Das Recht auf saubere Luft: Bürger und Bürgerinnen zwischen Politik und Gerichten 9783205202783, 3205202783

Das Recht auf saubere Luft ist ein "Klassiker" des Umweltrechts: Beim ersten Grazer Umweltrechtsforum 2015 hab

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Das Recht auf saubere Luft: Bürger und Bürgerinnen zwischen Politik und Gerichten
 9783205202783, 3205202783

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Studien zu Politik und Verwaltung Begründet von Christian Brünner ∙ Wolfgang Mantl ∙ Manfried Welan Herausgegeben von Ernst Bruckmüller ∙ Klaus Poier ∙ Gerhard Schnedl ∙ Eva Schulev-Steindl

Band 111

Eva Schulev-Steindl/Gerhard Schnedl/Marlies Meyer (Hg.)

Das Recht auf saubere Luft Bürger und Bürgerinnen zwischen Politik und Gerichten

2016 B Ö H L AU V E R L AG W I E N · KÖ L N · G R A Z

Gedruckt mit Unterstützung durch Steiermärkische Landesregierung – Wissenschaft und Forschung Stadt Graz – Kultur, Umwelt und Gesundheit Karl-Franzens-Universität Graz Der Grüne Klub im Parlament Land Salzburg – Umwelt Umweltdachverband

Umwelt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

© 2016 by Böhlau Verlag GmbH & Co.KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Einbandgestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Bettina Waringer, Wien Druck und Bindung: Theiss, St. Stefan im Lavanttal Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-20278-3

Vorwort Was kann es, so möchte man meinen, Selbstverständlicheres geben als ein Recht der Bürger und Bürgerinnen auf saubere Luft? Und dennoch hat es viele Jahre gedauert und zahlreicher Verfahren bedurft, um ein solches zu erkämpfen. Nicht, dass das Recht auf saubere Luft nicht schon seit Langem „auf dem Papier“, nämlich durch EU-Richtlinien zur Sicherung der Luftqualität, gewährt worden wäre - Österreich ist seiner Umsetzungsverpflichtung nicht effektiv nachgekommen. Während die Politik sich deshalb Klagen der Europäischen Kommission wegen überhöhter Feinstaub- bzw Stickoxidwerte ausgesetzt sieht, haben engagierte Bürger ihr Recht vor den Gerichten selbst erfochten: 2015 hat der Verwaltungsgerichtshof bestätigt, dass Personen, die von Grenzwertüberschreitungen betroffen sind, gegenüber der Verwaltung einen Anspruch auf Erstellung eines Luftreinhalteplans haben und diesen im Rechtsweg durchsetzen können! Diesen „Kampf ums Recht auf saubere Luft“ greift der vorliegende Band auf. Juristinnen und Juristen aus Wissenschaft und Praxis analysieren dabei gemeinsam mit Experten anderer Disziplinen, vor dem Hintergrund des Unionsrechtes und der Aarhus-Konvention, welche Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in Österreich bislang gesetzt wurden und welcher Handlungsbedarf, vor allem aus legistischer und rechtspolitischer Sicht, noch besteht. Die Beiträge beruhen auf den Referaten und Diskussionen des ersten Umweltrechtsforums, das im Juni 2015 an der Universität Graz abgehalten wurde. Allen Autorinnen und Autoren sei herzlich dafür gedankt, dass sie nicht nur zum Gelingen dieser Veranstaltung beigetragen haben, sondern sich auch der Mühe der nachfolgenden „Verschriftlichung“ ihrer Beiträge unterzogen haben. Dank gilt auch dem Böhlau Verlag für die Aufnahme des Buches in das Verlagsprogramm sowie den zahlreichen Sponsoren, ohne die die Publikation in der vorliegenden Form nicht realisierbar gewesen wäre. Graz/Wien, März 2016



E. Schulev-Steindl, G. Schnedl, M. Meyer

Geleitwort des Grazer Bürgermeisters Geschätzte Leserinnen und Leser! Ich freue mich, dass es nun auch einen interessanten Tagungsband zum Thema ­„gesunde Luft“ gibt. Vorweg, seit ich in Graz Verantwortung tragen darf ist es mir wichtig, dass wir von Luftsanierungsgebieten sprechen und die hören bekanntlich nicht an Stadtoder Ortsgrenzen auf. Gesunde Luft ist ein wesentlicher Faktor, wenn es um Lebensqualität und letztlich um die Gesundheit der Grazerinnen und Grazer geht. Ich möchte weder, dass Graz als die „Stinkstadt“ dasteht, noch, dass Betriebe in der Entwicklung gehemmt werden, weil Ausbaupläne daran scheitern, dass zu ­wenig gegen den Feinstaub unternommen wird. Ich weiß, dass man grundsätzlich nichts zu dramatisieren braucht, bei einer Nacht in einem Lokal, in welchem das Rauchen erlaubt ist, bekommt man die Jahresdosis an erlaubtem Feinstaub ab. Aber es gibt nun einmal die Richtlinien und jeder Überschreitungstag ist einer zu viel. Deshalb haben wir mit der Fernwärmeoffensive begonnen. Deshalb haben wir Wintertickets für Bus und Eisen- sowie Straßenbahn über den Verkehrsverbund aufgelegt und deshalb haben wir zuletzt das Jahresticket der Zone 1 auf € 228,– gesenkt. Mein Vorschlag zu einer Umweltzone wurde leider von einer Mehrheit der Grazerinnen und Grazer abgelehnt. Insgesamt hat sich aber die Situation in Graz trotz eines Zuzugs von fast 4000 Menschen jährlich in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Was wir letztlich aber brauchen, und das möchte ich noch betonen, ist eine Offensive beim Ausbau des Öffentlichen Verkehrs im Großraum Graz. Das kann, und man sieht das an Wien ganz deutlich, nur mit massiver Unterstützung des Bundes und des Landes Steiermark in der nötigen Geschwindigkeit erfolgen. Diese Unterstützung erwarte ich mir und erwarten sich auch die Umlandbürgermeister. Ein interessantes Lesevergnügen! Ihr

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Geleitwort des Grazer Bürgermeisters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Das Recht auf saubere Luft – Handlungsbedarf Saubere Luft in der Steiermark? Maßnahmen im Kampf gegen Feinstaub und Stickoxide Gerhard Schnedl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Aarhus reloaded – neue Perspektiven beim Zugang zu Gerichten in Umweltsachen Eva Schulev-Steindl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Individualrechte im EU-Luftreinhalterecht: europäische und nationale Perspektive Ulrike Giera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Individualrechte im EU-Wasserrecht: europäische und nationale Perspektive Teresa Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Ausgewählte Fälle zum Recht auf saubere Luft Marlies Meyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 II. Good Practices und Reformen Luftqualität in Städten und an Hauptverkehrsachsen: Status quo und Ausblick Jürgen Schneider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Saubere Luft in Salzburg: Programme, Anträge, Verfahren – Möglichkeiten und Grenzen Wolfgang Leitich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

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Aarhus-Konvention: Quo vadis? Barbara Weichsel-Goby . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Rechtsbehelfe zur Umsetzung der 3. Säule der Aarhus-Konvention – legistische Reformpläne Waltraud Petek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 III. Streitgespräch: Recht auf saubere Luft – auch in Österreich? Sicht des Grazer Umweltamtes Werner Prutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .181 Sicht eines Rechtsvertreters von Bewilligungswerbern Georg Eisenberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Sicht eines Betroffenen Helmut Hoffmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .185 Sicht der Umweltanwaltschaft Ute Pöllinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Saubere Luft in der Steiermark? Maßnahmen im Kampf gegen Feinstaub und Stickoxide Gerhard Schnedl

I. Einleitung Bevor in den nachfolgenden Abhandlungen das Recht einzelner Bürger auf saubere Luft thematisiert wird, soll in meinem Beitrag der Fokus zunächst auf die Steiermark gelegt werden, ist Graz doch seit Jahren quasi ununterbrochen die „FeinstaubHochburg“ Österreichs schlechthin.1 Konkret sollen die in der Steiermark aktuell gesetzten Maßnahmen im Kampf gegen Feinstaub (PM₁₀) und Stickoxide (NOx) aufgezeigt werden.2 Dem vorangestellt sind die entsprechenden Vorgaben des Unionsrechts sowie die Möglichkeiten und Grenzen für Luftreinhaltemaßnahmen der Länder nach nationalem Recht.3 An den Beginn stellen möchte ich allerdings drei aktuelle Fakten zur Luftqualität in der Steiermark.4 Sie können eine Antwort auf die meinem Beitragstitel zugrunde liegende Frage: „Saubere Luft in der Steiermark?“ liefern: Fakt 1: Die EU hat das gegen Österreich eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren in Sachen Feinstaub Graz5 am 29. 4. 2015 eingestellt.6 Der Grund: Kontinu­

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Vgl etwa Kleine Zeitung 2. 1. 2014 (Onlineausgabe). Siehe auch Prutsch, Feinstaub in Graz: Herausforderung oder Schicksal? ÖGZ H2/2006, 17. Umfassend zur Situation in Graz vgl den Bericht der Stadt Graz Umweltamt an den Gemeinderat vom 14. 11. 2013 betreffend Immissionsschutzgesetz Luft, Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastung sowie 6. Maßnahmenkatalog, GZ: A23-028979/20130007 (http://www.umweltservice.graz.at/infos/luft/gr_bericht_14_11_2013.pdf [15. 1. 2016]). Zur Feinstaub- bzw Stickstoffdioxidbelastung in Österreich vgl den Beitrag „Luftqualität in Städten und an Hauptverkehrsachsen. Status quo und Ausblick“ von Jürgen Schneider in diesem Band. Umfassend zur Stellung des Luftschadstoffes NOx im geltenden Rechtssystem (Völkerrecht, Unionsrecht und nationales Recht) vgl Schnedl, NOx und Recht, RdU 2008, 112. Umfassend zur Luftqualität in der Steiermark im Jahr 2014 vgl Amt der Steiermärkischen Landesregierung (Hrsg), Luftgütemessungen in der Steiermark. Jahresbericht 2014 (2015) – http://app.luis. steiermark.at/berichte/Download/Jahresberichte/Jahresbericht_2014_C.pdf (15. 1. 2016). Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2008/2183. ZB Kleine Zeitung 1. 5. 2015, 16. Siehe auch http://www.bmlfuw.gv.at/service/presse/umwelt/ 2015/150430LuftGraz.html (15. 1. 2016).

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ierliche Verbesserung der Luftgütesituation in den vergangenen Jahren. Aber: Der EU-Feinstaub-Grenzwert liegt deutlich über den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO)!7 Fakt 2: 2015 ist in Sachen Feinstaubbelastung weniger günstig verlaufen als 2014. Sowohl in Graz als auch in Leibnitz konnte das Jahreskontingent zulässiger Feinstaubüberschreitungen erneut nicht eingehalten werden. So gab es in Graz Ost 46, in Graz Don Bosco 39 sowie in Leibnitz 36 Überschreitungstage,8 erlaubt sind 25 (nach dem IG-L) bzw 35 (nach der Luftqualitäts-RL).9 Die beiden steirischen Städte liegen österreichweit an der Spitze. Graz darf sich damit auch 2015 mit dem unrühmlichen Titel „Feinstaub-Hochburg Österreichs“ schmücken! Fakt 3: Sowohl in Graz als auch entlang stark befahrener steirischer Verkehrs­ routen, insb entlang der A2 Süd Autobahn und der A9 Pyhrn Autobahn ist die Belastung der Luft mit Stickoxiden höher als die jeweiligen Grenzwerte erlauben.10 Ein weiteres EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wurde eingeleitet.11 Hauptkritik des neuen Mahnschreibens ist, dass vor allem in Graz zu wenig gegen den NOx-Hauptverursacher Verkehr getan wird.12

7 Vgl http://www.spiegel.de/auto/aktuell/feinstaub-who-haelt-eu-grenzwerte-fuer-viel-zu-hoch-a440992.html (15. 1. 2016). 8 Vgl http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/luft/luftguete_aktuell/ueberschreitungen/ ueberschreitungen_2015 (21. 3. 2016). Siehe auch Kleine Zeitung 5. 1. 2016, 15. 9 Näher dazu vgl Kapitel II und III. 10 Vgl Amt der Steiermärkischen Landesregierung (Hrsg), Statuserhebung NO2 in Graz 2003–2009 (2010); Amt der Steiermärkischen Landesregierung (Hrsg), Statuserhebung Stickstoffdioxid entlang des steirischen Autobahnnetzes (2013); Umweltbundesamt (Hrsg), Jahresbericht der Luftgütemessungen in Österreich 2013 (2014); VCÖ-Factsheet 2015-14 (http://www.vcoe.at/news/details/vcoefactsheet-2015-14-diesel-skandal-und-seine-folgen-fuer-oesterreich [15. 1. 2016]). 11 Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2016/2006 betreffend Umsetzung der RL 2008/50/EG „Luftqualitäts-RL“ (NO2 Grenzwerte); Mahnschreiben der EK (95190/EU XXV. GP). Vgl auch Kleine Zeitung 26. 2. 2016 (Onlineausgabe) sowie im Vorfeld Kleine Zeitung 9. 8. 2015, 16 bzw das VCÖ-Factsheet 2014-1 (http://www.vcoe.at/news/details/belastung-durch-stickoxide-ist-in-oesterreich-zu-hoch [15. 1. 2016]). 12 Vgl http://steiermark.orf.at/m/news/stories/2765248/ (31. 3. 2016).

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II. Vorgaben des Unionsrechts im Kampf gegen Feinstaub und Stickoxide Zentraler Rechtsakt der EU im Kampf gegen Feinstaub und Stickoxide ist die Luftqualitäts-RL 2008/50/EG,13 auch als CAFE-RL14 bezeichnet. Sie legt für zahlreiche Luftschadstoffe unionsweite Immissionsgrenzwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit fest.15 Für Feinstaub sind ein Tagesmittelwert von 50 µg/m3 sowie ein Jahresmittelwert von 40 µg/m3 festgelegt. Der Tagesmittelwert darf 35-mal im Kalenderjahr überschritten werden. Für Stickstoffdioxid (NO2) beträgt der Stundenmittelwert 200 µg/m3 und der Jahresmittelwert 40 µg/m3. Der Stundenmittelwert darf 18-mal im Kalenderjahr überschritten werden. Für NO2-Konzentrationen ist zudem eine Alarmschwelle von 400 µg/m3 festgelegt,16 dh ein Wert, bei dessen Überschreitung ein Risiko für die Gesundheit der Bevölkerung insgesamt besteht („Smogalarm“).17 Die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte und Alarmschwellen liegt in der Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten.18 Diese müssen gem Art 13 Luftqualitäts-RL sicherstellen, dass die Immissionsgrenzwerte überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen nicht überschritten werden.19 Bei Überschreitung haben sie für die betreffenden Gebiete oder Ballungsräume Luftqualitätspläne zu erstellen, um die entsprechenden

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ABl L 2008/152, 1 idF RL (EU) 2015/1480, ABl L 2015/226, 4. Näher dazu vgl Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht (2011) § 15 Rz 35 ff; Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union3 (2013) 442 f; Grassl, Das Verschlechterungsverbot im Umweltrecht der EU. Umsetzung im österreichischen Recht und Vergleich der Situation in Deutschland (2013) 29 ff; Giera, Individualrechte im europäischen Umweltrecht und ihre Durchsetzung im nationalen Recht (2015) 196 f. „Clean Air for Europe“. Vgl Art 13 iVm Anhang XI. Vgl Art 13 iVm Anhang XII Abschnitt A. Für NOx hat die EU zudem ab 2010 eine jährliche Emissionshöchstmenge festgelegt. Auf die diesbezügliche Emissionshöchstmengen-RL/NEC-RL (RL 2001/81/EG, ABl L 2001/309, 22, zuletzt idF RL 2013/17/EU, ABl L 2013/158, 193) wird hier nicht näher eingegangen, zumal nach dem österreichischen Emissionshöchstmengengesetz-Luft (EG-L, BGBl I 2003/34) nicht die Länder, sondern die BReg ein entsprechendes Programm zur Einhaltung der in der NEC-RL vorgesehenen Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe zu erstellen hat (vgl § 6 EG-L bzw das am 9. 2. 2010 beschlossene NEC-Maßnahmenprogramm der BReg). Nur so viel sei gesagt: Die für Österreich gesetzlich festgelegte Emissionshöchstmenge für NOx-Emissionen von 103 Kilotonnen pro Jahr wird bei weitem nicht eingehalten. Vgl dazu etwa Umweltbundesamt (Hrsg), Zehnter Umweltkontrollbericht (2013) 36 bzw 221. So auch Baumgartner, Begrenzung von Luftschadstoffen im gewerblichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren, ZfV 2010, 739 (744). Die Grenzwerte für Stickstoffdioxid werden durch den EuGH als noch bindender angesehen als die für Feinstaub. Vgl dazu EuGH 19. 11. 2014, C-404/13, ClientEarth, Rz 30 f ZUR 2015, 33 (Klinger). Siehe ferner Giera, Individualrechte 100.

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Grenzwerte einzuhalten (Art 23 Luftqualitäts-RL).20 Die Luftqualitätspläne müssen geeignete Maßnahmen enthalten, „damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann“. Werden Alarmschwellen überschritten, haben die Mitgliedstaaten kurzfristige Maßnahmenpläne zu erstellen (Art 24 Luftqualitäts-RL).21 Die Feinstaubgrenzwerte der Luftqualitäts-RL sind grundsätzlich seit 1. 1. 2005 einzuhalten, die Stickstoffdioxidgrenzwerte seit 1. 1. 2010. Es gab für die einzelnen Mitgliedstaaten aber die Möglichkeit einer Fristverlängerung, um die genannten Grenzwerte zu erfüllen. Im Fall von Feinstaub konnten die Mitgliedstaaten eine Fristverlängerung bis 11. 6. 2011 beantragen,22 was in Bezug auf Österreich für 11 Gebiete – ua für Graz (allerdings erst nach einer 2. Antragsstellung, nachdem zuvor bereits ein erstes Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurde) – von der EUKommission bewilligt wurde.23 Die Fristverlängerung setzte die Verabschiedung eines umfassenden Luftqualitätsplans voraus, der aufzeigt, wie die Einhaltung der Grenzwerte vor Ablauf der neuen Frist erreicht werden soll. Außerdem musste nachgewiesen werden, dass alle geeigneten Maßnahmen getroffen wurden, um die Frist einzuhalten. Bei Stickstoffdioxid erlaubte die Richtlinie den Mitgliedstaaten einen Aufschub bis 1. 1. 2015.24 Das Ansuchen Österreichs auf entsprechende Fristverlängerung für ganz Österreich wurde von der Kommission nur für Kärnten und Linz bewilligt, ansonsten – dh auch für die Steiermark (Graz) – abgelehnt.25

III. Möglichkeiten und Grenzen der Bundesländer im Kampf gegen Feinstaub und Stickoxide nach nationalem Recht A. Vorgaben der Verfassung 1. Das BVG Nachhaltigkeit Das 2013 erlassene BVG Nachhaltigkeit (BGBl I 2013/111)26 enthält mehrere umwelt20

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Luftqualitätspläne sind gem Art 2 Z 8 Luftqualitäts-RL Pläne, in denen Maßnahmen zur Erreichung der Grenzwerte oder Zielwerte festgelegt sind. Zum genauen Inhalt der Luftqualitätspläne siehe Anhang XV Abschnitt A Luftqualitäts-RL. Vgl dazu auch Klinger/Giera, Tu felix, Deutschland? Das europäische Recht auf saubere Luft und seine Umsetzung im nationalen Recht Österreichs und Deutschlands, RdU 2014, 229 (230). Art 22 Abs 2 Luftqualitäts-RL. KOM (2010) 6850 endg v. 22. 10. 2010. Art 22 Abs 1 Luftqualitäts-RL. KOM (2012) 4751 endg v. 12. 7. 2012. Ausführlich dazu vgl Sander/Schlatter, Das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den

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relevante Bekenntnisse der Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden).27 Zu erwähnen ist hier insb das in § 3 leg cit normierte Bekenntnis zum umfassenden Umweltschutz, das explizit auch „Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft“ umfasst.28 Das als Staatszielbestimmung29 ausgestaltete Bekenntnis zum umfassenden Umweltschutz vermittelt weder berechtigende noch verpflichtende individuelle Rechtspositionen und gewährt dem einzelnen Bürger daher keine subjektiven Rechte.30 Adressaten des BVG Nachhaltigkeit sind allein die Staatsorgane des Bundes, der Länder und der Gemeinden, also die Gesetzgebung und die Vollziehung. Die rechtliche Steuerungskraft des BVG Nachhaltigkeit gegenüber der Legislative ist allerdings als gering anzusehen, nicht zuletzt deshalb, weil ein Untätigbleiben des Gesetzgebers bzw Verordnungsgebers nach geltender Rechtslage vom VfGH nicht aufgegriffen werden kann. Bedeutung erlangt hat das Staatsziel Umweltschutz bislang vor allem bei der Interpretation von Grundrechtsschranken.31 So hat der VfGH Eingriffe in diverse Grundrechte (zB in das Grundrecht der Erwerbsfreiheit [Art 6 StGG] bzw in das Eigentumsgrundrecht [Art 5 StGG bzw Art 1 1. ZPEMRK]) zuweilen deshalb als gerechtfertigt angesehen, weil sie der Staatszielbestimmung Umweltschutz und damit einem besonderen öffentlichen Interesse dienen.32 Eine absolute Vorrangstellung wird dem Umweltschutz damit jedoch nicht eingeräumt, sodass im Konfliktfall stets eine Abwägung zwischen den Zielen des BVG Nachhaltigkeit und den einzelnen Grundrechten vorzunehmen ist. Dieser Aspekt ist auch bei der Grundrechtskonformität einzelner Feinstaubmaßnahmen zu beachten. Das Staatsziel Umweltschutz ist nach der Jud des VfGH schließlich auch bei der Beurteilung gesetzlicher Regelungen am Maßstab des Gleichheitsgrundsatzes (Art 7 B-VG bzw Art 2 StGG) zu berücksichtigen.33 Auch dieser Gesichtspunkt ist für konkrete Feinstaubmaßnahmen bedeutsam.

Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung, in Baumgartner (Hrsg), Jahrbuch Öffentliches Recht 2014 (2014) 235. 27 Vgl dazu Schnedl, Umweltrecht im Überblick2 (2014) Rz 135 ff. 28 § 3 BVG Nachhaltigkeit entspricht dem 1984 erlassenen BVG über den umfassenden Umweltschutz (BGBl 1984/491), das mit Inkrafttreten des BVG Nachhaltigkeit außer Kraft getreten ist. 29 Zur Bedeutung von Staatszielbestimmungen vgl etwa Berka, Verfassungsrecht6 (2016) Rz 203 ff; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht10 (2014) Rz 89 f. 30 Durch die Festlegung als Staatszielbestimmung ist eine Qualifizierung als Grundrecht ausgeschlossen (vgl auch VfGH 7. 12. 2011, G 17/11-6 bzw G 49/11-6). Auch sonst kennt das österreichische Verfassungsrecht – so wie die EU-Grundrechtecharta – kein positivrechtlich verankertes Grundrecht auf Umweltschutz. Vgl dazu Schnedl, Umweltrecht2 Rz 128 ff. 31 Vgl Schnedl, Umweltrecht2 Rz 137; Hauer, Umweltverfassungsrecht, in Hauer/Mayrhofer (Hrsg), Umweltrecht. Grundriss für Studium und Praxis2 (2015) 81 (83). 32 Vgl etwa VfSlg 12.009/1989, 13.102/1992, 19.157/2010, 19.415/2011. 33 ZB VfSlg 12.485/1990, 13.718/1994, 19.498/2011, 19.584/2011.

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2. Luftreinhaltung und bundesstaatliche Kompetenzverteilung Das österreichische Luftreinhaltungsrecht ist auf Grund der geltenden Kompetenzrechtslage eine äußerst komplexe Materie. So ist die Gesetzgebungszuständigkeit zwischen dem Bund und den Ländern geteilt, seit der B-VG-Novelle BGBl 1988/685 jedoch mit deutlichem Übergewicht des Bundes.34 Die Möglichkeiten der Bundesländer zur Bekämpfung von Feinstaub und Stickoxiden sind insofern kompetenzrechtlich begrenzt.35 Gem Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG „Luftreinhaltung, unbeschadet der Zuständigkeit der Länder für Heizungsanlagen“ kommt dem Bund eine grundsätzlich umfassende Gesetzgebungs- und Vollziehungszuständigkeit auf dem Gebiet der Luftreinhaltung zu.36 Auf diesen Kompetenztatbestand37 stützt sich etwa auch das Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L).38 Der Vollzug des bundesgesetzlichen Luftreinhaltungsrechts und damit auch des IG-L erfolgt jedoch in mittelbarer Bundesverwaltung, dh durch den jeweils örtlich zuständigen Landeshauptmann und die ihm unterstellten Landesbehörden (Art 102 Abs 1 B-VG).39 Die Länder haben daher durch den Vollzug des IG-L vielfältige Möglichkeiten zur Bekämpfung von Feinstaub und Stickoxiden. Darauf wird in Abschnitt B näher einzugehen sein. Die Länder besitzen eine Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz im Bereich der Luftreinhaltung für Heizungsanlagen (Art 10 Abs 1 Z 12 iVm Art 15 Abs 1 B-VG), freilich bloß für jene im Bereich des Hausbrands, dh für Heizungsanlagen, 34 Vgl Schnedl, Umweltrecht2 Rz 344. 35 So auch Mayrhofer/Metzler, Luftreinhaltungsrecht, in Pürgy (Hrsg), Das Recht der Länder, Bd II/2 (2012) Rz 1. 36 Im Gegensatz dazu umfasst der ebenfalls in Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG verankerte Kompetenztatbestand „Maßnahmen zur Abwehr gefährlicher Belastungen der Umwelt, die durch Überschreitung von Immissionsgrenzwerten entstehen“ (eingeführt durch die B-VG-Novelle BGBl 1983/175) keine Maßnahmen des vorsorgenden Schutzes vor schädlichen Luftschadstoffen, sondern ermächtigt lediglich zu repressiven Regelungen, welche der Abwehr von konkreten gefährlichen Umweltbelastungen dienen. 37 Näher dazu vgl Bußjäger, Was bedeutet „Luftreinhaltung, unbeschadet der Zuständigkeit der Länder für Heizungsanlagen“? ZfV 1996, 521; Fekete, Feinstaubreduktion im IG-L. Zur Schnittstelle zwischen Immissionsschutz und Betriebsanlagenrecht (2010) 29 ff; Würthinger, Luftreinhaltungsund Klimaschutzrecht, in Raschauer/Wessely (Hrsg), Handbuch Umweltrecht2 (2010) 484 (489 ff); Schnedl, Umweltrecht2 Rz 146; Hauer in Hauer/Mayrhofer (Hrsg), Umweltrecht2, 88 f; Mayer/ Muzak, B-VG5 (2015) Art 10 B-VG I.12. 38 Bundesgesetz zum Schutz vor Immissionen durch Luftschadstoffe, BGBl I 1997/115, zuletzt idF BGBl I 2010/77. 39 So auch Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) Einleitung Rz 7. Vgl ferner VfGH 3. 12. 2014, A 12/2013.

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die der Raumheizung und/oder der Warmwasseraufbereitung in Privathaushalten dienen.40 Die Länder haben hierfür spezielle Luftreinhalte-, Heizungsanlagen- bzw Feuerungsanlagengesetze erlassen.41 Zentrales Gesetz der Steiermark ist das Stmk Feuerungsanlagengesetz (FAnlG).42 Auf die Möglichkeiten der Länder zur Bekämpfung von Feinstaub und Stickoxiden im Bereich des Hausbrands wird in Abschnitt C eingegangen.

B. Möglichkeiten und Grenzen der Länder nach dem IG-L 1. Immissionsüberwachung Das am 1. April 1998 in Kraft getretene IG-L ist das zentrale Gesetz zur Umsetzung der EU-Luftqualitäts-RL 2008/50/EG43 in Österreich.44 Für diverse Luftschadstoffe gelten gem § 3 IG-L zum dauerhaften Schutz der menschlichen Gesundheit die in den Anlagen 1 und 2 leg cit festgelegten Immissionsgrenzwerte.45 Zudem werden für gewisse Luftschadstoffe Alarmwerte normiert (vgl Anlage 4 IG-L). Der in Anlage 1 IG-L festgelegte Immissionsgrenzwert für Feinstaub entspricht den Vorgaben der EU-RL. Im Unterschied zur Luftqualitäts-RL darf der Tagesmittelwert von 50 µg/m3 jedoch nur an 25 Tagen im Jahr – und nicht an 35 Tagen – überschritten werden. Der Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid beträgt im IG-L lediglich 30 µg/m3 in der EU dagegen 40 µg/m3.46 Der in Anlage 4 IG-L für NO2 40 41

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Eingeschränkt durch die dem Bund in Art 11 Abs 5 B-VG eingeräumte Bedarfsgesetzgebungskompetenz hinsichtlich der Festlegung einheitlicher Emissionsgrenzwerte für Luftschadstoffe. Zum Luftreinhaltungsrecht der Länder vgl insb Würthinger in Raschauer/Wessely (Hrsg), Handbuch Umweltrecht2, 545 ff; Marhofer/Metzler in Pürgy (Hrsg), Das Recht der Länder, Bd II/2, 177; Hauser in Hauer/Mayrhofer (Hrsg), Umweltrecht2, 155 ff. Speziell zum Stmk Luftreinhaltungsrecht siehe Schnedl, Umweltrecht, in Poier/Wieser (Hrsg), Steiermärkisches Landesrecht, Bd 3: Besonderes Verwaltungsrecht (2010) 403 (442 ff). Gesetz über das Inverkehrbringen, die Errichtung und den Betrieb von Feuerungsanlagen, LGBl 2001/73, zuletzt idF LGBl 2013/87. Vgl oben Kapitel II. Zum IG-L vgl etwa Schulev-Steindl, Mögliche (wirksame) Maßnahmen nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft, in Wagner/Kerschner (Hrsg), Immissionsschutzgesetz-Luft (2008) 75 (76 ff); Fekete, Feinstaubreduktion 32 ff; Würthinger in Raschauer/Wessely (Hrsg), Handbuch Umweltrecht2, 498 ff; Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012); Schnedl, Umweltrecht2 Rz 347 ff; Hauser, Besonderes Umweltrecht, in Hauer/Mayrhofer (Hrsg), Umweltrecht. Grundriss für Studium und Praxis2 (2015) 132 (135 ff). Zum Schutz der Ökosysteme und der Vegetation sind in einer zum IG-L ergangenen Verordnung (BGBl II 2001/298) Immissionsgrenzwerte und Immissionszielwerte für Stickoxide festgelegt. Zum Problem der verschärften Umsetzung von Unionsrecht im IG-L (sog „Golden Plating“) vgl

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festgelegte Alarmwert von 400 µg/m3 entspricht exakt der in der Luftqualitäts-RL normierten Alarmschwelle. Zur Kontrolle der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte hat der BMLFUW mit Verordnung ein bundesweites Messkonzept festzulegen,47 die Einrichtung und der Betrieb der Messstellen obliegt hingegen den LH in mittelbarer Bundesverwaltung.48

2. Vorgaben bei Überschreitung von Immissionsgrenzwerten a) Erstellung von Luftreinhalteprogrammen Überschreitungen eines Immissionsgrenzwerts sind vom LH zunächst in einem Bericht auszuweisen.49 In einer umfassenden Statuserhebung hat dieser sodann innerhalb von 9 Monaten die Rahmenbedingungen und Ursachen für die Überschreitung darzulegen.50 Auf Grundlage der Statuserhebung und eines allenfalls erstellten Emissionskatasters51 hat der LH gem § 9a IG-L in weiterer Folge ein Programm zu erstellen, in dem jene Maßnahmen festzulegen sind, die zur Reduktion festgestellter Grenz­ wertüberschreitungen ergriffen werden.52 Im Luftreinhalteprogramm ist ferner das Sanierungsgebiet festzulegen, also jenes Gebiet, in dem sich die Emissionsquellen befinden, die einen erheblichen Beitrag zur Immissionsgrenzwertüberschreitung geleistet haben.53 Bei Erstellung des Programms – unter bestimmten Voraussetzun-

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Schmelz, Verkehrsimmissionen und Maßnahmen nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft – Rechtliche Sicht, in IUR/ÖWAV (Hrsg), Jahrbuch des österreichischen und europäischen Umweltrechts 2006 (2006) 179 (180). Vgl § 4 IG-L bzw die darauf beruhende IG-L–Messkonzeptverordnung 2012 (IG-L–MKV 2012), BGBl II 2012/127. Näher dazu siehe § 5 IG-L. Vgl § 7 IG-L. Abs 3 leg cit regelt Immissionsgrenzwertüberschreitungen, die auf die Aufwirbelung von Partikeln nach der Ausbringung von Streusand, Streusalz oder Splitt zurückzuführen sind. Hierzu hat der BMLFUW die IG-L–Winterstreuverordnung erlassen (BGBl II 2012/131). Im Detail siehe § 8 IG-L. Vgl § 9 IG-L bzw die darauf beruhende Emissionskatasterverordnung, BGBl II 2002/214. Maßstab für Maßnahmen im Rahmen von § 9a IG-L–Programmen sind jedoch nicht die Grenz­ werte des IG-L, sondern jene der Luftqualitäts-RL (dh nicht mehr als 35 Überschreitungen des Tagesmittelwertes für PM10; der Jahresmittelwert für NO2 ist mit einem Puffer von 10 µg/m3 versehen). Vgl dazu auch Fekete, IG-L-Novelle 2010 – Neuerungen und Auswirkungen für die Praxis, RdU-U&T 2010, 34 (34 f ); Fekete-Wimmer/Bergthaler, Immissionsschutzgesetz-Luft. Grenzwerte, Sanierungsgebiete, Maßnahmen – ein fragmentarisches oder harmonisiertes System, ecolex 2011, 663 (664 f ); Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 9a Rz 29 ff; Fekete-Wimmer, Immissionsschutzgesetz-Luft, in Altenburger/Raschauer (Hrsg), Kommentar zum Umweltrecht (2014) § 1 Rz 3. § 2 Abs 8 IG-L.

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gen ist eine Umweltprüfung gem der SUP-RL der EU54 durchzuführen55 – sind die in § 9b IG-L festgelegten Grundsätze (zB Vorsorgeprinzip,56 Verursacherprinzip,57 Verhältnismäßigkeitsprinzip,58 Beschränkung des Eingriffs in bestehende Rechte auf das unbedingt erforderliche Maß, Berücksichtigung öffentlicher Interessen) zu berücksichtigen. Das Luftreinhalteprogramm ist spätestens 24 Monate nach Ablauf des Jahres der Grenzwertüberschreitung im Internet kundzumachen und der Europäischen Kommission zu übermitteln.59 Es ist alle drei Jahre in Bezug auf seine Wirksamkeit zu evaluieren und erforderlichenfalls zu überarbeiten.60 § 9a IG-L–Programme sind Luftqualitätspläne iSd Art 23 Luftqualitäts-RL 2008/50/EG.61 Sie sind nach den Gesetzesmaterialien62 keine Verordnungen und entfalten daher für die Rechtsunterworfenen keine direkte Bindungswirkung. Es handelt sich vielmehr um einen nicht-normativen Akt (eine bloße Handlungsabsicht), dessen alleinige Aufstellung noch keine Folgen nach außen hat, sondern noch einer konkreten Umsetzung, insb durch die noch zu besprechenden Maßnahmenverordnungen gem § 10 IG-L (siehe unten b) bedarf.63 Nach der Jud des EuGH64 bzw des VwGH65 reicht die bloße Existenz eines Luftqualitätsplans nach Art 23 Luftqualitäts-RL bzw eines Programms nach § 9a IG-L jedenfalls nicht aus, um gesichert von der Zielerreichung der nach Art 13 Luftqualitäts-RL obliegenden Verpflichtungen ausgehen zu können. Zu einem Verstoß gegen Art 13 Luftqualitäts-RL kann es daher auch dann kommen, wenn die im Luftqualitätsplan vorgesehenen Maßnahmen nicht die gewünschte Wirkung haben. Von einer Grenzwertüberschreitung unmit54

RL 2001/42/EG, ABl L 2001/197, 30. Zur strategischen Umweltprüfung vgl etwa Alge/Kroiss, Strategische Umweltprüfung, in Raschauer/Wessely (Hrsg), Handbuch Umweltrecht2 (2010) 375; Schnedl, Umweltrecht2 Rz 190 ff. 55 Im Detail siehe §§ 9c und 9d bzw Anlage 7 IG-L. 56 Vgl dazu etwa Schnedl, Umweltrecht2 Rz 75 ff. 57 ZB Schnedl, Umweltrecht2 Rz 78 ff. 58 Siehe etwa Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht10 Rz 715 ff. 59 Im Detail vgl § 9a Abs 8 IG-L. 60 § 9a Abs 6 IG-L. 61 Vgl Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 9a Rz 2. So explizit auch VwGH 8. 5. 2015, Ro 2014/07/0096 RdU 2015/132 (Schulev-Steindl). 62 ErläutRV 1147 BlgNR 22. GP 23. 63 So auch Schulev-Steindl in Wagner/Kerschner (Hrsg), Immissionsschutzgesetz-Luft 82; Würthinger in Raschauer/Wessely (Hrsg), Handbuch Umweltrecht2, 504; Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 9a Rz 11; Klinger/Giera, RdU 2014, 232; Giera, Individualrechte 197. AA Potacs, Subjektives Recht gegen Feinstaubbelastung? ZfV 2009, 874 (875), der die Programme als Verordnungen ansieht. Umfassend zur Rechtsqualität von § 9a IG-L–Programmen siehe Fekete, Feinstaubreduktion 35 ff. 64 Vgl EuGH 19. 11. 2014, C-404/13, ClientEarth, Rz 49. 65 VwGH 28. 5. 2015, Ro 2014/07/0096 RdU 2015/132 (Schulev-Steindl).

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telbar betroffene natürliche Personen haben – so der VwGH im zitierten Erkenntnis – insofern ein Antragsrecht nicht nur auf (erstmalige) Erlassung, sondern auch auf Ergänzung eines unzureichenden Luftqualitätsplans nach Art 23 Luftqualitäts-RL (hier: eines Programms nach § 9a IG-L) bzw einer darauf gründenden Maßnahmenverordnung nach § 10 IG-L. § 9a IG-L–Programme und § 10 IG-L–Maßnahmenverordnungen bilden daher in gewisser Weise eine rechtliche Einheit. b) Festlegung bzw Anordnung konkreter Maßnahmen Das Luftreinhalteprogramm nach § 9a IG-L kann gem dessen Abs 3 unterschiedlichste in der Bundeskompetenz liegende Maßnahmen umfassen.66 Näher eingegangen wird im Folgenden auf Maßnahmen nach dem 4. Abschnitt des IG-L (§§ 13-16).67 Sie sind gem § 10 IG-L vom LH auf Grundlage des Programms und unter Berücksichtigung der in § 9b IG-L verankerten Grundsätze68 mit Verordnung anzuordnen. Die entsprechende Maßnahmenverordnung ist spätestens 24 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem die Grenzwertüberschreitung festgestellt wurde, zu erlassen. In der Verordnung ist auch das Sanierungsgebiet, in dem die jeweilige Maßnahme gilt, festzulegen.69 Über das Luftreinhalteprogramm hinausgehende Maßnahmen können in der Verordnung dann angeordnet werden, sofern diese nicht dem Inhalt des Programms widersprechen und nicht unverhältnismäßig in bestehende Rechte eingreifen. Die §§ 13-16 IG-L stellen eine reiche Palette von Maßnahmen zur Verfügung; sie sind als taxative Nennung zu werten.70 Zu unterscheiden sind:

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Auf im selbständigen Wirkungsbereich der Länder und Gemeinden getroffene Maßnahmen ist in einem Anhang zum Programm zu verweisen. 67 Nach der in § 9a Abs 3 IG-L enthaltenen demonstrativen Auflistung können daneben insbesondere folgende Maßnahmen festgelegt werden: Maßnahmen der Privatwirtschaftsverwaltung (Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Beschaffung sowie Förderungsmaßnahmen im Bereich von Anlagen, Haushalten und Verkehr), Maßnahmen hinsichtlich des Betriebs von mobilen Motoren (vgl aber § 13 Abs 1 Z 2 lit d IG-L, § 13 Abs 3 IG-L und die darauf beruhende IG-L Off-RoadV, BGBl II 2013/76), Maßnahmen zur Optimierung des Winterdienstes (derartige Maßnahmen können im Rahmen des § 15 IG-L vorgesehen werden) und sonstige Maßnahmen in der Zuständigkeit des Bundes (dabei kann es sich um außerhalb der §§ 13-16 IG-L liegende hoheitliche Maßnahmen oder um privatwirtschaftliche Maßnahmen handeln). Näher dazu vgl Schulev-Steindl in Wagner/ Kerschner (Hrsg), Immissionsschutzgesetz-Luft 80 f; Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 9a Rz 41 ff. 68 Vgl oben Abschnitt 2.a). 69 Dabei handelt es sich um die genaue Abgrenzung des örtlichen Geltungsbereichs der Verordnung. Vgl dazu Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 10a Rz 5. 70 So Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 10a Rz 2.

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• Maßnahmen für Anlagen71 (angeordnet werden können gem § 13 IG-L Emissionsbegrenzungen nach dem Stand der Technik sowie andere emissionsmindernde Maßnahmen [zB der Einsatz emissionsarmer Brennstoffe bzw Beschränkungen oder Verbote des Einsatzes emissionsintensiver mobiler Maschinen und Geräte72]);73 • Maßnahmen für Kraftfahrzeuge74 (angeordnet werden können gem § 14 IG-L Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie zeitliche und räumliche Verkehrsbeschränkungen [zB Fahrverbote für bestimmte Fahrzeugklassen bzw für Kraftfahrzeuge bestimmter Abgasklassen75 oder Fahrverbote für bestimmte Tage bzw bestimmte Tageszeiten]);76 • Maßnahmen für Stoffe, Zubereitungen und Produkte (angeordnet werden können 71 72

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Der relativ weite Anlagenbegriff des IG-L umfasst gem dessen § 2 Abs 10 ortsfeste Einrichtungen, mobile technische Einrichtungen, Maschinen und Geräte sowie Liegenschaften. Die entsprechenden Maßnahmen müssen inhaltlich über die vom BMLFUW erlassene IG-L Off-RoadV, BGBl II 2013/76, hinausgehen. Näher dazu vgl Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 13 Rz 11 ff bzw 27 ff. Zu beachten ist ferner § 13a IG-L betreffend die Sanierung von Altanlagen im Wege einer bescheidmäßigen Anordnung (Vorlage eines Sanierungskonzepts). Näher zu Maßnahmen für Anlagen vgl insb Schulev-Steindl in Wagner/Kerschner (Hrsg), Immissionsschutzgesetz-Luft 83 ff; Würthinger in Raschauer/Wessely (Hrsg), Handbuch Umweltrecht2, 505 f; Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 13 bzw § 13a; Fekete-Wimmer in Altenburger/Raschauer (Hrsg), Kommentar zum Umweltrecht § 13 bzw § 13a; Hauser in Hauer/Mayrhofer (Hrsg), Umweltrecht2, 139. Abgestellt wird auf den Kraftfahrzeugbegriff des § 2 Abs 1 Z 1 KFG 1967 (BGBl 1967/267, zuletzt idF BGBl I 2015/73). Auch Elektroautos sind Kraftfahrzeuge iSd KFG (explizit VwGH 29. 7. 2015, Ra 2015/07/0078). Zur Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen nach Abgasklassen vgl § 14a IG-L bzw die darauf beruhende IG-L – Abgasklassen-Kennzeichnungsverordnung (AbgKlassV), BGBl II 2012/120, zuletzt idF BGBL II 2014/272. Näher dazu vgl Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 14a. Die entsprechenden Maßnahmen sind gem § 14 Abs 6 IG-L, soweit dies möglich ist, durch Straßenverkehrszeichen gem § 52 StVO 1960 kundzumachen und mit einer Zusatztafel mit dem Wortlaut „Immissionsschutzgesetz-Luft“ oder „IG-L“ zu versehen. Dabei können immissionsabhängige Verkehrsbeeinflussungssysteme verwendet werden (§ 14 Abs 1 sowie Abs 6a-d IG-L; vgl dazu auch die VBA-Verordnung – IG-L, BGBl II 2007/302; die Kosten der Errichtung und des Betriebs einer Verkehrsbeeinflussungsanlage sind kein Amtssachaufwand, sondern konkreter Sachaufwand, den gem § 2 F-VG letztlich der Bund zu tragen hat [VfGH 3. 12. 2014, A 12/2013]). Flächenhafte Verkehrsbeschränkungen, die nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand mit Straßenverkehrszeichen iSd StVO kundgemacht werden können, können im LGBl kundgemacht werden (§ 14 Abs 6 IG-L). Näher zu Maßnahmen für Kraftfahrzeuge vgl insb Schulev-Steindl in Wagner/Kerschner (Hrsg), Immissionsschutzgesetz-Luft 86 ff; Hoffer, Straßenverkehrsrecht, in Bauer (Hrsg), Handbuch Verkehrsrecht (2009) 159 (181 ff); Fekete, RdU-U&T 2010, 36; Würthinger in Raschauer/ Wessely (Hrsg), Handbuch Umweltrecht2, 506 ff; Muzak, Verkehrsbeschränkungen zwischen IG-L und StVO, ZVR 2012, 475; Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 14; Hauser in Hauer/Mayrhofer (Hrsg), Umweltrecht2, 139 ff.

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gem § 15 IG-L Beschränkungen für deren Einsatz und Verwendung sowie Regelungen betreffend das Lagern, Ausbreiten, Ausstreuen, Umfüllen, Ausschütten, Zerstäuben, Versprühen und Entfernen in Anlagen und auf Verkehrsflächen [zB eine umweltschonende Straßenreinigung zur Entfernung von Streusplit]);77 • Maßnahmen für das Verbrennen im Freien (angeordnet werden können gem § 15a IG-L Einschränkungen oder Aufhebungen von im Bundesluftreinhaltegesetz [BLRG]78 vorgesehenen Ausnahmen vom Verbot des Verbrennens von Materialien außerhalb von Anlagen);79 • zusätzliche Maßnahmen (festgelegt werden können gem § 16 IG-L ua niedrigere Emissionsgrenzwerte als in den Verwaltungsvorschriften vorgesehen sind, Beschränkungen oder Verwendungsverbote für bestimmte Brennstoffe oder Produktionsmittel, zeitliche und räumliche Beschränkungen für Kraftfahrzeuge sowie Verbote für Stoffe, Zubereitungen und Produkte; Voraussetzung für die Festlegung zusätzlicher Maßnahmen ist es, dass der Feinstaub-Tagesmittelwert von 50 µg/m3 an mehr als 35 Tagen bzw der Stickstoffdioxid-Jahresmittelwert von 30 µg/m3 um mehr als 10 µg/m3 überschritten ist und die Maßnahmen nach den §§ 13-15 IG-L nicht ausreichen).80

3. Vorgaben bei Überschreitung von Alarmwerten Regelungen betreffend die Überschreitung von Alarmwerten (zB jenem für Stickstoffdioxid) finden sich in den §§ 26a und 26b IG-L.81 Gestützt auf § 26b Abs 1 IG-L hat der BMLFUW mit Verordnung einen Aktionsplan erstellt,82 in dem jene Maßnahmen festgelegt sind, die im Fall der Gefahr einer Überschreitung des 77

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Näher zu Maßnahmen für Stoffe, Zubereitungen und Produkte vgl insb Schulev-Steindl in Wagner/ Kerschner (Hrsg), Immissionsschutzgesetz-Luft 92; Würthinger in Raschauer/Wessely (Hrsg), Handbuch Umweltrecht2, 508; Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 15. BGBl I 2002/137, zuletzt idF BGBl I 2013/97. Näher zu Maßnahmen für das Verbrennen im Freien vgl insb Schulev-Steindl in Wagner/Kerschner (Hrsg), Immissionsschutzgesetz-Luft 93; Würthinger in Raschauer/Wessely (Hrsg), Handbuch Umweltrecht2, 508; Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 15a; Hauser in Hauer/Mayrhofer (Hrsg), Umweltrecht2, 141. Näher zu den zusätzlichen Maßnahmen vgl insb Fekete, RdU-U&T 2010, 37; Würthinger in Raschauer/Wessely (Hrsg), Handbuch Umweltrecht2, 508; Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 16; Fekete-Wimmer in Altenburger/Raschauer (Hrsg), Kommentar zum Umweltrecht § 16; Hauser in Hauer/Mayrhofer (Hrsg), Umweltrecht2, 141. Näher dazu vgl Würthinger in Raschauer/Wessely (Hrsg), Handbuch Umweltrecht2, 511; Hojesky/ Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 26a bzw § 26b; Hauser in Hauer/Mayrhofer (Hrsg), Umweltrecht2, 142. Verordnung über den Aktionsplan zum Immissionsschutzgesetz-Luft, BGBl II 2002/207.

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Alarmwerts kurzfristig zu ergreifen sind (zB Beschränkungen oder Verbote für den Verkehr, Drosselung oder Stilllegung von Anlagen, Untersagung von Massenveranstaltungen).83 Der Aktionsplan ist ein kurzfristiger Maßnahmenplan iSd Art 24 Luftqualitäts-RL 2008//50/EG.84 Bei Überschreitung eines Alarmwerts hat der LH gem § 26a IG-L die Bevölkerung über das Vorliegen der Überschreitung im Wege des Österreichischen Rundfunks zu informieren. Zudem hat er die erforderlichen, im Aktionsplan des ­BMLFUW festgelegten Maßnahmen durch Verordnung oder Bescheid in Kraft zu setzen (§ 26b Abs 2 IG-L). Seit Aufnahme der §§ 26a und 26b in das IG-L (IG-L-Novelle BGBl I 2001/62) gab es in Österreich noch keine Alarmwertüberschreitungen; es wurden von den LH daher noch keine entsprechenden Maßnahmen angeordnet.85

C. Möglichkeiten der Länder im Bereich des Hausbrands Im Bereich des Hausbrands können die Länder auf Grund ihrer umfassenden Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz86 uneingeschränkt Feinstaub- und Stick­ oxidmaßnahmen anordnen. In diesem Sinn normiert auch § 27 IG-L, dass Maßnahmen zur Begrenzung der Emissionen aus Heizungsanlagen aus kompetenzrechtlichen Gründen durch die Länder zu setzen sind. Die entsprechenden Maßnahmen sind im § 9a IG-L–Luftreinhalteprogramm in einem Anhang auszuweisen.87 Die Maßnahmen der Länder zur Feinstaub- und Stickoxidreduktion im Bereich des Hausbrands finden sich in den entsprechenden Luftreinhalte-, Heizungsanlagen- bzw Feuerungsanlagengesetzen sowie in den hierzu ergangenen Durchführungsverordnungen. Flankierende Regelungen enthalten zuweilen auch die Bau- und Raumordnungsgesetze. Normiert werden können insb Emissionsgrenzwerte für das Inverkehrbringen und für den Betrieb von Heizungs- bzw Feuerungsanlagen,88 Anforderungen an Brennstoffe sowie Verwendungsbeschränkungen bestimmter Heiz83

Der Aktionsplan sieht Maßnahmen vor, die über die in den §§ 13-16 IG-L vorgesehenen Maßnahmen hinausgehen. Er orientiert sich an den in einigen Bundesländern bestandenen Verordnungen über Smogalarmpläne nach dem mit BGBl I 2001/62 aufgehobenen SmogalarmG des Bundes. Näher dazu siehe Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 26b Rz 4 f. 84 So auch Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 26b Rz 1 f. 85 Vgl Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 26a Rz 2 bzw § 26b Rz 8. 86 Vgl oben Abschnitt III.A.2. 87 § 9a Abs 3 letzter Satz IG-L. Siehe auch oben Abschnitt III.B.2.b). 88 Vgl diesbezüglich auch die zwischen allen Bundesländern abgeschlossene Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG über das Inverkehrbringen von Kleinfeuerungen und die Überprüfung von Feuerungsanlagen und Blockheizkraftwerken, Stmk LGBl 2013/65. In den von der Vereinbarung umfassten Bereichen bestehen somit österreichweit harmonisierte Regelungen.

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mittel. Daneben kann aber auch der Einsatz bestimmter Arten von Heizungssystemen angeordnet werden (zB der Einsatz alternativer Heizungssysteme, wie etwa Fernwärme).89

IV. Maßnahmen der Steiermark im Kampf gegen Feinstaub und Stickoxide Das aktuell gültige Luftreinhalteprogramm gem § 9a IG-L des LH von Steiermark stammt vom September 2014.90 Das Programm berücksichtigt – wie schon die Vorgängerversion, das Luftreinhalteprogramm 201191 – neben Feinstaub auch Stickoxide. Im Folgenden soll ein Überblick über einzelne in der Steiermark festgelegte Maßnahmen bzw deren rechtliche Umsetzung geboten werden. Erörtert werden dabei Maßnahmen nach den §§ 13-16 IG-L und Maßnahmen im Bereich des Hausbrands.

A. Maßnahmen nach den §§ 13-16 IG-L Aktuell gibt es in der Steiermark zwei IG-L Maßnahmenverordnungen,92 und zwar 89

Näher dazu vgl Schnedl in Poier/Wieser (Hrsg), Steiermärkisches Landesrecht, Bd 3, 442 f; Würthinger in Raschauer/Wessely (Hrsg), Handbuch Umweltrecht2, 545 ff; Mayrhofer/Metzler in Pürgy (Hrsg), Das Recht der Länder, Bd II/2, 185 ff; Hauser in Hauer/Mayrhofer (Hrsg), Umweltrecht2, 155 ff. 90 Vgl http://app.luis.steiermark.at/berichte/Download/Fachberichte/LRP_Steiermark_Nf2014.pdf (15. 1. 2016). 91 Vgl http://app.luis.steiermark.at/berichte/Download/Fachberichte/LRP2011_FINAL_i.pdf (15. 1. 2016). 92 IG-L Maßnahmenverordnungen der anderen Bundesländer: Burgenland: IG-L–Maßnamenkatalog 2007, LGBl 2006/31 idF LGBl 2007/38. Kärnten: PM10-Maßnahmenkatalog Klagenfurt, LGBl 2006/4, zuletzt idF LGBl 2009/64; NO2-Maßnahmenverordnung Klagenfurt, LGBl 2009/63 idF LGBl 2012/2. Niederösterreich: NÖ Sanierungsgebiets- und Maßnahmenverordnung Feinstaub (PM10), LGBl 8103/1-0, zuletzt idF LGBl 2015/31. Oberösterreich: Verordnung, mit der emissionsmindernde Maßnahmen für die Stadtgebiete Linz und Steyregg erlassen werden, LGBl 2003/115 idF LGBl 2005/111; Verordnung, mit der eine immissionsabhängige Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der A1 West Autobahn angeordnet wird, LGBl 2008/101, zuletzt idF LGBl 2015/3; Verordnung, mit der ein emissionsabhängiges Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge für eine Teilstrecke der A1 West Autobahn angeordnet wird, LGBl 2015/2 idF LGBl 2015/87. Salzburg: Tauern Autobahn-Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung 2015, LGBl 2015/26; West Autobahn-Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung 2015, LGBl 2015/25. Tirol: Verordnung, mit der auf der A 12 Inntalautobahn zwischen Zirl West und der Staatsgrenze mit der Bundesrepublik Deutschland eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h festgesetzt wird, LGBl 2006/86; Verordnung, mit der auf der A 12 Inntalautobahn ein Fahrverbot für schadstoffreiche Schwerfahrzeuge erlassen wird, LGBl 2006/90; Verordnung, mit der auf der A 12 Inntal Auto-

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• die Stmk Luftreinhalteverordnung 201193 und • die aus 2014 stammende VBA-Verordnung – IG-L Steiermark94. In der Stmk Luftreinhalteverordnung (§ 2 leg cit) werden vier Sanierungsgebiete für den Luftschadstoff Feinstaub ausgewiesen, und zwar die Sanierungsgebiete „Großraum Graz“, „Aichfeld“, „Zentrale Mur-Mürz-Furche“ und „Außeralpine Steiermark“.95 Zudem wurden das Sanierungsgebiet „Großraum Graz“ und die in der VBA-Verordnung – IG-L Steiermark festgelegten Autobahnkorridore (vgl unten 1.) auch als Sanierungsgebiet für den Luftschadstoff Stickstoffdioxid ausgewiesen. Die Sanierungsgebiete der Stmk Luftreinhalteverordnung sind auch Sanierungsgebiete der VBA-Verordnung – IG-L Steiermark.96

1. Maßnahmen für Kraftfahrzeuge Im Mittelpunkt der in den beiden Verordnungen angeordneten Maßnahmen stehen zweifellos solche für Kraftfahrzeuge. Bekannteste Maßnahme ist dabei wohl jene der Geschwindigkeitsbeschränkung, konkret der „IG-L-Feinstaubhunderter“ der VBA-Verordnung – IG-L Steiermark, der seit Ende 201497 auch ein „NO2-Hunderter“ sein kann.98 Ziel der genannten Verordnung (§ 1 leg cit) ist nämlich, die durch den Verkehr verursachte Immissionsbelastung durch Feinstaub und Stickstoffdioxid

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bahn ein Nachtfahrverbot für Schwerfahrzeuge erlassen wird, LGBl 2010/64, zuletzt idF LGBl 2015/129; IG-L-Geschwindigkeitsbegrenzungsverordnung, LGBl 2014/145.Vorarlberg: Verordnung über einen Maßnahmenkatalog nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft für den Verkehr in Feldkirch, LGBl 2005/34; Verordnung über einen Maßnahmenkatalog nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft für den Verkehr in Dornbirn, LGBl 2005/52. Wien: IG-L-Maßnahmenkatalog 2005, LGBl 2005/47, zuletzt idF LGBl 2013/52. Verordnung, mit der Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen von Luftschadstoffen nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft angeordnet werden, LGBl 2012/2 idF LGBl 2012/36, 2012/91, 2013/110 und 2014/116. Verordnung, mit der eine immissionsabhängige Geschwindigkeitsbeschränkung auf Teilstrecken der A 2 Süd Autobahn und der A 9 Pyhrn Autobahn angeordnet wird, LGBl 2014/117 idF LGBl 2014/147. Mit der Novelle LGBl 2014/116 kam es zu einer Neufestlegung der Sanierungsgebiete, konkret zu einer Verkleinerung des Feinstaubsanierungsgebietes um 34 Gemeinden (nunmehr 299). Vgl § 2 Z 1 VBA-Verordnung – IG-L Steiermark. Die aktuelle VBA-Verordnung – IG-L Steiermark ist gem § 5 leg cit am 30. Oktober 2014 in Kraft getreten. Der „NO2-Hunderter“ macht sich vor allem in den Sommermonaten bemerkbar. Nach einer aktuellen Auswertung leuchtete der „IG-L-Hunderter“ im Juni und Juli 2015 fast fünf Mal so oft wie in den Vergleichsmonaten des Jahres 2014, als Stickoxide für die Geschwindigkeitsbeschränkung noch nicht relevant waren. Vgl dazu Kleine Zeitung 9. 8. 2015, 16.

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zu verringern99 und durch eine Reduktion der Höchstgeschwindigkeit auf Teilabschnitten der A2 Süd Autobahn (Anschlussstelle Sinabelkirchen bis Anschlussstelle Lieboch) sowie der A9 Pyhrn Autobahn (Anschlussstelle Peggau-Deutschfeistritz bis Anschlussstelle Leibnitz) die Luftqualität zu verbessern. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit für einen bestimmten Korridor wird dann auf 100 km/h beschränkt, wenn bestimmte in der Verordnung angeführte Schwellenwerte erreicht bzw überschritten werden.100 Die genannte Verordnung wird mittels eines Verkehrsbeeinflussungssystems gem § 14 IG-L101 kundgemacht.102 Eine solcher Art immissionsabhängige Geschwindigkeitsbeschränkung gibt es in der Steiermark seit Dezember 2008,103 davor gab es ab 2004 fixe Geschwindigkeitsbeschränkungen.104 Probleme gab es allerdings mit deren Kundmachung. So hat der UVS Steiermark im März 2007 besagte fixe Geschwindigkeitsbeschränkung als nicht rechtswirksam erachtet, da nicht iSd Art 89 Abs 1 B-VG gehörig kundgemacht,105 was zur Rückzahlung bereits einbezahlter Strafgelder seitens des Landes Steiermark führte.106 Gegenstand eines 2011 entschiedenen Anfechtungsverfahrens vor dem VfGH war

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Ziel der mit 30. Oktober 2014 außer Kraft getretenen VBA-Verordnung – IG-L Steiermark, LGBl 2011/87 idF LGBl 2012/22, war hingegen allein die Verringerung der Feinstaubbelastung. Die Geschwindigkeitsbeschränkung wird aufgehoben, wenn die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind. Zu den Parametern für die In- und Außerkraftsetzung der Geschwindigkeitsbeschränkung vgl § 3 Abs 1-3 VBA-Verordnung – IG-L Steiermark. Geschwindigkeitsbeschränkungen nach der VBA-Verordnung – IG-L Steiermark enden gem § 3 Abs 5 leg cit auch dann, wenn nach der StVO 1960 niedrigere oder gleich hohe Höchstgeschwindigkeiten angeordnet werden (zum Verhältnis von Geschwindigkeitsbeschränkungen nach der StVO 1960 und der VBA-Verordnung – IG-L Steiermark vgl LVwG Stmk 16. 12. 2014, 30.5-4620/2014). Vgl oben Abschnitt III.B.2.b). § 4 VBA-Verordnung – IG-L Steiermark. Inkrafttreten der VBA-Verordnung – IG-L Steiermark, LGBl 2008/118, ersetzt durch die gleichnamigen Verordnungen LGBl 2009/70, LGBl 2011/87 und schließlich LGBl 2014/117. Die IG-L – MaßnahmenkatalogVO-Verkehr aus 2004 (LGBl 2004/2 idF LGBl 2004/50) sah in der Zeit vom 1. November bis 31. März eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h auf Autobahnen und von 80 km/h auf Freilandstraßen vor (die in der Stammfassung vorgesehenen Geschwindigkeitsbeschränkungen von 80 km/h auf Autobahnen, von 70 km/h auf Freilandstraßen und von 30 km/h im Ortsgebiet, ausgenommen Vorrangstraßen, wurde durch eine Novelle noch vor ihrem Inkrafttreten außer Kraft gesetzt!), die IG-L Maßnahmenverordnung aus 2006 (LGBl 2006/131) sah dieselben Geschwindigkeitsbegrenzungen vom 15. Dezember bis 14. März vor. Vgl UVS Steiermark 9. 3. 2007, 30.18-24/2007. Die Kundmachung der Geschwindigkeitsbeschränkung erfolgte im LGBl und durch Anschlag an der Amtstafel der Behörde anstatt durch Straßenverkehrszeichen, versehen mit einer Zusatztafel mit dem Wortlaut „IG-L“ (vgl § 14 Abs 6 IG-L). Aufgestellte Verkehrszeichen entsprachen nicht der StVO (§ 48 Abs 2 leg cit), weil nicht auf beiden Seiten oder oberhalb der Fahrbahn angebracht, sondern nur auf der rechten Fahrbahnseite. Näher dazu vgl Schulev-Steindl in Wagner/Kerschner (Hrsg), Immissionsschutzgesetz-Luft 89 ff.

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der Anwendungsbereich der VBA-Verordnung – IG-L Steiermark.107 Nach § 14 Abs 1 IG-L können die LH Geschwindigkeitsbeschränkungen für Kraftfahrzeuge oder für bestimmte Gruppen von Kraftfahrzeugen anordnen. Da die VBA-Verordnung – IG-L Steiermark keine Einschränkung auf bestimmte Fahrzeuggruppen vornimmt, gilt die immissionsabhängige Geschwindigkeitsbeschränkung in der Steiermark für alle Kraftfahrzeuge, somit etwa auch für Elektroautos und die weniger Feinstaub emittierenden Kraftfahrzeuge mit Benzinmotoren.108 Die Gleichbehandlung dieser Fahrzeuge mit Dieselfahrzeugen ist nach der Jud des VfGH sachlich gerechtfertigt.109 Der VfGH begründet dies mit dem erhöhten Sicherheitsrisiko, welches mit unterschiedlichen Tempolimits verbunden wäre. Außerdem geht er davon aus, dass unterschiedliche Tempolimits zu einem ungleichmäßigen Geschwindigkeitsverlauf führen würden, wodurch die Geschwindigkeitsbeschränkung ihren emissionsreduzierenden Effekt teilweise verlieren würde. Keine Bedenken hegte der VfGH bezüglich der Kundmachung der Verordnung durch ein Verkehrsbeeinflussungssystem. Neben Geschwindigkeitsbeschränkungen gibt es in der Steiermark auch räumliche Verkehrsbeschränkungen für Kraftfahrzeuge. Zu nennen ist etwa die in § 3 Stmk Luftreinhalteverordnung normierte Fahrbeschränkung für Schwerfahrzeuge.110 Danach gilt seit 1. 1. 2014 (vgl § 3 Abs 3 leg cit) in allen Sanierungsgebieten111 ein ganzjähriges Fahrverbot für LKW, Sattelkraftfahrzeuge und Sattelzugfahrzeuge mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 Tonnen mit Abgaswerten schlechter als Euro III.112 Ausnahmenbestimmungen sind vorgesehen, ua für Fahr-

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Vgl VfSlg 19.498/2011. Gegenstand des Anfechtungsverfahrens war konkret die VBA-Verordnung – IG-L Steiermark, LGBl 2008/118. Für Geschwindigkeitsbeschränkungen gibt es im Gegensatz zu zeitlichen und räumlichen Verkehrsbeschränkungen (vgl § 14 Abs 2 Z 5 IG-L) keine ex-lege Ausnahmen für Fahrzeuge mit Alternativantrieb. Vgl dazu Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 14 Rz 15 ff, insb Rz 37 ff. Mit derselben Begründung hat jüngst auch der VwGH festgehalten, dass die Westautobahn-Geschwindigkeitsbeschränkungs-Verordnung (Sbg LGBl 2014/13; aktuell West Autobahn-Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung 2015, LGBl 2015/25) unmissverständlich auch für Elektroautos gilt (VwGH 29. 7. 2015, Ra 2015/07/0078 JBl 2015, 738). Kritisch dazu Hauer, Verfassungsfragen pauschaler Geschwindigkeitsbeschränkungen nach dem IG-L, ZVR 2015, 440. Eine entsprechende Regelung sah auch bereits die IG-L-Maßnahmenverordnung, LGBl 2006/131, vor (vgl § 7 leg cit). Die genannte Verordnung enthielt zudem Fahrbeschränkungen für Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen mit Dieselmotoren (vgl §§ 8 und 9 leg cit). Erfasst sind gem § 2 Stmk Luftreinhalteverordnung sowohl Feinstaubsanierungsgebiete als auch Sanierungsgebiete für den Luftschadstoff NO2. Überschreiten der Abgaswerte für NOx in der Höhe von 5 g/kWh und für Partikel in der Höhe von 0,13 g/kWh.

