Aufgabenerfüllung geschaffenen Wohltaten verlangt. Näher zu dieser Problematik: Jellinek, Verwaltungsrecht, S.24; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 43 f.; Mallmann, VVDStRL 19 (1961), S. 165/168 ff. 406 Vgl. Clausen, in: Knack, VwVfG, Vor § 9 Rdnrn. 7 ff.; Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rdnrn. 124 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 23 Rdnr. 40. 407 Zur Definition des Begriffs der „fiskalischen Verwaltung“ umfassend: Müller, Das öffentliche Gemeinwesen als Subjekt des Privatrechts, S. 24 ff.

C. Einordnung in die Kategorien des Verwaltungshandelns

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fentlichen Auftragsvergabe wird als „Privatrecht kraft Natur der Sache“ verstanden. 408 Diese Kategorisierung beruht auf folgenden Weichenstellungen: Es dominiert ein ganzheitlich privatrechtliches Verständnis des Tätigkeitsbereichs der öffentlichen Auftragsvergabe. Ursächlich ist eine Fokussierung auf die Handlungsform des privatrechtlichen Vertrages, die sich durch die Maßgeblichkeit des Vertragsschlusses in privatrechtlicher Form sowie durch die privatrechtliche Prägung des vorausgehenden und zugrunde liegenden Verfahrens auszeichnet, sog. Rückschluss von der Rechtsnatur der Ausführungshandlung 409. Auf der ersten Gliederungsebene scheidet sonach eine Einordnung in öffentlich-rechtliche Handlungsformen aus. Zudem unterliegt die Beschaffung von Gütern und Leistungen durch die Vergabe öffentlicher Aufträge einer finalen Betrachtung. Aus der Sicht der Erfüllung der finalen öffentlichen und ggf. staatlichen Aufgabe hat die Beschaffung der hierfür erforderlichen Güter und Leistungen keine unmittelbare, sondern lediglich mittelbare Bedeutung410. Eine Einordnung in die Kategorie des Verwaltungsprivatrechts kommt demnach nicht in Betracht; die öffentliche Auftragsvergabe wird als „Hilfsgeschäft der Verwaltung“ verstanden. Die von Forsthoff 411 angestoßenen Überlegungen, ob hieran angesichts der stark gestiegenen wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Bedeutung der öffentlichen Auftragsvergabe noch festgehalten werden könne, stießen auf wenig fruchtbaren Boden. Zwar werden der Auftragsvergabe die Eigenschaften eines „echten Grenzfalls“ und einer „größeren Nähe zum öffentlichen Recht“ bescheinigt 412; allerdings wird die Diskussion unter einem anderen Gesichtspunkt geführt, nämlich unter dem der Fiskalgeltung der Grundrechte 413. Das Inkrafttreten der europäischen Vergaberichtlinien und deren Umsetzung durch die haushaltsrechtliche Lösung und auch durch das VgRÄG haben an dieser Betrachtungsweise trotz der vorhandenen Kritik im Wesentlichen nichts geändert 414. Als Hemmschuh für einen Wandel bei der Ka408 Vgl. nur BVerwG, Urt. v. 7.11.1955, E 5, S. 325; BGH – Kartellsenat –, Urt. v. 26.10.1961, Z 36, S. 91 ff.; GmS OBG, Beschl. v. 10.4.1986, BGH Z 97, S. 312 ff.; jüngst VG Gelsenkirchen, Az. 12 L 2120/04, Beschl. v. 15.10.2004, und VG Potsdam, Beschl. v. 20.9.2005, NZBau 2006, S. 68 f.; Dürig, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 476; Meyer, in: Knack, VwVfG, § 1 Rdnr. 73; Müller, Das öffentliche Gemeinwesen als Subjekt des Privatrechts, S. 22 ff.; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 407 f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 23 Rdnrn. 18 ff. 409 Vgl. 3. Kapitel A. II. 2. 410 Dürig, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 490; Müller, Das öffentliche Gemeinwesen als Subjekt des Privatrechts, S. 35; Kopp/Schenke, VwGO, § 40 Rdnr. 25 b; Siebert, in: FS f. Niedermeyer, S. 215/221; Unruh, DÖV 1997, S. 653/662; Wilke/Schachel, WiVerw 1978, S. 95/97. 411 Forsthoff, Der Staat als Auftraggeber, S. 21 f. 412 Dürig, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 490. 413 Hierzu 3. Kapitel D. I. 414 Dreher, NZBau 2000, S.280 ff.; Meyer, in: Knack, VwVfG, §1 Rdnr. 73; Kopp/Ramsauer, Einführung Rdnrn.51 f., kritisch nun in Rdnrn.53 f.; Ruthig, DÖV 1997, S.539 ff.; kritisch hierzu: Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 11 Rdnr. 51; Pernice/Kadelbach, DVBl. 1996, S.1100/1106; Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, §1 Rdnr.230; Triantafyllou, NVwZ 1994, S. 943.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

tegorisierung erwies sich in erster Linie das Bestreben, bei der Umsetzung der Vergaberichtlinien das klassische deutsche Vergaberechtsverständnis so weit und so lange als möglich fortzuschreiben 415, womit zunächst die haushaltsrechtliche Komponente und anschließend – im Wege der gesetzgeberischen Umqualifizierung 416 – die wettbewerbliche Komponente im Vordergrund standen. Obwohl die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, dass die Abkehr von der Fiskustheorie nicht die Abkehr von der Kategorie der fiskalischen Verwaltung bedingte, werden die Folgen eines geänderten Verständnisses des Fiskus für die Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses diskutiert: Furtwängler, der die öffentliche Auftragsvergabe als einstufig privatrechtlich begreift, erörtert deren Einordnung in die Tätigkeitsformen der Verwaltung sowohl unter einem formalen als auch unter einem funktionalen Fiskusverständnis 417. Dieses funktionale Verständnis korrespondiert mit den vielfältigen, mit der Vergabe eines öffentlichen Auftrages verfolgten Zwecken. Es versucht, das fiskalische Handeln auf die ausschließlich vermögensrechtlichen Beziehungen, letztlich auf das Finanzvermögen, zu begrenzen. Indem Furtwängler auf die wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Bedeutung sowie auf das mit der Vergabe eines öffentlichen Auftrages verbundene Verfahren abstellt, folgt er damit Forsthoff und löst das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe aus dem Fiskalbereich heraus. Bezeichnend ist die Aussage, die Auftragsvergabe sei „zum Gegenstand der Verwaltung selbst“, „das frühere Hilfsgeschäft zu einem ihrer wesentlichen Teile“ geworden 418. Im Rahmen einer funktionalen Betrachtung bejaht Furtwängler den Anwendungsbereich der schlicht-hoheitlichen Verwaltungstätigkeit, während er ein verwaltungsprivatrechtliches Handeln mangels unmittelbarer öffentlicher Aufgabenerfüllung grundsätzlich verneint. 419 Kritisch anzumerken bleibt freilich, dass eine systematische Abschichtung der Kategorien nicht stattfindet; weder eine Aufgliederung nach öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Rechtsform noch nach Ausführungshandlung und Vergabeverfahren bzw. -rechtsverhältnis. Eine gesonderte Diskussion besteht ferner bei der Anwendbarkeit von Bevorzugungsregelungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Aufgrund des fürsorgerechtlichen Gehalts dieser Rechtsvorschriften und aufgrund der dadurch gegebenen Nähe zum Subventionsrechtsverhältnis wird die öffentliche Auftragsvergabe als verwaltungsprivatrechtliche Tätigkeit angesehen. 420 Ehlers 421 indes verneint im Siehe 1. Kapitel B. III. Vgl. 3. Kapitel A. II. 5. b) aa). 417 Furtwängler, Bindung des öffentlichen Auftraggebers, S. 83 ff. 418 Furtwängler, Bindung des öffentlichen Auftraggebers, S. 86; Forsthoff, Der Staat als Auftraggeber, S. 21. 419 Die Ausführungen Forsthoffs (Der Staat als Auftraggeber, S. 21 f.) deuten indes auf eine grundsätzliche Bejahung verwaltungsprivatrechtlichen Handelns hin. 420 Furtwängler, Bindung des öffentlichen Auftraggebers, S. 89 ff.; Haak, Die Grundrechtsbindung bei der Vergabe, S. 68 ff.; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S.69 ff.; Rennert, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, §40 Rdnrn.48 ff.; Wilke/Schachel, WiVerw 1978, S. 95/97. Rüfner (Formen öffentlicher Verwaltung, S. 393 ff.) unterscheidet da415 416

C. Einordnung in die Kategorien des Verwaltungshandelns

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Rahmen seiner Ausführungen zur Anwendbarkeit der Zwei-Stufen-Theorie ein verwaltungsprivatrechtliches Handeln im Fall der Einschlägigkeit einer Bevorzugungsnorm. Die Bevorzugungsnorm begründe zwar ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis, sie betreffe aber lediglich eine selbständige Vorfrage, die zwar regelmäßig mit der Vergabe des Auftrages durch Angebotsannahme oder -ablehnung ausgesprochen werde, die Entscheidung über die Vergabe des Auftrages jedoch weder vorwegnehme noch einen Anspruch hierauf begründe. Ein anderes Bild zeigt sich bei der Auftragsvergabe unter Einbeziehung vergabefremder Zwecke. Diese wird allgemein zur Bejahung der Unmittelbarkeit der öffentlichen Aufgabenerfüllung als nicht ausreichend gehalten 422, so dass die Annahme einer verwaltungsprivatrechtlichen Tätigkeit aus diesem Grund ausscheidet. Sobald der Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts eröffnet ist, gilt es zudem das Nachprüfungsverfahren gemäß §§ 102–115 GWB zu berücksichtigen. Da die Entscheidung der Vergabekammer im Nachprüfungsverfahren nach § 114 Abs. 3 Satz 1 GWB durch Verwaltungsakt ergeht, ist die Rechtsnatur dieses Rechtsverhältnisses als öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis in Form des Verwaltungsverfahrens nach §§ 9 ff. VwVfG positivrechtlich statuiert. Verwaltungsverfahren in diesem Sinn dienen dem geordneten Vollzug der Gesetze sowie der Wahrung und Durchsetzung der Rechte des Bürgers in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren 423. Da die Grundentscheidung pro öffentliches Recht lautet, können im Hinblick auf die Einordnung grundsätzlich nur die Kategorien der obrigkeitlich-hoheitlichen oder der schlicht-hoheitlichen Betätigung in Frage kommen. Der Eigenschaft als Verwaltungsverfahren im engeren Sinn ist hierüber keine Aussage zu entnehmen. Den Regelungsgegenstand des Nachprüfungsverfahrens vergegenwärtigt, dienen die Vergabekammern als erstinstanzliche Eingangsinstanz und als mit besonderer Unabhängigkeit ausgestattete Verwaltungsbehörden im Rahmen des vergaberechtlichen Rechtsschutzverfahrens oberhalb der Schwellenwerte. Als gerichtsnahe Nachprüfungsstellen kommt ihnen im Rahmen der Kategorien der Betätigung der Verwaltung keine eigenständige Bedeutung zu. Maßgeblich für diese Einordnung ist folglich dasjenige Verfahren, das der Entscheidung, die Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist, zugrunde liegt und dessen Ansprüche durchgesetzt werden sollen, also das Vergaberechtsverhältnis. Das Nachprüfungsverfahren trägt insoweit lediglich einen akzessorischen Charakter. Mit der herkömmlichen Betrachtung der öffentlichen Auftragsvergabe als fiskalisches Hilfsgeschäft und damit als rein privatrechtliche Betätigung lässt sich die öffentlich-rechtliche Rechtsform des Nachprüfungsverfahrens schwerlich in Einklang bringen. Durch die Gewährleistung subjektiver Bieterrechte im Bereich des Vergaberechtsverhältnisses erfolgt beim Nachprüfungsverfahren als einem Verfahren zur Durchsetzung dieser Rechte ein Wandel vom Innen- zum Aunach, ob der Bürger durch „die staatliche Maßnahme nach ihrem Endzweck“ begünstigt werden soll oder ob „er zufällig aus ihr Vorteile ziehen kann, obwohl ihr Endzweck ein ganz anderer ist“. 421 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 189 ff. 422 Vgl. Furtwängler, Bindung des öffentlichen Auftraggebers, S. 94. 423 Vgl. nur Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 9 Rdnr. 3.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

ßenrecht 424. Fiskalisch wäre die Vergabe öffentlicher Aufträge oberhalb der Schwellenwerte allenfalls dann, wenn das Nachprüfungsverfahren wie auch das Vergaberechtsverhältnis lediglich als flankierende Verfahren im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Auftragsvergabe angesehen werden könnten. Insoweit wäre dann von einem „regulierten Verfahren der Vertragsanbahnung“ 425 und auch der Vertragsnachprüfung oder von einem „privatrechtlich verfassten Verwaltungsverfahren“ 426 zu sprechen. Dies würde freilich voraussetzen, dass das privatrechtliche Rechtsgeschäft des öffentlichen Auftrages auf der Handlungs- und Vollzugsebene als der Schwerpunkt eines einheitlichen Verfahrens der Auftragsvergabe betrachtet wird, dem sich der öffentlich-rechtliche Charakter des Nachprüfungsverfahrens unterordnet. Die auf der Ebene der Nachprüfung auftretenden Friktionen resultieren indes aus der Statuierung eines subjektiven Rechts und aus der geänderten Rechtsqualität des Verfahrens. Hier werden Unzulänglichkeiten der herkömmlichen Einordnung deutlich. 2. Einordnung aufgrund der Ergebnisse gemäß Abschnitte A. III. und B. III. Unter Berücksichtigung der öffentlich-rechtlichen Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses und des Nachprüfungsverfahrens sowie der öffentlichen und staatlichen Aufgabenbindung ergibt sich im Hinblick auf die Einordnung der öffentlichen Auftragsvergabe in die Kategorien des Verwaltungshandelns: Eine leistungsverwaltende und damit daseinsvorsorgende Tätigkeit ist zunächst unter dem Aspekt der mit der Möglichkeit der Leistungserbringung gegenüber öffentlichen Auftraggebern verbundenen Realförderung zu bejahen. Die Nähe zur Subvention kann sich auf die verwaltungsrechtliche Kategorisierung auswirken. In Abschnitt B. II. dieses Kapitels wurde dargestellt, dass sich die Kategorie der Leistungsverwaltung nicht auf Fürsorgemaßnahmen im engeren Sinn beschränkt. Mit der Eröffnung eines Markts zur Vergabe eines öffentlichen Auftrages und mit der Steuerung der dort bestehenden Marktbedingungen wird eine verfahrensrechtliche 424 Demgegenüber befand man sich mit den Institutionen der Vergabeprüfstellen und Vergabeüberwachungsausschüsse (siehe 1. Kapitel B. III.) noch im Bereich des Haushaltsrechts. Die „haushaltsrechtliche Lösung“ wirkt insofern fort, als Vergabeprüfstellen nach Maßgabe des § 103 GWB eingerichtet werden können, wobei deren Prüfungs- und Entscheidungskompetenz dann neben der Nachprüfung durch die Vergabekammern gegeben ist. Beim Verfahren auf Nachprüfung vor der Vergabekammer bedarf es nicht der Prüfung und/oder Entscheidung der Vergabeprüfstelle, §§ 102, 103 Abs. 3 Satz 2 GWB. Die Vergabeprüfstellen stehen anders als bei der haushaltsrechtlichen Lösung nunmehr außerhalb des förmlichen Rechtsschutzverfahrens. Ihre Funktion zeichnet sich durch die Bereitstellung einer formlosen Prüfung und Beratung sowie durch die Entlastung der Vergabekammern und mittelbar der Vergabesenate aus. Zum Verhältnis von Vergabeprüfstelle und Vergabekammer nach dem VgRÄG: Stockmann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Kommentar zum GWB, § 102 Rdnrn. 3 ff., 14 f. 425 Ziekow/Siegel, ZfBR 2004, S. 30/33. 426 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 429/435.

C. Einordnung in die Kategorien des Verwaltungshandelns

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Daseinsvorsorge betrieben. Die Regelung der Teilhabe an einem öffentlichen Markt ist typisch für Leistungen gleich welcher Art, für die auf der Seite der Bürger ein Nachfrageüberhang besteht. Leistungsverwaltend ist daher die aus dem bestehenden staatlichen Bedarf hervorgehende Gestaltung der Rahmenbedingungen zur Erlangung des der Deckung dieses Bedarfs dienenden öffentlichen Auftrages. Der öffentlichen Auftragsvergabe ist des Weiteren ein lenkungsverwaltender Charakter beizumessen, sobald öffentliche Aufträge als Mittel benutzt werden, um bestimmte wirtschafts- oder sozialpolitische Zielsetzungen zu erreichen. Lenkend im Bereich der Auftragsvergabe handelt in erster Linie die Legislative, als sie Sektorenauftraggeber in die öffentliche Auftragsvergabe einbezieht, Bevorzugungsnormen statuiert sowie die Voraussetzungen für das Einbeziehen vergabefremder Anforderungen schafft. Im ersten und zweiten der genannten Bereiche scheidet aufgrund der gesetzlichen Vorgaben eine lenkende Verwaltungstätigkeit des konkreten öffentlichen Auftraggebers aus. Anders liegt es, wenn der öffentliche Auftraggeber von der Möglichkeit der Einbeziehung vergabefremder Kriterien Gebrauch macht. Dennoch tritt in diesen Fällen die lenkungsverwaltende Tätigkeit lediglich zur leistungsverwaltenden Tätigkeit hinzu. Trotz der maßgeblichen Bedeutung des vergabefremden Kriteriums für die Zuschlagsentscheidung verbleibt der Schwerpunkt auf den leistungsverwaltenden Elementen: Auftrag und Verfahren. Ein differenzierteres Bild ergibt sich bei der Siebert’schen Einordnung unter Berücksichtigung der Organisations- und Handlungsformen sowie der Aufgabenanknüpfung. Ausgangspunkt für diese Kategorisierung ist die gesonderte Betrachtung der im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe bestehenden Rechtsverhältnisse. Hierin ist der grundlegende Unterschied zur herkömmlichen Auffassung zu erblicken, die die Auftragsvergabe insgesamt der Kategorie der Fiskaltätigkeit zuordnet. Formelle und materielle Erwägungen sprechen gegen eine solche Gesamtbetrachtung: Formell folgt die Kategorisierung der Staats- bzw. Verwaltungstätigkeit ihrer Rechtsform und führt zu öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Betätigungsformen. Die Maßgeblichkeit der Rechtsform spaltet den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe in das Vergaberechtsverhältnis und das Nachprüfungsverfahren einerseits, in die Ausführungshandlung andererseits. Materiell sind die der Auftragsvergabe zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse einer einheitlichen Einordnung nicht zugänglich. Hierbei sind die Ausführungen in diesem Kapitel unter Abschnitt A.II. 2. fruchtbar zu machen. Zunächst spricht gegen eine einheitliche Betrachtung der Auftragsvergabe die im Grunde gegebene Wandelbarkeit des Vergaberechtsverhältnisses. Aufgrund der unterschiedlichen Rechtsform von Vergaberechtsverhältnis und Ausführungshandlung wäre einer einheitlichen Betrachtung ferner ein Schluss von der Ausführungshandlung auf das Vergaberechtsverhältnis oder umgekehrt immanent. Unabhängig von der Richtung eines entsprechenden Schlusses wurde dessen Unzulänglichkeit im Hinblick auf die Einordnung von Rechtsverhältnissen dargelegt. Eine einheitliche Betrachtung von Vergaberechtsverhältnis und Ausführungshandlung zum Zwecke der verwaltungsrechtlichen Kategorisierung verbietet sich zudem aus der unterschiedlichen Zwecksetzung der beiden Rechtsverhältnisse, die der

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

Unterordnung eines dieser Rechtsverhältnisse entgegensteht. Während das Vergaberechtsverhältnis ein Verfahren zur Herbeiführung der wirtschaftlichsten Zuschlagsentscheidung im Rahmen einer Bieterkonkurrenz bereitstellt, verkörpert die regelmäßig private Ausführungshandlung den „öffentlichen Auftrag“. Die Ausführungen in diesem Kapitel unter Abschnitt A. II. 2. haben gezeigt, dass die verfahrensrechtliche Besonderheit des Zusammenfallens der Zuschlagsentscheidung mit der privatrechtlichen Annahmeerklärung aus der Sicht des Rechtsverkehrs zur Beantwortung der Fragen der Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses und der rechtlichen Einordnung der bei der öffentlichen Auftragsvergabe relevanten Rechtsverhältnisse nichts beitragen kann. In Bereichen, in denen staatliche Leistungen auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Verfahrens durch privatrechtliche Verträge bereitgestellt werden, ist das Bestehen zweier zeitlich aufeinander folgender, eigenständiger und der Rechtsform nach unterschiedlicher Rechtsverhältnisse anerkannt 427. Hierbei muss es sich nicht um Anwendungsfälle der Zwei-Stufen-Theorie handeln 428. Die Qualifikation eines Staats- und Verwaltungshandelns bestimmt sich weder nach der konkreten Rechtsqualität im Außenrechtsverkehr noch nach der konkreten Rechtswegausgestaltung. Vielmehr sind die Rechtsnatur des den Anspruch begründenden Rechtsverhältnisses sowie, hieran anschließend, die mit diesem verfolgten Aufgaben und die Handlungsmodalitäten entscheidend. Bezogen auf die Kategorien des Verwaltungshandelns heißt dies, dass die im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe bestehenden Rechtsverhältnisse einzeln zu betrachten sind, ferner, dass die Einordnung auf der ersten Gliederungsebene von ihrer Rechtsform vorgegeben wird. Lediglich das Nachprüfungsverfahren weist (auf der zweiten Gliederungsebene) eine Nach- und Zuordnung zum Vergaberechtsverhältnis auf. Das Vergaberechtsverhältnis ist öffentlich-rechtlicher Rechtsnatur. Eine obrigkeitliche Tätigkeit scheidet aus. Es ermangelt insoweit sowohl der obrigkeitlichen Gewalt als auch des Handlungsmittels des Verwaltungsakts zur Festsetzung einseitig verbindlicher Regelungen. Das Vergaberechtsverhältnis ist schließlich nicht als schlichte, tatsächliche oder informelle Verwaltung anzusehen. Als Verfahrensverhältnis zur Steuerung eines öffentlich-rechtlichen Sondermarkts und zur Herbeiführung einer willkürfreien, der Ausführungshandlung zugrunde liegenden Zuschlagsentscheidung ist es nicht lediglich auf die Herbeiführung eines tatsächlichen Erfolges beschränkt. Ohne Bedeutung ist, dass lediglich die Zuschlagsentscheidung als Annahme des obsiegenden Bieterangebots in den Rechtsverkehr tritt, nicht aber ein rechtlich eigenständiger öffentlich-rechtlicher Akt. Es verbleibt die Kategorie der schlicht-hoheitlichen Betätigung. Schlicht-hoheitlich zeigt sich das Vergaberechtsverhältnis in seiner verfahrensrechtlichen Komponente, indem es bei Bestehen eines öffentlichen Bedarfs ein willkürfreies Verfahren leistet und steuert. Materiell-rechtlich besteht eine schlicht-hoheitliche Komponente durch den realfördernden Cha427 Vgl. nur bei Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd.1, §23 Rdnr.30; siehe auch 3. Kapitel D. II. 428 Siehe 3. Kapitel A. II. 2., D. II.

C. Einordnung in die Kategorien des Verwaltungshandelns

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rakter des mittels öffentlicher Aufträge zu deckenden öffentlichen Bedarfs. Hier sind auch die Bevorzugungsnormen zu würdigen. Als „öffentlich-rechtliche Leistungsverwaltung“ ist das Vergaberechtsverhältnis der schlicht-hoheitlichen Verwaltung im Sinne der herrschenden Kategorisierung zuzurechnen. 429 Die Einordnung des Nachprüfungsverfahrens bereitet im Gegensatz zur herkömmlichen Einordnung nach vorstehend 1. keine systematischen Schwierigkeiten. Ihr liegt wiederum die Maßgeblichkeit des Vergaberechtsverhältnisses zugrunde, so dass das Nachprüfungsverfahren als Verwaltungsverfahren nach §§ 9 ff. VwVfG die Kategorie des Vergaberechtsverhältnisses teilt. Der Staat handelt sonach im Rahmen des Verfahrens der Nachprüfung von Vergabeentscheidungen sowie im Rahmen des Vergaberechtsverhältnisses öffentlich-rechtlich und dabei schlicht-hoheitlich. Die Ausführungshandlung entspricht dem auf der Grundlage des Vergaberechtsverhältnisses abgeschlossenen öffentlichen Auftrag. Angesichts ihrer privatrechtlichen Rechtsform kommen lediglich die Kategorien der Fiskaltätigkeit und des Verwaltungsprivatrechts in Betracht. Die Abgrenzung auf der zweiten Gliederungsebene vollzieht sich anhand des Kriteriums der unmittelbaren öffentlichen Aufgabenerfüllung. Den Ausführungen in diesem Kapitel unter Abschnitt B.II. zufolge werden mit der Auftragsvergabe stets öffentliche Aufgaben erfüllt. Maßgeblich ist die Aufgabenqualität der konkreten Verwaltungstätigkeit insgesamt. Werden bei dieser unmittelbar öffentliche Aufgaben erfüllt, so gilt dies für die Organisationsform und die Handlungs- bzw. Vollzugsebene gleichermaßen 430. Es genügt das Abstellen auf die Ermöglichung der Teilnahme an einem staatlichen Sondermarkt und die Leistung eines wettbewerblichen und willkürfreien Verfahrens als autonome öffentliche Verfahrensaufgabe. Diese erfüllt die Voraussetzungen des Unmittelbarkeitsbegriffs im Sinne des ursprünglichen Verständnisses, da die Leistung eines Vergabeverfahrens – unabhängig von der konkreten Ausgestaltung und unabhängig vom Erreichen der maßgeblichen Schwellenwerte – stets gerade gegenüber den Bietern als potenziellen Vertragspartnern besteht. Bei Betrachtung der weiteren bei der Auftragsvergabe erfüllt werdenden öffentlichen Aufgaben ergibt sich folgendes Bild: Soweit bei der öffentlichen Auftragsvergabe gesetzliche Bevorzugungsregelungen einschlägig sind, ist ebenfalls eine, dem ursprünglichen Verständnis folgende, unmittelbare Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu bejahen. Dies korrespondiert mit dem Überwiegen des gesetzlichen Leistungszwecks gegenüber dem Lenkungszweck. Vom Schrifttum wird 429 Nach der Strukturierung von Robbers (DÖV 1987, S. 272 ff.) liegt die Annahme „regelungsersetzender Handlungen“ nahe. 430 Die Trennung von Ausführungshandlung und Vergaberechtsverhältnis steht dem nicht entgegen. Wie in Abschnitt A. II. 2. dieses Kapitels ausgeführt, bezeichnet die Ausführungshandlung das Vollzugsgeschäft der im Rahmen des Vergaberechtsverhältnisses getroffenen Entscheidung. Insofern lässt sich diese Ebene nicht in einer Weise verselbständigen, dass sie als fiskalisches Staatshandeln kategorisiert werden könnte. Es bestehen Differenzierungsspezifika in den Bereichen der Rechtsform, der Tätigkeitsebene und des zeitlichen Ablaufs, nicht aber im Bereich der Aufgabenerfüllung. Hier steht die Ausführungshandlung in einem Abhängigkeitserhältnis.

