Das Oberappellationsgericht Celle und seine Rechtsprechung im 18. Jahrhundert 9783412214258, 9783412207922

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Das Oberappellationsgericht Celle und seine Rechtsprechung im 18. Jahrhundert
 9783412214258, 9783412207922

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QUELLEN UND FORSCHUNGEN ZUR HÖCHSTEN GERICHTSBARKEIT IM ALTEN REICH HERAUSGEGEBEN VON FRIEDRICH BATTENBERG, ALBRECHT CORDES, ulrich eisenhardt, peter oestmann, Wolfgang Sellert

Band 59

Das Oberappellationsgericht Celle und seine Rechtsprechung im 18. Jahrhundert von Stefan Andreas Stodolkowitz

2011 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort sowie der Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüneburg

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Inhaltsverzeichnis A.

Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Oberappellationsgericht im Kontext rechtshistorischer Forschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Quellenlage und bisheriger Forschungsstand. . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswertung des Lauenburger Aktenbestandes . . . . . . . . . . . . .

B.

Rechtliche und politische Stellung des Oberappellationsgerichts im Kurstaat. . . . . . . . I. Das braunschweig-lüneburgische Appellationsprivileg. . . . . . . II. Die Gründung des Gerichts und die Entstehung der Oberappellationsgerichtsordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Beginn. Die Ausarbeitung des Entwurfs einer Gerichtsordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die feierliche Eröffnung des Gerichts am 14. Oktober 1711 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fertigstellung und Inkrafttreten der Oberappellations- gerichtsordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Proömium der Oberappellationsgerichtsordnung. . . . . . . 1. Überblick über die Aussagen des Proömiums und ihre bisherige Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Übertragung landesherrlicher Rechtsprechungsgewalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unparteilichkeit der Rechtsprechung gegenüber dem Landesherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Versprechen des freien Laufs der Justiz. . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bewertung des Proömiums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Personelle Besetzung des Gerichts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Qualifikation des richterlichen Personals . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgaben der Oberappellationsgerichtsordnung . . . . . . b) Verschärfung der Anforderungen durch den Landesherrn 1778. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Landschaftliche Präsentationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bestätigungsrecht des Landesherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beteiligung des Gerichts an der Auswahl des richterlichen Personals. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Schlußfolgerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die selbständige Rechtsstellung des Gerichts im Kurstaat. . . .



1



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VI

Inhalt

1. Die einzelnen Aspekte der Selbständigkeit. . . . . . . . . . . . . . a) Beteiligung des Gerichts an der Zusammensetzung der Richterschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Adjunkten: Auswahl und Aufsicht. . . . . . . . . . . . . . c) Finanzielle Selbständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Advokaten, Prokuratoren und Notare. . . . . . . . . . . . . . . e) Aufsicht über die braunschweig-lüneburgischen Obergerichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Auslegung des Rechts, Gemeine Bescheide und die Bedeutung von Präjudizien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Die Würde des Gerichts und der Umgang mit ungebührlichem Verhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einschränkung der Selbständigkeit durch Unterordnung gegenüber dem Landesherrn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Oberappellationsgericht als Ständeversammlung. . . . . VI. Einflußmöglichkeiten des Landesherrn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die personelle Zusammensetzung des Gerichts. . . . . . . . . . 2. Machtsprüche kraft uneingeschränkter Machtvollkommenheit des Landesherrn. . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Machtsprüche in Braunschweig-Lüneburg. . . . . . . . . . . c) Landesherrliche Kommissionen als Möglichkeit der Einflußnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Landesherrliche Kommissionen in der Rechtspraxis . . . 3. Visitationen des Gerichts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgaben der Oberappellationsgerichtsordnung . . . . . . b) Bedeutung gerichtlicher Visitationen in Reichs- und Territorialjustiz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Behandlung der Visitationen in der Rechtswirklichkeit. aa) Verlangen der Landschaft Hoya nach einer Visitation im Jahre 1732. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verlangen der lüneburgischen Landschaft nach einer Visitation im Jahre 1780. . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Visitation und der einzelne Bürger – der Fall des Amtmannes Wedemeyer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Haltung des Gerichts zur Visitationsfrage um 1800. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entscheidungskompetenz des Landesherrn in Rechtswegfragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kameraljustiz nach der Göhrder Konstitution von 1719. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VII

Inhalt



VII. Das Oberappellationsgericht im vormodernen Fürstenstaat – Ursachen und Bewertung seiner Rechtsstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung fürstlicher Herrschaft für die Gerichtsverfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfassungsentwicklung in Braunschweig-Lüneburg. . . b) Die Landeshoheit als Kernbestand frühneuzeitlicher Territorialherrschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschränkung der Territorialherrschaft durch Einbindung in den Reichsverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beständigkeit der Verhältnisse im 18. Jahrhundert. . . . . . . . 3. Das Oberappellationsgericht im Rahmen des Reichsverbandes – Ergebnisse eines Vergleichs mit dem Reichskammergericht und dem Wismarer Tribunal. . . . . . . 4. Elemente einer unabhängigen Rechtspflege. . . . . . . . . . . . . .