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zeuge gem § 14 Abs 2 IG-L,113 Fahrzeuge mit entsprechender Filtervorrichtung, für historische LKW oder für Heeresfahrzeuge.114 Seit 1. 1. 2015 ist zum Nachweis der jeweiligen Abgasklasse eine Kennzeichnung mit der Abgasklassenplakette nach der IG-L – Abgasklassen-Kennzeichnungsverordnung115 erforderlich (§ 3 Abs 6 Stmk Luftreinhalteverordnung). Räumliche Verkehrsbeschränkungen gibt es in der Steiermark ferner für bestimmte Taxis. Gem § 4 Abs 2 Stmk Luftreinhalteverordnung besteht im Stadtgebiet von Graz seit 1. 1. 2013 ein Fahr-, Halte- und Parkverbot von dieselbetriebenen Taxifahrzeugen mit Abgaswerten bis einschließlich Euro 3.116 Diese Regelung nimmt nach den Erläuterungen zur Stmk Luftreinhalteverordnung 2011 Bezug auf die hohe Kilometerleistung von Taxis.117 Die Einhaltung der maximalen Partikelemissionsgrenzwerte wird durch, vom LH zur Verfügung gestellte, Plaketten dokumentiert (§ 4 Abs 3 leg cit). Ausnahmebestimmungen gibt es in der Stmk Luftreinhalteverordnung nicht. Zur Anwendung gelangen jedoch die in § 14 Abs 2 IG-L normierten ex-lege Ausnahmen. Mit dem Grazer Taxifahrverbot hatte sich im Jahr 2014 auch der VfGH zu beschäftigen.118 Ein Grazer Taxiunternehmer, dessen Fuhrpark aus dieselbetriebenen Oldtimertaxis der Abgasklasse Euro 0 besteht, hatte beim VfGH einen Individualantrag gem Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG auf Aufhebung des § 4 Abs 1 Stmk Luftreinhalteverordnung als gesetzwidrig eingebracht. Der VfGH hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen, da der Antragsteller eine Ausnahmegenehmigung nach § 14 Abs 2 IG-L (konkret: § 14 Abs 2 Z 3 leg cit119) bei der Bezirksverwaltungsbehörde beantragen hätte können und ihm insofern ein anderer zumutbarer Weg der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle zugestanden wäre.120

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Vgl dazu Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 14 Rz 15 ff. Im Detail vgl § 3 Abs 4 Stmk Luftreinhalteverordnung. BGBl II 2012/120, zuletzt idF BGBl II 2014/272. Überschreitung des maximalen Partikelemissionsgrenzwertes von 0,025 g/km. Ab 1. 3. 2012 bestand ein entsprechendes Verbot für Taxis der Abgasklasse Euro 0 (Überschreitung des maximalen Partikelemissionsgrenzwertes von 0,18 g/km; vgl § 4 Abs 1 Stmk Luftreinhalteverordnung). 117 Vgl http://www.verwaltung.steiermark.at/cms/dokumente/11685360_74835624/5cdf1966/LuftreinhalteVO%202011_Erl%C3%A4uterungen.pdf (15. 1. 2016). 118 VfGH 11. 6. 2014, V 37/2012-9. 119 Zur sog Individualausnahme nach § 14 Abs 2 Z 3 IG-L vgl Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 14 Rz 28 ff. 120 Zur „Subsidiarität des Individualantrags auf Normenkontrolle“ vgl etwa Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht10 Rz 1024 ff; Mayer/Muzak, B-VG5 (2015) Art 139 B-VG III.2.c) mit zahlreichen Judikaturnachweisen.

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2. Maßnahmen für Anlagen Neben den dargelegten Maßnahmen für Kraftfahrzeuge enthält die Stmk Luftreinhalteverordnung auch Maßnahmen für Anlagen. Zu nennen ist diesbezüglich die in § 4b leg cit normierte Verwendungsbeschränkung von „Heizöl leicht“ in ortsfesten Anlagen, gestützt auf § 13 Abs 1 Z 2 lit a) IG-L (Einsatz emissionsarmer Brennstoffe). Danach müssen seit 20. 9. 2012 alle in einem Sanierungsgebiet121 liegende mit „Heizöl leicht“ betriebene ortsfeste Anlagen iSd IG-L122 mit einem emissionsärmeren Brennstoff (zB „Heizöl extra leicht“, Erdgas oder Flüssiggas) betrieben werden. Seit 20. 9. 2015 gilt dies auch für Altanlagen, sofern diese zum Einsatz von emissionsärmeren Brennstoffen geeignet sind.123

3. Maßnahmen für Stoffe, Zubereitungen und Produkte Die Stmk Luftreinhalteverordnung enthält mehrere Maßnahmen für Stoffe, Zubereitungen und Produkte. § 4a leg cit regelt das Aufbringen von Streumitteln im Rahmen des Winterdienstes. Als Streumittel dürfen auf allen für den öffentlichen Fahrzeugverkehr bestimmten Verkehrsflächen in den Sanierungsgebieten124 ua nur solche mit einem Korngrößenbereich zwischen 2 und 8 mm verwendet werden; bestimmte Streumittel sind gänzlich verboten (zB Schlacke, Asche).125 Festgelegt ist ferner eine zeitgemäße Reinigungspflicht der genannten Verkehrsflächen, dann nämlich, sobald die Streumittel nicht mehr für die Verkehrssicherheit erforderlich sind (§ 4a Abs 2 Stmk Luftreinhalteverordnung). Die Reinigung hat im Ortsgebiet unter Befeuchtung zu erfolgen, um die Staubentwicklung soweit wie möglich zu verhindern.126 § 4c Stmk Luftreinhalteverordnung normiert seit 1. 10. 2014127 ein ganzjähriges Verbot des Betriebs von Laubbläsern, Laubsaugern sowie von Laubsauger- und Laubbläserkombinationsgeräten im gesamten Stadtgebiet von Graz und Leibnitz sowie 121 122 123

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Erfasst sind gem § 2 Stmk Luftreinhalteverordnung sowohl Feinstaubsanierungsgebiete als auch Sanierungsgebiete für den Luftschadstoff NO2. Vgl § 2 Abs 10 Z 1 IG-L. § 4b Abs 3 iVm § 7a Abs 2 Stmk Luftreinhalteverordnung. Die Regelung der Steiermark ist insofern restriktiver als die vergleichbaren Regelungen in Wien und im Burgenland (vgl § 3 Wr IG-L-Maßnahmenkatalog 2005 bzw § 3 Bgld IG-L-Maßnahmenkatalog 2007). Dies erscheint im Hinblick auf § 13 Abs 1 Z 2 lit a) IG-L bedenklich. Erfasst sind gem § 2 Stmk Luftreinhalteverordnung sowohl Feinstaubsanierungsgebiete als auch Sanierungsgebiete für den Luftschadstoff NO2. Im Detail siehe § 4a Abs 1 Stmk Luftreinhalteverordnung. Vgl § 4a Abs 3 und 4 Stmk Luftreinhalteverordnung. Siehe § 7a Abs 3 Stmk Luftreinhalteverordnung.

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im Gemeindegebiet von Kaindorf an der Sulm. Mit dem Verbot soll die Staubaufwirbelung durch derartige Geräte vermieden werden.128 In den §§ 5 und 6 Stmk Luftreinhalteverordnung sind schließlich Maßnahmen für die Landwirtschaft angeordnet. Diese dienen der Ammoniakreduktion.129 Ammoniak (NH3) entsteht hauptsächlich beim Abbau von organischem und mineralischem Dünger sowie bei der Lagerung von Gülle und ist ua für die Bildung von Feinstaub verantwortlich.130 Gem § 5 Abs 1 Stmk Luftreinhalteverordnung sind bei der Abfüllung staubender Schüttgüter aus Silos in allen Sanierungsgebieten131 geeignete Vorrichtungen zur größtmöglichen Verringerung der freien Fallhöhe zu verwenden. Die Ausbringung rasch wirksamer stickstoffhältiger Düngemittel hat nach den Bestimmungen des Aktionsprogramms Nitrat 2008132 zu erfolgen.133 Endlager für Gärrückstände von Biogasanlagen müssen in den Sanierungsgebieten mit gasdichten Abdeckungen ausgestattet sein (§ 5 Abs 3 Stmk Luftreinhalteverordnung). Eine Abdeckungsverpflichtung besteht auch für Gülleanlagen.134

4. Maßnahmen für das Verbrennen im Freien Hinzuweisen ist schließlich auf die in der Steiermark vorgesehenen Maßnahmen für das Verbrennen im Freien iSd § 15a IG-L. Wie zuvor bereits dargelegt,135 können nach der genannten gesetzlichen Bestimmung Ausnahmen vom Verbot des Verbren128

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Eine 2013 erstellte Studie der Technischen Universität Graz (vgl http://app.luis.steiermark.at/berichte/Download/Fachberichte/Bericht_Laubblaeser.pdf [15. 1. 2016]) zeigt, dass ein Laubbläser mindestens zehn Mal so viel Feinstaub aufwirbelt wie ein einfacher Rechen (Kleine Zeitung 29. 10. 2013 [Onlineausgabe]). Das Laubbläserverbot steht daneben auch im Dienste der Vermeidung und Verminderung massiver Lärmbelästigungen. So die Erläuterungen zur Stmk Luftreinhalteverordnung 2011 (http://www.verwaltung.steiermark. at/cms/dokumente/11685360_74835624/5cdf1966/LuftreinhalteVO%202011_Erl%C3%A4uterungen.pdf [15. 1. 2016]). Vgl etwa Holzer/Reischauer, Agrarumweltrecht. Landwirtschaft – Umwelt – Recht (2015) 188 ff. Siehe ferner http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/luft/luftschadstoffe/ammoniak (15. 1. 2016). Erfasst sind gem § 2 Stmk Luftreinhalteverordnung sowohl Feinstaubsanierungsgebiete als auch Sanierungsgebiete für den Luftschadstoff NO2. Näher dazu vgl Vogel, Wasserrecht, in Norer (Hrsg), Handbuch des Agrarrechts2 (2012) 455 (475 ff). Das Aktionsprogramm Nitrat 2008 wurde mittlerweile geändert (kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 4. 5. 2012, ABl 2012/87) und lautet nunmehr Aktionsprogramm Nitrat 2012. Ausführlich dazu vgl Holzer/Reischauer, Agrarumweltrecht 339 ff. Gleiches gilt für deren Einarbeitung auf landwirtschaftliche Nutzflächen ohne Bodenbedeckung (vgl § 5 Abs 2 Stmk Luftreinhalteverordnung). Im Detail siehe § 6 Stmk Luftreinhalteverordnung. Vgl dazu auch § 87 Stmk BauG idF der Baugesetz-Nov 2015, LGBl 2015/75. Vgl Abschnitt III.B.2.b).

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nens von Materialien außerhalb von Anlagen gem dem BLRG136 eingeschränkt oder aufgehoben werden.137 Eine Ausnahme für das im BLRG normierte Verbrennungsverbot besteht in der Steiermark ua für Brauchtumsfeuer gem der Brauchtumsfeuerverordnung.138 Die Zulässigkeit von Brauchtumsfeuern in der Steiermark139 wird in der genannten Verordnung allerdings mehrfach iSd § 15a IG-L eingeschränkt.140 So gilt in der Stadt Graz ein ganzjähriges Verbot von Brauchtumsfeuern.141 In bestimmten Gemeinden im Grazer und Leibnitzer Feld darf pro Gemeinde nur ein Brauchtumsfeuer entfacht werden, das von der Gemeinde zu veranstalten142 und bei der zuständigen BH anzuzeigen ist.143 Schließlich dürfen in Gemeinden, die in einem Sanierungsgebiet liegen,144 ausschließlich Osterfeuer145 und Sonnwendfeuer146 entfacht werden.147 Hinzuweisen ist auf die in § 4 Stmk Brauchtumsfeuerverordnung normierten Sicherheitsvorkehrungen bei der Entfachung von Brauchtumsfeuern. 136

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Gem § 3 Abs 1 BLRG ist das Verbrennen von biogenen und nicht biogenen Materialien außerhalb von dafür vorgesehenen Anlagen grundsätzlich verboten. Von diesem Verbot gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmen, und zwar ex lege Ausnahmen iSd § 3 Abs 3 BLRG, Ausnahmen durch Verordnung des LH (§ 3 Abs 4 BLRG) sowie Ausnahmen durch Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde (§ 3 Abs 5 BLRG). Näher dazu vgl Hojesky/Lenz/Wollansky, IG-L (2012) § 3 BLRG Rz 6 ff. Dies gilt nicht für das Verbrennen schädlingsbefallener biogener Materialien. Verordnung des LH von Steiermark über die Zulässigkeit von Feuer im Rahmen von Brauchtumsveranstaltungen (BGBl 2011/22, zuletzt idF BGBl 2015/38), gestützt auf § 3 Abs 4 BLRG. Weitere Ausnahmen vom Verbot des Verbrennens biogener Materialien außerhalb von Anlagen finden sich in der Verbrennungsverbot-AusnahmenVO, LGBl 2012/77, in der sich jedoch keine Einschränkungen iSd § 15a IG-L finden. Vgl § 3 Abs 1 Stmk Brauchtumsfeuerverordnung. Entsprechende Regelungen sahen auch bereits die IG-L-Maßnahmenverordnung, LGBl 2006/131 (§ 5 leg cit) und die IG-L-Maßnahmenverordnung 2008, LGBl 2007/96 (§ 4 leg cit) vor. Einschränkungen iSd § 15a IG-L sind ferner im Burgenland (vgl § 3 Burgenländische Verbrennungsverbots-Ausnahme-Verordnung, LGBl 2011/28) und in Oberösterreich (vgl § 5 Oö. Schädlingsverbrennungs-Verordnung 2012, LGBl 2012/26) vorgesehen. Vgl § 3 Abs 2 Stmk Brauchtumsfeuerverordnung. Vgl § 3 Abs 3 Stmk Brauchtumsfeuerverordnung. Vgl § 3 Abs 5 Stmk Brauchtumsfeuerverordnung. Erfasst sind gem § 2 Stmk Luftreinhalteverordnung sowohl Feinstaubsanierungsgebiete als auch Sanierungsgebiete für den Luftschadstoff NO2. Das Entzünden der Feuers ist im Zeitraum von 15 Uhr des Karsamstags bis 3 Uhr früh am Ostersonntag zulässig (vgl § 2 Z 2 lit a) Stmk Brauchtumsfeuerverordnung). Das Entzünden des Feuers ist am 21. Juni oder am nächsten, auf den 21. Juni nachfolgen Samstag zulässig. Sollte der 21. Juni auf einen Sonntag fallen, so kann das Sonnwendfeuer auch am vorhergehenden Samstag entfacht werden (vgl § 2 Z 2 lit b) Stmk Brauchtumsfeuerverordnung). Vgl § 3 Abs 4 Stmk Brauchtumsfeuerverordnung. Sonstige Brauchtumsfeuer – es sind dies Feuer im Rahmen regionaler Gebräuche, die auf eine langjährige, gelebte Tradition mit eindeutigem Brauchtumshintergrund verweisen können (§ 2 Z 2 lit c) Stmk Brauchtumsfeuerverordnung) – sind verboten.

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B. Maßnahmen im Bereich des Hausbrands Zur Feinstaubreduktion im Bereich des Hausbrands hat die Stmk LReg im Jahr 2011 ein spezielles Verbot von Festbrennstoffzweitheizungen verordnet. Rechtsgrundlage dafür ist der am 1. 1. 2012 in Kraft getretene § 3a Stmk Feuerungsanlagenverordnung,148 eine Durchführungsverordnung zum Stmk Feuerungsanlagengesetz (FAnlG).149 Gem § 3a Abs 1 leg cit ist in Zeiten mit besonders hoher Feinstaubbelastung im Sanierungsgebiet Großraum Graz150 der Betrieb von Feuerungsanlagen, die zusätzlich zu einer Primärheizungsanlage als Zweitheizung vorgesehen sind und mit festen Brennstoffen betrieben werden, untersagt. Eine besonders hohe Feinstaubbelastung liegt dann vor, wenn der Tagesmittelwert von 75 µg/m3 zumindest bei zwei Grazer Messstationen überschritten wird. Das Verbot tritt nach Ablauf von drei aufeinanderfolgenden Tagen mit besonders hoher Feinstaubbelastung in Kraft, wenn für den darauffolgenden Tag ebenfalls eine besonders hohe Feinstaubbelastung prognostiziert wird.151 Das Amt der Stmk LReg hat die Bevölkerung rechtzeitig und in geeigneter Weise über das bevorstehende Verbot zu informieren.152 In den Anwendungsbereich des Festbrennstoffzweitheizungsverbots fallen vor allem die in den letzten Jahren sehr beliebt gewordenen Kaminöfen (sog Schwedenöfen). Ausgenommen vom Verbot sind ortsfest gesetzte Speicheröfen (Kachelöfen).153 Alles in allem hat das von der Stmk LReg verordnete Festbrennstoffzweitheizungsverbot lediglich symbolhaften Charakter, ist es bislang doch erst dreimal in Kraft getreten, und zwar im Februar 2012 für bloß einen einzigen Tag, Anfang Jänner 2016 für einen halben (!) Tag154 und schließlich Ende Jänner 2016 für zweieinhalb Tage.155 Hinzuweisen ist abschließend auf ein ungleich effektiveres Maßnahmenbündel, und zwar auf das sog „Fernwärmepaket“ des Landes Steiermark.156 So wurden ua 148 149 150

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Verordnung, mit der Vorschriften für den Betrieb und die Überprüfung von Feuerungsanlagen sowie Anforderungen an Brennstoffe erlassen werden, LGBl 2006/108, zuletzt idF LGBl 2011/96. Vgl oben Abschnitt III.A.2. Das Sanierungsgebiet Großraum Graz besteht aus den Gemeindegebieten der Landeshauptstadt Graz, Feldkirchen bei Graz, Gössendorf, Grambach, Hart bei Graz, Hausmannstätten, Pirka, Raaba und Seiersberg (vgl § 3a Abs 1 Stmk Feuerungsanlagenverordnung). § 3a Abs 2 Stmk Feuerungsanlagenverordnung. Das Verbot endet nach Ablauf des ersten Tages, an dem der Tagesmittelwert von 75 µg/m3 nicht überschritten wird. Im Detail siehe § 3a Abs 4 Stmk Feuerungsanlagenverordnung. § 3a Abs 5 Stmk Feuerungsanlagenverordnung. Vgl Kleine Zeitung 8. 1. 2016, 22 bzw 9. 1. 2016, 18. Im Februar 2015 ist das Inkrafttreten knapp gescheitert – vgl Kleine Zeitung 18. 2. 2015, 25 bzw 19. 2. 2015, 16 f. Vgl Kleine Zeitung 27. 1. 2016 (Onlineausgabe) bzw 29. 1. 2016 (Onlineausgabe). Das Fernwärmepaket geht zurück auf das Luftreinhalteprogramm Steiermark 2011. Vgl http://app. luis.steiermark.at/berichte/Download/Fachberichte/LRP2011_FINAL_i.pdf (15. 1. 2016).

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im Bau- und Raumordnungsrecht Maßnahmen für eine Fernwärmeanschlusspflicht getroffen. Zunächst haben gem § 22 Abs 9 StROG157 die Gemeinden durch Verordnung für das Gemeindegebiet oder Teile desselben sog Fernwärmeanschlussbereiche festzulegen, das ist die Verpflichtung zum Anschluss an ein Fernwärmesystem.158 Voraussetzung dafür ist, dass die betreffende Gemeinde gem § 11 Abs 9 Z 1 StROG in einem Vorranggebiet zur lufthygienischen Sanierung liegt,159 sie ein kommunales Energiekonzept erlassen hat160 und für die Errichtung und den Ausbau der Fernwärmeversorgung eine verbindliche Zusage des Fernwärmeversorgungsunternehmens vorliegt. Fernwärmeanschlussbereichsverordnungen bedürfen der bescheidmäßigen Genehmigung der LReg.161 Bislang hat lediglich die Stadt Graz für bestimmte Teilgebiete Fernwärmeanschlussbereiche erlassen (betroffen sind insgesamt ca 50.000 Haushalte).162 Das Problem in Graz ist aktuell, dass der Wärmelieferungsvertrag des Verbunds für die Stadt Graz 2020 endet und noch unklar ist, wie es mit dem wirtschaftlich unrentablen Gaskraftwerk Mellach (dieses ist wichtigste Erzeugungsanlage im Grazer Fernwärmenetz) weitergeht.163 Mittlerweile verfügt die Energie Steiermark über eine behördliche Bewilligung für den Ausbau des Gaskraftwerks in der Grazer Puchstraße zur Fernwärmeversorgung.164 Gegen das geplante Heizkraftwerk wurden allerdings massive ökologische Bedenken vorgebracht.165 157 158 159

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Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 2010, LGBl 2010/49, zuletzt idF LGBl 2015/139. Als Fernwärmesysteme gelten die in § 22 Abs 9 Z 6 StROG genannten Einrichtungen. Vorranggebiete zur lufthygienischen Sanierung sind nach dem von der Stmk LReg erlassenen Entwicklungsprogramm für die Reinhaltung der Luft (LGBl 1993/58 idF LGBl 2011/53) mittlerweile sämtliche in der Stmk Luftreinhalteverordnung 2011 ausgewiesene Sanierungsgebiete. Gemeinden, die in einem Vorranggebiet zur lufthygienischen Sanierung liegen, sind gem § 22 Abs 8 StROG verpflichtet, ein kommunales Energiekonzept zu erlassen. Darin sind ua die Entwicklungsmöglichkeiten der Fernwärmeversorgung aus technischer, wirtschaftlicher und lufthygienischer Sicht für das Gemeindegebiet oder Teile desselben darzustellen (sog Fernwärmeausbauplan). Vgl dazu auch Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, Steiermärkisches Baurecht5 (2013) 162 bzw 1040. Zum aktuellen kommunalen Energiekonzept 2011 der Stadt Graz vgl http://www.graz.at/cms/beitrag/10178735/4243531 (15. 1. 2016). Vgl § 22 Abs 9 Z 3 und 4 StROG. Vgl den Fernwärmeanschlussbereich 2012 (Verordnung des Gemeinderates der Stadt Graz vom 14. 6. 2012) und den Fernwärmeanschlussbereich 2013 (Verordnung des Gemeinderates der Stadt Graz vom 4. 7. 2013). Zum Inhalt beider Verordnungen bzw zu den jeweiligen Erläuterungsberichten vgl http://www.graz.at/cms/ziel/5243065/DE/ (15. 1. 2016). Vgl etwa Kleine Zeitung 18. 1. 2014 (Onlineausgabe), 31. 5. 2014 (Onlineausgabe) oder 12. 6. 2015 (Onlineausgabe). Inzwischen hat ein Schiedsgericht entschieden, dass der Verbund nicht verpflichtet ist, das Mellacher Gaskraftwerk in Betrieb zu halten (vgl Kleine Zeitung 11. 9. 2015, 18 f ); auch ein Verkauf ist denkbar (vgl Kleine Zeitung 21. 10. 2015 [Onlineausgabe]). Vgl Kleine Zeitung 5. 1. 2016, 14 f. Nach einer 2015 im Auftrag des Verbunds erstellten Studie des Umweltbundesamtes „Analyse

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Ergänzend zur raumordnungsrechtlichen Bestimmung normiert § 6 Stmk BauG166 einen baurechtlichen Fernwärmeanschlussauftrag für alle Gebäude, in denen Räume beheizt werden und die sich in einem Fernwärmeanschlussbereich iSd § 22 Abs 9 StROG befinden.167 Die betreffenden Gebäude sind gem § 6 Abs 1 Stmk BauG verpflichtend an Fernwärmesysteme anzuschließen. Von der Fernwärmeanschlussverpflichtung sind freilich zahlreiche Gebäude bzw Räume ausgenommen, ua Gebäude, deren Beheizung mit anderen umweltfreundlichen Energieträgern (zB Solarenergie) erfolgt.168 Fernwärmeanschlussaufträge iSd § 6 Stmk BauG sind bei Neubauten zugleich mit der Baubewilligung169 und bei bestehenden Gebäuden in einem amtswegigen Verfahren mit Bescheid170 zu erlassen.171 In Gebäuden, die an die Fernwärme angeschlossen sind, dürfen gem § 6 Abs 8 Stmk BauG keine Feuerstätten verwendet werden. Zulässig ist allerdings der Betrieb von Kachelöfen als Zusatzheizung.

V. Schlussbemerkungen Die Steiermark hat im Kampf gegen Feinstaub und Stickoxide einiges getan. So haben zumindest die PM10-Grenzwertüberschreitungen in den letzten 10 Jahren tendenziell abgenommen. Dennoch ist gerade in der Steiermark und hier vor allem in Graz die Belastung der Bevölkerung durch Feinstaub und NOx immer noch sehr hoch, insb bei ungünstigen Wetterlagen. Der Ruf nach zusätzlichen Feinstaub- bzw NOx-Maßnahmen ist daher nur allzu berechtigt, nicht allein wegen des kürzlich eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens in Sachen Stickoxide Graz, sondern

Fernwärmeversorgung Graz“ (vgl http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/ REP0549.pdf [15. 1. 2016]) hätte das geplante Kraftwerk enorme Auswirkungen auf die Luftqualität in der Stadt Graz. Zu erwarten wären Stickoxidemissionen im Ausmaß von knapp 113 Tonnen jährlich; dies entspricht 12% der Emissionen des gesamten Straßenverkehrs. Vgl dazu auch Kleine Zeitung 2. 9. 2015, 18 f. 166 Steiermärkisches Baugesetz, LGBl 1995/59, zuletzt idF LGBl 2015/75. 167 Entscheidende Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 6 Stmk BauG ist somit die Erlassung einer Fernwärmeanschlussbereichsverordnung durch eine Gemeinde. So auch Trippl/Schwarzbeck/ Freiberger, Steiermärkisches Baurecht5, 162. 168 Im Detail vgl § 6 Abs 2 und 3 Stmk BauG. 169 Nach Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, Steiermärkisches Baurecht5, 162, handelt es sich dabei um eine zusätzliche Vorschreibung im Baubewilligungsbescheid. 170 Nach Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, Steiermärkisches Baurecht5, 163, handelt es sich dabei um einen baupolizeilichen Auftrag. 171 § 6 Abs 4 Stmk BauG. Zu den Fristsetzungen vgl § 6 Abs 5, 6 und 7 Stmk BauG.

Saubere Luft in der Steiermark?

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vor allem um unser aller Gesundheit willen. Nach einem Bericht der Europäischen Umweltagentur verursacht Feinstaub pro Jahr etwa 430.000 vorzeitige Todesfälle in der EU,172 ein Wert, der bei hoher Stickoxid-Belastung definitiv zunimmt.173 Nicht länger tabu sein dürfen vor allem zusätzliche verkehrsbezogene Maßnahmen. Dies vor dem Hintergrund einer stetigen Zunahme des motorisierten Individualverkehrs.174 Auch wenn in der Landeshauptstadt Graz die Einführung einer Umweltzone eine deutliche Absage durch die Bevölkerung erhielt,175 wäre es doch an der Zeit, eine sachliche Diskussion über Umweltzonen, Citymaut, autofreie Tage und Fahrverbote in Innenstädten zu führen. Letztendlich ist aber die Politik gefordert, adäquate bzw mutige Maßnahmen im Kampf gegen Feinstaub und Co zu setzen. Wie der VwGH mittlerweile entschieden hat,176 muss der einzelne Bürger dabei jedoch nicht tatenlos zusehen. Bei Grenzwertüberschreitungen können Betroffene nämlich entsprechende Luftreinhaltemaßnahmen bei den nationalen Behörden – gegebenenfalls unter Anrufung der Gerichte – einfordern.

172 Vgl Europäische Umweltagentur (Hrsg), Die Umwelt in Europa: Zustand und Ausblick 2015: Synthesebericht (2015) 12, 127, 142. Der Bericht ist online unter folgendem link abrufbar: http://www. eea.europa.eu/soer-2015/synthesis/die-umwelt-in-europa-zustand (15. 1. 2016). 173 So zeigen Studien schon bei NO2-Konzentrationen ab etwa 30 µg/m3 akute Auswirkungen auf die Sterblichkeit. Vgl dazu das VCÖ-Factsheet 2014-1 (http://www.vcoe.at/news/details/belastungdurch-stickoxide-ist-in-oesterreich-zu-hoch [15. 1. 2016]). 174 In der Steiermark gibt es mittlerweile mehr als eine Million angemeldete Kraftfahrzeuge bei ca 1,2 Mio Einwohnern. Vgl dazu auch Kleine Zeitung 26. 3. 2015 (Onlineausgabe), „Noch nie gab es im Land so viele Autos“. 175 In der 2012 durchgeführten Bürgerbefragung (die Beteiligung lag bei 30,58 Prozent) stimmten 69,64% gegen und lediglich 30,66% für die Umweltzone. Vgl Kleine Zeitung 17. 7. 2012 (Onlineausgabe); Die Presse 17. 7. 2012 (Onlineausgabe). 176 VwGH 28. 5. 2015, Ro 2014/07/0096 RdU 2015/132 (zust Schulev-Steindl).

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I. Dämme brechen „Dämme brechen ....“, so konnten wir, nämlich Wilhelm Bergthaler, Ferdinand Kersch­ner und die Verfasserin des vorliegenden Beitrages im Jahr 2015 in einem Editorial der Zeitschrift für Umweltrecht1 mit Blick auf die Aarhus-Konvention erfreut berichten und dabei festhalten: „Viele Jahre lang wurden individuelle Rechte im Umweltrecht, soferne sie nicht schon vom heimischen Gesetzgeber unmissverständlich zugestanden worden waren, sondern ihren Ursprung im Europarecht oder im internationalen Recht, wie in der Aarhus-Konvention, hatten, geleugnet, ignoriert oder weginterpretiert! Nun freilich zeitigt der ‚Kampf ums Recht’, den die Bürgerinnen und Bürger gleichwohl unverdrossen weiter geführt haben und den schon Jhering 2 so trefflich als Motor der Rechtsentwicklung skizziert hat, unübersehbare Erfolge“. Nachdem zunächst das Bundesverwaltungsgericht vorgeprescht war und aus dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot ein Antragsrecht von Umweltorganisationen im UVP-Feststellungsverfahren abgeleitet hatte,3 war sodann der Verwaltungsgerichtshof am Zug. In zwei bahnbrechenden Entscheidungen hat er, im Gefolge des EuGH, zentralen subjektiven Rechten Einzelner im Umweltrecht zum Durchbruch verholfen. Zum einen hat er nämlich ausgesprochen, dass Nachbarn die Möglichkeit haben müssen, einen negativen UVP-Feststellungsbescheid zumindest mittelbar anfechten zu können.4 Zum anderen hat er nunmehr bestätigt, dass * 1 2 3

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Ergänzte und aktualisierte Fassung des Vortrages vom 12.6.2015 am Grazer Umweltrechtsforum 2015. Editorial, RdU 2015, 177. Jhering, Der Kampf um’s Recht (1872). BVwG 11. 2. 2015, W104 2016940-1, RdU 2015/57 (Frommelt); aus methodischer Sicht freilich zu Recht kritisch Bergthaler, Öffentlichkeitsbeteiligung bei Großprojekten – aktuelle Herausforderungen im Lichte der Aarhus-Konvention, RdU-U&T 2015, 86 (89 f ); Bußjäger/Lampert, Öffentlichkeitsbeteiligung im UVP-Feststellungsverfahren, ecolex 2015, 910 (912). VwGH 22.6.2015, 2015/04/0002, RdU 2015/133 (Goby) im fortgesetzten Verfahren nach der Rs Gruber (FN 55).

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Bürgerinnen und Bürger ein „Recht auf saubere Luft“ haben, dh berechtigt sind, von der Verwaltung die Erstellung bzw Ergänzung eines Luftqualitätsplans und damit auch die Erlassung einer entsprechenden Verordnung zu verlangen!5 All diese und weitere Entscheidungen aus jüngerer Zeit6 stützen sich direkt oder indirekt auf die Aarhus-Konvention und die aus ihr erwachsenden Rechte der Zivilgesellschaft zur Durchsetzung des europäischen und nationalen Umweltrechts. Es scheint, als hätte die 1998 in Aarhus geschlossene und 2005 in Österreich in Kraft getretene Konvention7 in einem Dornröschenschlaf gelegen und hätte es erst mutiger Richter und Richterinnen bedurft, um sie aus der Agonie wachzuküssen, in der sie der Gesetzgeber jahrelang zu halten versucht hatte! Dieser neue „Erfolg“ der Aarhus-Konvention hat es mittlerweile regelrecht zur Mode werden lassen, sich vor innerstaatlichen oder supranationalen Gerichten auf sie zu berufen. Und zwar in allen möglichen, teils auch skurril anmutenden, Konstellationen. So beispielsweise, wenn vor dem EuGH die Frage aufgeworfen wird, ob nicht dadurch, dass Dienstleistungen von Rechtsanwälten der Mehrwertsteuer unterliegen, die Aarhus-Konvention verletzt ist, zumal diese doch in ihrem Art 9 Abs 4 und 5 verlangt, dass Verfahren nicht übermäßig teuer sein dürfen.8 Auch wenn der Konvention nicht die Funktion eines Preisregulativs für advokatorische Dienste zukommen mag, stellt sie doch neuerdings ohne Zweifel einen recht effektiven Schlüssel dar, der den Zugang zu Gerichten jedenfalls ein Stück weit zu öffnen vermag. Dieser „Access to Justice“ ist freilich nur eine, wenn auch die wohl wesentlichste der Säulen, auf denen die Konvention ruht:

II. Eine Konvention auf drei Säulen Grundgedanke der Aarhus-Konvention ist es, der Natur eine Stimme zu verschaffen. Dies, indem sie ihr die ideell interessierte bzw – Umweltschutz ist diesfalls zugleich auch Eigennutz (!) – die materiell „betroffene“ Öffentlichkeit9 zur Seite stellt. 5 6 7

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VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0096, RdU 2015/132 (Schulev-Steindl). Siehe unten Punkt IV. Übereinkommen von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten samt Erklärung, BGBl III 2005/88 (im Folgenden Aarhus-KV). EuGH Rs C-543/14, Vorabentscheidungsersuchen des Belgische Verfassungsgerichts v 27. 11. 2014, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a./Ministerrat ABl C 46 v 9.2.2015, 24. Vgl die Definition von „Öffentlichkeit“ bzw „betroffener Öffentlichkeit“ in Art 2 Z 4 und Z 5 Aarhus-KV; dazu eingehend Bachl, Die (betroffene) Öffentlichkeit im UVP-Verfahren (2015) 56 ff.

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Umweltorganisationen, Bürgerinitiativen, Nachbarn oder auch engagierte Einzelne werden so zu Fürsprecherinnen der Umwelt und Anwälten ihrer „Rechte“.10 Die Mittel, die ihnen dabei in die Hand gegeben sind, bilden die so genannten drei Säulen der Konvention: Information, Partizipation und Zugang zu Gerichten.11 Kann doch zum ersten, die Zivilgesellschaft der Umwelt nur dann Prozessstandschaft leisten, wenn sie entsprechende Informationen über mögliche Verletzungen umweltrechtlicher Vorschriften erhält. Und kann zum zweiten dem Umweltschutz präventiv oft bereits dadurch gedient werden, dass der Öffentlichkeit Mitspracherechte in umweltrelevanten Genehmigungsverfahren eingeräumt werden. Und blieben zum dritten Informations- und Mitspracherechte bloß papierene Ansprüche, wenn sie nicht auch durchsetzbar wären bzw ist eine solche gerichtliche Durchsetzbarkeit von Umweltschutzvorschriften, also ein Access to Justice, gerade dort notwendig, wo vorweg kein, bzw kein partizipatives, Verfahren stattgefunden hat. Dementsprechend verpflichtet Art 4 Aarhus-KV, die Vertragsparteien12 dazu, der Öffentlichkeit ohne Nachweis eines spezifischen Interesses und damit jedermann, ein Recht auf Umweltinformationen, dh auf Daten über den Zustand der Umwelt, Informationen über einschlägige Rechtsvorschriften, Politiken, Pläne, Programme etc,13 einzuräumen. Weiters normiert Art 6 Aarhus-KV eine Öffentlichkeitsbeteiligung an umweltrelevanten Genehmigungsverfahren, die im Wesentlichen den Kreis der auch der IPPC-Richtlinie14 und der UVP-RL15 unterliegenden Anlagen bzw 10

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Vgl nur Stone, Umwelt vor Gericht. Should trees have standing?² (1992). Wenn hier von „Rechten der Umwelt“ gesprochen wird, so ist dies in einem untechnischen Sinne gemeint, dh ohne auf die damit verbundene rechtsphilosophische Debatte eingehen zu wollen, dazu etwa Petersen, Anthropozentrik und Ökozentrik im Umweltrecht, ARSP 1997, 361 (364 ff); Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005) 66 ff; Kleiber, Der grundrechtliche Schutz künftiger Generationen (2014) 148 ff jeweils mwH. Zur Drei-Säulen-Struktur sowie zur Aarhus-KV allgemein etwa Epiney, UN/ECE-Konvention über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten („Aarhus-Konvention“), in Fluck/Theuer (Hrsg), Informationsfreiheitsrecht mit Umweltinformations- und Verbraucherinformationsrecht IF-R/UIG (32. EL 2015) F II.1; sowie für Österreich aus jüngerer Zeit Bachl, Öffentlichkeit 20 ff; Goby, Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten im Lichte der Aarhus-Konvention (2015) 36 sowie passim; T. Weber, Umweltschutz durch Rechtsschutz? Internationale und Europäische Vorgaben für den Rechtsschutz im Umweltrecht und ihre Umsetzung in Österreich – analysiert am Beispiel des Wasserrechts (2015) 6 ff. Dies sind derzeit 46 Staaten sowie die EU, siehe https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx? src=TREATY&mtdsg_no=XXVII-13&chapter=27&lang=en (18.1.2016). Art 5 Abs 3 Aarhus-KV. RL 96/61/EG, ABl L 1996/257, 26 bzw RL 2008/1/EG, ABl L 2008/24, 8, nunmehr Industrieemissions-RL 2010/75/EU, ABl L 2010/334, 17. RL 85/337/EWG, ABl L 1985/175, 40, nunmehr RL 2011/92/EU, ABl L 2012/26, 1.

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Vorhaben betreffen.16 Den Art 7 und 8 der Aarhus-KV zufolge haben die Vertragsparteien auch „Vorkehrungen“ für eine Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltbezogenen Plänen, Programmen und Politiken zu treffen bzw sich um eine solche auch im Hinblick auf die Vorbereitung allgemeiner Rechtsvorschriften zu „bemühen“. Artikel 9 Aarhus-KV schließlich bewehrt die in Art 4 und 6 vorgesehenen Informations- und Partizipationsrechte um Rechtschutzansprüche und dehnt diesen Zugang zu Gerichten zugleich auf einen weiteren Bereich aus. Dies, indem Art 9 Abs 3 Aarhus-KV die Vertragsparteien dazu verpflichtet, sicherzustellen, „dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.“ Diese für die Aarhus-KV zentrale Bestimmung des Art 9 Abs 3 sieht somit einen umfassenden Zugang zu Gerichten in Umweltsachen vor, der es insbesondere auch ermöglicht, bloß objektiv-rechtliche Rechtsverletzungen zu sanktionieren. Umweltrechtsverstöße können von Mitgliedern der Öffentlichkeit also auch dann vor Gericht gebracht werden, wenn die zugrundeliegenden Vorschriften, wie zB traditionellerweise im Naturschutzrecht17, nicht zugleich subjektive Rechte Betroffener, etwa von Nachbarn, normieren, sondern bloß dem öffentlichen Interesse dienen.18 Dementsprechend groß ist die Bandbreite der von Art 9 Abs 3 Aarhus-KV erfassten Rechtsvorschriften bzw potentieller Rechtsverstöße:19 Anfechtungsmaßstab sind alle „umweltbezogenen“ Bestimmungen innerstaatlicher Geltung, dh Vorschriften sowohl nationalen als auch supranationalen, insb europarechtlichen Ursprungs. Dabei kommen neben generell-abstrakten Regelungen, wie Gesetzen, Verordnungen sowie unmittelbar anwendbaren staatsvertraglichen und europarechtlichen Bestimmungen, grundsätzlich auch individuell-konkrete 16 17

Vgl Anh I der Aarhus-KV. Das Naturschutzrecht gilt als „klassisches Einparteienverfahren“; siehe aus jüngerer Zeit Köhler, Naturschutzrecht (2012) 68; typisch für dieses Rechtsgebiet ist freilich auch eine Interessenabwägung, in die – so K. Weber, Stand und Entwicklung des österreichischen Naturschutzrechts, JBl 2000, 701 (705) – neben öffentlichen auch grundsätzlich „individualrechtsfähige“ Interessen eingestellt werden. 18 Vgl Schulev-Steindl, Subjektive Rechte im öffentlichen Interesse? Anmerkungen zur Aarhus-Konvention, JRP 2004, 128. 19 Näher Schulev-Steindl, Rechtliche Optionen zur Verbesserung des Zugangs zu Gerichten im österreichischen Umweltrecht gemäß der Aarhus-Konvention (Artikel 9 Absatz 3) (2009) [https://www. bmlfuw.gv.at/umwelt/eu-international/umweltpolitik_internat/aarhus-konvention/aktivitaeten. html] 31 ff.

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Normen, wie Bescheide und Urteile, in Frage. Soweit umweltrelevante Sachverhalte mehrfach, also zB sowohl aus verwaltungs- als auch aus zivilrechtlicher Perspektive erfasst sind,20 erscheint es nicht geboten, parallele Rechtswege vorzusehen. Vielmehr sind primär Anfechtungsbefugnisse betreffend öffentlich-rechtliche Umweltvorschriften einzuräumen und kann mE der Zivilrechtsweg auf allfällige, öffentlich-rechtlich defizitär geregelte Bereiche beschränkt werden; auch ist von einer Subsidiarität des Strafrechts auszugehen.21 Anfechtungsgegenstände iSd Art 9 Abs 3 Aarhus-KV sind alle Verstöße von Privaten und Behörden gegen die genannten „umweltbezogenen“ Bestimmungen.22 Dies sind neben Handlungen und Unterlassungen Privater, die etwa gegen umweltrechtliche Zerstörungs- und Eingriffsverbote, Schutz-, Vorsorge- oder Genehmigungspflichten verstoßen, insbesondere rechtswidrige Handlungen und Unterlassungen von Behörden. Erfasst sind dabei Pflichten der Behörden zur Vornahme umweltrelevanter faktischer Akte, wie Kontroll-, Datenerhebungs-, Berichts- und Informationspflichten, ebenso wie Pflichten zur Setzung umweltrelevanter normativer Akte, dh Bescheide, verfahrensfreie Verwaltungsakte und Verordnungen. Dies etwa iZm der Zulassung umweltbeeinträchtigender Anlagen und Produkte oder von Eingriffen in Umweltmedien weiters im Hinblick auf Schutzpflichten, Pflichten zur Erteilung von Aufträgen zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes (womit auch Umweltrechtsverstöße Privater sanktioniert werden!) sowie Planungs- und Programmerstellungspflichten, wie der Pflicht zur Erlassung von Luftreinhalteplänen. Obzwar derartige Rechtsverstöße allgemein von Art 9 Abs 3 Aarhus-KV erfasst sind, bedeutet dies nicht, dass eine Anfechtung auch aufgrund jeder noch so geringfügigen Pflichtwidrigkeit möglich bzw erfolgreich sein muss. Es lässt sich nämlich auf der Ebene des Anfechtungsinstrumentariums eine gewisse Bagatellgrenze einziehen, sodass den Anforderungen der Konvention zB auch dann entsprochen ist, wenn Mitgliedern der Öffentlichkeit Zugang zu Gerichten nur eingeräumt ist, wenn es sich um schwerwiegendere Rechtsverstöße handelt bzw um solche, die zu erheblichen Umweltbeeinträchtigungen geführt haben.23 Auch fordert die Konvention keineswegs etwa, dass im Sinne einer actio popularis jedermann vorausset20

So ist etwa der Betrieb einer Anlage sowohl aus öffentlich-rechtlicher (zB gewerberechtlicher) als auch aus zivilrechtlicher Sicht (insb § 364a ABGB) geregelt; näher Schulev-Steindl, Rechtliche Optionen 38 ff, 42 f. 21 Schulev-Steindl, Rechtliche Optionen 40 f. In Richtung einer Subsidiarität des Strafrechts auch ACCC/C/2011/63 (Österreich), ECE/MP.PP/C.1/2014/3 Rz 56, 63 unter Verweis auf ACCC/C/ 2006/18 (Dänemark), ECE/MP.PP/2008/5/Add.4, siehe auch Goby, Rechtsschutz 338. 22 Näher Schulev-Steindl, Rechtliche Optionen 31 ff. 23 Näher Schulev-Steindl, Rechtliche Optionen 56, 75 f.

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zungslos Umweltrechtsverstöße einklagen können muss24 – vielmehr ist es durchaus zulässig, die Anfechtungsbefugnis an gewisse Kriterien zu knüpfen bzw auf Repräsentanten der Zivilgesellschaft, wie Umweltorganisationen, zu beschränken.25 Mit der Aarhus-KV wurden also – wie Barbara Goby in ihrer umfassenden Studie zur Konvention festhält26 – „echte Rechtspflichten der Staaten, Einzelnen unter bestimmten Voraussetzungen Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten einzuräumen“ erstmals völkerrechtlich statuiert. Über die Einhaltung dieser Pflichten, die viele Vertragsparteien, so auch Österreich (!), zwar vorbehaltlos eingegangen sind, aber nur sehr zurückhaltend erfüllen, wacht ein spezifisches Aarhus Convention Compliance Committee (ACCC), das in seinen „Findings and Recommendations“ allfällige Defizite der Vertragserfüllung aufzuzeigen hat.27 Schützenhilfe erhält es, insbesondere in letzterer Zeit, durch die Europäische Kommission bzw den EuGH. Dies insofern als auch die EU, neben ihren Mitgliedstaaten, Vertragspartnerin der Konvention ist, diese also unionsrechtlich ein gemischtes Abkommen darstellt28 und zugleich auch einen Bestandteil des Unionsrechts bildet.29

III. Zurückhaltung des Gesetzgebers In dieser „Doppelnatur“ der Aarhus-KV als völker- und europarechtlicher Rechtsquelle ist zugleich auch ein Kernproblem ihrer praktischen Umsetzung angelegt. Während nämlich die Union in Hinblick auf die erste und zweite Säule der Konvention relativ rasch zur Tat geschritten ist und die Mitgliedstaaten durch Richtlinien zur Implementierung des Rechts auf Umweltinformation30 und Partizipation in Anlagengenehmigungsverfahren31 angehalten hat, übt sie bislang im Bereich des 24 Näher Schulev-Steindl, Rechtliche Optionen 19 f; Goby, Rechtsschutz 83. 25 Bachl, Öffentlichkeit 81 ff; Goby, Rechtsschutz 92 ff; dort jeweils auch zur verfahrensrechtlichen Sonderstellung der Umweltorganisationen. 26 Goby, Rechtsschutz VI unter Berufung auf Epiney/Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht: Rechtsvergleich, völker- und europarechtliche Vorgaben und Perspektiven für das deutsche Recht (2002) 312. 27 Zur Frage der Rechtsverbindlichkeit und innerstaatlichen Einordnung dieser Findings bzw der diese bestätigenden Beschlüsse der Vertragsstaatenkonferenz sowie zu einem Überblick über das Compliance System T. Weber, Umweltschutz 8 ff. 28 Vgl v. Danwitz, Aarhus-Konvention: Umweltinformation, Öffentlichkeitsbeteiligung, Zugang zu den Gerichten, NVwZ 2004, 272 (277). 29 EuGH 8.3.2011, C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK, Rz 30. 30 Umweltinformations-RL 2003/4/EG, ABl L 2003/41, 26. 31 Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL 2003/35/EG, ABl L 2003/156, 17.

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Zugangs zu Gerichten, soweit er von Art 9 Abs 3 der Konvention vorgesehen ist, betonte Zurückhaltung: Zwar hat sie ihren eigenen Organen kraft Verordnung32 Pflichten im Sinne des Art 9 Abs 3 Aarhus-KV auferlegt und diesen insbesondere aufgetragen, Anträgen von NGOs auf interne Überprüfung umweltrechtlicher Verwaltungsakte bzw deren Unterlassung, soweit begründet, Rechnung zu tragen.33 Die Mitgliedstaaten, welchen nach Intention der EU die primäre Zuständigkeit im Bereich des Art 9 Abs 3 zukommen soll,34 blieben dagegen bislang von normativen Vorgaben zur Umsetzung dieser Bestimmung verschont. Anläufe für einschlägige Richtlinien-Gesetzgebung sind bislang stets im Sande verlaufen.35 So zuletzt im Frühjahr 2014, als der erste, bereits aus 2003 stammende Richtlinienvorschlag36 im Zuge der Deregulierungsagenda REFIT37 endgültig ausgemustert wurde.38 Die Hauptlast bei der Umsetzung des Zugangs zu Gerichten in Umweltsachen nach Art 9 Abs 3 Aarhus-KV lag und liegt also beim nationalen Gesetzgeber. Dieser hat freilich seine regulative Verantwortung – jedenfalls was Österreich betrifft39 – nur zögerlich wahrgenommen. War man doch zunächst davon ausgegangen, mit dem System der Umweltanwaltschaften bereits über eine probate Institution zur

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VO (EG) 1367/2006, ABl L 2006/264, 13 („Aarhus-VO“); dazu kritisch Goby, Rechtsschutz 240 ff, 263 ff, und T. Weber, Die Umsetzung der Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 2012, 137 (143 ff); siehe auch EuGH 13.1.2015, verb Rs C-404/12 P u C-405/12 P, Stichting Natuur en Milieu, Pesticide Action Network Europe, RdU 2015/56 (Goby). Art 10 Aarhus-VO; wird dem Antrag nicht entsprochen, kann gem Art 12 Aarhus-VO Klage beim Gerichtshof erhoben werden. Vgl die von der EU gem Art 19 Abs 5 Aarhus-KV abgegebene Erklärung zur Umsetzungszuständigkeit, wonach diese in Bezug auf Art 9 Abs 3 der Konvention primär bzw solange nicht die Union selbst tätig geworden ist, bei den Mitgliedstaaten liegt (Anh zu Beschl des Rates 2005/370/EG, ABl L 2005/124, 3). Näher Breuer/Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der Aarhus-Konvention, EurUP 2014, 293. Nachgezeichnet bei Goby, Rechtsschutz 249 ff. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, KOM (2003) 624 endg. COM(2013) 685 final (Anh zur Mitteilung der EK- Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT): Ergebnisse und Ausblick; http://ec.europa.eu/smart-regulation/docs/20131002-refit-annex_de.pdf ) 9. Siehe ABl C 2014/153, 3. Ähnliches lässt sich wohl auch für Deutschland konstatieren, vgl Bunge, Rechtsbehelfe in Umwelt­ angelegenheiten: Vorgaben der Aarhus-Konvention und deutsches Recht, NuR 2014, 605; sowie den Beitrag von Wegener, Germany, in Darpö, Effective Justice? Study on the Implementation of Articles 9.3 and 9.4 of the Aarhus Convention in the Member States of the European Union, http://ec.europa.eu/environment/aarhus/access_studies.htm (18.1.2016) 7 ff; siehe auch ebd Madner, Austria, zur Umsetzung in Österreich.

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Durchsetzung öffentlicher Umweltinteressen zu verfügen.40 Nun sind die mittlerweile in allen Bundesländern eingerichteten Umweltanwaltschaften41 in der Tat eine, auch im Ländervergleich,42 sehr positiv zu bewertende Institution und haben sich gerade auch die Umweltanwälte und -anwältinnen in den letzten Jahren besonders für adäquate gesetzliche Regelungen zur Umsetzung der Aarhus-KV stark gemacht.43 Umweltanwaltschaften sind freilich organisatorisch und finanziell dem Staat, in concreto den Ländern, zuzurechnen, und stellen daher gerade keine Vertretung der „Zivilgesellschaft“ iSd Aarhus-KV dar.44 Die Repräsentanten der Zivilgesellschaft selbst sind zwar, neben den traditionellen Nachbarn, als „Bürgerinitiativen“45 in das UVP-Genehmigungsverfahren und als „anerkannte Umweltorganisationen“ in dieses sowie in IPPC-Genehmigungsverfahren46 eingebunden.47 Im Hinblick auf Art 9 Abs 3 der Konvention hat man ihnen allerdings nur spärliche Rechte in die Hand gegeben: so steht ihnen im Falle von Umweltschäden nach dem B-UHG das Mittel der Umweltbeschwerde48 gegen behördliche Säumnis zur Verfügung – auch dies ist aber letztlich unionsrechtlichen

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Vgl implizit 654 BlgNR 22. GP 7. Vgl näher Meyer, Die Landesumweltanwaltschaften, RdU 2003, 4; für die Stmk siehe § 6 Gesetz über Einrichtungen zum Schutz der Umwelt, Stmk LGBl 1988/78 idF LGBl 2014/130. 42 Vgl Milieu, Summary Report on the inventory of EU Member States’ measures on access to justice in environmental matters (2007) 19, http://ec.europa.eu/environment/aarhus/study_access.htm (18.1.2016). 43 Donat/Frühstück/Kostenzer/Lins/Pöllinger/Rossmann/Schnattinger/Wiener, Stellungnahme zum dritten Österreichischen Umsetzungsbericht zur Aarhus-Konvention, RdU 2013, 196. 44 Näher Schulev-Steindl, Rechtliche Optionen 29 f sowie zuletzt Bachl, Öffentlichkeit 234 mwH. Im Jahr 2014 wurde eine vom OÖ Umweltanwalt gemeinsam mit sechs NGOs beim ACCC eingebrachte Beschwerde von diesem - ua mit der Begründung, die Beschwerde stamme (auch) von einem staatlichen Organ - als unzulässig zurückgewiesen, siehe ACCC/C/2013/97 (Österreich), ECE/ MP.PP/C.1/2014/2 (Report of the Compliance Committee on its forty-fourth meeting) para 30. Auch die EK erachtet die Institution des Umweltanwalts in Ihrem Mahnschreiben vom 10.07.2014, C(2014)4883 final, 10, als Verwaltungsbehörde, deren Einrichtung allein nicht ausreicht um die aus Art 9 Abs 3 Aarhus-KV resultierenden Verpflichtungen zu erfüllen.. 45 § 19 Abs 4 UVP-G. 46 § 356b Abs 7 GewO, § 43 Abs 1 Z 13, 14 AWG, § 121 Abs 13 MinroG, § 21 Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen, sowie für die Stmk § 4 Abs 2 Z 5 Steiermärkisches IPPC-Anlagen- und Seveso-Betriebe-Gesetz, Stmk LGBl 2016/14. 47 Näher jüngst Bachl, Öffentlichkeit 253. 48 Dazu Wessely, Terra incognita – Die Umweltbeschwerde, in FS Raschauer (2013) 671; Kleewein, in Hinteregger/Kerschner, B-UHG (2011) § 11; Schulev-Steindl, Umweltbeschwerde im Lichte der Aarhus-Konvention, in IUR/ÖWAV (Hrsg), Jahrbuch des österreichischen und europäischen Umweltrechts 2010, 169.

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Vorgaben der Umwelthaftungs-Richtlinie geschuldet.49 Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis NGOs die korrekte Umsetzung des Access to Justice nach der Konvention einforderten – und ihnen auch durch das ACCC Recht gegeben wurde: Dieses konstatierte 2012 neben Umsetzungsdefiziten im Bereich der Umweltinformation,50 dass die österreichische Rechtsordnung den Umweltorganisationen weitgehend, dh bis auf die eben genannten Bereiche, keine Klage- bzw Rechtsmittelbefugnis („standing“) gegen Umweltrechtsverstöße Privater und Behörden einräume und damit die Vorgaben des Art 9 Abs 3 Aarhus-KV nicht erfülle.51 In dieselbe Kerbe schlug kurz danach auch die Europäische Kommission: In einem 2014 aus Anlass eines Vertragsverletzungsverfahrens ergangenen Mahnschreiben warf sie Österreich – nicht zuletzt im Lichte der „Braunbär-Entscheidung“ des EuGH52 – vor, bei der Umsetzung von Art 9 Abs 3 Aarhus-KV im unionsrechtlich determinierten Naturschutz-, Wasser-, Abfall- und Luftqualitätsrecht in Bezug auf den Gerichtszugang für NGOs (und weitgehend auch für Einzelpersonen) eine „Nulllösung“ zu praktizieren und damit gegen seine nicht nur konventions-, sondern auch unionsrechtlichen Verpflichtungen zu verstoßen.53 Solch klarer Worte zum Trotz verharrte der österreichische Gesetzgeber freilich bislang weitgehend in seiner Passivität!

IV. Erfolg vor Gerichten Neuen Schwung in die verfahrene Situation haben demgegenüber in jüngerer Zeit die Gerichte gebracht54 – auch hier nimmt es nicht Wunder, dass wesentliche An49 50

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Art 12 und Art 13 Umwelthaftungs-RL 2004/35/EG, ABl L 2004/143, 56. Beanstandet wurde insb, dass nach dem UIG idF vor der Nov BGBl I 2015/95 die Ablehnung einer Mitteilung von Umweltinformationen seitens der Behörde nicht unmittelbar durch eine im Rechtsmittelweg bekämpfbare Entscheidung (dh einen Bescheid) zu ergehen hatte (siehe demgegenüber nunmehr § 8 Abs 1 UIG idgF). Bedenken äußerte das ACCC im Übrigen auch dahingehend, dass die den Nachbarn in UVP- und IPPC-Verfahren eingeräumten Beschwerderechte kraft „Schutznormtheorie“ auf den klassischen Nachbarschutz beschränkt wären und nicht auch auf (andere) Umweltschutzvorschriften erstreckt würden, ACCC/C/2010/48 (Österreich), Rz 66. ACCC/C/2010/48 (Österreich), ECE/MP.PP/C.1/2012/4, bestätigt durch die Konferenz der Vertragsstaaten per „Decision V/9b on compliance by Austria with ist obligations under the Convention“, ECE/MP.PP/2014/2/Add.1. Dazu Alge, Aarhus-Entscheidung: Österreich unter Handlungsdruck, RdU 2012, 109. Siehe unten bei FN 73. Aufforderungsschreiben der EK vom 10.07.2014, Vertragsverletzung Nr 2014/4111, C(2014)4883 final, 7 f, 10 f. Vgl nur in Bezug auf die UVP Lampert/Grassl, UVP: Ein Rückblick auf das Jahr 2015, ecolex 2016, 93.

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stöße von außen kamen: So hat der EuGH jüngst maßgebliche Entscheidungen in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung der zweiten Säule und den damit verbundenen Zugang zu Gerichten getroffen: Zum einen hat er in der Rechtssache Gruber55 klargestellt, dass sich Nachbarinnen und Nachbarn die bislang angenommene „Bindungswirkung“ eines Bescheides, mit dem die mangelnde UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens festgestellt wird, nicht vorhalten lassen müssen, zumal sie am entsprechenden Verfahren selbst nicht beteiligt werden.56 Vielmehr haben sie jedenfalls Anspruch auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines solchen negativen Feststellungsbescheids – was von der österreichischen Judikatur unmittelbar nachvollzogen wurde57 und den Gesetzgeber jüngst zu einer „minimal-invasiven“58 Korrektur des UVP-G gedrängt hat. Dies insofern als er der in § 3 Abs 7a UVP-G seit einigen Jahren – und gleichfalls auf europäischen Druck hin59 – eingeräumten Rechtsmittelbzw Beschwerdebefugnis für Umweltorganisationen gegen negative UVP-Feststellungsbescheide eine ebensolche für Nachbarn hinzugefügt hat.60 Außen vor bleiben Nachbarn und Nachbarinnen freilich im Feststellungsverfahren selbst, da sie in diesem auch künftighin nicht über Parteistellung verfügen.61 Auch steht ihnen weiterhin kein Antragsrecht auf Einleitung eines solchen Verfahrens zu. Insofern sind sie gegenüber den Umweltorganisationen im Nachteil; wurde diesen doch – wie eingangs erwähnt – kürzlich vom BVwG ein solches Antragsrecht unter Berufung auf die Aarhus-KV zugesprochen.62 Mit der Entscheidung Gruber hat der EuGH eine jahrelange literarische Debatte63 beendet und zugleich die in die Gegenrichtung zielende österreichische Ju-

55 EuGH 16.4.2015, C-570/13, Karoline Gruber, RdU 2015/84 (Berger). 56 Vgl § 3 Abs 7 S 6 UVP-G e contrario. 57 VwGH 22.6.2015, 2015/04/0002, RdU 2015/133 (Goby). 58 So Altenburger, Vom Lösen des Gruberschen Knotens – UVP-Novelle 2016 klein, Umweltrechtsblog, http://www.rechtsblog.at/umweltrecht/2016/01/28/vom-losen-des-gruberschen-knotens-uvpnovelle-2016-klein.html (28.1.2016). 59 Vgl die EB zur UVP-G-Nov BGBl I 2012/77 1809 BlgNR 24. GP 5, wo auf das mit Mahnschreiben der EK v 28. 2. 2012 gegenüber Österreich eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren Nr 2012/2013 verwiesen wird. 60 § 3 Abs 7a UVP-G idF BGBl I 2016/4. 61 § 3 Abs 7 UVP-G. 62 Abzuwarten bleibt freilich noch, ob auch der VwGH dieser Ansicht folgt. Für nicht als Umweltorganisationen anerkannte Vereine aber ablehnend BVwG 20.11.2015, W109 2115720-1. 63 Statt mehrerer Mauerhofer, NGOs und Einzelpersonen im UVP-Feststellungsverfahren, RdU 2006, 9 einerseits sowie Berger, UVP-Feststellungsverfahren und Rechtsmittelbefugnis: Revolution durch „Mellor“? RdU 2009, 66 andererseits sowie aus jüngerer Zeit jeweils mwH Bachl, Öffentlichkeit 434 ff; Goby, Rechtsschutz 52 ff; T. Weber, Umweltschutz 168 ff.

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dikaturlinie64 „overruled“. Selbiges gilt für ein weiteres rezentes Urteil des EuGH, Kommission/Deutschland,65 mit dem der Gerichtshof das System der verfahrensrechtlichen Präklusion in Frage gestellt hat.66 Dies dahingehend, dass er die mit der Präklusion verbundene Beschränkung eines Vorbringens vor Gericht auf zuvor schon im Verwaltungsverfahren erhobene Einwendungen als Verletzung des „Access to Justice“ für die beteiligte Öffentlichkeit, wie er von der UVP-RL67 in Umsetzung der Aarhus-KV gefordert wird, erachtet hat. Auch in diesem Punkt haben die österreichischen Gerichte ihre gegenteilige Ansicht68 aufgegeben.69 Um eine gesetzliche Neuregelung im Lichte der vom EuGH gemachten Vorgaben – dass nämlich zwar das Argument der Effizienz von Verwaltungsverfahren hinter das Ziel eines weiten Gerichtszugangs zurückzutreten habe, Regelungen zum Ausschluss missbräuch­ lichen Vorbringens aber zulässig seien70 – wird noch gerungen.71 Während es im Hinblick auf die beiden Säulen der „Information“ und „Partizipation“ sowie den damit verbundenen Gerichtszugang aufgrund der Regelungstätigkeit der EU absehbar war, dass der EuGH die nationale Umsetzung der Aarhus-KV in dem einen oder anderen Punkt nachschärfen würde,72 war dies im Bereich des Art 9 Abs 3 der Konvention weniger evident. Seit dem leading case in Sachen „Slowakischer Braunbär“ 73 ist freilich klar, dass der EuGH auch diesbezüglich Auslegungszuständigkeit beansprucht: Obzwar die Union den Mitgliedstaaten für die Umsetzung von Art 9 Abs 3 Aarhus-KV noch keine konkreten rechtlichen

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Vgl hierzu die Nachweise in VwGH 16.10.2013, EU 2013/0006 (2012/04/0040) V.1.1. EuGH 15. 10. 2015, C-137/14, Kommission/Deutschland. Vgl nur Mayer/T. Weber, Sind die verwaltungsrechtlichen Präklusionsvorschriften im UVP-Verfahren unionsrechtskonform? RdU 2011, 171 einerseits sowie Berger, UVP-Verfahren: Vereinbarkeit von Unionsrecht und Präklusion, RdU-U&T 2012, 38 andererseits; sowie aus jüngerer Zeit jeweils mwH Bachl, Öffentlichkeit 331 ff; Goby, Rechtsschutz 158 ff; T. Weber, Umweltschutz 159 ff. Art 11 UVP-RL. Siehe noch VwGH 27.9.2013 2010/05/0202 RdU 2014/105 (Kraemmer/Berl). Vgl BVwG 22.1.2016, W113 2017242-1, Pkt 2.2.1; zurückhaltend noch BVwG 12.11.2015 W193 2013859-1 sowie KLVwG 16.11.2015 1703-1704/16/2015. Die Frage inwiefern das „Präklusionsverbot“ über den Anwendungsbereich der UVP-RL hinaus greift, wurde mit VwGH 26.11.2015, EU 2015/0008-1 (Ra 2015/07/0055) dem EuGH vorgelegt. EuGH C-137/14, Kommission/Deutschland, Rz 80 f. Erste Analysen etwa bei Lindner/Berger, EuGH stürzt Präklusion, http://uvp-recht.blogspot. co.at/2015/10/eugh-sturzt-praklusion.html (18.1.2016) und Berl, Die Präklusion nach dem Urteil des EuGH in der Rs C-137/14, RdU 2016, 9. Für Deutschland siehe neben EuGH C-137/14, Kommission/Deutschland etwa EuGH 12.5.2011, C- 115/09, Trianel, sowie EuGH 7.11.2013, C-72/12, Altrip; dazu Bunge, Der Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten in Deutschland – Stand und offene Fragen, ZUR 2015, 531. EuGH C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK.