15 Regler

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

diese Auffassung überwiegend geteilt 431. Die zutreffende Annahme, dass die konkrete Bevorzugungsnorm eine selbständige Vorfrage vor der eigentlichen Vergabeentscheidung betrifft 432, steht der Unmittelbarkeit nicht entgegen, da den Bevorzugungsnormen gemein ist, gerade einem durch bestimmte Eigenschaften begrenzten Personenkreis bei der Auftragsvergabe eine besondere Rechtsstellung einzuräumen. Werden bei der öffentlichen Auftragsvergabe in zulässiger Weise vergabefremde Zwecke verfolgt, so bewegt sich der öffentliche Auftraggeber zudem auf dem Terrain der Lenkungsverwaltung. Lenkungsgegenstand ist unmittelbar die Art und Weise der Erfüllung des öffentlichen Auftrages, mittelbar das Verhalten der potenziellen Bieter. Die Verfolgung eines vergabefremden Kriteriums bewirkt im konkreten Vergaberechtsverhältnis vorweg eine Marktverengung auf der Bieterseite. Ein leistender Charakter über die mit der öffentlichen Auftragsvergabe allgemein verbundene Realförderung und über die öffentliche Verfahrensaufgabe hinaus geht nicht mit einher. Die mit dem vergabefremden Kriterium verfolgte wirtschafts- oder sozialpolitische Aufgabe kann gegenüber einem Bieter nicht erfüllt werden, soweit der Bieter dem Kriterium bereits vor Beginn des Vergaberechtsverhältnisses entsprach. Anders liegt es, wenn der Bieter dem Kriterium bislang nicht entsprochen hat, durch die Verknüpfung des Kriteriums mit dem öffentlichen Auftrag aber veranlasst wird, zur Wahrung seiner Geschäftschancen sein unternehmerisches Verhalten dem Kriterium entsprechend zu steuern. Dann ist von der Unmittelbarkeit der Aufgabenerfüllung im ursprünglichen Verständnis auszugehen. Da für die Einordnung einer Verwaltungstätigkeit die im Einzelfall zu treffende unternehmerische Entscheidung der (potenziellen) Bieter aber nicht ausschlaggebend sein kann, ist die Unmittelbarkeit bereits zu bejahen, wenn die dem konkreten vergabefremden Kriterium bislang nicht entsprechenden Bieter zur Erfüllung dieses Kriteriums durch dessen Einbeziehung in das Vergaberechtsverhältnis abstrakt motiviert werden. Eine andere Beurteilung greift nur dann Platz, wenn die Betrachtung isoliert, das heißt ohne die Unmittelbarkeit der öffentlichen Verfahrensaufgabe, erfolgt. Für den Fall, dass bei der konkreten Vergabe eines öffentlichen Auftrages keine vergabefremden Zwecke verfolgt werden und auch der Anwendungsbereich von Bevorzugungsnormen nicht eröffnet ist, wird bei einem engen Verständnis die Unmittelbarkeit der öffentlichen Aufgabenerfüllung verneint. Eine verwaltungsprivatrechtliche Kategorisierung ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn dem Unmittelbarkeitskriterium die Existenzberechtigung versagt oder dieses zumindest in einem weiten Sinn verstanden würde, der eine Unmittelbarkeit gegenüber dem Partner des Rechtsverhältnisses nicht verlangt, vielmehr – gemischt final-funktional – die Einschaltung in die Erfüllung der finalen Staatsaufgabe als genügend ansieht. Unter Berücksichtigung der Verfahrensaufgabe gilt indes Folgendes: Die Leistung eines Vergabever431 Z. B. Furtwängler, Bindung des öffentlichen Auftraggebers, S. 89 ff.; Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S. 366. 432 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 189 ff.; ders., in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 40 Rdnr. 250.

D. Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses

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fahrens dient dem Schutz der potenziellen Auftragnehmer und wird gerade in deren Interesse an Gleichheit und Wettbewerb erbracht. Sie bewirkt, dass mit dem Vergaberechtsverhältnis stets eine unmittelbare Aufgabenerfüllung verbunden ist, die ihrerseits die Einordnung in die Kategorie des Verwaltungsprivatrechts bedingt. 433

III. Ergebnis Aus den vorstehenden Erwägungen erhellt, dass die öffentliche Auftragsvergabe als Leistungsverwaltung zu qualifizieren ist. Lenkungsverwaltende Elemente treten hinzu, wenn der öffentliche Auftraggeber vergabefremde Kriterien einbezieht. Das Vergaberechtsverhältnis und die Ausführungshandlung sind im Rahmen der Kategorisierung nach Rechtsform, Aufgabenbezug und Handlungsmodalitäten gesondert zu betrachten. Das Vergaberechtsverhältnis als öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis stellt demnach eine schlicht-hoheitliche Verwaltungstätigkeit dar. Das Nachprüfungsverhältnis teilt diese Kategorie. Die privatrechtliche Ebene der Ausführungshandlung indes ist bereits aufgrund der Unmittelbarkeit der öffentlichen Verfahrensaufgabe als verwaltungsprivatrechtliches Handeln einzuordnen. Unabhängig hiervon ist die Kategorie des Verwaltungsprivatrechts bei Auftragsvergaben unter Einbeziehung vergabefremder Kriterien und im Anwendungsbereich von Bevorzugungsnormen eröffnet. Die Frage des Fortbestandes des Unmittelbarkeitskriteriums in seinem engen Verständnis zur Abgrenzung von Verwaltungsprivatrecht und Fiskaltätigkeit braucht nicht entschieden zu werden.

D. Die Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses Im Folgenden werden die Konsequenzen der in Abschnitt A. dieses Kapitels festgestellten öffentlich-rechtlichen Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses für das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe erörtert.

I. Grundrechtsrelevanz der öffentlichen Auftragsvergabe 1. Grundrechtsbindung der öffentlichen Auftraggeber Nach Art. 1 Abs. 3 GG sind Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden. Die Frage der Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand beim Handeln in privater Rechtsform, die sog. Fis433 Für eine Subsumtion der öffentlichen Auftragsvergabe unter ein „weit verstandenes Verwaltungsprivatrecht“ auch außerhalb des Anwendungsbereichs von Bevorzugungsregelungen spricht sich Triantafyllou (NVwZ 1994, S. 943 ff.) aus.

16*

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

kalgeltung, stellt ein bekanntes staatsrechtliches Terrain dar. Abzuschichten sind insofern die – der Kategorisierung nach zwar fiskalische – vorliegend nicht relevante erwerbswirtschaftliche Betätigung sowie die von den Grundrechten überlagerte und sonach grundrechtsgebundene verwaltungsprivatrechtliche Betätigung. Die Frage der Grundrechtsbindung im Bereich der staatlichen Bedarfsdeckung wird bis heute von der Entscheidung in der Rechtssache „Gummistrümpfe“434 aus dem Jahr 1961 geprägt, in der der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs ausführt: „Wenn der Verwaltungsträger sich entschließt, ob er mit einem Dritten zur Beschaffung von Sachgütern einen privatrechtlichen Vertrag eingeht, der in keinem Zusammenhang mit einer dem Dritten gegenüber zu erfüllenden öffentlichen Aufgabe steht, erläßt er dem Dritten gegenüber keinen Verwaltungsakt. Die Rechtsbeziehungen der Beteiligen tragen vielmehr von vornherein und ausschließlich privatrechtlichen Charakter. Mithin können sie nicht von der unmittelbaren Bindung an die Grundrechtsnormen erfaßt werden, die bei der unmittelbaren Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe im Verhältnis des Verwaltungsträgers zu der Person, der gegenüber er diese Aufgabe wahrzunehmen hat, unabhängig von der etwaigen privatrechtlichen Gestaltung des Vollzugsgeschäfts eintritt.“

Diese Verneinung der Bindung an die Grundrechte bei staatlichen Maßnahmen der Bedarfsdeckung war einer breiten wissenschaftlichen Auseinandersetzung nicht abträglich. Die Betrachtung des derzeitigen Meinungsbildes in der Rechtsprechung 435 und im Schrifttum 436 ergibt nunmehr ein nahezu einstimmiges Bild pro Bejahung der Grundrechtsbindung. Weitgehende Einigkeit besteht darin, dass sich aus dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG keine eindeutige Aussage entnehmen lässt 437, BGH – Kartellsenat –, Urt. v. 26.10.1961, Z 36, S. 91/96. BKartA (1. Vergabekammer des Bundes), Beschl. v. 29.4.1999, NJW 2000, S. 151/153; OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999, WuW Verg 231, S. 929/933; ausdrücklich offengelassen von BGH, Urt. v. 19.12.2000, NZBau 2001, S. 151/154. 436 Z. B. Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1015; Dreier, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 1 III Rdnr. 65; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 214 ff.; Grzeszick, DÖV 2003, S. 649/653; Hermes, JZ 1997, S. 909/912; Höfling, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 1 Rdnr. 95; Hösch, BayVBl. 1997, S. 193/196; Huber, JZ 2000, S. 877/878; Kahl, in: FS f. v. Zezschwitz, S. 151/158; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 105 ff.; Mallmann, VVDStRL 19 (1961), S. 165/201 ff.; Malmendier, DVBl. 2000, S. 963/964 f.; v. Münch, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Vorb. Art. 1–19 Rdnr. 36; Pache, DVBl. 2001, S. 1781/1787 f.; Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S. 370; ders., Zweiteilung des Vergaberechts, S. 16 f.; Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/41; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/477 f.; Skouris, EuR 1998, S. 111/123 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 1 III Rdnr. 197; Stern, Staatsrecht III/1, § 74 IV 5.; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 316 ff.; v. Zezschwitz, NJW 1983, S. 1873/1878; Zuleeg, WiVerw 1984, S. 112/120; differenzierend: Dürig, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 3 Abs. 1 Rdnrn. 485 ff.; Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 84 Rdnr. 45 ff. Aus jüngerer Zeit die Grundrechtsbindung verneinend: Arndt, in: Steiner (Hrsg.), Bes. Verwaltungsrecht, Kap. VII. Rdnr. 114; VG Chemnitz, Beschl. v. 23.5.1996, NVwZ-RR 1997, S. 198 ff. 437 BKartA (1. Vergabekammer des Bundes), Beschl. v. 29.4.1999, NJW 2000, S. 151/153; Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1015; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und öffentliches Recht, S. 105 ff. m. w. Nachw.; Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S. 368. 434 435

D. Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses

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wenngleich die fehlende Anknüpfung an bestimmte Handlungskategorien der Verwaltung in Art. 1 Abs. 3 GG und die mit Art. 20 Abs. 3 GG übereinstimmende Formulierung eher für die Grundrechtsbindung jeglicher staatlichen Tätigkeit streiten. Für die Bejahung der Grundrechtsbindung im Fiskalbereich werden in erster Linie folgende allgemeine Gesichtspunkte angeführt: Das Grundgesetz normiert in Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechtsbindung jedes staatlichen Handelns. Mit der bloßen Wahl einer privaten Rechtsform oder der Beschaffungstätigkeit mittels privatrechtlicher Verträge kann sich der Staat seiner Bindung an die Grundrechte nicht entledigen. Der Staat bleibt stets Staat; der verbleibende Anwendungsbereich der fiskalischen Staatstätigkeit 438 lässt ein Festhalten an der überkommenen Fiskustheorie nicht zu. Grundrechtslücken im Sinne einer Staatlichkeit außerhalb des Grundgesetzes lassen sich nicht rechtfertigen. Vielmehr stehen der Regelungszusammenhang und der Zweck des Art. 1 Abs. 3 GG für die Sicherung eines „größtmöglichen Geltungsbereichs“ 439 der Grundrechte. Bei der rechtlich als „echter Grenzfall“ betrachteten öffentlichen Auftragsvergabe liegt die Annahme der Grundrechtsbindung noch näher: Das Schrifttum stellt in der Regel auf die besondere Gefährdungslage der Bieter ab, deren Schutzbedürfnis die Grundrechtsbindung des Auftraggebers auslöse440. Argumentiert wird mit der wirtschaftlichen Bedeutung der öffentlichen Aufträge, der Sonderstellung des Auftraggebers in Fällen der Marktbeherrschung sowie mit der wirtschaftspolitischen Instrumentalisierung des Vergaberechts durch die Einbeziehung vergabefremder Zwecke. Insoweit bestehe eine stete Gefahr der Einschränkung privater Freiheit wegen größerer tatsächlicher und rechtlicher Ressourcen441. Demnach bleibt festzustellen, dass eine Auffassung, die nach wie vor die Fiskalgeltung der Grundrechte bei der Auftragsvergabe verneint, angesichts des gegenwärtigen Standes der Grundrechtsdogmatik schwerlich aufrecht erhalten werden kann. Die Prüfung der Grundrechtsbindung des auftragsvergebenden Staates unter dem Gesichtspunkt der Fiskalgeltung ist – die bisherigen Ausführungen in diesem Kapitel vergegenwärtigt – streng genommen verfehlt. Eine ganzheitliche Betrachtung der im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe bestehenden Verfahren scheidet wie in Abschnitt A. II. dieses Kapitels dargelegt aus rechtstatsächlichen Gründen aus: Die Ebene des Vergaberechtsverhältnisses zeichnet sich durch ihre öffentlichrechtliche Rechtsnatur aus; das Handeln des öffentlichen Auftraggebers ist schlichthoheitlich. Die Bindung an die Grundrechte bei einer (öffentlich-rechtlichen) schlicht-hoheitlichen Staatstätigkeit folgt unmittelbar aus Art. 1 Abs. 3 GG und steht nicht in Frage. Auf der Ebene der Ausführungshandlung ist durch die öffentlichen Aufträge zwar der Anwendungsbereich des Privatrechts eröffnet, wie in Abschnitt C. dieses Kapitels ausgeführt, indes nicht rein privatrechtlich im Sinn von Siehe vorstehend 3. Kapitel C. I. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 216. 440 Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1015 f.; Huber, JZ 2000, S. 877/878; Grzeszick, DÖV 2003, S. 649/653; Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S. 304 ff.; Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/41. 441 Grzeszick, DÖV 2003, S. 649/653; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/482. 438 439

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

fiskalisch, sondern verwaltungsprivatrechtlich. Bei der unmittelbaren 442 Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch den Staat mit den Mitteln des Privatrechts bleibt zum Zwecke der Verhinderung einer „Flucht in das Privatrecht“ die Bindung an die Grundrechte sowie an wesentliche Grundsätze ohne Zweifel bestehen. Die Kategorie des Staatshandelns nimmt auch hier die Frage der Grundrechtsbindung vorweg. Die Bejahung der Grundrechtsbindung nach Art. 1 Abs. 3 GG resultiert ferner aus der Einordnung der öffentlichen Auftragsvergabe in das System der öffentlichen und staatlichen Aufgaben. Burgi 443 betont, dass mit der – im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe zu bejahenden – Erfüllung einer staatlichen Aufgabe die Entstehung „spezifischer verfassungsrechtlicher Konsequenzen“ verbunden ist. Konsequenzen in diesem Sinn sind die Geltung des staatlichen Verfahrens- und Organisationsrechts sowie insbesondere die Bindung an die Grundrechte. Den weiteren Ausführungen ist sonach die Grundrechtsbindung des auftragsvergebenden Staats nach Art. 1 Abs. 3 GG zugrunde zu legen. Die Diskussion der Frage der Fiskalgeltung der Grundrechte muss hierzu nichts beitragen. Die Grundrechtsbindung des Staates zeichnet sich neben ihrem objektivrechtlichen auch durch ihren subjektivrechtlichen Gehalt aus. Maßgeblich ist hier die personelle Reichweite der Grundrechte, anders gesagt, ob das in Frage stehende Handeln der öffentlichen Gewalt zugerechnet werden kann. Allgemein ist zu klären, inwieweit die Bindung Rechtsträger in privater Rechtsform erfasst. Wenig Schwierigkeiten bereitet die Bejahung der unmittelbaren Grundrechtsbindung von rein organisationsprivatisierten staatlichen Einheiten, also von juristischen Personen des Privatrechts, deren Anteile sich allesamt in der Hand eines bzw. mehrerer öffentlicher Träger befinden (sog. staatliche Eigengesellschaften bzw. gemischt-öffentliche Gesellschaften). Die Annahme der Grundrechtsbindung wird zweifelhaft, sobald an der Rechtsform des Privatrechts auch Private neben staatlichen Trägern beteiligt sind (sog. gemischt-wirtschaftliche Gesellschaften). Ein Teil des Schrifttums lehnt hierbei eine Grundrechtsbindung ab, um die Vertragsfreiheit des Privaten nicht zu beschränken. Der öffentliche Anteilseigner sei vielmehr verpflichtet, seinen Einfluss aus der Beteiligung unter Beachtung der öffentlich-rechtlichen Bindungen auszuüben. 444 Überwiegend wird das gemischt-wirtschaftliche Unternehmen jedoch als unmittelbar grundrechtsgebunden angesehen, wenn es vom öffentlichen Anteilseigner beherrscht wird 445. Das Merkmal der Beherrschung wird in Anlehnung an 442 Soweit man am Erfordernis der Abgrenzung und am Abgrenzungskriterium der „Unmittelbarkeit“ festhält; vgl. 3. Kapitel C. I. 443 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 44, 55 f.; bereits Klein, DÖV 1965, S. 755/758. 444 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 248 f.; Höfling, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 1 Rdnr. 96; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/478; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 1 III Rdnr. 199. 445 v. Arnauld, DÖV 1998, S. 437/445; Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1018 f.; Kluth, WiVerw 2000, S. 184/194 f.; v. Münch, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Vorb. Art. 1–19 Rdnr. 36; Stern, Staatsrecht III/1, § 74 IV 5. b). Aus der Rechtsprechung: BVerwG, Urt. v. 18.3.1998, NVwZ 1998, S. 1082/1084; BGH, Urt. v. 5.4.1984, NJW 1985, S. 197/200.

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§§ 16–18 AktG, in erster Linie anhand der Vorschrift des § 17 AktG, verstanden. Der öffentliche Anteilseigner ist demnach beherrschend, wenn er über die Mehrheit der Anteile und/oder der Stimmrechte verfügt. Zum Teil wird auch eine Dreiviertelmehrheit zur Erfüllung des Beherrschungskriteriums verlangt 446. Diese, die Grundrechtsbindung bejahende Auffassung verdient im Hinblick auf die Sicherung einer umfassenden Grundrechtsbindung Zustimmung. Besonderheiten bestehen bei der Rechtslage oberhalb der Schwellenwerte. Die Bindung an das Vergaberecht besteht für öffentliche Auftraggeber gemäß § 98 GWB. Die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber hat sich hier durch die europäischen Richtlinienvorgaben über den rein staatlichen Bereich hinaus entwickelt. Zu nennen sind die Auftraggeber nach § 98 Nr. 2 und Nr. 4 bis 6 GWB. Korrespondierend zu den vorstehenden allgemeinen Ausführungen zur personellen Reichweite der Grundrechtsbindung von Gesellschaften in privater Rechtsform ist zwischen den staatsnahen und den staatsfernen privaten Unternehmen zu differenzieren. Als staatsnah sind die privaten Unternehmen gemäß § 98 Nr. 2 und Nr. 4 Alt. 2 GWB zu qualifizieren. Unternehmen im Sinn von § 98 Nr. 2 GWB sind in erster Linie organisationsprivatisierte Einheiten, also staatliche Eigengesellschaften, die der Grundrechtsbindung verhaftet bleiben. Weiters werden nach dem oben Gesagten gemischt-wirtschaftliche Unternehmungen erfasst, die von einem Träger öffentlicher Verwaltung beherrscht werden. Die Anforderungen des § 98 Nr. 2 GWB an die öffentliche Auftraggebereigenschaft können als Konkretisierung des aktienrechtlichen Beherrschungskriteriums verstanden werden. Daher ist bei Erfüllung dieser Anforderungen eine funktionale Zurechnung zum Staat in dem Sinn zu bejahen, die eine unmittelbare Grundrechtsbindung des betreffenden öffentlichen Auftraggebers beinhaltet. Nicht anders verhält es sich im Hinblick auf die Grundrechtsbindung bei Auftraggebern nach § 98 Nr. 4 Alt. 2 GWB. Hier ist der maßgebliche staatliche Bezug der Beherrschung des Unternehmens ausdrücklich als Tatbestandsvoraussetzung der öffentlichen Auftraggebereigenschaft genannt. 447 Demgegenüber werden öffentliche Auftraggeber nach § 98 Nr. 4 Alt. 1 und Nr. 5 und 6 GWB als staatsferne private Unternehmen angesehen: Auftraggeber nach § 98 Nr. 4 Alt. 1 GWB werden aufgrund besonderer oder ausschließlicher Rechte tätig448. § 98 Nr. 5 GWB normiert die Einbeziehung von Auftragsvergaben durch subventionierte Private, während § 98 Nr. 6 GWB Baukonzessionäre dem Vergaberechtsregime unterwirft. Eine unmittelbare Grundrechtsbindung dieser Auftraggeber wird ob ihrer Staatsferne in der Regel verneint 449. Wittig 450 und Skouris 451 bejahen dagegen eine unmittelbare v. Arnauld, DÖV 1998, S. 437/445. Boesen, Vergaberecht, Einl. Rdnr. 87; Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1018 f. 448 Eine staatliche Beherrschung ist daneben nicht erforderlich. 449 Boesen, Vergaberecht, Einl. Rdnr. 87; Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1018 f.; v. Münch, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Vorb. Art. 1–19 Rdnr. 31. 450 Wittig, Wettbewerbs- und verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 130 ff. 451 Vgl. Skouris (EuR 1998, S. 111/123 ff.) im Hinblick auf die Grundrechte der Verbraucher bei der Privatisierung des Telekommunikationssektors. 446 447

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

Grundrechtsbindung. Die Begründung hält sich pragmatisch. Abgestellt wird auf die als vergleichbar beurteilte Rechtslage beim Rechtsinstitut der Beleihung, ferner darauf, dass mit der Einräumung einer bestimmten Rechtsstellung auch eine bestimmte Pflichtenbindung einhergehe. Schließlich wäre mit der unmittelbaren Grundrechtsbindung eine den tatsächlichen Gegebenheiten besser entsprechende Rechtsvereinheitlichung verbunden. Dieser Argumentation ist nicht zu folgen. Die genannten öffentlichen Auftraggeber unterliegen zwar, wie in diesem Kapitel dargelegt, dem öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnis. Sie üben jedoch lediglich eine öffentliche, nicht eine die Grundrechtsbindung auslösende staatliche Aufgabe aus 452. Eine die Zurechnung zum Staat rechtfertigende Staatsnähe infolge staatlicher Beherrschung ist zu verneinen. Auftraggeber nach § 98 Nr. 4 Alt. 1 GWB werden mit dem Staat lediglich durch das Rechtsband der Gewährung besonderer oder ausschließlicher Rechte verknüpft. Bei § 98 Nr. 5 GWB genügt eine Finanzierung bzw., mit den Worten der Richtlinie, Subventionierung von mehr als 50 vom Hundert. Wie bei den Baukonzessionären nach § 98 Nr. 6 GWB ist die Einbeziehung in den Kreis der öffentlichen Auftraggeber vom Gedanken des Umgehungsschutzes getragen. Eine unmittelbare Grundrechtsbindung dieser staatsfernen Auftraggeber ist weder vom Gesetzgeber bezweckt noch angesichts der normierten Bindung an das Vergaberechtsregime erforderlich. Auftraggeber nach § 98 Nr. 4 Alt. 1, Nr. 5 und 6 GWB sind sonach nicht unmittelbar, sondern lediglich mittelbar an die Grundrechte gebunden. Angesichts des im Rahmen von Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte bestehenden Vergabeverfahrens nach §§ 97 ff. GWB sind Grundrechtslücken nicht zu erwarten. Das Verfahren nach §§ 97 ff. GWB lässt sich als konkrete Ausprägung der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte begreifen. 2. Anforderungen der Grundrechte an die Gestaltung des Vergaberechtsverhältnisses Die nachstehenden Ausführungen beschäftigen sich mit grundrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Vergaberechtsverhältnisses. Hierfür ist die Ermittlung der bei einem (unterbliebenen) Vergabeverfahren betroffenen Grundrechte der Bieter notwendig.

452

Siehe 3. Kapitel B. II. 3. c).

D. Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses

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a) Durch die Auftragsvergabe betroffene Grundrechte aa) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) Im Mittelpunkt der grundrechtlichen Betrachtung der öffentlichen Auftragsvergabe steht der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG 453. Bedeutung erlangt der Gleichheitssatz zunächst als Direktive für Entscheidungen der Verwaltung beim Handeln nach selbstgesetzten Maßstäben. Im weiteren Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG ist die allgemein gleichheitsrechtliche Bedeutung von der verfahrensrechtlichen Bedeutung zu scheiden. Unabhängig von der vorstehend erörterten Frage der Grundrechtsbindung wird die Anwendung des Grundsatzes der Selbstbindung der Verwaltung bei öffentlichen Vergabeentscheidungen nach ganz allgemeiner Auffassung bejaht 454. Als Ausdruck der Rechtsanwendungsgleichheit ist dieser Grundsatz bei Verwaltungsentscheidungen beachtlich, die im Rahmen der Billigkeit getroffen werden, vor allem aber im Rahmen von Vorschriften, die einen Beurteilungs- und/oder einen Ermessensspiel453 Der allgemeine Gleichheitssatz wird nicht lediglich im Rahmen des Vergaberechtsverhältnisses bemüht. Die Differenzierung des deutschen Vergaberechts zwischen Auftragsvergaben oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte wird im Hinblick auf das Bestehen einer gleichheitswidrigen Ungleichbehandlung problematisiert (z.B. Binder, ZZP 113 (2000), S.195/214 ff.; Brenner, in: Schwarze/Müller-Graff (Hrsg.), Das öffentliche Auftragswesen in der EG, EuR-Beiheft I/1996, S. 23/43; Dreher, NZBau 2002, S. 419/424 ff.; Faber, DÖV 1995, S.403/413; Köster, NZBau 2006, S.540 f.; umfassend Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 44 ff.; ders., NJW 2005, S. 2881/2884). In rechtsvergleichender Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass der ÖstVerfGH (Erkenntnis v. 30.11.2000, NZBau 2002, S. 240) insoweit eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung bejaht hat. Die Zweiteilung des deutschen Vergaberechts stand vor allem im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum VgRÄG in der rechtspolitischen Diskussion (Hailbronner, Gutachten im Auftrag des BMWi, BT-Drs. 13/9340, S.25; vgl. 1. Kapitel B. III.). Pietzcker verneint bereits eine dem Gleichheitssatz unterfallende Ungleichbehandlung, da angesichts der umzusetzenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben „keine eigenständige gesetzgeberische Entscheidung“ des deutschen Gesetzgebers, vielmehr eine „Ungleichbehandlung durch zwei verschiedene Regelungsinstanzen“ vorläge (zu Recht ablehnend Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/60 f.). Hilfsweise für den Fall der Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG misst Pietzcker dem Gleichheitssatz im Rahmen der Auftragsvergabe keinen hinreichenden subjektiv-öffentlichen Rechtsgehalt bei. Zudem bejaht er mit der Auftragsgröße sowie mit den Gesichtspunkten der Verfahrensökonomie und des (Kosten-)Aufwands ausreichende sachliche Differenzierungsgründe (ebenso Bechthold, GWB, §100 Rdnr.4; Byok, NJW 1998, S. 2774/2776; kritisch Binder, ZZP 113 (2000), S. 195/214 ff.; Malmendier, DVBl. 2000, S.963/968). Ebenso verstehen nun die Auftragsgröße als einen hinreichenden sachlichen Grund für die Differenzierung der subjektiven Bieterrechte und des Rechtschutzes: OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.4.2003, NZBau 2003, S. 462 ff.; Entwurf der Begründung des Gesetzes zur Neuregelung des Vergaberechts (Stand: 29.3.2005, S. 7 f.). Auch das BVerfG (1 BvR 1160/03, Beschl. v. 13.6.2006) verneint angesichts der Notwendigkeit einer bloßen Willkürkontrolle und des bestehenden gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums einen Gleichheitsverstoß. Aufgrund der nachstehenden Ausführungen zum gebotenen Rechtsschutz bei Auftragsvergaben unterhalb der Schwellenwerte kommt dieser Fragestellung kaum mehr Bedeutung zu, zumal der Gleichheitssatz keinen identischen Rechtsweg oder Rechtsschutz der maßgeblichen Vergleichsgruppen erfordert (hierzu Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/60 f.). 454 Siehe bereits 3. Kapitel A. II. 5. b) ff).