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Vorgaben gemacht habe, sei (von Art 9 Abs 3 der Konvention) ein „weitgehend vom Unionsrecht erfasster Bereich“ betroffen;74 im Ausgangsstreitfall nämlich die Frage, ob eine NGO „Beteiligte“ an einem Verwaltungsverfahren sein könne, in dem es um die Genehmigung von Ausnahmen vom Artenschutz für Tiere gehe, die, wie der Braunbär, von der Habitat-RL75 geschützt seien. Der EuGH erachtete sich daher auch für zuständig, die Frage zu beantworten, ob Art 9 Abs 3 Aarhus-KV unmittelbare Wirkung zukomme, womit Umsetzungsdefizite des nationalen Rechts relativ leicht hätten überspielt werden können. Er verneinte dies freilich zutreffenderweise: Die Bestimmung enthalte keine klare und präzise Verpflichtung, die die Rechtssituation Einzelner unmittelbar regeln könnte. Vielmehr hänge, da nur Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige im innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Inhaber der von Art 9 Abs 3 des Übereinkommens vorgesehenen Rechte seien, Durchführung und Wirkung dieser Bestimmung vom Erlass eines weiteren Rechtsakts ab.76 Dennoch fand sich im gegebenen Fall Abhilfe, und zwar in Form des Grundsatzes der „aarhuskonformen“ Auslegung, der unter Berufung auf den effet utile77 des Unionsrechts gewonnen werden konnte. Um nämlich, so der EuGH, die Ausübung der „durch das Unionsrecht gewährleisteten Rechte“ nicht praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, habe der nationale Richter sein „nationales Recht“ im Hinblick auf die Effektivität des Rechtsschutzes in den vom EU-Umweltrecht erfassten Bereichen soweit wie möglich im Einklang mit den Zielen des Art 9 Abs 3 Aarhus-KV auszulegen.78 Im zugrundeliegenden Fall bedeutete dies, dass das nationale Gericht, das „Verfahrensrecht“ soweit wie möglich im Einklang mit den genannten Zielen zu interpretieren hatte, um einer NGO die Anfechtung einer Entscheidung zu ermöglichen, die am Ende eines – möglicherweise in Widerspruch zum EU-Umweltrecht stehenden – Verwaltungsverfahrens ergangen ist. 79 Auch wenn dieser Ansatz einer „aarhuskonformen“ Interpretation sowie die daraus resultierende Klageberechtigung dogmatisch auf einer „diffusen Abstützung“ beruhen mag, „die aus einer allgemeinen völkerrechtlichen Verpflichtung, ihrer unionsrechtlichen Effektuierung und der hierdurch überformten, aber im nationalen Recht

74 EuGH C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK, Rz 36 ff. 75 RL 92/43/EWG, ABl L 1992/106, 7. 76 EuGH C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK, Rz 45. 77 Dazu Potacs, Effet utile als Auslegungsgrundsatz, EuR 2009, 465; dort (480) auch zum hier maßgeblichen Effektivitätsgebot als Ausprägung des effet utiles. 78 EuGH C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK, Rz 50. 79 EuGH C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK, Rz 51.

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wurzelnden Zugangsberechtigung besteht“,80 war er doch jedenfalls in der Lage, den Zugang zur Gerichtsbarkeit für Umweltorganisationen ein Stück weit zu öffnen. Dies auch und gerade im Luftreinhalterecht: So hat das deutsche Bundesverwaltungsgericht in seinem Darmstadt-Urteil aus 201381 den Anspruch einer Umweltorganisation auf „Aufstellung eines den zwingenden Vorschriften“ des europäischen und deutschen „Luftqualitätsrechts entsprechenden Luftreinhalteplans“82 anerkannt und zu seiner Durchsetzung der NGO in „aarhuskonformer“ Auslegung des § 42 Abs 2 VwGO83 Klagebefugnis wegen Verletzung in Rechten eingeräumt.84 Auch der EuGH hat 2014 aus Anlass eines von der britischen Umweltorganisation Client Earth angestrengten Verfahrens85 bekräftigt,86 dass solche Ansprüche auf Luftqualitätspläne bei entsprechender Betroffenheit87 nicht nur natürlichen, sondern auch juristischen Personen, und damit grundsätzlich auch NGOs,88 zustehen können. Schließlich hat jüngst auch der österreichische Verwaltungsgerichtshof bestätigt, dass aus dem EU-Recht subjektive Rechte Betroffener auf Erstellung bzw Abänderung von Luftqualitätsplänen erwachsen und – auch wenn dies im Hinblick auf die vom österreichischen Recht vorgesehene „Verordnungsförmigkeit“ solcher Pläne unüblich sein mag – mithilfe eines Antragsrechtes durchsetzbar sind.89 Die Beschwerdeführer des Verfahrens90 hatten sich zur Untermauerung ihres Anspruchs 80

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Franzius, Stärkungen des Verfahrensrechtsschutzes im Umweltrecht, EurUP 2014, 283 (285). Kritisch weiters etwa Schink, Der slowakische Braunbär und der deutsche Verwaltungsprozess, DÖV 2012, 622; für eine Übersicht über die Reaktionen der deutschen Verwaltungsgerichte und des Schrifttums siehe auch Schlacke, Zur fortschreitenden Europäisierung des (Umwelt-)Rechtsschutzes, NVwZ 2014, 11 (13). BVerwG 5.9.2013, 7 C 21.12, Darmstadt. BVerwG 5.9.2013, 7 C 21.12, Darmstadt, Rz 38. Gestützt wurde dieser Anspruch auf § 47 Abs 1 des deutschen Bundes-Immissionsschutzgesetzes, idF dt BGBl I 2010, 1059, welcher der Umsetzung der Luftqualitäts-RL 2008/50/EG dient. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), dt BGBl I 1991, 686 idF BGBl I 2015, 2490. BVerwG 5.9.2013, 7 C 21.12, Darmstadt, Rz 38. EuGH 19.11.2014, C-404/13, Client Earth. So schon EuGH 25.7.2008, C-237/07, Janecek, Rz 39. Die vom EuGH geforderte „unmittelbare Betroffenheit“ (vgl EuGH C-404/13, Client Earth, Rz 56) ist diesfalls idR wohl nicht eine „faktische“, sondern (ua gemessen an ihrem inhaltlichen wie örtlichen Wirkungsbereich) eine Form der „ideellen“ Betroffenheit einer Organisation. Siehe auch FN 92. IdS auch Klinger/Giera, Tu felix Deutschland? RdU 2014, 229 (235). VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0096 RdU 2015/132 (Schulev-Steindl). Wie der VwGH ausführt, besteht aufgrund eines solchen Antrags das Recht, bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen darüber in Form einer Sachentscheidung einen negativen Bescheid zu erhalten. Dazu sowie zur (weitergehenden) Durchsetzung des Anspruchs auf Erstellung von Luftqualitätsplänen näher Giera, in diesem Band. Herr DDipl.-Ing. Dr. H. Hoffmann und Frau L. Hoffmann; siehe den Diskussionsbeitrag von H. Hoffmann in diesem Band.

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auch auf Art 9 Abs 3 Aarhus-KV und das obgenannte Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts gestützt. Dies wurde vom VwGH freilich nicht weiter aufgegriffen – wohl deshalb, weil die Beschwerdeführer als Grazer Bürger überhöhten Feinstaubimmissionen ausgesetzt waren und so das anspruchsbegründende Kriterium der „unmittelbaren Betroffenheit“ zweifellos erfüllten.91 Stärker begründungsbedürftig iS eines Rekurses auf Art 9 Abs 3 Aarhus-KV ist demgegenüber die bislang in Österreich noch nicht ausjudizierte Frage einer entsprechenden Berechtigung bzw Antragsbefugnis von NGOs, zumal diese idR weniger auf eine faktische als vielmehr eine ideelle, etwa an ihrem Wirkungsbereich zu messende,92 Betroffenheit verweisen können: Während das Sbg LVwG in dieser Frage iZm dem Antrag einer Umweltorganisation auf Maßnahmen zur Einhaltung von Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerten bereits eine ablehnende Haltung eingenommen hat93, bleibt die Antwort des VwGH94 mit Spannung abzuwarten. Freilich dürften sowohl VwGH als auch VfGH grundsätzlich bereit sein, solche ideellen Betroffenheiten von Umweltorganisationen als rechtsbegründend, bzw den Zugang zu Gericht eröffnend, anzuerkennen. So hat nämlich zum einen der VfGH Ende 2014 aufgrund eines auf Art 139 B-VG gestützten Individualantrags einer NGO, in dem die Änderung eines Flächenwidmungsplans ohne Durchführung einer strategischen UVP bzw Naturverträglichkeitsprüfung gerügt wurde, ein entsprechendes Vorverfahren eingeleitet.95 Zum anderen hat der VwGH jüngst ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gestellt und diesem ua die Frage vorgelegt, ob sich eine Umweltorganisation auf die Wahrung des Verschlechterungsverbotes nach Art 4 WR-RL96 als ein ihr zukommendes Recht berufen kann und ob ihr ein solches Recht Zugang zu Gerichten iSd Art 9 Abs 3 Aarhus-KV vermittelt, sei es in Form einer bloßen Beschwerdebefugnis gegen den verfahrensabschließenden Bescheid, sei es über Parteistellung im vorangegangenen Verwaltungsverfahren.97

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Der VwGH hielt fest, dass eine anspruchsbegründende Betroffenheit jedenfalls bei Personen anzunehmen ist, die sich nicht nur vorübergehend im belasteten Gebiet aufhalten, sowie bereits dann vorliegt, wenn die entsprechenden Grenzwerte überschritten werden. Nicht erforderlich ist der Nachweis einer konkreten Gesundheitsgefährdung! 92 Vgl T. Weber, Umweltschutz 189. 93 Sbg LVwG 30.3.2015, LVwG-4/1228/5-2015. 94 Gegen das Erk wurde außerordentliche Revision erhoben. 95 VfGH V 87/2014-2; vgl Baulandwidmung in Schutzgebiet beschäftigt VfGH, 4.10.2014, http:// burgenland.orf.at/news/stories/2671847/ (18.1.2016). 96 Wasserrahmen-RL 2000/60/EG, ABl L 2000/327, 1. 97 VwGH 26.11.2015, EU 2015/0008-1 (Ra 2015/07/0055).

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V. Geschützte Rechte Dies leitet über zur Frage, welches denn diese Rechte eigentlich sind, die mithilfe einer Berufung auf die Aarhus-Konvention, insb deren Art 9 Abs 3 – im (mittlerweile sehr weiten) Anwendungsbereich des unionalen Umweltrechts – durchgesetzt werden sollen. Der EuGH hat im Braunbär-Urteil davon gesprochen,98 dass der nationale Richter sein „nationales Recht“ bzw das nationale „Verfahrensrecht“ im Hinblick auf die Effektivität des Rechtsschutzes „aarhuskonform“ auszulegen habe, um durch das Unionsrecht verliehene Rechte durchsetzbar zu machen. Es geht also prima vista um eine „aarhuskonforme“ bzw rechtsschutzfreundliche Auslegung des nationalen Verwaltungsverfahrens- sowie -prozessrechts – freilich nicht nur! Wie nämlich das deutsche BVerwG festgehalten hat, ist „den Urteilsgründen [der Braunbär-Entscheidung des EuGH] ... nichts zu entnehmen, was darauf schließen lassen könnte, dass sich die Verpflichtung der nationalen Gerichte, Auslegungsspielräume zugunsten von Klagerechten der Umweltverbände zu nutzen, allein auf Verfahrensrecht bezieht und lediglich bereits eingeräumte Mitwirkungsrechte prozessual verstärkt werden sollen“.99 Vielmehr ist auch das materielle Recht in den Blick zu nehmen und auf „rechtsbegründende“ Normen hin zu prüfen.100 Dies kann – wie im Darmstadt-Urteil – eine das EU-Recht umsetzende Vorschrift des innerstaatlichen Rechts sein, in concreto § 47 Abs 1 BImSchG, dem das BVerwG nicht nur die im Wortlaut klar zum Ausdruck kommende Behördenpflicht zur Aufstellung eines Luftreinhalteplans entnahm, sondern diese zugleich auch zugunsten anerkannter Umweltorganisationen subjektivierte und dementsprechend ein nach § 42 Abs 2 VwGO durchsetzbares Recht anerkannte.101 Die rechtsbegründende Vorschrift kann aber auch im unmittelbar anwendbaren Unionsrecht verortet werden, soferne sich keine bzw keine als entsprechend interpretierbar erachtete 98 99

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Siehe oben bei FN 78. BVerwG 5.9.2013, 7 C 21.12 Darmstadt, Rz 24 unter Bezugnahme auf Berkemann, Der slowakische Braunbär im deutschen Prozessrecht - Eine Analyse von EuGHE 2011 I-1255, DVBl 2013, 1137 (1145) und Schlacke, Stärkung überindividuellen Rechtsschutzes zur Durchsetzung des Umweltrechts – zugleich Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 8. März 2011 – Rs. C-240/09, ZUR 2011, 312 (315). Siehe eingehend T. Weber, Umweltschutz 83 ff. BVerwG 5.9.2013, 7 C 21.12 Darmstadt, Rz 38, wo es heißt: „§ 47 Abs. 1 BImSchG räumt nicht nur unmittelbar betroffenen natürlichen Personen, sondern auch nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltverbänden das Recht ein, die Aufstellung eines den zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts entsprechenden Luftreinhalteplans zu verlangen.“ Eine solche Auslegung sei (vgl Rz 48 des Urteils) durch Art 23 der Luftqualitäts-RL 2008/50/EG und Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention geboten. Zu dieser „Resubjektivierung des Rechtsschutzes durch das Bundesverwaltungsgericht“ siehe Franzius, EurUP 2014, 285 ff.

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nationale Rechtsvorschrift auffinden lässt. Eine solche Konstellation lag dem vom österreichischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Grazer Luftreinhalte-Fall zugrunde. Hielt dieser doch fest: „Nicht strittig ist zwischen den Verfahrensparteien, dass das IG-L selbst keine unmittelbare Rechtsgrundlage für die Annahme eines subjektiven Rechts der revisionswerbenden Parteien auf Erstellung oder Ergänzung eines Programmes nach § 9a IG-L bietet.“102 Strittig sei hingegen die Ableitung e­ ines solchen Rechts aus dem Unionsrecht, welches der VwGH freilich in der Folge, anknüpfend an die Judikatur des EuGH in den Rechtssachen Janecek und Client Earth,103 aus der Luftqualitäts-RL (insb deren Art 23) gewann. Trotz eines im Wesentlichen vergleichbaren Inhalts der zugrundeliegenden nationalen Luftreinhaltevorschriften, § 47 Abs 1 BImSchG einerseits und § 9a IG-L104 andererseits, die beide verbal bloß auf behördliche Pflichten abstellen, wurde also das relevante Recht, dh der Anspruch Einzelner auf Erstellung eines Luftreinhalte- bzw -qualitätsplans, einmal dem nationalen, das andere Mal aber dem unionalen Recht entnommen. Dies mag vor dem Hintergrund der österreichischen Rechtslage, die den Luftqualitätsplan (zum Teil) verordnungsförmig ausgestaltet hat,105 auch damit zu erklären sein, dass aus dem innerstaatlichen Recht Ansprüche Betroffener auf Erlassung einer Verordnung nur ganz ausnahmsweise erwachsen, spiegelt aber auch unterschiedliche interpretative Zugänge wider: Bekanntlich ist ja die Konzeption individueller Rechte auf der Ebene des Unionsrechtes eine viel breitere als jene des subjektiv-öffentlichen Rechts klassisch deutscher und österreichischer Prägung.106 Sie erfordert insb die Akzeptanz weitergehender, verdünnter faktischer Betroffenheiten als rechtsbegründend. So reicht es nach der Judikatur des EuGH für ein entsprechendes individuelles „Recht auf saubere Luft“ aus, dass die Luftqualitäts-RL den „Schutz der öffentlichen Gesundheit“ bezweckt,107 was nach dem herkömmlichen Auslegungstopos der so genannten „Schutznormtheorie“108 gerade nicht als rechtsbegründend erachtet 102 103 104 105

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VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0096, Pkt II. 2.1. Siehe oben FN 85 und FN 86. IVm § 10 IG-L siehe gleich FN 105. In Bezug auf das österreichische Recht ist davon auszugehen, dass Luftqualitäts-Pläne iSd Art 23 Luftqualitäts-RL aus einer Kombination von (so die hL) nicht-normativen Programmen gem § 9a IG-L und korrespondierenden Maßnahmenverordnungen gem § 10 IG-L bestehen; vgl die Hinweise bei Schulev-Steindl, RdU 2015/132 (210) sowie Giera und Schnedl, jeweils in diesem Band. Dazu statt aller jüngst eingehend Giera, Individualrechte im europäischen Umweltrecht und ihre Durchsetzung im nationalen Recht (2015). EuGH 25.7.2008, C-237/07, Janecek, Rz 37; EuGH 19.11.2014, C-404/13, Client Earth, Rz 55. Zur Schutznormtheorie statt aller Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht4 (2013) 408 f sowie

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würde. Im Hinblick auf Umweltorganisationen müssen darüber hinaus – und dies wird aus dem Braunbär-Urteil des EuGH deutlich – auch ideelle Betroffenheiten als Gründe für individuelle Rechte akzeptiert werden,109 dh also zB die am satzungsmäßigen Wirkungskreis zu messende Betroffenheit bzw das „Interesse“110 einer NGO an der Einhaltung des Umweltrechts. Wie auch immer: dieser erweiterten Konzeption des individuellen bzw subjektiven Rechts muss Rechnung getragen werden. „Soweit dies möglich ist“, durch die vom EuGH geforderte „aarhuskonforme“ Interpretation des materiellen nationalen Umweltrechts.111 Wo dies nicht möglich erscheint, müssen – wie beim „Recht auf saubere Luft“ – entsprechende, unmittelbar aus dem Unionsrecht erwachsende Rechte anerkannt werden; allenfalls entgegenstehendes nationales Recht ist als verdrängt zu erachten.112 Aus diesem weiteren, stärker interessensgeleiteten Ansatz individueller Rechte, der mE durchaus in das klassische Konzept subjektiver Rechte integriert werden kann,113 ergibt sich dann konsequenterweise auch eine „aarhuskonformere“ Auslegung und Anwendung der entsprechenden Verfahrensinstrumente. Allem voran betrifft dies die Frage der Parteistellung nach § 8 AVG: aus dem unionalen oder nationalen Recht gewonnene Ansprüche von Mitgliedern der Zivilgesellschaft, insb auch von NGOs, auf Einhaltung umweltrechtlicher Normen vermögen Parteistellung in einem entsprechenden Verwaltungsverfahren zu verschaffen.114 Sollte in bestimmten Konstellationen – zumal Art 9 Abs 3 Aarhus-KV explizit bezogen auf die Aarhus-Konvention Goby, Aktuelle Probleme der Aarhus-Konvention, in Schulev-Steindl (Hrsg), Ressourcenknappheit, Umwelthaftung und Naturgefahren (2013) 185 (197 ff). 109 T. Weber, Umweltschutz 188 f unter Verweis insb auf Klinger, Erweiterte Klagerechte im Umweltrecht? NVwZ 2013, 850; K. Weber/Schmid, Die Rechtsmittelbefugnis von Umweltorganisationen im Umweltverfahren, in FS Stolzlechner (2013) 705 (719 f ). 110 Insofern ergibt sich eine Annäherung an die zweite, der Aarhus-Konvention zugrundeliegende (und stärker dem französischen System entsprechende) Rechtsschutzkonzeption, der zufolge es für den Zugang zu Gerichten nicht der Verletzung eines subjektiven Rechts, sondern eines hinreichenden Interesses bedarf; dazu näher statt aller v. Danwitz, NVwZ 2004, 279 f mwN sowie Epiney, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht im Rechtsvergleich, NVwZ 2014, 465 (468 f ). 111 Für Beispiele aus dem Wasserrecht siehe T. Weber, Umweltschutz 192, 199 ff. 112 Vgl VwGH 5.11.2015, Ro 2014/06/0078, wonach zur Durchsetzung unionsrechtlich verliehener Rechte iSd Effektivitätsgrundsatzes § 25 Stmk VeranstaltungsG, LGBl 2012/88 idF 2013/156, der eine Parteistellung von Nachbarn ausschließt, fallbezogen unangewendet zu bleiben hat, um es den Nachbarn zu ermöglichen, im veranstaltungsrechtlichen Verfahren die UVP-Pflichtigkeit eines Projekts geltend zu machen. 113 Näher Schulev-Steindl, JRP 2004, 128. 114 K. Weber/Schmid in FS Stolzlechner 721 ff; T. Weber, Umweltschutz 184 ff; idS auch, wenngleich weitergehender, Weichsel-Goby in diesem Band.

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nur Anfechtungsbefugnisse verlangt – eine Parteistellung im vorangegangenen Verwaltungsverfahren nicht erforderlich sein,115 können solche Rechte bei „aarhuskonformer“ Interpretation die Legitimation zur Bescheidbeschwerde gemäß Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG vor den VwG sowie zur Erkenntnisbeschwerde nach Art 144 Abs 1 B-VG vor dem VfGH vermitteln.116 Im Hinblick auf Verordnungen ist schließlich auch ein Individualantrag nach Art 139 B-VG denkbar.117

VI. Offene Flanken Die Gerichte haben also Bewegung in Sachen Aarhus-Konvention gebracht: den Zugang zu ihren Pforten, den der Gesetzgeber – ganz im Sinne der Kafka’schen Türhüterparabel118 – der Zivilgesellschaft vorenthalten hat, haben sie selbst eröffnet! Dennoch bleiben offene Flanken und rechtspolitisches Unbehagen. Nicht nur gilt es, akute verfahrensrechtliche Probleme, wie die Neuregelung der Präklusionsfrage, zu lösen oder punktuell, wie durch das Urteil Gruber, aufgezeigte Lücken zu schließen. Es stellt sich vielmehr ganz grundsätzlich die Frage, warum der Gesetzgeber trotz eindeutiger völker- und europarechtlicher Verpflichtung sehenden Auges und notorisch untätig bleibt! So mancher mag sich mit dem Zeitgewinn „trösten“, der mit einem bloß stückweisen Erkämpfen von Rechtspositionen durch die Zivilgesellschaft verbunden ist. Andererseits: sind die Standards durch die (europäische) Gerichtsbarkeit erst einmal gesetzt – etwa indem eine weitgehende Subjektivierung des Umweltrechts im öffentlichen Interesse judiziert wird – gibt es nur schwer ein „Zurück“. Der Gesetzgeber hätte sich dann durch sein Zögern selbst um den ihm von der Konvention an sich zugestandenen Ausgestaltungsspielraum gebracht. Nicht zuletzt dies sollte die Legislative veranlassen, das Gesetz des Handelns wieder an sich zu reißen – entsprechende Studien und Umsetzungsvorschläge gibt es jedenfalls genug!

115 Näher Schulev-Steindl, Rechtliche Optionen 115 ff. Dieser Aspekt ist in der zweiten mit VwGH 26.11.2015, EU 2015/0008-1 (Ra 2015/07/0055) dem EuGH vorgelegten Frage angesprochen. 116 Vgl T. Weber, Umweltschutz 237. 117 Vgl T. Weber, Umweltschutz 227 ff; zum Problem des Säumnisschutzes bei Ansprüchen auf Verordnungserlassung ebenda 237 ff sowie insb Giera, Individualrechte 228 ff und dieselbe in diesem Band. 118 Kafka, Der Proceß (in der Fassung der Handschrift), Fischer-Taschenbuch-Verlag (2006)11 226 f.

Individualrechte im EU-Luftreinhalterecht: europäische und nationale Perspektive1 Ulrike Giera

I. Einleitung Einzelpersonen, Bürgerinitiativen und Umweltverbände begehren verstärkt Mitsprache in Umweltverfahren. Die Einbindung der Zivilgesellschaft in Umweltbelangen stellt die österreichische Rechtsordnung zum Teil vor große Herausforderungen. Die Europäische Union verfolgt schon seit Längerem das Ziel, den Vollzug des Unionsrechts durch die Einbeziehung der interessierten Öffentlichkeit zu stärken. Der EuGH hat Personen, die von der Überschreitung von Grenzwerten betroffen sind, das Recht zuerkannt, von den nationalen Behörden die Erstellung eines Luftqualitätsplans zu verlangen. Die österreichischen Behörden und Gerichte waren bei der Anerkennung eines solchen Anspruchs jedoch zunächst zurückhaltend.2 Nunmehr wurde die Frage nach dem Bestehen eines Antragsrechts auf die Erstellung eines Luftqualitätsplans und dessen Durchsetzung im nationalen Recht vom VwGH geklärt.3 Der folgende Beitrag beleuchtet die Rechtsgrundlagen des sog Rechts auf saubere Luft auf unionaler sowie nationaler Ebene. Dabei werden insbesondere die Rsp des EuGH und die Anforderungen, die der EuGH aus in europäischen Umweltrichtlinien normierten Individualrechten ableitet, untersucht. In der Folge wird am Beispiel des Luftqualitätsplans gezeigt, wie unionale Individualrechte in der österreichischen Rechtsordnung systemkonform durchgesetzt werden können. 1

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Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Meinung der Autorin wieder. Er beruht auf zwei einschlägigen Publikationen der Autorin zum Thema Individualreche im Luftreinhalterecht: Giera, Individualrechte im europäischen Umweltrecht (2015); Klinger/Giera, Tu felix, Deutschland? Das europäische Recht auf saubere Luft und seine Umsetzung im nationalen Recht Österreichs und Deutschlands, RdU 2014, 229. Bescheid des stmk LH v 28.8.2013, GZ ABT13-05.00-7/2012-41; stmk LVwG 6.6.2014, 41.12572/2014-6; Bescheid des sbg LH v 14.8.2014, 205-01/1785/10-2014; sbg LVwG 30.3.2015, 4/1228/52015. VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0096 mit Anm Schulev-Steindl, Subjektives Recht auf Erlassung oder Ergänzung eines Luftqualitätsplans, RdU 2015, 208.

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II. Europäisches Luftreinhalterecht A. Luftqualitätsrichtlinie 2008/35/EG Zentrale Rechtsgrundlage für das Recht auf saubere Luft bildet die Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG4, die die zuvor geltende Luftqualitätsrichtlinie 96/62/EG5 und deren sog ersten drei Töchterrichtlinien6 ersetzt. Sie ist auf eine Reihe von Luftschadstoffen, wie etwa Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid, Blei oder PM10, anwendbar. Die Luftqualitätsrichtlinie enthält Vorgaben zur Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität sowie zur Ausarbeitung von Luftqualitätsplänen. Eines ihrer Ziele besteht gem Art 1 Z 1 in der „Definition und Festlegung von Luftqualitätszielen, zur Vermeidung, Verhütung oder Verringerung schädlicher Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt insgesamt.“ Je nach Luftschadstoff legt die Luftqualitätsrichtlinie Grenz- oder Zielwerte und/oder Alarmschwellen fest. Grenzwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit sieht die Luftqualitätsrichtlinie für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid, Benzol, Kohlenstoffmonoxid, Blei, PM2,5 und PM10,7 Zielwerte für Ozon und PM2,58 sowie Alarmschwellen für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Ozon vor.9 Um die Einhaltung der Grenz- oder Zielwerte bzw Alarmschwellen sicherzustellen, normiert die Luftqualitätsrichtlinie die Verpflichtung für die Mitgliedstaaten sog Luftqualitätspläne (Art 23) sowie Pläne für kurzfristige Maßnahmen (Art 24) auszuarbeiten. Werden die Grenz- oder Zielwerte zuzüglich einer jeweils festgelegten Toleranzmarge in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum überschritten, so sind die Mitgliedstaaten gem Art 23 Luftqualitätsrichtlinie verpflichtet, für das jeweilige Gebiet oder den jeweiligen Ballungsraum einen Luftqualitätsplan zu erstellen. Die Pläne müssen geeignete Maßnahmen enthalten, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann.10 Demgegenüber sind Pläne für kurzfristige Maßnahmen zu erstellen, wenn die Gefahr besteht, dass Alarmschwel4 5 6

7 8 9 10

ABl L 2008/152, 1. ABl L 1996/296, 55. RL 1999/30/EG des Rates v 22.4.1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft, ABl L 1999/163, 41; RL 2000/69/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v 16.11.2000 über Grenzwerte für Benzol und Kohlenmonoxid in der Luft, ABl L 2000/313, 12; RL 2002/3/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v 12.11.2002 über den Ozongehalt der Luft, ABl L 2002/67, 14. Siehe Anhänge XI, XIV. Siehe Anhänge VII, XIV. Siehe Anhang XII. Art 23 Abs 1 UAbs 2 LuftqualitätsRL.

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len überschritten werden. In diesen Plänen sind jene Maßnahmen festzulegen, die kurzfristig zu ergreifen sind, um die Gefahr der Überschreitung zu verringern oder deren Dauer zu beschränken. Im Falle der Gefahr einer Überschreitung von Grenzoder Zielwerten haben die Mitgliedstaaten – im Unterschied zu einer drohenden Überschreitung von Alarmschwellen – Ermessen, ob sie solche Pläne für kurzfristige Maßnahmen erstellen.11

B. Das Recht auf saubere Luft in der Rechtsprechung des EuGH 1. Anspruch auf Einhaltung von Grenzwerten Das Recht auf saubere Luft wurde maßgeblich vom EuGH entwickelt. Bereits zu Beginn der 1990er Jahre setzte sich der EuGH in einer Reihe von Urteilen zur Umsetzung von umweltrechtlichen Richtlinien mit der Frage auseinander, inwieweit aus Richtlinienbestimmungen klagbare Rechte abgeleitet werden können.12 Der EuGH bejahte in diesen Urteilen einen generellen Anspruch betroffener Personen auf die Einhaltung von Grenzwerten. So entschied er etwa im Luftqualitätsurteil zu Schwefeldioxid und Schwebestaub, dass die Verpflichtung der Mitgliedstaaten Grenzwerte zu normieren, „insbesondere zum Schutz der menschlichen Gesundheit“ geschaffen worden sei. Daraus schloss der Gerichtshof, dass „die Betroffenen in allen Fällen, in denen die Überschreitung der Grenz­ werte die menschliche Gesundheit gefährden könnte, in der Lage sein müssen, sich auf zwingende Vorschriften zu berufen, um ihre Rechte geltend machen zu können“.13 In der Folge erweiterte der EuGH den Anspruch auf Einhaltung von Grenzwerten dahingehend, dass betroffene Personen generell in Richtlinien normierte Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit durchsetzen können müssen.14

11 12

13 14

Art 24 Abs 1 LuftqualitätsRL. EuGH 28.2.1991, C-131/88, Kommission/Deutschland (Grundwasser); EuGH 30.5.1991, C-361/88, Kommission/Deutschland (Schwefeldioxid u Schwebestaub); EuGH 30.5.1991, C-59/89, Kommission/Deutschland (Blei); EuGH 17.10.1991, C-58/89, Kommission/Deutschland (Oberflächenwasser); EuGH 12.12.1996, C-298/95, Kommission/Deutschland (Muschelgewässer). EuGH 30.5.1991, C-361/88, Kommission/Deutschland (Schwefeldioxid u Schwebestaub), Rz 16. Vgl idS auch EuGH 30.5.1991, C-59/89, Kommission/Deutschland (Blei), Rz 19. EuGH 17.10.1991, C-58/89, Kommission/Deutschland (Oberflächenwasser), Rz 14; EuGH 12.12.1996, C-298/95, Kommission/Deutschland (Muschelgewässer), Rz 16.

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2. Anspruch auf Erstellung eines Plans Im Feinstauburteil Janecek15 griff der EuGH auf diese Rsp zurück. Dem Vorabentscheidungsverfahren lag die Klage von Herrn Janecek zugrunde, der vom Freistaat Bayern die Aufstellung eines Aktionsplans zur Luftreinhaltung forderte. In seiner Wohngegend in München wurden die Feinstaubgrenzwerte weit mehr als die nach Unionsrecht bzw deutschem Recht zulässigen 35 Mal überschritten. Nach deutschem Recht war jedoch ein solcher Anspruch nicht vorgesehen, weshalb das deutsche BVerwG mit einem Vorlageantrag den EuGH befasste.16 Gem Art 7 Abs 3 der Luftqualitätsrichtlinie 96/62/EG waren die Mitgliedstaaten verpflichtet bei der Gefahr der Überschreitung der Grenzwerte und/oder Alarmschwellen Aktionspläne zu erstellen, in denen sie Maßnahmen festlegten, die kurzfristig zu ergreifen waren, um die Gefahr der Überschreitung zu verringern oder deren Dauer zu beschränken. Der EuGH stellte zunächst fest, dass Art 7 Abs 3 der Luftqualitätsrichtlinie 96/62/ EG eine klare Verpflichtung für die Mitgliedstaaten normiere, bei der Gefahr einer Überschreitung von Grenzwerten sowie von Alarmschwellen Aktionspläne zu erstellen.17 Es wäre mit dem zwingenden Charakter einer RL unvereinbar auszuschließen, dass betroffene Personen die durch eine RL vorgeschriebenen Verpflichtungen geltend machen könnten. Dies gelte insbesondere für RL zur Eindämmung und Reduzierung der Luftverschmutzung, die den Schutz der öffentlichen Gesundheit bezwecken. Betroffene müssten immer dann, wenn die Nichtbefolgung von Maßnahmen aus Luft- oder Trinkwasserrichtlinien, die zum Zweck des Schutzes der menschlichen Gesundheit vorgeschrieben würden, die menschliche Gesundheit gefährden könnten, sich auf die zwingenden Vorschriften der betreffenden RL berufen können.18 Aus diesen Überlegungen leitete der EuGH schließlich ab, dass „natürliche oder juristische Personen, die unmittelbar von der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen betroffen sind, bei den zuständigen Behörden – gegebenenfalls unter Anrufung der zuständigen Gerichte – erwirken können müssen, dass beim Vorliegen einer solchen Gefahr ein Aktionsplan erstellt wird.“19 Im Urteil Stichting Natuur en Milieu bestätigte der EuGH seine Rsp betreffend 15 16

17 18 19

EuGH 25.7.2008, C-237/07, Janecek. Vgl zu den vorangegangenen Verfahren Scheidler, Der Feinstaub vor dem Europäischen Gerichtshof, NVwZ 2008, 1083 (1083); Hentschel/Wurzel, Nochmals Feinstaub: Das Urteil des BVerwG vom 27.9.2007, NVwZ 2008, 165; Wöckel, Der Feinstaubschleier lichtet sich – rechtlich II, NuR 2008, 32. EuGH 25.7.2008, C-237/07, Janecek, Rz 35. EuGH 25.7.2008, C-237/07, Janecek, Rz 37 f. EuGH 25.7.2008, C-237/07, Janecek, Rz 42.

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die Erstellung von Plänen und Programmen. Art 6 NEC-RL20 enthalte eine unzweideutige Verpflichtung nationale Programme für die fortschreitende Verminderung der nationalen Emissionen zu erstellen, um bis Ende 2010 die in der NEC-RL vorgesehenen Höchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe21 einzuhalten. Unmittelbar betroffene natürliche und juristische Personen könnten insofern bei den zuständigen Behörden die Einhaltung und Umsetzung solcher unionsrechtlicher Normen erwirken, wobei die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, geeignete und schlüssige Politiken und Maßnahmen einzuführen oder zu planen, die in ihrer Gesamtheit geeignet sein müssten, Emissionen der betreffenden Schadstoffe auf eine Weise zu verringern, dass die in der NEC-RL genannten nationalen Höchstmengen bis spätestens Ende 2010 eingehalten werden.22 Ihre Fortsetzung fand diese Judikaturlinie im Urteil ClientEarth, in dem der EuGH erneut entschied, dass natürliche oder juristische Personen, die unmittelbar von der Überschreitung der Grenzwerte betroffen sind, bei den nationalen Behörden – gegebenenfalls unter Anrufung der zuständigen Gerichte – erwirken können müssen, dass ein Luftqualitätsplan erstellt wird.23 Eine Besonderheit dieses Verfahrens war, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens eine Umweltorganisation und keine natürliche Person war. Mit dem ClientEarth-Urteil ist nunmehr auch explizit klargestellt, dass der Anspruch auf Planerstellung sich nicht bloß auf Pläne für kurzfristige Maßnahmen (die früheren Aktionspläne), sondern auch auf – langfristig wirkende – Luftqualitätspläne erstreckt. Zum Teil war in Österreich die Meinung verbreitet, dass das Janecek-Urteil, das noch zur Luftqualitätsrichtlinie 96/62/EG erging, nicht auf die Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG übertragbar sei, da die Mitgliedstaaten bei der Gefahr der Überschreitung von Grenz- und Zielwerten gem Art 24 Ermessen hinsichtlich der Erstellung von Plänen für kurzfristige Maßnahmen haben.24 Allerdings handelt es sich auch bei den Luftqualitätsplänen nach der Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG – ebenso wie bei den früheren Aktionsplänen – um eine zwingende Verpflichtung, die unter keinem Vorbehalt steht und hinsichtlich deren Erlassung den Mitgliedstaaten kein Ermessen eingeräumt wurde, so dass diese Auffassung bereits bisher unzutreffend war.25 20 21 22 23 24 25

RL 2001/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v 23.10.2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe, ABl L 2001/309, 22. Gemäß Art 4 sind dies Schwefeldioxid, Stickstoffoxide, flüchtige organische Verbindungen und Ammoniak. EuGH 26.5.2011, C-165/09 bis C-167/09, Stichting Natuur en Milieu, Rz 100 ff. EuGH 19.11.2014, C-404/13, ClientEarth, Rz 56. Vgl etwa stmk LVwG 6.6.2014, 41.1-2572/2014-6. Vgl dazu Klinger/Giera, RdU 2014, 231.

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3. Kreis der Klageberechtigten Nach der Rsp des EuGH sind neben natürlichen auch juristische Personen, die von Grenzwertüberschreitungen betroffen sind, berechtigt, die Erstellung eines Luftqualitätsplans zu fordern. Dies hat der EuGH bereits in der Rechtssache Janecek klargestellt und in der Folgejudikatur bestätigt.26 Zur Klagebefugnis juristischer Personen führte der EuGH in der Rechtssache Lesoochranárske zoskupenie VLK – besser bekannt unter dem Stichwort „Slowakischer Braunbär“ – in Hinblick auf Umweltorganisationen weiter aus, dass die nationalen Gerichte das Verfahrensrecht „so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art 9 Abs 3 des Übereinkommens von Aarhus als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen [haben], um es einer Umweltschutzorganisation […] zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten.“27 Der EuGH leitete damit aus Art 9 Abs 3 der Aarhus-Konvention ab, dass Umweltorganisationen die Möglichkeit haben müssen, umweltbezogene Entscheidungen anzufechten. Das dt BVerwG stellte unter direktem Verweis auf dieses EuGH-Urteil fest, dass Umweltorganisationen das Recht haben, die Ergänzung eines Luftqualitätsplans zu fordern.28 Anders als natürliche Personen müssen Umweltorganisationen damit von der Überschreitung von Grenzwerten nicht unmittelbar betroffen sein. Allerdings ist auch der Zugang von Umweltorganisationen zum Verwaltungsverfahren nicht bedingungslos, denn Art 9 Abs 3 der Aarhus-Konvention normiert explizit, dass Mitglieder der Öffentlichkeit Zugang zu einem Verfahren haben, „sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen“.29 Das Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetz normiert bspw – im Rahmen der 2. Säule der Aarhus-Konvention – eine Reihe von Voraussetzungen, die Umweltverbände erfüllen müssen, um als Partei im UVP-Verfahren zugelassen zu werden.30 26

EuGH 25.7.2008, C-237/07, Janecek, Rz 39; EuGH 26.5.2011, C-165/09 bis C-167/09, Stichting Natuur en Milieu, Rz 104; EuGH 19.11.2014, C-404/13, ClientEarth, Rz 56. 27 EuGH 8.3.2011, C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK, Rz 51. 28 BVerwG 5.9.2013, 7 C 21.12; vgl dazu etwa Frenz, Notwendige Untersuchung von Umweltverbands- und Individualklage, UPR 2014, 1 (1); Wilhelm, NGOs können Luftreinhalteplan einklagen – in Deutschland! ecolex 2013, 849. 29 Vgl Klinger, Erweiterte Klagerechte im Umweltrecht? NVwZ 2013, 850 (851). 30 § 19 Abs 6 UVP-G, BGBl 1993/697 idF BGBl I 2014/14: Umweltverbände müssen demnach als Verein oder Stiftung organisiert sein, ihr Zweck im Schutz der Umwelt bestehen. Weiters müssen sie gemeinnützige Ziele verfolgen und vor ihrer Antragstellung auf Anerkennung gemäß § 19 Abs

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III. Konzeption der EU-Individualrechte Der EuGH verfolgt mit der Zuerkennung von Individualrechten ua eine Einbindung Betroffener in den Vollzug des Unionsrechts, um Vollzugsdefiziten, die im Unionsrecht generell und insbesondere im europäischen Umweltrecht auftreten,31 entgegenzuwirken.32 Diese Tendenz, die betroffene Öffentlichkeit für die Durchsetzung des Rechts zu mobilisieren33, führt zu einer mitunter großzügigen Zuerkennung von Individualrechten.34 Bei der Ableitung von Individualrechten stellt der EuGH zunächst auf den Zweck bzw das Ziel der Richtlinie ab.35 Im Umweltrecht besteht dieses Ziel im Schutz des menschlichen Lebens bzw der Gesundheit in Verbindung mit dem Schutz der Umwelt.36 Richtlinien, deren Ziel im Umweltschutz liegt, schützen idR auch – zumindest mittelbar – die menschliche Gesundheit, so dass davon auszugehen ist, dass Umweltschutzrichtlinien grundsätzlich geeignet sind, Individualrechte zu begründen.37 Allerdings muss das Regelungs- bzw Schutzkonzept – etwa die Festlegung von Luftgrenzwerten – auf die Rechtsgüter bzw Interessenssphäre natürlicher oder auch juristischer Personen bezogen sein, damit aus einer Richtlinienbestimmung Individualrechte abgeleitet werden könnten.38 Richtlinien, deren Ziel lediglich im Umweltschutz besteht und nicht wenigstens mittelbar auf den Schutz von Menschen gerichtet ist, begründen dagegen idR keine Individualrechte für 7 UVP-G mindestens drei Jahre mit dem Zweck des Umweltschutzes bestanden haben. 31 Vgl dazu Giera, Individualrechte 29 ff mit zahlreichen Nachweisen. 32 Etwa Kokott, Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, Die Verwaltung 1998, 332 (360) mwN. 33 Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts (1997); vgl auch Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft (1996) 157 ff, 220 ff, der von einer „funktionalen Subjektivierung“ der UnionsbürgerInnen spricht. 34 ZB Öhlinger/Potacs, EU-Recht und staatliches Recht5 (2014) 56 ff, 119 ff; Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention (2010) 184 f. 35 So etwa Beljin, Dogmatik und Ermittlung der Unionsrechte, Der Staat 2007, 489 (508); Madner, Stand der Umsetzung und Umsetzungsprobleme des EG-Umweltrechts in Österreich, in Abfallwirtschaftsverband (Hrsg), Umweltrecht zwischen Gemeinschaftsrecht und Deregulierung (1998) 77; Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz (2008) 92; Schwerdtfeger, Verwaltungsrechtsschutz 154. 36 Vgl Schwerdtfeger, Verwaltungsrechtsschutz 154. 37 Schwerdtfeger, Verwaltungsrechtsschutz 154; Epiney/Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht (2002) 375; Giera, Individualrechte 114. 38 Vgl etwa Frenz, Handbuch Europarecht V Wirkungen und Rechtsschutz (2010) Rz 1191; Epiney/ Sollberger, Zugang 364; Madner, Rechtsstaatliche Anforderungen für die Umsetzung von Richtlinien und die Anpassung nationalen Rechts an europarechtliche Vorschriften in der Judikatur des EuGH, in Griller/Rill (Hrsg), Verfassungsrechtliche Grundfragen der EU-Mitgliedschaft (1997) 105 (123).

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Einzelpersonen.39 Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob naturschutzrechtliche Bestimmungen einen ausreichenden Bezug zu den Rechtsgütern bzw Interessen von Einzelpersonen haben können, um Individualrechte begründen zu können.40 In Hinblick auf juristische Personen ist zu differenzieren: Umweltverbände sind jedenfalls berechtigt an umweltbezogenen Verfahren mitzuwirken und dabei etwa Behörden aufzufordern tätig zu werden.41 Allerdings geht der EuGH auch bei juristischen Personen davon aus, dass diese unmittelbar betroffen sein können. So hat er im Trianel-Urteil festgestellt, dass der Begriff der „Rechtsverletzung“ – im Anwendungsbereich der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie42 – nicht an Voraussetzungen geknüpft werden dürfe, die nur andere natürliche oder juristische Personen erfüllen könnten, wie zB die Voraussetzung, dass der Betreffende ein mehr oder weniger enger Nachbar einer Anlage sei oder auf die eine oder andere Weise den Auswirkungen des Betriebs der Anlage ausgesetzt sei.43 Damit geht der EuGH davon aus, dass auch juristische Personen selbst von Umweltauswirkungen betroffen sein können. Insofern dürften nicht nur Leben und Gesundheit, sondern auch das Eigentum geschützt sein. Allerdings bezieht sich die Luftqualitätsrichtlinie lediglich auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt44, so dass im Anwendungsbereich der Luftqualitätsrichtlinie wohl nur Eigentumseingriffe geltend gemacht werden können, die auch gleichzeitig die Umwelt beeinträchtigen.45 Ermittelt wird das Schutzziel der Richtlinie, sofern es sich nicht bereits explizit aus den Erwägungsgründen oder der Festlegung des Anwendungsbereichs der Richtlinie ableiten lässt, durch eine objektiv-teleologische46 Interpretation im Gesamtkontext der Richtlinie.47 Das Unionsrecht bewirkt mit dem Abstellen auf das Schutzziel aber keine zahlenmäßige Einschränkung der Klageberechtigten. Individualrechte werden unabhängig davon zuerkannt, ob eine Person bloß als Teil der Allgemeinheit geschützt wird, oder ob sich ihre Interessen von jenen der Allgemein39

Schoch, Die Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, in Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch/ Kemper/Lehmann-Grube (Hrsg), Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht (2003) 507 (519). 40 Vgl dazu Giera, Individualrechte 117 f mwN. 41 Vgl Kapitel II.B.3. 42 RL 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v 26.5.2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme, ABl L 2003/156, 17. 43 EuGH 12.5.2001, C-115/09, Trianel, Rz 47. 44 Art 1 Z 1 Luftqualitätsrichtlinie. 45 Giera, Individualrechte 118 f; vgl zu den Ausführungen des EuGH in Hinblick auf juristische Personen auch T. Weber, Umweltschutz durch Rechtsschutz? (2015) 76 ff. 46 Nettesheim, Subjektive Rechte im Unionsrecht, AöR 2007, 334 (368 f ). 47 Vgl Beljin, Der Staat 2007, 509; Schwerdtfeger, Verwaltungsrechtsschutz 154.

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heit abgrenzen lassen. Die im österreichischen Recht unter der Schutznormtheorie gebräuchliche Differenzierung zwischen Allgemein- und Individualinteressen existiert im Unionsrecht als solche nicht.48 Der EuGH leitete diese Individualrechte in seiner Rsp stets aus Normen ab, die eine objektive behördliche Verpflichtung begründeten: Betroffene haben zwar das Recht, die Behörde aufzufordern, die Erstellung eines Luftqualitätsplans zu fordern, der geeignete Maßnahmen umfassen muss, damit die Einhaltung der Grenzwerte sichergestellt und der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich ist.49 Sie haben aber keinen Anspruch auf die Ergreifung bestimmter Maßnahmen, wie zB die Einrichtung einer Umweltzone.50 Betroffene Personen können damit lediglich die behördliche Verpflichtung aktivieren, tätig zu werden. Der Anspruch leitet sich reflexartig aus der behördlichen Verpflichtung ab und beschränkt sich inhaltlich auf die Geltendmachung dieser Verpflichtung; ein umfassendes materielles subjektives Recht wird dadurch aber nicht begründet.51

IV. Österreichisches Luftreinhalterecht A. Das Immissionsschutzgesetz-Luft Die zentrale Rechtsgrundlage zur Umsetzung der Luftqualitätsrichtlinie bildet das Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L)52. Das IG-L normiert Grenz- und Zielwerte sowie Alarmwerte und regelt die Überwachung von Immissionen sowie die Vorgehensweise im Falle von Überschreitungen der Grenz-, Ziel- und Alarmwerte. Wenn Grenz- oder Zielwerte überschritten werden, so hat der zuständige Landeshauptmann auf der Grundlage einer durchgeführten Statuserhebung ein Programm zu erstellen, in dem Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung festgelegt werden.53 Das 48

49 50 51 52 53

Vgl etwa Oestreich, Individualrechtsschutz im Umweltrecht nach dem Inkrafttreten der Aarhus-Konvention und dem Erlass der Aarhus-Richtlinie, Die Verwaltung 2006, 29 (52); Epiney/Sollberger, Zugang 366 ff; vgl auch Potacs, Einfluss des EU-Rechts auf das nationale Verwaltungsrecht, in Hummer/Obwexer (Hrsg), 10 Jahre EU-Mitgliedschaft Österreichs (2006) 241 (245); vgl weiters VwGH 28.05.2015, Ro 2014/07/0096. ZB EuGH 19.11.2014, C-404/13, ClientEarth, Rz 41, 57. EuGH 25.7.2008, C-237/07, Janecek, Rz 44, 47. Vgl dazu Giera, Individualrechte 124 f. BGBl I 1997/115 idF 2010/77. Auch die Vorgängerrichtlinie 96/62/EG und deren sogenannte Töchterrichtlinien wurden im IG-L umgesetzt. § 9a IG-L. Die Programme können neben hoheitlichen Maßnahmen auch solche der Privatwirtschaftsverwaltung vorsehen.

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Programm seinerseits bildet die Basis für die vom Landeshauptmann zu erlassende Maßnahmenverordnung gemäß § 10 Abs 1 IG-L, in der die zu ergreifenden hoheitlichen Maßnahmen verbindlich angeordnet werden.54 Die unionsrechtlichen Vorgaben betreffend Luftqualitätspläne wurden damit über einen zweistufigen Prozess in das österreichische Recht umgesetzt.55 Aktionspläne – im IG-L findet sich trotz der mit der Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG im Unionsrecht erfolgten Umbenennung in „Pläne für kurzfristige Maßnahmen“ weiterhin der aus der Luftqualitätsrichtlinie 96/62/EG übernommene Begriff „Aktionspläne“ – sind nur für die Gefahr der Überschreitung der Alarmwerte von Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid in § 26b IG-L vorgesehen. Für die übrigen Luftschadstoffe, für die Grenz- und Zielwerte vorgeschrieben sind, besteht keine korrespondierende Verpflichtung zur Erstellung von Aktionsplänen, so dass von einer – weiterhin56 – unionsrechtswidrigen Umsetzung der Luftqualitätsrichtlinie auszugehen ist. Auch wenn nämlich die neue Luftqualitätsrichtlinie die Erstellung von Plänen für kurzfristige Maßnahmen nur mehr für die Gefahr der Überschreitung der Alarmschwellen für Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid verpflichtend vorschreibt und in Hinblick auf Grenz- und Zielwerte in das Ermessen der Mitgliedstaaten stellt, kann daraus nicht geschlossen werden, dass im nationalen Recht für Grenz- und Zielwerte keine entsprechende Ermessensbestimmung über die Planerstellung zu normieren ist.57 Obwohl nach der Rsp des EuGH ein Anspruch betroffener Personen auf Einhaltung von Grenzwerten sowie auf Erstellung eines Luftqualitätsplans bzw eines Plans für kurzfristige Maßnahmen besteht, wurden im IG-L keine entsprechenden Ansprüche normiert. Der Anspruch auf Einhaltung von Grenzwerten sowie auf die Erstellung eines Luftqualitätsplans ist damit unmittelbar aus der Luftqualitätsrichtlinie abzuleiten.58

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Während die Programme gemäß § 9a IG-L neben hoheitlichen Maßnahmen auch solche der Privatwirtschaftsverwaltung vorsehen können, sind in den Maßnahmenverordnungen gemäß § 10 Abs 1 IG-L die nach den §§ 13 bis 16 IG-L zu ergreifenden hoheitlichen Maßnahmen festzulegen. Dies sind Maßnahmen für Anlagen, für den Verkehr oder für Stoffe, Zubereitungen und Produkte. 55 Vgl Giera, Individualrechte 197; so auch Schulev-Steindl, RdU 2015, 210. 56 Vgl zur europarechtswidrigen Umsetzung der alten Luftqualitätsrichtlinie 96/62/EG Schulev-Steindl, Mögliche (wirksame) Maßnahmen nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft, in Wagner/Kerschner (Hrsg), Immissionsschutzgesetz-Luft (2008) 75 (79). 57 Vgl zur Umsetzung der Erstellung von Plänen für kurzfristige Maßnahmen in das nationale Recht Giera, Individualrechte 198. 58 Vgl dazu Giera, Individualrechte 199 f.

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B. Das Recht auf saubere Luft in der Rechtsprechung der österreichischen Verwaltungsgerichte Die Einhaltung von Luftgrenzwerten hat auch die Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beschäftigt.59 Während die Unterinstanzen – mit Ausnahme des Landeshauptmannes von Salzburg60 – einen Anspruch auf Erstellung eines Luftqualitätsplans mit der Begründung ablehnten, dass ein solches subjektives Recht nicht existiere,61 anerkannte ihn der VwGH62. Das Salzburger Verfahren unterschied sich von den übrigen insofern, als der Antrag des Ökobüros auf Erlassung geeigneter Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid zwar für zulässig erachtet und die Antragslegitimation von Umweltverbänden damit anerkannt wurde, der Antrag aber als inhaltlich unbegründet abgewiesen wurde.63 Gegen den Bescheid wurde Beschwerde an das LVwG Salzburg erhoben, das das Bestehen eines derartigen Antragsrechts im Gegensatz zur Entscheidung des Landeshauptmannes verneinte.64 Der VwGH hingegen bejahte zunächst dem Grunde nach den Anspruch auf Erstellung eines Luftqualitätsplans, wies die Klage jedoch mangels Vorliegens einer unmittelbaren Betroffenheit der Beschwerdeführerin ab. Im Ausgangsverfahren wurde die Erstellung eines ausreichenden Messnetzes für Feinstaub PM10 sowie die Erlassung eines Maßnahmenpakets, das die „Einhaltung der Grenzwerte für Feinstaub (PM10) im gesamten Bundesland sowohl kurz- als auch langfristig sicherstellt“ beantragt. Eine unmittelbare Betroffenheit könne – so der VwGH – aber nicht für das gesamte Bundesland vorliegen.65 Das zweite vom VwGH zu entscheidende Verfahren, das die Erzwingung von Luftreinhaltemaßnahmen zum Gegenstand hatte, endete hingegen mit der Bejahung der Antragslegitimation und der Anerkennung des Anspruchs. Der VwGH stellte unter Berufung auf die Rechtssachen Janecek und ClientEarth fest, dass natürliche Personen, sofern sie unmittelbar von einer Überschreitung der Grenzwerte betroffen seien, bei den nationalen Behörden erwirken können müssten, dass ein 59 60 61 62 63 64 65

Vgl zu den zivilrechtlichen Verfahren den Beitrag „Ausgewählte Fälle zum Recht auf saubere Luft“ von Marlies Meyer in diesem Band. Bescheid des sbg LH v 14.8.2014, 205-01/1785/10-2014. Stmk LVwG 6.6.2014, 41.1-2572/2014-6; vgl zu den Entscheidungen des LH und der LReg im nö Verfahren die Begründung in VwGH 26.6.2012, 2010/07/0161. VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0096. Bescheid des sbg LH v 14.8.2014, 205-01/1785/10-2014. Sbg LVwG 30.3.2015, 4/1228/5-2015. VwGH 26.6.2012, 2010/07/0161 mit Anm Wagner, Unmittelbare Beeinträchtigung der eigenen Gesundheit zur Antragslegitimation erforderlich, RdU 2012, 212.

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Luftqualitätsplan erstellt werde, wenn durch die Behörde die Einhaltung der sich aus der Richtlinie ergebenden Anforderungen nicht gewährleistet wurde und auch die Frist für die Einhaltung nicht verlängert wurde66. In Bezug auf die Betroffenheit hielt der VwGH fest, dass Personen, die in einem Gebiet leben, in dem Grenzwerte überschritten werden, unmittelbar von den Grenzwertüberschreitungen betroffen seien. Eine im Unterschied zur Allgemeinheit bestehende „besondere Betroffenheit“ sei nicht erforderlich, um die Einhaltung der Grenzwerte als subjektives Recht geltend machen zu können.67

V. Vollzug der Individualrechte auf nationaler Ebene A. Subjektive Rechte und Verordnungsform Der Anspruch auf Erstellung eines Luftqualitätsplans wurde im Zuge der Umsetzung der Luftqualitätsrichtlinie nicht in österreichisches Recht aufgenommen.68 So wurde weder ein subjektives Recht für betroffene Personen, die Erlassung eines Luftqualitätsplans zu fordern, noch ein Verfahren zur Durchsetzung dieses Anspruchs normiert.69 Der Anspruch ist daher direkt aus der Luftqualitätsrichtlinie abzuleiten. Das nationale Recht ist richtlinienkonform zu interpretieren bzw der Anspruch direkt auf die Luftqualitätsrichtlinie zu stützen, da sich aus dem Wortlaut des IG-L keinerlei Anhaltspunkte für eine solche richtlinienkonforme Interpretation ergeben.70 Mangels einheitlicher unionaler Verfahrensvorschriften ist der Anspruch auf Erstellung eines Luftqualitätsplans über das nationale Verfahrensrecht durchzusetzen. Die Mitgliedstaaten sind aber im Rahmen ihrer sog Verfahrensautonomie an die Vorgaben, die der EuGH in seiner Rsp zum mitgliedstaatlichen Vollzug ent­wickelt hat, gebunden: Insbesondere dürfen nationale Verfahren zur Durchsetzung des Unionsrechts nicht ungünstiger ausgestaltet werden als Verfahren, die gleichwertige rein 66

Gemäß Art 22 LuftqualitätsRL können die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen die Verlängerung der Fristen für die Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid, Benzol oder PM10 bei der Europäischen Kommission beantragen. 67 VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0096. 68 Vgl Kapitel IV.A. 69 Vgl Wagner, Europarechtliche Vorgaben – Trends – Drittschutz, in Wagner/Kerschner (Hrsg), Immissionsschutzgesetz- Luft (2008) 39 (65 ff); Potacs, Subjektives Recht gegen Feinstaubbelastung? ZfV 2009, 874 (875 f ); Klinger/Giera, RdU 2014, 233. 70 Vgl Giera, Individualrechte 199.

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innerstaatliche Sachverhalte betreffen (Äquivalenzgrundsatz). Außerdem darf die Anwendung der nationalen Verfahren nicht dazu führen, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (Effektivitätsgrundsatz).71 Die Durchsetzung der unionsrechtlich garantierten Rechte muss also praktisch möglich sein.72 Die Mitgliedstaaten können sich nicht auf nationale Vorschriften berufen, die den (effektiven) Vollzug des Unionsrechts verhindern. Sie sind vielmehr verpflichtet, im nationalen Recht Verfahren bereitzustellen, die die effektive Durchsetzung der unionsrechtlich garantierten Rechte sicherstellen.73 Insofern kann dem Anspruch auf Erstellung eines Luftqualitätsplans auch nicht entgegengehalten werden, dass ein Luftqualitätsplan im österreichischen Recht in Form einer Verordnung74 erlassen wird und subjektive Rechte auf den Erlass einer Verordnung im österreichischen Recht grundsätzlich nicht existieren.75 Zwar werden Verordnungen idR von Amts wegen erlassen und bestehen Antragsrechte nur in Ausnahmefällen. Zudem gibt es kein dem AVG vergleichbares Verfahrensrecht für den Erlass von Verordnungen, das die Parteistellung im Verordnungsverfahren regelt und Rechtsschutz sicherstellt.76 Diese im nationalen Recht bestehenden Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des Anspruchs auf Erstellung eines Luftqualitätsplans vermögen aber nichts an der unionsrechtlichen Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu ändern, die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen und für effektiven Rechtsschutz zu sorgen. Insbesondere können Um- und Durchsetzungsschwierigkeiten – selbst wenn sie rechtsstruktureller Art sind – nicht zur Versagung eines unionsrechtlich garantierten Anspruchs führen.77

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Etwa EuGH 14.12.1995, C-312/93, Peterbroeck, Rz 12; EuGH 7.1.2004, C-201/02, Delena Wells, Rz 67. 72 So bereits Klinger/Giera, RdU 2014, 234. 73 Vgl Art 19 Abs 1 UAbs 1 EUV; s weiters EuGH 19.11.2014, C-404/13, ClientEarth, Rz 56. 74 Vgl dazu Kapitel IV.A. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass bereits das Programm nach § 9a IG-L den Luftqualitätsplan umsetzt, treten ähnliche Probleme auf, da auch hinsichtlich der Erzwingung faktischer Akte (sog Realakte) in der österreichischen Rechtsordnung Rechtsschutzlücken bestehen; vgl dazu B. Raschauer, Realakte, schlicht hoheitliches Handeln und Säumnisschutz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Rechtsschutz gegen staatliche Untätigkeit (2011) 265. Zum nicht-normativen faktischen Charakter der Programme nach § 9a IG-L Schulev-Steindl, Maßnahmen 82. 75 Statt aller Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht Bd 1 (1988) 714 ff. 76 B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht4 (2013) Rz 788 f. 77 Vgl Giera, Individualrechte 230 mwN. So nunmehr auch explizit der VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0096.

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B. Anspruch auf Erlass einer Verordnung in der Rechtsprechung der Höchstgerichte Für die Durchsetzung des Anspruchs auf Erstellung eines Luftqualitätsplans ist die Rsp des VfGH zur Anerkennung von Religionsgemeinschaften heranzuziehen.78 Danach hat die zuständige Behörde einen Antrag auf Erlass einer Verordnung durch den Erlass der Verordnung selbst zu erledigen oder darüber – im Falle einer Versagung des Anspruchs – mit negativen Bescheid abzusprechen. Der VwGH hat in Bezug auf die Erstellung von Luftqualitätsplänen nunmehr explizit dargelegt, dass diese über den vom VfGH entwickelten Weg zur Anerkennung von Religionsgemeinschaften durchsetzbar seien.79 Überträgt man diese Judikaturlinie auf die Erstellung von Luftqualitätsplänen, so hat eine betroffene natürliche oder juristische Person den Antrag beim Landeshauptmann als zuständiger Behörde einzubringen. Ist der Antrag inhaltlich zulässig, so muss die Behörde den Luftqualitätsplan erlassen, wodurch dem Rechtsschutzbegehren des/der Antragstellers/in de facto entsprochen wird. Sollte die Behörde hingegen der Auffassung sein, der Antrag ist unzulässig, so hat sie einen negativen Bescheid zu erlassen, der in der Folge vor dem zuständigen VwG bekämpft werden kann.80 Bleibt die Behörde hingegen untätig und erlässt weder eine Verordnung noch einen negativen Bescheid, weil sie etwa der Auffassung ist, ein Antrag auf Erlass einer Verordnung löse keine behördliche Entscheidungspflicht aus81, ist der Luftqualitätsplan mit einer Säumnisbeschwerde an das zuständige VwG durchzusetzen. Wenn auch das VwG keine Entscheidung trifft, ist in weiterer Folge der VwGH mit einem Fristsetzungsantrag anzurufen.82 Durchgesetzt wird über diesen Weg ein Bescheid oder ein Erkenntnis, mit dem das (Nicht)Vorliegen des Anspruchs auf Erlassung eines Luftqualitätsplans festgestellt wird, nicht aber die Verordnung selbst. Der Luftqualitätsplan wäre in einem weiteren Verfahrensschritt von der zuständigen Behörde zu erlassen. 78

VfSlg 11.931/1988; 13.134/1992; 14.295/1995. Die Rsp übertrug der VfGH auch auf die Anerkennung von Vereinen zu Sachwaltern bzw auf die Namhaftmachung von Vereinen zu Patientenanwälten oder Bewohnervertretern, die ebenfalls in Verordnungsform erfolgt: VfSlg 18.905/2009. 79 VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0096. 80 So bereits Giera, Individualrechte 233. 81 Vgl B. Raschauer, Verwaltungsrecht4 Rz 788. 82 VfSlg 11.931/1988. Das Erk bezieht sich noch auf die Rechtslage vor der Einführung der Verwaltungsgerichte. Der Anspruch war mit Devolutionsantrag an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde sowie in weiterer Folge mit Säumnisbeschwerde an den VwGH durchzusetzen.