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

raum enthalten. Im Recht der öffentlichen Auftragsvergabe sind in erster Linie öffentliche Aufträge unterhalb der Schwellenwerte betroffen. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet insoweit zweierlei: Zum einen darf sich die Verwaltung bei der Entscheidungsfindung nicht von sachfremden und persönlichen Kriterien leiten lassen. Zum anderen darf sie bei einem Handeln nach selbstgesetzten Maßstäben nicht ohne sachlichen Grund von ihrer geübten Verwaltungspraxis abweichen. 455 Das Rechtsinstitut der Selbstbindung der Verwaltung fußt unmittelbar auf Art. 3 Abs. 1 GG. 456 Für die konkrete Vergabeentscheidung hat dies zur Folge, dass es der Vergabestelle verwehrt ist, ohne hinreichenden sachlichen Grund von einer – auch unterschwellig – praktizierten Anwendung der Verdingungsordnungen oder von einer sonst – im Rahmen der bestehenden Vorschriften – praktizierten Gestaltung des Vergaberechtsverhältnisses abzuweichen 457. Infolge der unmittelbaren Grundrechtsgebundenheit des Staates bei der Auftragsvergabe ist die Wirkung des Gleichheitssatzes nicht auf die Selbstbindung der Verwaltung beschränkt. Das Bundesverfassungsgericht versteht Art. 3 Abs. 1 GG zunächst als allgemeines Willkürverbot. Es darf „weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich, noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich“ behandelt werden. Willkürlich in diesem Sinn ist eine Maßnahme, die „nicht am Gerechtigkeitsgedanken orientiert ist“ 458, ferner eine solche, die „im Verhältnis zur Situation, der sie Herr werden will, tatsächlich und eindeutig unangemessen ist“459. Nach der Diktion des Gerichts ist für die Beurteilung der Willkür das Bestehen vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Erwägungen sowie die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs maßgeblich 460. Ein über ein „allgemeines Willkürverbot“ hinausgehendes Verständnis des allgemeinen Gleichheitssatzes kommt in der „neuen Formel“ des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck, wonach die in Frage stehende Ungleichbehandlung nach dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit geprüft wird. Eine Ungleichbehandlung ist sonach nicht schon bei Bejahung eines sachlichen Grundes gerechtfertigt, sondern erst, wenn dieser Grund auch in einem angemessenen Verhältnis zur Ungleichbehandlung steht. 461 Die Kontrolldichte nähert sich insoweit derjenigen bei Freiheitsgrundrechten an. Sie hängt davon ab, inwieweit sich die konkrete Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten nachteilig auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken

Näher Ossenbühl, DVBl. 1981, S. 857 ff. Ein eigenständiges Rechtsinstitut liegt indes nicht vor (vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 3 Rdnr. 55). 457 Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/478. 458 St. Rspr. des BVerfG, z. B. Urt. v. 17.12.1953, E 3, S. 58/135 f.; Urt. v. 3.4.2001, E 103, S. 242/258. 459 So z. B. BVerfG, Beschl. v. 15.3.1989, E 80, S. 48/51; Beschl. v. 13.11.1990, E 83, S. 82/84. 460 BVerfG, Beschl. v. 15.12.1959, E 10, S. 234/246; Beschl. v. 6.11.1984, E 68, S. 237/250; Beschl. v. 8.4.1987, E 75, S. 108/157; Beschl. v. 4.4.2001, E 103, S. 310/318. 461 Näher: Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 3 Rdnrn. 19 ff. m. w. Nachw. 455 456

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kann 462. Die Kontrolldichte der Prüfung einer rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlung korrespondiert mit der abwehrrechtlichen Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Als subjektiv-öffentliches Recht erlaubt Art. 3 Abs. 1 GG die „Abwehr“ eines Staatshandelns, das eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung enthält 463. Im Anwendungsbereich des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe ergibt sich Folgendes: Das Vergaberechtsverhältnis steuert die Vergabe des konkreten öffentlichen Auftrages als Auswahl- und Verteilungsentscheidung. Da der öffentliche Auftrag notwendig nur an einen Bieter vergeben werden kann, ergeht die Vergabeentscheidung dann in gleichheitssatzgemäßer Weise, wenn sie auf einem sachlichen Grund beruht. Dies ist dann der Fall, wenn die Bieterauswahl nach dem Gesichtspunkt der sachgerechten und wirtschaftlichen464 Aufgabenerfüllung getroffen wird. Maßgeblich ist in erster Linie der Inhalt des Auftrages.465 Für den unterlegenen Bieter muss grundsätzlich die Möglichkeit bestehen, eine gleichheitssatzwidrige Ungleichbehandlung mittels effektiven Rechtsschutzes gerichtlich abzuwehren (Art. 3 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 19 Abs. 4 GG). Die Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG aus einer etwa bestehenden Selbstbindung der Verwaltung bleiben unberührt. Eine Bedeutung für das Vergaberechtsverhältnis enthält der allgemeine Gleichheitssatz auch in seiner rein objektivrechtlichen Ausprägung. Das Verständnis der Grundrechte als objektive Wertordnung war bereits Gegenstand der Ausführungen in diesem Kapitel unter Abschnitt A. II. 5. b) ff) 466. Sobald der materiellrechtliche Schutzgehalt von Grundrechten in bestimmten Konstellationen nicht hinreichend durchgesetzt werden kann, treten die objektivrechtlichen Gehalte bei der Gestaltung von Verfahren hervor, sog. prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte 467. Dies gilt in besonderem Maße in Fällen, in denen sich Grundrechtsverletzungen nicht mehr korrigieren lassen. Der Gleichheitssatz ist insofern dadurch gekennzeichnet, dass er im Verfahrensrecht – ebenso wie in den übrigen Rechtsgebieten – unmittelbare Wirkung hat. Anders als bei den Freiheitsgrundrechten bedarf es keiner spezifischen Deduktion oder Begründung. 468 Das Verfahren der öffentlichen Auftragsvergabe oberhalb wie unterhalb der Schwellenwerte hat sonach unmittelbar den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes zu genügen. Soweit besteht Einigkeit. In Frage steht jedoch, wo die Grenzen einer vom allgemeinen Gleichheitssatz abzuleitenden Verfahrensgestaltung zu ziehen sind. Zwar dürfen bei der AnwenGrzeszick, DÖV 2003, S. 649/655; Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/45 ff. Allgemeine Meinung, vgl. nur Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 3 Rdnrn. 17, 65. Dies war nicht immer so, vgl. bei Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/54 f. 464 Andere Auswahlkriterien sind freilich nicht ausgeschlossen; sie bedürfen einer den Grundrechten entsprechenden Einführung in das Vergaberechtsverhältnis. 465 Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/42 ff. 466 Mit diesem Sachbereich korrespondieren ferner die Ausführungen im 3. Kapitel Abschnitt A. II. 5. b) bb) „Fürsorgepflichten“ und Abschnitt B. II. 3 „Verfahrensaufgabe“. 467 BVerfG, Urt. v. 15.1.1958, E 7, 198/205. 468 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 3 Rdnr. 72; Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/50; eine Deduktion von Verfahrensstandards wie bei Freiheitsgrundrechten befürworten: Hermes, JZ 1997, S. 909/912 f.; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/479. 462 463

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dung des Art. 3 Abs. 1 GG die Bereiche „Bedeutung im Verfahren“ und „Herstellung faktischer Gleichheit“ nicht vermengt werden. Dennoch handelt es sich bei der Ausgestaltung des Verfahrens im Ergebnis um eine Frage der Leistungsgewährung 469, nämlich der Leistung von Verfahren. Die Grenzen der Gewährung eines grundrechtssichernden Verfahrens sind sonach eng gesteckt. Vom Grundgesetz kann nicht mehr als ein Mindeststandard gefordert und geleistet werden470. Der Mindeststandard wird durch den grundsätzlichen Anspruch potenzieller Bieter auf Chancengleichheit beim Zugang und bei der Teilnahme an staatlich gesteuerten Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge gekennzeichnet. Hierzu wird ein Mindestmaß an einer allgemein geltenden, einheitlichen und geordneten Verfahrensstruktur und Verfahrenssteuerung erforderlich. Eine bloße Willkürkontrolle von staatlichen Verteilungsentscheidungen kann dem nicht gerecht werden. Die konkreten Vorgaben für die Gestaltung des Vergabeverfahrens sind Gegenstand nachfolgender Ausführungen. Weitere Anforderungen an die Verfahrensgestaltung könnten sich bei öffentlichen Auftragsvergaben unter Verwendung vergabefremder Kriterien ergeben. Bei der Grundrechtsrelevanz solcher Auftragsvergaben ist indes zu differenzieren: Vorliegend ist zu prüfen, ob die Einbeziehung vergabefremder Kriterien in das Vergaberechtsverhältnis zu weitergehenden als den vorstehend genannten Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes an die Verfahrensgestaltung führt. Hiervon zu scheiden ist die Thematik, ob das konkrete vergabefremde Kriterium bzw. das diesem zugrunde liegende Vergabegesetz mit den Grundrechten vereinbar ist 471. Die konkrete Verfassungskonformität des ein vergabefremdes Kriterium vorsehenden Vergabegesetzes hat für die allgemeine Frage der Ausgestaltung eines dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechenden Vergaberechtsverhältnisses keine Bedeutung. Nicht das vergabefremde Kriterium, sondern das Vergaberechtsverhältnis ist auf die Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zu prüfen.472 Die Systematik des Art.3 Abs.1 GG stellt sich unter Verwendung vergabefremder Kriterien wie folgt dar: Erstens ist die Feststellung der Gleichheit, besser der Vergleichbarkeit von Personen, Gruppen oder Sachverhalten unter einem gemeinsamen Oberbegriff (tertium comparationis) erforderlich. Unter diesem Oberbegriff ist zweitens die Ungleichbehand469 Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 39: „Elemente einer staatlichen Leistungsgewährung“; ihm folgend Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/50; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 320: „Verwirklichung der Idee präventiver Grundrechtssicherung“. 470 Hermes, JZ 1997, S. 909/913; Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 39; Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/50; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 327. 471 Hierzu BVerfG, 1 BvL 4/00, Beschl. v. 11.7.2006; BGH, Beschl. v. 18.1.2000 „Tariftreueerklärung II“, JZ 2000, S. 514 ff.; KG, Beschl. v. 20.5.1998, WuW 1998 Verg 111 ff.; Burgi, NZBau 2001, S. 64 ff.; Dreher, JZ 2000, S. 519 f.; Knipper, WuW 1999, S. 677 ff.; Löwitsch, DB 2001, S. 1090 ff.; Martin-Ehlers, WuW 1999, S. 685/693; Meyer, Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung, S. 300 ff.; Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427/464 ff. 472 Siehe 1. Kapitel D.

D. Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses

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lung anhand eines Unterscheidungsmerkmals (differentia specifica) festzustellen. In concreto wäre zu prüfen, ob einige der potenziell an dem konkreten öffentlichen Auftrag Interessierten und damit „wesentlich Gleichen“ (1) dadurch willkürlich ungleich behandelt werden (2), dass sie nicht fähig (oder nicht willens) sind, einem bestimmten in das Vergaberechtsverhältnis einbezogenen vergabefremden Kriterium zu genügen. 473 Diese Betrachtung geht bei der Verwendung vergabefremder Kriterien von einer Eröffnung des Schutzbereichs des allgemeinen Gleichheitssatzes aus und bejaht eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung. Die Grundrechtskonformität der Verwendung des Kriteriums bestimmt sich auf der Ebene der Rechtfertigung durch das Bestehen eines sachlichen und verhältnismäßigen Differenzierungsgrundes. Einer solchen Systematik liegt ein Verständnis des allgemeinen Gleichheitssatzes als Gebot schematischer Gleichbehandlung zugrunde474. Dabei gilt es zu vergegenwärtigen, dass die Maßstäbe der Grundrechtsprüfung – Oberbegriff „wesentlich Gleiches“ und das Differenzierungskriterium – allesamt nicht von Natur aus feststehen, sondern von der Prüfungsinstanz festgelegt werden. Die Festlegung dieser Maßstäbe vollzieht sich in jedem konkreten Fall (auch) als eine Wertungsentscheidung. 475 Insofern liegt es nicht fern, bei der Prüfung des Gleichheitssatzes am Begriff der Gleichbehandlung anzusetzen, also von vornherein lediglich eine nicht maßstabsgerechte Gleichbehandlung als rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung zu verstehen. Schlagwortartig findet eine „Abkehr vom Gebot der schematischen Gleichbehandlung“ statt. Die vorzunehmende Prüfung der maßstabsgebundenen Gleichbehandlung ist dann nicht auf der Ebene der Rechtfertigung, sondern bereits auf derjenigen des Schutzbereichs verankert. 476 Unabhängig von dieser grundrechtsdogmatischen Frage ist im Hinblick auf die Betroffenheit bzw. die Beeinträchtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes auszuführen: Auf eine Entscheidung des Staates, ein Gut zu beschaffen, besteht kein Anspruch. Die staatliche Entscheidungsfreiheit umfasst die detaillierte Bestimmung des zu beschaffenden Gutes mittels der Leistungsbeschreibung. Die Betroffenheit des allgemeinen Gleichheitssatzes kann insofern hinterfragt werden, als sich die Einbeziehung eines vergabefremden Kriteriums als Teil dieser Entscheidungsfreiheit im Vorfeld des Vergaberechtsverhältnisses darstellt. Nicht anders verhält es sich, wenn die Einbeziehung als Teil der Leistungsbeschreibung verstanden wird. Hierfür sprechen sich Pietzcker 477 und Grzeszick 478 aus. Eine Ungleichbehandlung von Bietern, die mangels der Erfüllung des maßgeblichen Kriteriums für den öffentlichen Auftrag als Vertragspartner nicht in Frage kommen, folgt hiernach nicht durch die FestleVgl. Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/42 ff. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 3 Rdnr. 24. 475 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 3 Rdnrn. 24, 27 ff. m. w. Nachw. 476 Huster, JZ 1994, S. 541 ff.; Heun (in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 3 Rdnrn. 24 ff. m. w. Nachw.) spricht sich gegen diese Konstruktion einer „verfassungsrechtlichen Garantie sachbereichsbezogener Gerechtigkeit“ aus und hält an der bisherigen Struktur der Gleichheitsprüfung fest. 477 Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 36 ff. 478 Grzeszick, DÖV 2003, S. 649/656. 473 474

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

gung des Kriteriums, sondern durch die Festlegung der Eigenschaften des zu beschaffenden Produkts. Die Leistungsbeschreibung wirkt marktverengend und eröffnet einen staatlichen Sondermarkt. Eine solche Betrachtung korrespondiert mit derjenigen Systematik des allgemeinen Gleichheitssatzes, die bei einer maßstabsgerechten Gleichbehandlung als sachbereichsspezifisches Sonderrecht einen Eingriff in den Schutzbereich verneint. Die Gestaltung der Leistungsbeschreibung kann freilich kein grundrechtsfreies staatliches Betätigungsfeld erlauben. Generell ist eine maßstabsgerechte Gleichbehandlung umso eher anzunehmen, als – um mit der Differenzierung von Burgi 479 zu sprechen – das konkrete vergabefremde Kriterium leistungsbezogen, nicht unternehmensbezogen ist. Die Begründung eines sachspezifischen Sondermarkts unterliegt bei den unternehmensbezogenen Kriterien zur Förderung der Tariftreue oder der Beschäftigung von Lehrlingen strengeren Anforderungen. Im Ergebnis wirken sich die unterschiedlichen systematischen Ansätze bei der Verwendung vergabefremder Kriterien nicht aus. Selbst bei einer Bejahung des Gebots schematischer Gleichbehandlung und der hieraus resultierenden steten Rechtfertigungsprüfung ist Folgendes zu berücksichtigen: Die Verhältnismäßigkeitsprüfung orientiert sich an der Intensität des Eingriffs. Diese ist indes in Fällen, in denen grundsätzlich jeder Bieter zur Einhaltung der allgemeinpolitisch motivierten Kriterien in der Lage ist, als gering zu bewerten. Für rechtfertigende legitime Zwecke steht die gesamte Klaviatur der Staatszwecke zur Verfügung. Denn der allgemeine Gleichheitssatz statuiert kein Koppelungsverbot 480. Ein Verbot, Verwaltungsentscheidungen von sachfremden, keinerlei Zweckzusammenhang aufweisenden Erwägungen abhängig zu machen, ist einfachgesetzlich beispielsweise in §§ 36 Abs. 3, 56 VwVfG und § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB normiert. Vergaberechtlich würde die Annahme einer aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden unzulässigen Koppelung bedeuten, dass bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrages ein vergabefremdes Kriterium nur dann in zulässiger Weise in das Vergaberechtsverhältnis einbezogen werden kann, wenn zwischen dem verfolgten allgemeinpolitischen Ziel und dem Beschaffungsgegenstand ein Zusammenhang besteht 481. Eine Leistungsbeschreibung, die ein allgemeinpolitisches Kriterium beinhaltet, wäre nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich und verhältnismäßig im engeren Sinn, wenn sie einen „Bezug zur Leistungserbringung“ aufweist482. Diese Auffassung Burgi, NZBau 2001, S. 64 ff. Siehe bereits 1. Kapitel D. Ebenso Grzeszick, DÖV 2003, S. 649/655 f.; Heintzen, ZHR 165 (2001), S. 62/72; Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S.36 ff.; Pünder, VerwArch. 95 (2004), S.38/44 ff.; hierzu auch Meyer, Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung, S. 368 ff. 481 Burgi, NZBau 2001, S. 64/69 ff.; ders., NZBau 2005, S. 610/615; Fante, Instrumentalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens, S. 262 ff.; Rittner, in: Schwarze/Müller-Graff (Hrsg.), Die Vergabe öffentlicher Aufträge im Lichte des europäischen Wirtschaftsrechts, S. 87 ff.; im Ansatz auch Pietzcker, AöR 107 (1982), S. 61/89 ff.; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/497. 482 So Burgi, NZBau 2001, S. 64/69 ff.; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 331 f. 479 480

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überspannt den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in zweierlei Hinsicht. Einerseits ist, wie bereits dargestellt, die Eingriffsintensität vergleichsweise gering, da sich im Grunde jeder potenzielle Bieter auf das Kriterium einstellen kann. Andererseits würde bei konsequenter Durchführung der wirtschaftspolitische Spielraum des Staates, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge weitere (politische) Zielsetzungen zu verfolgen, in einer Weise beschränkt, die weder von der Verwaltungs- und Verfassungsrealität im Allgemeinen noch vom Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Besonderen vorgegeben wird 483: Das Grundgesetz bringt in Art. 109 Abs. 2 und 3 GG eine „gesamtwirtschaftliche Ausrichtung der Staatswirtschaft“484 zum Ausdruck, die sich nicht auf die „primäre, ökonomisch neutrale Bedarfsdeckungsfunktion“ 485 des Haushalts beschränkt. Die Vergabe öffentlicher Aufträge kann in diesem Rahmen als ein Instrument zur Erhaltung und Herstellung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und einer konjunkturgerechten Haushaltswirtschaft dienen 486. Den öffentlichen Haushalten wächst hierdurch eine „entscheidende wirtschaftspolitische Lenkungsfunktion“ zu 487. Der verfassungsrechtlich gebotene Bieterschutz verlangt keine Begrenzung des staatlichen Gestaltungsspielraums bei der Einbeziehung wirtschaftspolitischer Zielsetzungen. Die staatliche Beschaffung von Leistungen am Markt zeichnet sich als Realförderung bereits kraft Natur der Sache durch eine Nähe zur Subvention aus, die durch die Eröffnung eines wirtschaftspolitisch motivierten Sondermarkts konkretisiert wird. Ersichtlich weist eine Leistungsbeschreibung unter Verwendung eines vergabefremden Kriteriums stets einen – wie auch immer gearteten – Bezug zur Leistungserbringung auf. Eingedenk dessen, dass ein Kriterium verschiedene Zielrichtungen in unterschiedlicher Akzentuierung aufweisen kann, ferner, dass die Einbeziehung verschiedener Kriterien nicht ausgeschlossen ist, ist es nicht eingängig, die Qualität des unbestimmten Begriffs des Bezugs zum Maßstab der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Einbeziehung zu erheben. Gegen diesen Ansatz spricht schließlich die Vorschrift des § 97 Abs. 4 GWB. Anforderungen 488 werden lediglich an die Qualität der Rechtsvorschrift, die das vergabefremde Kriterium statuiert, gestellt, nicht hingegen an die hier relevante Einbeziehung in das Vergaberechtsverhältnis. Eine vergleichbare Lage besteht bei der Instrumentalisierung von – der allgemeinen Einnahmeerzielung dienenden – Steuern zu außerfis483 Dem allgemeinen Gleichheitssatz lässt sich auch im Falle einer Marktbeherrschung des Staates kein Koppelungsverbot entnehmen (Grzeszick, DÖV 2003, S. 649/655 f.). Im Rahmen der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung ist allerdings aufgrund der in diesen Fällen erhöhten Eingriffsintensität eine stringente Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne der „neuen Formel“ des BVerfG vorzunehmen. Verortet ist diese Prüfung indes bei der Verfassungsmäßigkeit des das Kriterium enthaltenden Vergabegesetzes. 484 Siekmann, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 12. 485 Hillgruber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 109 Abs. 2 Rdnr. 62. 486 Vgl. hierzu §§ 10, 11 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8.6.1967 (BGBl. 1967 I, S. 582). Ebenso Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 38; Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/44. 487 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 109 Rdnrn. 20 ff. 488 Gleiches gilt für solche gemeinschaftsrechtlicher Art.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

kalischen Zwecken 489. Etwaigen Überlegungen zum Zwecke der Beschränkung einer als sachfremd empfundenen Koppelung ist lediglich im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des konkret anwendbaren, das politische Kriterium enthaltenden Vergabegesetzes Rechnung zu tragen 490. Die Einbeziehung vergabefremder Kriterien in ein verfassungskonform auszugestaltendes Vergaberechtsverhältnis ist hiervon zu scheiden. Über die vorstehenden Ausführungen hinausgehende Anforderungen an die Verfahrensgestaltung bestehen sonach nicht. Im Anwendungsbereich von öffentlich-rechtlichen Bevorzugungsnormen ergibt sich keine andere Beurteilung. Die Verfassungsmäßigkeit sowie die Voraussetzungen und Grenzen von Bevorzugungsnormen stellen Vorfragen der Ausgestaltung des Vergaberechtsverhältnisses dar. bb) Die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) Bei der Gestaltung staatlicher Verteilungsentscheidungen ist das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG neben dem allgemeinen Gleichheitssatz besonders bedeutsam. Bei Vergabeentscheidungen erschließt sich eine Verletzung der Berufsfreiheit in ihrer Ausprägung der Wettbewerbsfreiheit auf den ersten Blick nicht. So wird einem erfolglosen Bieter nichts genommen, sondern ihm lediglich etwas nicht gegeben, auf das er keinen grundrechtlichen Anspruch hat 491. Allerdings wurde bereits in Abschnitt A. II. 5. b) ff) dieses Kapitels dargestellt, dass Vergabeentscheidungen auch im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtsrelevant sein können. Die Wettbewerbsfreiheit stellt einen Teilbereich des umfassenderen Grundrechts der Berufsfreiheit dar, „soweit das Verhalten der Unternehmen bzw. Unternehmer im Wettbewerb Bestandteil ihrer Berufsausübung ist“ 492. Die Wettbewerbsfreiheit ist damit nicht der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG zuzuordnen 493. Die „bestehende Wirtschaftsverfassung“ beinhaltet den „grundsätzlich frei489 Hierzu BVerfG, Urt. v. 7.5.1998, E 98, S. 106/118; Beschl. v. 3.5.2001, NVwZ 2001, S. 1264 ff. Vgl. Fante, Instrumentalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens, S. 100 ff.; Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/44 f. 490 So zutreffend Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 38. Auch die Vergaberichtlinien verlangen für die zulässige Einbeziehung vergabefremder Kriterien in der Form von „sonstigen Ausführungsbedingungen“ keine Koppelung; siehe 1. Kapitel D. 491 Vgl. Burgi, NZBau 2001, S. 64/66; Huber, JZ 2000, S. 877/879. 492 BVerfG, Beschl. v. 8.2.1972, E32, S.311/317; BVerwG, Beschl. v. 21.3.1995, NJW 1995, S. 2938/2939; Kluth, WiVerw 2000, S. 184/197; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 12 Abs. 1 Rdnr. 67; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/481. Der Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 1 GG ist freilich eröffnet, wenn eine Berufung auf Art. 12 Abs. 1 GG – beispielsweise bei Ausländern – ausscheidet. 493 Das BVerwG hat zunächst Art.2 Abs. 1 GG, anschließend Art.2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG herangezogen, vgl. Urt. v. 19.12.1963, E 17, S. 306/309; Beschl. v. 1.3.1978, DÖV 1978, S. 851 f.

D. Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses

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en Wettbewerb der als Anbieter und Nachfrager auf dem Markt auftretenden Unternehmer als eines ihrer Grundprinzipien“ 494. Sodan 495 bezeichnet diese Ausprägung des Grundrechts auf Berufsfreiheit prägnant als Recht auf den Versuch, sich durch freie Leistungskonkurrenz als Anbieter und Nachfrager auf dem Markt gegenüber anderen durchzusetzen“. Angestrebt wird die Gewährung einer möglichst unreglementierten beruflichen Betätigung, womit sich ein Grundrechtsinhalt „Schutz vor Konkurrenz“ nicht verträgt 496. Die freiheitsrechtliche Dimension des Vergaberechtsverhältnisses ist seit jeher durch ihre untergeordnete praktische Bedeutung gegenüber der gleichheitssichernden Dimension geprägt. Nicht selten wird das Verhältnis der Wettbewerbsfreiheit zum allgemeinen Gleichheitssatz bei der Auftragsvergabe als „Grauzone“ beschrieben. 497 Ursächlich sind vor allem zwei Aspekte: Sowohl die Systematik 498 als auch die allgemeinen Anforderungen an einen Grundrechtseingriff bei Art. 12 Abs. 1 GG sind bei staatlichen Maßnahmen, die nicht dem klassischen unmittelbaren und finalen Eingriffsbegriff unterfallen, nicht eindeutig. Zudem sind die (besonderen) Voraussetzungen zur Annahme eines Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit durch eine Vergabeentscheidung Gegenstand konträrer wissenschaftlicher Diskussion. Angesichts der sich im Falle der (uneingeschränkten) Bejahung eines Eingriffs in den Schutzbereich stellenden praktischen Umsetzungsfragen und -probleme wird von den Rechtsfolgen aus argumentiert 499. Klassische Eingriffe in Freiheitsgrundrechte folgen positiven staatlichen Maßnahmen, die den grundrechtsberechtigten Adressaten generell oder individuell, jedenfalls final und unmittelbar belasten (sog. imperative Einwirkungen). Das moderne Eingriffsverständnis unterwirft auch Rechtsakte ohne imperative Wirkung, also mittelbare, faktische bzw. schlichte Grundrechtsbeeinträchtigungen der Rechtfertigungsprüfung. Maßgeblich wird das Merkmal der staatlichen Zurechenbarkeit einer Beschränkung. 500 Für den Bereich der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG gilt dies nicht uneingeschränkt. Zur Aufrechterhaltung grundlegender staatlicher Aktivitäten ist dafür Sorge zu tragen, dass nicht jeder mittelbaren oder faktischen Auswirkung auf die Freiheit der Berufsausübung oder der Berufswahl eine EingriffsBVerfG, Beschl. v. 8.2.1972, E 32, S. 311/317. Sodan, DÖV 2000, S. 361/364. 496 Einhellige Meinung, vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.2.1973, E 34, S. 252/256; Beschl. v. 3.12.1980, E 55, S. 261/269; BVerwG, Urt. v. 22.2.1972, E 39, S. 329/336; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 12 Abs. 1 Rdnr. 67; Pieroth/Hartmann, DVBl. 2002, S. 421; Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 12 Rdnr. 41. 497 Hermes, JZ 1997, S. 909/913; vgl. auch Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 12 Abs. 1 Rdnr. 97; Kluth, WiVerw 2000, S. 184/197 ff. 498 Zur Schutzbereichslösung des BVerwG im Bereich der staatlichen Wirtschaftstätigkeit: Pieroth/Hartmann, DVBl. 2002, S. 421 ff. 499 So insbesondere Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 26 ff.; ders., NZBau 2004, S. 530/532 f. 500 Betghe, VVDStRL 57 (1998), S. 7/40 ff.; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 12 Abs. 1 Rdnrn. 73, 75 ff.; allgemein Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Vorb. vor Art. 1 Rdnrn. 26 f. 494 495

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

qualität in die Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit beigemessen wird. Das BVerfG 501 geht insofern einen Mittelweg, als es für die Bejahung der Eingriffsqualität eine „objektiv berufsregelnde Tendenz“ verlangt. Insofern wird der Schutzzweck der Norm verdeutlicht 502. Die Reichweitenbeschränkung des Eingriffsbegriffs wirkt sich in erster Linie bei Regelungen mit mittelbaren Wirkungen auf die Berufsfreiheit aus, dabei insbesondere bei Regelungen, die die Berufsausübung betreffen. Bei der Entscheidung über das Bestehen einer objektiv berufsregelnden Tendenz bei staatlichen Maßnahmen mit faktischen oder mittelbaren Auswirkungen werden im Wege einer „wertenden Gesamtbetrachtung“ die Kriterien der Unmittelbarkeit, Finalität und der Intensität bemüht, wobei die Möglichkeit der wechselseitigen Kompensation besteht 503. Die Beschränkung des Eingriffsbegriffs ist nicht unumstritten. So wird argumentiert, dass die Reduzierung des Grundrechtsschutzes auf bestimmte Eingriffsformen der staatlichen Gestaltungsfreiheit, insbesondere den vielfältigen mit einer Maßnahme verfolgten wirtschaftspolitischen Zwecken, nicht gerecht werde 504. Befürwortet wird stattdessen die Übernahme des modernen Eingriffsverständnisses, dies verbunden mit einer Problemverlagerung auf die Rechtfertigungsebene sowie einer Maßgeblichkeit der Intensität des Eingriffs 505. Im Bereich des Vergaberechtsverhältnisses lassen sich auf der Ebene des Grundrechtseingriffs sonach folgende Auffassungen vertreten: Zunächst lässt sich argumentieren, die Vergabe eines öffentlichen Auftrages genüge den Anforderungen eines freiheitsrechtlichen Eingriffs nicht, da, wie ausgeführt, unstreitig weder ein Anspruch auf die staatliche Nachfrage einer bestimmten Leistung noch auf eine Zuschlagsentscheidung besteht. Die Wettbewerbsfreiheit garantiere lediglich das Recht auf eine staatlich uneingeschränkte Durchsetzung auf dem Markt; ein Recht, in das durch die Zuschlagserteilung an einen Konkurrenten, also durch das bloße Vorenthalten eines Vertragsabschlusses nach einem vorausgehenden Verteilungsverfahren nicht eingegriffen werde. Grundrechtslücken entstünden dadurch nicht, da der allgemeine Gleichheitssatz als zentraler Prüfungsmaßstab für Vergabeentscheidungen verbleibe. 506 Die gegenteilige Auffassung misst jeder Vergabeentscheidung als „Ausschluss im Einzelfall“ die Qualität eines Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit bei. Abgestellt wird auf eine „staatliche Ingerenz in den Marktwettbewerb“ 507. Die „Wettbewerbsposition“ und das „Marktbehauptungsvermögen“ des erfolgreichen 501 St. Rspr. des BVerfG, z. B. Beschl. v. 13.10.1961, E 13 S. 181/186; Beschl. v. 19.6.1985, E 70, S. 191/214; Beschl. v. 12.6.1990, E 82, S. 209/224. 502 Kluth, WiVerw 2000, S. 184/198; Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 12 Rdnr. 85. 503 BVerwG, Urt. v. 27.3.1992, E 90, S. 112/121; Huber, JZ 2000, S. 877/878; Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 12 Rdnr. 88. 504 Faßbender, DÖV 2005, S. 89/93; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 12 Abs. 1 Rdnrn. 71 ff. m. w. Nachw. 505 Siehe vorherige Fußnote. 506 Burgi, NZBau 2001, S. 64/66; Hermes, JZ 1997, S. 909/913. 507 Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/481 ff.; mit anderer Begründung auch Wittig, Wettbewerbs- und Verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 161 ff.

D. Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses

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Bieters würden zu Lasten der unterlegenen Konkurrenten gestärkt. Der Staat würde so einer umfassenden Folgenverantwortung für die Eröffnung eines Sondermarkts unterworfen. Eine vermittelnde Auffassung 508 verneint zwar eine grundsätzliche Betroffenheit der Wettbewerbsfreiheit der unterlegenen Konkurrenten durch Vergabeentscheidungen. Ein Eingriff wird aber dann bejaht, wenn der Staat am Markt nicht mehr nur ein Nachfrager unter vielen ist, sondern über eine Marktmacht verfügt, die für den Bieter einer entsprechenden Leistung existenznotwendig ist. Dies wird im Falle eines staatlichen Nachfragemonopols sowie bei einer marktbeherrschenden Stellung des nachfragenden Staates angenommen. Insoweit werden eine Folgenverantwortung und die Eingriffsvoraussetzung der „objektiv berufsregelnden Tendenz“ bejaht. Im Hinblick auf die Eingriffsintensität wird eine „spürbare Verschlechterung der Wettbewerbssituation“ für ausreichend erachtet 509; zum Teil wird – wie in Subventionsfällen – eine „erhebliche Lenkungsintensität“ gefordert 510. Im Ergebnis wird die Rechtsprechung zum grundrechtlichen Konkurrentenschutz bei staatlicher Wirtschaftstätigkeit 511 auf das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe übertragen. Festzuhalten ist am Grundtatbestand, dass ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit eine wettbewerbsfremde und marktinkonforme Maßnahme voraussetzt 512. Die Bejahung der Grundrechtsbindung bringt zum Ausdruck, dass der Staat nie wie ein Privater am (Beschaffungs-)Markt teilnimmt. Mit der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und der Leistung von Vergabeverfahren existiert ein eigenständiger staatlicher Beschaffungsmarkt. Zutreffend ist von einem bereits bestehenden verfahrensrechtlich gesteuerten bzw. noch zu steuernden Beschaffungsmarkt zu sprechen 513, nicht aber von einem wettbewerbsfremden Marktverhalten 514. Die in der Auftragsvergabe enthaltene Realförderung liegt in der Natur der staatlichen Beschaffung begründet. Sie rechtfertigt eine am allgemeinen Gleichheitssatz orientierte Steuerung des Vergaberechtsverhältnisses. Als dem staatlichen Sondermarkt immanente Förderung ist ihr eine freiheitsrechtliche Wirkung grundsätzlich nicht beizumessen. Beschafft der 508 Huber, JZ 2000, S. 877/879; vgl. auch Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 12 Abs. 1 Rdnr. 97; Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/48. Auch die Ausführungen des BVerfG (1 BvR 1160/03, Beschl. v. 13.6.2006, Rdnrn.59 ff.) lassen sich in diesem Sinn verstehen. 509 Kahl, in: FS f. v. Zezschwitz, S. 151/161; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 12 Abs. 1 Rdnr. 95; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/483 m. w. Nachw. 510 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 12 Rdnr. 14; Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 12 Rdnr. 85. 511 Aus neuerer Zeit: Faßbender, DÖV 2005, S. 89 ff.; Kluth, WiVerw 2000, S. 184 ff.; Pieroth/Hartmann, DVBl. 2002, S. 421 ff.; Wieland, Die Verwaltung 36 (2003), S. 225 ff. 512 Die Maßgeblichkeit des bestehenden bzw. des fehlenden „Marktbezuges“ betont das BVerfG, Beschl. v. 26.6.2002, E 105, S. 252/268. 513 Der Umstand des schon vorhandenen Sondermarkts bei staatlichen Beschaffungen erlangt im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG auch bei der Verwendung vergabefremder Kriterien Bedeutung; siehe hierzu im Folgenden. 514 Auch eine „marktbezogene“ Maßnahme, die durch ihren „Einfluss auf wettbewerbserhebliche Faktoren“ die Marktverhältnisse verzerrt, ist bei der „gewöhnlichen“ staatlichen Beschaffungstätigkeit zu verneinen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.6.2002, E 105, S. 252/268).

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

Staat Leistungen – mit den Worten von Huber 515 – wie „ein Nachfrager unter vielen“, so stellt die Tätigkeit ein „normales“, marktkonformes Beschaffungsverhalten auf dem (staatlichen Sonder-)Markt dar. Solange er aus diesem Markt nicht in wettbewerbsfremder Weise heraustritt, ist die freiheitsrechtliche Eingriffsschwelle nicht überschritten. In diesem Rahmen besteht das bei sämtlichen Auftragsvergaben gespannte Netz des allgemeinen Gleichheitssatzes, so dass es auch einer grundrechtlichen Lückenschließung nicht bedarf. Der Anwendungsbereich der Wettbewerbsfreiheit als Bestandteil der Berufsfreiheit würde bei staatlichen Beschaffungen vielmehr ohne Bestehen eines entsprechenden Bedürfnisses nach Grundrechtsschutz erheblich überspannt. Anders verhält es sich in Fällen, in denen der Staat als Auftraggeber über ein Beschaffungsmonopol, zumindest aber über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Hier ist der gezogene Vergleich zum freiheitsrechtlichen Konkurrentenschutz bei staatlicher Wirtschaftsbetätigung zu begrüßen 516. Die Schwelle der nur gleichheitsrechtlichen Bedeutung wird überschritten, sofern die beschaffende Stelle den Markt diktiert. Staatliche Beschaffungen, denen eine existenzbedeutsame Wirkung für die potenziellen Bieter zukommt, sind durch die für die freiheitsrechtliche Betroffenheit erforderliche Marktinkonformität gekennzeichnet. Hängt die weitere berufliche Tätigkeit von der Erlangung eines öffentlichen Auftrages ab, weil die staatliche Stelle marktbeherrschend oder sogar monopolistisch nachfragt, so stellt sich der Wettbewerb zwischen den potenziellen Bietern auf dem staatlichen Beschaffungsmarkt nicht anders dar, als wenn er durch externe staatliche Maßnahmen, also solchen, die mit der Beschaffung in keinem Zusammenhang stehen 517, beschränkt wird. Der Markt wird nicht lediglich verfahrensrechtlich „gesteuert“, sondern von der marktbeherrschenden Stelle „veranstaltet“. Diese Konstellationen sind von der Wirtschaftslenkung geprägt 518; sie gebieten die Annahme einer staatlichen Ingerenz. Die Art und die Intensität des Eingriffs machen eine neben der gleichheitsrechtlichen Bedeutung stehende freiheitsrechtliche Bedeutung offenbar. Solchen Beschaffungen ist eine objektiv berufsregelnde Tendenz beizumessen 519. Einen von den vorstehenden Ausführungen abzuschichtenden Sondertatbestand bildet die Auftragssperre. Hierunter wird der im Regelfall befristete Ausschluss eines Unternehmens vom konkreten und ggf. von weiteren Vergabeverfahren wegen Huber, JZ 2000, S. 877/879 f. Vgl. insbesondere bei Kluth, WiVerw 2000, S.184/200 f.; a. A. Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 27 ff. 517 Gemeint sind beschaffungsfremde staatliche Reglementierungen des Wettbewerbs. Nicht erfasst ist freilich der Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe unter Einbeziehung vergabefremder Zwecke. 518 Vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 17.7.1974, E 38, S. 61/85 ff.; Kluth, WiVerw 2000, S. 184/201. 519 Zur Klarstellung des Schutzzwecks des Grundrechts der Berufsfreiheit ist die Beschränkung des Eingriffsbegriffs gegenüber der Rechtfertigungslösung vorzugswürdig. Bei Ablehnung der Eingriffsbeschränkung ist im Rahmen der Prüfung der Eingriffsrechtfertigung der Grad der materiellen Betroffenheit des Bieters maßgeblich. 515 516

D. Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses

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eines Fehlverhaltens und einer daraus resultierenden Unzuverlässigkeit verstanden 520. Dabei wird eine unterschiedliche Ausgangskonstellation deutlich: Anders als die Vergabeentscheidung betrifft die Auftragssperre den Bieter nicht lediglich in seiner Wettbewerbsposition wegen der Unterlegenheit in einem konkreten Bieterverfahren. Vielmehr wird eine direkte und zielgerichtete Entscheidung über einen befristeten Ausschluss des Bieters bei öffentlichen Ausschreibungen und öffentlichen Aufträgen getroffen. Diese genügt im Hinblick auf die Merkmale der Unmittelbarkeit und Finalität den Anforderungen eines Grundrechtseingriffs im klassischen Sinn. Systematisch stellt die Auftragssperre den actus contrarius zur Zuschlagsentscheidung dar. Sie ist nicht der Ebene der Ausführungshandlung zuzuordnen, sondern der des öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses, an dessen Beginn sie steht und dessen Rechtsnatur sie teilt 521. Eine Auftragssperre als öffentlich-rechtliche Entscheidung, die dem betroffenen Konkurrenten die Möglichkeit der Teilnahme am Wettbewerb und damit die Chance auf eine für ihn positive Vergabeentscheidung vereitelt, ist als Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit anzusehen. 522 Die rechtliche Situation ist im Übrigen mit derjenigen in den Rechtssachen „Subventionsbetreuer“ 523 und „Unternehmensberater“ 524 vergleichbar, in denen das BVerwG jeweils einen Eingriff in die Berufsfreiheit bejahte. Bei Betrachtung der Anforderungen an die konkrete Ausgestaltung des Vergaberechtsverhältnisses ergeben sich aus dem Grundrecht auf Wettbewerbsfreiheit keine Besonderheiten. Sie folgen denjenigen, die dem allgemeinen Gleichheitssatz in seinem subjektiv- und objektivrechtlichen Gehalt entnommen werden können 525. Vergabeentscheidungen sind als grundrechtsgebundene staatliche Verteilungsentscheidungen stets gleichheitsrechtlich dimensioniert526. Ihre freiheitsrechtliche Dimension tritt nach dem vorstehend Gesagten lediglich flankierend in Erscheinung. Dieses Verteilungsverhältnis gibt notwendig die Maßgeblichkeit des allgemeinen Gleichheitssatzes bei der Verfahrensgestaltung vor. Entsprechende Mindeststandards sind aus Art. 3 Abs. 1 GG zu entwickeln. Bezogen auf die Ausstrahlungswirkung markiert die Wettbewerbsfreiheit – horizontal betrachtet – zwar eine verbreiterte GrundrechtsSiehe bereits in Abschnitt A. II. 5. a). A. A. Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 30: privatrechtliche Erklärung ohne Eingriffsqualität. 522 Battis/Kersten, NZBau 2004, S. 303/305; Huber, JZ 2000, S. 877/879; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/481; Wittig, Wettbewerbs- und Verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 159 f. 523 BVerwG, Urt. v. 6.11.1986, E 7, S. 109: Eine niedersächsische Richtlinie beinhaltete eine Regelung, nach der als Betreuer von Landwirten bei der Inanspruchnahme von Fördermitteln lediglich staatliche Eigengesellschaften nicht aber Private eingeschaltet werden sollten. 524 BVerwG, Urt. v. 17.12.1991, E 89, S. 281: Eine Industrie- und Handelskammer führte eine Liste mit Namen von Unternehmensberatern, wobei sie bei Anfragen stets bestimmte Berater nannte bzw. bei Zweifeln an deren Eignung nicht nannte. 525 Hermes, JZ 1997, S. 909/913; Malmendier, DVBl. 2000, S. 963/968; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/484; Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 23. 526 Eine prozessuale Bedeutung erlangt die gleichheitsrechtliche Dimension durch die effektive Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG; siehe nachstehend cc) und II. 520 521

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

relevanz. Was aber die Verfahrensgestaltung, also ihre vertikale Wirkung betrifft, erfordert sie keine über den Gleichheitssatz hinausgehenden Anforderungen. Wie beim allgemeinen Gleichheitssatz ist auch bei der Wettbewerbsfreiheit zu erwägen, ob sich spezielle Anforderungen an die Verfahrensgestaltung dann ergeben, wenn vergabefremde Kriterien in das Vergaberechtsverhältnis einbezogen werden. Entscheidungserheblich für diese Frage ist, welche Anforderungen an einen Eingriff in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit zu stellen sind. Diejenige Auffassung, die grundsätzlich jede Vergabeentscheidung als einen Eingriff in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit versteht, kommt um eine Bejahung eines Eingriffs nicht umhin. Gleiches gilt, wenn jede wettbewerbsfremde, die Wettbewerbsfreiheit konkret beschränkende Marktintervention seitens des Staates als Eingriff angesehen wird. In diesem Sinn bejaht Grzeszick 527 bei der Anwendung vergabefremder Kriterien das Vorliegen eines Eingriffs. Die konkrete Beschränkung wird daraus gefolgert, dass der dem Kriterium nicht genügende Bieter von der Zuschlagsentscheidung ausgeschlossen werde. Auf das Bestehen einer Marktbeherrschung oder eines Monopols komme es für die Eingriffsqualität hiernach nicht (mehr) an. Dieser Ansatz vermag jedoch nicht zu überzeugen. Die stete Annahme einer konkreten Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit bei jeder Vergabeentscheidung vernachlässigt die – grundsätzlich vorhandene – stete Möglichkeit, das vergabefremde Kriterium einzuhalten. Darüber hinaus ist – nicht anders als beim allgemeinen Gleichheitssatz – der staatliche Gestaltungsspielraum bei der Steuerung der Auftragsvergabe zu berücksichtigen 528. Die wirtschaftspolitische Instrumentalisierung wirkt sich auf einem schon bestehenden staatlichen Sondermarkt aus; sie etabliert keinen neuen Sondermarkt. Dem Bestehen des Sondermarkts der staatlichen Beschaffung trägt die Grundrechtsbindung hinreichend Rechnung. Anderenfalls wäre der Staat bei der Beschaffung „doppelt beschränkt“, nämlich durch die Bindung des Art.1 Abs. 3 GG und durch eine aus Art. 12 Abs. 1 GG abzuleitende Beschränkung der Möglichkeit der Beschaffungsmarktverengung. Wie ausgeführt, ist die freiheitsrechtliche Dimension der Grundrechte lediglich in Fällen der Beeinträchtigung des Marktzugangs betroffen. Mit der Einbeziehung vergabefremder Kriterien ist der dem Wettbewerb eröffnete Markt von vornherein verengt; ihre Einbeziehung weist neben den allgemeinen Grundsätzen keine eigenständige Eingriffsqualität auf 529. Dadurch, dass die Instrumentalisierung der Vergabeentscheidung einer weiteren Marktverengung Vorschub leistet, vertieft sie lediglich die schon vorhandene Grundrechtsgebundenheit des auftragsvergebenden Staates. Zu bedenken ist freilich, dass die Verwendung vergabefremder Kriterien faktisch dazu führen kann, dass die Eingriffsschwelle der Marktbeherrschung schneller erreicht wird. Im Ergebnis sind aus der 527 Grzeszick, DÖV 2003, S. 649/654; vgl. auch Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/483 Fn. 114, 496 f. Pietzcker (Zweiteilung des Vergaberechts, S. 32 f.) lehnt bei staatlichen Maßnahmen mit Lenkungswirkung einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG ab, wobei er mit der Rechtslage bei Subventionen argumentiert. 528 Siehe vorstehend aa). 529 Im Ergebnis ebenso Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/48.

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Einbeziehung vergabefremder Kriterien im Hinblick auf die Wettbewerbsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG keine weitergehenden Anforderungen an die Gestaltung des Vergaberechtsverhältnisses zu folgern. cc) Effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) Die Anforderungen an die prozedurale und prozessuale Ausgestaltung öffentlicher Auftragsvergaben bestimmen sich maßgeblich nach der Rechtsschutzgarantie gemäß Art. 19 Abs. 4 GG. Die Garantie eines Rechtsschutzes gegen öffentliche Gewalt enthält ein subjektives (Leistungs-)Recht und stellt eine „Grundsatznorm für die gesamte Rechtsordnung“ dar 530. Sie konkretisiert einen „wichtigen Teilbereich des allgemeinen Justizgewähranspruchs, der Teil des Rechtsstaatsprinzips ist“. 531 Als – streitiges – Hindernis für die Gewährung des Grundrechtsschutzes im Recht der öffentlichen Auftragsvergabe fungierte der Umstand, dass die „fiskalische Staatstätigkeit“ nicht als öffentliche Gewalt angesehen wurde. Diese Auffassung lässt sich angesichts der Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses als schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln sowie angesichts der zu bejahenden Grundrechtsbindung jeglichen staatlichen Handelns nicht mehr aufrechterhalten. Der Begriff der öffentlichen Gewalt korrespondiert mit dem Umfang der Grundrechtsbindung nach Art. 1 Abs. 3 GG 532. Es besteht eine „strukturelle Identität“ 533. Die Grundrechtsbindung legt den Rahmen für die Rechtsschutzgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG fest. Sie erlaubt keine grundrechtsgebundenen, aber rechtsschutzfreien Räume. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Wirksamkeit des Rechtsschutzes nicht von der Rechtsnatur des streitigen Rechtsverhältnisses abhängt. Bei privatrechtlichen Streitigkeiten besteht ein Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus der rechtsstaatlichen lex generalis gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 20 Abs. 3 GG 534. Der öffentlich-rechtliche Charakter des Vergaberechtsverhältnisses macht einen entsprechenden Rückgriff nun entbehrlich 535. BVerfG, Beschl. v. 23.6.1981, E 58, S. 1/40. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 19 Rdnr. 22. 532 Zur Parallelität von Art. 19 Abs. 4 und Art. 1 Abs. 3 GG: BKartA (1. Vergabekammer des Bundes), Beschl. v. 29.4.1999, NJW 2000, S.151/153; OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999, WuW Verg 231, S. 929 ff.; Dörr, DÖV 2001, S. 1014; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 19 Rdnr. 29, Art. 1 Rdnrn. 28 f.; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 205 f.; Wittig, Wettbewerbs- und Verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 128. 533 Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 206. 534 St. Rspr. z. B. BVerfG, 1 BvR 1160/03, Beschl. v. 13.6.2006; Beschl. v. 20.7.2000, NJW 2001, S. 214 ff.; Beschl. v. 22.9.2000, NJW 2001, S. 744 f.; Beschl. v. 25.9.2000, NJW 2001, S. 812 ff. Pietzcker (Zweiteilung des Vergaberechts, S. 17 ff., 54 ff.) versteht das Vergabeverfahren samt Vergabeentscheidung als einstufiges privatrechtliches Verfahren, das durch öffentlich-rechtliche Bindungen überlagert ist. Er befürwortet folglich die Anwendung des Rechtsschutzanspruchs nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 20 Abs. 3 GG. 535 Dies gilt auch bei den nicht an die Grundrechte gebundenen privaten Auftraggebern nach § 98 Nr. 4 Alt. 1, Nr. 5 und 6 GWB, da auch insoweit ein öffentlich-rechtliches Vergaberechts530 531

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

Im Unterschied zu den (materiellen) Grundrechtspositionen begründet die Rechtsschutzgarantie keine subjektiven Rechte; sie setzt als „formelles Hauptgrundrecht des Grundgesetzes“ 536 vielmehr das Bestehen subjektiver Rechte voraus. Bei öffentlichen Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte normiert die Vorschrift des § 97 Abs. 7 GWB ein subjektives Recht auf Einhaltung der Vergabebestimmungen. Auf grundrechtliche Gewährleistungsinhalte kommt es insoweit nicht an. Anders verhält es sich bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, welche die Schwellenwerte nicht erreichen. Weder die haushaltsrechtliche Verankerung der Vergabe noch die Verdingungsordnungen gewähren nach der eindeutigen gesetzgeberischen Intention subjektive Rechte 537. Für die Gewährung effektiven Rechtsschutzes verbleibt die Heranziehung von Grundrechten. Nach den vorstehenden Ausführungen bestimmt sich der Umfang der Rechtsschutzgewährleistung im Wesentlichen aus dem Zusammenspiel von Art. 19 Abs. 4 GG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, der sowohl über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung als auch als unmittelbar geltendes subjektiv-öffentliches Recht 538 Gleichheitsschutz gewährt. Allgemein beinhaltet die Rechtsschutzgarantie eine „tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle“ 539. Als tatsächlich wirksam ist ein Rechtsschutz grundsätzlich nur dann anzusehen, wenn er einen Primärrechtsschutz gewährt 540. Die gerichtliche Kontrolle muss so ausgestaltet sein, dass sie zur Abwendung oder zur Behebung einer Rechtsverletzung fähig ist. Eine Kompensation der eingetretenen und nicht mehr behebbaren Rechtsverletzung durch die Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz genügt dem ebensowenig wie ein bloßes Feststellungsurteil 541. Ferner muss die gerichtliche Kontrolle rechtzeitig in dem Sinn sein, dass sie bei Drohung irreversibler Folgen vorläufigen und vorbeugenden Rechtsschutz zur Verfügung stellt 542. Eine Ausstrahlungswirkung auf das vorangehende Verwaltungsverfahren kommt der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG insofern zu, als dieses Verfahren nicht in einer Weise angelegt sein darf, dass es durch Schaffung vollendeter Tatsachen die Erlangung gerichtlichen Rechtsschutzes vereitelt oder unzumutbar erverhältnis besteht (3. Kapitel A. III. 3.). Im Übrigen bestehen bei diesen Auftraggebern oberhalb der Schwellenwerte die §§ 102 ff. GWB als leges speciales. 536 Klein, VVDStRL 8 (1950), S. 67/88. 537 BT-Drs. 13/9340, S. 12 ff.; siehe 1. Kapitel B. III. Unzutreffend ist die anderslautende Auffassung des OVG Koblenz, Beschl. v. 25.5.2005, NZBau 2005, S. 411 f.; vgl. 3. Kapitel A. II. 5. b) gg). 538 Bereits vorstehend aa); vgl. Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S. 379 ff. 539 St. Rspr. des BVerfG z. B., Beschl. v. 17.4.1991, E 84, S. 34/49; Beschl. v. 27.10.1999, E 101, S. 106/122 ff. 540 BVerfG, Beschl. v. 18.7.1973, E 35, S. 382/402; Beschl. v. 27.10.1999, E 101, S. 106/122 f.; Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1023; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 450; Malmendier, DVBl. 2001, S. 963/968. 541 BVerfG, Beschl. v. 19.9.1989, NJW 1990, S. 501. 542 BVerfG, Beschl. v. 25.10.1988, E 79, S. 69/74; Beschl. v. 29.7.2004, NVwZ 2004, S. 1224 ff.; Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1021; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 460; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 19 Rdnrn. 41 f.

D. Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses

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schwert 543. Bereits das zugrunde liegende Rechtsstaatsprinzip erfordert, dass der von einer staatlichen Maßnahme möglicherweise Betroffene von dieser benachrichtigt wird, wenn ohne die Benachrichtigung eine wirksame, ggf. gerichtliche Wahrnehmung seiner Rechte nicht möglich ist 544. Freilich ist im Rahmen der einfachgesetzlichen Ausgestaltung zu berücksichtigen, dass lediglich ein Rechtsweg, nicht indes ein bestimmter Rechtsweg 545, ferner ein „ausgewogener“, nicht aber ein „optimaler“ Rechtsschutz 546 garantiert wird. Bei der Beurteilung des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe im Hinblick auf die Einhaltung der Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG ist zwischen öffentlichen Aufträgen oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte zu differenzieren. Oberhalb der Schwellenwerte besteht die Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahren gemäß §§ 102 ff. GWB. Diese Bestimmungen sind – mit Dörr 547 gesprochen – zweifach überlagert, einerseits durch das gemeinschaftsrechtliche Richtlinienrecht, andererseits durch Art. 19 Abs. 4 GG. Die Konkretisierung der Garantie effektiven Rechtsschutzes im Vergaberecht durch das Verfahren nach §§ 102 ff. GWB hat in jüngerer Zeit das BVerfG 548 klargestellt. Die Durchsetzung des Anspruchs nach § 97 Abs. 7 GWB im Nachprüfungsverfahren mit dem speziellen Rechtsweg zum Vergabesenat des Oberlandesgerichts und der Neuregelung des § 13 VgV 549 erlaubt die Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen. Eine Verpflichtung zur Vorabinformation gegenüber nicht berücksichtigten Bietern über den beabsichtigten Vertragsschluss ist mit der Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes gekoppelt. Die Verfahrensgestaltung ist der – aufgrund des Grundsatzes der Ämterstabilität – vergleichbaren Rechtslage bei der beamtenrechtlichen Konkurrentenklage 550 nachgebildet. Sie genügt den nationalen ebenso wie den europäischen Vorgaben. 551 Anders stellt sich die Rechtslage bislang im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb der Schwellenwerte oder sonst außerhalb des Richtlinienrechts dar 552. Wie im 1. Kapitel in Abschnitt B. III. dargestellt, besteht bei der Vergabe von 543 BVerfG, Beschl. v. 19.9.1989, NJW 1990, S. 501; Urt. v. 22.2.1994, E 90, S. 60/96; Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1020; Gubelt, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 3 Rdnr. 37 a. E.; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 92. Näher zu dieser Funktion des Verwaltungsverfahrens: Wahl, VVDStRL 41 (1983), S. 153/169 f. 544 Siehe vorherige Fußnote. 545 BVerfG, Beschl. v. 25.3.1981, E 57, S. 9/21. 546 Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 4. 547 Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1021. 548 BVerfG, Beschl. v. 29.7.2004, NVwZ 2004, S. 1224/1226. 549 Zu den Nachfolgeregelungen siehe 1. Kapitel B. III. und Fn. 229. 550 Das BKartA (1. Vergabekammer des Bundes, Beschl. v. 29.4.1999, NJW 2000, S. 151/ 153) nimmt auf dieses Verfahren und auf das hierzu ergangene Judikat des BVerfG (Beschl. v. 19.9.1989, NJW 1990, S. 501) ausdrücklich Bezug. 551 Siehe in diesem Kapitel A. II. 5. b) gg). 552 Vgl. aber Mitteilung der Kommission v. 1.8.2006 zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen (ABlEG 2006, Nr. C-179/02); siehe auch Fn. 105.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

solchen öffentlichen Aufträgen kein einfachgesetzliches oder untergesetzliches subjektives Recht auf Teilnahme am Vergabeverfahren, auf Gleichbehandlung im Verfahren oder auf Einhaltung der Vergabebestimmungen 553. Insbesondere besteht für die unterlegenen Bieter kein „tatsächlich wirksamer Rechtsschutz“ im Sinne eines Primärrechtsschutzes, da die Zuschlagsentscheidung nach außen mit dem Vertragsschluss zusammen fällt und eine ausdrückliche Pflicht zur rechtzeitigen Benachrichtigung der Unterlegenen zur Wahrung ihrer Rechte nicht statuiert ist 554. Der unterlegene Bieter ist im Falle eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften auf die nachträgliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verwiesen. Diese Rechtslage steht weder mit der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG noch mit den grundrechtlichen Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes in seiner subjektiv- und objektivrechtlichen Ausprägung sowie mit den weiteren anwendbaren Grundrechtsbestimmungen in Einklang 554 a. Sie verharrt in der bisherigen eingeschränkten Betrachtung, wonach das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe eine rein fiskalische Materie darstellt, die zwar unter Umständen öffentlich-rechtlich überlagert wird, primär jedoch einer haushaltsrechtlichen Zielrichtung folgt und einstufig privatrechtlich abgewickelt wird. Nach den vorstehenden Erörterungen sind hingegen ein schlicht-hoheitliches Vergaberechtsverhältnis, die Staatlichkeit der Aufgabe „Bedarfsdeckung“ und die Bindung des öffentlichen Auftraggebers an die Grundrechte als maßgebliche Fixpunkte für die prozedurale und prozessuale Gestaltung anzusehen. Die vom BVerfG 555 für beamtenrechtliche Konkurrentenstreitigkeiten aufgestellten Grundsätze sind allgemein, also auch bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte, heranzuziehen. Es besteht eine gemeinsame Ausgangsbasis. Auch dem Vergaberechtsverhältnis ist der Fürsorgegedanke nicht ganz fremd 556. Die Grundprinzipien des effektiven Rechtsschutzes, nämlich die Verhinderung irreparabler Entscheidungen und die Ausstrahlung dieses Prinzips auf das vorgelagerte Verwaltungsverfahren, konkretisieren die Verpflichtung zur rechtzeitigen Information der unterlegenen Bieter. 556 a Gegen die grundsätzliche Anwendung dieser Prinzipien zur Gewährung des grundgesetzlich geforderten Rechtsschutzes werden indes im Schrifttum praktische Erwägungen vorgebracht: So führe die Vielzahl der Auftragsvergaben und der mit der Gewährung von Primärrechtsschutz verbundene zusätzliche Verwaltungsaufwand zu erheblichen Verzögerungen und zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Verwal-

553 Siehe 1. Kapitel B. III.; jüngst VG Potsdam, Beschl. v. 20.9.2005, NZBau 2006, S. 68 f.; unzutreffend dagegen OVG Koblenz, Beschl. v. 25.5.2005, NZBau 2005, S. 411 f. und OVG Bautzen, Beschl. v. 13.4.2006, NZBau 2006, S. 393 f.; vgl. hierzu 3. Kapitel A. II. 5. b) gg). 554 Jüngst OLG Dresden, Beschl. v. 25.4.2006, NZBau 2006, S. 529 f. 554 a A. A. nun BVerfG, 1 BvR 1160/03, Beschl. v. 13.6.2006. 555 BVerfG, Beschl. v. 19.9.1989, NJW 1990, S. 501. 556 Vgl. 3. Kapitel A. II. 5. b) bb), B. II. 2., 3. und C. II. 2. 556 a Anders das BVerfG (1 BvR 1160/03, Beschl. v. 13.6.2006, Rdnrn. 74 ff.) für den allgemeinen Justizgewährungsanspruch unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums im Falle des Bestehens gegenläufiger öffentlicher und privater Interessen.

D. Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses

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tungsarbeit 557. Dies wirke sich nachteilig auf die Erfüllung der jeweiligen Aufgabe der öffentlichen Hand aus. Ferner ergäben sich negative Folgen für die Wirtschaft, die rasche und endgültige Dispositionsgrundlagen benötige. Letztlich sei die Funktionsfähigkeit der Beschaffungsverwaltung gefährdet. 558 Ein solcher Ansatz vermag nicht zu überzeugen. Bedürfnisse der Praxis können im Anwendungsbereich der grundsätzlich schrankenlosen Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG einen Totalausschluss von Primärrechtsschutz nicht rechtfertigen 559. Zwar besteht die Schranke des kollidierenden Verfassungsrechts, wobei die Funktionsfähigkeit der Verwaltung unter den Gesichtspunkten der rechtssicheren Beschaffung und des Vertrauensschutzes des obsiegenden Bieters als Rechtsgut mit Verfassungsrang angesehen wird 560. Diesen Bedürfnissen ist jedoch durch eine ausgewogene Gestaltung des Vergaberechtsverhältnisses bei öffentlichen Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte gerecht zu werden. Die Erfahrungen mit den europäischen Richtlinienvorgaben und den umgesetzten bzw. noch umzusetzenden Regelungen 561 lehren, dass sich auch im Bereich von Großprojekten eine zügige Abwicklung realisieren lässt. Im Gegensatz zum GWB-Vergabeverfahren unterliegt die Gestaltung des Vergaberechtsverhältnisses für öffentliche Aufträge unterhalb der Schwellenwerte allein den grundrechtlichen Vorgaben. Der Rahmen des Art.19 Abs. 4 GG erlaubt einen gesetzgeberischen Spielraum bei der Ausgestaltung des Rechtsweges sowie bei der Festlegung des Umfangs subjektiver Rechte nach einfachem Recht. Es ist Sache des Gesetzgebers, ein Verfahren zu statuieren, das den Anforderungen sowohl der grundgesetzlichen Rechtsschutzgarantie als auch einer zügigen und rechtssicheren Abwicklung von öffentliPietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 66. Hailbronner, Gutachten im Auftrag des BMWi, BT-Drs. 13/9340, S. 25 ff.; Klingner, Die Vorabinformationspflicht des öffentlichen Auftraggebers, S. 618 f.; Sterner, Rechtsbindungen und Rechtsschutz, S. 134; Köster, NZBau 2006, S. 540/543 f.; vgl. Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/468; kritisch Hollands/Sauer, DÖV 2006, S. 55/63 f.; Krist, VergabeR 2001, S. 373 ff. Auch das BVerfG (1 BvR 1160/03, Beschl. v. 13.6.2006) räumt der Verfahrensökonomie bei der Abwicklung von Auftragsvergaben den Vorrang ein. Wenig überzeugend ist indes die Begründung, die rein abstrakt mit der Befürchtung eines sachwidrigen und missbräuchlichen Ausnutzens von (primären) Rechtsschutzmöglichkeiten, möglichen Engpässen bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben sowie der Relevanz des Grundrechtsschutzes durch Verfahrensgestaltung lediglich auf Ebene des Sekundärrechtsschutzes argumentiert. 559 Zudem ermangelt es beim Vergaberecht unterhalb der Schwellenwerte einer formalgesetzlichen Grundlage für eine entsprechende Beschränkung des Rechtsschutzes (hierzu Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/59; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 333). 560 Binder, ZZP 113 (2000), S. 195/210; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 211 f.; Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1021. 561 „Elektronische Auktion“ und „dynamische elektronische Verfahren“ nach § 101 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 GWB gemäß Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Vergaberechts (Stand: 18.3.2005). Zur Elektronisierung des Vergabeverfahrens vgl. auch §§ 7, 20–22, 29, 34 Entwurf einer Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Stand: 18.3.2005) und § 15 VgV. Zu berücksichtigen sind ferner die Vorschriften über die Möglichkeit der Vorabentscheidung über den Zuschlag gemäß § 121 GWB sowie über die Schadensersatzpflicht bei missbräuchlicher Inanspruchnahme von Rechtsschutz gemäß § 125 GWB (siehe insbesondere zur Entwicklung des Gesetzgebungsverfahrens 1. Kapitel B. III.; Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/59 f.). 557 558

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

chen Aufträgen Rechnung trägt 562. Maßgebend ist der Gedanke der „praktischen Konkordanz“ 563. Der inzwischen zurückgezogene Entwurf des Gesetzes zur Neuregelung des Vergaberechts 564 sah indes einen Primärrechtsschutz für öffentliche Aufträge unterhalb der Schwellenwerte weiterhin nicht vor. Die Entwurfsbegründung 565 argumentiert mit der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Beschaffungswesens unter den gemeinschaftsrechtlichen Schwellenwerten und stützt wie bisher den haushaltsrechtlichen Ansatz. Die Ausdehnung des EG-rechtlichen Konzepts des Bieterschutzes auf solche öffentlichen Aufträge führe zu einer „Fragmentarisierung und Bürokratisierung einer Vielzahl von Vergabeverfahren“; sie wäre im Hinblick auf die Interessen der öffentlichen Auftraggeber und der Bieter „unverhältnismäßig“. Demgegenüber haben einzelne Bundesländer den Versuch unternommen, die Schaffung vollendeter Tatsachen durch die Einführung von Vorabinformationspflichten auf der Grundlage einer landesgesetzlichen Regelung zu verhindern 566. dd) Weitere Grundrechte Die Wettbewerbsfreiheit als Bestandteil der Berufsfreiheit unterfällt dann dem Grundrechtsschutz der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG, wenn der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG nicht eröffnet ist. Dies kommt in Betracht, wenn die Vergabe eines öffentlichen Auftrages nicht die Berufsausübung bzw. die Berufsregelung betrifft oder der Bieter kein Deutscher im Sinn des Art. 116 GG ist 567. Bei Art. 2 Abs. 1 GG wird im Grunde der klassische Eingriffsbegriff aufrechterhalten. Dennoch ist in den verwandten Bereichen der Subventionsvergabe und des Konkurrentenschutzes im Wirtschaftsverkehr ein Grundrechtsschutz gegen nicht-imperative Eingriffe „von erheblichem Gewicht“ anerkannt 568. Bei Vergabeentscheidungen ergeben sich somit durch den im Einzelfall eröffneten Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 1 GG an Stelle des Art. 12 Abs. 1 GG bezüglich der Gestaltung des Vergaberechtsverhältnisses keine Besonderheiten. Der Schutzbereich der Eigentumsgarantie ist im Regelfall nicht eröffnet, da sich deren Reichweite danach bemisst, „welche Befugnisse einem Eigentümer zum Zeit562 Zu den konkreten grundrechtlichen Anforderungen sowie zur Beschränkbarkeit der Rechtsschutzgarantie siehe nachfolgend I. 2. b) bb). 563 So zutreffend Binder, ZZP 113 (2000), S.195/210; Pünder, VerwArch. 95 (2004), S.38/59. 564 Stand: 29.3.2005. 565 Entwurf der Begründung des Gesetzes zur Neuregelung des Vergaberechts, S. 7 f. 566 Hierzu eingehend Klingner, Die Vorabinformationspflicht des öffentlichen Auftraggebers, S. 637 ff. 567 Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 12 Abs. 1 Rdnr. 67; Wittig, Wettbewerbs- und Verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 179 ff. Für EU-Ausländer besteht aufgrund des Gemeinschaftsrechts der Schutzumfang des Art. 12 Abs. 1 GG. 568 BVerwG, Urt. v. 23.3.1982, E65, S.167/173; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art.2 Rdnr. 12.

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punkt der Maßnahme konkret zustehen“ 569. Vom Schutzumfang erfasst sind demnach der konkrete Bestand, nicht jedoch bloße Gewinnchancen, Erwartungen, Aussichten oder Verdienstmöglichkeiten 570 und somit auch nicht die Erhaltung oder Sicherung bestimmter Erwerbsmöglichkeiten durch die staatliche Beschaffungstätigkeit. Allerdings kann angesichts des Parallellaufs mit Art. 12 Abs. 1 GG ein Eingriff in den Schutzbereich im Falle des Bestehens einer Monopol- oder einer marktbeherrschenden Stellung vorliegen 571. Aus der nur in diesen Fällen gegebenen Beeinträchtigung der Eigentumsgarantie lassen sich – wiederum parallel zu einer Beeinträchtigung des Art. 12 Abs. 1 GG – keine Anforderungen an die Verfahrensgestaltung ableiten, die über Art. 3 Abs. 1 GG hinausgehen. Auf die Ausführungen bei Art. 12 Abs. 1 GG kann verwiesen werden. Soweit weitere möglicherweise betroffene Grundrechte angeführt werden, beispielsweise Art. 4 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3 GG 572, betreffen diese die Verfassungsmäßigkeit vergabefremder Kriterien. Hiervon ist die zulässige Einbeziehung solcher Kriterien in das Vergaberechtsverhältnis als Ausdruck wirtschaftspolitischer Gestaltung abzuschichten 573. Wie vorstehend unter aa) und bb) ausgeführt, ist im Hinblick auf die Grundrechtskonformität das Vergabegesetz Prüfungsgegenstand, welches das konkrete vergabefremde Kriterium beinhaltet, nicht indes die Ausgestaltung des Vergaberechtsverhältnisses. b) Anforderungen an die Verfahrensgestaltung aa) Die Wesentlichkeit der öffentlichen Auftragsvergabe Im Rahmen von Überlegungen zur (notwendigen) Ausgestaltung von staatlichen Verfahren stellt sich zunächst die grundlegende Frage, auf welche Art und Weise bestimmte verfahrensrechtliche Anforderungen statuiert werden können bzw. müssen. Angesprochen ist der rechtsstaatliche „Vorbehalt des Gesetzes“. Die hieraus folgende Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage wird nicht dadurch ausgeschlossen, 569 BVerfG, Beschl. v. 19.6.1985, E70, S.191/201. Dabei liegt eine alleinige Betroffenheit der Berufsfreiheit nahe, da Vergabeentscheidungen eher die „Freiheit der individuellen Erwerbsund Leistungsfähigkeit“ als die „Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter“ betreffen (BVerfG, Beschl. v. 16.3.1971, E 30, S. 292/335; Urt. v. 24.4.1991, E 84, S. 133/157). Soweit sich auf den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs abstellen lässt, sind wiederum lediglich dessen Substanz, nicht aber Gewinnchancen und Verdienstmöglichkeiten vom Schutzumfang erfasst (vgl. Battis/Kersten, NZBau 2004, S. 303/ 304 f.). 570 BVerfG, Beschl. v. 31.10.1984, E 68, S. 193/222; Beschl. v. 14.1.1987, E 74, S. 129/148; BVerwG, Urt. v. 23.3.1982, E 65, S. 167/173. 571 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.3.1995, NJW 1995, S. 2938/2939; Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S. 390; Sodan, DÖV 2000, S. 361/371; Wittig, Wettbewerbs- und Verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 179 f. 572 Burgi, NZBau 2001, S. 64/71 f.; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/481; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 336 ff. 573 Siehe 1. Kapitel D.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

dass die öffentliche Auftragsvergabe, wie in Abschnitt C. dieses Kapitels dargelegt, als Leistungsverwaltung zu qualifizieren ist 574. Auch leistungsverwaltende Staatstätigkeit kann nach der Rechtsprechung des BVerfG 575 dem Gesetzes- bzw. Parlamentsvorbehalt kraft Grundrechtswesentlichkeit unterliegen. Der Gesetzgeber ist „verpflichtet, in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen“. Erforderlich ist eine „parlamentarische, regelmäßig gesetzesförmige Entscheidung“. Eine besondere Bedeutung erlangt der Parlamentsvorbehalt in Konstellationen, in denen schrankenlos gewährleistete Grundrechte durch andere verfassungsrechtliche Güter eingeschränkt werden sollen 576. Maßgebliches Kriterium ist die Grundrechtsrelevanz. Die Wesentlichkeit wird angenommen, wenn der Einzelne „intensiv in seiner Grundrechtsausübung berührt“ wird, ferner, wenn staatliches Handeln intensiv im Grundrechtsbereich wirkt oder die betroffene Tätigkeit „wesentlich für die Verwirklichung des Grundrechts“ ist 577. Der Gesetzgeber hat demnach wesentliche, im Hinblick auf den Grundrechtsschutz allgemein regelungsbedürftige Fragen selbst zu regeln. Das Vergaberechtsverhältnis ist den vorstehenden Ausführungen zufolge durch eine erhebliche Grundrechtsrelevanz für die um den öffentlichen Auftrag konkurrierenden Bieter gekennzeichnet 578, wobei der allgemeine Gleichheitssatz in Verbindung mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes prägend wirkt. Wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte der Bieter ist deren Absicherung im Vergaberechtsverhältnis sowie deren Durchsetzung in einem sich ggf. anschließenden Rechtsschutzverfahren. Hier hat die objektivrechtliche Grundrechtssicherung durch Verfahren als Voraussetzung der Grundrechtsverwirklichung ihren Anwendungsbereich 579. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, der die Chancengleichheit der Bieter im Wettbewerb um den zu vergebenden öffentlichen Auftrag beeinträchtigt, ist im Grunde von der Auftragsgröße und von der Stellung des öffentlichen Auftraggebers im Wirtschaftsverkehr, marktbeherrschend oder nicht, unabhängig. Es besteht eine stete und wesentliche Wirkung im Grundrechtsbereich. Berücksichtigung finden diese Gesichtspunkte lediglich im Rahmen der Beurteilung der Intensität der Grundrechtsbetroffenheit. Eine konstitutive Wirkung für den Grundrechts574 Allgemein zur Frage des Gesetzesvorbehalts bei der leistungsverwaltenden Staatstätigkeit: Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 20 Abs. 3 Rdnrn. 271 f. 575 BVerfG, Beschl. v. 20.10.1982, E61, S.260/275; Beschl. v. 29.10.1987, E77, S.170/ 230 f. 576 BVerfG, Beschl. v. 27.11.1990, E 83, S. 130/142. 577 BVerfG, Beschl. v. 21.12.1977, E 47, S. 46/79; Beschl. v. 20.10.1981, E 58, S. 257/268 f.; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 20 Abs. 3 Rdnrn. 268 f. 578 Konsequent zu den vorstehenden Ausführungen zur Grundrechtsbetroffenheit im Falle der Einbeziehung vergabefremder Kriterien in das Vergaberechtsverhältnis ergeben sich aus dem Gesichtspunkt der Grundrechtswesentlichkeit keine gesteigerten Anforderungen. Anders liegt es insoweit bei den Anforderungen an das das konkrete vergabefremde Kriterium enthaltende Vergabegesetz; vgl. § 97 Abs. 4 GWB und 1. Kapitel D. 579 Zur „Wesentlichkeit“ einer grundrechtssichernden Verfahrensgestaltung auch: Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 20 Abs. 3 Rdnr. 273.

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eingriff sind der Auftragsgröße und der Marktbeherrschung aber beim Grundrecht auf Wettbewerbsfreiheit beizumessen. Hiervon abgesehen mag zwar die Intensität der grundrechtlichen Betroffenheit bei sog. Bagatellfällen mit geringem Auftragswert und großer Häufigkeit vergleichsweise gering sein. Eine Ausnahme vom Erfordernis einer gesetzlichen Regelung ist indes weder gerechtfertigt noch sinnvoll 580. Vielmehr wird die Bejahung der Wesentlichkeit unterstützt, da ein grundrechtlich gebotener Rechtsschutz unter dem Aspekt der Funktionsfähigkeit der Verwaltung als kollidierendes Verfassungsrecht beschränkt werden soll. Entsprechenden Konstellationen ist daher im Rahmen der Ausgestaltung des einfachen Rechts Rechnung zu tragen. Für das Vergabeverfahren – gleich, ob oberhalb oder unterhalb der Schwellenwerte – ist zu folgern, dass eine Regelung der Grundzüge des Vergaberechtsverhältnisses durch Parlamentsgesetz unumgänglich ist. 581 Mit den Regelungen zur öffentlichen Auftragsvergabe oberhalb der Schwellenwerte in §§ 97 ff. GWB wurde den rechtsstaatlichen Anforderungen des Grundgesetzes genügt, wenn auch lediglich mittelbar aus Anlass zur Verpflichtung der Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Das Vergaberechtsregime unterhalb der Schwellenwerte ermangelt einer den grundgesetzlichen Anforderungen der Wesentlichkeit entsprechenden Regelung. Die haushaltsrechtlichen Grundlagen nach §§30 HGrG, 55 BHO lassen sich nicht als Regelung der Grundzüge des Vergaberechtsverhältnisses begreifen. Gleiches gilt für die Vorschriften gemäß §§ 102 ff. GWB, die nach dem gesetzgeberischen Willen einzig der Umsetzung des Richtlinienrechts oberhalb der Schwellenwerte dienen sollen und daher – ihre materiell-rechtliche Tauglichkeit außer Acht gelassen – als formalgesetzliche Grundlage einer Beschränkung des Art. 19 Abs. 4 GG für Auftragsvergaben unterhalb der Schwellenwerte ausscheiden.582 bb) Grundrechtliche Standards Verfahrensgestaltung durch grundrechtliche Standards meint nach dem bislang Gesagten die Gestaltung von Verfahren und die Behandlung von subjektiven Rechten im Verfahren. Bei Ersterem ist Zurückhaltung geboten: Zum einen findet im Wege des Grundrechtsschutzes durch Verfahren auch eine „Leistung von Verfahren“ statt. Die „Idee präventiver Grundrechtssicherung“ 583 ist auf das Setzen von grundrechtlichen Minimalstandards verwiesen. Zum anderen lassen sich aus den betroffenen Grundrechten über ihren objektivrechtlichen Gehalt Weichenstellungen für ein VerwalBetghe, VVDStRL 57 (1998), S. 7/45; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/483. Hermes, JZ 1997, S.909/914; Pünder, VerwArch. 95 (2004), S.38/59; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 140; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Grundgesetz, Art. 20 Abs. 3 Rdnr. 268; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckung und Öffentliches Recht, S. 140 f.; Wittig, Wettbewerbs- und Verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 181 ff. 582 Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1021; Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/59; Ruthig, NZBau 2005, S. 497/498. 583 Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 320. 580 581

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

tungsverfahren deduzieren, nicht aber die Lösung präziser Detailfragen584. Sonach ist eine allgemeine Verfahrensgestaltung angezeigt, die den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes unmittelbar entspricht585. Die objektivrechtliche und subjektivrechtliche Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes legt jeweils in Verbindung mit der Rechtsweggarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG folgende Grundzüge der Verfahrensgestaltung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge fest: Im Zentrum der Überlegungen steht der Anspruch der Bieter auf Gleichbehandlung im Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrages. Es sind diejenigen Verfahrenserfordernisse geboten, ohne die eine „materiell den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG entsprechende Verfahrensentscheidung nicht getroffen werden“ kann 586. Diese Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes ist als Folge der Grundrechtsbindung des auftragsvergebenden Staates und des nun anerkannten subjektiv-öffentlichen Gehalts opinio communis 587. Der objektivrechtliche Gehalt des Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes statuiert die Pflicht der öffentlichen Auftraggeber, potenzielle Auftragnehmer von der beabsichtigten Auswahlentscheidung und deren tragenden Gründen so rechtzeitig zu informieren, dass ein Rechtsschutz zur Vermeidung der Schaffung vollendeter Tatsachen gewährleistet wird 588. Das maßgebliche Verwaltungsverfahren unterliegt dem Postulat, die notwendigen Vorkehrungen hierfür bereitzustellen. Die Information über die beabsichtigte Auswahlentscheidung steht im Rahmen der grundrechtlichen Standards eines Verwaltungsverfahrens aber erst an zweiter Stelle. Der Anspruch auf Gleichbehandlung im Vergaberechtsverhältnis ist einer nachfolgenden Sicherung und Durchsetzung nur zugänglich, wenn für die an einem öffentlichen Auftrag interessierten Bieter überhaupt die Möglichkeit zur Teilnahme am Verfahren und damit die Chance auf einen Vertragsabschluss gegeben ist. Informationspflichten sind bei Verwaltungsverfahren, deren Abschluss eine irreversible staatliche Entscheidung bildet, das entscheidende Instrument zur Ermöglichung effektiven, in diesen Fällen vorbeugenden Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG. In Verbindung mit dem Gleichbehandlungsanspruch ergibt sich die Pflicht der öffentlichen Auftraggeber zur Information über den zu vergebenden Auftrag und zur Unterlassung der Beschränkung des Bieterkreises. Diese Pflicht ist im Grunde durch die Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung zu erfüllen. 589 Die rein innenrechtliche Verpflichtung 584 Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 39; Wahl, VVDStRL 41 (1983), S. 153/ 167 f.; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S.327; vgl. bereits in diesem Kapitel D. I. 2. a) aa). 585 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 3 Rdnr. 72. 586 Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/50. 587 Umfassend Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 34 ff. 588 BKartA (1. Vergabekammer des Bundes), Beschl. v. 29.4.1999, NJW 2000, S. 151 ff. Zu dieser Informationspflicht über die von der Behörde gefasste Auswahlentscheidung bereits in diesem Kapitel A. II. 5. b) gg) und D. I. 2. a) cc); für das Beamtenrecht: BVerfG, Beschl. v. 19.9.1989, NJW 1990, S. 501 f. A. A. BVerfG, 1 BvR 1160/03, Beschl. v. 13.6.2006. 589 Hermes, JZ 1997, S. 909/913; Kahl, in: FS f. v. Zezschwitz, S. 151/161 f.; Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/50; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/479; a. A. Pietzcker, Zwei-

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des Haushaltsrechts zur Vornahme einer Ausschreibung bleibt hinter dem Grundrechtsstandard zurück. Die Grundrechtsbindung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge führt zu einer Subjektivierung der Ausschreibungspflicht 590. Mindeststandard für den Gleichbehandlungsanspruch der Bieter ist sonach die grundsätzliche Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung. Der Inhalt der Ausschreibung folgt der dem Gleichheitssatz entsprechenden Vergabeentscheidung: Zutreffend wird die Angabe einer hinreichend präzisen Leistungsbeschreibung, der Angebots- und Ausführungsfristen sowie der Zuschlagskriterien für notwendig erachtet591. Der auf das Verwaltungsverfahren vorgelagerte grundrechtliche Standard beinhaltet den Grundsatz der Ausschreibung und statuiert ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Die Grundrechtssicherung durch Verfahren erlaubt Ausnahmen von dieser Verpflichtung, wobei deren Ausgestaltung dem einfachen Recht überlassen bleibt. Eine formalgesetzliche Grundlage ist indes unentbehrlich. Der Grundsatz, der die Ausschreibungspflicht als Regelfall ansieht, wird von Pietzcker 592 verneint. In bestimmten Fällen sei der Aufwand hierfür unangemessen groß, in anderen könnten öffentliche Interessen der Zeitersparnis oder auch der Geheimhaltung überwiegen, und häufiger noch werde die öffentliche Ausschreibung entweder von der Sache her gar nicht möglich oder mit erheblichen Nachteilen für die Beschaffung selbst verbunden sein. Hiernach verlange der grundrechtliche Standard lediglich eine Verfahrensgestaltung, die „eine sachgerechte Auswahl befördert, jedenfalls nicht behindert“. Bei Lichte betrachtet, sind die genannten Fallgruppen unter Umständen geeignet, im Einzelfall eine Ausnahme von der Ausschreibungspflicht zu rechtfertigen. Geeignet, eine generelle Umkehr des Regel-Ausnahme-Prinzips zu bewirken, sind sie indes nicht. Der Grundrechtsschutz durch Verfahren zur Gewährleistung des effektiven Zugangs zu einem staatlichen Rechtsweg gemäß Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG darf sich in Konstellationen, in denen ein effektiver Rechtsschutz nur ein vorbeugender sein kann, nicht darauf beschränken, einen allgemeinen Fördergedanken auszusprechen. Da ein solcher in der Praxis zur (systematischen) Umgehung des Grundrechts auf Gleichbehandlung der interessierten Bieter einlädt, lässt sich auch nicht mit der Beschränkung auf grundrechtliche Minimalstandards argumentieren. Insofern besteht die Notwendigkeit der gesetzlichen Regelung der Grundzüge eines grundrechtssichernden Verfahrens, dem der Regelfall der Ausschreibungspflichtigkeit entspricht. Anderenfalls würde den Anforderungen der praktischen Konkordanz nicht genügt. Die grundsätzliche Ausschreibungspflicht legt den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum fest. Für den Fall, dass nach Auftragshöhe, teilung des Vergaberechts, S. 41 ff.; Ruthig, NZBau 2005, S. 497/501 f. Das OLG Düsseldorf (Urt. v. 12.2.1980, DÖV 1981, S. 537 ff.) bejahte in einem umstrittenen Judikat eine Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung aus der mittelbaren Bindung an den Gleichheitssatz bei der Auftragsvergabe als sog. Hilfsgeschäft der Verwaltung. 590 Vgl. Hermes, JZ 1997, S. 909/914. 591 Hermes, JZ 1997, S. 909/913 f.; Kahl, in: FS f. v. Zezschwitz, S. 151/161 f.; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/479; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 323. 592 Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 41 ff. 17 Regler

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Komplexität der Leistungsbeschreibung oder nach weiteren Gesichtspunkten verschiedene Verfahren der Ausschreibung vorgesehen werden, ist dafür Sorge zu tragen, dass grundsätzlich das Verfahren Anwendung findet, das den größtmöglichen Bieterschutz gewährleistet, in der Regel also das Verfahren der öffentlichen Ausschreibung 593. Im Übrigen liegt es nahe, die Zulassung von Ausnahmetatbeständen – sowohl von der Ausschreibungspflicht als auch von späteren Verfahrensanforderungen – an der Intensität der verfahrensmäßigen Ungleichbehandlung auszurichten. Im Hinblick auf die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung kann den Aspekten der Auftragshöhe, des Zeit- und Kostenaufwandes sowie weiteren Aspekten Rechnung getragen werden. Eine „de minimis-Regelung“, die bereits an der Höhe der derzeit bestehenden Schwellenwerte anknüpft, ist freilich zu Recht zu verneinen. 594 Das Haushaltsrecht konkretisiert in §§ 30 HGrG, 55 BHO 595 zumindest in Teilbereichen entsprechende (rein innenrechtliche) Ausnahmetatbestände, als es eine Ausschreibung fordert, „sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen“. Oberhalb der geltenden Schwellenwerte sind die Anforderungen der Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG 596 hinsichtlich der vorgelagerten Grundrechtssicherung durch Verwaltungsverfahren erfüllt 597. Unabhängig von der Vorverlagerung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG unterliegt das Vergaberechtsverhältnis unmittelbar den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Mindeststandard an grundrechtssichernder Verfahrensgestaltung hat sich an der Verwirklichung der Chancengleichheit der Bieter zu orientieren. Das Willkürverbot bedingt, dass Zuschlagsentscheidungen lediglich nach den Kriterien der sachgerechten, nicht diskriminierenden und wirtschaftlichen Auftragserfül-

Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 321. So Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/52; auch Binder, ZZP 113 (2000), S. 195/212 ff., Dreher, NZBau 2002, S. 419/428 f.; zur österreichischen Rechtslage: Freise, NZBau 2004, S. 83/84. 595 Vgl. auch die Regelungen in den Verdingungsordnungen nach § 3 Nr. 2 VOL/A und § 3 Nr. 2 VOB/A. Der Entwurf einer neuen VgV mit dem Stand vom 18.3.2005 ließ die Ausnahmetatbestände insoweit fortgelten, als §1 Abs.1 Nr. 2 das Vergabeverfahren regelte, soweit eine haushaltsrechtliche Verpflichtung zur Einhaltung bestand. Siehe zu den zu diesem Zeitpunkt geplanten haushaltsrechtlichen Neuerungen 1. Kapitel B. III. 596 und der gegebenenfalls darüber hinaus betroffenen Grundrechte. 597 Kartellvergaberechtlich bestand ein Rangverhältnis zwischen dem Offenen, Nicht offenen und dem Verhandlungsverfahren (näher Werner, in: Byok/Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 101 Rdnrn. 438 ff.). Die Pflicht zur Information der Bieter über die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung und die Rechtsfolgen im Falle der Nichtbeachtung sind in § 13 VgV grundrechtskonform geregelt. Art. 29 VKR führt nun den „wettbewerblichen Dialog“ als vierte Verfahrensart für „besonders komplexe Aufträge“ ein. Es besteht eine Subsidiarität gegenüber dem Offenen und Nicht offenen Verfahren. Umgesetzt wurde diese Richtlinienbestimmung nun nicht durch das Gesetz zur Neuregelung des Vergaberechts, sondern durch das Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von öffentlich privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für öffentlich private Partnerschaften vom 1.9.2005 (BGBl. 2005 I, S. 2676). Hierzu wurde die Vorschrift des § 101 GWB und die Vergabeverordnung (§ 6 a VgV) um die zusätzliche Verfahrensart ergänzt. 593 594

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lung 598 vergeben werden. Der Gleichbehandlungsanspruch im Verfahren beschränkt sich indes nicht auf das Willkürverbot. Die zu Beginn des Vergaberechtsverhältnisses bestehenden gleichheitssichernden Anforderungen der Ausschreibung wirken im weiteren Verfahren fort. So ist die durch die Ausschreibung hergestellte Vergleichbarkeit der Angebote für das gesamte Verfahren zu wahren. Eine Gleichbehandlung der Bieter kann nur dann gewährleistet werden, wenn sich der öffentliche Auftraggeber im Fortgang des Verfahrens an die bekannt gemachten Fristen, die Leistungsbeschreibung und die (zulässigen) Zuschlagskriterien hält599. Die Gleichbehandlung lässt sich letztlich nur durch die Einhaltung der Vergabebestimmungen erreichen 600. Insbesondere besteht kein Grund, andere, vor allem niedrigere, verfahrensrechtliche Anforderungen zu stellen als bei sonstigen öffentlich-rechtlichen Verfahren, die die Auswahl bzw. die Verteilung öffentlicher Güter und Positionen an Private steuern 601. Der Gleichbehandlungsanspruch ist gegenüber der Verletzung materiell-rechtlicher oder formell-rechtlicher Bestimmungen im Vergabeverfahren indifferent. Dennoch erfordert eine Rüge seiner Verletzung ein Mindestmaß an subjektiver Betroffenheit des Bieters. Die Geltendmachung eines Verstoßes gegen Verfahrensbestimmungen setzt nach allgemeinen Grundsätzen die Möglichkeit der Verletzung eines zumindest auch dem Bieter als Antragsteller dienenden Rechts voraus. Bei den aus den Grundrechten der Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG deduzierten wesentlichen Verfahrensvorkehrungen und -bestimmungen handelt es sich um Regelungen, die der Chancengleichheit der Bieter dienen. Was die prozessuale Geltendmachung eines solchen Verstoßes betrifft, ist eine weitere subjektivrechtliche Beschränkung des Bieterschutzes zu berücksichtigen. Die Durchsetzung des grundrechtlichen Gleichbehandlungsanspruchs der Bieter ist in eine Konkurrentenstreitigkeit eingebettet. Das Verhältnis zwischen Grundrechten und Konkurrentenschutz ist in erster Linie dadurch gekennzeichnet, dass die Zwecksetzung der Grundrechte nicht vor Konkurrenz schützt, sondern sie vielmehr erlaubt. Der grundrechtliche Konkurrentenschutz verlangt bei einem Verstoß gegen Bestimmungen im Rahmen der Auftragsvergabe, dass dem klagenden Konkurrenten ohne Rechtsverstoß oder bei dessen Beseitigung eine verbesserte Position bei der Erlangung des 598 Faber, DÖV 1995, S. 403/408; Huber, JZ 2000, S. 877/880; Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 34 ff.; Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/55. 599 In der Tendenz bereits Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 208, 211. 600 Ein subjektiv-öffentliches Recht des unterlegenen Bieters auf Einhaltung der Verdingungsordnungen ist dem einfachen Recht vorbehalten. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz und damit grundrechtlich kann ein solches Recht nur über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung bestehen. 601 A. A. Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 38 f.; ders, NJW 2005, S. 2881/2883 f. Nach seiner Auffassung führe die stets zu verneinende Betroffenheit des Grundrechts der Berufsfreiheit zu geringeren Verfahrensvorkehrungen. Dem ist angesichts des in sämtlichen Vergaberechtsverhältnissen geltenden Schutzniveaus nach Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG nicht zuzustimmen. Vergabeverfahrensrechtlich besteht eine Maßgeblichkeit des allgemeinen Gleichheitssatzes.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

Auftrages zuteil wird 602. Der Grundrechtsschutz ist bei der Vergabe kontingentierter öffentlicher Güter also durchsetzbar, wenn der Betroffene bei Erfolg seines Begehrens die eigene Rechtsstellung stärken kann, nicht aber, wenn er das in Frage stehende Gut gar nicht (mehr) erlangen will oder am konkreten Verfahren gar nicht teilnimmt. Ist ein unterlegener Bieter bestrebt, die Verletzung des Gleichbehandlungsanspruchs im Verfahren (vorbeugend) geltend zu machen, so hat er darzulegen, dass sich seine Rechtsstellung im Verfahren, also seine Chance auf Erlangung des öffentlichen Auftrages, bei erfolgreichem Ausgang des prozessualen Verfahrens verbessern würde 603. Von der grundrechtlichen Situation ist der einfachgesetzliche Konkurrentenschutz zu scheiden. Es obliegt dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, den einfachgesetzlichen Anspruch auf das grundrechtlich Notwendige zu begrenzen oder nicht. Eine Vorbildfunktion im Vergaberecht hat die Vorschrift des § 97 Abs. 7 GWB inne. Dem im Bereich des Kartellvergaberechts bestehenden Anspruch auf Einhaltung der Vergabebestimmungen ist indes eine Beschränkung auf subjektiv-öffentliche Rechte immanent; er qualifiziert nicht sämtliche formell- und materiell-rechtlichen Bestimmungen als subjektive Rechte. Allerdings verlangt die richtlinienkonforme Umsetzung des Gemeinschaftsrechts, dass Vergabevorschriften, insbesondere solche in den Verdingungsordnungen, im Zusammenhang mit den diesen zugrunde liegenden Vorschriften der Vergaberichtlinien zu lesen und entsprechend durchsetzbar sind. 604 Soweit Grundrechte als subjektiv-öffentliche Rechte Mindeststandards für die Gestaltung von Verfahren normieren, beanspruchen sie eine im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG effektive Durchsetzung. Bezugnehmend auf die bereits erörterte Vorverlagerung der Rechtsweggarantie auf das Vergaberechtsverhältnis bedeutet dies, dass der stets gegebene Gleichbehandlungsanspruch grundsätzlich in einem Primärrechtsschutz gewährleistenden Verfahren durchsetzbar sein muss. Neben der Ausschreibung im vorgenannten Umfang und der Information der Unterlegenen von der beabsichtigten Auswahlentscheidung besteht sonach das Erfordernis vorbeugenden Rechtsschutzes 605. Die Rechtsschutzgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG kann nach dem oben Gesagten nur auf formalgesetzlicher Grundlage beschränkt werden. Inhaltlich muss sich die Beschränkung im Rahmen des Zumutbaren halten; sie darf nicht so weit führen, dass der Rechtsweg faktisch ausgeschlossen ist 606. Tatbestände 602 St. Rspr. des BVerfG, Urt. v. 10.2.1987, E 74, S. 182/195; Beschl. v. 31.1.1996, E. 93, S. 386/395: „Für die Entscheidungserheblichkeit genügt es, daß eine Beanstandung der zur Prüfung gestellten Norm dem Kläger die Chance offenhält, eine für ihn günstige Regelung zu erreichen.“ Vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rdnrn. 142 ff. 603 Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/55; Pietzcker (JZ 1989, S. 305/309 f.) verlangt für die notwendige „substantielle Rechtsbetroffenheit“ eine deutlich spürbare Veränderung des Konkurrenzverhältnisses. 604 Niebuhr, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 97 Rdnrn. 257 ff.; siehe bereits 1. Kapitel B. III. 605 Im Kartellvergaberecht wird dem durch die Vorschrift des § 13 VgV genügt. 606 St. Rspr. des BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999, E 101, S. 106/125; Beschl. v. 18.1.2000, E 101, S. 397/408; Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1021; Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456/484. In

D. Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses

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zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung sind sorgsam auszuformen. Dabei sollten nach dem verfahrensrechtlichen Vorbild des Kartellvergaberechts für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte verschiedene, nach dem Umfang der Gleichbehandlung der potenziellen Bieter akzentuierte Vergabeverfahren 607 angeboten sowie die Erleichterungen des elektronischen Rechtsverkehrs berücksichtigt werden. Gedacht wird ferner an die Einführung einer Bagatellschwelle in Abhängigkeit von der Auftragshöhe verbunden mit einer Beschränkung auf den Sekundärrechtsschutz sowie an eine Reduzierung der Verfahrensanforderungen und ihrer Nachprüfbarkeit. 608 Weitere Vorgaben für das prozessuale Verfahren bleiben den folgenden Ausführungen unter D. II. vorbehalten. Wie im Abschnitt zu den durch die öffentliche Auftragsvergabe betroffenen Grundrechten ausgeführt, besteht bei der Ableitung grundrechtlicher Standards – anders als bei sonstigen Konkurrentenstreitigkeiten mit einer steten Relevanz der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 33 Abs. 2 GG – eine Maßgeblichkeit des allgemeinen Gleichheitssatzes. Die gegebenenfalls darüber hinaus betroffenen Grundrechte, insbesondere die Wettbewerbsfreiheit, flankieren den Grundrechtsschutz. Ihre Betroffenheit im Einzelfall macht keine über den maßgeblichen Gleichheitssatz hinausgehenden Standards notwendig.

II. Weitere verfahrensrechtliche Folgerungen Die Einordnung des Vergaberechtsverhältnisses nach den Ausführungen in diesem Kapitel begründet ein neues Fundament für das prozessuale Verfahren. Die folgenden Ausführungen behandeln die Themen der Rechtswegeröffnung und der statthaften Klageart. Sonstige Folgerungen für das Vergabeverfahren schließen sich an. Für den Bereich des Kartellvergaberechts besteht bereits ein spezialgesetzlich geregeltes und ausdifferenziertes Rechtsschutzsystem, wenn auch diese Zuweisung nicht mit der in diesem Kapitel erörterten Verortung des Vergaberechtsverhältnisses korrespondiert. Sonach betreffen die folgenden Ausführungen schwerpunktmäßig das Verfahren für solche öffentliche Aufträge, die die gemeinschaftsrechtlichen Schwellenwerte nicht erreichen. Die Verfahrensgestaltung nach dem Gesichtspunkt der Sachnähe bzw. des Sachzusammenhangs dient als gemeinsamer Ausgangspunkt. Die Gestaltung hat auf Bezug auf den Rechtsschutz führt nun die Mitteilung der Kommission v. 1.8.2006 zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen (ABlEG 2006, Nr. C-179/02), in Ziff. 2.3.3 aus, dass die Mitgliedstaaten „für die erforderlichen Vorschriften und Verfahren zur Gewährleistung eines effektiven gerichtlichen Schutzes“ gemäß der Rechtsprechung des EuGH zu sorgen haben. 607 Vgl. § 12 Entwurf einer Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Stand: 18.3.2005): Offenes und Nicht offenes Verfahren, Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung und wettbewerblicher Dialog. Die Vorschrift des § 6 a VgV findet nur für öffentliche Aufträge oberhalb der Schwellenwerte Anwendung. 608 Hierzu Pietzcker, Zweiteilung des Vergaberechts, S. 90 ff.; Hollands/Sauer, DÖV 2006, S. 55/63 ff.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

der Notwendigkeit einer formalgesetzlichen Regelung unter dem Aspekt der Grundrechtswesentlichkeit zu basieren; im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG ferner auf der rechtzeitigen Information der unterlegenen Bieter von der beabsichtigten Zuschlagsbzw. Annahmeentscheidung. Das prozessuale Verfahren betrachtet, bedarf es hinsichtlich des Bestehens einer Klagebefugnis keiner über vorstehend 2. b) bb) hinausgehenden Ausführungen mehr. Das Bestehen einer einfachgesetzlichen Vorschrift lediglich im Bereich des Kartellvergaberechts macht im Übrigen den Rückgriff auf die betroffenen Grundrechtspositionen notwendig. 1. Rechtswegeröffnung Die Frage der Rechtswegeröffnung wird von der Rechtsnatur des in Frage stehenden Rechtsverhältnisses bestimmt. Soweit eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung fehlt, richtet sich das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Streitigkeit nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. 609 Im Anwendungsbereich der Rechtsweggarantie und bei Fehlen einer Sonderzuweisung für öffentliche, die Schwellenwerte nicht erreichende Aufträge sieht die Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 Satz 2 GG eine Regelung vor, indem sie für die Streitigkeit den ordentlichen Rechtsweg bereitstellt. Die subsidiäre Diktion dieser Vorschrift führt zu einem engen Anwendungsbereich. Der ordentliche Rechtsweg ist lediglich dann eröffnet, wenn sowohl eine ausdrückliche Zuweisung fehlt als auch eine „extensive Interpretation“ zu einer eine besondere Sachnähe aufweisenden Gerichtsbarkeit ausscheidet 610. Die Systematik der öffentlichen Auftragsvergabe scheidet nach den Ausführungen in Abschnitt A. II. 2. dieses Kapitels das Vergaberechtsverhältnis und die Ausführungshandlung. Aufgrund der öffentlich-rechtlichen Determination wurde das Vergaberechtsverhältnis als besonderes Verwaltungsverfahren qualifiziert. Der Klageanspruch leitet sich insofern aus einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis her. Sonach ist die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 VwGO zu bejahen. Der Verwaltungsrechtsweg entspricht auch dem Merkmal der Sachnähe. Auf der Ebene des Vergaberechtsverhältnisses handelt der Staat schlicht-hoheitlich; er erfüllt eine öffentliche (Verfahrens-)Aufgabe sowie eine staatliche Aufgabe. Schließlich ist der auftragsvergebende Staat an die Grundrechte gebunden. Einer im Sinn von Art. 19 Abs. 4 Satz 2 GG „extensiven Interpretation“ des Vergaberechtsverhältnisses zur Begründung des sachnächsten Rechtsweges bedarf es nicht. Die Ebene der Ausführungshandlung ist durch den zivilrechtlich gestalteten öffentlichen Auftrag als Vollzugsinstrument des Vergaberechtsverhältnisses gekennzeichnet. Sie eröffnet den Zivilrechtsweg, der auf Streitigkeiten aus dem zivilrechtlichen Vertrag beschränkt ist. 611 Die systematiSiehe 3. Kapitel A. I. 4. BVerwG, Urt. v. 5.5.1983, DVBl. 1983, S. 943: „Grundsatz des Sachzusammenhangs“; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 19 Rdnr. 38; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 93. 611 Siehe 3. Kapitel A. I. 3. 609 610

D. Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses

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sche Notwendigkeit der Unterscheidung von Vergaberechtsverhältnis und Ausführungshandlung manifestiert sich in der Spaltung der anwendbaren Rechtsmaterien und Rechtswege. Die rechtliche Gestaltung der Schnittstelle zwischen diesen beiden Ebenen ist auch für den Fortgang des prozessualen Verfahrens maßgeblich. Sie wird in nachstehend 2. zu erörtern sein. Für die vorstehende Zuordnung bleibt freilich nur Raum, soweit es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Zuweisung fehlt. Eine solche besteht im Kartellvergaberecht gemäß §§ 116 ff. GWB, wonach sofortige Beschwerden 612 gegen Entscheidungen der Vergabekammern im Nachprüfungsverfahren 613 im Wege einer abweichenden Rechtswegzuweisung 614 von den Vergabesenaten der Oberlandesgerichte zu entscheiden sind. Dem Gesichtspunkt der Sachnähe muss die gesetzliche Sonderzuweisung freilich nicht folgen 615. Sie folgt der Verortung des Vergaberechts oberhalb der gemeinschaftsrechtlichen Schwellenwerte im GWB, bei der die Stärkung einer wettbewerblichen Ausrichtung des Vergaberechts im Vordergrund stand. 616 Unter Außerachtlassung der Rechtstatsachen ging ein Fortschreiben der einstufig zivilrechtlichen Auffassung und des Rückschlusses von der Rechtsnatur der Ausführungshandlung einher. Allerdings könnte die vorhandene Verortung des Vergaberechts im GWB eine nicht unerhebliche Ausstrahlungswirkung für eine vorzunehmende Normierung des Vergaberechtsregimes unterhalb der Schwellenwerte haben. 2. Statthafte Klageart Das Klagebegehren bestimmt die Statthaftigkeit einer gewählten Klageart. Bei einem Rechtssystem, das privates und öffentliches Recht scheidet, wird die grundlegende Weichenstellung für die statthafte Klageart bei der Rechtswegeröffnung entschieden. Mit der öffentlich-rechtlichen Qualifikation des Vergaberechtsverhältnisses scheidet eine einstufige zivilrechtliche Konstruktion aus. Nicht anders verhält es sich aufgrund der privatrechtlichen Ausführungshandlung im Hinblick auf eine einoder zweistufige rein öffentlich-rechtliche Gestaltung des Vergabeverfahrens. Die von Zuleeg und von Zezschwitz vertretene Auffassung der Einordnung der öffentlichen Aufträge als öffentlich-rechtliche Verträge konnte sich nicht durchsetzen 617. Zum Beschwerdeverfahren jüngst Wilke, NZBau 2005, S. 326 ff. Zur Qualifikation des Nachprüfungsverfahrens durch die Vergabekammern: 3. Kapitel A. I. 4. 614 Ebenso Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art.19 Abs.4 Rdnr. 449; OVG Koblenz, NZBau 2005, S. 411/412; VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschl. v. 6.9.2001, NZBau 2002, S. 237. 615 Vgl. 3. Kapitel A. II. 5. b) aa). Gegen den Verwaltungsakt der Vergabekammer (§ 114 Abs. 3 Satz 1 GWB) findet die Beschwerde zum Oberlandesgericht statt (§ 116 GWB). 616 Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/9340, S. 13. Zum Aspekt der Umqualifizierung als „schleichende Privatisierung“: 2. Kapitel A. II. 5. und 3. Kapitel A. II. 5. b) aa). 617 Siehe 3. Kapitel A. I. 3.; vgl. auch Ruthig, NZBau 2005, S. 497/499. Die Idee wird für Dienstleistungskonzessionen nun aufgegriffen von Burgi (NZBau 2005, S. 610/614). 612 613