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Ob dieser Weg effektiven Rechtsschutz im Sinne des Unionsrechts zu bieten vermag, scheint fraglich. Generell ist es zweifelhaft, ob die Neugestaltung des Säumnisschutzes im Zusammenhang mit der Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 effektiven Rechtsschutz gewährt, denn die Verfahrensdauer hat sich erheblich verlängert.83 Außerdem ist kein Rechtsbehelf für den Fall vorgesehen, dass die säumige Behörde die Beschwerde und/oder den Verfahrensakt nicht dem zuständigen VwG vorlegt.84

C. Durchsetzung des Anspruchs auf einen Luftqualitätsplan kraft Äquivalenzprinzip Ein effektiverer Weg den Anspruch auf Erstellung eines Luftqualitätsplans durchzusetzen wäre die Übertragung der Säumnisbeschwerde bzw des Fristsetzungsantrags unmittelbar kraft Äquivalenzprinzip auf die Verordnung.85 Aufgrund des Fehlens von Vorschriften über die Erzwingung von Verordnungen wäre der Anspruch auf die sachnächsten Bestimmungen zu stützen, also auf die Regelungen, mit denen die Entscheidungspflicht der Behörden für Bescheide bzw jene der VwG für Erkenntnisse durchgesetzt wird. Kraft Anwendungsvorrang des Unionsrechts hätte die Beschränkung der Säumnisrechtsbehelfe auf Bescheide bzw Erkenntnisse unangewendet zu bleiben. Für das Beispiel der Luftqualitätspläne folgt daraus, dass im Falle der Untätigkeit des Landeshauptmanns als zuständiger Behörde nach sechs Monaten Säumnisbeschwerde an das zuständige VwG erhoben werden könnte. Wenn der Landeshauptmann auch nach weiteren drei Monaten den Plan nicht erlässt, muss er/sie die Akten dem zuständigen VwG vorlegen.86 Dieses kann sich gem § 28 Abs 7 VwGVG zunächst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid – in diesem Fall die Verordnung – unter Zugrundelegung seiner Rechtsansicht binnen einer bestimmten, acht Wochen nicht übersteigenden Frist nachzuholen.87 Zwar darf das VwG selbst keine Verordnungen und damit den Luftqualitätsplan nicht erlassen, es kann aber über 83

Gem § 16 VwGVG hat die Behörde nach Einbringung der Säumnisbeschwerde drei Monate Zeit, den Bescheid nachzuholen. Erst wenn diese Frist verstrichen ist, muss sie die Beschwerde mitsamt den Verfahrensakten dem zuständigen VwG vorlegen. 84 Vgl Larcher, Das Verfahren vor dem LVG, ZUV 2013, 8 (8 f ). 85 Potacs, ZfV 2009, 878; Potacs, Säumnis des Verordnungsgebers, in Holoubek/Lang (Hrsg), Rechtsschutz gegen staatliche Untätigkeit (2011) 233 (244 f ). 86 § 16 Abs 2 VwGVG. 87 Giera, Individualrechte 235.

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die maßgeblichen Rechtfragen erkennen, die im konkreten Fall in der Feststellung der behördlichen Säumnis sowie der Feststellung der Verpflichtung zur Erlassung eines Luftqualitätsplans, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, bestehen. Das VwG kann der Behörde außerdem in seinem Erkenntnis auftragen, die versäumte Verordnung binnen einer bestimmten, acht Wochen nicht übersteigenden Frist nachzuholen. Die säumige Behörde ist in der Folge an ein solches Erkenntnis des VwG gebunden und verpflichtet der Entscheidung nachzukommen. Wenn das VwG selbst säumig bleibt und über die Säumnisbeschwerde nicht rechtzeitig entscheidet, kann ein Fristsetzungsantrag an den VwGH erhoben werden. Der VwGH setzt gemäß § 38 Abs 4 VwGG eine Frist von bis zu drei Monaten, innerhalb derer das VwG das Erkenntnis nachzuholen hat. Die wesentliche Änderung gegenüber der Rechtslage vor der Einführung der erstinstanzlichen VwG besteht darin, dass der VwGH seine Entscheidung nicht mehr an die Stelle des säumigen VwG setzen kann.88 Wenn das VwG dem Auftrag des VwGH zur Nachholung seines Erkenntnisses nicht folgt, dann kann die Untätigkeit des VwG schlussendlich nur über den Weg der Amtshaftung geltend gemacht werden.89 Die Übertragung der Säumnisrechtsbehelfe für Bescheide auf Verordnungen unterscheidet sich von der Lösung, die der VfGH in seiner Rsp zur Anerkennung von Religionsgemeinschaften entwickelt hat, insofern als direkt die Verordnung und nicht lediglich ein feststellender Bescheid bzw ein eben solches Erkenntnis erzwungen wird. Das VwG kann im Rahmen einer Säumnisbeschwerde die behördliche Verpflichtung zur Verordnungserlassung verbindlich feststellen und den Auftrag an die säumige Behörde, die gemäß § 18 VwGVG Partei des Verfahrens ist, erteilen, den Luftqualitätsplan nachzuholen.90 Die Übertragung der Säumnisbeschwerde auf die Durchsetzung von Verordnungen ist auch auf einer Linie mit der Rsp des EuGH. Dieser verlangt von den angerufenen nationalen Gerichten für den Fall, dass ein Mitgliedstaat nicht ausreichend tätig wird, „gegenüber der nationalen Behörde jede erforderliche Maßnahme, wie eine Anordnung, zu erlassen“, damit diese den Plan erstellt.91 Verfassungsrechtliche Bedenken können dem Anspruch auf Erlassung einer Verordnung nicht entgegengehalten werden. Auch im nationalen Recht gibt es sowohl einfach- als auch verfassungsgesetzlich normierte subjektive Rechte auf den Erlass einer Verordnung,92 so dass Antragsrechte auf Verordnungen von Verfassungs we88 89 90 91 92

Giera, Individualrechte 235. Grabenwarter/Fister, Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsgerichtbarkeit5 (2016) 324. Giera, Individualrechte 236. EuGH 19.11.2014, C-404/13, ClientEarth, Rz 58. ZB § 1 Gesetz vom 20. Mai 1874, betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaf-

Individualrechte im EU-Luftreinhalterecht: europäische und nationale Perspektive

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gen grundsätzlich zulässig sind, auch wenn sie nicht den Regelfall darstellen.93 Der VwGH führte in diesem Zusammenhang explizit aus, dass es trotz Rechtstypenzwangs in der österreichischen Bundesverfassung Konstellationen gebe könne, in denen die Verwaltung unter bestimmten Voraussetzungen zur Erlassung von Verordnungen verpflichtet sei. In solchen Fällen sei ein Antragsrecht von Parteien zu bejahen.94 Außerdem können – wie bereits ausgeführt – aus unionsrechtlicher Perspektive innerstaatliche Um- und Durchsetzungsprobleme, selbst wenn diese ihren Ursprung im nationalen Verfassungsrecht haben, einem unionsrechtlich garantierten Recht nicht entgegengehalten werden.95

VI. Zusammenfassung Die Entwicklung, die organisierte Öffentlichkeit in Umweltverfahren einzubinden, hat auch in das unionale und nationale Luftreinhalterecht Eingang gefunden. Betroffene Personen sowie Umweltverbände haben das Recht die nationalen Behörden aufzufordern tätig zu werden, wenn Luftgrenzwerte nicht eingehalten werden. Das Unionsrecht geht dabei von einem weiten Konzept von Individualrechten aus, was mitunter eine großzügigere Zuerkennung von subjektiven Rechten in der österreichischen Rechtsordnung erforderlich macht. Dort wo sich aus dem Unionsrecht Individualrechte ableiten lassen, hat das nationale Recht für effektiven Rechtsschutz zu sorgen. Innerstaatliche Schwierigkeiten, selbst wenn sich diese aus dem nationalen Verfassungsrecht ergeben sollten, ändern nichts am Bestehen dieses Anspruchs. Das Recht auf saubere Luft stellt die österreichische Rechtsordnung vor Herausforderungen. Derzeit sind es Behörden und Gerichte die im existierenden unionsund verfassungsrechtlichen Rahmen Lösungen suchen, um effektiven Rechtsschutz sicherzustellen. Ob diese in letzter Konsequenz auch immer effektiv im Sinne des Unionsrechts sind, scheint fraglich. Eine gesetzliche Lösung ist daher unumgänglich.

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ten, RGBl 1874/68 und die dazu ergangene Rsp des VfGH; siehe weiters B. Raschauer, Verwaltungsrecht4 Rz 788. Giera, Individualrechte 243. VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0096. Vgl oben Punkt V.A.

Individualrechte im EU-Wasserrecht: europäische und nationale Perspektive* Teresa Weber

I. Recht auf saubere Luft – Recht auf sauberes Wasser? Die Rechtsprechung des EuGH im Bereich des Luftreinhalterechts, insb in der Sache Janecek1 aber auch kürzlich in der Rs Client Earth2, ist prägend für die Entwicklung des EU-Umweltrechts und die Stellung des Einzelnen in der Unionsrechtsordnung. Der vorliegende Beitrag versucht aufzuzeigen, dass die Entwicklungen, die sich durch die Rsp des EuGH va im Luftreinhalterecht vollzogen haben und noch immer stattfinden auch in anderen Gebieten (zumindest des) unionsrechtlich determinierten Umweltrechts von großer Relevanz sind. Dies ist schon deshalb naheliegend, weil sich bedeutende Entscheidungen des EuGH – zB die Entscheidung zum Slowakischen Braunbären3 – ja auch gar nicht auf das Luftreinhalterecht beziehen. Und dennoch werden Fragen im Zusammenhang mit unionsrechtlich gewährleisteten Individualrechten in der Literatur regelmäßig am Beispiel des Luftreinhalterechts illustriert.4 Mit der angesichts der Kasuistik des EuGH notwendigen Zurückhaltung versucht dieser Beitrag Überlegungen, wie sie zum Luftreinhalterecht angestellt wurden, ins Wasserrecht zu übertragen. Sinnvoll erscheint ein solcher Versuch nicht zuletzt aufgrund dessen, dass sich die tragenden Säulen in der Begründung des EuGH in den verschiedenen Urteilen nicht nur im luftreinhaltespezifischen Sekundärrecht, sondern auch im Primärrecht der *

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Der Beitrag stellt die Schriftfassung meines Vortrags vom 12.06.2015 am Umweltrechtsforum an der Universität Graz dar und wurde mit August 2015 abgeschlossen. Nach diesem Zeitpunkt erschienene Literatur wurde nicht mehr berücksichtigt, auf relevante Judikatur wird im Anmerkungsapparat punktuell hingewiesen. Zu erwähnen ist insb das Vorabentscheidungsersuchen des VwGH vom 26.11.2015, Ra 2015/07/0055 (iW gleichlautend: VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0051), beim EuGH anhängig als C-664/15. EuGH 25.7.2008, C-237/07, Janecek. EuGH 19.11.2014, C-404/13, ClientEarth. EuGH 8.3.2011, C-240/09, Slowakischer Braunbär. S dazu zB den Beitrag „Individualrechte im EU-Luftreinhalterecht: europäische und nationale Perspektive“ von Ulrike Giera in diesem Band.

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Union und im Völkerrecht finden. Zu nennen ist an dieser Stelle zunächst das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, welches nunmehr in Art 47 GRC kodifiziert ist. Diese Garantie verlangt bekanntermaßen immer dann nach der Einräumung effektiver Rechtsschutzmöglichkeiten, wenn es um die potentielle Verletzung unionsrechtlich gewährleisteter Rechte geht. Dass es derartige Rechte nicht nur im Luftreinhalterecht geben kann, liegt auf der Hand. Aber auch Art 9 Abs 3 der Aarhus-Konvention ist keine spezielle Norm des Luftreinhalterechts. Diese Bestimmung verlangt vielmehr nach der Überprüfbarkeit sämtlicher staatlicher Handlungen und Unterlassungen, die gegen Umweltrecht verstoßen können. Zwar mag es Grenzfälle geben, in denen es schwierig ist, zu entscheiden, ob eine Vorschrift noch zum „Umweltrecht“ zu zählen ist (zB Steuervorschriften, Strafvorschriften)5. Auch hier liegt aber auf der Hand, dass der Kreis der von Art 9 Abs 3 AK erfassten und gewissermaßen geschützten Vorschriften über das Luftreinhalterecht hinausgeht. Diese beiden Überlegungen rechtfertigen also den Versuch, auch andere Rechtsgebiete nach dem Bestehen unionsrechtlich gewährleisteter Rechte und entsprechender Rechtsschutzmöglichkeiten zu untersuchen. Zwar sind die Entscheidungen des EuGH regelmäßig nicht mit erga omnes Wirkung ausgestattet und beziehen sich auf einen spezifischen Regelungskontext. Es ist aber dennoch (auch) Aufgabe der Rechtswissenschaft, künftig denk- und/oder erwartbare Entwicklungen aufzuzeigen. Das Wasserrecht eignet sich dafür als Referenzgebiet nicht nur aufgrund der Breite und Verschiedenartigkeit der in der Gewässerbewirtschaftung zur Anwendung kommenden Arten des Verwaltungshandelns – man könnte hier sogar meinen: was das Umweltrecht im Großen ist, ist das Wasserrecht im Kleinen.6 Auch die frühe Judikatur des EuGH zu Rechten Einzelner befasste sich bereits mit Fragen des Gewässerschutzes.7 Dabei soll im Folgenden weniger auf die Frage eingegangen werden, ob es nach dem Konzept des Unionsrechts ein Recht auf sauberes Wasser gibt – die Antwort auf diese Frage hätte wohl ähnlich auszufallen wie die Entscheidung des EuGH in der Rs Janecek – sondern vielmehr untersucht werden, ob es ein Recht auf ein funktionierendes aquatisches Ökosystem gibt und wenn ja, wem die Durchsetzung dieses Rechts zukommt. 5

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S dazu nur Schulev-Steindl, Rechtliche Optionen zur Verbesserung des Zugangs zu Gerichten im österreichischen Umweltrecht gemäß der Aarhus-Konvention (Artikel 9 Absatz 3) Endbericht (2009) (abrufbar unter https://www.wiso.boku.ac.at/fileadmin/data/H03000/H73000/H73600/ Schulev-Steindl/Endb-AarhusKV_Adobe.pdf ) 38 f. In Anlehnung an Wiederin, Allgemeines Verwaltungsrecht: Auf der Suche nach dem Sinn, in Ennöckl/N. Raschauer/Schulev-Steindl/Wessely (Hrsg), Über Struktur und Vielfalt im Öffentlichen Recht – FS Raschauer (2008) 281 (302 f ). Insb EuGH 28.2.1991, C-131/88, Grundwasser-RL; EuGH 17.10.1991, C-58/89, Trinkwasser-RL.

Individualrechte im EU-Wasserrecht: europäische und nationale Perspektive

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II. Anthropozentrische und ökozentrische Rechte im EU-Umweltrecht A. Das Konzept des Interessenschutzes Der EuGH verfolgt in seiner Judikatur ein Konzept von Rechten, das sich in mehrerlei Hinsicht vom subjektiv-öffentlichen Recht iSd klassischen Schutznormtheorie unterscheidet. Die Entwicklung des Begriffs der unionalen Rechte ist schon in der früheren Rechtsprechung zu Beginn der 1990er Jahre angelegt8 und wurde durch die jüngere Rsp des EuGH maßgeblich weiterentwickelt.9 Auf das Wesentliche zusammengefasst bestehen nach dem Konzept des EuGH immer dann Rechte, die einen Durchsetzungsanspruch nach sich ziehen (s dazu nunmehr Art 47 GRC), wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:10 Eine Norm des Unionsrechts muss eine unbedingte und hinreichend bestimmte Verpflichtung eines Mitgliedstaates enthalten. Diese Verpflichtung dient dem Schutz bestimmter Interessen. Wer in diesen, von der Norm geschützten Interessen durch die Nichteinhaltung der Vorschrift unmittelbar betroffen ist, muss die Einhaltung (letztendlich) vor einem Gericht geltend machen können.

B. Anthropozentrische Rechte als Erweiterung… Versucht man nun, die Rechtsprechung des EuGH zu Rechten Einzelner auf den Bereich des Wasserrechts zu übertragen, so sind zunächst einige Unterschiede und Grundbegriffe zu verdeutlichen. So ist bekannt, dass jene Rechte, welche der EuGH noch in der Rs Janecek Herrn Janecek zugestanden hatte, (auch) den Zweck hatten, die Gesundheit des von der Gefahr einer Grenzwertüberschreitung betroffenen Klägers zu schützen.11 Derartige Rechte, die den Umweltschutz vor allem als Schutz des Menschen und der menschlichen Gesundheit bestärken, können nach gängiger Terminologie als anthropozentrische Rechte bezeichnet werden.12 Derartige Rechte sind nicht unbedingt neu; sie unterscheiden sich auch von den klassischen subjektiv-öffentlichen Rechten iSd Schutznormtheorie idR nur graduell, nicht aber qualitativ. Freilich hat schon in der Rs Janecek für Verwunderung gesorgt, dass der 8 9 10 11 12

EuGH 28.2.1991, C-131/88, Grundwasser-RL; EuGH 30.5.1991, C-361/88, Luftqualitäts-RL; EuGH 30.5.1991, C-59/89, Bleigehaltgrenzwert-RL; EuGH 17.10.1991, C-58/89, Trinkwasser-RL. EuGH 25.7.2008, C-237/07, Janecek; EuGH 8.3.2011, C-240/09, Slowakischer Braunbär. Zum Konzept im Detail T. Weber, Umweltschutz durch Rechtsschutz? (2015) 93 ff. EuGH 25.7.2008, C-237/07, Janecek, Rz 38. Vgl zB B. Raschauer, Umweltrecht Allgemeiner Teil, in N. Raschauer/Wessely (Hrsg), Handbuch Umweltrecht2 (2010) 13 (19).

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EuGH davon ausging, dass derartige Rechte auch von juristischen Personen geltend gemacht werden können müssen.13 Die Verwunderung rührte daher, dass juristische Personen in aller Regel mangels Körperlichkeit über keine schützenswerte Gesundheit verfügen. In der Literatur wurden dazu verschiedenen Thesen vertreten: Die juristische Person nehme eine Stellvertreterrolle ein14 oder solle vor wirtschaftlichen Beeinträchtigungen geschützt werden.15

C. … und ökozentrische Rechte als Herausforderung Letztlich haben sich diese Überlegungen in der Rsp des EuGH nicht bestätigt gefunden. Dieser hat vielmehr in einer weiteren Entscheidung zum Luftreinhalterecht die Berechtigung auch juristischer Personen zur Durchsetzung des Luftreinhalterechts betont;16 entscheidungsgegenständlich für das nationale Ausgangsverfahren war aber nicht die Frage, ob eine juristische Person als Arbeitgeberin oder als Eigentümerin einer Liegenschaft Luftreinhaltemaßnahmen beantragen kann. Vielmehr hatte eine Umweltschutzorganisation (ClientEarth) Luftreinhaltemaßnahmen beantragt. Diese beiden Entscheidungen fügen sich daher gut in das Bild, dass schon die Entscheidung des EuGH idS Slowakischer Braunbär zeichnet: In dieser Entscheidung wurde der EuGH vom Slowakischen Höchstgericht gefragt, ob eine Umweltschutzorganisation sich auf Bestimmungen aus der FFH-RL berufen kann. Der EuGH bejahte dies und führte dazu aus, dass das nationale Recht „so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen (ist), um es einer Umweltschutzorganisation wie dem Zoskupenie zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten“.17 In dieser Entscheidung wird deutlich, dass nach dem vom EuGH verfolgten Konzept im Unionsrecht auch rein ökozentrische Rechte bestehen können. Denn einerseits ist es ja schon bei den oben genannten Entscheidungen fraglich, warum sich eine juristische Person wegen einer Gesundheitsge13 EuGH 25.7.2008, C-237/07, Janecek, Rz 39. 14 Vgl Ziekow, Europa und der deutsche Verwaltungsprozess - Schlaglichter auf eine unendliche Geschichte, NVwZ 2010, 793 (794). 15 Dazu T. Weber, Umweltschutz 77. 16 EuGH 19.11.2014, C-404/13, ClientEarth, Rz 56; s zu all dem auch den Beitrag „Individualrechte im EU-Luftreinhalterecht: europäische und nationale Perspektive“ von Ulrike Giera in diesem Band. 17 EuGH 8.3.2011, C-240/09, Slowakischer Braunbär, Rz 51.

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fährdung auf gesundheitsschützende Vorschriften berufen können soll. In der Entscheidung zum Slowakischen Braunbär ging es nun aber auch gar nicht mehr um (auch) gesundheitsschützende Vorschriften, sondern um Bestimmungen, die dem Artenschutz dienen. Artenschutzregelungen schützen ihre Schutzobjekte nicht, um damit auch die Gesundheit des Menschen zu schützen, sondern weil der (unionale) Gesetzgeber die Erhaltung gewisser Arten an sich für schützenswert erachtet. Wenn also jemand das Recht zukommt, solche Vorschriften vor einem Gericht durchzusetzen, dann sind die geltend gemachten Rechte ökozentrische Rechte. Es passt dabei sowohl zur Interessenstheorie als auch zum Konzept der Aarhus-Konvention, dass der EuGH davon ausgeht, dass es gerade (auch) Umweltschutzorganisationen sind, die solche Rechte durchsetzen können sollen. Denn Umweltschutzorganisationen werden durch die Nichteinhaltung umweltschützender Vorschriften in ihrem besonderen ideellen Interesse am Umweltschutz betroffen. Zu beachten ist dabei, dass nach dem Konzept des Interessenschutzes – welches iSd Art 9 Abs 3 AK als Bedingung bzw Voraussetzung im nationalen Recht verstanden werden kann – nicht sämtliche Umweltschutzorganisationen sämtliche Umweltschutzvorschriften durchsetzen können müssen. Beschränkte Interessen führen auch zu beschränkter Durchsetzungsbefugnis: Ist bspw eine Umweltschutzorganisation ausschließlich auf dem Gebiet des Schutzes der steirischen Gewässer aktiv, so steht ihr nur die Durchsetzung von Vorschriften des Gewässerschutzes im Zusammenhang mit Sachverhalten, die sich auf steiermärkische Gewässer beziehen, zu. Die Anerkennung ökozentrischer Rechte in der Unionsrechtsordnung durch den EuGH hat allerdings weitreichende Auswirkungen auf die österreichische Rechtsordnung. Dies wird in den folgenden Abschnitten anhand des Beispiels des Verschlechterungsverbots der Wasser-Rahmen-Richtlinie (WRRL)18 erörtert.

III. Verschlechterungsverbot der Wasser-Rahmen-Richtlinie Die Wasser-Rahmen-Richtlinie schafft einen unionsweit einheitlichen Rahmen für die Gewässerbewirtschaftung(-splanung). Dabei wird das Wasser nicht nur als Ressource des Menschen (zB Trinkwasser, Nutzwasser) behandelt. Die WRRL nimmt an vielen Stellen auch auf den ökologischen Zustand von Gewässern Bezug und macht diesen zum Schutzgegenstand.19

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RL 2000/60/EG, ABl L 2000/327, 1. ZB in Art 2 Z 17 WRRL.

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Kernstück der WRRL sind die in Art 4 der Richtlinie verankerten Umweltziele. Dabei wird – entsprechend der Terminologie und Systematik der Richtlinie – zwischen Umweltzielen für Grundwasser und Umweltzielen für Oberflächengewässer unterschieden. Hinsichtlich ersteren trifft Art 4 Regelungen zum Schutz des mengenmäßigen und chemischen Zustandes; bei Oberflächengewässern werden der chemische und der ökologische Zustand geschützt. Die WRRL unterscheidet in diesen Kategorien zwischen sehr gutem, gutem und mäßigem Zustand. Was genau unter diesen Begriffen zu verstehen ist und Parameter für die Einordnung in eine Gewässerzustandskategorie sind in Anhang V definiert. In weiterer Folge wird nur auf die Umweltziele für Oberflächengewässer eingegangen. Die grundlegendsten Gebote der WRRL hinsichtlich Oberflächengewässer sind einerseits die Erreichung des „guten“ Gewässerzustands binnen 15 Jahren ab Inkrafttreten der Richtlinie,20 somit im Dezember 2015. Andererseits normiert die WRRL für Oberflächenwasserkörper ein Verschlechterungsverbot:21 Mitgliedstaaten dürfen keine Maßnahmen setzen, die dazu führen, dass sich der Zustand eines Gewässers verschlechtert.22 Strittig ist zu dieser Bestimmung, ob eine Verschlechterung einzelner Parameter, die noch nicht zu einem Wechsel in eine andere Zustandskategorie führen, ebenfalls verboten ist, oder ob das Verbot nur Maßnahmen erfasst, die eine Verschlechterung bspw vom gutem zum mäßigen Gewässerzustand bewirken.23 Unabhängig von dieser Frage beziehen sich aber das Gebot der Erreichung eines guten Gewässerzustands und das Verschlechterungsverbot in Hinblick auf Oberflächenwasserkörper sowohl auf den ökologischen als auch den chemischen Zustand von Oberflächengewässern. Nach dem vom EuGH verfolgten Konzept des Interessenschutzes ist Art 4 der WRRL geeignet, unionsrechtlich gewährleistete Rechte zu vermitteln: Die Bestimmung beinhaltet – wie auch die relevanten Vorschriften des Luftreinhalterechts – klare Verpflichtungen, an die sich die Mitgliedstaaten zu halten haben. Das Bestehen von Ausnahmen ändert daran nichts, denn es besteht ja auch eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, von den Ausnahmen nur unter den in der Richtlinie genannten Bedingungen Gebrauch zu machen. Die WRRL beinhaltet nun aber vor allem auch ökozentrische Rechte: So wird durch Art 4 der Richtlinie – soweit 20 21 22 23

Art 4 Abs 1 lit a ii) WRRL. Art 4 Abs 1 lit a i) WRRL. Allerdings finden sich in den Art 4 Abs 5, 6 und 7 weitreichende Ausnahmen von diesen Umweltzielen. S dazu die Schlussanträge von GA Jääskinen 23.10.2014, C-461/13, BUND, Rz 100 sowie nunmehr auch EuGH 1.7.2015, C-461/13, BUND, Rz 70; weiters Berl, Streit um das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot – was regelt dieses wirklich? RdU-UT 2014, 70 (74 ff).

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Ausnahmetatbestände nicht anwendbar sind – zB die Genehmigung von Quereinbauten in ein Gewässer verboten, das sehr guten ökologischen Zustand aufweist, (zumindest) wenn dies zu einer Veränderung des Gewässerzustands zum (nur mehr) guten ökologischen Zustand führen würde. Soweit es um rein ökozentrische Rechte geht – also zB um Rechte, die durch jene Bestimmungen, welche den ökologischen Zustand eines Gewässers schützen, vermittelt werden – stellt sich wiederum die Frage nach der Durchsetzungsbefugnis. Im Lichte der vorangehend erörterten Rechtsprechung des EuGH ist auch hier davon auszugehen, dass ua Umweltschutzorganisationen mit einem Interesse an der Einhaltung der jeweiligen Vorschriften nach dem Unionsrecht befugt sein sollen, die Einhaltung dieser Vorschriften letztendlich auch vor einem nationalen Gericht geltend zu machen. Es stellt sich nun die Frage, ob das nationale Recht dieser unionsrechtlichen Garantie entspricht. In weiterer Folge soll dies für den Bereich des österreichischen Wasserrechts untersucht werden, wobei – um die weitreichenden Auswirkungen des unionalen Konzepts zu illustrieren – beispielhaft sowohl Konstellationen im Zusammenhang mit individuellen als auch generellen Rechtsakten im Bereich des Vollzugs des WRG untersucht werden.

IV. … bei individuellen Rechtsakten A. Das Paradebeispiel: Der verwaltungsrechtliche Genehmigungsbescheid Der wichtigste individuelle Rechtsakt im Verwaltungsrecht ist der Bescheid. Auch im wasserrechtlichen Vollzug ist an zahllosen Stellen die Entscheidung über Angelegenheiten durch Bescheid vorgesehen.24 Wie ist nun aber die Rechtslage zu beurteilen, wenn ein solcher Bescheid einer Wasserrechtsbehörde nicht im Einklang mit dem Verschlechterungsverbot steht, weil bspw eine Ausnahme von diesem gewährt wird, ohne dass die entsprechenden Voraussetzungen der WRRL erfüllt sind? Kann die Einhaltung der WRRL durch daran interessierte Umweltschutzorganisationen mittels Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht durchgesetzt werden? Die Beantwortung dieser Frage soll anhand zweier Beispiele illustriert werden. Im ersten Beispiel wird die Genehmigung eines UVP-pflichtigen Wasserkraftwerks beantragt. Im zweiten Beispiel handelt es sich um Maßnahmen, die nicht UVP-pflichtig, aber dennoch wasserrechtlich bewilligungspflichtig sind, wie bspw die Errichtung eines Wasserkraftwerks mit einer Engpassleistung von 2 MW. Gehen 24

ZB in den Verfahren nach den §§ 9 und 10 WRG.

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wir von der Konstellation aus, dass die Erteilung der Genehmigung und in weiterer Folge die Errichtung und der Betrieb des Kraftwerks in beiden Fällen eindeutig zu einer Verschlechterung des Gewässerzustands des betroffenen Fließgewässers führen würden (§ 104a Abs 1 Z 1 lit b WRG). Eine Bewilligung dürfte in diesen Fällen nur dann erteilt werden, wenn die kumulativen Voraussetzungen des § 104a Abs 2 WRG erfüllt sind,25 die zT wörtlich den Vorgaben des Art 4 Abs 7 der WRRL entsprechen. Gehen wir weiters davon aus, dass die in § 104a Abs 2 WRG genannten Voraussetzungen durch die beantragten Projekte eindeutig nicht erfüllt werden – eine Konstellation die wohl schon aufgrund der Unbestimmtheit der in § 104a Abs 2 WRG verwendeten Begriffe in der Praxis eher selten auftreten wird. Und dennoch erteilt die zuständige Behörde die Genehmigung für das Vorhaben. Welche Rechtsschutzmöglichkeiten haben Umweltschutzorganisationen?

B. UVP-Verfahren Im ersten Beispiel, in dem es um ein UVP-pflichtiges Wasserkraftwerk geht, ist die Antwort relativ einfach: Anerkannte Umweltorganisationen haben nach § 19 Abs 1 Z 7 iVm Abs 10 UVP-G Parteistellung im UVP-Verfahren und können anschließend auch Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erheben. Ihr Mitsprache- und Beschwerderecht bezieht sich nach diesen Bestimmungen auf „die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften“, zu welchen § 104a Abs 2 WRG zweifelsfrei zählt. Die Nichteinhaltung dieser Bestimmung in einem UVP-Bescheid kann daher mittels Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht geltend gemacht werden. Im Bereich des UVP-Verfahrens können die oben dargestellten unionsrechtlichen Ansprüche also durchgesetzt werden – der Gesetzgeber wurde hier va deswegen bereits tätig, weil entsprechende Beschwerderechte bekanntlich in Art 11 UVP-RL, der insofern Art 9 Abs 2 der Aarhus-Konvention umsetzt, explizit verankert sind. Freilich stellen sich auch hier trotz der expliziten Einräumung von Parteistellung und Beschwerdebefugnissen im Detail weitere Fragen, so bspw nach der Zulässigkeit von Präklusionsvorschriften im UVP-Verfahren26 oder dem Umfang der Beschwerdebefugnis.27 25 26

27

Die Bestimmungen des WRG sind im UVP-Verfahren mitanzuwenden (§ 17 UVP-G). S dazu C. Mayer/T. Weber, Sind die verwaltungsrechtlichen Präklusionsvorschriften im UVP-Verfahren unionsrechtskonform? RdU 2011, 171 (171 ff); aktuell GA Wathelet 21.5.2015, C-137/14, Rz 117-119 (inzwischen bestätigt durch EuGH 15.10.2015, C-137/14, Kommission/Deutschland, Rz 75 ff); aA zumindest bisher (Stand August 2015) die hA und Rsp in Österreich, s zB VwGH 27.9.2013, 2010/05/0202; Berger, UVP-Verfahren: Vereinbarkeit von Unionsrecht und Präklusion, RdU-UT 2012, 38 (38 ff). Dieser betrifft hinsichtlich Umweltorganisationen jedenfalls das gesamte Umweltrecht; aber auch für sonstige Kläger ist aufgrund der Formulierung von Art 9 Abs 2 AK und Art 11 UVP-RL davon auszu-

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C. Wasserrechtliches Genehmigungsverfahren Anders stellt sich die Rechtslage im Zusammenhang mit dem angeführten nicht UVP-pflichtigen Vorhaben dar. Hier ist ein „normales“ Genehmigungsverfahren nach dem WRG durchzuführen, es gibt in diesem Regime keine Sonderregelung über Parteistellung oder Beschwerdebefugnis von Umweltschutzorganisationen. Allerdings können (gerade) auch nicht UVP-pflichtige Vorhaben eine Verschlechterung des Gewässerzustands bewirken – man denke nur an den Streit um den Bau eines Kraftwerks an der Schwarzen Sulm.28 Kann eine Umweltschutzorganisation nun aber Beschwerde gegen einen ihres Erachtens unter Missachtung von § 104a Abs 2 WRG erlassenen Bescheid einer Wasserrechtsbehörde erheben? Das Unionsrecht stellt an die Rechtsordnung der Mitgliedstaaten kraft Art 47 GRC und Art 9 Abs 3 AK29 jedenfalls diesen Anspruch. Wie bestimmt sich nun aber die Beschwerdeberechtigung im österreichischen öffentlich-rechtlichen Rechtsschutzsystem? Maßgeblich ist hier in erster Linie Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG. Nach dieser Bestimmung kann gegen einen Bescheid Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Voraussetzung für das Bestehen einer Beschwerdeberechtigung ist also das Bestehen von Rechten. Es stellt sich daran anschließend die Frage, was denn nun „Rechte“ iSd Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG sind. Die österreichische Rechtswissenschaft hat sich mit dem Begriff der „Rechte“ va im Zusammenhang mit § 8 AVG auseinandergesetzt. Nach dieser Bestimmung hat iW Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren, wer durch die Angelegenheit in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten berührt wird. Diese subjektiv-öffentlichen Rechte, die durch Materiengesetze vermittelt werden, waren nach der Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 insb auch maßgeblich für die Legitimation zur Erhebung einer Beschwerde an den VwGH.30 Wann eine Vorschrift solche subjektiv-öffentlichen Rechte vermittelt, wird nach hA und Rsp in Österreich – ähnlich wie in Deutschland – im Zweifel nach der sogenannten Schutznormtheorie ermittelt.31 Nach dieser Theorie ist zu fragen, ob eine Norm nicht bloß den Schutz öffentlicher gehen, dass sämtliche Vorschriften (also auch „objektives“ Recht, das [ihnen] keine Rechte vermittelt) geltend gemacht werden können müssen; s dazu auch EuGH 7.11.2013, C-72/12, Gemeinde Altrip. 28 Dazu zB http://steiermark.orf.at/news/stories/2602222/ (16.06.2015); http://www.oekobuero.at/ wasserkraftwerk-schwarze-sulm-rechtliche-chronologie-eines-skandals (16.06.2015). 29 Zur Aarhus-Konvention als integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung EuGH 8.3.2011, C-240/09, Slowakischer Braunbär, Rz 30; vgl ferner den Beitrag „Aarhus reloaded – neue Perspektiven beim Zugang zu Gerichten in Umweltsachen“ von Eva Schulev-Steindl in diesem Band. 30 Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG idF BGBl I 2003/100. 31 ZB B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht4 (2013) Rz 1093; Kolonovits/Muzak/Stöger, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts10 (2014) Rz 118.

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Interessen, sondern auch den Schutz von Rechtspositionen betroffener Einzelner bezweckt. Ist dies der Fall, so liegen nach dieser Theorie subjektive Rechte vor. Die oben erörterten ökozentrischen Rechte von Umweltschutzorganisationen passen nicht so Recht in dieses Konzept der Schutznormtheorie, da Umweltschutz­ organisationen durch ihr Tätigwerden ja nicht den Schutz eigener Rechtspositionen, sondern die Einhaltung von Rechtsvorschriften, die va im öffentlichen Interesse liegen, bezwecken. Allerdings ist die Schutznormtheorie – wenn sie auch über lange Zeit gewachsen und prägend für das österreichische Rechtsschutzsystem ist – nirgends in der österreichischen Rechtsordnung explizit und in der dargestellten Ausgestaltung normiert. Es spricht daher mE nichts dagegen und viel dafür, unter „Rechten“ in unionsrechtskonformer Auslegung im Anwendungsbereich des Unionsrecht jene Rechte zu verstehen, die der EuGH unter Anwendung des Interessenschutzkonzepts aus unionalen Sekundärrechtsakten destilliert. Dies hätte dann aber auch zur Folge, dass bei Bestehen entsprechender Rechte Umweltschutzorganisationen nicht nur Beschwerdebefugnis zukommt, sondern sie sich schon davor am Verwaltungsverfahren beteiligen können. Wie ist dies nun konkret in Hinblick auf das Beispiel des Genehmigungsbescheids für das nicht UVP-pflichtige Wasserkraftwerk zu beurteilen? Das Verschlechterungsverbot des Art 4 WRRL wird in § 104a WRG umgesetzt, die übrigen Umweltziele in Hinblick auf Oberflächengewässer insb in § 30a und § 55g Abs 3 WRG. Legt man den Maßstab des EuGH auf das WRG an, so vermitteln bereits diese Vorschriften Rechte, die darauf gerichtet sind, dass diese Vorschriften eingehalten werden.32 Fraglich ist lediglich, wer zur Durchsetzung dieser Rechte befugt ist. In Hinblick auf Art 9 Abs 3 AK sind dies in erster Linie Umweltorganisationen; der Kreis der legitimierten Umweltorganisationen könnte unter Heranziehung von § 19 Abs 6 und 7 UVP-G abgesteckt werden.33 Es zeigt sich, dass die Anforderungen des Unionsrechts an die Gewährung von Rechten hinsichtlich individueller Rechtsakte zwar theoretische Konzepte überfordern, die im Zusammenhang mit der österreichischen Rechtsordnung entwickelt wurden. Das Normenmaterial an sich kann aber iSd der unionalen Interessenschutztheorie gedeutet werden und bietet somit Möglichkeiten für eine unionsrechtskonforme Handhabung.34 32

33 34

Dazu im Detail T. Weber, Umweltschutz 192 f; anders die Rsp des VwGH, aktuell zB VwGH 26.6.2014, 2013/03/0062; s aber das bereits eingangs erwähnte Vorabentscheidungsersuchen des VwGH vom 26.11.2015, Ra 2015/07/0055 (iW gleichlautend: VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0051), beim EuGH anhängig als C-664/15. S dazu im Detail T. Weber, Umweltschutz 189 ff. S zur ähnlichen Lage in Deutschland und der dortigen Rsp dBVerwG 5.9.2013, 7 C 21.12; dazu wiederum T. Weber, Umweltschutz 193 f.

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V. … bei generellen Rechtsakten A. Die Verordnung als genereller Verwaltungsrechtsakt Ähnlich ist die Rechtslage im Zusammenhang mit generellen Rechtsakten zu beurteilen. Auch hier sollen wieder zwei Beispiele die Bandbreite der möglichen Auswirkungen des Unionsrechts auf das nationale Rechtsschutzsystem illustrieren. Dabei soll – ähnlich wie die vom EuGH in der Rs Janecek zu beurteilende Konstellation – einerseits der Fall erläutert werden, dass eine Behörde einen Rechtsakt nicht erlässt, den sie kraft des Unionsrechts erlassen sollte. Ebenfalls erörtert werden soll aber der Fall, dass eine Behörde einen generellen Rechtsakt zwar erlässt, dieser aber materiell nicht mit den unionsrechtlichen Vorgaben übereinstimmt.

B. Durchsetzbarer Anspruch auf Erlassung einer Verordnung? Die erste Konstellation könnte bspw auftreten, wenn ein für die Erreichung der Umweltziele erforderliches Sanierungsprogramm (§ 55g Abs 1 Z 3 iVm § 33d WRG) nicht erlassen wird.35 Geht man davon aus, dass ein solches Programm zur Erreichung der Umweltziele der WRRL erforderlich ist, so ist die Konstellation vergleichbar mit jener bei der (Nicht-)Erlassung von Luftreinhalteplänen nach dem IG-L. Der Anspruch könnte hier von Umweltschutzorganisationen über den (Um-)Weg einer Antragsstellung an die Wasserrechtsbehörde samt anschließender Säumnisbeschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht durchgesetzt werden. In Hinblick auf das Wasserrecht ist auch noch auf die Besonderheit hinzuweisen, dass es mit den wasserwirtschaftlichen Rahmenplänen nach § 53 WRG generelle Rechtsakte gibt, die von Einzelnen – auch Umweltorganisationen – initialisiert werden können: Ein Entwurf eines wasserwirtschaftlichen Rahmenplans kann von jedem, der an der Verwirklichung wasserwirtschaftlicher Zielsetzungen interessiert ist, dem BMLFUW vorgelegt werden. Soweit die im Entwurf enthaltene wasserwirtschaftliche Ordnung im öffentlichen Interesse liegt, kann der BMLFUW den Rahmenplan durch Verordnung anerkennen. Sofern die in dem Entwurf dargestellte wasserwirtschaftliche Ordnung für die Erreichung der unionalen Umweltziele unabdingbar ist, ist der BMLFUW aufgrund des Unionsrechts verpflichtet, den Ent-

35

Ähnlich ist die Rechtslage auch im Zusammenhang mit wasserrechtlichen Regionalprogrammen nach § 55g Abs 1 Z 1 WRG, ein solches wurde für die Steiermark erst kürzlich erlassen (Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 28. Mai 2015, mit der ein Regionalprogramm zum Schutz von Gewässerstrecken erlassen wird [Gewässerschutzverordnung], LGBl 2015/40).

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wurf für verbindlich zu erklären. Soweit also die unionsrechtlich gebotene Regelung auch durch einen wasserwirtschaftlichen Rahmenplan getroffen werden kann, wird dieses Instrument im Verhältnis zu wasserwirtschaftlichen Sanierungsprogrammen nach § 33d WRG primär heranzuziehen sein.36

C. Durchsetzbarer Anspruch auf Bekämpfung einer rechtswidrigen Verordnung? Aber auch im anderen Fall kann das österreichische Rechtsschutzsystem im Wesentlichen unionsrechtskonform gehandhabt werden. So hat bspw der BMLFUW nach § 30a Abs 2 WRG sogenannte Qualitätszielverordnungen zu erlassen, in denen er in Entsprechung der Vorgaben der WRRL festzulegen hat, unter welchen Voraussetzungen bspw der ökologische Zustand eines Gewässers als „gut“ oder „sehr gut“ qualifiziert werden kann. In Hinblick auf die Qualitätszielverordnung Ökologie für Oberflächengewässer37 wurden nun zT von fachlicher Seite Bedenken dahingehend vorgebracht, dass die Einhaltung der in der Verordnung vorgegebenen Parameter in Hinblick auf die Restwassermengen bei Wasserkraftvorhaben nicht zu einer Verbesserung, sondern zu einer Verschlechterung des ökologischen Gewässerzustandes führen würde.38 Dies steht nicht im Einklang mit dem Verschlechterungsverbot. Kann die Qualitätszielverordnung mit dieser Begründung per Individualantrag nach Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG vor dem VfGH angefochten werden? Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Individualantrags ist die unmittelbare und aktuelle Verletzung in Rechten und das Fehlen eines zumutbaren Umwegs zur Geltendmachung dieser Verletzung.39 Diese Voraussetzungen können bei unionsrechtskonformer Handhabung von Art 139 B-VG als erfüllt angesehen wer-

36

37 38

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S dazu im Detail T. Weber, Umweltschutz 226 f. Freilich führt dies dazu, dass Privaten ein Teil der Verantwortung für die wasserwirtschaftliche Planung überantwortet wird. Im Ergebnis wird somit durch diese Interpretation die Antragsstellung für jene Gegenstände, die sich auch in einem wasser­wirtschaftlichen Rahmenplan regeln lassen, für „Laien“ praktisch verunmöglicht und fachkundigen Stellen, wie zB Wissenschaftseinrichtungen oder Umweltschutzorganisationen, überantwortet, die über die notwendigen Ressourcen zur sachverständigen Erstellung eines Entwurfs verfügen. Verordnung des BMLFUW über die Festlegung des ökologischen Zustandes für Oberflächengewässer, BGBl II 2010/99 idF BGBl II 2010/461. Kofler/Pöllinger/Schatzl/Schneider/Lindner, Restwasser: Konterkariert die neue Qualitätszielverordnung die Zielsetzung der EU-Wasserrahmen-RL? RdU-UT 2010, 60 (68); zur Verbindlichkeit der Verordnung für die Festlegung von Restwassermengen in wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren D. Neger/T. Neger/Schachinger, Beurteilung der Restwasserabgabe in wasserrechtlichen Genehmigungs- und Widerstreitverfahren, RdU-UT 2014, 14 (16). Dazu allgemein Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht10 (2014) Rz 1020 ff.

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den. Denn wenn man auch hier – was unionsrechtlich geboten ist – das unionale Konzept des Interessenschutzes für die Ermittlung von Rechten zu Grunde legt, so haben Umweltschutzorganisationen vereinfacht gesagt ein Recht darauf, dass eine Verordnung einer staatlichen Stelle nicht gegen das Verschlechterungsverbot verstößt. Sie sind also durch die Erlassung einer Verordnung, die sich nicht an diese Vorgaben hält, aktuell und unmittelbar in ihren Rechten verletzt.40 Einer tatsächlichen Verschlechterung bedarf es in dieser Konstellation nicht – genauso, wie ja auch in der Rs Janecek nur die Gefahr einer Gesundheitsgefährdung ausreichend war, um Herrn Janecek das Recht auf Durchsetzung der Vorschriften der Luftqualitäts-RL zu vermitteln. Schwieriger zu beantworten ist allerdings die Frage, ob es für eine Umweltschutz­ organisation einen zumutbaren Umweg gibt, auf dem sie ihre Bedenken geltend machen und so die Rechtsverletzung abstellen könnte. Denn die im Beispiel einschlägige Qualitätszielverordnung Ökologie Oberflächengewässer kommt ja in jedem wasserrechtlichen Verfahren, in dem es um die Beurteilung des ökologischen Gewässerzustands eines Oberflächengewässers geht, zur Anwendung. Nach dem oben zu individuellen Rechtsakten Gesagten könnten aber Umweltorganisationen ihre Bedenken aufgrund ihrer (kraft unionsrechtskonformer Auslegung der Bestimmungen des WRG bestehenden) Parteistellung in diesen Verfahren ihre Bedenken bereits dort geltend machen. Es besteht bzw bestand somit ein zumutbarer Umweg, sobald die Verordnung in einem Verwaltungsverfahren zur Anwendung gebracht wurde. Ein Individualantrag wäre daher nur bis zu diesem Zeitpunkt zulässig (gewesen). Diskussionswürdig ist auch, ob einer Umweltorganisation selbst dann, wenn die Verordnung bisher in keinem Genehmigungsverfahren zur Anwendung gekommen ist, ein zumutbarer Umweg offen steht:41 Denn schließlich könnte die Umweltorganisation ja selbst einen Antrag auf Genehmigung eines (fiktiven) Projektes stellen, um im anschließenden Genehmigungsverfahren die Rechtswidrigkeit der Verordnung geltend zu machen. Die Erstellung eines fiktiven Projekts ist aber mE aufgrund der damit verbundenen hohen Planungskosten als unzumutbar zu qualifizieren.42 Ob ein Individualantrag zulässig ist, hängt also vor allem von der 40 41

42

Zur Frage, ob die Individualantragsbefugnis durch den Anwendungsvorrang des Unionsrechts ausgeschlossen wird T. Weber, Umweltschutz 228 f. Ausgeschlossen werden kann aufgrund der stRsp des VfGH der Umweg über die Beantragung eines Feststellungsbescheids dessen Inhalt die Rechtswidrigkeit der Verordnung sein soll, zB VfGH 27.9.2011, V37/10, VfSlg 19.512/2011; VfGH 1.7.1987, G118/86 ua, VfSlg 11.402/1987. Das fiktive Projekt muss zwar nicht genehmigungsfähig sein, allerdings muss es – damit die Behörde in eine vertiefte Prüfung einsteigen und die fragliche Verordnungsbestimmung überhaupt anzuwenden hat – den in § 103 WRG vorgesehenen Erfordernissen genügen. Zu weiteren Fragen

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Frage ab, ob zum Zeitpunkt der Antragsstellung bereits (irgend-)ein Verwaltungsverfahren anhängig ist oder abgeschlossen wurde, in welchem die anzufechtende Vorschrift angewandt wurde und die Umweltorganisation Parteistellung gehabt hätte. Bei Bestimmungen in allgemeinen Rechtsakten, wie der Qualitätszielverordnung Ökologie Oberflächengewässer wird die Antragsstellung daher nur relativ kurz möglich sein, bei Verordnungen, die sich auf konkrete Gewässer(-abschnitte) beziehen, kann eine Antragsstellung uU länger möglich sein. Der Individualantrag wird daher in gewissen Konstellation zu einem Instrument der abstrakten Normenkontrolle.

VI. Ergebnis und offene Fragen Die angeführten Beispiele aus dem Bereich des Wasserrechts zeigen ganz gut, dass die Rsp des EuGH zu Individualrechten im Umweltrecht Auswirkungen haben wird, die weit über das Luftreinhalterecht hinausreichen. Ein möglicher Vorbote dieser Auswirkungen ist ein aktuelles Vorabentscheidungsersuchen des VwGH.43 Dabei wird außerhalb der Anwendbarkeit des UVP-G einerseits das althergebrachte Konzept der Schutznormtheorie im Anwendungsbereich des unionalen Umweltrechts vom Konzept des Interessenschutzes verdrängt; Rechte können demnach auch der Durchsetzung von öffentlichen Interessen, namentlich Umweltschutzinteressen, dienen. Dies führt zu einem weiten Kreis potentieller Parteien, im Lichte des Art 9 Abs 3 AK und der Spruchpraxis des ACCC sind von diesem Kreis jedenfalls Umweltschutzorganisationen erfasst. Diesen Parteien kommt in weiterer Folge auch das Recht zur Erhebung einer Beschwerde nach Art 130 Abs 1 Z 1 iVm Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG an das zuständige Verwaltungsgericht zu. Das dargestellte Konzept hat aber auch Auswirkungen auf den verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz im Zusammenhang mit Verordnungen; nach dem unionalen Modell des Interessenschutzes müssen in unionsrechtskonformer Auslegung von Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG auch Umweltschutzorganisationen Trägerinnen von Rechten sein. Nachdem diese Rechte aber ausschließlich auf Einhaltung der umweltschützenden Vorschriften gerichtet sind, liegt eine Verletzung dieser Rechte bereits dann vor, wenn eine Verordnung rechtswidrig in Hinblick auf derartige Vorschriften ist. Das Unionsrecht fordert daher die Einräumung einer Art „Legali-

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im Zusammenhang mit der Umwegsunzumutbarkeit T. Weber, Umweltschutz 231 f. VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0055 (iW gleichlautend: VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0051), beim EuGH anhängig als Rs C-664/15.

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tätsanspruch“. Die Regelung der Durchsetzung dieses Anspruchs ist freilich Sache des nationalen Rechts. Es bestehen hier keine Bedenken dagegen, die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen auch auf die hier behandelte Konstellation anzuwenden – mit der Konsequenz, dass manche Verordnungen nur für kurze Zeit angefochten werden können, weil dann bereits ein Verwaltungsverfahren anhängig ist, in welchem die Umweltorganisation wiederum kraft unionsrechtlich determinierter Rechte Parteistellung hat bzw gehabt hätte. Die Durchsetzung eines Anspruchs auf Erlassung gewisser Verordnungen kann im Übrigen wie auch bei Luftreinhalteplänen über den Umweg der Säumnisbeschwerde durchgesetzt werden; allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch in vielen Fällen die Einreichung eines Entwurfs für einen wasserwirtschaftlichen Rahmenplan nach § 53 WRG möglich sein wird. Die hier behandelten Fragestellungen zeichnen bei Weitem noch kein vollständiges Bild der Auswirkungen, welche die Judikatur des EuGH zu unionalen Rechten auf das (nationale) Umweltrecht hat. Nicht behandelt wurden in den vorangegangenen Ausführungen bspw Fragen im Zusammenhang mit Antragsstellung und Rechtsschutz betreffend nicht normativer Verwaltungsakte (Pläne und Programme)44 oder Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, zB zur Gefahrenabwehr im Bereich der Gewässerreinhaltung.45 Bestehen Rechtsschutzmöglichkeiten, so stellen sich die oben bereits angedeuteten (Folge-) Fragen nach der Zulässigkeit von Präklusionsvorschriften46 und dem Prüfungsumfang; zukünftig wird aber bspw auch über das Gebot kostengünstigen Rechtsschutzes zu diskutieren sein.47 Es bleibt daher abschließend festzuhalten, dass aus dem Unionsrecht stammende Individualrechte das nationale (Umwelt-)Recht intensiv beeinflussen. Mit mehr oder weniger kreativen Auslegungswegen können die Anforderungen des Unionsrechts im bestehenden Rechtsschutzsystem im Großen und Ganzen erfüllt werden. Nichtsdestotrotz wäre aber eine gesetzgeberische Initiative wünschenswert, um Rechtsklarheit zu schaffen – im Interesse aller Beteiligten und zur Schaffung der nach Art 3 Abs 1 AK notwendigen Transparenz.

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45 46 47

S dazu den Beitrag „Rechtsbehelfe zur Umsetzung der 3. Säule der Aarhus-Konvention – legistische Reformpläne“ von Waltraud Petek in diesem Band sowie zum nicht rechtsverbindlichen Teil des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans T. Weber, Umweltschutz 213 f. ZB § 31 WRG; dazu wiederum T. Weber, Umweltschutz 199 ff. Inzwischen für die mit der österreichischen Rechtslage vergleichbare deutsche Rechtslage verneint durch EuGH 15.10.2015, C-137/14, Kommission/Deutschland, Rz 75 ff. S dazu Art 9 Abs 4 AK und Art 47 Abs 3 GRC sowie EuGH 11.4.2013, C-260/11, Edwards, Rz 35.

Ausgewählte Fälle zum Recht auf saubere Luft Marlies Meyer

I. Einleitung und Überblick A. Einleitung Der europäische Gesetzgeber hat den Bürgern und Bürgerinnen Europas 1996 ein hehres Versprechen gegeben: Die Umgebungsluft soll frei von gesundheitsgefährdenden Luftschadstoffen sein. Trotz einer Vorlaufzeit von mehr als acht Jahren waren die Mitgliedstaaten beim ersten Stichtag 1. 1. 2005 (für Feinstaub) weit davon entfernt, dieses Versprechen eingelöst zu haben. Auch zehn Jahre später bleibt noch viel zu tun. Als große Umsetzungsmotoren haben sich jedenfalls die Bürger und Bürgerinnen, von der Luftverschmutzung betroffene Einzelne und Umweltorganisationen, und der Gerichtshof der Europäischen Union erwiesen. Der folgende Beitrag zeichnet die Entwicklung anhand ausgewählter Rechtsfälle in Österreich – mit Blick auf maßgebliche deutsche Verfahren – nach.1 Dabei sind auch die Vertragsverletzungsverfahren inklusive der EU-Pilotverfahren der Europäischen Kommission gegen Österreich von Relevanz, einerseits weil sie zumeist durch begründete EU-Beschwerden von Bürgern und Bürgerinnen ausgelöst wurden, andererseits weil die darin getätigten Äußerungen der Kommission teilweise argumentativ in den Verfahren vor den nationalen Instanzen eingebracht werden. Dies gilt auch für die Entscheidungen der Kommission zur Frage, ob die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte aufgeschoben werden darf (Fristerstreckungsverfahren). Immer geht es um dieselbe Frage: Haben die nationalen Instanzen alles getan, um die durch die Richtlinie garantierte Luftqualität sicherzustellen? Der Beitrag versucht zunächst einen chronologischen Überblick über diese Verfahren zu geben. Um die Verzahnungen der europäischen, deutschen und österrei1

Die dargestellten österreichischen Fälle wurden vom „Grün-Alternativen Verein zur Unterstützung von Bürgerinitiativen“ unterstützt. Siehe auch die Jahresberichte des Vereins auf www.buergerinitiativen.at. Zu den angesprochenen Verfahren in Österreich und Deutschland sowie zur Rechtslage siehe auch Klinger/Giera, Tu felix, Deutschland? RdU 2014/6, 229 sowie die Informationen und Dokumente zu den Fällen zum Recht auf saubere Luft auf der Internetseite http://legal. cleanair-europe.org/en/legal/ des EU Life+ Projekts “Clean air for Europe”.

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chischen Ebene besser sichtbar zu machen, wurden auch zwei grafische Darstellungen aufgenommen. Danach werden die vier ausgewählten österreichischen Verfahren im Detail geschildert. Am Ende steht ein kurzes Resümee.

B. Bürgerverfahren in Österreich Nach der Richtlinie über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität 19962 und der einschlägigen Tochterrichtlinie aus 19993 waren ab 1. 1. 2005 zum Schutz der Gesundheit die Immissionsgrenzwerte für Feinstaub verbindlich einzuhalten. Dies wurde auch medial stark kommuniziert4 und führte zu entsprechenden Rechtsschritten Einzelner in München (Dieter Janecek) und Graz (Christian Wabl). Das deutsche Verfahren führte 2008 zu einer Vorabentscheidung des EuGH, das österreichische Verfahren endete letztlich – ohne Befassung des EuGH – im zweiten Rechtsgang im Jahre 2009 beim Obersten Gerichtshof zuungunsten des Klägers. Die Janecek-Vorabentscheidung5 löste jedoch noch im selben Jahr einen verwaltungsrechtlichen Antrag in Niederösterreich aus (Karin Kuna). Dieses Verfahren endete beim Verwaltungsgerichtshof im Jahre 2012 und war Basis für den verwaltungsrechtlichen Antrag in Graz im März 2013 (Familie Hoffmann). Im Herbst 2013 entschied das deutsche Bundesverwaltungsgericht über eine Klage der „Deutschen Umwelthilfe“ auf Maßnahmen gegen die Stickstoffdioxid-Belastung6 in Darmstadt positiv, nämlich dass der europäische Individualrechtsschutz im Lichte von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention (AK) auch zugunsten von Umweltorganisationen gelte. Unter anderem aus diesem Grunde brachte die Umweltorganisation ÖKOBÜRO im April 2014 den Antrag auf weitere Maßnahmen gegen die Stickstoffdioxidbelastung in Salzburg ein. Das Grazer Verfahren der Familie Hoffmann führte im Mai 2015 (veröffentlicht am 29. Juni 2015) zu einer Entscheidung des Verwaltungsge2 3 4 5

6

RL 96/62/EG, ABl L 1996/296, 55. RL 1999/30/EG des Rates vom 22. 4. 1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft, ABl L 1999/163, 41. Siehe etwa Der Spiegel 50/2004 vom 6. 12. 2004: „Straßensperren und Citymaut“. Der Spiegel 14/2005 vom 4. 4. 2005 machte den Feinstaub zur Coverstory: „Das Feinstaubgespenst“. EuGH 25. 7. 2008, C 237/07, Janecek; siehe dazu wie auch zu den im Beitrag noch weiter erwähnten einschlägigen EuGH-Judikaten „Slowakischer Braunbär“, EuGH 8. 3. 2011, C 240/09 und „Client Earth“, EuGH 19. 11. 2014, C 404/13 schon Schulev-Steindl, Giera und Weber in diesem Band. Ab 1. 1. 2010 waren auch die Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte verbindlich einzuhalten, die RL 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 5. 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa, ABl L 2008/152, 1 (Luftqualitäts-RL) hatte die alten einschlägigen Richtlinien ersetzt.

Ausgewählte Fälle zum Recht auf saubere Luft

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richtshofs, das Salzburger Verfahren ist noch beim Verwaltungsgerichtshof anhängig. EuGH C 240/09 - "Slowakischer Braunbär" 8/3/2011

Dt BVerwG 7 C 21.12 5/9/2013

EuGH C 165/09 - Stichting Natuur en Milieu Klage Janecek

EuGH C 237/07 - Janecek

31/3/2005

25/7/2008

2005

2006

2007

2008

8/3/2005

12/9/2006

Klage

OGH 1 Ob 151/06x

2009

2010

2011

EuGH C 404/13 – Client Earth

26/5/2011

19/11/2014

2012

2013

2014

2015

6/7/2009

OGH 1 Ob 68/09w

PM10 Graz (Wabl) 22/10/2008

Antrag

26/6/2012

VwGH 2010/07/0161 PM10 NÖ (Kuna) 3/3/2013

28/5/2015

Antrag

VwGH Ro 2014/07/0096

PM10 Graz (Hoffmann) 8/4/2014

Antrag

11/5/2015

a.o. Revision

NO2 Sbg (ÖKOBÜRO)

Grafik: Ausgewählte Anträge auf Luftreinhaltemaßnahmen in Österreich

C. Kommissionsverfahren betreffend Österreich Die österreichischen Behörden wurden nicht nur von den Bürgern und Bürgerinnen in die Pflicht genommen, sondern auch von der Europäischen Kommission.

1. Feinstaub Auch wenn die grafische Darstellung unten erst mit dem Jahr 2009 beginnt, gab es auch schon ab 2004 einschlägige Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich, die dann letztlich dazu führten, dass Österreich im November 2008 um Fristerstreckung für die Einhaltung der Grenzwerte für PM10 ersuchte.7 Diese Fristerstreckung wurde für etwa die Hälfte der beantragten Gebiete gewährt, im Fall von Graz hielt die Kommission jedenfalls die Aufnahme von „strengeren Minderungsmaßnahmen“ 7

Auf dieser Internetseite können alle Entscheidungen der Kommission zu Fristerstreckungen nachgelesen werden: http://ec.europa.eu/environment/air/quality/legislation/time_extensions.htm

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in den Luftqualitätsplan für erforderlich. Der ergänzte Fristerstreckungsantrag vom März 2010 enthielt dann auch zusätzlich eine Umweltzone, also abgasklassenorientierte Fahrbeschränkungen für Graz.8 Diese zusätzlich beabsichtigte Maßnahme war dann auch der Grund, dass im Oktober 2010 auch bezüglich Graz die Fristerstreckung bis 11. Juni 2011 gewährt wurde. Parallel dazu führte die Kommission aber auch wegen Verletzung der Luftqualitäts-Richtlinie das horizontale Vertragsverletzungsverfahren Nr 2008/2183 gegen mehrere Mitgliedstaaten, eben auch Österreich. In diesem Verfahren erging im November 2009 das Mahnschreiben an Österreich, im Oktober 2010 bereits die Begründete Stellungnahme. Nach insgesamt fünf österreichischen Stellungnahmen schickte die Europäische Kommission ein neuerliches Mahnschreiben. Österreich versuchte darauf in mehreren Schriftsätzen nochmals eine Verletzung der Luftqualitäts-RL in Graz in Abrede zu stellen9, die Kommission beharrte aber mit einer neuerlichen Begründeten Stellungnahme vom 26. 11. 2014 auf ihrer Rechtsauffassung: Da die letzten verfügbaren Luftqualitätsberichte (2011-2013) in Graz unzulässige Überschreitungen des Tagesgrenzwertes aufzeigen würden, verletze Österreich die Luftqualitäts-RL. Durch eine Presseaussendung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 30. 4. 2015 wurde bekannt, dass die Kommission schließlich überraschend das Verfahren eingestellt hatte. Die Gründe für die Einstellung eines Vertragsverletzungsverfahrens werden grundsätzlich nicht schriftlich mitgeteilt.10

2. Stickstoffdioxid Im Oktober 2011 beantragte Österreich auch bezüglich NO2 eine Fristerstreckung. Diese wurde nur für drei von insgesamt neun Gebieten gewährt, in den übrigen Gebieten seien „strengere Minderungsmaßnahmen“ in die Luftqualitätspläne aufzunehmen. Die EU-Kommission startete im Juli 2014 ein EU-Pilotverfahren wegen Verletzung der Emissionshöchstmengen-RL, ua der NOx-Emissionshöchstmenge

8

9

10

Diese „Bewegung“ war wohl auch der Tatsache geschuldet, dass die Kommission im Jahre 2010 erstmals gegen (fünf ) Mitgliedstaaten wegen Verletzung der Luftqualitäts-RL Klage beim EuGH erhob, siehe Current statistics on infringements for failing to comply with EU air quality standards 2015-06-18 auf: http://legal.cleanair-europe.org/en/legal/eu/infringement-procedure/. Dokumentiert ist dieser schon an offiziellen Schriftsätzen intensive Schriftverkehr zwischen Österreich und der europäischen Kommission in der Anfragebeantwortung 229/AB vom 13. 2. 2014, NR 25. GP. Diese Schriftsätze der Vertragsverletzungsverfahren sind jedoch der Öffentlichkeit de jure nicht zugänglich. Siehe so auch Anfragebeantwortung des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien vom 26. 8. 2015, 5575/AB, NR 25. GP, 4.