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

Diese Betrachtung gilt wiederum vorbehaltlich einer künftigen gesetzlichen Sonderzuweisung, wobei in erster Linie eine privat- bzw. wettbewerbliche Zuweisung nach dem Vorbild der vorhandenen Regelung für Aufträge oberhalb der Schwellenwerte ernsthaft in Frage kommen dürfte. Mit dem öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnis und der privatrechtlichen Ausführungshandlung bestehen im Hinblick auf ihre rechtliche Form, Funktion und Ausgestaltung unterschiedliche Verfahrensschritte. Die Sachurteilsvoraussetzung „statthafte Klageart“ hat hierbei die Funktion einer Schnittstelle inne. Sie hat diese Ebenen anhand der Maßgeblichkeit des Petitums in sachnaher Weise verfahrensrechtlich zu verknüpfen. Das Bestehen zweier Verfahrensebenen mit unterschiedlicher Rechtnatur eröffnet im Grunde das Terrain der Zwei-Stufen-Theorie 618. Im Bereich des Vergaberechts fände sonach eine Trennung zwischen dem öffentlich-rechtlichen, durch Verwaltungsakt endenden Vergaberechtsverhältnis und dessen privatrechtlichem Vollzug durch Erteilung des öffentlichen Auftrages statt. Der Ansatz, Vergabeverfahren zweistufig zu konstruieren, ist nicht neu. Er wurde und wird im Schrifttum619 bei der Vergabe öffentlicher Aufträge unter Beteiligung normativ Begünstigter, also bei der Anwendbarkeit von gesetzlichen Bevorzugungsregelungen bejaht. Kopp 620 spricht sich sogar generell für die Vergabe öffentlicher Aufträge nach Maßgabe der ZweiStufen-Theorie aus. Er zieht aus der Entwicklung der öffentlichen Auftragsvergabe vom fiskalischen Hilfsgeschäft zum Instrument der staatlichen Wirtschaftspolitik eine Parallele zum Subventionsrecht 621. Die Rechtsprechung des BVerwG 622 hält den Verwaltungsrechtsweg nicht allgemein, sondern lediglich im Falle öffentlichrechtlicher Bevorzugungsnormen für eröffnet; dabei jedoch nur für die Feststellung des Bestehens bzw. Nichtbestehens des Bevorzugungsrechtsverhältnisses, nicht aber für Klagen auf bevorzugte Vergabe des öffentlichen Auftrages. Diese Theorie zur zweistufigen Gestaltung des Verfahrens bei der Vergabe öffentlicher Aufträge erlebt nunmehr eine Renaissance. Die Vertreter des Schrifttums 623, die das VerfahSiehe bereits 3. Kapitel A. I. 3. Menger, VerwArch. 50 (1959), S. 77; Rennert, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, § 40 Rdnr. 48; Rinck, WiR 1972, S. 5/12 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 22 Rdnr. 67; Ziekow/Siegel, ZfBR 2004, S. 30/33; vgl. auch Forsthoff, Der Staat als Auftraggeber, S. 22. 620 Kopp, BayVBl. 1980, S. 609 ff.; zustimmend Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 11 Rdnr. 51; Pernice/Kadelbach, DVBl. 1996, S. 1100/1106. 621 So bereits Forsthoff (Der Staat als Auftraggeber, S. 22), der beim Verfahren der öffentlichen Auftragsvergabe aber ein „intensiveres Verwaltungsinteresse“ bejaht. 622 Siehe im Einzelnen bereits 3. Kapitel A. II. 5. b) aa). Der BGH (Urt. v. 10.7.1954, Z 14, S. 222) hat im Falle eines Antrags auf Widerruf des Ausschlusses von öffentlichen Aufträgen (Auftragssperre) auf der Grundlage einer Dienstanweisung einer übergeordneten Behörde den Zivilrechtsweg für unzulässig gehalten. 623 Hermes, JZ 1997, S. 909/914 f.; Huber, JZ 2000, S. 877/882; Triantafyllou, NVwZ 1994, S. 943/946; im Grundsatz auch Pünder, VerwArch. 95 (2004), S. 38/57 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Einführung Rdnr. 55; für den vom Kartellvergaberecht nach § 100 Abs. 2 lit. e GWB ausgenommenen Rüstungsbereich Prieß/Hölzl, NZBau 2005, S. 367/371; zurückhaltend indes Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1024. 618 619

D. Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses

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ren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrages als öffentlich-rechtlich verstehen, favorisieren ein Vergabeverfahren nach Maßgabe der Zwei-Stufen-Theorie. Sie argumentieren in erster Linie mit dem Bedürfnis für die Gewährung eines effektiven Primärrechtsschutzes bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrages. Huber 624 stellt ferner darauf ab, dass allein die Zwei-Stufen-Theorie es ermögliche, zwischen dem multipolaren Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen der Behörde, dem Auftragnehmer und seinen Konkurrenten und der auf der Grundlage dieser abschließenden Verteilungsentscheidung erfolgenden Ausgestaltung des bipolaren Rechtsverhältnisses zwischen der Behörde und dem Auftragnehmer zu unterscheiden. Die von Ipsen 625 für das Subventionsrecht entwickelte Theorie der Zweistufigkeit hat ihren Anwendungsbereich erweitert auf die Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen 626 und auf die Vergabe gemeindeeigener Grundstücke nach Maßgabe aufgestellter und praktizierter Vergabekriterien 627. Sie hat den Vorzug der Aufrechterhaltung sowohl der öffentlich-rechtlichen Entscheidung über das „ob“ als auch der Trennung zwischen öffentlichem und privatem Recht. Trotzdem wird die Konstruktion zweier Verfahren mit unterschiedlicher Rechtsnatur eher als unerwünschtes Ergebnis angesehen 628. So wird die Preisgabe der Einheitlichkeit eines Rechtsverhältnisses zu Gunsten einer Fiktion bemängelt. Im Hinblick auf die Praktikabilität der Theorie ist es insbesondere als misslich anzusehen, dass die dogmatische Verfahrenstrennung im Rahmen der Abwicklung nicht durchgehalten wird, insbesondere in die Abwicklung des zivilrechtlichen Vertrages Verwaltungsakte eingeschaltet werden 629. Insofern kann die propagierte Rechtssicherheit und -klarheit für die Verwaltungsbehörde ebenso wie für die Bürger zur Makulatur werden. Einen Vorschub für die Kritiker der Zwei-Stufen-Theorie bedeutete die einstufige und einheitlich öffentlich-rechtliche Konstruktion der Vergabe sog. verlorener Zuschüsse 630. Beim Bemühen um die Verneinung der dogmatischen Rechtfertigung der Zwei-StufenTheorie bewegt man sich allerdings auf schmalem Grat, verlangt doch die Trennung von Verwaltungs- und Zivilrechtsweg eine eindeutige Entscheidung. Huber, JZ 2000, S. 877/882. Ipsen, DVBl. 1956, S. 602 ff. 626 Kopp/Schenke, VwGO, § 40 Rdnrn. 16 ff. 627 OVG Münster, NJW 2001, S. 698 ff.; VG München, Urt. v. 27.2.1996, BayVBl. 1997, S. 533 ff. 628 VG Leipzig, Beschl. v. 6.9.2005, BauR 2005, S. 1928 ff.; Dawin, NVwZ 1983, S. 400 f.; Dörr, DÖV 2001, S. 1014/1024; Ehlers, in: Erichsen H.-U. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rdnrn. 36 ff.; Gusy, JA 1989, S. 26/33 f.; Hofmann-Becking, VerwArch. 62 (1971), S. 191/193 ff.; Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht; S. 215; Meyer, Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung, S.296 ff.; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 372 ff.; Ruthig, NZBau 2005, S. 497/499 f.; Zuleeg, in: FS f. Fröhler, S. 275 ff.; ders., NJW 1962, S. 2231 ff.; ders., WiVerw 1984, S. 112/114. 629 BVerwG, Urt. v. 31.8.1961, E 13 S. 47/48, „Zinsherabsetzung“; Urt. v. 23.1.1962, E 13 S. 307/310, „Rückforderung“; anders: Urt. v. 8.9.2005, DVBl. 2006, S. 118/119 f. 630 BGH, Urt. v. 12.10.1971, Z 57, S. 130/133 ff.; BVerwG, Urt. v. 28.6.1968, NJW 1969, S. 809. 624 625

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

Betrachtet man das Verfahren der Vergabe öffentlicher Aufträge, entspricht die Zweistufigkeit den dogmatischen Grundlagen von Vergaberechtsverhältnis und privatrechtlichem öffentlichem Auftrag. Dem Gebot effektiven Rechtsschutzes wird eine zweistufige Verfahrensgestaltung im Grunde besser gerecht 631. Demgegenüber hinkt eine mit etwaigen Verfahrensverzögerungen argumentierende Auffassung 632, da auch eine einstufige Gestaltung effektiven Primärrechtsschutz leisten muss. Mit dem Erlass eines Verwaltungsakts – bei einem vorbeugenden Rechtsschutzverfahren nach dessen Durchführung – als Grundlage der privatrechtlichen Annahmeerklärung wäre eine Verfahrensverzögerung nicht verbunden. Eine dogmatische Unterbilanz besteht im Falle der Anwendbarkeit der Zwei-Stufen-Theorie allerdings insoweit, als in den Außenrechtsverkehr lediglich die privatrechtliche Annahme des erfolgreichen Bieterangebots tritt, nicht aber die das Vergaberechtsverhältnis abschließende öffentlich-rechtliche Zuschlagsentscheidung. Die zum Zweck eines effektiven Rechtsschutzes notwendige Vorabinformation über die beabsichtigte Vergabeentscheidung ändert die Sachlage nicht; sie ermöglicht die klageweise Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs und verhindert die Schaffung vollendeter Tatsachen. Dabei steht die grundsätzliche Bejahung der Möglichkeit der zweistufigen Verfahrensgestaltung nicht in Frage. Ihre Heranziehung sollte aber Rechtsverhältnissen vorbehalten sein, bei denen sich die öffentlich-rechtliche Entscheidung über den Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrages nicht auf behördeninterne Maßnahmen beschränkt, sondern als Regelung bewusst in den Rechtsverkehr tritt 633. Dies ist indes auch bei der Anwendbarkeit von Bevorzugungsregelungen nicht der Fall. Es besteht kein dogmatischer Unterschied dadurch, dass dem Vergaberechtsverhältnis ein zusätzliches öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis vorgeschaltet ist, das – um mit dem BVerwG 634 zu sprechen – eine Entscheidung durch Verwaltungsakt nicht vorsieht und das im Rahmen der herkömmlichen Abfolge von Vergaberechtsverhältnis und nachfolgender Ausführungshandlung auf die Entscheidung maßgeblichen Einfluss nimmt. Mit dem Bestehen zweier Verfahrensebenen mit unterschiedlicher Rechtsnatur ist nicht notwendig die Anwendung der Zwei-Stufen-Theorie verbunden. Eine Alternativkonstruktion auf der Grundlage des öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses und der zivilrechtlichen Ausführungshandlung hat die Verknüpfung dieser Ebenen auf andere Weise als durch einen fingierten Verwaltungsakt zu bewerkstelligen. 631 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 28.10.1999, Rs. C-81/98, „Alcatel Austria AG u. a./Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr“, DVBl. 2000, S. 118 ff. Dies relativiert sich freilich in denjenigen Konstellationen, in denen die Verfahrensgestaltung zum Zweck der Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen die Geltendmachung eines vorbeugenden Rechtsschutzes erfordert. 632 Vgl. auch Hermes, JZ 1997, S. 909/915. 633 BVerwG, Urt. v. 8.3.1962, E 14, S. 65/67 f.; BayVGH, Beschl. v. 23.8.2004, BayVBl. 2005, S. 443; OVG Berlin, Urt. v. 27.4.1961, NJW 1961, S. 2130 ff.; VG Leipzig, Beschl. v. 6.9.2005, BauR 2005, S. 1928 ff.; Flessa, DVBl. 1957, S. 118/120; Pietzcker, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, § 42 Rdnr. 156; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 376; Ruthig, NZBau 2005, S. 497/500. Kritisch zur zentralen Stellung des Verwaltungsakts im modernen Verwaltungshandeln: Robbers, DÖV 1987, S. 272/277. 634 BVerwG, Urt. v. 8.3.1962, E 14, S. 65/68 ff.; Beschl. v. 6.5.1970, DVBl. 1970, S. 866/867.

D. Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses

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Ausgangspunkt einer alternativen Verfahrensgestaltung hat der dem deutschen Vergaberechtsregime immanente Grundsatz zu sein, dass vor dem Abschluss des privatrechtlichen öffentlichen Auftrages ein Rechtsakt mit Außenwirkung weder tatsächlich besteht noch aus dogmatischen Gründen zu konstruieren ist. Dieser Grundsatz schlägt auf das Petitum und auf die Feststellung der statthaften Klageart durch. Maßgeblich für das Klagebegehren wird sonach die Abgabe bzw. die Untersagung der Abgabe der privatrechtlichen Annahmeerklärung. Hierdurch wird die Betonung der Ausführungshandlung und ein gegebenenfalls einher gehender Rückschluss von deren Rechtsnatur auf das Vergaberechtsverhältnis nachvollziehbar 635. Eine sachnahe, an den vorhandenen Rechtstatsachen orientierte Gestaltung des Rechtsschutzverfahrens kommt um eine Fokussierung auf die den Abschluss des öffentlichen Auftrages bestimmende Willenserklärung nicht umhin. Nach Röhl 636 handelt es sich dabei um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung, da Handlungen der Verwaltung zwingend öffentlich-rechtlicher Natur seien, selbst wenn sie auf die Abgabe zivilrechtlicher Erklärungen gerichtet sind. Diese öffentlich-rechtliche Willenserklärung zeitige aber privatrechtliche Rechtsfolgen. Nach den Ergebnissen in diesem Kapitel hat die prozessuale Gestaltung an der privatrechtlichen Willenserklärung über die Annahme des (erfolgreichen) Bieterangebots anzusetzen, wobei dieser Willenserklärung ein öffentlich-rechtliches Verfahrensverhältnis mit einer verfahrensinternen öffentlich-rechtlichen Zuschlagsentscheidung zugrunde liegt. Systematisch gilt Folgendes: Vorbehaltlich einer gesetzlichen Sonderzuweisung können die Zivilgerichte nicht über das Bestehen öffentlich-rechtlicher Ansprüche entscheiden 637. Maßstab für die Beurteilung einer öffentlich-rechtlichen Tätigkeit kann nur das öffentliche Recht sein, so dass ein privatrechtlicher Anspruch auf ein bestimmtes Verhalten ausscheidet. Umgekehrt ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass Verwaltungsgerichte über Ansprüche auf die Abgabe zivilrechtlicher Erklärungen entscheiden 638. Hiermit korrespondiert das Verständnis der Formenwahlfreiheit, wonach die Wahl der privatrechtlichen Organisationsform auch die privatrechtliche Ausführungshandlung determiniert, während bei der Wahl einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform zusätzlich die Wahl zwischen einer öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Handlungsform besteht 639. Dasselbe (öffentlich-rechtliche) Rechtsverhältnis kann sonach öffentlich-rechtliches wie privatrechtliches Handeln steuern. Vergaberechtlich ist die Wirkung freilich privatrechtsgestaltend. Dogmatische Unstimmigkeiten bestehen nicht: Klagen vor den Verwaltungsgerichten auf die Abgabe zivilrechtlicher Erklärungen bzw. auf den Abschluss entsprechender Verträge stellen die notwendige Konsequenz einer – möglichen Verschränkungen abträgVgl. 3. Kapitel A. II. 2. Röhl, VerwArch. 86 (1995), S. 531/535 f.; vgl. auch 3. Kapitel A. II. 2. 637 Dawin, NVwZ 1983, S. 400 f.; Menger, VerwArch. 68 (1977), S. 293/295. 638 Dawin, NVwZ 1983, S. 400 f.; Hoffmann-Becking, VerwArch. 62 (1971), S. 191/196 f.; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 375; Röhl, VerwArch. 86 (1995), S. 531/535 f.; vgl. auch Huber, DÖV 1956, S. 355 ff.; a. A. Ruthig, NZBau 2005, S. 497/499 f. 639 3. Kapitel A. I. 3. 635 636

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

lichen – Zweiteilung des positiven Rechts im Bereich der Rechtswegeröffnung und der Frage nach der statthaften Klageart dar. Sie sind ferner notwendige Konsequenz einer Abgrenzung nach Maßgabe der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der streitentscheidende Anspruch entspringt. Sachnah ist daher eine Gestaltung, die eine vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage als statthaft begreift, die auf die Abgabe der privatrechtlichen Annahmeerklärung abstellt. Die interne Entscheidungsgrundlage – „das Rechtsverhältnis, das sich im Streit befindet“ 640 – wird im öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnis getroffen. Die Verknüpfung der öffentlich-rechtlichen mit der privatrechtlichen Ebene kann die allgemeine Leistungsklage herstellen. Sie definiert sich in Abgrenzung zur Verpflichtungsklage negativ und ist folglich auf jedes sonstige Verhalten – Tun, Dulden, Unterlassen – gerichtet, das nicht Verwaltungsakt ist 641. Insoweit ist sie „Verpflichtungsklage im weiteren Sinn“ 642. Der Anwendungsbereich erfasst öffentlich-rechtliche Ansprüche, er ist zur Gewährleistung lückenlosen Rechtsschutzes umfassend. Praktische Relevanz besitzt in erster Linie das schlicht-hoheitliche Verwaltungshandeln. 643 Handlungen der Verwaltung mit Außenrechtsqualität, gleich welcher Rechtsnatur, geht stets ein öffentlich-rechtliches Entscheidungsverfahren voraus 644. Ein mit der allgemeinen Leistungsklage durchsetzbarer öffentlich-rechtlicher Anspruch kommt nur in Fällen in Betracht, in denen das vorausgehende Entscheidungsverfahren nicht durch einen Verwaltungsakt endet. Wie bereits ausgeführt, ist die Ablehnung der Vornahme einer Handlung lediglich dann als Verwaltungsakt anzusehen, wenn sie „bewusst in den Rechtsverkehr“ tritt oder eine „eindeutige Formenwahl“ 645 vorliegt. Trifft dies – wie bei der Vergabeentscheidung – nicht zu, ist die allgemeine Leistungsklage auf Vornahme der begehrten Handlung statthaft. Hinsichtlich der Handlung „Abgabe einer Willenserklärung“ kommt es also nicht darauf an, ob die begehrte Erklärung öffentlich-rechtlich oder zivilrechtlich ist 646. Es verbleibt bei der Maßgeblichkeit des öffentlich-rechtlichen Anspruchs für die Statthaftigkeit der Klageart. In der Konkurrentensituation der Auftragsvergabe ist freilich nicht die Klage Hoffmann-Becking, VerwArch. 62 (1971), S. 191/196. Auch Zuleeg (in: FS f. Fröhler, S. 275/285; WiVerw 1984, S. 112/116) zieht die allgemeine Leistungsklage heran, jedoch auf Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages nach §§ 54 ff. VwVfG gerichtet. 642 BVerwG, Urt. v. 9.7.1976, E 50, S. 137/140; Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner (Hrsg.), VwGO, § 42 Rdnr. 150. 643 Clausen, in: Knack, VwVfG, Vor § 9 Rdnr. 7; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 42 Rdnrn.153 ff.; Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, §42 Rdnr.152; Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rdnr. 125; im Hinblick auf Konkurrentenverhältnisse Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 223 m. w. Nachw. 644 Öffentlich-rechtliches Entscheidungsverfahren in diesem Sinn ist vorliegend das Vergabeverfahren. Eine bloße Fiktion genügt freilich nicht; jüngst BayVGH, Beschl. v. 23.8.2004, BayVBl. 2005, S. 443. 645 Auf diesen Gesichtspunkt abstellend Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, § 42 Rdnr. 156. 646 Dawin, NVwZ 1983, S. 400 f.; Hoffmann-Becking, VerwArch. 62 (1971), S. 191/196 f. 640 641

D. Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses

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des erfolgreichen Bieters auf Abgabe der zivilrechtlichen Annahmeerklärung Streitgegenstand 647. Einen solchen „Leistungsanspruch“ kann weder den vorstehend erörterten Grundrechten noch dem einfachen Recht oberhalb oder unterhalb der Schwellenwerte entnommen werden. Streitgegenstand ist vielmehr das Begehren des Unterlegenen, die Abgabe der Annahmeerklärung zum Angebot des (erfolgreichen) Konkurrenten zu verhindern. Das Begehren richtet sich sonach gegen den öffentlichen Auftraggeber auf Unterlassung des Abschlusses des öffentlichen Auftrages durch Abgabe der Annahmeerklärung. Eine die Grundrechte eines (erfolglosen) Bieters verletzende Vergabeentscheidung soll zivilrechtlich nicht vollzogen werden. Anwendung findet die allgemeine Leistungsklage in der Ausprägung als vorbeugende Unterlassungsklage. Das deutsche Vergaberecht oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Primärrechtsschutz nur präventiv möglich ist 648. Das für die Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes notwendige besondere Rechtsschutzbedürfnis ist daher stets vorhanden 649. Als statthafte Klageart ist daher die allgemeine Leistungsklage als vorbeugende Unterlassungsklage anzusehen. Mit ihr ist die rechtzeitige Mitteilung der beabsichtigten Vergabeentscheidung notwendig verbunden. Der Klageantrag ist auf Unterlassung der Abgabe der angekündigten zivilrechtlichen Annahmeerklärung zu richten. Für einen effektiven Rechtsschutz an der Schnittstelle zwischen dem Vergaberechtsverhältnis und der Ausführungshandlung bedarf es der Heranziehung der Grundsätze der Zwei-StufenTheorie nicht. 3. Sonstige Folgerungen Die öffentlich-rechtliche Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses verdient noch unter weiteren Aspekten Beachtung, namentlich bei den Fragen der Haftung für Vergaberechtsverstöße sowie dem anwendbaren Verfahrensrecht. Die Haftungsfrage bestimmt sich nach der Anwendbarkeit der Amtshaftungsgrundsätze gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG 650. Herkömmlich wird 647 Hieran könnte man allenfalls denken, wenn nach Ermittlung des erfolgreichen Bieters im öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnis und nach Vornahme der Vorabinformation zur beabsichtigten Vergabeentscheidung die Abgabe der zivilrechtlichen Annahmeerklärung verweigert wird. 648 Vgl. 1. Kapitel B. III., 3. Kapitel A. II. 5. b) gg), D. I. 2. a) cc). 649 Die vorbeugende Unterlassungsklage verlangt ferner, dass „das künftige Verwaltungshandeln nach seinem Inhalt und seinen tatsächlichen wie rechtlichen Voraussetzungen soweit bestimmt ist, daß eine Rechtmäßigkeitsprüfung möglich ist“ (BVerwG, Urt. v. 19.3.1974, E 45, S. 99/105). Mit der Mitteilung des beabsichtigten Vertragsabschlusses wird die künftige Verwaltungshandlung hinreichend konkretisiert (BVerwG, Urt. v. 18.4.1985, E 71, S. 183/188 f.) Für die Klagebefugnis gilt nach umstrittener Rechtsprechung die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO analog. Umfangreich zur Thematik Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, § 42 Rdnrn. 161 ff., 170. 650 Bei fehlender Anwendbarkeit der Amtshaftungsgrundsätze bestehen Ansprüche gegen den Staat nach §§ 311 Abs. 2 und 3, 241 Abs. 2, 280, 282 BGB sowie nach §§ 31, 89, 823 ff. BGB bzw. §§ 831, 823 ff. BGB; vgl. auch 1. Kapitel B. III.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

die Frage des geltenden Haftungsregimes nach der Rechtsform des staatlichen Handelns entschieden. Hoheitliches Verhalten geschieht stets „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“. Probleme stellen sich nach dieser im Grunde „Rechtsklarheit und Rechtssicherheit“ 651 gewährleistenden Abgrenzung in gemischten, insbesondere also in zweistufigen Rechtsverhältnissen; ferner bei der Vornahme von Realakten. Letztere machen den Rückgriff auf ergänzende Kriterien notwendig, während zweistufig angelegte Rechtsverhältnisse konsequent auch das anwendbare Haftungsregime aufspalten. Ossenbühl 652 favorisiert ein funktionales Verständnis des Amtsbegriffs und stellt hierzu auf den Aufgabencharakter und den Funktionszusammenhang der zu erfüllenden Aufgabe ab. In dogmatischer Hinsicht ist ein funktionales Begriffsverständnis eindeutig vorzuziehen. Ausgangspunkt der Amtshaftung ist das Einstehenmüssen für Schäden, die ein Amtswalter in Erfüllung staatlicher Aufgaben verursacht hat. Die Staatlichkeit von Aufgaben bemisst sich zutreffend nicht nach der Handlungsform der staatlichen Betätigung im Rechtsverkehr 653. In praxi wird eine Abgrenzung von staatlichen und öffentlichen Aufgaben unumgänglich. 654 Für das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe gelangt man sonach zu folgenden Ergebnissen: Abstellend auf die Rechtsform des Staatshandelns sind die Amtshaftungsgrundsätze im Vergaberechtsverhältnis anwendbar, nicht aber auf der Ebene der privatrechtlichen Ausführungshandlung 655. Es besteht eine Zweistufigkeit ohne Geltung der Zwei-Stufen-Theorie. Ein weiterer Nachteil besteht in der dogmatisch mangelhaften Erfassung privater Auftraggeber nach §§ 98 Nr. 4 bis 6 GWB. Für solche Auftraggeber scheidet die Anwendbarkeit des Amtshaftungsrechts aus, da eine Pflichtverletzung eines „Beamten im haftungsrechtlichen Sinn“ nicht möglich ist. Eine funktionale Betrachtung kann an den in diesem Kapitel unter Abschnitt B.II. gefundenen Ergebnissen ansetzen. Mit der Vergabe öffentlicher Aufträge werden eine öffentliche (Verfahrens-)Aufgabe sowie eine staatliche Aufgabe erfüllt. Die Staatlichkeit der Aufgabenerfüllung bedingt bei einem funktionalen Amtsbegriffsverständnis insgesamt das Eingreifen der Amtshaftung. Dogmatische Unzulänglichkeiten bestehen nicht. Bei Vergaben durch Auftraggeber nach §§ 98 Nr. 4 bis 6 GWB werden lediglich öffentliche Aufgaben erfüllt. Die insoweit mangelnde Staatlichkeit der Aufgabe verbietet eine Heranziehung der Amtshaftungsgrundsätze. Ein öffentlich-rechtliches Vergaberechtsverhältnis ist auf das anwendbare Verfahrensrecht nicht ohne Einfluss. Dennoch sind die konkreten Auswirkungen zu relativieren. In Frage steht allein das grundsätzlich anwendbare, letztlich das zu Grunde liegende Verfahrensrecht. Dieses Verfahrensrecht wird erst dann relevant, wenn ausOssenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 26. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 25 ff. m. w. Nachw. 653 Siehe umfassend 3. Kapitel B. I. 2. 654 Dieser nachteiligen Konsequenz stehe nach Ossenbühl (Staatshaftungsrecht, S. 26) aber der Vorteil einer sachgerechteren Lösung gegenüber. 655 Nach der traditionellen Betrachtung der öffentlichen Auftragsvergabe als fiskalisches Hilfsgeschäft unter Bejahung einer einstufig privatrechtlichen Abwicklung war der Anwendungsbereich der Amtshaftung nicht eröffnet; vgl. 1. Kapitel B. III. 651 652

D. Rechtsfolgen eines öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses

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drückliche verfahrensrechtliche Regelungen im Vergaberecht des GWB, in der Vergabeverordnung und in den Verdingungsordnungen nicht bestehen bzw. nicht einschlägig sind 656. Die Betätigung des öffentlichen Auftraggebers im Vergaberechtsverhältnis ist schlicht-hoheitlich; sie vollzieht sich in einem „besonderen Verwaltungsverfahren“ 657. Während die Anwendbarkeit der §§ 1 bis 8 VwVfG auf die schlicht-hoheitliche Betätigung allgemein bejaht wird, wird diejenige der §§ 9 ff. VwVfG grundsätzlich verneint 658. Richtigerweise ist je nach Art und Qualität des konkreten schlicht-hoheitlichen Handelns zu differenzieren. Anders als beispielsweise bei Empfehlungen oder Warnungen besteht bei Handlungen, die in ein Verwaltungsverfahren eingebettet sind, ein Bedürfnis für die entsprechende Geltung des VwVfG. Dies gilt insbesondere für solche Vorschriften, die allgemeine Grundsätze für jegliches öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln enthalten. 659 Im Hinblick auf das im Rahmen des Vergaberechtsverhältnisses anwendbare Verfahrensrecht ist zu berücksichtigen, dass das Vergaberechtsverhältnis dem Verwaltungsverfahren nach § 9 VwVfG nahesteht 660. Nach der Robbers’schen Systematisierung 661 besteht ein „regelungsersetzendes Handeln“, sonach ein Handeln, das – ohne selbst Regelung zu sein – unmittelbar die Rechtsstellung des Betroffenen verändert. Hierfür gelten die Verfahrensregelungen der ersetzten Regelung, also des Verwaltungsakts, entsprechend. Der „Flughafen-Entscheidung“ des OLG Brandenburg 662 ist im Hinblick auf die Heranziehung des § 20 VwVfG zuzustimmen. Soweit ausdrückliche Regelungen fehlen, ist im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnisses ein Rückgriff auf die das Rechtsstaatsprinzip ausformenden Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder als zugrunde liegendes Verfahrensrecht statthaft.

III. Ergebnis In einem öffentlich-rechtlichen Vergaberechtsverhältnis sind öffentliche Auftraggeber grundrechtsgebunden (Art. 1 Abs. 3 GG) 663. Die Fiskalgeltung der Grundrechte muss hierzu nicht bemüht werden. Die zentrale und stete Bedeutung 656 Insoweit würde sich ein erweiterter Anwendungsbereich des Entwurfs einer Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Stand: 18.3.2005) auswirken. Im Hinblick auf Dienstleistungskonzessionen nun Burgi, NZBau 2005, S. 610/615. 657 Vgl. 3. Kapitel A. III. 2. 658 Clausen, in: Knack, VwVfG, Vor §9 Rdnr.12; Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rdnrn. 130 ff. 659 Clausen, in: Knack, VwVfG, Vor § 9 Rdnr. 7; Kahl, in: FS f. v. Zezschwitz, S. 151/164 ff.; Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rdnr. 134; vgl. auch Röhl, VerwArch. 86 (1995), S. 531/559 f. 660 Siehe bereits 3. Kapitel A. III. 2. 661 Robbers, DÖV 1987, S. 272/275 ff. 662 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999, WuW Verg 231, S. 929 ff.; siehe 3. Kapitel A. II. 5. b) gg). 663 Eine unmittelbare Grundrechtsbindung besteht nicht bei öffentlichen Auftraggebern gemäß § 98 Nr. 4 Alt. 1, Nr. 5 und 6 GWB; vgl. 3. Kapitel D. I. 1.

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3. Kap.: Das Vergaberechtsverhältnis

kommt dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu: dies zum einen im Rahmen der Selbstbindung der Verwaltung, zum anderen in seiner subjektivrechtlichen Ausprägung als Abwehrrecht und in seiner objektivrechtlichen Ausprägung im Rahmen der Verfahrensgestaltung. Dagegen kommt die Wettbewerbsfreiheit als Segment der allgemeinen Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG lediglich flankierend zum Tragen, nämlich in Fällen des Bestehens eines Beschaffungsmonopols oder einer marktbeherrschenden Stellung, ferner bei Auftragssperren. Aus der Einbeziehung vergabefremder Kriterien in das Vergaberechtsverhältnis lassen sich keine zusätzlichen Anforderungen an die grundrechtliche Verfahrensgestaltung folgern. Gleiches gilt im Falle der Einschlägigkeit von gesetzlichen Bevorzugungsregelungen. Die Vergabe öffentlicher Aufträge unterfällt dem Begriff der „öffentlichen Gewalt“ nach Art. 19 Abs. 4 GG. Die Rechtsschutzgarantie verlangt im Vergaberecht grundsätzlich vorbeugenden Rechtsschutz und strahlt auf das vorausgehende Verwaltungsverfahren aus. Eine nach dem Grundsatz der Grundrechtswesentlichkeit notwendige gesetzliche Regelung steht insbesondere in Bezug auf die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Beschaffungsverwaltung unter dem Vorbehalt der praktischen Konkordanz. Der Grundrechtsschutz durch Verfahrensgestaltung ist auf das Verlangen nach Minimalstandards beschränkt. Grundrechtliche Standards sind die grundsätzliche Verpflichtung zur öffentlichen Ausschreibung des Auftrages, die eine hinreichend präzise Leistungsbeschreibung, die Angebots- und Ausführungsfristen und die Zuschlagskriterien zu enthalten hat. Die Verwirklichung der Chancengleichheit erfordert ferner die Einhaltung der bekanntgemachten Leistungsbeschreibung, Fristen und (zulässigen) Zuschlagskriterien sowie deren Verwirklichung in einem Verfahren, das effektiven Primärrechtsschutz gewährleistet, soweit hierdurch eine Verbesserung der Rechtsstellung des Unterlegenen möglich ist. Der Vergaberechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte genügt diesen Anforderungen nicht. Nach Maßgabe einer dem Sachzusammenhang folgenden Gestaltung des Rechtsschutzes ist außerhalb des Anwendungsbereichs der Rechtswegzuweisung des GWB der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Die statthafte Klageart resultiert aus dem Verzicht des deutschen Vergaberechtsregimes auf eine mit Außenwirkung ausgestattete öffentlich-rechtliche Zuschlagsentscheidung, ferner aus der Maßgeblichkeit der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der streitentscheidende Anspruch entspringt. Die statthafte Klageart für Konkurrenten um den zu vergebenden öffentlichen Auftrag ist die allgemeine Leistungsklage als vorbeugende Unterlassungsklage. Sie ist auf Unterlassung der Abgabe der privatrechtlichen Annahmeerklärung gerichtet. Die Erfüllung einer staatlichen Aufgabe bedingt nach einem zu befürwortenden funktionalen Amtsbegriffsverständnis die Anwendung der Amtshaftungsgrundsätze im Recht der Auftragsvergabe. Hiervon ausgenommen sind öffentliche Auftraggeber nach § 98 Nr. 4 bis 6 GWB. Das dem Vergaberechtsverhältnis zugrunde liegende Verfahrensrecht ist dasjenige des VwVfG. Die Vorschriften der §§ 9 ff. VwVfG können entsprechend herangezogen werden, sofern spezielle vergaberechtliche Verfahrensvorschriften planwidrige Lücken aufweisen.

Resümee Das Vergaberecht betrifft das öffentliche und das private Recht. Die Frage, welchem Bereich dieses Rechtsgebiet angehört, ist einer pauschalen Antwort nicht zugänglich. Das Vergaberecht de lege lata zeichnet sich durch seine maßgeblich gemeinschaftsrechtliche Überformung aus. Prägend wirken ferner die wirtschaftliche Bedeutung der öffentlichen Auftragsvergabe und ihre daraus resultierende politische Instrumentalisierung. Die Untersuchung des Vergaberechts im Hinblick auf seine Stellung im Dualismus von öffentlichem und privatem Recht, die damit verbundenen Fragestellungen der verwaltungswissenschaftlichen Einordnung und der Grundrechtsrelevanz sowie die Untersuchung im Hinblick auf das Verhältnis zu Privatisierungsprozessen bedingen Differenzierungen zwischen dem Vergaberechtsverhältnis und der Ausführungshandlung einerseits, zwischen der eigenständigen Aufgabenebene der Beschaffung und der Ebene der wahrzunehmenden (finalen) Aufgabe andererseits. Die Beschaffung am Markt im Wege der Vergabe öffentlicher Aufträge lässt sich mangels Abgabe von Rechtsmacht nicht als Prozess der (funktionalen) Privatisierung begreifen. Zu unterscheiden sind mögliche Privatisierungsprozesse auf der zeitlich nachgelagerten Ebene der Wahrnehmung der finalen Aufgabe sowie bei der Einbeziehung Privater in den Beschaffungsvorgang neben oder an Stelle behördeninterner Einheiten. Die Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts bei Privatisierungsprozessen wird durch die Funktion des Vergaberechts bestimmt. Die fehlende Maßgeblichkeit der Rechtsform des öffentlichen Auftrages und etwaiger Rechtskonstruktionen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer korrespondiert mit den rechtlichen Anforderungen des Haushaltsrechts und der Rechtssicherheit der Beteiligten. Privatisierungsprozesse sind nach einer formalrechtlichen Ermittlung der bestehenden Rechtsbeziehungen beschaffungsrechtlich daraufhin zu untersuchen, ob und welche entgeltlichen Beschaffungsströme von Lieferungen und Leistungen hin zum öffentlichen Auftraggeber bestehen. Auf subjektive Erwägungen der Beteiligten kommt es nicht an. Die Vergabepflichtigkeit kann bei der sich anschließenden normativen Betrachtung entfallen, wenn gesetzliche oder richterrechtliche Wertungen ein Vergabeverfahren entbehrlich machen. Prozesse der funktionalen Privatisierung bedingen grundsätzlich die Vergabepflichtigkeit. Dagegen besteht eine solche bei materiellen Privatisierungen sowie bei Vermögensprivatisierungen aufgrund der Beschaffungsrichtung hin zum privaten Sektor nur ausnahmsweise, wenn es im Rahmen der Transaktion zu einem Rückfluss einer entgeltlichen Beschaffung von Lieferungen oder Leistungen kommt. Rein formelle Privatisierungsprozesse lassen sich bei feh18 Regler

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Resümee

lender Marktrelevanz als Konkretisierung der Wertungsausnahmen vergabefrei gestalten. Das Vergaberechtsverhältnis trägt eine öffentlich-rechtliche Rechtsnatur. Der zugrunde liegende vergaberechtliche Rechtsrahmen weist ein öffentlich-rechtliches Gepräge auf. Seine Europäisierung bewirkte eine weitere Publifizierung im Bereich oberhalb der vergaberechtlichen Schwellenwerte. Vertieft wird dieses Gepräge durch die dem Vergaberechtsverhältnis immanente Erfüllung öffentlicher und staatlicher Aufgaben, die insoweit zum Ausdruck kommenden Fürsorgepflichten und die Grundrechtsrelevanz bei der Eröffnung und Steuerung eines staatlichen Sondermarkts. Das grundsätzlich privatrechtliche Rechtskleid der Ausführungshandlung steht dem nicht entgegen. Der Schwerpunkt des Vergabeverfahrens liegt auf dem Vergaberechtsverhältnis als dem Verfahren zur Herbeiführung der Zuschlagsentscheidung, nicht auf der Ausführungshandlung, die diese Entscheidung vollzieht. Die verfahrensrechtliche Besonderheit des Zusammenfallens von Zuschlagsentscheidung und privatrechtlicher Annahmeerklärung hat auf die Rechtsnatur des Vergaberechtsverhältnisses keinen Einfluss. Bedeutsam ist sie für die Art des Rechtsschutzes. Ein vielfach vorgenommener Rückschluss von der Rechtsform der Ausführungshandlung auf diejenige des Vergaberechtsverhältnisses kommt nicht in Betracht. Auch erlaubt eine „schleichende Privatisierung“ mit dem Ziel der (Um-)Qualifizierung vergaberechtlicher Normen durch ihre Regelung im GWB, in der Vergabeverordnung oder auch in den Verdingungsordnungen keine privatrechtliche Einordnung. Das Vergaberechtsverhältnis weist nicht die Merkmale eines Verwaltungsverfahrens nach § 9 VwVfG auf. Es stellt indes als Verfahren zur Sicherung von Gleichheit und Wettbewerb ein „besonderes Verwaltungsverfahren“ dar. Für privatrechtliche Auftraggeber des Kartellvergaberechts nach § 98 Nr. 4–6 GWB gilt dies in gleicher Weise. Die Möglichkeit der analogen Anwendung der Vorschriften der §§ 9 ff. VwVfG auf das Vergaberechtsverhältnis besteht dann, wenn spezielle vergaberechtliche Verfahrensvorschriften planwidrige Lücken aufweisen. Die staatliche Bedarfsdeckung durch die Vergabe öffentlicher Aufträge genügt den Anforderungen einer öffentlichen und staatlichen Aufgabe. Die Staatlichkeit der Aufgabe bedingt die Anwendbarkeit des Amtshaftungsrechts. Lediglich bei privatrechtlichen öffentlichen Auftraggebern nach § 98 Nr. 4–6 GWB sowie im Falle der isolierten Betrachtung der Aufgabe der Verfahrensgestaltung zur Gewährleistung eines grundrechtlichen Schutzniveaus sind die Voraussetzungen der Staatlichkeit einer öffentlichen Aufgabe nicht gewahrt. Die Kategorien des Verwaltungshandelns betrachtet, handelt der Staat bei der Vergabe öffentlicher Aufträge leistungsverwaltend, bei der Einbeziehung vergabefremder Kriterien zusätzlich lenkungsverwaltend. Im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse Vergaberechtsverhältnis und Nachprüfungsverfahren liegt eine schlicht-hoheitliche Verwaltungstätigkeit vor. Die Ausführungshandlung unterfällt durch ihre grundsätzlich private Rechtsform der Kategorie des Verwal-

Resümee

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tungsprivatrechts, wobei es im Hinblick auf das Unmittelbarkeitskriterium – auch in seinem engen Verständnis – wegen der immanenten öffentlichen Verfahrensaufgabe nicht darauf ankommt, ob vergabefremde Kriterien einbezogen werden oder der Anwendungsbereich von Bevorzugungsnormen eröfffnet ist. Im Vergaberechtsverhältnis sind öffentliche Auftraggeber grundrechtsgebunden, ohne dass die Fiskalgeltung der Grundrechte bemüht werden muss. Im Mittelpunkt der Grundrechtsthematik steht der allgemeine Gleichheitssatz sowohl in seiner Ausprägung als subjektivrechtliches Abwehrrecht als auch als objektivrechtliche Verfahrensgarantie, ferner im Rahmen der Selbstbindung der Verwaltung. Das Grundrecht der Berufsfreiheit hat eine lediglich flankierende Bedeutung, nämlich in den Sonderkonstellationen eines Beschaffungsmonopols oder zumindest einer marktbeherrschenden Positon sowie bei Auftragssperren. Über den allgemeinen Gleichheitssatz hinausgehende Anforderungen an die Verfahrensgestaltung beinhaltet das Grundrecht der Berufsfreiheit ebenso wenig wie die Einbeziehung vergabefremder Kriterien oder die Anwendbarkeit von Bevorzugungsregelungen. Von der Garantie effektiven Rechtsschutzes werden öffentliche Auftragsvergaben unabhängig von ihrem Auftragswert erfasst. Die Grundrechtsdogmatik verlangt unter den Gesichtspunkten der Wesentlichkeit und der praktischen Konkordanz einen gesetzlichen Rechtsrahmen unter Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Beschaffungsverwaltung. Unterhalb der Schwellenwerte genügt der Vergaberechtsschutz nicht den Standards grundrechtlicher Verfahrensgestaltung zur Verwirklichung von Chancengleichheit und Wettbewerb. Außerhalb der im GWB normierten Sonderzuweisung ist für den Rechtsschutz unterlegener Bieter der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Nach dem Systemverständnis des deutschen Vergaberechts ist die allgemeine Leistungsklage als vorbeugende Unterlassungsklage statthafte Klageart.

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Verwaltungseffizienz

und

Rechtsschutzauftrag,

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Sachwortverzeichnis Absatzphase 91 allgemeiner Gleichheitssatz 175, 233 ff., 238, 242, 254, 275 allgemeine Handlungsfreiheit 240, 252 Amtshaftung 59, 270 Anteilsveräußerung 117, 123, 125 aufgabenbezogene Vorstufe 89, 160, 162 Aufgabenverantwortung 152, 161, 164, 191 Auftragssperre 59, 148, 173, 176, 244, 264 Ausführungshandlung 133, 136, 139, 140 ff., 148, 150 f., 157, 159, 161 f., 164, 168, 172, 182, 185, 187, 202, 210, 219 ff., 245, 262 f., 266 ff., 273 f. Ausschreibung 28 ff., 43, 47 f., 56, 58, 69, 71, 95, 100 f., 106, 119 f., 146, 149, 156, 174, 183, 208, 256 ff., 272, 281 Ausstrahlungswirkung 176 f., 232, 245, 248, 263 Baukonzessionäre 150, 177, 190, 231 Beihilfe 101 Beleihung 62, 84, 100, 103 f., 109, 118 f., 128, 203, 232, 294, 296 Berufsfreiheit 174, 240 ff., 252, 259, 261, 272, 275 Beschaffungsphase 90 f. Bevorzugungsregelung 75, 156 f., 163 Bevorzugungsverhältnis 155, ff., 162 Bieterschutz 35, 40, 43 ff., 51 f., 54, 56, 239, 257, 295 Cecchini-Bericht 70 Daseinsvorsorge 80, 85, 136, 156, 162, 195, 214, 223, 276, 278, 283, 289 De-facto-Vergabe 113, 181, 279 Deregulierung 76, 80 f., 288 Drei-Stufen-Modell 125 Dualismus 26, 130 f., 148, 214, 273

effektiver Rechtsschutz 180, 257 Eigenbedarf 65 Eigentumsgarantie 252 Eingriff 34, 59, 115, 238, 241 ff., 246, 253, 285 Eingriffsverwaltung 148, 173, 202, 214 elektronische Beschaffung 40 entgeltliche Beschaffungsströme 105, 118, 128 erwerbswirtschaftliche Betätigung 228 Europäisierung 26, 47, 161, 164 ff., 274, 280, 283, 288, 292 finale Aufgabe 89, 163, 204 ff. Fiskalgeltung 136, 171, 217, 219, 228 f., 271, 275 fiskalisches Hilfsgeschäft 59, 221, 270 Fiskustheorie 132 f., 220, 229 Formenwahlfreiheit 133 ff., 140, 216, 267 Fremdbedarf 65 funktionaler Auftragsbegriff 102 Funktionsfähigkeit 65, 207, 251, 255, 258, 261, 272, 275 Fürsorgepflicht 161, 163, 179, 211 Gemeinwohl 23 f. 193, 197, 282 Gesellschaftsrechtliche Modelle 120 Gestaltungsrechte 126 Government Procurement Agreement 18, 36 Grundrechtliche Standards 255, 272 Grundrechtsbindung 67, 69, 136, 162, 167 f., 171, 173, 177, 183, 200, 220, 227 ff., 243, 246 f., 256, 271, 282, 296 Grundrechtsrelevanz 170 ff., 187, 191, 227, 236, 246, 254, 273 f. Grundrechtsschutz durch Verfahren 173, 177, 211, 257

298

Sachwortverzeichnis

Haushaltsrecht 26, 33, 47 ff., 60, 68, 77 f., 93, 146, 186, 258, 277, 282 f. haushaltsrechtliche Lösung 50, 52, 219, 222 hoheitliche Verwaltung 274 In-house-Geschäft 121 f., 127, 280 Intendantureinheit 92 Interessentheorie 136 f., 147, 149 Jedermann-Vorschriften 87, 149, 152, 187 kartellrechtliche Lösung 52 Kaskadenprinzip 34, 47, 49, 180 Koalitionsfreiheit 74, 287 kommunale Selbstverwaltungsgarantie 115 Kommunalunternehmen 119, 121 Kompetenz-Kompetenz 21, 210 Konkurrentenschutz 243 f., 259, 296 Konzession 95 Koppelungsverbot 75, 238 f. Legislativpaket 40, 42, 59 Leistung von Verfahren 161, 236, 255 Leistungsaufgabe 214 Leistungsbeschreibung 48, 69, 169, 237 f., 257, 259, 272 Leistungsverwaltung 67, 136, 149, 160, 163, 201, 209, 213 f., 218, 222, 225, 227, 253, 276, 280 Lenkungsverwaltung 226 Lizitation 28 ff. marktbeherrschende Stellung 69, 244 Mindeststandard 236, 257 f. Monopol 69, 253 Nachfragemonopol 67, 168 Nachprüfungsverfahren 43, 46, 49, 52, 101, 139 ff., 145, 162, 169, 179, 181, 221 ff., 249, 263, 274, 289 Natur der Sache 161, 167 f., 219, 234, 239 Notstandsverfassung 62, 294 objektive Wertordnung 176, 201, 235 öffentlich-rechtlicher Vertrag 192 öffentliche Aufgabe 121, 163, 184, 194, 198 f., 203, 205 f., 212, 293

öffentliche Gewalt 134, 247 öffentliches Interesse 147, 204 f. Organisationsform 133, 136, 139 f., 225, 267 praktische Konkordanz 251, 257, 272, 275 Preisrecht 61 Primäraufgaben 65 Privatisierung 22 f., 27, 61, 66, 70, 76 ff., 87, 89 ff., 102, 104, 110 ff., 119, 127 f., 132, 145, 151, 153, 163 f., 167, 170, 182, 184, 187 f., 191 ff., 230 f., 263, 273 ff., 288 ff. – contracting out 84, 87, 90 – formelle 82 – funktionale 84, 89, 90 – materielle 83 – schleichende 153 – Verfahrensprivatisierung 86, 283 Privatisierungsfolgenverantwortung 81, 83, 211 Public-Private-Partnership 164, 217, 293 Publifizierung 80, 167, 188, 206, 274 Realförderung 72, 161, 172, 211, 222, 226, 239, 243 Rechtswegeröffnung 261 ff., 267 schlicht-hoheitliche Verwaltung 227 Sektorenauftraggeber 66, 109, 150, 177, 190 f., 211 f., 223 Sekundäraufgaben 65 selbständige Aufgabenebene 89, 160, 162 Selbstbindung der Verwaltung 57, 174, 233 f., 248, 259, 272, 275, 289 Sonderzuweisung 262 f., 267, 275 staatliche Aufgabe 84, 163, 198 ff., 204, 206, 211, 232, 262, 270 staatliche Verantwortungsstufen 195 staatlicher Sondermarkt 187, 209, 274 Staatsaufgabe 89 ff., 118, 128, 160, 195, 197, 204, 207, 226 Staatsaufgabenlehre 193, 282, 296 Staatsfunktion 24 f., 118 Staatsziel 23 Staatszwecke 197, 238, 287

Sachwortverzeichnis statische Verweisung 49, 154 statthafte Klageart 263 subjektiv-öffentliches Recht 54, 59, 162, 235, 248, 259 Subjektstheorie 136 f. Submission 29 ff. Subordinationstheorie 136, 148 subventionierte Auftraggeber 190 Teckal-Kriterien 111, 114, 118 Umqualifizierung 87, 145, 153, 220, 263 Unmittelbarkeitserfordernis 217 Verdingungsordnung 20, 30, 33, 48, 55, 174, 284, 288 Verfahrensaufgabe 184, 206, 210, 212, 225 ff., 235, 275 Verfahrensgestaltung 27, 75, 153, 161, 163, 167, 173, 175 ff., 209 ff., 235 f., 240, 245 f., 249, 253 ff., 257 f., 261, 265 f., 272 ff. Verfahrenssteuerung 153, 162, 170, 176, 187, 192, 236 vergabefremde Kriterien 72 f., 227, 246, 275 vergabefremde Zwecke 41, 72, 205 f., 226 Vergabekammer 20, 55, 102 f., 145, 177 ff., 221 ff., 228, 247, 249, 256, 263 Vergabeprüfstelle 50, 222 Vergaberechtsänderungsgesetz 20, 52, 59, 277, 284 Vergaberechtsrichtlinie 108 Vergaberechtsverhältnis 27, 130, 139 ff., 151 f., 155 ff., 167 ff., 174 ff., 182, 185 f., 188 ff., 192, 204 ff., 221 ff., 232 ff., 246, 248, 250, 253 ff., 260 ff. Vergabesenat 249, 296 Vergabeüberwachungsausschuss 20, 50

299

Vergabeverordnung 20, 48 f., 55 f., 60, 154, 159, 161, 186, 207, 209, 258, 270, 274, 279, 286, 289 Verhandlungsverfahren 40, 258, 261 Vertragsverlängerung 126 Verwaltungsprivatrecht 162, 183, 218, 227, 289, 291 Verwaltungsverfahren 140, 144 ff., 153, 160, 169, 183, 188 ff., 221 ff., 248, 250, 255 ff., 262, 271 ff., 284, 290, 292, 295 f. Verwaltungsvorschrift 20 Vorabinformation 169, 179, 249, 266, 268 vorbeugende Unterlassungsklage 269, 272, 275 vorbeugender Rechtsschutz 142, 249, 256, 260, 266, 269 Wertungsausnahmen – gesetzliche 106 f., 116 f., 125, 274 – richterrechtliche 107 – sonstige 86, 116, 125, 261, 269 Wesentlichkeit 253 ff., 275 wettbewerblicher Dialog 261 Wettbewerbsfreiheit 240 ff., 252, 254, 261, 272 Wettbewerbsrecht 26, 57 wirtschaftliche Gesamtbetrachtung 102 wirtschaftspolitische Bedeutung 70 f., 175, 187, 220 Wirtschaftsrecht 149 Zuordnungstheorie 137, 149, 151 Zuschlag 30, 32, 48, 54, 58, 73, 86, 139, 140, 143, 148, 155, 157, 162, 164, 173, 179 ff., 188, 251, 284, 287, 291 Zuschlagskriterium 41, 73 Zwangsbedarf 67 f., 168 Zwei-Stufen-Theorie 143, 156, 162, 185, 188 f., 221, 224, 264 ff., 269 f.