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in Serie und beträchtlich11, und im September 2014 ein EU-Pilotverfahren wegen Überschreitung der NO2-Grenzwerte nach der Luftqualitäts-RL, ua in Salzburg und Graz.12

3. Aarhus-Konvention und „Prinzip der nützlichen Wirkung“ Wasser auf die Mühlen der Recht suchenden Bürger und Bürgerinnen schüttete auch das Mahnschreiben wegen fehlender Umsetzung von Art 9 Abs 3 AK und fehlender Beachtung des „effet utile“ vom Juli 2014.13 Darin rügte die Kommission ua, dass Österreich Umweltorganisationen und Einzelpersonen keine Klagebefugnisse eingeräumt hätte, um Handlungen und Unterlassungen, die gegen die Luftqualitäts-RL und andere Umweltrichtlinien verstoßen, vor einem Gericht überprüfen lassen zu können. Fristerstreckung PM10-Tagesgrenzwert K, NÖ, St ohne Graz, T, Linz, W bis 10.6.11 2/7/2009

VVV PM10 Mahnschreiben Nr. 2008/2183

Fristerstreckung PM10-Tagesgrenzwert Graz bis 11.6.2011

Fristerstreckung NO2-Jahresgrenzwert K und Linz bis 1.1.2015; NÖ bis 1.1.2013 12/7/2012

22/10/2010

VVV PM10 Begründete Stellungnahme

VVV PM10 erneutes Mahnschreiben

1/10/2010

26/4/2013

VVV PM10 Ergänzende begr. Stellungnahme 26/11/2014

24/11/2009

EU-Pilot NO2-Emissionen, Nr. 6741/14/ENVI 24/7/2014

VVV Zugang zu Gerichten Mahnschreiben, Nr. 2014/4111 11/7/2014

2009

2010

2011

2012

2013

EU-Pilot NO2-Immission OÖ ohne Linz, S, T, V, W, Graz, Nr. 6683/14/ENVI 22/9/2014

2014

Grafik: Pilot-, Vertragsverletzungs- und Fristerstreckungsverfahren ab 2009

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EU-Pilotverfahren Nr 6741/14/ENVI. EU-Pilotverfahren Nr 6683/14/ENVI. Im Februar 2016 wurde wegen Überschreitung der NO₂-Grenzwerte das Vertragsverletzungsverfahren Nr 2016/2006 eingeleitet. Vertragsverletzungsverfahren Nr 2014/4111.

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II. Die Bürgerverfahren im Detail A. Feststellungsklage Wabl vom März 2005 (Graz) Der Kläger begehrte die Feststellung, dass das Land Steiermark und die Republik Österreich dem Kläger solidarisch für all jene Schäden haften, die ihm dadurch entstehen, dass es die Beklagten unterlassen (haben), Maßnahmen zu setzen oder Anordnungen in die Wege zu leiten, um die Feinstaubbelastung in Graz nicht über die zulässigen Grenzwerte gemäß den Bestimmungen des IG-L und/oder der RL 96/62/EG steigen zu lassen. Die erste Instanz wies die Klage ab14, aber das angerufene OLG Graz machte Mut:15 Aufgrund des Vorliegens von Immissionsgrenzwerten zum Schutz der Gesundheit könne bei Überschreitung dieser Grenzwerte von einer Gefahr ausgegangen werden, deshalb sei eine Feststellungsklage zulässig. Allerdings müssten in weiterer Folge die rechtswidrig unterlassenen Maßnahmen und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts geklärt werden. Aufgrund der Revision der Beklagten kam der Rechtsfall zum OGH, welcher zwar die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestätigte, aber die Beweislast des Klägers noch weiter verstärkte. Eine Auseinandersetzung mit dem vom Kläger vorgebrachten europäischen Grundsatz des „effet utile“ erfolgte nicht.16 Im fortgesetzten Verfahren gelang es dem Kläger nicht, den trotz Schutzgesetzverletzung hoch geschraubten Beweisanforderungen zu genügen. Unter anderem lehnten auch angefragte Sachverständige eine Gutachtenserstellung gegen den Staat ab. Der Kläger scheiterte in allen drei Instanzen.17 14 15

16

17

LG für ZRS Graz 20 Cg 45/05k-12 vom 23. 9. 2005. OLG 5 R 191/05f vom 21. 3. 2006. Siehe zustimmend Kerschner, Aktuelles Umweltprivatrecht, in IUR/ÖWAV (Hrsg), Jahrbuch des österreichischen und europäischen Umweltrechts 2007 (2007) 41 (47): „Die Entscheidung hat in den Medien großen Staub aufgewirbelt und das im Hinblick auf ihre umweltrechtliche Bedeutung zu Recht! War es eine Amtshaftungsklage (1 Ob 5/92 = JBl 1993,532 mit Anm Kerschner – Lüftungs- und Klimaanlage in Klagenfurt), die mittelbar Druck auf den öffentlich-rechtlichen Verwaltungsrechtsvollzug ausgeübt hat, so ist jetzt eine entsprechende Feststellungsklage (eine vorbeugende Handlungsklage widerspricht dem Gewaltenteilungsprinzip!) derzeit das einzige Rechtsmittel, um mangelnden Vollzug des objektiven Umweltrechts geltend machen zu können.“ Die Tageszeitung Der Standard schrieb am 29. 5. 2006 auf der Titelseite: „Gericht: Politiker müssen für Umweltsünden haften“. OGH Ob 151/06x vom 12. 9. 2006. Siehe dazu Wagner, Aktuelles Umweltprivatrecht, in IUR/ ÖWAV (Hrsg), Jahrbuch des österreichischen und europäischen Umweltrechts 2008 (2008) 35 (62). LG 20 Cg 45/05k vom 4. 7. 2008. Siehe dazu kritisch Wagner, Aktuelles Umweltprivatrecht, in IUR/ÖWAV (Hrsg), Jahrbuch des österreichischen und europäischen Umweltrechts 2009 (2009)

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B. Antrag Kuna vom Oktober 2008 (Niederösterreich) Die Bürgerin beantragte, der Landeshauptmann möge • in Niederösterreich ein ausreichendes Messnetz für Feinstaub (PM10) vorsehen, um die Einhaltung der Grenzwerte nach IG-Luft überwachen zu können, • ein Maßnahmenpaket (Programm) erlassen, das die Einhaltung der Grenzwerte für Feinstaub (PM10) im gesamten Bundesland sowohl kurz- als auch langfristig sicherstellt. Der LH von NÖ war der Auffassung, dass die Bürgerin kein Recht auf Ergänzung des Messnetzes und auf Maßnahmen habe, aber stellte darüber zumindest einen Bescheid aus, sodass der Rechtsweg zur nächsten Instanz eröffnet wurde. Die am 1. 9. 2009 beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft eingebrachte Berufung blieb so lange liegen, bis der VwGH aufgrund einer Säumnisbeschwerde am 8. 7. 2010 dem BMLFUW eine Bescheiderlassung binnen drei Monaten auftrug. Auch das Ministerium meinte schließlich, dass ein subjektives Recht auf Setzung eines bestimmten Verwaltungsaktes in der österreichischen Rechtsordnung nicht vorgesehen sei und auch das Gemeinschaftsrecht kein hinreichendes Instrumentarium zur Verfügung stelle. Das Janecek-Urteil sei auf die neu erlassene Luftqualitäts-RL nicht übertragbar. Der VwGH sah das anders.18 Er setzte sich mit dem ins Treffen geführten Janecek-Urteil auseinander, wies jedoch daraus ableitend darauf hin: „Der Anspruch auf Durchsetzung behördlicher Schritte sieht jedenfalls die dargestellte unmittelbare Betroffenheit eines Antragstellers als Zulässigkeitsvoraussetzung vor.“ Er wies daher die Beschwerde – weil zu weitgehend – ab. „Anträge, die wie die gegenständlichen auf Umsetzung im gesamten Bundesland abzielen, mögen zwar im Ergebnis auch dem Schutz der Gesundheit der Beschwerdeführerin dienen, doch käme der Beschwerdeführerin – wenn überhaupt – nur ein Recht auf Durchsetzung der gegenständlichen Ansprüche insoweit zu, insofern eine Beeinträchtigung ihrer eigenen Gesundheit unmittelbar (etwa

18

41 (51): „Die Vorschreibung von Maßnahmen zur Feinstaubreduktion liege im Ermessen der Beh, weshalb die Klage abzuweisen sei. Diese Argumentation ist insb im Lichte des EuGH-Urteils, wonach Betroffene sogar ein subjektives Recht auf Einhaltung der einschlägigen Luftgrenzwerte haben, nicht nachvollziehbar.“ (Wie sich aus der FN ergibt, meint Wagner das EuGH-Judikat Janecek). Die Entscheidung des OLG erfolgte ein gutes halbes Jahr später: OLG 5 R 191/08k vom 20. 1. 2009. Die außerordentliche Revision wurde mit OGH 1 Ob 68/09w vom 6. 7. 2009 zurückgewiesen. Zu diesem Urteil siehe auch Papst, Rechtsschutz gegen Straßenverkehrsimmissionen, unv Diss, Universität Graz (2015) 120. VwGH 26. 6. 2012, 2010/07/0161.

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durch dauernden oder wiederholten Aufenthalt im Einwirkungsbereich einer Emissionsquelle) in Frage kommt.“

C. Antrag Hoffmann vom März 2013 (Graz) Die Familie Hoffmann beantragte „weitere Maßnahmen zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Feinstaub“ an ihrem Wohnort Graz und fokussierte in weiterer Folge auf dauerhafte abgasklassenorientierte Fahrbeschränkungen, also auf eine Umweltzone und/oder auf nach Kennzeichennummer wechselnde Fahrverbote oder auf „andere geeignete und effektive gleichwertige Maßnahmen“. Der Antrag stützte sich dabei auf amtliche Materialien, wonach in Graz 50% der Feinstaubimmissionen aus dem Verkehr stammten und davon wieder 50% dem PKW-Verkehr zuzuordnen seien. Die amtlichen Materialien hätten daher auch immer wieder verkehrsbezogene Maßnahmen vorgeschlagen, was schließlich auch 2006 zur Verordnung von Fahrverboten im Fall einer massiven Grenzwertüberschreitung geführt hätte. Diese Verordnung wäre jedoch im Vorfeld der Grazer Wahlen 2008 im November 2007 wieder aufgehoben worden. Die europäische Kommission hätte 2010 lediglich unter Zusicherung Österreichs, eine Umweltzone zu erlassen, eine Fristerstreckung gewährt. Dieses politisch breit getragene Vorhaben einer Umweltzone in Graz wäre aber nach der Landtagswahl 2011 wieder fallen gelassen worden. Die Kommission hätte gegen das neue Luftreinhalteprogramm 2011, das keine Umweltzone vorsah, Einwände erhoben. Noch mit Schreiben vom 9. 3. 2012 hätte die Kommission auf der zugesagten Umweltzone insistiert. Natürlich wurden auch die Grenzwertüberschreitungen unter Verweis auf die Jahresberichte 2001 bis 2012 des Umweltbundesamtes belegt.19 Zu betonen ist, dass der Antrag einerseits versuchte, möglichst präzise zu sein, sowohl was die notwendigen Maßnahmen und ihre sachliche Rechtfertigung anbelangt, andererseits aber auch klarstellte, dass – sollte dafür ein Spielraum bestehen – auch „andere geeignete und effektive gleichwertige Maßnahmen“ beantragt würden. Diesen Weg hatte auch die Kommission im schon erwähnten Schreiben von 2012 eingeschlagen, wenn sie den Nachweis von Österreich verlangte, dass das – kompensatorisch zur fallengelassenen Umweltzone – ins Auge gefasste Fernwärmeprogramm denselben Effekt erzielen müsste, um von einem ausreichenden Luftqualitätsplan sprechen zu können. 19

Sämtliche Schriftsätze der Familie Hoffmann und der steirischen Behörden wie auch das Urteil des Landesverwaltungsgerichts Steiermark können hier aufgerufen werden: https://www.gruene. at/themen/umwelt/feinstaub-gericht-bestaetigt-recht-auf-saubere-luft.

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Der LH bestritt auch nicht die im Detail dargelegten Grenzwertüberschreitungen, versuchte jedoch – neben der grundsätzlichen Zurückweisung des Rechts auf saubere Luft – auch die Betroffenheit der antragstellenden Familie in Zweifel zu ziehen, indem er auf die zwei nächstgelegenen Messstellen abstellte und die höheren Werte an der Messstelle Don Bosco ignorierte.20 Auch das Landesverwaltungsgericht, an das die Berufung weitergeleitet worden war, bestritt nicht die Grenzwertüberschreitungen, sondern machte nur geltend, dass die Feinstaubbelastung in der Tendenz abnehme. Obwohl es auch schon das Recht auf saubere Luft negierte, brachte es sicherheitshalber auch inhaltliche Argumente vor: Zur mangelnden Wirksamkeit einer Umweltzone führte es eine einzige Studie, nämlich einer europäischen Forschungsvereinigung aus 2012, ins Treffen. Dazu gab es kein Parteiengehör. Sonst hätte die antragstellende Familie bereits die Objektivität der Studienautoren vor dem LVwG in Zweifel gezogen, denn die Forschungsvereinigung wurde von BMW, Daimler, Volkswagen und Bosch gegründet. Die Studienautoren weisen in der Publikation der Studie diesen Interessenskonflikt auch korrekt aus. Immerhin wurde vom Landesverwaltungsgericht Stmk die ordentliche Revision zugelassen21, was etwa das Salzburger LVwG im sehr ähnlich gelagerten Fall ÖKOBÜRO verwehrte. In der Revision vom 23. 7. 2014 wurde besonderes Augenmerk auf die europarechtliche Begründung gelegt und zu diesem Zweck vorab ein Gutachten22 in Auftrag gegeben. Ebenso wurde der Aussage der mangelnden Wirksamkeit der Umweltzonen mit einer sachverständigen Stellungnahme23 entgegengetreten. In der Revisionsbeantwortung vom 30. 9. 2014 legte die belangte Behörde plötzlich neue Immissionsgrenzwert-Berechnungen vor, nach denen in den Jahren 2012 und 2013 die Grenzwerte eingehalten worden wären. Da die Revisionsbeantwortung vom LVwG nicht ordnungsgemäß der Revisionswerberin vorgelegt wurde, konnte darauf erst später vor dem VwGH repliziert werden. Neben dem Hinweis auf das Neuerungsverbot wurde die Richtigkeit dieser Berechnungen von der Revisionswerberin bestritten. Gemäß der in Österreich geltenden IG-L-Winterstreu-VO des BMLFUW24 sei nämlich für die Herausrechnung ein bestimmtes Procedere und 20 21 22

23 24

Amt der Stmk Landesregierung, ABT13-05.00-7/2012-41 vom 28. 8. 2013. LVwG Stmk 41.1-2572/2014-6 vom 6. 6. 2014. Giera, Das Recht auf saubere Luft aus europarechtlicher Sicht – eine Analyse des Erkenntnisses des stmk. Landesverwaltungsgerichts 41.1-2572/2014-6. Siehe auch Giera, Individualrechte im europäischen Umweltrecht und ihre Durchsetzung im nationalen Recht (2015). Vrtala, Stellungnahme zur Feststellung im Erkenntnis des LVwG Stmk, LVwG 41.1-2572/2014-6, betreffend mangelnder Wirksamkeit einer Umweltzone im Gebiet der Stadt Graz. Gemäß IG-L-Winterstreuverordnung (BGBl II 2012/131) können Beiträge von Streusalz und Splitt

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eine bestimmte Methode einzuhalten.25 Auch wenn die Kommission die Immissionsberechnung im Vertragsverletzungsverfahren offenbar im Zuge der Einstellung (Ende April 2015) großzügiger gesehen hat, ist im gegenständlichen Verfahren doch auf die Einhaltung rechtstaatlicher Grundsätze zu pochen. Mit Erkenntnis vom 28. 5. 2015 hob der VwGH die Entscheidung des LVwG auf.26 Er stellte darin klar, dass ein Antrag auf Ergänzung eines Luftqualitätsplans zulässig ist, wenn die Grenzwerte überschritten werden und die Antragsteller bzw Antragstellerinnen im belasteten Gebiet „nicht nur vorübergehend leben und arbeiten und auch ihre sozialen Kontakte (..) pflegen“. Dies gebiete das Unionsrecht. „Die Zurückweisung eines solchen Antrags mangels Antragsrecht auf Erlassung einer Verordnung stellt (hingegen) die Verweigerung einer Sachentscheidung und somit eine Rechtsverletzung dar.“ Der VwGH leitete dies aus den EuGH-Urteilen zu „Janecek“ und „Client Earth“ ab, letzteres ist ja auf der Grundlage der aktuellen Luftqualitäts-RL (Art 13 und Art 23 sowie Anhang XI) ergangen und zielt auch wie der Antrag Hoffmann auf die Verbesserung eines Luftqualitätsplans, also auf zusätzliche Luftreinhalte-Maßnahmen, ab. Hinsichtlich der zeitlichen Dimension der Betroffenheit bringt der VwGH zunächst zum Ausdruck, dass bei der Entscheidung auf den letzten vorliegenden Jahresbericht zur Luftgüte abzustellen sei. Das ist mE zu einschränkend. Erstens ist auf die Gründe der Einhaltung zu achten, bessere Immissionswerte können zB durch einen warmen Winter verursacht sein. Zweitens stellt ein Luftqualitätsplan auf langfristige Maßnahmen ab, daher ist auch auf eine langfristige Einhaltung der Grenzwerte zu achten. In der Streitfrage Immissionsberechnung nach steirischer Art oder nach Art des Umweltbundesamtes orientierte sich der VwGH an letzterer. Eine andere Berechnungsmethode müsste genau begründet werden.27

25

26 27

von erhöhten PM10-Belastungen (korrespondierend mit Art 21 der Luftqualitäts-RL) in Abzug gebracht werden. Bei Berechnung der Tage mit Feinstaubüberschreitungen der Jahre 2012 und 2013 wurden ex post die Winterstreuung und die Saharastaub-Einträge sowie industrielle Emissionen großzügig herausgerechnet. Damit war man – mit eigens kreierten Rechenmethoden – unter der europäischen Toleranz von 35 Überschreitungstagen pro Jahr geblieben. Das Umweltbundesamt weist in seiner Überschreitungsstatistik, die auf der in Österreich verordneten Methode basiert, für Graz, Messstelle Don Bosco im Jahr 2012 50 Überschreitungstage und Graz Ost Petersgasse 38 ÜT aus, im Jahre 2013 Graz Ost Petersgasse 45, Don Bosco 44 und im Jahre 2014 bei Graz Ost 37 ÜT (http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/luft/luftguete_aktuell/ueberschreitungen/, Abfrage vom 31. 8. 2015). VwGH Ro 2014/07/0096. Siehe auch Schulev-Steindl, Anmerkung zu VwGH Ro 2014/07/0096, RdU 2015/05, 208. Das LVwG behob den bekämpften Bescheid Anfang November 2015 (LVwG 41.1-2572/2014-14). Bis zur Drucklegung des Beitrags waren keine neuen Ermittlungsschritte des LH erkennbar.

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D. Antrag ÖKOBÜRO vom April 2014 (Salzburg) Die Umweltorganisation beantragte „geeignete Maßnahmen“ zur schnellstmöglichen Einhaltung der Stickstoffdioxidgrenzwerte an Messstellen in Salzburg Stadt und Salzburg Land. Begründend ging sie auf den überwiegenden Verursacher Straßenverkehr ein und listete mögliche Maßnahmen wie Umweltzone, Citymaut oder eine Regionalstadtbahn auf.28 Der sehr ausführliche Bescheid des Landeshauptmanns vom August 201429 anerkannte die Antragslegitimation unter Berufung auf die EuGH-Urteile „Janecek“ und „Slowakischer Braunbär“ sowie auf das VwGH-Judikat 2010/07/0161. Da die Evaluierung des Luftreinhalteprogramms 2013 erfolgte, wurden zu den von der Umweltorganisation vorgeschlagenen Maßnahmen eigene „Gutachterliche Stellungnahmen“ eingeholt und diese auch der Umweltorganisation zu Gehör gebracht. Zum Teil wurden die vorgeschlagenen Maßnahmen als nicht zielführend verworfen, zum Teil wurde auf fehlende gesetzliche Grundlagen verwiesen, alle Maßnahmen bräuchten längere Vorlaufzeiten und könnten daher nicht „schnellstmöglich“ gesetzt werden. Auf die gegenüber dem erlassenen Luftqualitätsplan zusätzlich gesetzten Maßnahmen „Billigeres Jahresticket“ und „Ausweitung der Kurzparkzonen“ wurde verwiesen. Über die Beschwerde der Umweltorganisation entschied das LVwG im März 201530: Die Zuerkennung der Antragslegitimation sei nicht rechtens gewesen. Zu diesem Ergebnis kommt es, indem es die EuGH-Judikate „Slowakischer Braunbär“ und „Client Earth“ ignoriert. So kommt das LVwG zur Auffassung, die Umweltorganisation könne keine unmittelbare Betroffenheit geltend machen – das hier relevante „Interesse“ wird übersehen. Ein Recht auf Planerlassung bedeute nicht ein Recht auf Setzung einzelner Maßnahmen. Dabei verkennt es, dass es sehr wohl um einen vollständigen, also ausreichend wirksamen Plan und damit um konkrete Maßnahmen geht. Die Aarhus-Konvention sei nicht unmittelbar wirksam in Österreich. Damit stehe die Entscheidung auch in der Judikaturlinie des VwGH, eine Revision werde nicht zugelassen. Weder wird das VwGH-Judikat 2010/07/0161 aus dem Jahre 2012 erwähnt noch der Tatsache Rechnung getragen, dass sich das 28

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Die Schriftsätze der Umweltorganisation und die behördliche bzw verwaltungsgerichtliche Entscheidung in diesem Fall können hier aufgerufen werden: https://www.gruene.at/themen/umwelt/ saubere-luft-in-salzburg-biv-unterstuetzt-oekobuero. Amt der Salzburger Landesregierung, 205-01/1785/10-2014 vom 14. 8. 2014; siehe dazu auch den Beitrag „Saubere Luft in Salzburg – Programme, Anträge, Verfahren – Möglichkeiten und Grenzen“ von Wolfgang Leitich in diesem Band. LVwG-4/1228/5-2015 vom 30. 3. 2015.

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NGO-Antragsrecht aus dem europäischen Individualrechtsschutz ergibt, der hier im Lichte der Aarhus-Konvention zu sehen ist. Die Umweltorganisation erhob am 11. 5. 2015 eine außerordentliche Revision.

III. Schlussfolgerungen und Ausblick Wer sich dem Umweltschutz verschreibt und seine Gesundheit verteidigen will, braucht einen langen Atem, muss zäh und hartnäckig sein Ziel verfolgen und Niederlagen wegstecken können. Im März 2005 hat der erste österreichische Bürger unter Berufung auf einen erlassenen Immissionsgrenzwert und inspiriert vom europäischen Individualrechtsschutz den gerichtlichen Weg eingeschlagen. Zehn Jahre später ist zumindest attestiert, dass der Bürger bzw die Bürgerin weder die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Gesundheitsschädigung noch das schuldhafte Unterlassen von Maßnahmen seitens der Behörde nachweisen muss, um weitere Maßnahmen „einklagen“ zu können. Der VwGH hat mit seiner Entscheidung vom Mai 2015 klargestellt, dass es reicht, im belasteten Gebiet zu wohnen. Dieser Weg konnte quasi nur im Staffellauf bewältigt werden. Der Bürger Wabl und die Bürgerin Kuna gingen ins Rennen und gaben erschöpft auf. Der nachfolgenden Familie Hoffmann ist ein bedeutender Etappensieg gelungen, dies sollte auch dem ÖKOBÜRO, dem Vierten in der Staffel, gelingen. Die begehrten Luftreinhalte-Maßnahmen sind freilich noch immer nicht gesetzt. Nachdem die Antragslegitimation abstrakt nicht mehr in Abrede zu stellen ist, wird in Graz die Grenzwertüberschreitung bestritten, in Salzburg wird die Effektivität der begehrten Maßnahmen hinterfragt bzw auf fehlende Rechtsgrundlagen verwiesen. Der österreichische Gesetzgeber ist bis jetzt untätig geblieben. Weder wurde ein allgemeines Rechtsbehelfsgesetz erlassen noch wurde den Bürgern und Bürgerinnen im Immissionsschutzgesetz-Luft ein klarer, effektiver und leistbarer Rechtsweg eröffnet.31 Die amtlichen Ressourcen wurden gemäß dem politischen Auftrag vornehmlich in die aufwendige Abwehr drohender Klagen beim EuGH32 oder von Feststellungen des Aarhus-Einhaltungsausschusses33 gesteckt anstatt in Anerkennung der europarecht31

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Bereits 2009 lag eine entsprechende Studie – im Auftrag des BMLFUW – vor: Schulev-Steindl, Rechtliche Optionen zur Verbesserung des Zugangs zu Gerichten im österreichischem Umweltrecht gemäß Aarhus-Konvention (Artikel 9 Abs 3). Neben den schon erwähnten Vertragsverletzungsverfahren zur Umsetzung der Aarhus-Konvention und der Luftqualitäts-RL ist hier auch das Vertragsverletzungsverfahren zur Umsetzung von Art 10a UVP-RL (Feststellungsverfahren), Nr 2012/2013, zu erwähnen. Siehe das Verfahren ACCC/C/2010/48 und zuletzt den Beschluss V/9b der 5. Aarhus-Vertrags-

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lichen Vorgaben in die Erarbeitung von Entwürfen zur Novellierung der relevanten Materien. Den vollmundigen Ankündigungen im parlamentarischen Expertenhearing zur vollständigen Umsetzung der Aarhus-Konvention im Juni 2014 sind bisher keine Taten gefolgt.34 Es ist zu hoffen, dass angesichts des klaren jüngsten Judikats des Verwaltungsgerichtshofs endlich einmal die Hebel in die andere Richtung gestellt werden. Die Widerstände sind freilich gewaltig. Vielen in Politik, Verwaltung und Rechtswissenschaft missfällt, dass der Bürger oder die Bürgerin die Verwaltung in Fragen des – nach österreichischer Rechtstradition objektiven – Umweltrechts vor das Gericht zitieren können soll. Vielen missfällt, dass das doppelte Spiel – machen wir Umweltgesetze, aber wenden wir sie nicht oder wie es uns gefällt an – nicht so einfach weiterbetrieben werden sollte. Doch die Vergangenheit zeigt uns, dass es dieses zivilgesellschaftlichen bzw richterlichen Korrektivs gerade im Umweltschutz bedarf.35 Dieses Recht werden ohnehin nur wenige in Anspruch nehmen, denn es setzt großen zeitlichen, fachlichen und finanziellen Aufwand voraus und leider auch die Bereitschaft, allenfalls berufliche oder sonstige ökonomische Nachteile für dieses strikte Rechtsstaatsverständnis in Kauf zu nehmen.

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staatenkonferenz vom 30. Juni bis 1. Juli 2014, Bericht zur 5. Konferenz vom 15. 10. 2014, ECE/ MP.PP/2014/Add.1. Siehe BM Rupprechter im Hearing des Umweltausschusses über den Antrag der Abg. Brunner betreffend vollständige Umsetzung der Aarhus-Konvention, 124 A/(E). Über dieses Hearing wurde eine Auszugsweise Darstellung angefertigt und veröffentlicht: http://www.parlament.gv.at/PAKT/ VHG/XXV/AD/AD_00002/fname_356253.pdf. Zu den aktuellen legistischen Vorarbeiten siehe auch den Beitrag „Rechtsbehelfe zur Umsetzung der 3. Säule der Aarhus-Konvention – legistische Reformpläne“ von Waltraud Petek in diesem Band. Zu dieser Debatte siehe auch Bergthaler, Angst vor Aarhus? Kurzer Anstoß zur Entkrampfung einer langwierigen Debatte, Meyer, Zu wenig und zu viel Rechtsschutz? und Schmelz, Zu wenig und zu viel Rechtsschutz – aus Sicht der Projektwerber, in IUR/ÖWAV (Hrsg), Jahrbuch des österreichischen und europäischen Umweltrechts 2015 (2015) 161 und Madner, Öffentlichkeitsbeteiligung und Verwaltung: Instrumente der Öffentlichkeitsbeteiligung – Vielfalt, Funktionen, Grenzen, in ÖJK/ Müller (Hrsg), Demokratie – Zustand und Perspektiven (2015) 227 und die folgende Publikumsdiskussion ebd 276.

Luftqualität in Städten und an Hauptverkehrsachsen: Status quo und Ausblick Jürgen Schneider

I. Einleitung Für den Menschen, aber auch für Tiere und Pflanzen ist eine saubere Luft lebensnotwendig. Luftschadstoffe, wie sie bei verschiedenen menschlichen Aktivitäten freigesetzt werden, beeinträchtigen die Gesundheit von Mensch und Tier, sie sind aber auch für die Vegetation, den Boden und die Gewässer schädlich. Diese Wirkungen sind seit langem bekannt und gut dokumentiert. Smogepisoden in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts in London, die vor allem durch das Verfeuern von Kohle verursacht wurden, verursachten in wenigen Tagen den frühzeitigen Tod von einigen tausend Menschen. Hohe Schwefeldioxidemissionen in ganz Mitteleuropa führten Mitte der 70er Jahre zu Saurem Regen und zu einem Fischsterben in Skandinavien. Seit damals wurden zahlreiche Maßnahmen in Österreich und Europa beschlossen und umgesetzt, um den Ausstoß von Luftschadstoffen zu vermindern. Parallel dazu wurden Luftmessnetze aufgebaut, die eine transparente und rasche Information der Bevölkerung über die aktuelle Luftgütesituation ermöglichen (zB http:// www.umweltbundesamt.at) sowie das Wissen über die Wirkung von Luftschadstoffen auf die Gesundheit durch zahllose Studien auch aus Österreich vertieft. Die Belastung durch Luftschadstoffe hat sich durch die gesetzten Maßnahmen etwa bei Schwefeldioxid drastisch reduziert. Bei manchen Schadstoffen ist die Belastung allerdings weiterhin zu hoch. Besonders Feinstaub (PM10), Ozon und Stickstoffoxide (NOx, also NO und NO2) können in Konzentrationen auftreten, die zu Beeinträchtigungen der Gesundheit sowie zu negativen Auswirkungen etwa auf empfindliche Ökosysteme führen. Nach Abschätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO waren Luftverunreinigungen in der Außenluft im Jahr 2012 für über 3,5 Mio vorzeitige Todesfälle verantwortlich, vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern. Aber auch für die EU wurde abgeschätzt, dass Luftschadstoffe 2010 über 400.000 vorzeitige Todesfälle verursachten. Folglich sind die oben genannten Erfolge in der Luftreinhaltung lediglich als Zwischenschritt zu sehen auf dem Weg zu einer guten Luft.

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II. Was ist gute Luft? Wesentliche Basis für die Umweltpolitik der Europäischen Union (die für die Umweltpolitik in den Mitgliedstaaten und damit auch Österreich maßgeblich ist) sind die jeweils gültigen Umweltaktionsprogramme. Mit diesen werden für mehrere Jahre die mittelfristigen Zielsetzungen der EU-Umweltpolitik festgelegt. Im November 2013 wurde das siebte Umweltaktionsprogramm „Gut leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten“ vom Europäischen Rat und Europäischen Parlament verabschiedet, das sich auf den Zeitraum bis 2020 bezieht (EU 2013). Prioritäres Ziel 3 ist der Schutz der Unionsbürger vor umweltbedingten Belastungen, Gesundheitsrisiken und Risiken für die Lebensqualität. Dieses Ziel ist erreicht, wenn die Luftqualität keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat. Das Aktionsprogramm gibt keine exakte Definition, was mit „signifikanten negativen Auswirkungen“ gemeint ist. Allerdings können die Luftqualitätsleitlinien der Weltgesundheitsorganisation als ein Anhaltspunkt genommen werden, ob signifikante negative Auswirkungen auf die Gesundheit auftreten. Diese werden unter der Patronanz der Weltgesundheitsorganisation jeweils von einer interdisziplinären, unabhängigen Gruppe von führenden Wissenschaftlern mit dem Ziel festgelegt, politischen Entscheidungsträgern in aller Welt eine zuverlässige Orientierungshilfe bei der Prüfung von möglichen Maßnahmen zur Luftreinhaltung zur Verfügung zu stellen (WHO 2005). Aus einer aktuellen Auswertung der Europäischen Umweltagentur geht hervor, dass ein erheblicher Anteil der städtischen Bevölkerung in Europa einer Exposition ausgesetzt ist, die weit über den entsprechenden WHO-Leitlinien liegt (siehe Tabelle 1 – vgl Seite 109). Bei Ozon und PM2,5 (Feinstaub mit einem aerodynamischen Durchmesser kleiner gleich 2,5 µm) liegt dieser Wert jeweils über 90 %. Bedeutend ist der Unterschied zwischen dem EU-Referenzwert (‚EU reference value‘) sowie dem Referenzwert der WHO. Bei etlichen Schadstoffen liegen die Referenzwerte der WHO deutlich unter den derzeit rechtlich verbindlichen Grenz­ werten der EU (bei PM2,5 liegt der Richtwert der EU beispielsweise bei 20 µg/m3 als Jahresmittelwert, jener der WHO bei 10 µg/m3). Dies bedeutet, dass selbst bei Einhaltung aller EU-Grenzwerte die WHO-Werte deutlich überschritten werden können und folglich auch noch mit erheblichen Auswirkungen auf die Gesundheit gerechnet werden muss. Der hohe Prozentsatz der Überschreitungen des WHO-Werts für PM2,5 gibt insbesondere auch deshalb Anlass zur Sorge, da Feinstaub jener Luftschadstoff ist, der nach derzeitigem Wissenstand mit den gravierendsten Gesundheitsfolgen in Zusammenhang steht (Umweltbundesamt 2005, WHO 2005, 2013, Krzyzanowski &

Tabelle 1: Anteil der städtischen Bevölkerung der EU in Prozent, der einer Exposition über dem EU-Referenzwert (‚EU reference value‘) sowie dem Referenzwert der WHO (‚WHO AQG‘) gegenüber ausgesetzt ist. Quelle: Europäische Umweltagentur: http://www.eea.europa. eu/data-and-maps/figures/percentage-of-the-eu-urban.

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Cohen 2008). Er kann eine ganze Reihe verschiedener schädlicher Auswirkungen auf die Gesundheit haben, beginnend mit (reversiblen) Änderungen der Lungenfunktion über die Einschränkung der Leistungsfähigkeit bis hin zu einer Zunahme an Todesfällen. Immer mehr Studien zeigen, dass durch Luftverunreinigungen nicht nur die Atemwege sondern auch das Herz-Kreislauf-System in Mitleidenschaft gezogen werden können. Bei den gesundheitlichen Auswirkungen kann zwischen jenen durch akute (kurzfristige) Exposition und jenen durch eine Dauerbelastung unterschieden werden (Tabelle 2). Tabelle 2: Auswirkung von Feinstaub auf die menschliche Gesundheit (Quelle: WHO 2013).

Auswirkungen durch akute Exposition Entzündungsreaktionen der Lunge Zunahme von Symptomen der Atemwege schädliche Effekte auf das Herz-Kreislauf-System Zunahme des Gebrauchs von Medikamenten Zunahme der Spitalsaufenthalte Zunahme von Todesfällen

Auswirkungen durch Langzeit-Exposition Zunahme von Atemwegsymptomen Abnahme der Lungenfunktion bei Kindern und Erwachsenen Zunahme von chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen Abnahme der Lebenserwartung, bedingt durch eine Zunahme der Erkrankungen der Atemwegorgane, des Herz-Kreislauf-Systems und von Lungenkrebs

Ein Vergleich mit anderen Risikofaktoren für die menschliche Gesundheit in Europa zeigt, dass Luftverunreinigungen nach wie vor ein äußerst gravierendes gesundheitliches Problem darstellen (Abbildung 1 – vgl Seite 111). Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass die Luftqualität in Europa und Österreich trotz maßgeblicher Erfolge bei der Luftreinhaltung derzeit nicht in Bezug auf alle Luftschadstoffe als gut angesehen werden kann. Insbesondere hohe Belastungen bei Feinstaub, Stickstoffdioxid und Ozon sind ein klarer Auftrag zur weiterführenden Verminderung des Ausstoßes von Luftschadstoffen.

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Abbildung 1: Vergleich maßgeblicher Faktoren, die die Sterblichkeit in Europa beeinflussen (http://healthdata.org/gbd).

III. Feinstaubbelastung in Österreich Wesentliche Daten in diesem und im folgenden Kapitel sind dem Jahresbericht des Umweltbundesamts zur Luftgütemessung in Österreich entnommen (Umweltbundesamt 2015). Es werden die Schadstoffe vorgestellt, dann jeweils Grenzwerte, Quellen (Emissionen), Immissionskonzentrationen inkl Trend und Maßnahmen beschrieben. Staub ist ein komplexes, heterogenes Gemisch aus festen bzw flüssigen Teilchen, die sich hinsichtlich ihrer Größe, Form, Farbe, chemischen Zusammensetzung, physikalischen Eigenschaften und ihrer Herkunft bzw Entstehung unterscheiden. Üblicherweise wird die Staubbelastung anhand der Masse verschiedener Größenfraktionen beschrieben.

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Definition nach Größe der Partikel PM10: Diese Staubfraktion enthält 50 % der Teilchen mit einem Durchmesser von 10 µm, einen höheren Anteil kleinerer Teilchen und einen niedrigeren Anteil größerer Teilchen. PM2,5: Enthält 50 % der Teilchen mit einem Durchmesser von 2,5 µm, einen höheren Anteil kleinerer Teilchen und einen niedrigeren Anteil größerer Teilchen. Im deutschen Sprachgebrauch hat sich die Bezeichnung „Feinstaub“ für PM10 eingebürgert. Feinstaub ist aber kein festgelegter Begriff; mitunter wird PM2,5 auch als „Feinstaub“ bezeichnet.

A. Ziel- und Grenzwerte Tabelle 3 und Tabelle 4 enthalten die Grenz- und Zielwerte gemäß Immissionsschutzgesetz- Luft (IG-L) für Feinstaub. Tabelle 3: Immissionsgrenzwerte für PM10 gemäß IG‑L, Anlage 1 zum langfristigen Schutz der menschlichen Gesundheit.

Schadstoff PM10

Konzentration 50 µg/m³

PM10

40 µg/m³

Mittelungszeit Tagesmittelwert; pro Kalenderjahr sind 25 Überschreitungen zulässig Jahresmittelwert

Tabelle 4: Immissionsgrenzwert, Immissionszielwert und Verpflichtung in Bezug auf den AEI (Average Exposure Indicator) für PM2,5.

Grenzwert

Zielwert

Konzentration Mittelungszeitraum 25 µg/m³ Kalenderjahr Der Grenzwert ist ab 1. Jänner 2015 einzuhalten. Die Toleranzmarge von 20 % wird, ausgehend vom 11. Juni 2008, am folgenden 1. Jänner und danach alle 12 Monate um einen jährlich gleichen Prozentsatz bis auf 0 % am 1. Jänner 2015 reduziert. 25 µg/m³ Kalenderjahr

Luftqualität in Städten und an Hauptverkehrsachsen

Konzentration Verpflichtung 20 µg/m³ (2013–2015)1) in Bezug auf den AEI

Reduktionsziel gemäß Anhang XIV der nationales Luftqualitätsrichtlinie Ziel für die Reduzierung des AEI



1)

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Mittelungszeitraum Ausgangsbeurteilung: Mittelwert 2009 bis 2011 danach jeweils Mittelwert über drei Kalenderjahre Ausgangsbeurteilung: Mittelwert 2009 bis 2011 danach jeweils Mittelwert über drei Kalenderjahre

Konkrete Regelungen für die einzelnen Messstellen in Abhängigkeit von der jeweils gemessenen Konzentration sind in § 3a IG‑L festgelegt.

B. Emissionen Der österreichische Ausstoß von Feinstaub (als PM10) lag 2013 bei rd 34.000 t. Seit 1990 sind die Emissionen um rund 14 % gesunken. Die Sektoren Kleinverbrauch, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft sind die Hauptverursacher der direkten österreichischen Staubemissionen. Im Kleinverbrauch und in der Industrie entstehen die Staubemissionen bei Verbrennungsprozessen (Öfen, Heizungen), wobei im Sektor Kleinverbrauch va die manuell bedienten Kleinfeuerungsanlagen für feste Brennstoffe für die Emissionen verantwortlich sind. In der Industrie tragen auch die Mineralverarbeitende Industrie und der Bergbau bzw der Schüttgutumschlag zur Feinstaubbelastung bei. Beim Verkehr gelangt einerseits Feinstaub aus Motoren – vorrangig aus Dieselmotoren – in die Luft, andererseits entsteht Feinstaub aber auch durch Brems- und Reifenabrieb und durch Aufwirbelung auf der Straße. In der Landwirtschaft wird Feinstaub durch die Bearbeitung landwirtschaftlicher Flächen und die Tierhaltung freigesetzt (Umweltbundesamt 2014). Abbildung 2 (vgl Seite 114) zeigt die Quellen von direkten PM10Emissionen in Österreich 2012. Daneben kann Feinstaub aus den Vorläufersubstanzen SO2, NOx und NH3 sowie flüchtige organische Verbindungen durch die Bildung so genannter sekundärer Partikel in der Atmosphäre gebildet werden.

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Abbildung 2: Quellen von direkten PM10-Emissionen in Österreich 2013. Quelle: Umweltbundesamt 2015.

C. Immissionskonzentrationen Österreich besitzt ein sehr dichtes Netzwerk an Messstationen zur Überwachung der Luftgüte. Die Entwicklung der Anzahl der Tagesmittelwerte über 50 µg/m3 an ausgesuchten Messstellen ist in Abbildung 3 (vgl Seite 115) ersichtlich. Deutlich sichtbar sind einerseits ein abnehmender Trend, andererseits deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Standorten. Die besonders niedrigen Werte im Jahr 2014 sind auf den vergleichsweise sehr milden Winter zurückzuführen. Belastungsschwerpunkte der PM10-Belastung in Österreich waren in den letzten Jahren die folgenden Gebiete: • Nordosten • Graz, Steiermark • größeren Städte, va verkehrsnah zT industrienah • Städte in Tal- und Beckenlagen mit schlechten Ausbreitungsbedingungen Verursacht wird die gebietsweise hohe PM10-Belastung durch das – regional sehr unterschiedliche – Zusammenspiel folgender Faktoren: • hohe lokale bis regionale Emissionsdichten an PM10 (primäre Partikel); • hohe Emissionen der Vorläufersubstanzen sekundärer Partikel (SO2, NOx und

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Abbildung 3: Entwicklung der PM10-Überschreitungstage an ausgewählten Messstellen sowie der PM10-Emissionen. Quelle: Umweltbundesamt 2015.

NH3), aus denen sich innerhalb mehrerer Tage Ammoniumsulfat und Ammoniumnitrat bilden können; • Ferntransport va aus dem östlichen Mitteleuropa; • topografisch bedingte ungünstige Ausbreitungsbedingungen, va in alpinen Becken und Tälern bzw Becken am Südostrand der Alpen. Grundsätzlich unterscheidet sich die PM10-Belastung im außeralpinen Raum – va im Nordosten Österreichs – durch einen hohen Beitrag von Ferntransport und großräumiger Schadstoffanreicherung (Umkreis ca 100 km) deutlich von den Verhältnissen in alpinen Tälern und Becken. Letztere sind bei jenen meteorologischen Verhältnissen, die hohe PM10-Belastungen bedingen – Inversionswetterlagen mit sehr ungünstigen Ausbreitungsbedingungen in Bodennähe – weitestgehend vom Schadstofftransport über die umgebenden Berge abgeschnitten.

D. Maßnahmen Der im vorherigen Abschnitt dargestellte abnehmende Trend ist auf die Umsetzung zahlreicher Maßnahmen zurückzuführen. Diese betreffen alle wichtigen Verursacher und sind auf unterschiedlichen Ebenen beschlossen und umgesetzt worden.

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Auf EU-Ebene haben etwa die Emissionsvorgaben für mobile Quellen (EURONormen) dazu geführt, dass neu verkaufte Diesel-Kfz heute fast vernachlässigbare verbrennungsbedingte Feinstaubemissionen haben. Des Weiteren gibt es Vorgaben für Industrieanlagen und Kraftwerke, fossile flüssige Brenn- und Kraftstoffe, etc. Auf Bundesebene gibt es zahlreiche Verordnungen, die Emissionsgrenzwerte für Gewerbebetriebe festlegen, daneben Förderungen (Umweltförderung Inland) für die Nachrüstung von Anlagen mit Partikelfiltern. Im Rahmen des Vollzugs des IG-L haben alle Länder zusätzliche Maßnahmen zur Verminderung der Feinstaubbelastung umgesetzt (Umweltbundesamt 2015). Diese umfassen beispielsweise • Verkehrs- und Geschwindigkeitsbeschränkungen • Partikelfilterpflicht für bestimmte (sehr wenige) Baumaschinen • Verbot von Heizöl leicht • Verbot von Brauchtumsfeuer • Förderungen (va Hausbrand) • Ausbau der Fernwärme • Ausbau öffentlicher Verkehr. Ohne die Umsetzung dieser Maßnahmen wäre die Feinstaubbelastung deutlich höher. Nichtsdestotrotz sind in allen maßgeblichen Sektoren noch Potenziale für weitere Maßnahmen vorhanden.

IV. Stickstoffdioxidbelastung in Österreich Die Stickstoffoxide (NOx) umfassen Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2). NO2 stellt bei Konzentrationen, wie sie in der Außenluft vorkommen, aufgrund der Beeinträchtigung der Lungenfunktion eine deutlich größere Gefahr für die menschliche Gesundheit dar als NO. Die Stickstoffoxide NOx spielen als Ozonvorläufersubstanzen eine bedeutende Rolle und tragen zur Versauerung und Eutrophierung (Überdüngung) von Böden und Gewässern bei. Partikelförmiges Ammoniumnitrat, das aus gasförmigen Stickstoffoxiden und Ammoniak in der Atmosphäre entstehen kann, liefert vor allem in der kalten Jahreszeit, als Vorläufersubstanz für die Bildung von partikulärem Nitrat, einen erheblichen Beitrag zu der großräumigen Belastung durch PM10 sowie von PM2.5. NOx entstehen überwiegend als unerwünschtes Nebenprodukt bei der Verbrennung von Brenn- und Treibstoffen bei hoher Temperatur (Umweltbundesamt 2015).

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A. Ziel- und Grenzwerte Tabelle 5 enthält die Grenzwerte gemäß Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) für Stickstoffdioxid. Tabelle 5: Immissionsgrenzwerte für NO2 gemäß IG‑L, Anlage 1 zum langfristigen Schutz der menschlichen Gesundheit.

NO2 NO2

200 µg/m³ 30 µg/m³ (2014: 35 µg/m³ inkl Toleranzmarge)

Halbstundenmittelwert Jahresmittelwert Der Grenzwert ist ab 1. Jänner 2012 einzuhalten, die Toleranzmarge von 5 µg/m³ gilt gleichbleibend ab 1. Jänner 2010.

Der Grenzwert der EU-Luftqualitätsrichtlinie1 für NO2 beträgt hingegen 40 µg/m3 als Jahresmittelwert.

B. Emissionen Für das Jahr 2013 wurde ein Ausstoß von rund 136.000 Tonnen NOx in Österreich berechnet. Seit 1990 sind die Emissionen ua durch den verstärkten Einsatz von Minderungstechnologien in Industrie und Verkehr um 31% zurückgegangen. Die bedeutendste Quelle für Stickoxide ist der Straßenverkehr, insbesondere mit Diesel betriebene Kfz. Fast 50% der NOx-Emissionen sind dem Verkehrssektor zuzuordnen. Weitere bedeutende verursachende Sektoren sind Industrie und Kleinverbrauch.

C. Immissionskonzentrationen Die höchsten Belastungen und damit auch Grenzwertüberschreitungen gemäß IG‑L treten verkehrsnah auf. Betroffen sind va die Großstädte Wien, Linz, Salzburg, Graz und Innsbruck, verkehrsnahe städtische Gebiete, ua in Klagenfurt, St. Pölten, Hallein, Lienz, Lustenau und Feldkirch sowie Gebiete entlang von Autobahnen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Grenzwerte auch in anderen Städten an verkehrsbelasteten Standorten sowie an anderen Autobahnen überschritten werden, an denen sich keine Messstellen befinden, wie etwa Modellierungen für die Stadt Wien zeigen (Abbildung 4 – vgl Seite 118). 1

RL 2008/50/EG, ABl L 2008/152, 1.

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Abbildung 4: Räumliche Verteilung der NO₂-Belastung in Wien. Kurz et al (2013).

Die Immissionsbelastungen zeigen einen leicht abnehmenden Trend, wie der Abbildung 5 zu entnehmen ist.

Abbildung 5: Entwicklung der NO₂-Jahresmittelwerte an ausgewählten Messstellen sowie der NOx-Emissionen. Quelle: Umweltbundesamt 2015.

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Anders als die mittlere NOx-Belastung (nicht gezeigt) folgt die mittlere NO2-Belastung nicht dem Verlauf der NOx-Emissionen. Eine entsprechende Abnahme der NO2-Belastung wurde durch einen Anstieg der primären NO2-Emissionen kompensiert; die unterschiedlichen Trends von NO2 und NOx va an den hoch belasteten Messstellen zeigen, dass das immissionsseitige NO2/NOx-Verhältnis seit etwa 2000 deutlich angestiegen ist. Dies ist auf einen wachsenden NO2/NOx-Anteil bei den Straßenverkehrsemissionen zurückzuführen, der auf die hohen primären NO2-Emissionen von Diesel-Pkw mit Oxidationskatalysator zurückgeht (Umweltbundesamt 2015).

D. Maßnahmen Der im vorherigen Abschnitt dargestellte abnehmende Trend ist auf die Umsetzung zahlreicher Maßnahmen zurückzuführen. Auf EU-Ebene haben etwa die Emissionsvorgaben für mobile Quellen (EURONormen) dazu geführt, dass die NOx-Emissionen von mit Otto-Kraftstoffen betriebenen Kfz in den letzten 20 Jahren deutlich gesunken sind. Im LKW-Bereich haben EURO VI-Fahrzeuge generell niedrige NOx-Emissionen. Bei Diesel-betriebenen Pkw sind die EURO-Normen allerdings bislang entgegen den Erwartungen kaum wirksam gewesen, die NOx-Emissionen zu mindern. Auch viele neue Kfz (EURO IV, EURO V) haben im realen Fahrbetrieb ähnlich hohe NOx-Emissionen wie vor 20 Jahren zugelassene Kfz. Dieses Problem wird durch den hohen Anteil von Pkw mit Dieselantrieb (bedingt durch eine starke steuerliche Bevorzugung von Diesel in Österreich durch niedrigere Mineralölsteuersätze) noch verschärft. Im Rahmen des Vollzugs des IG-L haben etliche Länder zusätzliche Maßnahmen zur Verminderung der NO2-Belastung umgesetzt (Umweltbundesamt 2015). Diese umfassen beispielsweise • Verkehrs- und Geschwindigkeitsbeschränkungen • Förderungen (va Hausbrand) • Ausbau der Fernwärme • Ausbau öffentlicher Verkehr.

V. Schlussfolgerungen Auf Basis der diskutierten Befunde lassen sich die folgenden Schlussfolgerungen ziehen: • Die Luftqualität hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert; dadurch

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• • • •

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ist auch die Lebensqualität gestiegen und negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit wurden deutlich vermindert. Derzeit sind jedoch nach wie vor erhebliche Gesundheitsauswirkungen durch Luftverunreinigungen zu erwarten. In Europa sterben einige Hunderttausend Bürgerinnen und Bürger vorzeitig durch schlechte Luft. Die Zielsetzungen des 7. Umweltaktionsprogramms (keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die Gesundheit) sind somit im Moment noch in weiter Ferne. Bei PM10 werden die EU-Grenzwerte in Österreich sporadisch überschritten, die WHO-Richtwerte für PM2,5 allerdings flächendeckend. Bei NO2 sind verkehrsnah etliche Standorte von Überschreitungen des JMW-Grenzwerts betroffen. Aus humanhygienischer und rechtlicher Sicht sind weitere Maßnahmen zur Verminderung der Luftbelastung notwendig.

VI. Literatur EU (2013). Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 354 (28. Dezember 2013), 171-200. Kurz, C; Orthofer, R; Sturm, P; Kaiser, A; Uhrner, U; Reifeltshammer, R & Rexeis, M (2014): Projection of the air quality in Vienna between 2005 and 2020 for NO2 and PM10. Urban Climate 10 (2014) 703–719. Umweltbundesamt (2015): Pazdernik, K; Anderl, M; Gangl, M; Haider, S; Jobstmann, H; Moosmann, L; Poupa, S; Schieder, W; Schmid, C; Stranner, G; Tista, M & Zechmeister, A: Emissionstrends 1990–2013. Ein Überblick über die österreichischen Verursacher von Luftschadstoffen. Datenstand 2015. Reports, Bd REP0543. Umweltbundesamt, Wien. Umweltbundesamt (2015): Jahresbericht der Luftgütemessungen in Österreich 2014. Reports, Bd REP-0520. Umweltbundesamt, Wien. WHO – World Health Organization (2005): Air quality guidelines global update 2005. WHO Regional Publications EUR/07/5046029. WHO Regional Office for Europe, Copenhagen. WHO – World Health Organization (2008): Health risks of ozone from long-range transboundary air pollution. WHO Regional Office for Europe, Copenhagen. WHO – World Health Organization (2013): Review of evidence on health aspects of air pollution – REVIHAAP Project. WHO Regional Office for Europe, Copenhagen. http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0004/193108/REVIHAAP-Final-technical-report.pdf

Saubere Luft in Salzburg: Programme, Anträge, Verfahren – Möglichkeiten und Grenzen Wolfgang Leitich

I. Einleitung Salzburg war im Jahre 2005 das erste Bundesland in Österreich, das wegen Grenz­ wertüberschreitungen beim Luftschadstoff Stickstoffdioxid auf einer Teilstrecke der A10 Tauern Autobahn eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) angeordnet hat. Die Luftschadstoffproblematik hatte damals gerade erst begonnen, ein öffentliches Thema zu werden. Die Existenz des IG-L war aber noch weithin unbekannt, erst recht die darin festgelegte Verpflichtung zur Setzung von Maßnahmen im Fall von Grenzwertüberschreitungen. Es dauerte eine Zeit, bis die ASFINAG akzeptieren konnte, dass der Landeshauptmann tatsächlich das Recht besaß, Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen anordnen zu können. In der Folge band dann allerdings der Gesetzgeber1 die Erlassung von Verordnungen mit fixen Tempolimits auf Autobahnen und Schnellstraßen an das Einvernehmen mit dem BMVIT. Die Anordnung von Tempo 100 im Jahre 2005 verursachte jedenfalls erregte Diskussionen und lautstarke öffentliche Ablehnung. Damals wie heute können sich viele KFZ-Lenker nicht damit abfinden, eine Autobahn nicht mit der ansonsten zulässigen Höchstgeschwindigkeit befahren zu können. Auch der im Jahre 2014 auf drei Monate befristete Tempo-80-Probebetrieb auf der A1 West Autobahn um das Stadtgebiet von Salzburg2 war von heftigen Polemiken begleitet. Allerdings traten und treten immer stärker auch befürwortende Stimmen auf den Plan, die vielleicht sogar schon die stille Mehrheit repräsentieren.

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Novelle IG-L BGBl I 2006/36. Verordnung des Landeshauptmannes von Salzburg vom 12.2.2014, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der Westautobahn angeordnet wird, LGBl 2014/13, lt § 5 vom 20.2.2014 – 19.5.2014.

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Ich nehme einleitend bewusst auf diese Ereignisse Bezug. Das grundsätzliche „Recht des Bürgers auf saubere Luft“ und die daraus resultierenden Handlungspflichten können vor dem Hintergrund des europäischen und nationalen Luftqualitätsrechts und der Judikatur des EuGH nicht mehr abgestritten werden. Keine Regierung und Behörde ignoriert heute die sich aus dem Luftqualitätsrecht ergebenden Verpflichtungen, diesbezüglich ist ein hohes Problembewusstsein entstanden. Auch bei der ASFINAG ist mittlerweile das „Verkehrsmanagement“ in den Vordergrund getreten, das zur Bewältigung der Verkehrsströme auch auf niederere Geschwindigkeiten setzt und dadurch mit Umwelterwägungen wesentlich besser in Einklang zu bringen ist. Aber wie ist dieses „Recht des Bürgers auf saubere Luft“ dann in der konkreten Situation zu erzielen? Ist es überhaupt zu erzielen, nämlich nicht nur in der Rechtstheorie, sondern auch faktisch? Wie sollen entsprechende Programme erstellt werden, wenn die verschiedensten Interessen einander gegenüberstehen und abzuwägen sind, vor allem im Hinblick auf Maßnahmen die wirklich „weh tun“, wie zB Fahrverbote? Wo auf der Basis sachverständiger Beurteilungen, die oft einen Prognosecharakter aufweisen und dadurch mit Unsicherheiten behaftet sind, die Luftschadstoffbelastung samt den verursachenden Faktoren klarzustellen sowie die verursachergerechten Maßnahmen festzulegen sind. Ein Prozess, der zwangsläufig mit Unwägbarkeiten behaftet ist! Wenn Befindlichkeiten aller Bevölkerungsgruppen aufeinanderprallen und selbst eine bloße Geschwindigkeitsbeschränkung von vielen Verkehrsteilnehmern als unmittelbarer Angriff auf ihre persönliche Freiheit empfunden wird? Welche Rechte kommen dem Bürger tatsächlich zu, wie kann er sie am besten geltend machen? Dabei ist immer im Auge zu behalten, dass den von den Maßnahmen zur Luftreinhaltung betroffenen Bürgern gleichermaßen (Abwehr-) Rechte zukommen können. Dass dieser Aspekt nicht zu vernachlässigen ist, machen die Rechtsstreitigkeiten zum „Sektoralen Fahrverbot“ im Land Tirol deutlich. Die diesbezüglichen Verordnungen sind bereits zweimal vom EuGH behoben worden.3 Ich setze im Folgenden das europäische und österreichische Luftqualitätsrecht als im Wesentlichen bekannt voraus und werde nur auf jene Aspekte näher eingehen, die für das Land Salzburg relevant waren oder Fragen aufwerfen.

3

EuGH 15.11.2005, C-320/03, Kommission gegen Österreich; EuGH 21.12.2011, C-28/09, Kommission gegen Österreich.

Saubere Luft in Salzburg

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II. Luftqualität im Land Salzburg, gesetzte Maßnahmen Im Salzburger Zentralraum, also dem Gebiet zwischen der Stadt Hallein und der Stadt Salzburg, wird seit Jahren der Jahresgrenzwert für den Luftschadstoff Stickstoffdioxid überschritten, sowohl der nach dem IG-L (35 µg/m³) als auch der nach der Richtlinie 2008/50/EG vom 21.5.2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (Luftqualitäts-RL) (40 µg/m³). Auch der Halbstundengrenzwert des IG-L für Stickstoffdioxid (200 µg/m³) wird zeitweise überschritten. Eindeutiger Verursacher ist der Straßenverkehr. Die Überschreitungen treten nur im Nahbereich stark verkehrsbelasteter Straßen auf; im Großteil des Salzburger Zentralraumes werden die Grenzwerte für Stickstoffdioxid deutlich unterschritten. In der Vergangenheit ist es auch zu Grenzwertüberschreitungen bei Feinstaub gekommen; in den letzten Jahren konnten die Grenzwerte jedoch eingehalten werden, sodass sich für Feinstaub derzeit kein Handlungsbedarf mehr ergibt. In Anbetracht dieser Situation wurde vom Landeshauptmann von Salzburg zunächst per 4.4.2005 eine höchstzulässige Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h auf einer Teilstrecke der A10 Tauern Autobahn angeordnet.4 Dazu wurden ergänzend „Zusätzliche Maßnahmen aufgrund der Grenzwertüberschreitungen für Stickstoffdioxid und Feinstaub (2005)“ verabschiedet. Nach Schaffung der entsprechenden Rechtsgrundlage im IG-L5 wurden diese Maßnahmen im „Programm nach § 9a IG-L für den Salzburger Zentralraum“ im Jahre 2008 zusammengefasst und ergänzt. Die bis dahin bestehende fixe Geschwindigkeitsbeschränkung auf der A10 Tauern Autobahn wurde mit Verordnung vom 17.10.2008 in eine immissionsgesteuerte Geschwindigkeitsbeschränkung umgewandelt.6 Entsprechend § 9a Abs 6 IG-L wurde das Programm nach drei Jahren einer Evaluierung unterzogen, die zum Ergebnis kam, dass die Situation beim Luftschadstoff Feinstaub zwar im Wesentlichen bereinigt ist, nicht jedoch beim Luftschadstoff Stickstoffdioxid. Daher wurde das Programm aus dem Jahre 2008 in der „Fortschreibung des Luftreinhalteprogramms nach § 9a IG-L - 2013“ überarbeitet und um weitere Maßnahmen ergänzt. Eine dieser Maßnahmen ist die nunmehr unbefristete Einführung einer immissionsabhängigen Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h auf der A1 West Autobahn um das Stadtgebiet von Salzburg.7 4 5 6 7

Verordnung der Landeshauptfrau vom 30.3.2005, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der Tauernautobahn angeordnet wird, LGBl 2005/31. Novelle IG-L BGBl I 2006/34, mit der die §§ 9a ff eingefügt wurden. Verordnung der Landeshauptfrau vom 17.10.2008, mit der eine immissionsabhängige Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der Tauern Autobahn angeordnet wird, LGBl 2008/89. Verordnung des Landeshauptmannes vom 2.3.2015, mit der eine immissionsabhängige Ge-

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Festzuhalten ist, dass die Luftschadstoffbelastung bei Stickstoffdioxid zwar eine leicht sinkende Tendenz aufweist, die Einhaltung der Grenzwerte für das Jahr 2020 zwar erwartet, aber nicht sicher prognostiziert werden kann. Ein wesentlicher Umstand sind die Vorgaben der EU zu Dieselmotoren, die mit ihren nach Euro-Klassen stufenweise verschärften Grenzwerten zwar hohe Erwartungen geweckt haben, die aber bisher in keiner Weise erfüllt worden sind. Die für Diesel-PKWs bislang aktuellen Euro-Normen bis zur Stufe 5 führen im tatsächlichen Fahrbetrieb zu keinem Rückgang der Stickstoffoxid-Emissionen. Ob die ab dem 1.9.2015 gültige Euro-Norm 6 tatsächlich zur festgelegten Minderung der Emissionen führt, bleibt abzuwarten. Erste Tests unter realistischen Bedingungen lassen zwar eine Reduktion der Emissionen erkennen, aber ca nur um die Hälfte des erwarteten Ausmaßes.8 Solche Situationen sind für die nationalen Behörden bei der Erstellung von Luftqualitätsplänen fatal. Einerseits können die „offiziellen“ Werte für Motoren der Euro-Normen nicht einfach abgetan werden, andererseits ist es auf Grund des momentan vorliegenden Datenmaterials noch schwer, realistische Prognosen für die Euro-Norm 6 zu erstellen und diese dann den von Maßnahmen Betroffenen entgegenzuhalten. Von den Autofahrerclubs und der „Wirtschaft“ wird jedenfalls vehement auf die laufende Einführung der Euro-Norm 6 hingewiesen, die mit zunehmender Flottendurchdringung Maßnahmen zu Lasten des Straßenverkehrs überflüssig machen soll. Der Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid war seit dem 1.1.2010 einzuhalten. Da dies für den Salzburger Zentralraum nicht zu bewerkstelligen war, wurde entsprechend Art 22 Abs 1 Luftqualitäts-RL ein Ersuchen an die Kommission um Verlängerung der Frist gerichtet. Dieses wurde jedoch von der Kommission zurückgewiesen.9 Als Begründung wurde angeführt, dass die Aufnahme strengerer Minderungsmaßnahmen in den Luftqualitätsplan für erforderlich gehalten wird. Mit der „Fortschreibung des Luftreinhalteprogramms nach § 9a IG-L – 2013“ ist dieser Forderung grundsätzlich nachgekommen worden.

8

9

schwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der West Autobahn angeordnet wird, LGBl 2015/25. Vgl dazu ua Institute for Internal Combustion Engines and Thermodynamics - Univ.-Prof. DI Dr. Helmut Eichlseder (Head), Update of Emissions Factors for EURO 5 and EURO 6 Passenger Cars for the HBEFA Version 3.2., Final Report, from 16.10.2013; J. May ua, On-road Testing and PEMS Data Analysis for two Euro 6 Diesel Vehicles, 20th International Transport and Air Pollution Conference 2014. Beschluss vom 12.7.2012 zu C(2012) 4751final.

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III. EuGH: „Janecek“ Dieter Janecek ist ein Bewohner der Stadt München, mit dessen Namen das Urteil des EuGH vom 25.7.2008 zu C-237/07 untrennbar verbunden ist (im Folgenden daher nur mehr: „Janecek“). Darin wurde für den Anwendungsbereich der (alten) Luft-Rahmen-Richtlinie 96/62/EG vom 27.9.1996 und ihrer 1. Tochter-Richtlinie 1999/30/EG vom 22.4.1999 Einzelnen ein Rechtsanspruch auf Erstellung eines Luftqualitätsplans (konkret: Aktionsplan iSd Art 7 Abs 3 „alte“ Luft-Rahmen-RL) zuerkannt. „Janecek“ wurde euphorisch aufgenommen, wenngleich nach seiner Lektüre die Kommentare dann verhaltener ausfielen. In der Folge mutierte „Janecek“ zu einer Art ökologischer Wunderwaffe, auf deren Basis in den Angelegenheiten des Umweltschutzes praktisch alles und jedes als einklagbar angesehen wurde (zB Lärmgrenzwerte, obwohl die Umgebungslärm-Richtlinie 2002/49/EG vom 25.6.2002 keine solchen festlegt). In den Monaten nach der Erlassung von „Janecek“ wurden jedenfalls in Österreich insgesamt vier Anträge zur Luftreinhaltung unter ausdrücklicher Berufung auf dieses Urteil an die Behörden gerichtet, und zwar in den Ländern Wien, Niederösterreich, Steiermark und Salzburg. In Niederösterreich und Salzburg wurden die Anträge mittels Bescheid negativ erledigt. Auch die in der letzten Zeit gestellten Anträge wurden wesentlich auf „Janecek“ gestützt. Aus diesem Grund soll zunächst auf „Janecek“ eingegangen und die aus diesem Urteil resultierenden Konsequenzen dargelegt werden: Antragslegitimiert ist der unmittelbar betroffene Einzelne. Das ist derjenige, der schon von der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte betroffen ist und dessen Gesundheit dadurch gefährdet wird.10 Der EuGH hat sich hier nicht auf die Aarhus-Konvention bezogen, sondern leitet diese Antragslegitimation unmittelbar aus dem zwingenden Charakter der Richtlinie im Hinblick auf ihr Ziel, also den Schutz der öffentlichen und privaten Gesundheit, ab. Der Rechtsanspruch bezieht sich darauf, dass die Behörde zur Erstellung des vorgeschriebenen Programms bzw Plans verpflichtet ist, und zwar unabhängig davon, ob bereits aus einem anderen „Titel“ Maßnahmen festgelegt wurden oder die Betroffenen über andere Handlungsmöglichkeiten verfügen, um die Behörden dazu zu bringen, Maßnahmen zur Luftreinhaltung zu treffen.11 Das Programm bzw der Plan ist von der Behörde zu erstellen, ausschließlich diese legt die darin enthaltenen Maßnahmen fest. Diese Konsequenz ergibt sich zwangsläufig 10 11

Vgl „Janecek“, Rz 37-39. Vgl „Janecek“, Rz 40-41.

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aus der Aussage des EuGH, der den Mitgliedsstaaten bei der Ausrichtung der Maßnahmen einen Ermessensspielraum zubilligt und diesen wie folgt definiert: Dieses Ermessen ist auszurichten „am Ziel der Verringerung der Gefahr der Überschreitung (der Luftschadstoff-Grenzwerte) und der Beschränkung ihrer Dauer unter Berücksichtigung des Ausgleiches, der zwischen diesem Ziel und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen sicherzustellen ist“.12 Dieses Ermessen kann nur die vom Mitgliedsstaat berufene Behörde ausüben, kein betroffener Einzelner, kein Gericht. Anträge, die sich auf die Durchsetzung konkreter von den Antragstellern als notwendig erachteten Maßnahmen beziehen, können sich somit nicht auf „Janecek“ berufen. Weniger klar als es den ersten Anschein hat, sind die Aussagen des EuGH zur gebotenen Effektivität eines Luftqualitätsplans. „Janecek“ führt aus, „dass die Mitgliedsstaaten nicht verpflichtet sind, Maßnahmen dahingehend zu ergreifen, dass es zu keinerlei Überschreitung kommt“. Der EuGH stellte aber auch fest, dass die Luftschadstoff-Grenzwertüberschreitungen auf ein Minimum zu reduzieren sind und legt damit einen Parameter zu Beurteilung der Effektivität des Programms fest.13 „Alibipläne“ stehen sicherlich im Widerspruch zum europäischen Luftqualitätsrecht. Ob und inwieweit aber die Effektivität oder die Verbesserung eine Luftqualitätsplans „eingeklagt“ werden kann, lässt „Janecek“ offen.

IV. Die „österreichischen Verfahren“ in der Folge von „Janecek“ Im das Land Niederösterreich betreffenden Antrag wurde ua die Erlassung eines Maßnahmenpakets gefordert, das die Einhaltung der Grenzwerte für Feinstaub im gesamten Bundesland sowohl kurz- als auch langfristig sicherstellt. Unter Bezugnahme auf „Janecek“ stellte der VwGH14 fest, dass dieses Urteil auf die direkte und unmittelbare Betroffenheit des Einzelnen abstellt. Nur die solcherart Betroffenen sind es, die ein unmittelbares Interesse an der Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zu Luftqualität haben, die ihnen eine entsprechende Rechtsposition verschafft. Die Beschwerdeführerin habe es aber verabsäumt, ihre eigene Situation darzulegen, sondern nahm nur auf die Allgemeinheit in Niederösterreich Bezug. Die Situation zum „Salzburger Antrag“ vom 29.7.2009 auf „Erlassung eines Aktionsplans insbesondere auf Erweiterung des Maßnahmenkataloges zur Verringerung der Luftschadstoffe Feinstaub und Stickstoffdioxid“ war relativ komplex, da für ihn noch 12 13 14

Vgl „Janecek“, Rz 46. Vgl „Janecek“, Rz 44-45. VwGH 26.6.2012, 2010/07/0161.

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die Rechtslage nach der „alten“ Luft-Rahmen-RL 96/62/EG maßgebend war. Es werden im Folgenden daher nur einige relevante Aspekte herausgegriffen: Der Antrag wurde von einem Anrainer der A1 West Autobahn gestellt, ein Gebiet, das ohne Zweifel „belastet“ war und ist, allerdings nur bezüglich des Luftschadstoffes Stickstoffdioxid. Die unmittelbare Betroffenheit wurde daher für diesen Luftschadstoff anerkannt. Die Grenzwerte für Stickstoffdioxid waren jedoch erst mit dem 1.1.2010 verbindlich einzuhalten. Aus diesem Grund hatte sich „Janecek“ auch nur auf Feinstaub bezogen, für den die Frist bereits mit dem 1.1.2005 abgelaufen war. Von der Landeshauptfrau von Salzburg wurde dieser Antrag daher als unbegründet abgewiesen. In der dagegen erhobenen Berufung entschied das BMLFUW im Sinne einer Zurückweisung, eine Beschwerde an den VwGH ist nicht erhoben worden.

V. EuGH: „ClientEarth“ Mit „ClientEarth“15 hat der EuGH eine weitere Entscheidung getroffen, auf die in den jüngsten Anträgen Bezug genommen wird. Aber auch „ClientEarth“ bedarf sorgfältiger Lektüre: Interessant ist, dass dieses Verfahren von einer Umweltorganisation in Großbritannien initiiert worden ist. Aber auch hier hat der EuGH nicht auf die Aarhus-Konvention Bezug genommen. Ob er damit implizit auch für Umweltorganisationen Anfechtungsrechte iSd Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention im Rahmen der nunmehr in Kraft stehenden „neuen“ Luftqualitäts-RL begründen wollte, ist nicht zwangsläufig zu bejahen. Vor allem Staaten in der anglo-amerikanischen Rechts­ tradition haben schon seit jeher „Verbänden“ entsprechende „Klagsrechte“ eingeräumt. Hier müsste die Rechtsordnung Großbritanniens näher betrachtet werden. In „ClientEarth“ wurde jedenfalls kein Beschwerderecht für eine Umweltorganisation ausgesprochen, es wurde vielmehr als existierend vorausgesetzt. Art 22 Luftqualitäts-RL sah für die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit vor („kann“), die Frist zur Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid, die mit dem 1.1.2010 vorgesehen war, um höchstens 5 Jahre zu verlängern. „ClientEarth“ stellt dazu fest, dass ein Mitgliedsstaat zu einem entsprechenden Ersuchen um Verlängerung an die Kommission verpflichtet war, wenn er nicht in der Lage gewesen ist, diese Frist einzuhalten. Die Erstellung eines Luftqualitätsplanes alleine erfüllt nicht die aus Art 13 Luftqualitäts-RL resultierenden Verpflichtungen. 15

EuGH 19.11.2014, C-404/13, Client Earth.

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Hat ein Mitgliedsstaat diese Anforderungen nicht erfüllt, „obliegt es dem zuständigen nationalen Gericht, gegenüber der nationalen Behörde jede erforderliche Maßnahme, wie eine Anordnung, zu erlassen, damit diese Behörde den …erforderlichen Plan gemäß … den vorgesehenen Bedingungen erstellt“. Von der Verpflichtung zum Ersuchen um Fristverlängerung abgesehen, wird hier nichts Neues festgestellt, schon gar nicht, dass ein nationales Gericht (als Instanz) konkrete Luftreinhalte-Maßnahmen anzuordnen hätte. Wenn das ÖKOBÜRO „ClientEarth“ tatsächlich in diesem Sinne interpretiert, wie der „Newsflash Umweltrecht April 2015“ vermuten lässt, liegt hier eine Fehlinterpretation vor. Aufgabe des nationalen Gerichtes – in Österreich wären das die Landesverwaltungsgerichte – ist alleine die Beurteilung, ob die nationalen Behörden ihren rechtlichen Verpflichtungen aus der Luftqualitäts-RL und dem IG-L nachgekommen sind. Hinsichtlich der gebotenen Effektivität des Luftqualitätsplans spricht der EuGH zwar zunächst von einer Ergebnisverpflichtung, was sehr drastisch klingt, verweist aber dann weiter auf „Janecek“. Hier ergeben sich keine neuen Erkenntnisse. Die sich daraus ergebenden Fragen und Widersprüche löste der EuGH jedenfalls nicht auf. „ClientEarth“ ist äußerst kurz gefasst und in manchen Passagen schwer verständlich. Aber meines Erachtens – und das ist dann doch neu – statuiert hier der EuGH implizit einen Rechtsanspruch auch auf Verbesserung eines Luftqualitätsplanes. Einen solchen hatte ja Großbritannien für das betroffene belastete Gebiet grundsätzlich erlassen, allerdings dann eben nicht um Fristverlängerung angesucht, offensichtlich weil die Erreichung des Luftqualitätszieles erst zwischen 2015 und 2025 als möglich erachtet wurde. Aber dieser Schluss wird vom EuGH nicht ausdrücklich ausgesprochen. „Janecek“ und „ClientEarth“ lassen also nach wie vor offen, wie strikt die Luftqualitätsziele wirklich einzuhalten sind, wie das Ermessen hinsichtlich der Maßnahmen konkret auszuüben ist und ob bei Erfüllung aller sonstigen Verpflichtungen die „Verbesserung“ eines bestehenden Luftqualitätsplans „eingeklagt“ werden kann. Keine Anfechtbarkeit kann für die Fälle bestehen, in denen die Kommission einem Ersuchen um Fristverlängerung zugestimmt hat. Interessant und offen ist (bzw war) der Fall, in dem die Kommission ein Ersuchen um Fristverlängerung abgelehnt und Forderungen nach weiteren Maßnahmen erhoben hat. Ist die nationale Behörde, in Österreich also der Landeshauptmann, der Forderung der Kommission nach Setzung weiterer Maßnahmen nicht nachgekommen, wird mE eine Anfechtbarkeit gegeben sein. Hat die nationale Behörde dagegen den Luftqualitätsplan „nachgebessert“, dann wird die Frage relevant, ob dessen Effektivität grundsätzlich und eigenständig auf den Prüfstand gestellt werden kann und inwieweit betroffene Einzelne oder Umweltorganisationen eine „Verbesserung“ bzw Ergänzung um wei-

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tere Maßnahmen „durchsetzen“ können. Genau diese Situation liegt dem „Verfahren ÖKOBÜRO“ zu Grunde.

VI. Verfahren ÖKOBÜRO – Salzburg A. Antrag ÖKOBÜRO Mit Schreiben vom 8.2.2014 beantragte das ÖKOBÜRO, eine Umweltorganisation iSd § 19 Abs 7 UVP-G 2000, die „Erlassung geeigneter Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid im Land Salzburg“. Die Antragslegitimation wurde auf Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention gestützt und insbesondere mit dem Urteil des EuGH vom 8.3.2011 zu C-240/09 „Slowakischer Braunbär“ begründet. In Anbetracht nicht erfolgter nationaler Umsetzung von Art 9 Abs 3 hatte der EuGH zu diesem Fall festgestellt, dass dann der nationale Richter sein nationales Recht im Hinblick auf die Gewährung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes in dem vom Umweltrecht der Union erfassten Bereichen so auszulegen hat, dass es soweit wie möglich im Einklang mit den in Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention festgelegten Zielen steht. Demzufolge sei es einer Umweltschutzorganisation zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten. In der weiteren Begründung des Antrages wurde wesentlich auf „Janecek“ sowie auf die Vorgaben des europäischen und nationalen Luftqualitätsrechtes Bezug genommen. Nach Ansicht des ÖKOBÜROs seien die tatsächlich erlassenen Maßnahmen unzureichend und die Setzung weiterer Maßnahmen geboten, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der Luftschadstoff-Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten. Der Behörde wurden dazu konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, die detaillierter beschrieben und begründet wurden, wie zB die Implementierung einer City-Maut oder einer Umweltzone, sektorale und temporale Fahrverbote oder die Errichtung bzw Erweiterung der Regionalstadtbahn, also Maßnahmen, die zu einem großen Teil verkehrspolitischer Natur sind. Von der Behörde wurde die rechtliche Situation im Sinne einer Antragslegitimation des ÖKOBÜROs beurteilt, die eine Entscheidung in der Sache erforderlich machte. Anzumerken ist, dass es aktuell keine gesicherte Rechtsbasis dafür gibt, ob Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention überhaupt auf Luftqualitätspläne anzuwenden ist. Das vom ÖKOBÜRO zitierte Urteil des EuGH bezog sich auf ein naturschutzrechtliches Verwaltungsverfahren.

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Der Antrag des ÖKOBÜROs wurde iSd Wortlautes von Art 9 Abs 3 AarhusKonvention als Geltendmachung einer „begangenen Unterlassung“ durch eine Behörde qualifiziert, da sie es verabsäumt habe, ausreichend wirksame Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung der Luftschadstoff-Grenzwerte zu setzen. In der Begründung der Ablehnung wurde von der Behörde ausgeführt, dass dem Landeshauptmann von Salzburg keine „begangene Unterlassung“ vorgehalten werden kann. Mit der „Fortschreibung des Luftreinhalteprogrammes nach § 9a IG-L – 2013“ ist der Forderung der Kommission in ihrem Beschluss auf Ablehnung der Fristverlängerung entsprochen worden. Gemäß § 9a Abs 6 IG-L ist das Programm aus dem Jahre 2008 evaluiert und in Anbetracht der andauernden Grenzwertüberschreitungen fortgeschrieben und um weitere Maßnahmen ergänzt worden. Die Behörde hat somit die luftqualitätsrechtlichen Vorgaben erfüllt. Die vom ÖKOBÜRO vorgeschlagenen Maßnahmen wurden einer sachverständigen Bewertung unterzogen und als nicht zielführend bzw tauglich oder als rechtlich nicht durchführbar gewertet. ZB bedarf die Einführung einer City-Maut der vorherigen Schaffung bzw Sicherstellung der finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen. Ein genaueres Eingehen auf die vom ÖKOBÜRO vorgeschlagenen Maßnahmen und ihre Bewertung würde jedoch den Rahmen dieser Darstellung sprengen. Zusammenfassend wurde jedenfalls festgestellt, dass der Landeshauptmann von Salzburg als zuständige Behörde die ihm möglichen und sinnvollen Maßnahmen ergriffen hat. Maßgebend für die Abweisung des Antrages war auch der Umstand, dass das ÖKOBÜRO im Zuge der 6-wöchigen öffentlichen Auflage der „Fortschreibung“ keine Stellungnahme abgegeben hatte. Dadurch, dass das IG-L eine periodische Verpflichtung zur Überprüfung der Luftqualitätsziele und die Verpflichtung zur Setzung weiterer Maßnahmen bei deren Nichterreichung unter Einbindung der Öffentlichkeit statuiert, legt es auch einen Rahmen fest, in dem sich die Öffentlichkeit einbringen und die Notwendigkeit der Setzung weiterer Maßnahmen geltend machen kann.

B. Beschwerde ÖKOBÜRO an das Landesverwaltungsgericht Gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 14.8.2014 wurde vom ÖKOBÜRO eine Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht (LVwG) erhoben, das über den Antrag des ÖKOBÜROs im Sinne einer Zurückweisung erkannt hat. Im Wesentlichen wurde vom LVwG ausgeführt, dass das ÖKOBÜRO jedenfalls keine Anfechtung vorgenommen hat, „mit welcher konkrete Handlungen oder

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Unterlassungen des Landes Salzburgs dargestellt werden, die gegen umweltbezogene Bestimmungen des innerstaatlichen Rechtes verstoßen und unter die Aarhus-Konvention zu subsumieren wären“. Das ÖKOBÜRO habe dagegen einen Antrag auf Erlassung geeigneter Maßnahmen an die nationale Behörde gerichtet. Ein derartiges Antragsrecht könne aber weder aus der Aarhus-Konvention noch aus den sonstigen europäischen und nationalen Rechtsvorschriften abgeleitet werden. „Janecek“ sei klar auf die Erstellung eines Aktionsplanes (bzw Luftqualitätsplanes) gerichtet, nicht jedoch auf die Setzung einzelner Maßnahmen. Dazu ist anzumerken, dass das ÖKOBÜRO einen Beschwerdeantrag an das Landesverwaltungsgericht gerichtet hat, „in der Sache selbst zu entscheiden und den Bescheid dahingehend abzuändern, dass geeignete Maßnahmen erlassen werden, mit denen eine schnellstmögliche Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid erreicht werden kann“. Offensichtlich wurde der Beschwerdeantrag vom LVwG im Sinne einer unmittelbaren Anordnung von Maßnahmen durch dieses selbst interpretiert.

VII. Analyse der Situation – zahlreiche offene Fragen und Problemstellungen Ich stelle ausdrücklich klar, dass ich hier eigene Gedanken und Überlegungen zum Ausdruck bringe, die nicht die „offizielle“ Meinung des Landes Salzburg darstellen müssen. Ich bitte außerdem um Verständnis, dass ich viele Argumente, die einer eigenen Abhandlung wert wären, hier nur grob umreißen kann. Dies gilt auch für meine Anmerkungen im „Nachtrag“.

A. „Janecek“, Aarhus – Aufnahme, Umsetzung Seit „Janecek“ sind mehr als sieben Jahre vergangen. Es ist augenfällig, wie schwer dem österreichischen Rechtssystem bzw dessen Institutionen die Aufarbeitung und Umsetzung der sich aus diesem Urteil des EuGH ergebenden Konsequenzen fällt, was auch Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention betrifft. Der Tenor der Diskussionen war lange Zeit von einem unerschütterlichen Beharren auf die Grundsätze der österreichischen Rechtsordnung, die Fälle wie „Janecek“ einfach nicht erfassen, gekennzeichnet. Im Jahre 2014 wurde allerdings eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gestartet, um die relevanten Fragen zu diskutieren und Lösungen in die Wege zu leiten. Erste Ansätze dazu liegen bereits vor, aber wichtige Klärungen sind immer noch offen. An eine rasche Novelle des IG-L, die ich für unabdingbar halte, ist offensichtlich nicht gedacht.

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B. Änderungen im Verfassungs- und Verwaltungsverfahrensrecht erforderlich? Völlig unklar ist nach wie vor, ob für eine Umsetzung von „Aarhus“ und „Janecek“ Änderungen etwa auf bundesverfassungsrechtlicher Ebene oder im Verwaltungsverfahrensrecht erforderlich sind. Das österreichische öffentliche Recht ist durch einen „Typenzwang“ gekennzeichnet, in den sich Pläne und Programme nicht ohne weiteres einordnen lassen. Es ergeben sich auch Fragen, die für den Rechtszug relevant sind: Negative behördliche Entscheidungen zu Anträgen in Bezug auf Programme sind grundsätzlich beim LVwG zu bekämpfen, Verordnungen, die Teile eines Programms nach § 9a IG-L sein können, dagegen unmittelbar nur beim VfGH. Die „begangene Unterlassung“ ist ein der österreichischen Rechtsordnung fremdes Institut, sie findet sich erst in der Umsetzung der Umwelthaftungs-Richtlinie. Die rechtsdogmatische Aufarbeitung dieser grundlegenden Fragen steht jedenfalls noch am Beginn. Die Art und Weise der Diskussion, ob eine Umsetzung nur eine Angelegenheit der Materiengesetze ist oder doch auch das Verfassungs- und Verwaltungsverfahrensrecht betroffen ist, ist für mich unverständlich. Meines Erachtens kann eine Aarhus-Umsetzung nicht ohne grundsätzliche Regelungen gelingen, wie sich in vielen Diskussionen immer deutlicher herauskristallisiert.

C. Aarhus: keine „actio popularis“ Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention eröffnet nicht die Möglichkeit zu einer „actio popularis“, es kann also nicht jede mögliche und denkbare Rechtsverletzung unter Berufung auf die Aarhus-Konvention geltend gemacht werden.16 Dieser Umstand wird gerne außer Acht gelassen. Art 9 Abs 3 ist eine rein verfahrensrechtliche Be­ stimmung. Die anfechtbaren „vorgenommenen Handlungen“ und „begangenen Unterlassungen“ ergeben sich aus den jeweiligen materiellen Bestimmungen, wobei die Aarhus-Konvention den Mitgliedsstaaten in der Umsetzung einen relativ weiten Spielraum eröffnet.

D. Dilemma der Behörden Nun wurde Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention in Österreich bis dato nicht umgesetzt, auch nicht im IG-L die sich aus „Janecek“ ergebenden Konsequenzen. Interessant ist, dass auch die „neue“ Luftqualitäts-RL, die allerdings vor „Janecek“ erlassen 16

United Nations Economic Commission for Europe, The Aarhus Convention – An Implementation Guide (2014) Art 9 para 3, 198.

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wurde, keine Bestimmungen über „Anfechtungsrechte“ enthält. Es finden sich also in den Rechtsmaterien selbst keine Regelungen über konkret durchsetzbare Ansprüche und daraus resultierende verfahrensrechtliche Bestimmungen. Lediglich die auf den Einzelfall abstellenden höchstgerichtlichen Entscheidungen, vor allem die Judikatur des EuGH, können zur Lösungsfindung herangezogen werden. Es fällt somit zwangsläufig den Behörden zu, aus diesen wenigen Vorgaben nicht nur die „legitimen“ Rechtsansprüche abzuleiten, sondern gleichsam auch das Verfahren auszugestalten. Das AVG bezieht sich auf Bescheide, nicht auf Programme und Maßnahmen, um die es hier in erster Linie geht. Ein Bescheid ist in den hier vorliegenden Fällen ja nur zu erlassen, wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird.17 Viele Problemstellungen gehen jedenfalls weit über den für die Behörden zulässigen Rahmen zur Interpretation rechtlicher Vorschriften hinaus, zumindest im Rahmen der österreichischen Rechtsordnung. Ein für die Behörden, aber auch für die Antragsteller unmöglicher Zustand.

E. Recht auf Sachentscheidung! Eines dürfte klar sein: Vor dem Hintergrund von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention wird es jedenfalls kaum mehr Raum für formelle Entscheidungen im Sinne einer Zurückweisung geben, vor allem bei Anfechtungen durch Umweltorganisationen. In Sachen „saubere Luft“ spielt die „unmittelbare Betroffenheit“ als Kriterium für die Antragslegitimation des Einzelnen für sie keine Rolle, sollte ihnen tatsächlich auch für umweltbezogene Pläne und Programme Anfechtungsrechte iSd Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention zukommen. Die Geltendmachung einer „begangenen Unterlassung“ begründet somit grundsätzlich einen materiell-rechtlichen Erledigungsanspruch.

F. Politische Dimensionen Viele Maßnahmen zur Luftqualität haben eine wirtschafts- und gesellschaftspolitische Dimension. Die Forderung des ÖKOBÜROs für das Stadtgebiet von Salzburg eine Umweltzone zu errichten, die „beispielsweise“ ab dem 1.1.2016 nur mehr die Einfahrt von PKWs der Euro-Normen 6 bzw 6c bei Diesel-KFZ zulässt, obwohl die Euro-Norm 6 erst ab dem 1.9.2015 für Neufahrzeuge verbindlich ist (die Euro-Norm 6c wird erst ab September 2017 gelten), würde bedeuten, dass ein großer Teil der Straßenverkehrsteilnehmer ihre Privatfahrzeuge in kürzester Zeit austau17

Zur Frage, ob „Maßnahmen“ überhaupt „beantragbar“ sein können und sollen, vgl den „Nachtrag“.

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schen müsste bzw diese nicht mehr benützen könnte, um etwa ihre Arbeitsstellen zu erreichen. Oder sie wären auf ein öffentliches Verkehrssystem angewiesen, das aber weder die Kapazitäten noch die erforderlichen Verbindungen aufweist. Hier sind auch Versäumnisse zu bewältigen, die bereits Jahre bzw Jahrzehnte zurückreichen, denen aber nicht so ohne weiteres und innerhalb kurzer Zeit abgeholfen werden kann. Mit seinen Forderungen nach Einführung einer City-Maut, Errichtung einer Regionalstadtbahn (also einer U-Bahn durch Salzburg) usw erweckte das ÖKOBÜRO insgesamt doch den starken Eindruck, dass umweltpolitischen Forderungen „im Antragsweg“ zum Durchbruch verholfen werden sollen. Damit sind aber auch demokratiepolitische Fragen berührt, die bis jetzt in Zusammenhang mit Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention bzw der Luftqualitäts-RL nicht einmal erkannt und diskutiert worden sind. Zu diesem Thema ist wieder auf die Urteile des EuGH zum Sektoralen Fahrverbot hinzuweisen: Diese zeigen ja ganz deutlich, dass ergriffene Maßnahmen auch mit dem Risiko behaftet sind, als rechtswidrig beurteilt zu werden und dann aufzuheben sind. Hier stellt sich die Frage nach der Tragung des Risikos und der öffentlichen Verantwortung bei der Festlegung von Maßnahmen, insbesondere wenn mit ihnen hohe Aufwendungen verbunden sind, wie dies zB bei der Einführung einer City-Maut der Fall wäre.

G. Ambivalente Funktion der EU Eigenartig ist die ambivalente Funktion der EU. Einerseits dringt sie gegenüber den Mitgliedsstaaten auf eine relativ rigide Durchsetzung der Bestimmungen der Luftqualitäts-RL, wenn zB Ersuchen um Fristverlängerungen kurz und bündig nicht entsprochen bzw die Setzung weiterer Maßnahmen mit denkbar kurzen Fristen gefordert wurden. Andererseits liegt es aber auch in vielen Bereichen an ihr, Maßnahmen zu setzen oder zuzulassen. Das Versagen der EU bei den Euro-Normen für PKWs ist evident. War die erste Entscheidung des EuGH zum Sektoralen Fahrverbot noch zu akzeptieren, konnte ich mir die zweite Entscheidung zwar rechtlich begreiflich machen, aber verständlich war sie für mich nicht mehr. Einerseits räumt der EuGH in „Janecek“ der Behörde einen Ermessensspielraum ein, den das Land Tirol im Sinne einer immissionsabhängigen Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Inntal Autobahn wahrgenommen hat, andererseits wird dann ein rigides Ausschöpfen aller „gelinderen Mittel“ gefordert18, sodass der Eindruck bleibt, dass hier wiederum Umweltaspekte in den Hintergrund geraten sind. Das Land Tirol musste in der Folge eine wirksame Maßnahme stoppen, andere dann erst einführen, 18

Ua die Einführung eines effektiveren „fixen“ Tempolimits.

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was zwangsläufig eine zeitliche Verzögerung in der Wirksamkeit der Maßnahmensetzung insgesamt bedeutet hat. Das ist dann offensichtlich von den unmittelbar Betroffenen in Kauf zu nehmen.

H. Abgestimmte Politiken erforderlich! Die Judikatur des EuGH weist zwar einige grundsätzliche bahnbrechende Aussagen auf, ist aber letztendlich lückenhaft und unsystematisch. Die vom EuGH in „ClientEarth“ festgehaltene Ergebnisverpflichtung scheitert simpel und einfach an der Realität eines Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, das – ich will es so sagen – den öffentlichen Verkehr insgesamt nicht in den Vordergrund stellt und seine Akzente oft nur vordergründig an der Umwelt ausrichtet. Das Auto und die individuelle Fortbewegung haben in unserer Kultur einen äußerst hohen Stellenwert, wie die tägliche Fernsehwerbung deutlich macht. Die Sicherstellung und Bewahrung der Luftqualität bedarf jedenfalls aufeinander abgestimmter Politiken, von der EU „abwärts“ bis zu den kommunalen Ebenen. Die Statuierung einer Ergebnisverpflichtung, die dann im Prinzip alleine vom Landeshauptmann als nationale Behörde zu gewährleisten ist, kann ohnedem nicht funktionieren. In einer meines Erachtens verfassungsrechtlich sicherzustellenden Mitwirkungs- und Beitragsverpflichtung aller Verantwortungsbereiche müssen für Pläne und Programme neue Formen der Erstellung „entwickelt“ werden.

I. Mitgliedsstaat – Behörde Die Luftqualitäts-RL richtet sich grundsätzlich an die Mitgliedsstaaten, Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention erfasst dagegen von der Behörde „vorgenommene Handlungen“ bzw „begangene Unterlassungen“. Auf diesen wesentlichen Unterschied ist Bedacht zu nehmen! Art 2 Z 2 Aarhus-Konvention schließt jedenfalls Einrichtungen, die in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft handeln, vom Behördenbegriff aus. Eine Verordnung ist eine generell abstrakte Norm. Meines Erachtens ist sie im Rahmen der Aarhus-Konvention, die ja nicht auf die österreichische Rechtsordnung abstellt, als „Gesetz“ zu verstehen. Behörden können jedenfalls nur auf der Basis des ihnen nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften zugewiesenen Wirkungsbereiches tätig und somit nur in diesem Rahmen für ihre Handlungen und Unterlassungen verantwortlich gemacht werden! Eine Behörde kann somit nicht für Handlungen und Unterlassungen anderer Behörden bzw Gebietskörperschaften verantwortlich sein, schon gar nicht im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung. Der Landeshauptmann von Salzburg als Behörde iSd IG-L hat keine direkten Einflussmöglichkeiten auf

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Verkehrsunternehmungen, wie vor allem die ÖBB. Sollte das LVwG tatsächlich dem Landeshauptmann die Errichtung einer Regionalstadtbahn auftragen können? Samt den damit verbundenen Millionenaufwendungen? Für das Budget sind aber die Organe der Gesetzgebung zuständig. Die Behörde kann nicht selber die Mittel für derartige umweltpolitische Maßnahmen freigeben.

J. Sachverständige Grundlagen entbehrlich? Die Implementierung der Westautobahn-Geschwindigkeitsbeschränkungs-Verordnung über einen Zeitraum von drei Monaten im Jahre 2014 bedingte eine Vorlaufzeit von vier bis fünf Monaten, wobei zur lufthygienischen Situation im Sanierungsgebiet bereits eine relativ gute Datengrundlage vorhanden war. Wenn diese nicht oder nur ungenügend existiert, wäre die Vorlaufzeit wesentlich länger. Gravierende Maßnahmen, wie zB eine Umweltzone, benötigen für ihre „technische“ Einführung einen längeren Zeitraum, wie die Erfahrungsberichte von Vertretern deutscher Behörden zeigen. Auf Grund zu setzender Übergangsfristen tritt die eigentliche Wirksamkeit solcher Maßnahmen dann oft noch später ein. „Schnellstmöglich“ ist hier nichts zu bewerkstelligen. Verordnungen benötigen eine einwandfreie sachverständige Grundlage, ansonsten sie vom VfGH ohne weiteres behoben werden können oder zumindest leicht anfechtbar sind. Diese Voraussetzung ist eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit, gerät aber in Diskussionen um Maßnahmen immer wieder in Vergessenheit. Erforderlich sind oft Gutachten aus mehreren Fachbereichen, Varianten- und Durchführbarkeitsstudien, die dann zum Teil extern erstellt werden müssen, und allenfalls auch ein ordnungsgemäß durchgeführtes Vergabeverfahren. Im Erkenntnis zum Nachtfahrverbot für LKWs im Land Tirol vom 27.11.2003 hat sich der VfGH zwar grundsätzlich mit dem Prognosecharakter der Gutachten begnügt, dafür aber die Verpflichtung der periodischen Überprüfung der Wirksamkeit und der Rechtfertigung der Maßnahme festgestellt. Was geschieht mit Maßnahmen, wenn die Grenzwerte, zB in Folge der Verbesserung der Motorentechnologie (Euro-Normen), dauerhaft eingehalten werden? Nach den Vorgaben des VfGH wäre eine City-Maut auf der Grundlage des IG-L (wenn es diese Grundlage gäbe) dann wieder aufzuheben.

VIII. (Vorläufiges) Resümee Was sind also in Bezug auf das „Recht des Bürgers auf saubere Luft“ die „begangenen Unterlassungen“ der Behörde, die konkret angefochten werden können? Ich habe deutlich gemacht, dass hier noch vieles offen ist.

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Im Zentrum des Luftqualitätsrechtes steht jedenfalls die Erlassung eines effizienten Luftqualitätsplanes zur Erreichung der Luftqualitätsziele. Die Bezugnahme auf einzelne Maßnahmen ist insofern sinnvoll, um darzulegen, dass sehr wohl noch ein Potenzial vorhanden und dieses nicht ausgeschöpft ist. Ein Abstellen bzw Beharren auf komplexe Maßnahmen wie zB eine City Maut, mit womöglich gravierenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen, ist aber Umweltpolitik, deren Durchsetzung nicht von der Aarhus-Konvention erfasst sein kann. Dies ist die Aufgabe der demokratisch legitimierten Einrichtungen, die aber auch ihre entsprechende Verantwortung wahrnehmen sollen. Die umfassenden Maßnahmenvorschläge des ÖKOBÜROs zeigen jedenfalls deutlich, dass zu dieser „politischen Seite“ des Art 9 Abs 3 und der in Österreich laufenden Antragstellungen eine Diskussion überfällig ist. Wo hat Aarhus seine „Grenzen“? Ob ein jüngeres Urteil des EuGH vom 13.1.2015 zu C-404/12 P + C-405/12 P eine Einschränkung der Rechtsposition von Umweltorganisationen bedeutet, bleibt abzuwarten. In diesem Fall ging es um die Anwendung der Verordnung (EG) 1367/2006 vom 6.9.2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Aarhus … auf Organe und Einrichtungen einer Gemeinschaft. Der EuGH beschränkte dabei den Anwendungsbereich von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention auf Verwaltungsakte, das sind Maßnahmen des Umweltrechtes zur Regelung des Einzelfalles. Dieses Urteil lässt viele Fragen offen. Unmittelbar Betroffene selbst können sich nach „Janecek“ immer direkt auf die Luftqualitäts-RL berufen! Zu „Aarhus“, insbesondere zu Art 9 Abs 3, sind in den letzten Jahren viele Aufsätze und Abhandlungen verfasst worden. Ich kenne sie nur zu einem geringen Teil und kann mir somit keine wirkliche Beurteilung erlauben. Aber die Aussagen, die ich kenne, lassen für mich den Eindruck entstehen, dass man bisher zu sehr damit beschäftig war, die Aarhus-Konvention und das Luftqualitätsrecht in einem Licht zu betrachten, in dem alles und jedes als einklagbar und durchsetzbar angesehen wird. Die Aufarbeitung der grundsätzlichen Fragen dürfte aber zurückgeblieben sein. Ich hoffe, mit meinem (bisherigen) Beitrag einen Teil dazu geleistet zu haben. Eines muss klar sein: Mit einem Verfahren alleine, selbst wenn der Antrag von einem Höchstgericht bestätigt werden sollte, wird die Luft nicht sauberer. Dies bewirkt erst der vollkommen umgesetzte effiziente Luftqualitätsplan.

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IX. Nachtrag zur Tagung vom 12.6.2015 A. Einleitung Der bisherige Text meines Beitrages entspricht im Wesentlichen der Fassung, die der Tagung vom 12.6.2015 vorgelegen ist. Seit dem haben sich durch eine Entscheidung des VwGH wesentliche Neuerungen ergeben, auf die ich in der Form eines Nachtrages eingehe. Dadurch soll es auch zu einer Gegenüberstellung der zum Teil richtungsweisenden Aussagen des VwGH mit den von mir entworfenen Rechtsansichten kommen; die Wiederholung einiger Argumente muss dabei in Kauf genommen werden. Das ÖKOBÜRO hat erwartungsgemäß die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, eine Entscheidung dazu kann natürlich noch nicht vorliegen. Entschieden hat der VwGH aber über ein das Land Steiermark, konkret den Großraum Graz, betreffendes Verfahren, das bisher unerwähnt geblieben ist.

B. Antrag Großraum Graz – Erkenntnis VwGH19 Die Antragsteller, natürliche Personen, hatten geltend gemacht, in einem besonders belastenden Gebiet zu wohnen. Zur Einhaltung der Grenzwerte für Feinstaub wurde die Ergänzung des Programmes gemäß § 9a IG-L und der Steiermärkischen Luftreinhalteverordnung 2011 um (a) dauerhafte abgasklassenorientierte Fahrbeschränkungen … (Fahrverbot für alle Dieselfahrzeuge im Sanierungsgebiet Großraum Graz), also eine Umweltzone, (b) Fahrverbote für alle KFZ tageweise wechselnd nach geraden und ungeraden Kennzeichen vom 1.10. - 31.4. und (c) andere geeignete und effektive gleichwertige Maßnahmen beantragt. Diese Anträge waren mit Bescheid des Landeshauptmanns für Steiermark vom 28.8.2013 zurückgewiesen worden, die dagegen erhobene Beschwerde ist vom Landesverwaltungsgericht Steiermark am 6.6.2014 als unbegründet abgewiesen worden. Zunächst betonte der VwGH, dass das Verfahrensthema alleine die Zulässigkeit eines solchen Antrages ist. Die Anträge a) – c) wurden vom VwGH offensichtlich als eine Einheit betrachtet, was in der Folge einige Unklarheiten mit sich bringt und Fragen aufwirft. Zusammenfassend führte der VwGH zum Teil über das „Verfahrensthema“ hinausgehend das Folgende aus:

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VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0096.

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Art 13 Abs 1 Luftqualitäts-RL statuiere eine sofortige Handlungspflicht, deren Ziel die Einhaltung der Grenzwerte darstellt. Diese Bestimmung beinhaltet daher die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, die festgelegten Grenzwerte nicht zu überschreiten. Aus dem Kontext der Ausführungen geht hervor, dass sich der VwGH an der in „ClientEarth“ festgehaltenen „Ergebnisverpflichtung“ orientiert und damit den Behörden einen hohen Maßstab auferlegt. Wiederum unter Bezug auf „ClientEarth“ stellte der VwGH fest, dass es hinsichtlich der Einhaltung der Grenzwerte für die Luftschadstoffe des Art 13 Luftqualitäts-RL den Mitgliedsstaaten zur Aufgabe gemacht ist, einen wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten. Natürlichen Personen, wenn sie unmittelbar von der Überschreitung der Grenzwerte betroffen sind, müsse daher der Rechtsanspruch zugebilligt werden, die Erstellung entsprechender Luftqualitätspläne verlangen zu können. Dies unter der Voraussetzung, dass die Einhaltung der Grenzwerte nicht gewährleistet ist und von der Kommission keine Fristverlängerung iSd Art 22 Luftqualitäts-RL zugebilligt wurde. Eine solche ist zwar für den Großraum Graz gewährt worden, allerdings nur bis zum 11.6.2011. Augenfällig ist, dass der VwGH die Antragslegitimation ausschließlich auf das Luftqualitätsrecht stützt, auf die Aarhus-Konvention wird nicht Bezug genommen. Zur unmittelbaren Betroffenheit führte der VwGH aus, dass diese einen räumlichen und zeitlichen Aspekt aufweist. Werden Grenzwerte in einem Gebiet überschritten, sind alle in diesem Gebiet lebenden Personen unmittelbar davon betroffen. Die in „Janecek“ vom EuGH getroffenen Aussagen, die sich auf die Aktionspläne des Art 7 Abs 3 (alte) Luft-Rahmen-RL, die auf kurzfristige Maßnahmen beschränkt waren, bezogen, wurden vom VwGH auf die (neue) Luftqualitäts-RL übertragen. Wesentlich sind nun die folgenden Aussagen: „Besteht aber ein Anspruch eines unmittelbar Betroffenen auf Erlassung von Plänen nach Art 23 Luftqualitäts-RL, dann ist ein darauf abzielender Antrag auch zulässig, wenn es bereits einen solchen Plan gibt. Dieser Antrag hat dann die inhaltliche Überprüfung des Programms nach § 9a IG-L auf seine allfällige Ergänzungsbedürftigkeit zur Folge.“ Die Erstellung eines Luftqualitätsplanes für sich genommen lässt nicht die Annahme zu, dass den nach Art 13 Abs 1 Luftqualitäts-RL obliegenden Verpflichtungen nachgekommen worden ist. Im Hinblick auf „Janecek“ führte der VwGH aus, dass allenfalls mit der Setzung von Maßnahmen das Auslangen zu finden ist, die die Überschreitungen nicht verhindern, sondern (nur) so gering wie möglich halten. Dies sei aber ein inhaltlicher Aspekt, der mit der verfahrensgegenständlichen Frage der Zulässigkeit des Antrages nichts zu tun hat. Im Hinblick auf den Antrag des ÖKOBÜROs hat der Landeshauptmann von Salzburg jedenfalls eine – abweisende - Sachentscheidung getroffen und sich in

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diesem Rahmen mit den vorgeschlagenen Maßnahmen auseinandergesetzt, die jedoch negativ bewertet werden mussten. Den Vorgaben des VwGH wurde somit grundsätzlich entsprochen, wobei die endgültige Beurteilung natürlich abzuwarten bleibt. Die grundsätzliche Frage der Antragslegitimation von Umweltorganisationen im Hinblick auf die Erstellung von Plänen und Programmen harrt allerdings noch ihrer endgültigen Klärung.

C. Kritische Anmerkungen zum Erkenntnis vom 28.5.2015 Aus dem Erkenntnis des VwGH vom 28.5.2015 ergibt sich eine für die Behörden wesentliche Frage: Bezieht sich das „Antragsrecht“ lediglich allgemein auf die Erstellung bzw Verbesserung des Programmes nach § 9a IG-L oder auch auf die Durchsetzung konkreter von den Antragstellern als notwendig erachteter und beantragter Maßnahmen? Der VwGH spricht in seinem Erkenntnis immer nur von einem Antrag, obwohl eigentlich drei vorliegen. Meines Erachtens aber lassen die abschließenden Passagen doch recht deutlich erkennen, dass der VwGH die letztere Auffassung einer umfassenden Antragslegitimation vertritt. Er führt dazu aus, dass trotz des Rechtstypenzwangs in der österreichischen Rechtsordnung Konstellationen auftreten können, in denen die Verwaltung unter bestimmten Voraussetzungen zur Erlassung einer Verordnung verpflichtet ist. Damit können eigentlich nur Maßnahmen-Verordnungen iSd §§ 10ff IG-L gemeint sein. In solchen Fällen sei ein Antragsrecht zu bejahen. Beantragt eine Partei die Erlassung (oder Ergänzung) einer solchen Verordnung, so besteht das Recht, bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen darüber in Form einer Sachentscheidung einen negativen Bescheid zu erhalten. Ein Rechtsanspruch von unmittelbar betroffenen Einzelnen oder von Umweltorganisationen nicht nur auf die Erlassung bzw Ergänzung eines Programmes, sondern auch auf konkret beantragte Maßnahmen-Verordnungen iSd §§ 10ff IG-L ist jedoch strikt abzulehnen. Warum, was spricht dagegen?

1. Ermessensspielraum, Wertungen, Entscheidungen Sowohl „Janecek“ als auch „ClientEarth“ setzen ausschließlich beim Plan an, dessen Erstellung und auch Verbesserung verlangt werden kann. Von einem Recht, von der Behörde auch die Implementierung spezifischer Maßnahmen verlangen zu können, ist in keinem der beiden Urteile die Rede. Ganz im Gegenteil, lässt „Janecek“ deutlich erkennen, dass die Festlegung der Maßnahmen eine grundsätzliche Angelegenheit der zuständigen Behörden bzw der Mitgliedsstaaten darstellt. Diese ver-

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fügen über einen Ermessensspielraum20, in dessen Rahmen auch die betroffenen öffentlichen und privaten Interessen zu berücksichtigen sind. Natürlich ist dieser Ermessensspielraum am Luftqualitätsziel auszurichten, wodurch ihm Grenzen gesetzt sind, die geltend gemacht werden können. Die Ausübung dieses Ermessens ist dadurch gebunden und in diesem Rahmen überprüfbar. Eine Durchsetzbarkeit von konkreten Maßnahmen durch die unmittelbar Betroffenen würde diesen Ermessensspielraum jedenfalls unzulässig einschränken bzw zunichtemachen. Bei der Erstellung eines Programms nach § 9a IG-L sind eine Fülle von Wertungen vorzunehmen sowie Prognosen und darauf aufbauende Festlegungen und Entscheidungen zu treffen, die nur insgesamt, nicht isoliert bezogen auf eine einzelne Maßnahme, betrachtet werden können. Die VwGH zitiert ausführlich aus „Janecek“, nicht aber diese Passagen. In seinen Urteilen zum „Sektoralen Fahrverbot“ stellte der EuGH ausdrücklich klar, dass vor Erlassung „radikaler Maßnahmen wie der eines völligen Fahrverbotes“ zunächst die Möglichkeiten an gelinderen Mitteln auszuschöpfen sind.21 Alleine diese Vorgabe ist ein großes Hemmnis für rigide Beschränkungen, wie sie oft von unmittelbar Betroffenen oder Umweltorganisationen gefordert werden. Es wurde schon deutlich gemacht: Vor allem bei „schwierigen“ Maßnahmen sind Abwägungen und Risikoentscheidungen zu treffen, die der Behörde und den politischen Verantwortungsträgern vorbehalten bleiben müssen und somit nicht beantragbar sein können.

2. Anträge – inhaltliche Ausgestaltung von Maßnahmen, Konsequenzen Wie bereits erwähnt, wurde vom ÖKOBÜRO die Einführung einer Umweltzone für die Stadt Salzburg gefordert, mit einer sehr knappen Frist, „beispielsweise“ ab dem 1.1.2016. Nach diesem Zeitpunkt soll die Einfahrt für Diesel-PKWs nur mehr der Euro-Norm 6 zulässig sein, die aber erst ab dem 1.9.2015 verbindlich ist. Die Auswirkungen einer derartig kurzfristigen Maßnahme bedürfen keiner näheren Erläuterung, sie würde ein völliges Fahrverbot für einen Großteil der Diesel-PKWFlotte bedeuten. Die Konsequenzen wären sogar schwerwiegender als die eines Sektoralen Fahrverbotes. Gerade im städtischen Bereich werden oft Leichte Nutzfahrzeuge (die PKWs gleichzuhalten sind) für den gewerblichen Transport von Gütern und Personen eingesetzt, sodass hier der für den EuGH so maßgebende freie Warenverkehr unmittelbar betroffen ist.

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Vgl „Janecek“, Rz 46. Vgl EuGH 15.11.2005, C-320/03, Rz 87 und 89.

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Nach dem ersten Urteil zum „Sektoralen Fahrverbot“ sind jedenfalls für derartige Maßnahmen ausreichende Übergangsfristen sicherzustellen.22 Die Münchner Umweltzone wurde zB am 1.10.2008 eingeführt, aber erst seit dem 1.10.2012 dürfen nur mehr PKWs mit den Diesel-Motoren ab der Euro-Norm 4 oder der Euro-Norm 3 bei einer (nachträglichen) Ausstattung mit Partikelfilter einfahren. (In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der zunehmende Einsatz der Partikelfiltertechnologie in den letzten Jahren zu einer Erhöhung der Stickstoffoxidemissionen geführt hat, mit der nicht gerechnet wurde und die sich auch in den Prognosen nicht findet.) In Stuttgart wird (in erster Linie wegen des Feinstaubes) die Einführung einer Umweltzone für die Euro-Norm 6 diskutiert, aber nicht vor dem Jahre 2019! Es wird wohl klar sein, dass die Einführung einer Umweltzone für die Stadt Salzburg mit diesem engen zeitlichen Horizont rechtlich nicht in Frage kommen kann. Ein diesbezüglicher Antrag wäre sicherlich negativ zu entscheiden. Vorgeschlagen bzw beantragt wurde also eine Umweltzone, die gleich einer Religionsgemeinschaft – auf dieses Beispiel haben die Antragsteller und der VwGH gleichermaßen Bezug genommen – bei Vorliegen der Voraussetzungen anzuerkennen ist. Nichts weiter, nur eine Umweltzone, verbunden womöglich mit der Vorgabe einer knappen Frist zur Einführung. Aber: Welches Gebiet soll eine Umweltzone umfassen? Soll sie ein größeres Gebiet umfassen (zB das gesamte Stadtgebiet von Salzburg samt Umlandgemeinden), was ökologisch wirkungsvoller wäre, aber schwerer umzusetzen und zu überwachen, oder ein kleineres Gebiet (Altstadtbereich), mit der Gefahr eines Umgehungsverkehrs? Ab wann soll sie gelten, mit welchen Fristen für die einzelnen Abgasklassen? Darüber enthalten die Anträge aber in der Regel keine bzw keine ausreichend konkreten Angaben. Sie sind somit äußerst unbestimmt, sodass sie in dieser Form keiner Entscheidung zu Grunde gelegt werden können. Antrag a) zum Großraum Graz hätte in dieser Form mangels ausreichender inhaltlicher Bestimmtheit keiner Erledigung im Sinne einer Sachentscheidung zugeführt werden können. Wie wäre dann das gebotene Vorgehen für die Behörde: Ein Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs 3 AVG? Nach neuesten Ergebnissen dürften Diesel-Motoren der Euro-Norm 6 tatsächlich eine Reduktion der Stickstoffoxidemissionen aufweisen, zwar nicht im vorgegebenen Ausmaß, aber immerhin um die Hälfte gegenüber der Euro-Norm 5. Angenommen, eine Behörde entschließe sich zur Einführung einer Umweltzone zB ab dem Jahre 2018 und erlässt eine entsprechende Verordnung, soll diese dann angefochten werden können, weil die Betroffenen meinen, dass eine solche bereits zB ab dem Jahre 2017 geboten sei? Hier ist die Frage der Effizienz eines Programms 22

Vgl EuGH 15.11.2005, C-320/03, Rz 90.

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nach § 9a IG-L und seine allfällige Ergänzungsbedürftigkeit, auf die der VwGH in seinem Erkenntnis vom 28.5.2015 abgestellt hat, berührt. Für Maßnahmen ist nicht nur das „ob“ entscheidend, sondern auch das „wie“! Soll es somit auch „Antragsrechte“ nicht nur zur Maßnahme an sich, sondern auch zu ihrer inhaltlichen Ausgestaltung geben? Also nicht nur zum Zeitrahmen der Umsetzung sondern etwa auch zur gebietsmäßigen Festlegung usw? Das wäre die logische Konsequenz! Will sich der VwGH wirklich auf die Überprüfung all dieser Wertungen einlassen? Und, Verordnungsanfechtungen fallen in die Zuständigkeit des VfGH! Die Implementierung von Maßnahmen erfordert jedenfalls sachverständige Grundlagen, deren Erarbeitung in der Regel einen längerfristigen Prozess erfordert, einschließlich Variantenstudien verbunden mit den jeweiligen Prognosen zur Luftqualität usw (zB eine Beurteilung der Auswirkungen des Umgehungsverkehrs bei einer auf die Altstadt beschränkten Umweltzone). Vom politischen Entscheidungsprozess will ich gar nicht reden. Oder soll dieser entbehrlich werden? Maßnahmen wie zB eine Umweltzone lassen sich jedenfalls nicht so ohne weiteres und schon gar nicht innerhalb der vom AVG vorgegebenen Frist von sechs Monaten für eine Entscheidung einführen. Anträge sind inhaltlich zu begründen, das müsste dann auch für die beantragte Maßnahmen-Verordnung iSd §§ 10ff IG-L gelten.

3. Programm – nicht Maßnahme! Einzelne isolierte Maßnahmen laufen in Gefahr, zu „verpuffen“. Maßnahmen, vor allem solche verkehrsbeschränkender Natur, bedürfen einer begleitenden umweltpolitischen Ausgestaltung. Eine City-Maut wird in ihrer Wirksamkeit stark gemindert bleiben, wenn es nur eingeschränkte Möglichkeiten gibt, tatsächlich auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen. Dasselbe gilt für tageweise wechselnde Fahrverbote und für Umweltzonen mit knappen Fristen zur Einführung. Östlich von Salzburg gibt es Gemeinden, die abends nicht mehr mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar sind. Ein Grund für die erste Aufhebung des Sektoralen Fahrverbotes war, dass es die österreichischen Behörden verabsäumt haben, sich „insbesondere zu vergewissern, dass für solche Maßnahmen ausreichend geeignete Schienenkapazität zur Verfügung steht“23. In der Vorbereitung auf das zweite Sektorale Fahrverbot wurde dieses Angebot dann ausgestaltet, was aber kein Hindernis für die neuerliche negative Feststellung durch den EuGH war. Werden die entsprechenden Begleitmaßnahmen (rascher Ausbau des öffentlichen Verkehrs, rasche Schaffung von Park&Ride-Parkplätzen mit den 23

Vgl EuGH 15.11.2005, C-320/03, Rz 88.

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erforderlichen Kapazitäten) nicht gesetzt, wird es leicht möglich sein, „radikalen“ Maßnahmen (wie die Einführung einer Umweltzone mit knapperen Fristen) auszuweichen, zumindest aber den Zeitpunkt ihrer Einführung stark zu verzögern. Das entscheidende an der Luftreinhaltung ist somit die Entwicklung und Implementierung eines entsprechenden umweltpolitischen Gesamtkonzeptes, was aber gerichtlich nur schwer durchzusetzen sein wird.

4. Beteiligung der gesamten Öffentlichkeit! In seinem Erkenntnis verweist der VwGH auf mehrere Beispiele, in denen Betroffenen ein Rechtsanspruch auf Erlassung einer Verordnung zusteht, ansonsten ein negativer Bescheid zu erlassen ist. Im Gegensatz zu den angeführten Beispielen können Maßnahmen-Verordnungen iSd § 10ff IG-L massiv in Rechtspositionen außenstehender Dritter, die niemals am Verfahren beteiligt waren, eingreifen. Um beim Beispiel der Religionsgemeinschaft zu bleiben: Mit ihrer Anerkennung wird kein Außenstehender veranlasst, an diese Religion zu glauben. Der Vorschlag des ÖKOBÜROs auf Einführung einer Umweltzone für die Stadt Salzburg bereits ab dem 1.1.2016 bedeutet einen Eingriff in die Rechte aller Diesel-KFZ-Besitzer, die in der Stadt Salzburg wohnen und ab diesem Zeitpunkt ihre „alten“ Fahrzeuge nicht mehr benützen könnten. Hier sind auch Grundrechte Dritter betroffen, insbesondere das Recht auf Eigentum, das Recht auf Erwerbsfreiheit und der freie Warenverkehr! Sollen von Grenzwertüberschreitungen betroffene Einzelne und Umweltorganisationen wirklich ein derartig unmittelbares Recht auf Eingriff in die Positionen Dritter zugestanden werden? Ich halte dies mit der österreichischen Rechtsordnung für unvereinbar, auch aus folgendem Grund: Eines meiner Argumente für die Abweisung des Antrages des ÖKOBÜROs war der Umstand, dass im Zeitraum unmittelbar davor das Programm aus dem Jahre 2008 evaluiert und mit ergänzenden Maßnahmen versehen fortgeschrieben worden ist, worüber auch eine öffentliche Auflage mit der Möglichkeit zur Stellungnahme durchgeführt wurde. Die bisherigen Argumente belegen die Sinnhaftigkeit, ja sogar die rechtspolitische Notwendigkeit dieses Standpunktes. Mit der Vorgabe der regelmäßigen Evaluierung eines Programmes nach § 9a Abs 6 IG-L und der Verpflichtung zur Veröffentlichung und Stellungnahmemöglichkeit wird ein Rahmen geschaffen, in dem sich die gesamte Öffentlichkeit an der Ausarbeitung und Erstellung eines Programmes, insbesondere im Hinblick auf seine Maßnahmen, einbringen kann. Dies ist der einzig demokratiepolitisch und rechtsstaatlich legitime Ansatz! „Mitwirkungsmöglichkeiten“ nur für einen Teil der betroffenen Bevölkerung zuzulassen, auch wenn es der im Hinblick auf seine Gesundheit betroffene Antragsteller ist,

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halte ich für äußerst bedenklich. Und, Umweltorganisationen können nicht einmal eine wirkliche unmittelbare Betroffenheit für sich in Anspruch nehmen. Verbunden mit der Überarbeitung des Programms und der Erstellung neuer Maßnahmen ist jedenfalls die Verpflichtung zur öffentlichen Auflage grundsätzlich des Programm-Entwurfes und der Maßnahmen-Verordnungen als Teile des Programms (!), um jedermann die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Diese Vorgabe ist zwar explizit in § 9a Abs 1 IG-L nur für das „ursprüngliche“ Programm vorgesehen und findet sich in § 9a Abs 6 IG-L so nicht ausdrücklich, stellt jedoch eine zwangsläufige Konsequenz dar. Würde unmittelbar Betroffenen oder Umweltorganisationen eine Antragslegitimation auf „Verbesserung“ des Programms oder Erlassung von einzelnen Maßnahmen-Verordnungen iSd §§ 10ff IG-L zugebilligt werden, und zwar zu jeder Zeit, dann wird die in § 9a Abs 6 IG-L festgelegte Verpflichtung der periodischen Evaluierung und Überarbeitung des Programms ihres Sinnes und Gehaltes entkleidet. Zu beachten ist hier auch die Richtlinie 2003/35/EG vom 26.5.2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme. Diese Richtlinie basiert gleichfalls auf der Aarhus-Konvention! Nach Art 2 Abs 2 stellen die Mitgliedsstaaten sicher, dass die (gesamte!) Öffentlichkeit frühzeitig und in effektiver Weise die Möglichkeit erhält, sich an der Vorbereitung und Änderung oder Überarbeitung der Pläne und Programme zu beteiligen. Lt Anhang I sind ausdrücklich die Luftqualitätspläne von dieser Verpflichtung erfasst. Zu verweisen ist auch auf die Richtlinie 2001/42/EG vom 27.6.2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, nach deren Vorgaben umfassende Umweltprüfungen vorzunehmen sind, im IG-L umgesetzt in § 9c. Diese Vorgaben machen erneut deutlich, dass europarechtlich auf den Plan bzw das Programm insgesamt abgestellt wird und einzelne Maßnahmen somit nicht isoliert betrachtet werden können. Das „Verfahren“ kann daher auch nicht auf den Antragsteller alleine beschränkt bleiben, wenn nach europarechtlichen Vorgaben die gesamte Öffentlichkeit zu beteiligen ist. Jedes am AVG orientierte Verfahren muss hier zwangsläufig scheitern. Die Überarbeitung eines Luftqualitätsplanes ist somit anders zu sehen als ein Verfahren an dessen Ende statt eines Bescheides eine Verordnung, etwa zur Anerkennung einer Religionsgemeinschaft, steht. Diese Vorgaben bedingen zwangsläufig auch ein Abstellen auf eine periodische Überprüfung und erforderlichenfalls Überarbeitung eines Luftqualitätsplanes, da ihnen bei sukzessiven Ergänzungen praktisch nicht zu entsprechen wäre. Das ÖKOBÜRO anerkennt in seiner außerordentlichen Revision ausdrücklich, dass der EuGH ein stufenweises Vorgehen als zulässig erachtet. § 9a Abs 6 IG-L setzt diese Vorgabe legistisch um, indem eben eine periodische Überprüfung und

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Überarbeitung des Programmes vorgesehen wurde. Eine Verpflichtung, die die Luftqualitäts-RL im Übrigen nicht enthält.

D. (Letztes) Resümee Ich konnte mich in einigen Passagen einer pointierten Kritik nicht enthalten. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Selbstverständlich ist für die vorliegende Thematik der Aspekt des Gesundheitsschutzes absolut vorrangig, was aber nicht darauf hinauslaufen kann, wesentliche andere rechtliche Aspekte zu ignorieren. Es bringt der Umwelt nichts, Maßnahmen zu implementieren, die dann vom EuGH oder VfGH für unzulässig erklärt werden oder einfach nicht greifen. Über eines soll man sich durch die ergangene Entscheidung des VwGH nicht hinwegtäuschen lassen: Entschieden wurde nur über die formaljuristische Seite, nicht über die inhaltliche. Darüber beginnt jetzt ein neues Verfahren, das seine Zeit dauern wird, bis zu einer allfälligen neuen Entscheidung des VwGH. Ich habe versucht, die Problemstellungen, mit denen ich in der Vergangenheit konfrontiert war, und ihre Konsequenzen darzulegen. Damit sollen künftige Lösungsansätze erleichtert und Sackgassen vermieden werden. Ein Antragsrecht durch unmittelbar Betroffene auf die Erlassung von konkreten Maßnahmen-Verordnungen iSd §§ 10ff IG-L ist aus meiner Sicht eine solche Sackgasse. Die Sicherstellung der Luftqualität ist in erster Linie eine umweltpolitische Aufgabe, die nur sehr bedingt durch die Gerichte sichergestellt werden kann. Dass politische Entscheidungsträger und Körperschaften ihre diesbezüglichen Aufgaben teilweise nicht ausreichend wahrnehmen, sollte jedoch nicht dazu führen, dass Umweltorganisationen und Gerichte an ihre Stelle treten (wollen). In Begutachtung gegangen ist der Entwurf einer Novelle der Abfallwirtschaftsgesetztes 2002. Auch für diese Rechtsmaterie ist von der Kommission eine Umsetzung der Aarhus-Konvention eingemahnt worden. Obwohl in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Lösungsansätze diskutiert wurden, ist offensichtlich an eine vollständige Umsetzung der Aarhus-Konvention im Abfallwirtschaftsgesetz 2002 auch diesmal nicht gedacht. Widerstände aus der Wirtschaft heißt es. Und dies ist für mich eine andere Sackgasse. Die Notwendigkeit der Umsetzung der Aarhus-Konvention kann nicht mehr ernsthaft abgestritten werden. Die Aarhus-Konvention selbst eröffnet jedenfalls den Mitgliedsstaaten einen breiten Spielraum in der Umsetzung, den sie ausnützen sollten, um Lösungen zu finden, die sich bestmöglich in ihre Rechtsordnungen einfügen. Wohin eine Nicht-Umsetzung führt zeigt das Luftqualitätsrecht. Hier haben die Gerichte angefangen, im Rahmen ihrer Entscheidungen hohe Standards zu setzen, die von den Behörden nicht negiert werden können, denen aber

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praktisch nicht bzw nur schwer entsprochen werden kann. Wäre nicht doch eine Umsetzung auf der Basis eines breiteren Konsenses der bessere Weg? Vor dem Hintergrund der Entscheidungen des EuGH zum Sektoralen Fahrverbot sehe ich jedenfalls keine Gefahr, dass die Interessen der „Wirtschaft“ unter die Räder geraten.

Aarhus-Konvention: Quo vadis? Barbara Weichsel-Goby

I. Artikel 9 Absatz 3 Aarhus-Konvention: Vom „Rechtsschutzmotor“ zum zahnlosen „Papiertiger“? Anlässlich des In-Kraft-Tretens der Aarhus-Konvention1 am 30.10.2001 würdigte Kofi Annan, der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, diese als das ambitionierteste Unterfangen umweltdemokratischer Natur unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen. Vierzehn Jahre später scheint es, als ob der „Rechtsschutzmotor Aarhus-Konvention“ in jenen Vertragsstaaten, die ein strenges Konzept der „Schutznormtheorie“2 verfolgen, – gelinde gesagt – ins Stottern geraten wäre. Denn dort ist ein weiter „Zugang zu wirkungsvollen gerichtlichen Mechanismen“ für die Öffentlichkeit, „damit ihre berechtigten Interessen geschützt werden und das Recht durchgesetzt wird“3, auf Grund der idR erfolgenden Kopplung des Gerichtszugangs an die Verletzung in eigenen subjektiven Rechten – va außerhalb von Verfahren auf Zugang zu Umweltinformationen und IVU- & UVP-Verfahren – vielfach nicht bzw nur unzureichend umgesetzt. Neben Deutschland ist hier vor allem auch Österreich als Vertragspartei mit einer überaus strengen Auslegungsform der Schutznormtheorie angesprochen.4 So hat Österreich bis dato den Gerichtszugang für Umweltorganisationen, als wesentlichste Stakeholdergruppe der Zivilgesellschaft für den Schutz von Umwelt- und Naturschutzinteressen, nur für Um-

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Übereinkommen von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, BGBl III 2005/88 idF BGBl III 2014/58. Anm: Nach Halfmann, Entwicklungen des Verwaltungsrechtsschutzes in Deutschland, Frankreich und Europa, VerwArch 91 (2000) 76 f stellt die Schutznormtheorie darauf ab, „ob die einschlägige Rechtsnorm zumindest auch den Interessen Einzelner zu dienen bestimmt ist.“ Vgl ErwG 18 Präambel zur Aarhus-Konvention. Vgl zur limitierenden Wirkung der Schutznormtheorie auf die Parteistellungsrechte von NGOs in Ländern wie Deutschland und Österreich insb Darpö, Effective Justice? Synthesis report of the study on the Implementation of Articles 9.3 and 9.4 of the Aarhus Convention in the Member States of the European Union, http://ec.europa.eu/environment/aarhus/pdf/synthesis%20report%20 on%20access%20to%20justice.pdf (20.10.2015) 13.

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weltverträglichkeitsprüfungsverfahren,5 Genehmigungsverfahren für IPPC-Behandlungsanlagen6 und Umwelthaftungsverfahren7 eröffnet.8 Die Geltendmachung von Verstößen gegen alle übrigen, und damit den Großteil der Umweltrechtsvorschriften – man denke etwa an naturschutzrechtliche, wasserrechtliche, forstrechtliche oder luftrechtliche Bestimmungen – ist Umweltorganisationen nach geltender österreichischer Rechtslage nicht möglich. Auch eine direkte Berufung von Umweltorganisationen auf Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention zur Erlangung der Parteistellung (bzw alternativ zumindest eines nachträglichen Überprüfungsrechts9) im konkreten Verfahren wird nach ständiger Rechtsprechung10 mit dem Verweis darauf, dass diese Bestimmung keiner unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Recht zugänglich sei,11 zurückgewiesen. In den parlamentarischen Materialien anlässlich der Ratifikation der Aarhus-Konvention durch Österreich spiegelt sich eindeutig wieder, dass die umweltpolitische und rechtliche Tragweite der Bestimmung, im Verlass auf die bewusst vage gehaltene Formulierung, zum damaligen Zeitpunkt völlig verkannt wurde: So wurde festgehalten, dass „die Bestimmung … daher wohl unterschiedlichsten Auslegungen zugänglich (ist), für Österreich wird davon auszugehen sein, dass kein zwingender unmittelbarer Handlungsbedarf gegeben ist und bestehende primär auf dem Schutz subjektiver Rechte beruhende Mechanismen und andere Beschwerdeinstrumente (z.B. Volksanwaltschaften) herangezogen werden können.“12 Spätestens seit Einleitung des Aarhus-Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Republik Österreich steht der unmittelbare Handlungsbedarf in punkto Umsetzung der Anforderungen nach Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention, der mittlerweile eine gewisse „Berühmtheit“ in der umweltpolitischen und umweltrechtlichen Diskussion erlangt hat, außer Diskussion. Einzuräumen ist nach Art 9 Abs 3 der Aarhus-Konvention13 eine Anfechtungs5 6 7 8 9 10 11 12 13

Vgl § 19 UVP-G 2000. Vgl § 42 Abs 1 Z 13 AWG 2002. Vgl § 11 Abs 1 B-UHG. Vgl insb Österreich ACCC/C/2010/48, ECE/MP.PP/C.1/2012/4, 17.04.2012, Rn 80. Anm: Analog zu jenem nach § 3 Abs 7a UVP-G 2000. Vgl idS zul VwGH 22.04.2015, 2012/10/0016. Nähere Ausführungen dazu unten Kap II. Vgl S 654 BlgRV 22. GP. Auch abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/RegV/ REGV_COO_2026_100_2_137133/COO_2026_100_2_140217.pdf (20.10.2015). Der Konventionswortlaut dieser Bestimmung lautet im Volltext: „Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die

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befugnis für Mitglieder der Öffentlichkeit gegen sämtliche Verstöße innerstaatlichen Umweltrechts.14 Diese Anfechtungsbefugnis muss zwar nicht als Popularklage iS einer Klagebefugnis für jedermann ohne Nachweis eines Interesses ausgestaltet werden,15 sollte jedoch dennoch nach Möglichkeit weitgehend losgelöst von der Verletzung eigener Rechte (zB Leben, Gesundheit, Eigentum, Schutz vor Immissionen) eingeräumt werden.16 Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Umweltorganisationen, denen im Kontext der Konvention eine verfahrensrechtliche Sonderstellung gegenüber Einzelpersonen zukommt: So muss eine Zugangsberechtigung von Umweltorganisationen zu Gerichten auch für den Fall bestehen, dass sie die Verletzung einer Umweltvorschrift geltend machen möchten, die nur die Interessen der Allgemeinheit, nicht aber auch die Rechtsgüter Einzelner schützt.17 Eine Umweltorganisation muss also auch sogenannte „ideelle Interessen“, wie das Interesse am Umweltschutz, vor Gericht geltend machen können. In diesem Sinne kommt anerkannten Umwelt-NGOs auch nach Art 9 Abs 2 3. UAbs Aarhus-Konvention eine gesetzliche Fiktion zu Gute, dass ihr Interesse jedenfalls als ein „ausreichendes“ anzusehen ist und sie auch als Träger von Rechten gelten, die verletzt werden können. Überhaupt dürfen etwaige „Kriterien“ nicht allzu streng angesetzt werden, da der Zugang zu den nach Art 9 Aarhus-Konvention vorgesehenen Überprüfungsverfahren die Regel und nicht die Ausnahme darstellen soll. Dies gilt insbesondere auch für Umwelt-NGOs, für die die Kriterien nicht so streng angesetzt werden dürfen, dass allen oder beinahe allen der Zugang zu Überprüfungsverfahren verwehrt bleibt.18 Dass dieser weite Zugang zu Gerichten dabei nicht bloß für einen eingegrenzten Umweltrechtsbereich, wie zB Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren, einzuräumen ist, sondern generell für sämtliche Verstöße gegen innerstaatliches Umweltvon Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.“ 14 Vgl idS Goby, Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten im Lichte der Aarhus-Konvention (2015) 162 ff u 223 f. 15 Vgl Belgien ACCC/C/2005/11, ECE/MP.PP/C.1/2006/4/Add.2, 28.07.2006, Rn 35. 16 Vgl Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz: Phänomenologie und Systematik überindividueller Klagebefugnisse im Verwaltungs- und Gemeinschaftsrecht, insbesondere am Beispiel des Umweltrechts (2008) 2; weiters in diese Richtung auch Schulev-Steindl, Rechtliche Optionen zur Verbesserung des Zugangs zu Gerichten (access to justice) im österreichischen Umweltrecht gemäß der Aarhus-Konvention (Artikel 9 Absatz 3), http://www.bmlfuw.gv.at/umwelt/eu-international/ umweltpolitik_internat/aarhus-konvention/aktivitaeten.html (20.10.2015) 62, welche sich dafür ausspricht, für den Gerichtszugang nach Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention nicht ausschließlich auf subjektive Rechte klassischen Zuschnitts abzustellen, sondern darüber hinausgehend auch gewisse verdünnte faktische Betroffenheiten sowie ideelle Betroffenheiten aufzugreifen. 17 Vgl EuGH 12.05.2011, C-115/09, Trianel, Rn 60 Z 1. 18 Vgl Belgien ACCC/C/2005/11, ECE/MP.PP/C.1/2006/4/Add.2, 28.07.2006, Rn 35 f.

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recht,19 macht die Umsetzung dabei besonders herausfordernd. Bedingen dadurch doch die Rechtsschutzanforderungen der Aarhus-Konvention für Österreich einen regelrechten Paradigmenwechsel in der Konzeption des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten, der – wie Giera richtig ausführt – allerdings relativ einfach über eine europarechtskonforme Interpretation von § 8 AVG (auch die Aarhus-Konvention ist integraler Teil des Unionsrechts!20) vollzogen werden könnte.21 Bis dato wurde dieser Paradigmenwechsel im Umweltrechtsschutz noch immer bloß ansatzweise vollzogen. Im 3. Österreichischen Umsetzungsbericht zur Aarhus-Konvention wird denn auch, rekurrierend auf die gegenwärtige, den Zugang zu Gerichten für Mitglieder der Öffentlichkeit limitierende, Rechtslage eingeräumt, dass Österreich damit die Anforderungen des Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention nicht erfüllt.22 Eine rasche, konventionsgerechte Umsetzung ist umso mehr Gebot der Stunde, als die Europäische Kommission mit Mahnschreiben vom 11. Juli 2014 gegen die Republik Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichender Umsetzung von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention eingeleitet hat.23 Darin wirft sie Österreich im Anwendungsbereich der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, der Wasserrahmenrichtlinie, der Luftqualitätsrichtlinie und der Abfallrahmenrichtlinie einen mangelhaften Gerichtszugang in Umweltangelegenheiten für Mitglieder der Öffentlichkeit vor. Rechtlich argumentiert die Europäische Kommission, dass die Aarhus-Konvention mit Ratifikation durch die EU fester Bestandteil des EU-Rechts geworden sei und die von der EU geschlossenen Übereinkünfte die EU-Mitgliedstaaten binden würden. Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention sei dabei so auszulegen und anzuwenden, dass die nützliche Wirkung (effet utile) des europäischen Umweltrechts gewährleistet sei. Dafür müsse die Möglichkeit einer rechtlichen Überprüfung vor einem nationalen Gericht für die Öffentlichkeit im Falle einer Rechtsverletzung vorgesehen werden. Zugegeben war die Anfangsphase nach In-Kraft-Treten der Konvention noch von zahlreichen Fragen der Auslegung von Art 9 Abs 3 dominiert, die zunächst die Beauftragung von Grundlagenstudien erforderlich machten: Wie Fellner Wratzfeld

19 Vgl dazu etwa grundlegend Goby, Rechtsschutz 72. 20 Vgl EuGH 08.03.2011, C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK, Rn 30. 21 Vgl Giera, Individualrechte im europäischen Umweltrecht und ihre Durchsetzung im nationalen Recht (2015) 226 ff. 22 Abrufbar unter: http://www.bmlfuw.gv.at/umwelt/eu-international/umweltpolitik_internat/aarhus-konvention/aarhuskonvention.html (20.10.2015). 23 Vertragsverletzungsverfahren Nr 2014/4111.

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& Partner in ihrer damaligen Aarhus-Studie aus 200424 auf den Punkt gebracht formulierten, hatten „der Charakter der Konvention als völkerrechtlicher Vertrag, das an zahlreichen Stellen sichtbar gewordene Ringen um Kompromisse bei der Wortwahl, der in bestimmten Bereichen programmatische Charakter der Konvention, der bewusste Gebrauch relativ wenig determinierter Begriffe im Vertrag und letztendlich auch die Tatsache, dass tiefgehende Literatur – trotz zahlreicher Websites und oberflächlicher Publikationen – kaum vorhanden ist, … zur Folge, dass die Implikationen des Art 9 Abs 3 für die österreichische Rechtsordnung in bestimmten Bereichen im Rahmen von schwierigen Auslegungsfragen zu ermitteln sind und verschiedenartige Umsetzungsoptionen bestehen.“25 Doch von 2004 bis heute hat sich einiges getan, um „Licht ins Dunkel“ der Rechtsschutzanforderungen der Aarhus-Konvention, und insbesondere auch dessen Art 9 Abs 3 zu bringen: Zahlreiche Fachpublikationen und eine rege Rechtsprechungstätigkeit des Aarhus Convention Compliance Committee und nicht zuletzt des Europäischen Gerichtshofs haben den Auslegungsspielraum in mannigfacher Weise eingegrenzt und interpretativ verdichtet. Damit liegen die Karten für eine konventionsgerechte Umsetzung eines Rechtsschutzes nunmehr auf dem Tisch. Die mehr als 10 Jahre nach Ratifikation der Konvention noch immer nicht vollständig erfolgte Umsetzung von Art 9 Abs 3 ist heutzutage mA somit eher am rechtspolitischen Widerstand gegen eine Öffnung von Umweltverfahren für die Öffentlichkeit und damit gegen ein weiteres Abgehen von der Schutznormtheorie (bzw einer großzügigeren Auslegung derselben) festzumachen. Dieser rechtspolitische Widerstand ist insbesondere von von Wirtschaftsseite ins Treffen geführten Befürchtungen vor einer Klagsflut, einer Zunahme der Verfahrensdauer und einem Anstieg der Verfahrenskosten getragen. Wie der aktuelle Evaluationsbericht des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) betreffend die Umweltverträglichkeitsprüfungen in Österreich26 – als dem Paradeverfahren für eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung – eindrücklich aufzeigt, erweisen sich sämtliche dieser Befürchtungen jedoch als unbegründet: 24

25 26

Fellner Wratzfeld & Partner (Hrsg), Studie zum Thema „Access to Justice – Umsetzungsoptionen für die 3. Säule der Aarhus-Konvention im Lichte aktueller europarechtlicher Entwicklungen“, abrufbar unter: http://www.bmlfuw.gv.at/umwelt/eu-international/umweltpolitik_internat/aarhus-konvention/aktivitaeten.html (20.10.2015). Fellner Wratzfeld & Partner, Access 5. BMLFUW, 6. UVP-Bericht an den Nationalrat 2015 – Bericht des Bundesministers für Landund Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft an den Nationalrat gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprüfung in Österreich. Abrufbar unter: http:// www.bmlfuw.gv.at/umwelt/betriebl_umweltschutz_uvp/uvp/materialien/berichte_rundschr.html (12.10.2015).

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Weder kam es im Zuge der Umweltverträglichkeitsprüfungen zur viel gefürchteten Klagsflut. So wurden beispielsweise bei im Schnitt pro Jahr 100 Feststellungsverfahren lediglich 13 Beschwerden von Umweltorganisationen in den letzten drei Jahren eingebracht.27 Insgesamt wird nur ein marginaler Bruchteil von rund 3 % der Vorhaben nicht genehmigt.28 Auch die Verfahrensdauer von Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren ist alles andere als ausufernd. Es kann seit 2009 sogar eine Tendenz in Richtung einer sinkenden Verfahrensdauer festgestellt werden. Vom Beginn der öffentlichen Auflage an (ab Vollständigkeit der Unterlagen) bis zur Entscheidung lag die durchschnittliche Verfahrensdauer für UVP-Verfahren bei bloß 9,9 Monaten.29 Und was die Verfahrenskosten betrifft, fallen diese auf Grund der Verfahrenskonzentration bei der UVP sogar oftmals günstiger aus als bei vergleichbaren Materienverfahren, wie die vom Umweltbundesamt herausgegebene Evaluation der UVP in Österreich aufzeigt.30 Dennoch ist in umsetzungstechnischer Hinsicht derzeit eine regelrechte Pattsituation festzustellen: Mangels politischer Einigkeit im Ministerrat werden keine entsprechenden Regierungsvorlagen verabschiedet, eine Neuauflage einer Access-to-Justice-Richtlinie der EU, die eine legistische Umsetzungspflicht kraft Unionsrecht auslösen würde, ist weiterhin nicht in Sicht31 und die Gerichte, einschließlich des Verwaltungsgerichtshofs, ziehen sich, selbst nach Einleitung des EU-Vertragsverletzungsverletzungsverfahrens wegen unzureichender Umsetzung von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention, in ständiger Rechtsprechung darauf zurück, dass Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention im innerstaatlichen Recht nicht unmittelbar anwendbar sei.32 Es sei Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln. Doch mangels politischer Einigkeit werden vom Gesetzgeber die Verfahrensmodalitäten für Klagen in den betroffenen umweltbezogenen Materiengesetzen nach wie vor nicht geregelt. Der einst hochgelobte „Rechtsschutzmotor Aarhus-Konvention“ ist in Österreich unverkennbar ins Stocken geraten. Schach matt für die Aarhus-Konvention? 27

BMLFUW, 6. UVP-Bericht an den Nationalrat 2015. Abrufbar unter: http://www.bmlfuw.gv.at/ umwelt/betriebl_umweltschutz_uvp/uvp/aktuellesuvp.html (20.10.2015) 30. 28 BMLFUW, 6. UVP-Bericht 18. 29 Vgl Umweltbundesamt, Dauer der UVP-Genehmigungsverfahren zwischen 2009 und 2014, http:// www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/uvpsup/uvpoesterreich1/verfahrensmonitoring/gv_ dauer/?L=bkncsejpu (20.10.2015). 30 Vgl Umweltbundesamt (Hrsg), UVP-Evaluation: Evaluation der Umweltverträglichkeitsprüfung in Österreich, http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/REP0036.pdf (20.10.2015) 73. 31 Vgl dazu ausführlich Goby, Rechtsschutz 255 ff. 32 Vgl zul VwGH 22.04.2015, 2012/10/0016.

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– Oder anders gefragt: Ist die unmittelbare Anwendbarkeit von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention zwingende Voraussetzung dafür, um Umweltorganisationen bereits nach derzeitiger österreichischer Rechtslage einen Zugang zu Gerichten zu ermöglichen?

II. Was wir vom „Slowakischen Braunbären“ lernen können „Leading Case“ zur Frage, ob Umweltorganisationen ihre Anfechtungsbefugnis unmittelbar auf Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention stützen können, sollten im nationalen Recht nicht die entsprechenden Klagebefugnisse geregelt sein, ist der Fall „Slowakischer Braunbär“33. Darin musste sich der Europäische Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens eines slowakischen Gerichts mit der Frage auseinandersetzen, ob Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention, nachdem er mit Ratifikation der Aarhus-Konvention durch die EU Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung geworden ist, die unmittelbare Anwendbarkeit oder die unmittelbare Wirkung des Gemeinschaftsrechts im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zuerkannt werden könne. Das Vorabentscheidungsersuchen erging im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Lesoochranárske zoskupenie VLK (kurz: Zoskupenie), einem nach slowakischem Recht gegründeten Verein mit dem Zweck des Umweltschutzes, und dem Umweltministerium der Slowakischen Republik über den – auf die Aarhus-Konvention gestützten – Antrag des Vereins, an Verwaltungsverfahren über die Genehmigung von Ausnahmen von der Schutzregelung für Arten wie Braunbären, über den Zugang zu Naturschutzgebieten und über die Verwendung chemischer Produkte in solchen Gebieten beteiligt zu werden. Gegen die Ablehnung dieses Antrags und erfolgte Zurückweisung des vom Zoskupenie hiergegen eingelegten verwaltungsbehördlichen Rechtsbehelfs, erhob das Zoskupenie Klage, wobei es insbesondere vortrug, dass die Bestimmung des Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention unmittelbare Wirkung hätte.

A. Kernaussagen des Europäischen Gerichtshofs In seinem Vorabentscheidungsurteil traf der Europäische Gerichtshof folgende zwei Grundsatzaussagen:

33

Vgl EuGH C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK.

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1. Keine unmittelbare Anwendbarkeit von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention Zunächst wiederholte der Europäische Gerichtshof in stRspr, dass eine Bestimmung eines von der Union und ihren Mitgliedstaaten mit Drittstaaten geschlossenen Übereinkommens nur dann unmittelbare Wirkung hat, „wenn sie unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und im Hinblick auf den Zweck und die Natur dieses Übereinkommens eine klare und präzise Verpflichtung enthält, deren Erfüllung und deren Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Rechtsakts abhängen.“34 Im Hinblick auf Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention sei im Lichte dieser Rspr festzustellen, „dass die Bestimmungen von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus keine klare und präzise Verpflichtung enthalten, die die rechtliche Situation Einzelner unmittelbar regeln könnte.“ (Rn 45) Der EuGH rekurrierte dabei auf den in Art 9 Abs 3 vorgesehenen mitgliedstaatlichen Ausgestaltungsvorbehalt, der es den Vertragsparteien ermöglicht, den Kreis der nach Art 9 Abs 3 Rechtsschutzlegitimierten insofern einzuschränken, als diese „etwaige [im] innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen.“ Insofern würden damit die Durchführung und die Wirkungen dieser Vorschrift vom Erlass eines weiteren Rechtsaktes abhängen. Daher habe Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention im Unionsrecht keine unmittelbare Wirkung (Rn 52).

2. Gebot einer weiten Auslegung des Verfahrensrechts Allerdings, so der EuGH weiter, würden die Bestimmungen der Aarhus-Konvention, auch wenn sie allgemein formuliert sind, darauf abzielen, die Gewährleistung eines effektiven Umweltschutzes zu ermöglichen (Rn 46). Mangels einer einschlägigen Regelung der Union sei es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, wobei die Mitgliedstaaten für den wirksamen Schutz dieser Rechte in jedem Einzelfall verantwortlich seien.35 Dabei dürften nach gefestigter Rspr die Verfahrensmodalitäten für solche Klagen nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende innerstaatliche Klagen (Grundsatz der Äquivalenz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht prak-

34 35

EuGH C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK, Rn 44 mit Verweis auf EuGH 12.04.2005, C-265/03, Simutenkov, Rn 21 und EuGH 13.12.2007, C-372/06, Asda Stores, Rn 82. Vgl EuGH C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK, Rn 47 mit Verweis auf EuGH 15.04.2008, C-268/06, Impact, Rn 44 u 45.

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tisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität).36 Ohne den effektiven Schutz des Umweltrechts der Union in Frage zu stellen könne nicht in Betracht gezogen werden, Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention so auszulegen, „dass die Ausübung der durch das Unionsrecht gewährleisteten Rechte praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert würde.“ (Rn 49) Vielmehr müsse der nationale Richter sein nationales Recht im Hinblick auf die Gewährung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes in den vom Umweltrecht der Union erfassten Bereichen so auslegen, „dass es so weit wie möglich im Einklang mit den in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus festgelegten Zielen steht.“ (Rn 50) Summa summarum haben damit die nationalen Richter das innerstaatliche Verfahrensrecht in Bezug auf die Voraussetzungen, die für die Einleitung eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Überprüfungsverfahren vorliegen müssen, „so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen, um es einer Umweltschutzorganisation wie dem Zoskupenie zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten.“37

B. Rezeption in der österreichischen Rechtsprechung Das EuGH-Urteil in der Rs Slowakischer Braunbär wurde von den österreichischen Gerichten bzw Verwaltungsbehörden unterschiedlich aufgenommen:

1. Die „gängige“ Lesart a) Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofs Im Aarhus-Fall, den der VwGH zuletzt in seinem Erkenntnis38 zu beurteilen hatte, ging es um einen betroffenen Grundeigentümer, der im naturschutzrechtlichen Verfahren zur Bewilligung eines Wasserkraftwerkes seine Parteistellung auf Art 9 Abs 3 der Aarhus-Konvention zu stützen versuchte und sich dabei mit ergänzendem Schriftsatz zusätzlich auf das Urteil des EuGH im Fall „Slowakischer Braunbär“ berief. Der VwGH zog sich bei Abweisung der Beschwerde als unbegründet im Wesentlichen 36 37 38

Vgl C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK, Rn 48 mit Verweis auf EuGH C-268/06, Impact, Rn 46 und die dort angeführte Rspr. EuGH C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK, Rn 51 mit Verweis auf EuGH 13.03.2007, C-432/05, Unibet, Rn 44 und Impact, Rn 54. VwGH 22.04.2015, 2012/10/0016.

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darauf zurück, dass Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention, sowohl nach der ErläutRV zur Genehmigung der Aarhus-KV durch den Nationalrat,39 als auch nach dem Urteil des EuGH im Fall „Slowakischer Braunbär“, keine unmittelbare Anwendbarkeit im innerstaatlichen Recht bzw auch keine unmittelbare Wirkung aus dem Unionsrecht zukomme. Eine Erörterung zum Gebot einer weiten Auslegung des Verfahrensrechts, dem zweiten nicht unwesentlichen Teil des Braunbär-Urteils, unterblieb vollständig. Auch zuvor hatte der VwGH bereits mit Erkenntnis40 – damals auch bereits mit Verweis auf die Erläuterungen zur Genehmigung des Abschlusses der Aarhus-Konvention durch den Nationalrat, sowie den Bescheid des Umweltsenates41 – darüber abgesprochen, dass mangels unmittelbarer Anwendbarkeit von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention im innerstaatlichen Rechtsbereich keine subjektiven Rechte aus der Aarhus-Konvention abgeleitet werden können. Zur Frage, ob im Einklang sowohl mit den Zielen von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention als auch mit dem Ziel eines effektiven Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte sehr wohl eine Interpretation des nationalen Verfahrensrechts dahingehend möglich ist, dass anerkannten Umweltorganisationen in einem umweltbezogenen Bewilligungsverfahren, das nicht nach der UVP- oder IVU-RL konsolidiert ist bzw ein Umwelthaftungsverfahren betrifft, Parteistellung zukommt, existiert bislang nach wie vor keine nationale höchstgerichtliche Rechtsprechung. Die bisherige Rechtsprechung des VwGH (bzw auch des EuGH) bezieht sich bislang ausschließlich auf die fehlende unmittelbare Anwendbarkeit von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention im innerstaatlichen Recht (bzw die fehlende unmittelbare Wirkung von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention im Unionsrecht), ohne die innerstaatliche Regelung des § 8 AVG iVm dem von der Aarhus-Konvention festgelegten rechtlichen Interesse von anerkannten Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, zu beurteilen. b) Judikaturlinie der Landesverwaltungsgerichte Auch die Landesverwaltungsgerichte berufen sich – unter Verweis auf den oben zitierten Bescheid des US, die Jud des VwGH und die ErlRV – in stRspr auf die fehlende unmittelbare Anwendbarkeit von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention im innerstaatlichen Recht bzw, unter Verweis auf das Braunbär-Urteil des EuGH, auf dessen fehlende unmittelbare Wirkung im Unionsrecht.

39 40 41

Vgl 654 BlgNR XXII. GP 2. VwGH 27.04.2012, 2009/02/0239. US 22.06.2011, US 3C/2011/5-8.

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Zuletzt rezipierte das Landesverwaltungsgericht Steiermark42 betreffend die Beschwerde einer NGO auf Nichtzuerkennung einer Parteistellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren kraft Aarhus-Konvention – über die altbekannten Feststellungen der fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit / unmittelbaren Wirkung hinaus – zwar richtigerweise, dass dem Braunbär-Urteil zufolge die nationalen Gerichte die nationalen Verfahrensbestimmungen so auszulegen haben, dass sie möglichst im Einklang mit den Zielen des Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention stehen. Daraus zog das LVwG auch noch richtig den Schluss, dass die innerstaatlichen Bestimmungen möglichst weit ausgelegt werden müssen, um es einer Umweltorganisation zu ermöglichen, eine Entscheidung die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, vor einem Gericht anzufechten. Allerdings endete der „Innovationsgeist“ der Entscheidung damit auch schon wieder. Die innerstaatlichen Bestimmungen des Wasserrechts würden ganz konkret die Parteistellung für ein derartiges Verfahren regeln und keinerlei Interpretation dahingehend zulassen, dass auch Umweltorganisationen ohne subjektive Betroffenheit in geschützten Rechtspositionen Parteistellung eingeräumt werde.

2. Die „innovative“ Lesart Dem stehen bislang zwei höchst innovative Interpretationen des innerstaatlichen Verfahrensrechts im Lichte der Aarhus-Konvention gegenüber, die im Ergebnis – auch mangels expliziter legistischer Verankerung einer Parteistellung für Mitglieder der Öffentlichkeit – NGOs einen Zugang zu Gerichten zuerkennen: a) Anerkennung der Antragslegitimation einer NGO auf Erlassung von Maßnahmen nach §§ 9a ff IG-L durch den LH v Sbg Die erste Entscheidung, die an dieser Stelle hervorzukehren ist, ist jene des Landeshauptmannes von Salzburg43, worin einer NGO die Antragslegitimation auf Erlassung geeigneter Maßnahmen zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für NO2 im Land Salzburg gem Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention zuerkannt wurde. Die Antragslegitimation gem Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention wurde vom LH v Sbg – gestützt auf das Braunbär-Urteil – wie folgt argumentiert: Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention sei integraler Bestandteil der EU-Rechtsordnung, der so ausgelegt und angewandt werden müsse, dass die nützliche Wirkung des Europäischen Umweltrechts, dh die Einrichtung effektiver Mechanismen zur 42 43

LVwG 10.09.2015, 46.23-1781/2015-5. E des LH vom 14.08.2014, 205-01/1785/10-2014.

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Rechtsdurchsetzung, gewährleistet sei. Diese Verpflichtung sei erst dann als erfüllt anzusehen, wenn die Möglichkeit einer rechtlichen Überprüfung vor einem nationalen Gericht im Fall der Verletzung dieses Rechtes durch die Mitglieder der Öffentlichkeit, worunter nach hM Umweltorganisationen erfasst seien, vorgesehen sei. Daraus resultiere eine grundsätzliche Verpflichtung der MS, in den nationalen Gesetzen zur Luftqualität auch für die Mitglieder der Öffentlichkeit bzw Umweltschutzorganisationen entsprechende Parteienrechte iSd Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention vorzusehen. In Österreich sei zwar keine entsprechende Umsetzung erfolgt, sodass sich eine Umwelt-NGO nicht unmittelbar auf das IG-L oder andere verfahrensrechtliche Vorschriften, wie das AVG, stützen könne. Allerdings habe der EuGH im „Braunbär“-Urteil klar judiziert, dass nach dem Grundsatz der Effektivität die Ausübung der durch die Unionsrechtordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden dürfe. Daraus folge, dass der nationale Richter bzw die Behörde das nationale Recht im Hinblick auf die Gewährung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes in den vom Umweltrecht der Union erfassten Bereichen so auszulegen habe, dass es so weit wie möglich im Einklang mit den in Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention festgelegten Zielen stehe. Mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte sei im „Braunbär“-Urteil erkannt worden, dass es einer Umweltschutzorganisation zu ermöglichen sei, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen sei, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union stehe, vor einem Gericht anzufechten. Über ein konkretes Verwaltungsverfahren hinaus beziehe sich Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention auch ganz allgemein auf den Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren, um die von den Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten. Mit dem konkreten Antrag habe die NGO deutlich gemacht, dass es die vom LH v Sbg festgelegten Maßnahmen zur Sicherstellung der Einhaltung der Luftschadstoff-Grenzwerte für ungenügend halte und stelle damit auf eine vom sachlichen Anwendungsbereich des Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention erfasste Unterlassung ab. Vor diesem Hintergrund sei der NGO somit eine Antragslegitimation bzw Parteistellung zuzuerkennen und sei eine Entscheidung in der Sache zu treffen. b) Anerkennung eines Antragsrechts einer NGO auf Einleitung eines UVP-Feststellungsverfahrens durch das BVwG Das jüngste innovative Aarhus-Urteil betraf jenes des Bundesverwaltungsgerichtes in

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einem Kärntner Fall44 der Nicht-Durchführung einer UVP für ein biomassebefeuertes Heizkraftwerk. Darin erkannte das BVwG für Recht, dass einer anerkannten NGO eine Berechtigung zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht zukomme. Das Bundesverwaltungsgericht begnügte sich dabei nicht bloß mit einer weiten Auslegung des nationalen Verfahrensrechts, sondern argumentierte über einen Analogieschluss ein Antragsrecht einer NGO auf Einleitung eines UVP-Feststellungsverfahrens: Es widerspreche dem Grundsatz der Effektivität, wenn Umweltorganisationen durch eine Rechtsvorschrift Zugang zu Gericht gewährt werde, um die Überprüfung einer Entscheidung zu erreichen, mit der festgestellt wurde, dass für ein Vorhaben keine UVP durchzuführen sei, dieser Zugang zu Gericht aber, weil kein entsprechender Akt vorliegt, der bei Gericht bekämpft werden könnte, ins Leere laufe (sog nudum ius). Dies umso mehr in Fallkonstellationen wie der vorliegenden, in der kein UVP-Feststellungverfahren durchgeführt werde und die nach den Materiengesetzen zuständigen Behörden in Genehmigungsverfahren, in denen Umweltorganisationen keine Parteistellung zukommt, Genehmigungen zur Durchführung eines Projekts erlassen würden, ohne dass dies von einer Umweltorganisation gerichtlich geltend gemacht werden könnte. Das habe der österreichische Gesetzgeber bei Einführung des § 3 Abs 7 offensichtlich nicht bedacht. Es liege demnach eine Lücke des positiven Rechts vor, die durch Analogie zu schließen sei. Eine entsprechende analogiefähige Regelung stehe mit § 3 Abs 7 erster Satz UVP-G 2000 zur Verfügung, wonach die Behörde auf Antrag bestimmter Personen festzustellen habe, ob für ein Vorhaben eine UVP durchzuführen sei und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3 Abs 1 bis 3 UVP-G 2000 durch das Vorhaben verwirklicht werde. Analog zu dieser Regelung sei in jenen Fällen, in denen ein entsprechendes Feststellungverfahren nicht auf Antrag der dort angeführten Personen oder – wie dies der zweite Satz des Abs 7 ermöglicht – von Amts wegen eingeleitet worden sei, auch Umweltorganisationen gemäß § 19 Abs 7 UVP-G 2000 ein Antragsrecht zuzugestehen und damit auch die Möglichkeit, eine Säumnis der Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht geltend zu machen.

C. Schlussfolgerungen Sofern die nationalen Gerichte / Behörden, die über Fragen von Zugangsrechten der Öffentlichkeit zu Umweltverfahren nach Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention zu erkennen hatten, nicht bereits auf Ebene der lt stRspr nicht gegebenen unmittelbaren Anwendbarkeit dieser Konventionsbestimmung die Zugangsberechtigung verneinten, wurden 44

BVwG 11.2.2015, W104 2016940-1/3E.

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in Österreich bis dato zwei Wege beschritten, um eine Antragslegitimation anerkannter Umweltorganisationen zu bejahen: Zum einen eine direkt auf das „Braunbär“-Urteil des EuGH gestützte Zuerkennung eines Rechtsschutzes, zum anderen über die Annahme einer planwidrigen Lücke und eines darauf gestützten Analogieschlusses.45 Das Vorabentscheidungsurteil des EuGH in der Rs C-240/09 („Slowakischer Braunbär“) zeigt auf, dass eine unmittelbare Anwendbarkeit von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention im innerstaatlichen Recht keine zwingende Voraussetzung ist, um dem Anspruch einer anerkannten Umweltorganisation, in einem umweltbezogenen Verfahren Parteistellung (und damit in Folge Rechtsschutzmöglichkeiten in Anspruch nehmen zu können) zu erlangen, zum Durchbruch zu verhelfen. Vielmehr haben die Mitgliedstaaten die nationalen verfahrensrechtlichen Bestimmungen dergestalt auszulegen, dass sie möglichst im Einklang mit den Zielen der Aarhus-Konvention eines weiten, effektiven und angemessenen Gerichtszugangs sowie dem unionsrechtlichen Effektivitätsprinzip stehen. Wäre dies nur dann möglich, wenn die Bezug habende Bestimmung der Richtlinie oder des ratifizierten völkerrechtlichen Vertrags unmittelbar anwendbar ist, so wäre dieser Ausspruch des EuGH überflüssig. Vielmehr brachte der EuGH explizit zum Ausdruck, dass die unionsrechtskonforme Auslegung der nationalen Bestimmungen gerade deshalb geboten ist, weil die Bestimmung nicht unmittelbar anwendbar ist. Zentrale Norm für die Beurteilung der Rechtsposition von Umweltorganisationen im Rahmen umweltbezogener Verfahren ist § 8 AVG. Dieser verfahrensrechtlichen Norm zufolge kommt all jenen natürlichen und juristischen Personen Parteistellung zu, die entweder vermöge eines Rechtsanspruches oder vermöge eines rechtlichen Interesses an der Sache beteiligt sind. Insofern ist gem § 8 AVG zu fragen, ob eine anerkannte Umweltorganisation ein rechtliches Interesse an der Beteiligung an einem umweltbezogenen Genehmigungsverfahren haben kann, um das Interesse an der Einhaltung von Umweltschutzvorschriften im Verfahren geltend zu machen und in Folge allfällige Verstöße dagegen anfechten zu können. Diesbezüglich ist auf die Rspr des VwGH zu verweisen, wonach für den Fall, dass „eine Person ein Interesse an der Erfüllung einer Pflicht, ein Interesse, das für die gesetzliche Festlegung der verpflichtenden Norm maßgebend war (hat), … im demokratischen Rechtsstaat eine Vermutung für ihre Befugnis zur Rechtsverfolgung (streitet).“46

45

46

Den Analogieschluss mangels planwidriger Lücke als rechtlich verfehlt kritisiert Bergthaler, Öffentlichkeitsbeteiligung bei Großprojekten – aktuelle Herausforderungen im Lichte der Aarhus-Konvention, RdU-UT 2015/20, 89 f. VwGH 24.11.2005, 2005/07/0078.

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Zentral für die weitere Auslegung von § 8 AVG ist, dass dabei nicht nur innerstaatliches Recht, sondern auch Unionsrecht heranzuziehen ist.47 Wie der Europäische Gerichtshof in seinem Vorabentscheidungsurteil in der Rs C-240/09 („Slowakischer Braunbär“, Rn 30) judizierte, sind die Vorschriften der Aarhus-Konvention mit Ratifikation der Gemeinschaft durch Beschluss 2005/370 integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung geworden. Damit sind die Bestimmungen der Aarhus-Konvention bei der Auslegung von § 8 AVG heranzuziehen. Die Aarhus-Konvention normiert in Art 9 Abs 2 3. UAbs, dass sich, was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, bestimmt. Weiter heißt es im Hinblick auf Umwelt-NGOs: „Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne des Buchstaben a. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstaben b verletzt werden können.“ Damit normiert die Aarhus-Konvention verbindlich gemäß Art 9 Abs 2 iVm Abs 3 Aarhus-Konvention ein rechtliches Interesse von Umwelt-NGOs an der Geltendmachung der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen, für die die einschlägigen Bestimmungen der Aarhus-Konvention (darunter auch Art 9 Abs 3) gelten. Die für Nichtregierungsorganisationen in Art 2 Z 5 Aarhus-Konvention genannten Voraussetzungen sind der Einsatz für den Umweltschutz und die Erfüllung aller nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen. Solche Nichtregierungsorganisationen sind per definitionem nach Art 2 Z 5 Aarhus-Konvention Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit und als solche Teilmenge der allgemeinen Öffentlichkeit iSv Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention. Der in Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention normierte mitgliedstaatliche Ausgestaltungsvorbehalt, dass nur jene Mitglieder der Öffentlichkeit Zugang zu Gerichten haben müssen, „sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte ­Kriterien erfüllen“, kann sich demnach nicht mehr auf eine autonome Definition der Regelung eines rechtlichen Interesses für Umwelt-NGOs durch die jeweilige Vertragspartei selbst beziehen – dieses ist ja nach der Konvention ex lege anzunehmen –48 sondern nur darauf, unter welchen Voraussetzungen Umwelt-NGOs nach 47 Vgl Hengstschläger/Leeb, AVG-Kommentar § 8 Rz 8. 48 Vgl dazu auch die Schlussanträge der GA Sharpston v 02.07.2009, C-263/08, Djurgården, Rn 43; Schlussanträge der GA Sharpston v 16.12.2010, C-115/09, Trianel, Rn 50, worin sie unter Bezug auf Art 9 Abs 2 Aarhus-Konvention erörtert, dass die nach innerstaatlichem Recht anerkannten Umwelt-NGOs gleichsam „automatisch“ ein Recht auf Zugang zu den Gerichten haben.

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innerstaatlichem Recht anerkannt werden. In Österreich sind diese innerstaatlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung als Umweltorganisation in § 19 Abs 6 und Abs 7 UVP-G 2000 geregelt. Die übrigen umweltbezogenen Materiengesetze, in denen eine Parteistellung für Umweltorganisationen verankert ist, nehmen durchgängig auf die in § 19 Abs 7 UVP-G 2000 getroffene Regelung Bezug, sodass nicht von einer Regelung speziell für den Anwendungsbereich des UVP-G gesprochen werden kann.49 Summa summarum kann somit folgendes festgehalten werden: Eine unmittelbare Anwendbarkeit der völkerrechtlichen Bestimmung des Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention ist nicht zwingend nötig, um einer Beteiligung für anerkannte Umweltorganisationen in umweltbezogenen Verfahren zum Durchbruch zu verhelfen. Vielmehr ist vom nationalen Gericht / der Verwaltungsbehörde zu prüfen, ob das nationale umweltbezogene Materiengesetz iVm dem nationalen Verfahrensrecht bei unionsrechtskonformer Auslegung zur Einräumung von Parteistellung (bzw zumindest eines nachträglichen Überprüfungsrechtes) führt. Gemäß Art 9 Abs 2 Aarhus-Konvention wird das rechtliche Interesse von Nichtregierungsorganisationen, die die Voraussetzungen gem Art 2 Z 5 Aarhus-Konvention erfüllen, im Rahmen umweltbezogener Verfahren, eingeschlossen jener im sachlichen Anwendungsbereich des Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention, verbindlich festgelegt und hat damit Relevanz für die Auslegung des innerstaatlichen Verfahrensrechts. Daraus ergibt sich, dass § 8 AVG hinsichtlich des Verfahrenszugangs von anerkannten Umweltorganisationen im Einklang mit Art 9 Abs 2 und 3 Aarhus-Konvention auszulegen ist. Dem stotternden Rechtsschutzmotor „Aarhus-Konvention“ könnte somit über eine entsprechend weite Auslegung der nationalen verfahrensrechtlichen Bestimmungen entsprechend leicht wieder auf die Sprünge geholfen werden … .

49

Vgl § 42 Abs 1 Z 13 AWG 2002; § 11 Abs 1 B-UHG.

Rechtsbehelfe zur Umsetzung der 3. Säule der Aarhus-Konvention – legistische Reformpläne Waltraud Petek

I. Die Aarhus-Konvention und ihr Kontext A. Kontext und Ziele der Aarhus-Konvention Bei der vierten pan-europäischen Umweltministerkonferenz „Umwelt für Europa“ 1998 im dänischen Aarhus wurde das im Rahmen der UN-Wirtschaftskommission für Europa (UN/ECE) ausgearbeitete Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten abgeschlossen. Das Übereinkommen hat zum Ziel, den Zugang zu Umweltinformationen, die Beteiligung der Öffentlichkeit an umweltrelevanten Verfahren und die Rechtsdurchsetzung in Umweltangelegenheiten zu stärken und damit einen Beitrag zum Schutz der Umwelt und zur Verbesserung der Umweltqualität zu leisten. Die Erarbeitung der Konvention erfolgte im Kontext der Öffnung des Ostens Europas nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme und hatte zum Ziel, die neuen Demokratien, insbesondere die Zivilgesellschaft, zu stärken und einzelnen Bürgern und Nicht‑Regierungsorganisationen eine wichtige Rolle zur Durchsetzung des Umweltschutzes zu geben. Die Europäische Union hat bei der Ausarbeitung der Konvention eine wichtige Rolle gespielt und ihren damaligen Rechtsbestand in diesem Bereich, insbesondere die Regelungen zum Zugang zu Umweltinformationen und zur Beteiligung an umweltrelevanten Verfahren im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung und der integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IPPC) eingebracht. Von Österreich wurde die Aarhus-Konvention am 25. Juni 1998 unterzeichnet, der Nationalratsbeschluss zur Ratifizierung der Aarhus-Konvention erfolgte am 9. November 2004, die Ratifikation im Jänner 2005 und die Publikation im Bundesgesetzblatt am 10. Juni 20051. 1

RV 654 BlgNR 22. GP, BGBl III 2005/88.

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B. Inhalt der Aarhus-Konvention und Umsetzung in der EU und Österreich 1. Zugang zur Umweltinformation – 1. Säule Art 4 der Aarhus-Konvention garantiert der Öffentlichkeit – ohne Nachweis eines Interesses – auf Antrag Zugang zu Informationen über die Umwelt und enthält Bestimmungen über den Antrag und Erledigungsfristen, Ablehnungsgründe und Gebühren. In Art 9 Abs 1 wird ein Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren bei Ablehnung des Antrags garantiert. Im Rahmen der EU sind diese Vorgaben in der EU-Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG2 entsprechend umgesetzt. In Österreich erfolgte die Umsetzung im Bereich des Bundes im Umweltinformationsgesetz, BGBl 495/1993 idgF, und im Rahmen der Länder in entsprechenden Umweltinformations- oder Auskunftsgesetzen.

2. Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungen in umweltrelevanten Verfahren – 2. Säule Bei Entscheidungen über die Zulassung von in Anhang 1 des Aarhus-Übereinkommens angeführten Tätigkeiten ist die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig und effektiv über die geplante Tätigkeit und mögliche Entscheidungen zu informieren und ihr Gelegenheit zur Information und zur Beteiligung (durch Stellungnahmen, öffentliche Anhörung, etc) zu geben. Die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung werden in der Entscheidung angemessen berücksichtigt. Gemäß Art 9 Abs 2 der Konvention ist Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit, die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ eine Rechtsverletzung geltend machen, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht zu gewähren, um die materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen anzufechten. Die Umsetzung dieser sogenannten 2. Säule der Aarhus-Konvention erfolgt im Rahmen der EU in der Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie 2003/35/EG, die entsprechende Bestimmungen in die UVP‑Richtlinie und die sogenannte IPPC-RL, nunmehr Industrieemissions-Richtlinie, eingefügt hat3. In Österreich erfolgten die entsprechenden Umsetzungen im UVP-G 2000 und in den von der IPPC/ IE-Richtlinie betroffenen Materiengesetzen des Bundes (AWG 2002, GewO 1994, EG-K, MinroG) und der Länder. 2 3

RL 2003/04/EG, ABl L 2003/41, 26. RL 2003/35/EG, ABl L 2003/156, 17.

Rechtsbehelfe zur Umsetzung der 3. Säule der Aarhus-Konvention

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3. Zugang zu Gerichten – 3. Säule Neben den bereits erwähnten Rechtsschutzbestimmungen zur Umweltinformation und zur Beteiligung in umweltrelevanten Genehmigungsverfahren enthält Art 9 Abs 3 eine weitere Verpflichtung, Mitgliedern der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren zu ermöglichen, um die von Privatpersonen oder Behörden vorgenommenen Handlungen oder begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts verstoßen. Von der Europäischen Kommission wurde 2003 mit dem Vorschlag KOM(2003)624 ein Vorstoß für eine EU-rechtliche Umsetzung auch dieser sog 3. Säule unternommen, der jedoch auf weitgehende Ablehnung der Mitgliedstaaten stieß, die dabei insbesondere das Subsidiaritätsprinzip in Bezug auf innerstaatliches Verwaltungsverfahrensrecht und Rechtsmittelregelungen ins Treffen führten. Dieser Kommissionsvorschlag wurde Anfang 2014 formal zurückgezogen. Es gab danach zwar Überlegungen innerhalb der Kommission für einen neuen Vorstoß zur 3. Säule, in den Fachabteilungen der EK arbeitete man an einem neuen Entwurf, die seit Ende 2014 neu amtierende Junckers-Kommission hat jedoch 2015 keine neuen Vorschläge vorgelegt und für 2016 lediglich Ankündigungen zu einem Paket zur verbesserten Umsetzung von EU-Umweltrecht gemacht, das möglicherweise auch Ausführungen zur 3. Säule der Aarhus-Konvention enthalten wird. Dabei wird eher mit einer Empfehlung gerechnet und nicht mit einem Rechtsinstrument. Die Regierungsvorlage zur Ratifizierung der Aarhus-Konvention hat zu Art 9 Abs 3 festgehalten, dass die konkrete Ausgestaltung und Interpretation dieser sehr vage gehaltenen Bestimmung den einzelnen Staaten überlassen bleibe. Die vage Formulierung stehe im Zusammenhang mit der Verhandlungsgeschichte, wo es zahlreichen Staaten ein Anliegen war, ihre äußerst unterschiedlichen Rechtstraditionen beizubehalten. Die Bestimmung sei wohl unterschiedlichen Auslegungen zugänglich, für Österreich sei kein zwingender unmittelbarer Handlungsbedarf gegeben und könnten primär auf den Schutz subjektiver Rechte beruhende Mechanismen und andere Beschwerdeinstrumente herangezogen werden4. Verständnis bei der Ratifikation 2005 war daher, dass das bestehende Gesamtsystem zum Rechtsschutz, also die Möglichkeiten der Parteien nach den Materiengesetzen, die Beschwerdebefugnisse von Umweltanwalt und anderen Legalparteien, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften ausreichend sicherten. 4

ErläutRV 654 BlgNR 22. GP 7.

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II. Entwicklung und Vorarbeiten zur Umsetzung der 3. Säule A. Studie, Beschwerden und Vertragsverletzungsverfahren 1. Vorarbeiten, Information und Studie Wurde ursprünglich dem Art 9 Abs 3 wenig Bedeutung zuerkannt, so änderte sich im Lauf der Jahre der Fokus und er erhielt im Zuge der Diskussion um den EK-Vorschlag von 2003 sowie der Diskussion um Verbesserung des Rechtsschutzes zunehmend Bedeutung. Vom Umweltministerium wurde daher in zahlreichen Besprechungen mit betroffenen Ministerien, mit dem BKA-Verfassungsdienst, Sozialpartnern und sonstigen Stakeholdern versucht, den Umsetzungsbedarf und die Umsetzungsmöglichkeiten zu Art 9 Abs 3 weiter auszuloten. Anfragen an den Verfassungsdienst des Bundes hinsichtlich allgemeiner Möglichkeiten für die Einführung von Umweltrechtsbehelfen auf Basis der Bürgerbeteiligungskompetenz oder der Bundeskompetenz zur Regelung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrens nach Art 11 B-VG führten jeweils zu ablehnenden Stellungnahmen. Im Jahr 2008 wurde daher Univ.-Prof. Dr. Eva Schulev-Steindl (damals Universität für Bodenkultur Wien) mit einer Studie zum Thema „Rechtliche Optionen zur Verbesserung des Zugangs zum Recht (Access to Justice) in Umweltangelegenheiten in Österreich gemäß der Aarhus-Konvention (Art 9 Abs 3)“ beauftragt. Ziel der Studie war es, auf Basis einer Analyse des bestehenden Umweltrechts und im Rahmen des verfassungsrechtlich zulässigen Rahmens, rechtliche Optionen für eine Erweiterung/Verbesserung des Zugangs zu Gerichten in Umweltangelegenheiten in Österreich darzustellen und den Umsetzungsspielraum abzustecken. Die 2009 vorgestellte und publizierte Studie befasste sich sowohl mit dem „wer“ (Kläger) gegen Rechtsverstöße tätig werden soll (Umweltverbände, Bürgerinitiativen, Umweltanwaltschaften als erste Anlaufstellen), als auch mit dem „wogegen“ (Umweltrechtsverstöße) also mit der Konkretisierung von Handlungen und Unterlassungen, wie auch mit dem „wie“ (Rechtsbehelfe) und stellte einige Umsetzungsoptionen dar5. Die Bemühungen des Umweltministeriums, auf Basis der Studie die Diskussionen zur Umsetzung der 3. Säule voranzutreiben, stießen auf wenig Resonanz.

5

http://www.wiso.boku.ac.at/fileadmin/_/H73/H736/Schulev-Steindl/Endb-AarhusKV_Adobe. pdf.

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2. Beschwerden beim ACCC Zur Einhaltung der Bestimmungen der Aarhus-Konvention ist ein eigener Einhaltungsmechanismus vorgesehen, das Aarhus Convention Compliance Committee, abgekürzt ACCC. Dieses wurde 2003 eingerichtet und umfasst sieben Mitglieder, ehrenamtlich tätige Jurist/innen, die von Mitgliedstaaten und NGOs nominiert werden. Besonderheit der Aarhus-Konvention im Vergleich zu anderen Konventionen ist dabei, dass sich neben Staaten auch NGOs mit Beschwerden an das ACCC wenden können, wodurch das ACCC mit vielen Beschwerdefällen befasst wird. Seit 2010 wurden auch gegen Österreich Fälle vorgebracht (Fall 48, ACCC/C/2010/48 und Fall 63, ACCC/C/2011/63). Insbesondere wird im Fall 48 beanstandet, dass NGOs – mit Ausnahme des UVP-, IPPC- und Umwelthaftungsverfahren – keine ausreichenden Rechtsmittelmöglichkeiten in umweltrelevanten Verfahren haben, um Entscheidungen der Behörden anfechten zu können. In Feststellungen und Empfehlungen des ACCC, die Anfang Juli 2014 auch vom Treffen der Vertragsparteien (MOP) bestätigt wurden, wird Österreich daher aufgefordert, solche Rechtsmittelmöglichkeiten in den einzelnen umweltrelevanten Materienverfahren vorzusehen. Österreich ist verpflichtet, dem ACCC jährlich über Fortschritte in diesem Bereich zu berichten6. In den Berichten Österreichs wird über die laufenden Arbeiten in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe (s B.2), die zu Fragen der Aarhus-Konvention laufenden Gerichts- und Beschwerdeverfahren sowie über die Fortschritte bei der Verbesserung des Rechtsschutzes im Bereich der Umweltinformation durch Entfall der Notwendigkeit eines eigenen Antrags auf Bescheiderlassung bei der Nichterteilung von Umweltinformationen und die Verkürzung der Entscheidungsfrist auf max zwei Monate durch eine Novellierung des Umweltinformationsgesetzes7 berichtet.

3. EU-Pilotverfahren und Vertragsverletzungsverfahren Neben dem bereits erwähnten Vorschlag der EK für eine Richtlinie zur Umsetzung der 3. Säule der Aarhus-Konvention (Zugang zu Gerichten) wurden und werden Fragen der Umsetzung der 3. Säule der Aarhus-Konvention in vermehrtem Maße auch im Rahmen der Judikatur des EuGH und von Vertragsverletzungsverfahren

6

7

Feststellungen des ACCC sowie erster und zweiter Bericht Österreichs an ACCC: http://www. unece.org/environmental-policy/treaties/public-participation/aarhus-convention/envpptfwg/ envppcc/envppccimplementation/fifth-meeting-of-the-parties-2014/austria-decision-v9b.html. UIG-Novelle, BGBl I 2015/95.

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aufgeworfen. So hat der EuGH in der Rechtssache C-240/09 (Slowakischer Braunbär) bestätigt, dass Art 9 Abs 3 des Übereinkommens von Aarhus integraler Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union ist. Er sei zwar nicht direkt anwendbar, die Mitgliedstaaten müssten ihn aber im Rahmen ihrer Verwaltungsverfahren soweit als möglich anwenden. Bereits in einem sogenannten EU-Pilotverfahren zur 3. Säule 2013 wurde von der EK die Frage der Umsetzung im Bereich des Naturschutzes sowie im Wasserrecht – am Beispiel der „Schwarzen Sulm“ – angefragt. Auf Grund einer (NGO-) Beschwerde hat die EK im Weiteren ein Mahnschreiben (vom 10. Juli 2014) an Österreich wegen nicht ausreichender Umsetzung der 3. Säule der Aarhus-Konvention (Art 9 Abs 3) gerichtet und damit ein Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 2014/4111) eingeleitet. Aus Sicht der EK gibt es einen Anpassungsbedarf in den Bereichen Naturschutz, Wasser, Luft und Abfall. Im Bereich des Naturschutzes kritisiert die EK, dass gegen Projekte mit erheblichen Auswirkungen auf ein Natura-2000-Gebiet kein Zugang zu Gericht besteht, im Bereich der Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/ EG keine Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung eines Projekts, das etwa im Widerspruch zum Verschlechterungsverbot nach Art 4 der Wasserrahmenrichtlinie steht, im Bereich der Luftpolitik, dass keine Klagemöglichkeit besteht, wenn eine Behörde das Erstellen eines Luftqualitätsplans nach der RL 2008/50/EG unterlassen hat und im Bereich der Abfall-Richtlinie 2008/98/EG für Nicht-Regierungsorganisationen keine Möglichkeit zur Überprüfung der Genehmigung von Abfallbehandlungsanlagen unterhalb der IPPC-Schwelle besteht. Die EK erkennt zwar den von Österreich relevierten Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der 3. Säule an, kritisiert aber, dass die von Österreich gewählte „Null-Lösung“ nicht als rechtskonform anzusehen sei. In der Stellungnahme der Republik Österreich vom November 2014 wird auf die geteilte Zuständigkeit von EU und Mitgliedstaaten bezüglich der Aarhus-Konvention hingewiesen und die unionsrechtliche Verpflichtung zur Umsetzung von Art 9 Abs 3 der Aarhus-Konvention bestritten, da dazu noch keine EU-rechtlichen Ausführungsvorschriften ergangen sind. Hinsichtlich seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen weist Österreich auf den auch vom EuGH und vom ACCC anerkannten weiten Spielraum bei der Umsetzung von Art 9 Abs 3 und auf die laufenden Arbeiten zur Verbesserung der Regelungen in diesem Bereich.

4. Anträge von Umweltorganisationen und Einzelner bei Behörden und Verwaltungsgerichten zur Aarhus-Konvention In den letzten Jahren wurden weiters auch bei österreichischen Behörden, Gerichten

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und Verwaltungsgerichten vermehrt Anträge und Beschwerden von Umwelt-NGOs und Einzelnen unter Berufung auf die Aarhus-Konvention eingebracht. Dies betrifft sowohl Fälle im Bereich der Einhaltung von Luftqualitäts-Bestimmungen aus dem EU-Recht (Fall Hoffmann in der Steiermark und Anträge und Beschwerden des Ökobüros in Salzburg)8 als auch Fragen einer Beteiligung von Bürgerinitiativen bei Straßenvorhaben9 sowie eine Säumnisbeschwerde einer Umweltorganisation gegen die Nicht‑Entscheidung über einen Feststellungsantrag zur UVP-Pflicht10. Durch diese Entwicklungen der letzten Jahre hat sich der Druck verstärkt, legistische Lösungen zu einer besseren Beteiligung der Öffentlichkeit bei umweltrelevanten Verfahren zu finden.

B. Entwicklungen 2014/2015 zur weiteren Umsetzung der Aarhus-Konvention 1. Expertenhearing im Umweltausschuss des Nationalrates Bei der Sitzung des Umweltausschusses des Nationalrates am 26. Juni 2014 fand ein Expert/innen‑Hearing zu Fragen der Umsetzung der Aarhus-Konvention statt, zu dem als Auskunftspersonen Mag. Lieselotte Feldmann (Aarhus-Focal Point im BMLFUW), Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Bergthaler (Haslinger/Nagele & Partner RA GmbH) und Mag. Thomas Alge vom Ökobüro sowie Univ.-Prof. Dr. Verena Madner geladen waren. Prof. Madner war verhindert, ihre schriftliche Kurzstellungnahme wurde verlesen11. Von den Expert/innen und in der Diskussion mit den Abgeordneten wurden dabei die unterschiedlichen Situationen beleuchtet und verschiedene Aspekte des Umsetzungsbedarfs dargestellt. Umweltminister Andrä Rupprechter betonte, dass er sich dafür einsetzen wird, dass in seinem Zuständigkeitsbereich die entsprechenden Anpassungen, wo dies erforderlich ist, zügig angegangen werden, er wies aber auch auf den Umsetzungsbedarf im Bereich der Länder hin. 8 9

10 11

S dazu den Beitrag „Ausgewählte Fälle zum Recht auf saubere Luft“ von Marlies Meyer in diesem Band. Stadttunnel Feldkirch, Anerkennung der Parteistellung einer inländischen und einer ausländischen Bürgerinitiative im Rahmen eines vereinfachten UVP-Straßenverfahrens durch Bescheid der Vorarlberger Landesregierung, dagegen erhobenen Beschwerden wurde vom BVwG stattgegeben (W193 2012935-1/10 E; W193 2012936-1/11 E). BVwG zu Biomassekraftwerk in Klagenfurt, W104 2016940-1/3 E . Zum Expert/innen-Hearing im Rahmen des Umweltausschusses am 26. Juni 2014 gibt es eine Zusammenfassung des Parlaments, 2/AD 25. GP – Auszugsweise Darstellung d Ausschussverhandlung gemäß § 36 Abs 2 GOG-NR, http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AD/ AD_00002/fname_356253.pdf.

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2. LURK-Beschluss und Bund-Länder-Arbeitsgruppe Auch die Landesumweltreferent/innen-Konferenz (LURK) hat sich bei ihrer Tagung am 6. Juni 2014 mit der Frage der Umsetzung des Art 9 Abs 3 der Aarhus-Konvention und den Feststellungen des ACCC befasst und auf Grund der Betroffenheit sowohl der Bundesländer als auch des Bundes bei den in Frage kommenden Materien die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe beschlossen, um gemeinsam Lösungsmodelle zu entwickeln12. Bis zur nächsten Tagung der Landesumweltreferent/innen am 29. Mai 2015 war die Arbeitsgruppe drei Mal zusammengekommen und zusätzlich wurde ein ganztägiger Workshop zur Erarbeitung möglicher legistischer Modelle abgehalten. Es wurden zunächst einmal die vom Vertragsverletzungsverfahren betroffenen Bereiche in eine Prüfung gezogen, relevante Fragestellungen herausgearbeitet und dazu Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Zu aufgetauchten verfassungsrechtlichen Fragen wurde das BKA‑Verfassungsdienst beigezogen bzw um Stellungnahme ersucht. Die Ergebnisse wurden zusammengefasst und den Landesumweltreferent/innen bei der Konferenz am 29. Mai 2015 berichtet. Die Landesumweltreferent/innen-Konferenz nahm die bisherigen Arbeiten der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Aarhus-Konvention zur Kenntnis und ersuchte um Weiterführung dieser Arbeiten, eine rasche Umsetzung soll angestrebt werden13.

3. Länder-Arbeitsgruppe zur Aarhus-Konvention Mit Beschluss der Landesamtsdirektoren-Konferenz vom 17. April 2015 wurde auch eine länderinterne Arbeitsgruppe zur Abstimmung horizontaler rechtlicher und legistischer Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung von Art 9 Abs 3 der Aarhus-Konvention eingesetzt. Diese Arbeitsgruppe befasst sich insbesondere mit Umsetzungsfragen im Bereich des Naturschutzes, Jagd- und Fischereirechts. Ziel ist die Erarbeitung abgestimmter Lösungsmöglichkeiten für landesrechtliche Umsetzungen, wobei eine enge Abstimmung auch mit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe erfolgt. Die Länder-Arbeitsgruppe hat über ihre Ergebnisse bei der Landesamtsdirektoren-Konferenz am 16. Oktober 2015 berichtet. Der Bericht wurde zur Kenntnis genommen und die Arbeitsgruppe gleichzeitig beauftragt, ihre Beratungen weiterzuführen und ehestens darüber zu berichten14.

12 13 14

LURK-Beschluss VSt-2978/155 v 10. Juni 2014. VSt-2976/70 v 2. Juni 2015. VSt-2976/180 v 19. Oktober 2015.

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III. Stand der Reformüberlegungen A. Regelungsoptionen und Grundsatzfragen 1. Umsetzungsmodelle – wo regeln? Im Rahmen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe wurden nochmals die grundsätzlichen Modelle für eine Umsetzung des Art 9 Abs 3 der Aarhus-Konvention ausgelotet: a) Ein eigenes Materien übergreifendes Umweltrechtsbehelfsgesetz, in dem für Bund und Länder (wenn entsprechende Verfassungsbestimmung möglich) oder zumindest für den Bundesbereich (als Modell auch für die Länder) Umsetzungsregelungen zu Art 9 Abs 3 einheitlich getroffen werden können. Die Umsetzung und Durchsetzung eines solchen Umweltrechtsbehelfsgesetz erscheint aber langwierig und schwierig, vor allem auch politisch schwer zu realisieren („Warten auf den großen Wurf“). b) Schaffung eines allgemeinen Rechtsbehelfs im AVG, an den die Materiengesetze „andocken“ können, ähnlich der Großverfahrensbestimmungen im AVG. Dazu wurde der für das AVG zuständige Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes miteinbezogen, der aber keine Möglichkeit dafür sieht, da im AVG nur generelle Verfahrensregelungen mit verfahrensrechtlichen Anknüpfungspunkten (wie zB beim Großverfahren mit einer Zahl von Beteiligten) getroffen werden können, aber nicht „Materien bezogene“ Regelungen, wie etwa eine Umweltbeschwerde. c) Umsetzung in den betroffenen Materiengesetzen in möglichst abgestimmter Weise, ist zwar aufwändig, aber wahrscheinlich ein gangbarer Weg, um schrittweise weg von der „Nulllösung“ zu kommen. Da Art 9 Abs 3 der Aarhus-Konvention – auch vom ACCC und EuGH anerkannt – einen großen Umsetzungsspielraum hat, scheint dies ein verfolgbarer Weg, bei dem man in den vom EU-Vertragsverletzungsverfahren relevierten Materien (Abfall, Wasser, Luft, Naturschutz) beginnen könnte.

2. Grundfragen der Umsetzung Im Zuge der Diskussion in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe haben sich generelle Grundfragen herauskristallisiert, die sich in allen relevanten Umsetzungsbereichen (Genehmigungsverfahren, Unterlassungen, Pläne und Programme) stellen: a) Welche Bereiche in den Materien sollen erfasst werden – Relevanzschwellen? Der Umsetzungsspielraum des Art 9 Abs 3 der Aarhus-Konvention sollte genutzt

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werden, um die wirklich umweltrelevanten Bereiche anzugehen, insbesondere die des Vertragsverletzungsverfahrens. b) Wer soll Gerichtszugang erhalten? Auf Grund der privilegierten Stellung von Umweltorganisationen in der Aarhus-Konvention kann relativ einfach auf die nach dem UVP-G zugelassenen Umweltorganisationen15 abgestellt werden. Bei betroffenen Einzelnen kann eine Abgrenzung über die Betroffenheit von Auswirkungen im jeweiligen Bereich des Materiengesetzes erfolgen. c) Welche Rechte können geltend gemacht werden? Bei Umweltorganisationen die Einhaltung bestimmter objektiver Umweltschutzvorschriften je nach betroffenem Materienbereich, bei Einzelnen subjektive Betroffenheit. d) Wie erfolgt die Information und Beteiligung? Art 9 Abs 3 der Aarhus-Konvention spricht nur vom Zugang zu Gericht, lässt aber offen, ob und wie bei Entscheidungen (Genehmigungen, Pläne und Programme) eine vorherige Einbindung erfolgt, etwa durch Information über das Verfahren, Einbindung durch Stellungnahmemöglichkeiten. Zu regeln ist daher jedenfalls, wie die Information über Verfahren bzw Handlungen und über Entscheidungen erfolgt. e) Welche Rechtsmittel? Durch die seit 2014 bestehenden Verwaltungsgerichte, die zur Kontrolle der Verwaltung berufen sind, gibt es die generelle Möglichkeit der Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht als einheitliches Rechtsschutzmodell.

B. Umsetzungsbereiche 1. Umweltrechtsbezogene Genehmigungsverfahren Bei umweltbezogenen Genehmigungsverfahren sollte der Materiengesetzgeber in den jeweiligen Umweltmaterien, insbesondere den im Vertragsverletzungsverfahren genannten, eine Überprüfungsbefugnis vorsehen. Relevanzschwellen sollten eingezogen werden, etwa eine Eingrenzung auf die EU-rechtlich determinierten Umweltbereiche. Jedenfalls könnten nach dem UVP‑G anerkannte Umweltorganisationen im Rahmen ihres Zulassungsbereichs überprüfungsbefugt sein und die Einhaltung objektiver Umweltschutzvorschriften geltend machen können. Die Einbeziehung 15

Nach § 19 Abs 7 UVP-G 2000 werden vom BMLFUW im Einvernehmen mit dem BMWFW nach den in Abs 6 genannten Kriterien (Verein oder Stiftung, Bestand seit mindestens drei Jahren, Hauptzweck Umweltschutz, Gemeinnützigkeit, Tätigkeitsnachweis) Umweltorganisationen mit Bescheid anerkannt; die Liste der anerkannten Umweltorganisationen wird vom BMLFUW im Internet veröffentlicht https://www.bmlfuw.gv.at/umwelt/betriebl_umweltschutz_uvp/uvp/anerkennung_uo.html.

Rechtsbehelfe zur Umsetzung der 3. Säule der Aarhus-Konvention

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könnte entweder durch Einräumung einer Parteistellung im Verfahren oder ein nachträgliches Überprüfungsrecht gewährt werden, wobei beide Modelle Vor- und Nachteile haben und auch unterschiedlich angewandt und eingesetzt werden können. Die Parteistellung hat sicherlich durch die frühzeitige Einbindung und die Möglichkeit der Behandlung von Einwendungen im Zuge des Verfahrens und damit auch der Vorhersehbarkeit Vorteile, führt aber zu mehr Komplexität und Aufwand im Verfahren. Eine Beschwerde im Nachhinein im Sinn eines Überprüfungsantrags nach dem Modell bei den UVP-Feststellungsbescheiden nach § 3 Abs 7a UVP-G 2000 lässt das Verfahren zwar unberührt, kann jedoch zu Ermittlungsaufwand und damit Verzögerungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren führen, hat sich aber bei den UVP-Feststellungsbescheiden als durchaus handhabbar erwiesen.

2. Unterlassungen Unterlassungen von Tätigkeiten von Behörden (zB Entscheidungen, Kontrollen) sind sicherlich der schwieriger zu regelnde Bereich, da ein Instrument zur Aufforderung des Tätigwerdens von Behörden im AVG nicht besteht. Als mögliches Regelungsmodell könnte die Umweltbeschwerde nach dem Bundes-Umwelthaftungsgesetz16 herangezogen werden. § 11 B-UHG sieht bei Umweltschäden für natürliche und juristische Personen, die durch Umweltschäden in ihren Rechten verletzt werden können sowie für die nach § 19 Abs 7 UVP-G 2000 zugelassenen Umweltorganisationen eine Aufforderung an die Behörde zum Tätigwerden vor, legt bestimmte Rechte fest (Schutz von Leben und Gesundheit, Wasserrecht, Eigentum) und sieht, wenn die Behörde der Auffassung ist, dass die Beschwerdeberechtigung nicht gegeben ist, die Erlassung eines Bescheides vor, um Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht zu ermöglichen.

3. Pläne und Programme

Im EU-Umweltrecht ist in vielen Bereichen die Erlassung von Plänen oder Programmen für Umweltmaßnahmen vorgesehen. Im Rechtsquellenkatalog der Bundesverfassung kommen diese als Rechtsinstrumente aber nicht vor, außer sie werden als Verordnungen erlassen. Dementsprechend sind auch keine Rechtsschutzmechanismen für solche Pläne und Programme vorgesehen. Im Zuge der Diskussionen in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe kam die Frage auf, ob nicht Art 130 Abs 2 16

B-UHG, BGBl I 2009/55.

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Z 1 B-VG für Regelungen herangezogen werden könnte, da dieser es dem Bundes- oder Landesgesetzgeber ermöglicht, Beschwerden an die Verwaltungsgerichte „wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze“ vorzusehen. Der Text und die sehr allgemein gehaltenen Ausführungen dazu in der Regierungsvorlage17 ließen eine solche Auslegung zu. Es wurde dazu daher der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes befasst, der in seiner Stellungnahme18 zum Ergebnis kam, dass Art 130 Abs 2 Z 1 B-VG keine geeignete Basis für Regelungen in den Materiengesetzen für eine Beschwerde bezüglich Nichterlassung gesetzlich vorgesehener Pläne und Programme wie auch der Überprüfung der Gesetzmäßigkeit erlassener Programme darstelle. Er sieht in dieser Bestimmung nur die Möglichkeit für Regelungen bezüglich individueller nicht-typengebundener Verwaltungshandlungen, findet aber keinen Hinweis, dass auch generelle Akte erfasst sein sollen. Hinsichtlich Plänen und Programmen, die zur Gänze oder teilweise als Verordnungen erlassen werden, weist der Verfassungsdienst weiters auf das Prüfmonopol des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art 139 Abs 1 B-VG, eine meritorische Überprüfung der Verwaltungsgerichte bei Beschwerden gegen Pläne und Programme erscheine daher systemwidrig. In weiteren Gesprächen mit dem BKA-Verfassungsdienst wurde darauf hingewiesen, dass für den Fall der Nichterlassung/Säumigkeit durch Behörden bei der Erlassung von Plänen und Programmen der Materiengesetzgeber eine Beschwerdemöglichkeit (nach dem Modell der Umweltbeschwerde gemäß § 11 B-UHG) einräumen könnte, ebenso hinsichtlich der Überprüfung nicht-normativer Teile von Plänen und Programmen, die Behörde könnte über Anträge mittels Feststellungsbescheid entscheiden, der dann bei den Verwaltungsgerichten angefochten werden könnte.

IV. Stand und Ausblick In den letzten Jahren ist in der Frage eines erweiterten Zuganges zum Rechtsschutz im Umweltbereich einiges weitergegangen, wenn auch nicht rasch und erfolgreich genug. Die Entwicklungen haben zu vertieften Diskussionen und erhöhtem Handlungsdruck geführt. Wie das Beispiel der UIG-Novelle 2015 zeigt, werden Schritte zur Verbesserung des Rechtsschutzes im Hinblick auf die Feststellungen des ACCC gesetzt und weitere müssen folgen. Die konstruktiven Arbeiten in den Arbeitsgrup17 18

ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 13. GZ BKA-670.930/0009-58/2015.

Rechtsbehelfe zur Umsetzung der 3. Säule der Aarhus-Konvention

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pen sowie Diskussionen mit den Stakeholdern müssen weitergeführt werden, um möglichst bald auch über konkrete legistische Vorschläge diskutieren zu können. Ein schrittweises Vorgehen durch den Ausbau von Rechtsschutzmöglichkeiten für die Öffentlichkeit in den vom EU-Vertragsverletzungsverfahren betroffenen Bereichen erscheint mir dabei eine realistische Vorgangsweise.

Sicht des Grazer Umweltamtes Werner Prutsch

Betrachtungen im Umweltrecht fokussieren häufig Großanlagenverfahren, sehr stark „ökozentrisch“ ausgerichtet und mit entsprechender medialer Aufmerksamkeit; aus der Sicht einer Gemeindeverwaltung bzw Bezirksverwaltungsbehörde liegen die Schwerpunkte hinsichtlich der Umweltrelevanz „anthropozentrisch“ bei Bauverfahren nach dem Steiermärkischen Baugesetz (Stmk BauG) iVm dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz (Stmk ROG) bzw bei Betriebsanlagenverfahren nach der Gewerbeordnung (GewO). Während viele BürgerInnen mit Großanlagenverfahren nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetz (UVP-G) kaum oder nur sehr selten in Berührung kommen, ist das bei den oben genannten Verfahren täglich gelebte Praxis. Hervorzuheben sind dabei die §§ 74 ff GewO, insbesondere § 77, der die Einhaltung des „Standes der Technik“ bei Luftschadstoffemissionen und die immissionsseitige Unterschreitung „unzumutbarer Belästigungen“ bzw Gesundheitsgefährdungen in der Nachbarschaft festlegt. Schwieriger gestaltet sich ein lokaler Immissionsschutz bei Projekten, die nicht der GewO unterliegen und etwa bloß nach dem Stmk BauG abgehandelt werden. Hier spiegelt sich der technisch und medizinisch nicht ganz nachvollziehbare Grundsatz der österreichischen Rechtsordnung wieder, dass es nicht nur auf das Ausmaß von Immissionen ankommt, sondern ganz besonders auch darauf, wer (welche Rechtsperson) diese Immissionen verursacht. Im stmk Baurecht ergibt sich die Situation, dass Projekte, die in ihren Immissionswirkungen durchaus mit mittleren und größeren gewerblichen Anlagen vergleichbar sind, hinsichtlich des Immissionsschutzes bestenfalls nach § 13 Abs 12 BauG (Abstandsbestimmungen) zu beurteilen sind. Und auch dort ist erst seit einer Novellierung vor einigen Jahren der Begriff „unzumutbare Belästigung“ analog der GewO verankert. Davor wurden als Beurteilungskriterien lediglich die „Gesundheitsgefährdung“ sowie die „Ortsüblichkeit“ genannt – demnach war eine „unzumutbare Belästigung“ der Wohnbevölkerung durchaus rechtlich vertretbar, den BürgerInnen in den Verfahren vor Ort aber verständlicherweise kaum vermittelbar. Weitere Punkte der laufenden Diskussionen im Vollzug des Verwaltungsrechts auf lokaler Ebene dürfen durchaus als „Unterschied zwischen Theorie und Praxis“ eingestuft werden. Dies nicht nur bei den Praxisemissionen von Diesel-PKW, die verbreitet deutlich höher sind als die Genehmigungswerte, sondern es gibt zB meh-

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rere Bestimmungen im Bereich des Heizungsanlagenrechts, nach denen eigentlich ein ausreichender Schutz vor Heizungsimmissionen, auch im kleinräumigen städtischen Umfeld, gewährleistet sein müsste. Die Praxiserfahrungen sind hier leider andere, ein häufiges Beispiel sind händisch beschickte Festbrennstofffeuerungen. Derartige Anlagen werden zwar mit Grenzwerten belegt, diese gelten allerdings nicht für die besonders kritischen Anheizphasen, die regelmäßig zu massiven Beschwerden in der – insbesondere städtischen – Nachbarschaft führen. Viele Maßnahmen, etwa der „Fernwärmeanschlussauftrag“ gem § 6 Stmk BauG iVm § 11 Abs 9 sowie § 22 Abs 8 und 9 Stmk ROG stellen auch eine für lokale Behörden schwierige Gratwanderung zwischen legitimer bzw breit geforderter Reduktion von Luftschadstoffemissionen und ebenso legitimen Eigentumsrechten von BürgerInnen dar. Das Prinzip, dass hier Rechtsklarheit erst im nachträglichen Instanzenzug geschaffen werden kann, erhöht im Lichte möglicher bzw drohender umfangreicher Schadenersatzforderungen nicht gerade die Bereitschaft, offensiv an diese Themen heranzugehen. Gerade in der Notwendigkeit einer ausreichenden Begründung verwaltungsrechtlicher Eingriffe in Rechte von BürgerInnen ist eine stärkere Berücksichtigung des vernetzten Denkens auch im Umweltrecht zu fordern. So können zwar verkehrsbeschränkende Maßnahmen nach den §§ 14 und 16 des Immissionsschutzgesetzes – Luft (IG-L) zur Verringerung der lokalen Immissionsbelastung mit bestimmten Luftschadstoffen (insbesondere PM10 und NO2) verhängt werden, unbeachtet bleibt dabei allerdings in den entsprechenden Verordnungsermächtigungen, dass viele der daraus ableitbaren Maßnahmen eminente Beiträge ebenso zum Klimaschutz (Verringerung der CO2-Emissionen durch verminderten Einsatz von Altfahrzeugen und/oder Geschwindigkeitsbeschränkungen) liefern könnten. Auch eines der in Form eines „Betroffenheitsindex“ wichtigsten Themen im Umweltrecht, der Schutz der Bevölkerung vor Lärmimmissionen, ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Beispielsweise muss das steirische „Laubbläserverbot“, LGBl 110/2013, auf Basis der §§ 10 und 15 IG-L im Sinne der Verordnungsermächtigung als Luftreinhaltemaßnahme argumentiert werden, obwohl in der Wahrnehmung der Bevölkerung – entscheidend für die gesellschaftliche Akzeptanz einer Norm – dies weitaus überwiegend eine Lärmschutzmaßnahme darstellt. Hier auch in der österreichischen Rechtsordnung ein verstärktes Querschnittsdenken zu verankern – in Deutschland mit dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und dessen Verordnungen (aktuell bis zur 41. BImSchV) konsequenter umgesetzt – darf abschließend aus der Sicht des lokalen Vollzuges von Umweltrecht gefordert werden.

Sicht eines Rechtsvertreters von Bewilligungswerbern Georg Eisenberger

Obwohl die Rechtsprechung in Bewegung ist, bleiben derzeit die rechtlichen Möglichkeiten für die betroffenen Bürger noch wenig durchschlagskräftig, um das Recht auf saubere Luft durchsetzen zu können. Eine indirekte Durchsetzung erfolgt allerdings durch immer strenger werdende Auflagen an Bewilligungswerber, aber auch durch andere Maßnahmen. Zweifellos kann die Diskussion, ob die vom Gesetzgeber vorgesehenen Regeln ausreichend sind, kontroversiell geführt werden. Bei aller Befürwortung strenger Umweltstandards soll aber nicht übersehen werden, dass umweltrechtliche Beschränkungen ökonomisch verkraftbar bleiben müssen. Ökonomische Verkraftbarkeit gesetzlicher Bestimmungen kann in zwei Ausprägungen zum Thema werden. Als Frage der Folgen gesetzlicher Bestimmungen einerseits für den einzelnen Normadressaten, andererseits für die Volkswirtschaft einer Region, eines Landes oder einer Wirtschaftsgemeinschaft als Ganzes. Im Umweltrecht wird meist versucht, die Folgen gesetzlicher Regeln für die Volkswirtschaft zu analysieren und zu berücksichtigen. Es hat sich aber in den vergangenen Jahrzehnten über weite Teile der westlichen Wohlstandsgesellschaft ein Konsens dahingehend manifestiert, dass wirtschaftliche Interessen des Einzelnen gegenüber dem Schutz der Umwelt in den Hintergrund zu treten haben. Es scheint auch allgemein anerkannt zu sein, dass die Volkswirtschaft als Ganzes auf Umweltinteressen weitestgehend Rücksicht zu nehmen hat. Dieser Konsens ist allerdings sehr brüchig, wie die Folgen der Wirtschaftskrise in Ländern wie Griechenland, Spanien oder Portugal sehr dramatisch zeigen. Wenn der Einzelne damit beschäftigt ist, in der folgenden Woche sich selbst, seine Familie, seine Kinder irgendwie zu ernähren, wird die Umweltsituation irrelevant. Ein Blick auf wirtschaftliche und politische Krisenländer, wie beispielsweise Syrien oder Somalia zeigt überdies, wie dramatisch und nachhaltig Umweltschutz in den Hintergrund treten kann, wenn es ums reine Überleben geht. Überspitzt ausgedrückt: die Installation eines Umweltanwaltes ist so ziemlich das letzte Problem, welches die Syrer, aber auch die Griechen im Jahr 2016 kümmert. Nun ist Österreich glücklicherweise in einer völlig anderen Position als Syrien und auch in einer vergleichbar besseren wirtschaftlichen Situation als Griechenland. Dennoch müssen die dortigen Umweltstandards Warnung und Mahnung zugleich sein. Hohe Umweltstandards werden generell nur in wirtschaftlich prosperierenden

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Georg Eisenberger

Ländern ein- und durchgehalten. Umweltvorgaben dürfen vor diesem Hintergrund die Volkswirtschaft eines Landes nicht überfordern. Dies betrifft auch das Recht auf saubere Luft. Am saubersten wäre die Luft, wenn keine Autos fahren, keine LKWs Waren liefern, wenn die Industrie ihre Produktion ins Ausland verlagert und Heizungen stillstehen. Eine solche Entwicklung würde aber zu ganz anderen Problemen führen, die wiederum, wie oben angesprochen, das Interesse der Menschen an einer intakten Umwelt in den Hintergrund treten lassen. Eine solche Entwicklung ist auch nicht mehrheitsfähig, weswegen ein Ausgleich zwischen dem Recht des Einzelnen auf saubere Luft und der ökonomischen Verkraftbarkeit hoher Umweltstandards gefunden werden muss. Das Finden dieses Ausgleichs ist gerade in einer Demokratie Aufgabe des Gesetzgebers und nicht des einzelnen Individuums. Angesichts des aufgezeigten Spannungsfeldes zwischen hohen Umweltstandards und wirtschaftlichem Wohlstand muss es daher in einer demokratischen Gemeinschaft auch in Umweltrechtsfragen Grenzen der Rechte Einzelner geben. Auch die Durchsetzung des Rechtes auf saubere Luft sollte das große Ganze im Auge behalten und daher dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Eine zu exzessive Auslegung des individuellen Rechtes auf saubere Luft ist daher abzulehnen.

Sicht eines Betroffenen Helmut Hoffmann

Bereits vor ungefähr einem Jahrzehnt haben ich und meine Frau eine „Feinstaubklage“ eingebracht, um schwere Schädigungen zu verhindern. Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung zur „Wiederbelebung“ des Ö-Ringes in Spielberg, welcher sich in einem Sanierungsgebiet nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft befindet, bemühten wir auch den Verwaltungsgerichtshof. Die Motivation damals lag nicht nur in der Sorge um die Verschlechterung der Luftqualität sondern grundsätzlich in der Verhinderung einer Automobil-Rennstrecke, die unseres Erachtens umfangreiche negative Auswirkungen zur Folge hat: enormer Treibstoff-Verbrauch, Stimulanz der Zuseher zum Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit und damit Zunahme schwerer Unfälle, Luft- und Lärmbelastung usw. Diese Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof abgelehnt, da ich im Raum Spielberg nur vier bis fünf Tage berufstätig war aber nicht wohnhaft! Schlechte Luft schädigt ja nur beim Wohnen, nicht aber beim Arbeiten und Übernachten – so die aus unserer Sicht zweifelhafte Differenzierung des Gerichts. 2012 wurden wir durch eine Pressemeldung darauf aufmerksam, dass die Grünen Bürger suchten, die sich gegen die hohe Feinstaubbelastung an ihrem Wohnort rechtlich zur Wehr setzen wollten. So sind wir in Kontakt mit Vertretern dieser Partei gekommen, die uns bisher fachlich und rechtlich hervorragend betreut haben19. Wesentliche Motivation und Legitimation, diese „Feinstaubklage“ einzubringen, waren: • Umfangreiche Erfahrungen mit diesem Thema als Ziviltechniker und Lehrbeauftragter an der Universität Graz und der TU Graz sowie an der FH Joanneum, wie auch als Gutachter für die Umweltverträglichkeitsprüfung, Verkehrsplanung sowie zum Thema Tierhaltung und Stallklima (in welchem die Luftgüte eine wesentliche Rolle spielt) an der ETH Zürich. • Die persönliche Betroffenheit durch eine COPD-Diagnose sowie die Betroffenheit von ca 300.000 bis 350.000 Einwohnern im Raum Graz – Graz Umgebung durch eine Verkürzung der durchschnittlichen Lebensdauer um 11 Monate! 19

Besonderer Dank gebührt Marlies Meyer vom Grünen Parlamentsklub und allen anderen, die geholfen haben, letztlich einen wesentlichen Erfolg zu erringen: Wenige Tage nach dem Umweltrechtsforum 2015, am 12. Juni 2015, kam der richtunggebende Entscheid des Verwaltungsgerichtshofs. Unser Antrag auf Maßnahmen gegen die Feinstaubbelastung sei zulässig und hätte von der Landesregierung (und dem Landesverwaltungsgericht) nicht abgewiesen werden dürfen.

186

Helmut Hoffmann

• Das jahrzehntelange Verdrängen der Auswirkungen der schlechten Luftqualität von Seiten der Behörden und der Politik sowie deren mangelnde Courage, auch weniger populäre Maßnahmen insbesondere im Bereich des motorisierten Individualverkehrs (MIV) zu setzen. • Die andauernden Versuche derselben Akteure, die Belastungswerte auf die gerade noch zulässige Anzahl an Überschreitungstagen „hinzutrimmen“– als ob die Luftqualität unterhalb der zulässigen Werte und unterhalb der „zulässigen“ Anzahl der Tage keine gesundheitliche Rolle spielen würde! Keine Strafzahlungen an die EU leisten zu müssen, war bisher offensichtlich eines der Oberziele der bisherigen Bemühungen! Ich bin überzeugt, dass insbesondere durch eine qualifizierte Umsetzung von Einschränkungen des motorisierten Individualverkehrs in Bezug auf Geschwindigkeit, Zufahrtsberechtigung, Parkplatzbewirtschaftung im Raum Graz nicht nur eine wesentliche und notwendige Verbesserung der Luftqualität erzielt werden kann, sondern auch hohe individuelle und öffentliche Kosteneinsparungen im Gesundheitsbereich, der Straßenerhaltung, des Treibstoff-Verbrauchs, der Unfallzahlen und -kosten möglich sind. Dafür braucht es aber eine bewusstere Thematisierung der Gesamtproblematik sowie mehr Courage und Verantwortungsbewusstsein der Verantwortlichen, zu denen auch jeder einzelne Bürger zählt! Es ist zu hoffen, dass der positive VwGH –Entscheid in unserer Causa dazu beiträgt, die neu angetretene Politiker-Generation im Land zu entsprechendem Handeln zu bewegen, dh dem „Aussitzen“ des Problems der unzumutbaren Luftbelastung (inklusive der Stickoxidbelastung) im Raum Graz entgegenzuwirken. Ich danke dem Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Universität Graz für die ausgezeichnete Thematisierung unseres Anliegens im Zuge dieses Umweltrechtsforums 2015 und bitte das Institut, weiterhin öffentlichkeitswirksam relevante Umweltthemen wissenschaftlich zu bearbeiten.

Sicht der Umweltanwaltschaft Ute Pöllinger

Das Gesetz über die Einrichtungen zum Schutz der Umwelt definiert als eines der Ziele des Landes Steiermark den Schutz der Luft in seinem Vollziehungsbereich. Als Umweltanwältin ist es eine meiner Aufgaben, dieses Interesse und damit das Recht auf saubere „Landesluft“ zu wahren. Wann beschweren sich die Steirerinnen und Steirer nun über eine schlechte Luftqualität? Neben Feinstaub und Stickoxiden sorgen sie sich vor allem auch dann um die Luft, wenn diese durch unangenehme Gerüche aus Landwirtschaft oder Industrie bzw durch rauchförmige Emissionen aus dem Nachbarschaftsbereich belastet wird. Die Umweltanwaltschaft hat die Aufgabe, derartige Beschwerden entgegenzunehmen und zu prüfen. Können Veranlassungen im Vollzugsbereich des Landes getroffen werden, so sind diese dem Beschwerdeführer mitzuteilen. In der Praxis heißt das zumeist, dass meine Mitarbeiter und ich mit der Gemeinde Kontakt aufnehmen, um herauszufinden, ob ein baurechtlicher Missstand vorliegt und wie dieser allenfalls behoben werden kann. Diese Ergebnisse werden dem Beschwerdeführer mitgeteilt, wobei häufig ein Kontakt über einen längeren Zeitraum entsteht, bis die Ursache für die schlechte Luft behoben werden kann. Betrifft die Beschwerde jedoch „Bundesluft“ (beispielsweise Beschwerden, die unter die GewO oder das MinroG fallen), so sind die Möglichkeiten der Umwelt­ anwaltschaft sehr begrenzt und erschöpfen sich im Wesentlichen darin, der zuständigen Behörde den Missstand mitzuteilen bzw den Beschwerdeführer an diese zu verweisen. Lediglich in UVP-Verfahren kann die Umweltanwaltschaft im Rahmen ihrer Parteistellung Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft und zur Sicherstellung der Einhaltung von Grenzwerten einfordern. Diese rechtlichen Möglichkeiten sind jedoch allesamt wenig durchschlagskräftig, um das Recht auf saubere Luft durchsetzen zu können.

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren Dr. Georg Eisenberger Geboren 1964 in Graz; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Graz (Mag. iur. 1989); Doktoratsstudium Rechtswissenschaften an der Universität Graz (Dr. iur. 1991); seit 1995 Partner der Kanzlei Eisenberger & Herzog mit Standorten in Wien und Graz und über 70 JuristInnen; seit 2005 Leiter des öffentlich-rechtlichen Teams von Eisenberger & Herzog, welches mit sechs Anwälten und insgesamt vierzehn auf öffentliches Recht und Umweltrecht spezialisierten JuristInnen das größte rein im öffentlichen Wirtschaftsrecht tätige Anwaltsteam der österreichischen Großkanzleien ist; seit 1996 Lehrender für Bau- und Raumplanungsrecht an der Technischen Universität Graz (Professor TU Graz eh); seit 2015 Universitätsprofessor für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft der Universität Graz. MMag.a Dr.in Ulrike Giera Studium der Rechtswissenschaften und der Slawistik an der Universität Wien sowie der Universidad de Alcalá de Henares (Madrid) (Mag.a iur. 2009, Mag.a phil. 2013); Doktoratsstudium Rechtswissenschaften an der Universität Wien (Dr.in iur. 2014); wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien und anschließend am Institut für Rechtswissenschaften der Universität für Bodenkultur Wien; seit 2014 Abteilung Recht der Energie-Control Austria. DDI Dr. Helmut Hoffmann Geboren 1944 in Graz, verheiratet, 9 Kinder; Architektur-Studium TU Graz, Raumplanung ETH-Zürich; TU-Assistent und wissenschaftlicher Mitarbeiter; Ziviltechniker und Sachverständiger mit Schwerpunkten Raumplanung, Umweltverträglichkeitserklärung – Umweltverträglichkeitsprüfung, Infrastruktur- und Umweltplanung; Vorstand Naturschutzbund Steiermark und Forum Wissenschaft und Umwelt; Lehraufträge an der Technischen Universität Graz, an der Universität Graz und an der FH Graz; Bio-Landwirt und Imker; EM und WM-Teilnehmer Ski und Golf. Mag. Wolfgang Leitich Geboren 1962 in Salzburg; Studium der Geschichte, Politikwissenschaften und Rechtswissenschaften (Mag. iur. 1992); 1993 Bezirksanwalt beim Bezirksgericht für Strafsachen Salzburg; 1993–2004 Agrarbehörde Salzburg; seit Mai 2004 Amt der Salzburger Landesregierung, Abteilung Natur- und Umweltschutz, Gewerbe;

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

2006–2013 Berichterstatter des Landesagrarsenates; Mitglied Arbeitsgruppe (PEG) Erstellung Leitfaden „Guidance on waste and recovered substances“ für ECHA/ Helsinki; ECHA Arbeitsgruppe CLP-Report. Dr.in Marlies Meyer Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Graz (Dr. iur. 1984); 1984– 1986 Vertragsassistentin am Institut für Öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre an der Universität Graz; 1986–1988 Vertragsbedienstete der Stmk Landesregierung, zugeteilt dem Landtagsklub der Vereinten Grünen-Alternative Liste; seit Februar 1988 Bedienstete der Parlamentsdirektion, zugeteilt dem Grünen Parlamentsklub, Referentin für Umwelt- und Verfassungsrecht, Stv Klubgeschäftsführerin; seit 1991 Vorstandsmitglied im Grün-Alternativen Verein zur Unterstützung von Bürgerinitiativen. Dr.in Waltraud Petek, MBA Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Graz (Dr. iur. 1984); MBA in Public Management der Universität Salzburg (smbs, 2006); 1982–1987 Assistentin am Institut für Öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre der Universität Graz; seit 1987 Mitarbeiterin des Umweltministeriums; leitet die Abteilung für Anlagenbezogenen Umweltschutz und Umweltbewertung (ua zuständig für Angelegenheiten der Umweltverträglichkeitsprüfung, der Industrieemissions-RL, der Seveso-RL zu Industrieunfällen und der Aarhus-Konvention) in der Sektion Umwelt und Klimaschutz des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und ist Stellvertreterin des Sektionsleiters. MMag.a Ute Pöllinger Studium der Rechtswissenschaften und der Biologie/Botanik an den Universitäten Graz und Innsbruck; Verfahrensleitung im Bereich Anlagenrecht an verschiedenen Bezirkshauptmannschaften; seit 2004 Umweltanwältin des Landes Steiermark. DI Dr. Werner Prutsch Geboren 1961; Diplomstudium Verfahrenstechnik an der Technischen Universität Graz; Doktoratsstudium Chemie an der Universität Innsbruck; fünfjährige Tätigkeit in der Entwicklung und Projektplanung eines Maschinen- und Anlagenbaubetriebes ua in den Bereichen Luft und Wasserreinhaltung; seit 1990 Referatsleiter für Luftreinhaltung und Chemie im Umweltamt der Stadt Graz; Mitarbeit in zahlreichen Facharbeitskreisen; einschlägige Lehraufträge sowie Gastvorlesungen

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

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im Bereich Umwelt- und Verfahrenstechnik (ua FH Pinkafeld, WIFI Steiermark, Chemieingenieurschule Graz, Technische Universität Graz, Universität Graz); seit 2008 Leiter des Umweltamtes der Stadt Graz; Mitglied des Energiebeirates des Wirtschaftsministeriums und des Nationalen Klimaschutzkomitees. Mag. Dr. Gerhard Schnedl Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Graz (Mag. iur. 1989; Dr. iur. 1991); 1990–1993 Vertragsassistent bzw 1993–2001 Universitätsassistent am Institut für Öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre der Universität Graz; seit 1.8.2001 Assistenzprofessor am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft der Universität Graz; Lehrtätigkeiten an der Universität Graz, an der TU Graz, an der FH JOANNEUM Graz und am bfi Steiermark; zahlreiche Publikationen zum Verfassungs- und Verwaltungsrecht insb zum Umwelt- und Anlagenrecht (ua Verfasser eines Lehrbuches „Umweltrecht im Überblick“); Mitherausgeber der „Studien zu Politik und Verwaltung“; Mitorganisator des Grazer Umweltrechtsforums; Mitglied des Nachhaltigkeitsbeirates der Universität Graz. Mag. Dr. Jürgen Schneider Diplom- und Doktoratsstudium der Chemie an der Universität Wien; Universitätsassistent an der Universität Wien; 1994–2001 Umweltbundesamt, Abteilung für Lufthygiene; 2002–2004 Projektmanager bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Bonn/Deutschland; ab 2004 erneut Umweltbundesamt, 2004–2006 Leiter der Abteilung für Lufthygiene, 2007–2014 Leiter des Bereichs Wirtschaft & Wirkung (als Bereichsleiter disziplinarische Verantwortung für rd 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie über Themenbereiche wie Klimaschutz, Energie, Integrierte Luftreinhaltung, Stoffflussmanagement, Anlagen- und Umwelttechnologien, Verkehr etc), seit 2011 Prokurist und seit 2014 Mitglied des Leitungsgremiums im Umweltbundesamt. MMag.a Dr.in Eva Schulev-Steindl, LL.M. Universitätsprofessorin für Öffentliches Recht und Wirtschaftsrecht an der Universität Graz; Studien an der WU Wien, der Universität Wien sowie an der LSE; 2003 Habilitation an der Universität Wien; Gastprofessuren an der WU Wien und der Universität Klagenfurt; 2008–2014 Professur für Rechtswissenschaften an der BOKU Wien; zahlreiche Publikationen zum österreichischen und europäischen öffentlichen Recht, Wirtschafts-, Umwelt- und Universitätsrecht sowie zur Rechtstheorie; Redaktionsmitglied der RdU; Mitorganisatorin des Grazer Umweltrechtsforums; Mitherausgeberin der „Studien zu Politik und Verwaltung“ und der „Forschungen aus Staat und Recht“.

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Mag.a Dr.in Teresa Weber 2006–2010 Studium der Rechtswissenschaften und Slawistik an der Universität Wien (Magistra iuris); 2010-2014 Doktoratsstudium Wirtschaftsrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien (Doctor iuris); 2010–2013 Universitätsassistentin prae doc am Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht der Wirtschaftsuniversität Wien; 2012–2013 Umweltjuristin für zwei Umweltorganisationen (Ökobüro und Justice & Environment); 2013–2014 Juristin im Büro der LH-Stellvertreterin von Salzburg; seit 1.10.2014 Assistenzprofessorin am Fachbereich Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht der Universität Salzburg. Mag.a Dr.in Barbara Weichsel-Goby Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien und der Karlsuniversität Prag (Mag.a iur. 2007); Doktoratsstudium Rechtswissenschaften an der Universität Wien (Dr.in iur. 2014); 2007–2008 Gerichtsjahr; 2008–2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Rechtswissenschaften der Universität für Bodenkultur Wien; seit Oktober 2012 Umweltdachverband Wien, verantwortlich für den Politikbereich Umweltrecht; Dissertation zu Fragen des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten im Lichte der Aarhus-Konvention.

STUDIEN ZU POLITIK UND VERWALTUNG HG. VON ERNST BRUCKMÜLLER, KLAUS POIER, GERHARD SCHNEDL, EVA SCHULEV-STEINDL 1

KORRUPTION UND KONTROLLE. HG. VON CHRISTIAN BRÜNNER. 1981. 726 S. MIT 8 TAB. BR. ISBN 978-3-205-08457-8 (VERGRIFFEN)

2

UNBEHAGEN IM PARTEIENSTAAT. JUGEND UND POLITIK IN



ÖSTERREICH. VON FRITZ PLASSER UND PETER A. ULRAM. 1982.

3

LANDESVERFASSUNGSREFORM. HG. VON REINHARD RACK. 1982.

4

NATION ÖSTERREICH. KULTURELLES BEWUSSTSEIN UND GESELL-

208 S. BR. ISBN 978-3-205-08458-4 (VERGRIFFEN) 255 S. BR. ISBN 978-3-205-08459-4 (VERGRIFFEN) SCHAFTLICH-POLITISCHE PROZESSE. VON ERNST BRUCKMÜLLER. 2. ERWEITERTE AUFLAGE 1996. 472 S. ZAHLR. GRAF. BR. ISBN 978-3-205-98000-1 5

KRISE DES FORTSCHRITTS. HG. VON GRETE KLINGENSTEIN. 1984. 172 S. BR. ISBN 978-3-205-08461-2 (VERGRIFFEN)

6

PARTEIENGESELLSCHAFT IM UMBRUCH. PARTIZIPATIONSPROBLEME



ISBN 978-3-205-08463-2 (VERGRIFFEN)

VON GROSSPARTEIEN. VON ANTON KOFLER. 1985. 132 S. 58 TAB. BR. 7

GRUNDRECHTSREFORM. HG. VON REINHARD RACK. 1985. 302 S. BR.



ISBN 978-3-205-08462-4 (VERGRIFFEN)

8

AUFGABENPLANUNG. ANSÄTZE FÜR RATIONALE VERWALTUNGSREFORM. VON HELMUT SCHATTOVITS. 1988. 220 S. BR.

9

ISBN 978-3-205-08464-0 (VERGRIFFEN) DEMOKRATIERITUALE. ZUR POLITISCHEN KULTUR DER INFORMATIONSGESELLSCHAFT. HG. VON FRITZ PLASSER, PETER A. ULRAM UND MANFRIED WELAN. 1985. 291 S. 91 TAB. BR. ISBN 978-3-205-08467-9

10 POLITIK IN ÖSTERREICH. DIE ZWEITE REPUBLIK: BESTAND UND WANDEL. HG. VON WOLFGANG MANTL. 1992. XV, 1084 S. GB.

ISBN 978-3-205-05379-8 (VERGRIFFEN)

11 FLEXIBLE ARBEITSZEITEN. EINE FIXE IDEE. VON RUDOLF BRETSCHNEIDER, RUPERT DOLLINGER, JOACHIM LAMEL UND PETER A. ULRAM. 1985. 133 S. 33 TAB. BR. ISBN 978-3-205-08469-1 (VERGRIFFEN) 12 VERFASSUNGSPOLITIK. DOKUMENTATION STEIERMARK. VON CHRISTIAN BRÜNNER, WOLFGANG MANTL, DIETMAR PAUGER UND REINHARD RACK. 1985. 294 S. BR. ISBN 978-3-205-08465-9 (VERGRIFFEN)

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STUDIEN ZU POLITIK UND VERWALTUNG HG. VON ERNST BRUCKMÜLLER, KLAUS POIER, GERHARD SCHNEDL, EVA SCHULEV-STEINDL 13 KRISEN. EINE SOZIOLOGISCHE UNTERSUCHUNG. VON MANFRED PRISCHING. 1986. 730 S. ZAHLR. TAB. UND GRAF. BR.

ISBN 978-3-205-08468-6

14 SCHWEIZ – ÖSTERREICH. ÄHNLICHKEITEN UND KONTRASTE. HG. VON FRIEDRICH KOJA UND GERALD STOURZH. 1986. 279 S. BR.

ISBN 978-3-205-08902-2 (VERGRIFFEN)

15 WAS DIE KANZLER SAGTEN. REGIERUNGSERKLÄRUNGEN DER ZWEITEN REPUBLIK 1945–1987. VON MAXIMILIAN GOTTSCHLICH, OSWALD PANAGL UND MANFRIED WELAN. 1989. VI, 325 S. BR. ISBN 978-3-205-08900-6 (VERGRIFFEN) 16 TECHNIKSKEPSIS UND NEUE PARTEIEN. POLITISCHE FOLGEN EINES „ALTERNATIVEN“ TECHNIKBILDES IN ÖSTERREICH. VON ERICH REITER. 1987. 167 S. BR. ISBN 978-3-205-08904-9 (VERGRIFFEN) 17 DEMOKRATIE UND WIRTSCHAFT. HG. VON JOSEPH MARKO UND ARMIN STOLZ. 1987. 367 S. BR. ISBN 978-3-205-08905-7 (VERGRIFFEN) 18 SOCIETY, POLITICS AND CONSTITUTIONS. WESTERN AND EAST EUROPEAN VIEWS. VON ANTAL ADAM UND HANS G. HEINRICH. 1987. 212 S. BR. ISBN 978-3-205-08907-3 (VERGRIFFEN) 19 USA: VERFASSUNG UND POLITIK. VON FRANCIS H. HELLER. 1987. 120 S. BR. ISBN 978-3-205-08906-5 (VERGRIFFEN) 20 UMWELTSCHUTZRECHT. VON BERNHARD RASCHAUER. 2. AUFL. 1988. 304 S. BR. ISBN 978-3-205-05143-2 (VERGRIFFEN) 21 VERFALL UND FORTSCHRITT IM DENKEN DER FRÜHEN RÖMISCHEN KAISERZEIT. STUDIEN ZUM ZEITGEFÜHL UND GESCHICHTSBEWUSSTSEIN DES JAHRHUNDERTS NACH AUGUSTUS. VON KARL DIETRICH BRACHER. 1987. 348 S. BR. ISBN 978-3-205-08909-2 (VERGRIFFEN) 22 DAS ÖSTERREICHISCHE PARTEIENSYSTEM. HG. VON ANTON PELINKA UND FRITZ PLASSER. 1988. 800 S. BR. ISBN 978-3-205-08910-0 (VERGRIFFEN) 23 PARTEIEN UNTER STRESS. ZUR DYNAMIK DER PARTEIENSYSTEME IN ÖSTERREICH, DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND UND DEN VEREINIGTEN STAATEN. VON FRITZ PLASSER. 1987. 344 S. BR. ISBN 978-3-205-08911-1 (VERGRIFFEN)

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STUDIEN ZU POLITIK UND VERWALTUNG HG. VON ERNST BRUCKMÜLLER, KLAUS POIER, GERHARD SCHNEDL, EVA SCHULEV-STEINDL 24 IDEOLOGIE UND AUFKLÄRUNG. WELTANSCHAUUNGSTHEORIE UND POLITIK. VON KURT SALAMUN. 1988. 142 S. BR. ISBN 978-3-205-05126-2 (VERGRIFFEN) 25 DIE NEUE ARCHITEKTUR EUROPAS. REFLEXIONEN IN EINER B EDROHTEN WELT. HG. VON WOLFGANG MANTL. 1991. 332 S. GB. ISBN 978-3-205-05412-2 26 DIE GROSSE KRISE IN EINEM KLEINEN LAND. ÖSTERREICHISCHE FINANZ- UND WIRTSCHAFTSPOLITIK 1929–1938. VON DIETER STIEFEL. 1989. X, 428 S. BR. ISBN 978-3-205-05132-7 (VERGRIFFEN) 27 DAS RECHT DER MASSENMEDIEN. EIN LEHR- UND HANDBUCH FÜR STUDIUM UND PRAXIS. VON WALTER BERKA. 1989. II, 356 S. BR.

ISBN 978-3-205-05194-7 (VERGRIFFEN)

28 STAAT UND WIRTSCHAFT. AM BEISPIEL DER ÖSTERREICHISCHEN FORSTGESETZGEBUNG VON 1950–1987. VON WERNER PLESCHBERGER. 1989. 579 S. BR. ISBN 978-3-205-05204-8 (VERGRIFFEN) 29 WEGE ZUR GRUNDRECHTSDEMOKRATIE. STUDIEN ZUR BEGRIFFS- UND INSTITUTIONENGESCHICHTE DES LIBERALEN VERFASSUNGSSTAATES. VON GERALD STOURZH. 1989. XXII, 427 S. BR. ISBN 978-3-205-05218-0 (VERGRIFFEN) 30 GEIST UND WISSENSCHAFT IM POLITISCHEN AUFBRUCH MITTELEUROPAS. BEITRÄGE ZUM ÖSTERREICHISCHEN WISSENSCHAFTSTAG 1990. HG. VON MEINRAD PETERLIK UND WERNER WALDHÄUSL. 1991. 268 S. BR. ISBN 978-3-205-05464-1 31 FINANZKRAFT UND FINANZBEDARF IM ÖSTERREICHISCHEN FINANZAUSGLEICH. HG. VON CHRISTIAN SMEKAL UND ENGELBERT THEURL. 1990. 307 S. BR. ISBN 978-3-205-05237-1 (VERGRIFFEN) 32 REGIONALE UNGLEICHHEIT. VON MICHAEL STEINER. 1990. 258 S. BR. ISBN 978-3-205-05281-4 33 BÜROKRATISCHE ANARCHIE. DER NIEDERGANG DES POLNISCHEN „REALSOZIALISMUS“. VON AUGUST PRADETTO. 1992. 156 S. BR.

ISBN 978-3-205-05421-4 (VERGRIFFEN)

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STUDIEN ZU POLITIK UND VERWALTUNG HG. VON ERNST BRUCKMÜLLER, KLAUS POIER, GERHARD SCHNEDL, EVA SCHULEV-STEINDL 34 VOR DER WENDE. POLITISCHES SYSTEM, GESELLSCHAFT UND POLITISCHE REFORMEN IM UNGARN DER ACHTZIGER JAHRE.

HG. VON SÁNDOR KURTÁN. AUS DEM UNGAR. VON ALEXANDER KLEMM. 1993. 272 S. BR. ISBN 978-3-205-05381-1 (VERGRIFFEN)

35 HEGEMONIE UND EROSION. POLITISCHE KULTUR UND POLITISCHER WANDEL IN ÖSTERREICH. VON PETER A. ULRAM. 1990. 366 S. BR.

ISBN 978-3-205-05346-X (VERGRIFFEN)

36 GEHORSAME REBELLEN. BÜROKRATIE UND BEAMTE IN ÖSTERREICH 1780–1848. VON WALTRAUD HEINDL. 1991. 388 S. 12 S/W-ABB. GB. ISBN 978-3-205-05370-5 (VERGRIFFEN) 37 KULTUR UND POLITIK – POLITIK UND KUNST. VON MANFRED WAGNER. 1991. 367 S. BR. ISBN 978-3-205-05396-5 38 REVOLUTION UND VÖLKERRECHT. VÖLKERRECHTSDOGMATISCHE GRUNDLEGUNG DER VORAUSSETZUNGEN UND DES INHALTS EINES WAHLRECHTS IN BEZUG AUF VORREVOLUTIONÄRE VÖLKERRECHTLICHE RECHTE UND PFLICHTEN. VON MICHAEL GEISTLINGER. 1991. 554 S. BR. ISBN 978-3-205-05414-6 (VERGRIFFEN) 39 SLOWENIEN – KROATIEN – SERBIEN. DIE NEUEN VERFASSUNGEN. HG. VON JOSEPH MARKO UND TOMISLAV BORIC. 1994. 467 S. BR.

ISBN 978-3-205-98283-5 (VERGRIFFEN)

40 DER BUNDESPRÄSIDENT. KEIN KAISER IN DER REPUBLIK. VON MANFRIED WELAN. 1992. 119 S. BR. ISBN 978-3-205-05529-7 41 WEGE ZUR BESSEREN FINANZKONTROLLE. VON HERBERT KRAUS UND WALTER SCHWAB. 1992. 167 S. BR. ISBN 978-3-205-05530-6 42 BRUCHLINIE EISERNER VORHANG. REGIONALENTWICKLUNG IM ÖSTERREICHISCH-UNGARISCHEN GRENZRAUM. VON MARTIN SEGER UND PAL BELUSZKY. 1993. XII, 304 S. ZAHLR. S/W- UND FARB. ABB. GB. ISBN 978-3-205-98048-3 (VERGRIFFEN) 43 REGIERUNGSDIKTATUR ODER STÄNDEPARLAMENT? GESETZGEBUNG IM AUTORITÄREN ÖSTERREICH. VON HELMUT WOHNOUT. 1993. 473 S. BR. ISBN 978-3-205-05547-1

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STUDIEN ZU POLITIK UND VERWALTUNG HG. VON ERNST BRUCKMÜLLER, KLAUS POIER, GERHARD SCHNEDL, EVA SCHULEV-STEINDL 44 DIE ÖSTERREICHISCHE HANDELSPOLITIK DER NACHKRIEGSZEIT 1918 BIS 1923. DIE HANDELSVERTRAGSBEZIEHUNGEN ZU DEN NACHFOLGESTAATEN. VON JÜRGEN NAUTZ. 1994. 601 S. BR.

ISBN 978-3-205-98118-3 (VERGRIFFEN)

45 REGIMEWECHSEL. DEMOKRATISIERUNG UND POLITISCHE KULTUR IN OST-MITTELEUROPA. HG. VON PETER GERLICH, FRITZ PLASSER UND PETER A. ULRAM. 1992. 483 S. ZAHLR. TAB. UND GRAFIKEN. BR. ISBN 978-3-205-98014-8 (VERGRIFFEN) 46 DIE WIENER JAHRHUNDERTWENDE. EINFLÜSSE, UMWELT, WIRKUNGEN. HG. VON JÜRGEN NAUTZ UND RICHARD VAHRENKAMP. 2. AUFL. 1996. 968 S. ZAHLR. S/W-ABB. GB. ISBN 978-3-205-98536-5 47 AUSWEG EG? INNENPOLITISCHE MOTIVE EINER AUSSENPOLITISCHEN UMORIENTIERUNG. VON ANTON PELINKA, CHRISTIAN SCHALLER UND PAUL LUIF. 1994. 309 S. BR. ISBN 978-3-205-98051-3 48 DIE KLEINE KOALITION IN ÖSTERREICH: SPÖ – FPÖ (1983–1986). VON ANTON PELINKA. 1993. 129 S. BR. ISBN 978-3-205-98052-2 (VERGRIFFEN) 49 MANAGEMENT VERNETZTER UMWELTFORSCHUNG. WISSENSCHAFTSPOLITISCHES LEHRSTÜCK WALDSTERBEN. VON MAX KROTT. 1994. 325 S. BR. ISBN 978-3-205-98129-9 (VERGRIFFEN) 50 POLITIKANALYSEN. REFLEXIONEN IN DER AUFKLÄRUNGSWELT. VON WOLFGANG MANTL. 2007. XII, 345 S. BR. ISBN 978-3-205-98459-7 51 AUTONOMIE UND INTEGRATION. RECHTSINSTITUTE DES NATIONA - LI TÄTENRECHTS IM FUNKTIONALEN VERGLEICH. VON JOSEPH MARKO. 1995. 632 S. BR. ISBN 978-3-205-98274-6 52 GRUNDZÜGE FREMDER PRIVATRECHTSSYSTEME. EIN STUDIENBUCH. VON WILLIBALD POSCH. 1995. XXVIII, 205 S. BR. ISBN 978-3-205-98387-3 53 IDENTITÄT UND NACHBARSCHAFT. DIE VIELFALT DER ALPEN-ADRIALÄNDER. HG. VON MANFRED PRISCHING. 1994. 424 S. BR.

ISBN 978-3-205-98307-1

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STUDIEN ZU POLITIK UND VERWALTUNG HG. VON ERNST BRUCKMÜLLER, KLAUS POIER, GERHARD SCHNEDL, EVA SCHULEV-STEINDL 54 PARLAMENTARISCHE KONTROLLE. DAS INTERPELLATIONS-, RESOLUTIONS- UND UNTER SUCHUNGSRECHT. EINE RECHTSDOGMATISCHE DARSTELLUNG MIT HISTORISCHEM ABRISS UND EM P IRISCHER ANALYSE. VON ANDREAS NÖDL. 1995. 198 S. BR. ISBN 978-3-205-98161-9 (VERGRIFFEN) 55 ALFRED MISSONG. CHRISTENTUM UND POLITIK IN ÖSTERREICH. AUSGEWÄHLTE SCHRIFTEN 1924–1950. HG. VON ALFRED MISSONG JR. IN VERBINDUNG MIT CORNELIA HOFFMANN UND GERALD STOURZH. 2006. 476 S. GB. ISBN 978-3-205-77385-6 56 STAAT UND GESUNDHEITSWESEN. ANALYSEN HISTORISCHER FALLBEISPIELE AUS DER SICHT DER NEUEN INSTITUTIONELLEN ÖKONOMIK. VON ENGELBERT THEURL. 1996. 302 S. BR. ISBN 978-3-205-98461-0 57 ELITEN IN ÖSTERREICH. 1848–1970. VON GERNOT STIMMER. 1997. 2 BDE., 1151 S. 38 S/W-ABB. GB. ISBN 978-3-205-98587-7 58 FRANKREICH – ÖSTERREICH. WECHSELSEITIGE WAHRNEHMUNG UND WECHSELSEITIGER EINFLUSS SEIT 1918. HG. VON FRIEDRICH KOJA UND OTTO PFERSMANN. 1994. 307 S. 19 S/W-ABB. BR.

ISBN 978-3-205-98295-1

59 FAHNENWÖRTER DER POLITIK. KONTINUITÄTEN UND BRÜCHE. HG. VON OSWALD PANAGL. 1998. 351 S. BR. MIT SU.

ISBN 978-3-205-98867-0

60 AVANTGARDE DES WIDERSTANDS. MODELLFÄLLE MILITÄRISCHER AUFLEHNUNG IM 19. UND 20. JAHRHUNDERT. VON RICHARD G. PLASCHKA. 1999. 2 BDE. IM SCHUBER. 1077 S. 32 S/W-ABB. GB. ISBN 978-3-205-98390-3 61 BERNARD BOLZANO UND DIE POLITIK. STAAT, NATION UND RELIGION ALS HERAUSFORDERUNG FÜR DIE PHILOSOPHIE IM KONTEXT VON SPÄTAUFKLÄRUNG, FRÜHNATIONALISMUS UND RESTAURATION. HG. VON HELMUT RUMPLER. 2000. 423 S. BR. ISBN 978-3-205-99327-8 62 UM EINHEIT UND FREIHEIT. STAATSVERTRAG, NEUTRALITÄT UND DAS ENDE DER OST-WEST-BESETZUNG ÖSTERREICHS 1945–1955. VON GERALD STOURZH. 5. DURCHGESEHENE AUFL. 2005. 848 S. 19 S/W-ABB. GB. ISBN 978-3-205-77333-7

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STUDIEN ZU POLITIK UND VERWALTUNG HG. VON ERNST BRUCKMÜLLER, KLAUS POIER, GERHARD SCHNEDL, EVA SCHULEV-STEINDL 63 ÖSTERREICH UNTER ALLIIERTER BESATZUNG 1945–1955. HG. VON ALFRED ABLEI TINGER, SIEGFRIED BEER UND EDUARD G. STAUDINGER. 1998. 600 S. BR. ISBN 978-3-205-98588-4 64 EVALUATION IM ÖFFENTLICHEN SEKTOR. VON EVERT VEDUNG. 1999. XVIII, 274 S. 47 GRAFIKEN U. TAB. BR. ISBN 978-3-205-98448-1 65 LIBERALISMUS. INTERPRETATIONEN UND PERSPEKTIVEN. HG. VON EMIL BRIX UND WOLFGANG MANTL. 1996. 320 S. GB. ISBN 978-3-205-98447-4 (VERGRIFFEN) 66 HERBERT STOURZH – GEGEN DEN STROM. AUSGWÄHLTE SCHRIFTEN GEGEN RASSISMUS, FASCHISMUS UND NATIONALSOZIALISMUS 1924–1938. HG. VON GERALD STOURZH. 2008. 186 S. BR. ISBN 978-3-205-77875-2 67 DIE UNIVERSITÄT ALS ORGANISATION. DIE KUNST, EXPERTEN ZU MANAGEN. VON ADA PELLERT. 1999. 346 S. 5 S/W-ABB. BR.

ISBN 978-3-205-99080-2 (VERGRIFFEN)

68 GEMEINDEN IN ÖSTERREICH IM SPANNUNGSFELD VON STAATLICHEM SYSTEM UND LOKALER LEBENSWELT. VON DORIS WASTL-WALTER. 2000. 248 S. 18 GRAFIKEN, 17 KT. 71 TAB. 1 FALTKT. BR.

ISBN 978-3-205-99212-7

69 NOCH EINMAL DICHTUNG UND POLITIK. VOM TEXT ZUM POLITISCHSOZIALEN KONTEXT, UND ZURÜCK. HG. VON OSWALD PANAGL UND WALTER WEISS. 2000. 462 S. BR. ISBN 978-3-205-99289-9 70 POLITIK, STAAT UND RECHT IM ZEITENBRUCH. SYMPOSION AUS ANLASS DES 60. GEBURTSTAGS VON WOLFGANG MANTL. HG. VON JOSEPH MARKO UND KLAUS POIER. 2001. 188 S. 3 S/W-ABB. GB.

ISBN 978-3-205-99259-2

71 QUALITÄTSSICHERUNG UND RECHENSCHAFTSLEGUNG AN UNIVERSITÄTEN. E VALUIERUNG UNIVERSITÄRER LEISTUNGEN AUS RECHTS- UND SOZIALWISSENSCHAFTLICHER SICHT. VON EVA PATRICIA STIFTER. 2002. 410 S. BR. ISBN 978-3-205-99317-9 72 KULTURGESCHICHTE DES HEILIGEN RÖMISCHEN REICHES 1648 BIS 1806. VERFASSUNG, RELIGION UND KULTUR. VON PETER CLAUS HARTMANN. 2001. 510 S. ZAHLR. S/W- UND FARB. ABB. GB. ISBN 978-3-205-99308-7

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STUDIEN ZU POLITIK UND VERWALTUNG HG. VON ERNST BRUCKMÜLLER, KLAUS POIER, GERHARD SCHNEDL, EVA SCHULEV-STEINDL 73 MINDERHEITENFREUNDLICHES MEHRHEITSWAHLRECHT. RECHTS- UND POLITIKWISSENSCHAFTLICHE ÜBERLEGUNGEN ZU FRAGEN DES WAHLRECHTS UND DER WAHLSYSTEMATIK. VON KLAUS POIER. 2001. 379 S. 18 TAB. 8 GRAFIKEN. BR. ISBN 978-3-205-99338-4 75 GIGATRENDS. ERKUNDUNGEN DER ZUKUNFT UNSERER LEBENSWELT. HG. VON FRANZ KREUZER, WOLFGANG MANTL UND MARIA SCHAUMAYER. 2003. XII, 339 S. 13 S/W-ABB. UND 2 TAB. GB. ISBN 978-3-205-98962-2 76 AUTONOMIE IM BILDUNGSWESEN. ZUR TOPOGRAPHIE EINES BILDUNGSPOLITISCHEN SCHLÜSSELBEGRIFFS. VON WALTER BERKA. 2002. 213 S. TAB. UND GRAFIKEN. BR. ISBN 978-3-205-99309-4 77 HOCHSCHULZUGANG IN EUROPA. EIN LÄNDERVERGLEICH ZWISCHEN ÖSTERREICH, DEUTSCHLAND, ENGLAND UND DER SCHWEIZ. VON ELISABETH HÖDL. 2002. 227 S. 5 S/W-ABB. BR. ISBN 978-3-205-99421-3 (VERGRIFFEN) 78 FORSCHUNG UND LEHRE. DIE IDEE DER UNIVERSITÄT BEI HUMBOLDT, JASPERS, SCHELSKY UND MITTELSTRASS. VON HEDWIG KOPETZ. 2002. 137 S. 4 S/W-ABB. BR. ISBN 978-3-205-99422-0 (VERGRIFFEN) 79 EUROPÄISCHE KULTURGESCHICHTE: GELEBT, GEDACHT, VERMITTELT. VON MANFRED WAGNER. 2009. 922 S. GB. ISBN 978-3-205-77754-0 80 KULTUR DER DEMOKRATIE. FESTSCHRIFT FÜR MANFRIED WELAN ZUM 65. GEBURTSTAG. HG. VON CHRISTIAN BRÜNNER, WOLFGANG MANTL, ALFRED J. NOLL UND WERNER PLESCHBERGER. 2002. XV, 385 S. ZAHLR. TAB. UND 1 S/W-ABB. GB. ISBN 978-3-205-77005-3 81 OKKUPATION UND REVOLUTION IN SLOWENIEN (1941–1946). EINE VÖLKERRECHT L I C HE UNTERSUCHUNG. VON DIETER BLUMENWITZ. 2005. 162 S. BR. ISBN 978-3-205-77250-7 82 DER KONVENT ZUR ZUKUNFT DER EUROPÄISCHEN UNION. HG. VON WOLFGANG MANTL, SONJA PUNTSCHER RIEKMANN UND MICHAEL SCHWEITZER. 2005. 185 S. BR. ISBN 978-3-205-77127-2

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STUDIEN ZU POLITIK UND VERWALTUNG HG. VON ERNST BRUCKMÜLLER, KLAUS POIER, GERHARD SCHNEDL, EVA SCHULEV-STEINDL 83 ART GOES LAW. DIALOGE ZUM WECHSELSPIEL ZWISCHEN KUNST UND RECHT. HG. VON DIETMAR PAUGER. 2005. 269 S. 9 S/W-ABB. BR. ISBN 978-3-205-77128-9 84 DIREKTE DEMOKRATIE UND PARLAMENTARISMUS. WIE KOMMEN WIR ZU DEN BESTEN ENTSCHEIDUNGEN? HG. VON THEO ÖHLINGER UND KLAUS POIER. 2015. 407 S. BR. ISBN 978-3-205-79665-7 85 HOCHSCHULRECHT – HOCHSCHULMANAGEMENT – HOCHSCHULPOLITIK. SYMPOSION AUS ANLASS DES 60. GEBURTSTAGES VON CHRISTIAN BRÜNNER. HG. VON GERHARD SCHNEDL UND SILVIA ULRICH. 2003. 258 S. 7 GRAFIKEN. UND 5 TAB. GB. ISBN 978-3-205-99468-8 86 DAS ZERRISSENE VOLK. SLOWENIEN 1941–1946. OKKUPATION, KOLLA BORATION, BÜRGERKRIEG, REVOLUTION. VON TAMARA GRIESSER-PEČAR. 2003. IX, 583 S. GB. ISBN 978-3-205-77062-6 (VERGRIFFEN) 87 ZUR QUALITÄT DER BRITISCHEN UND ÖSTERREICHISCHEN DEMOKRATIE. EMPIRISCHE BEFUNDE UND ANREGUNGEN FÜR DEMOKRATIEREFORM. VON E. ROBERT A. BECK UND C HRISTIAN SCHALLER. 2003. XXII, 620 S. ZAHLR. TAB. BR. ISBN 978-3-205-77071-8 88 DIE ÖSTERREICHISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. AUFGABEN, RECHTS S TELLUNG, ORGANISATION. VON HEDWIG KOPETZ. 2006. XX, 457 S. 7 S/W-ABB. BR. ISBN 978-3-205-77534-8 89 RAUMFAHRT UND RECHT. FASZINATION WELTRAUM. REGELN ZWISCHEN HIMMEL UND ERDE. HG. VON CHRISTIAN BRÜNNER, ALEXANDER SOUCEK UND EDITH WALTER. 2007. 200 S. 66. FARB. ABB. BR. ISBN 978-3-205-77627-7 90 SOZIOKULTURELLER WANDEL IM VERFASSUNGSSTAAT. PHÄNOMENE POLITISCHER TRANSFORMATION. FESTSCHRIFT FÜR WOLFGANG MANTL ZUM 65. GEBURTSTAG. HG. VON HEDWIG KOPETZ, JOSEPH MARKO UND KLAUS POIER. 2004. 2 BDE. IM SCHUBER. 1700 S. ZAHLR. TAB., GRAF. UND ABB. GB. MIT SU. ISBN 978-3-205-77211-8

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STUDIEN ZU POLITIK UND VERWALTUNG HG. VON ERNST BRUCKMÜLLER, KLAUS POIER, GERHARD SCHNEDL, EVA SCHULEV-STEINDL 91 NATIONALES WELTRAUMRECHT. NATIONAL SPACE LAW. DEVELOPMENT IN EUROPE – CHALLENGES FOR SMALL COUNTRIES. HG. VON CHRISTIAN BRÜNNER UND EDITH WALTER. 2008. 232 S. ZAHLR. ABB. BR. ISBN 978-3-205-77760-1 93 KARL LUEGER (1844–1910). CHRISTLICHSOZIALE POLITIK ALS BERUF. EINE BIOGRAPHIE. VON JOHN W. BOYER. AUS DEM ENGLISCHEN ÜBERSETZT VON OTMAR BINDER. 2009. 595 S. 19 S/W-ABB. GB. ISBN 978-3-205-78366-4 94 DER ÖSTERREICHISCHE MENSCH. KULTURGESCHICHTE DER EIGENART ÖSTERREICHS. VON WILLIAM M. JOHNSTON. BEARBEITET VON JOSEF SCHIFFER. 2009. 394 S. GB. ISBN 978-3-205-78298-8 (VERGRIFFEN) 95 FUNKTIONEN DES RECHTS IN DER PLURALISTISCHEN WISSENSGESELLSCHAFT. FESTSCHRIFT FÜR CHRISTIAN BRÜNNER ZUM 65. GEBURTSTAG. HG. VON SILVIA ULRICH, GERHARD SCHNEDL UND RENATE PIRSTNER-EBNER. 2007. XXIV, 696 S. GB. ISBN 978-3-205-77513-3 97 DEMOKRATIE IM UMBRUCH. PERSPEKTIVEN EINER WAHLRECHTSREFORM. HG. VON KLAUS POIER. 2009. 329 S. MIT ZAHLREICHEN TAB. BR. ISBN 978-3-205-78434-0 98 DIE FREIHEIT DER POLITISCHEN MEINUNGSÄUSSERUNG. IHRE ENTWICKLUNG IM ÖSTERREICHISCHEN UND BRITISCHEN VERFASSUNGSRECHT UND IHRE STAATSPHILOSOPHISCHEN WURZELN. VON STEPHAN G. HINGHOFER-SZALKAY. 2011. 308 S. 2 TAB. UND 3 GRAFIKEN. BR. ISBN 978-3-205-78622-1 99 DER UMFANG DER ÖSTERREICHISCHEN GESCHICHTE. AUSGEWÄHLTE STUDIEN 1990–2010. VON GERALD STOURZH. 2011. 334 S. BR.

ISBN 978-3-205-78633-7

101 SKURRILE BEGEGNUNGEN. MOSAIKE ZUR ÖSTERREICHISCHEN GEISTESGESCHICHTE. MIT EINEM VORWORT VON WILLIAM M. JOHNSTON. VON NORBERT LESER. 2011. 254 S. 2 S/W-ABB. GB. MIT SU. ISBN 978-3-205-78658-0

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STUDIEN ZU POLITIK UND VERWALTUNG HG. VON ERNST BRUCKMÜLLER, KLAUS POIER, GERHARD SCHNEDL, EVA SCHULEV-STEINDL 102 SOFT LAW IN OUTER SPACE. THE FUNCTION OF NON-BINDING NORMS IN INTERNATIONAL SPACE LAW. HG. VON IRMGARD MARBOE. 2012. 407 S. FRANZ. BR. ISBN 978-3-205-78797-6 103 EUROPASPRACHEN. HG. VON PETER CICHON UND MICHAEL MITTERAUER. 2011. 166 S. BR. MIT SU. ISBN 978-3-205-78608-5 104 BILDUNG, WISSENSCHAFT, POLITIK. INSTRUMENTE ZUR GESTALTUNG DER GESELLSCHAFT. CHRISTIAN BRÜNNER ZUM 72. GEBURTSTAG. HG. VON WERNER HAUSER UND ANDREAS THOMASSER. 2014. 1042 S. ZAHLR. S/W- UND FARB. ABB. GB. MIT SU. ISBN 978-3-205-78944-4 105 LEBENSZEUGNISSE ÖSTERREICHISCHER VIZEKANZLER IM SOZIOPOLITISCHEN KONTEXT. HG. VON WOLFGANG MANTL. 2016. CA. 504 S. CA. 16 S/W-ABB. ISBN 978-3-205-77759-5 106 ÖSTERREICH AUF DEM WEG ZUR DEMOKRATIE? AUFMERKSAME

BEOBACHTUNGEN AUS EINEM HALBEN JAHRHUNDERT. VON MANFRIED WELAN. 2012. 358 S. GB. MIT SU. ISBN 978-3-205-78853-9

107 JOSEPHINISCHE MANDARINE. BÜROKRATIE UND BEAMTE IN ÖSTERREICH. BAND 2: 1848–1914. VON WALTRAUD HEINDL. 2013. 332 S. 11 S/W- UND 1 FARB. ABB. GB. MIT SU. ISBN 978-3-205-78853-9 108 HEIMATRECHT UND STAATSBÜRGERSCHAFT ÖSTERREICHISCHER JUDEN. VOM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS BIS IN DIE GEGENWART. VON HANNELORE BURGER. 2014. 274 S. 22 S/W-ABB. GB. MIT SU. ISBN 978-3-205-79495-0 109 TRANSPARENZ UND KOMMUNIKATION DER EUROPÄISCHEN UNION IM LICHTE DES ART. 15 AEUV. VON JOSEF MANTL. 2016. 248 S. BR. ISBN 978-3-205-79608-4 110 ZUR KULTURGESCHICHTE ÖSTERREICHS UND UNGARNS 1890–1938. AUF DER SUCHE NACH VERBORGENEN GEMEINSAMKEITEN. VON WILLIAM M. JOHNSTON. 2015. 328 S. GB. MIT SU. ISBN 978-3-205-79541-4 111 DAS RECHT AUF SAUBERE LUFT. BÜRGER UND BÜRGERINNEN ZWISCHEN POLITIK UND GERICHTEN. HG. VON EVA SCHULEV-STEINDL, GERHARD SCHNEDL UND MARLIES MEYER. 2016. 192 S. BR. ISBN 978-3-205-20278-3

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