C.

Gerichtliches Verfahren und Prozessdauer. I. Allgemeine Verfahrensgrundsätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Grundsatz strenger Schriftlichkeit des Verfahrens. . . . 2. Verbot des Artikelprozesses und Eventualmaxime . . . . . . . 3. Die litis contestatio und ihre Bedeutung im Celler Prozeßrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das weitgehende Verbot der Aktenversendung. . . . . . . . . . II. Verfahrensart und sachliche Zuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Ablauf des Verfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung des Verfahrens (Extrajudizialverfahren). . . . . . . 2. Entscheidung des Gerichts über den beantragten Prozeß. . a) Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mögliche Entscheidungen im Extrajudizialverfahren. . . c) Gerichtliche Praxis am Beispiel des Lauenburger Aktenbestandes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Judizialverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Oberappellationsgerichts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Restitutionsklage als Wiederaufnahme des Verfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Widerlegung der Entscheidungsgründe bei Entscheidungen im Extrajudizialverfahren. . . . . . . . . . . 5. Darstellung eines Plenarprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Schlußfolgerungen aus dem dargestellten Verfahren. . . . . .

124 124 124 129 132 136 138 140

145 147 147 148



150 152 154 157 157 161 161 163

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VIII D.

Inhalt

IV. Verfahrensdauer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Verfahrensdauer der im Extrajudizialverfahren entschiedenen Fälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Verfahrensdauer bei Durchführung des förmlichen Plenarprozesses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Prozesstätigkeit des Oberappellations- gerichts am Beispiel des Herzogtums Lauenburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Quantitative Entwicklung des Prozeßaufkommens. . . . . . . . . . II. Gerichte der Vorinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die lauenburgischen Obergerichte: Regierung, Hofgericht und Konsistorium. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die französischen Gerichte der napoleonischen Zeit. . . . . . III. Strukturanalyse der Prozeßparteien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur der Parteien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Soziale Schichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Methodische Vorbemerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Adel, bürgerliche Rittergutsbesitzer und Geistlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die bürgerlichen Ober- und Mittelschichten . . . . . . . . . d) Landbevölkerung und Unterschicht. . . . . . . . . . . . . . . . . e) Juden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Untertanenprozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahren zwischen der Landbevölkerung adliger Gerichte und ihrer Gutsherrschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Quantitative Auswertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Untertanenprozesse der Dorfschaften Elmenhorst, Groß Pampau und Sahms aus den Jahren 1751 und 1755. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Darstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Untertanenprozesse der Eingesessenen zu Göttin 1786–1792. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Darstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Entsetzung des Bauervogts Brüggemann von seiner Hofstelle in Bliestorf im Jahre 1807. . . . . (1) Darstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

199 199 205

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231 231 233 233 236 236 237 241 244 244



Inhalt

IX



(2) Bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassung und Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfahren zwischen der amtssässigen Bevölkerung und den Ämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verfahren zwischen der Bevölkerung und den Städten. . e) Verfahren zwischen der Bevölkerung und den lauenburgischen Zentralbehörden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Streitgegenstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkungen. Methodik und herangezogene Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hoheitliche Rechte, Jurisdiktionsrechte, Lehnswesen und Grundherrschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Streitigkeiten im Rahmen des Familienverbandes. . . . . . . . . 4. Geldwirtschaft, Handel und Gewerbe sowie Grund- und Bodenwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kriminalität und Injurien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

246 247 250 252 252 255 255 257 262 263 266

E. Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Anhang: Tabellen zur Auswertung der Prozessakten des Oberappellationsgerichts. . . . . . . . . . . . . . Tab. 1: Quantitative Entwicklung des Prozeßaufkommens. . . . . . . Tab. 2: Verfahrensart. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tab. 3: Entscheidungen außerhalb des förmlichen Plenarprozesses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tab. 4: Häufigkeit und Anteil des Plenarprozesses. . . . . . . . . . . . . . Tab. 5: Durchschnittliche Verfahrensdauer der im Extrajudizialverfahren entschiedenen Fälle. . . . . . . . . . . . . . Tab. 6: Durchschnittliche Verfahrensdauer der Plenarprozesse . . . Tab. 7: Verfahrensdauer der Plenarprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tab. 8: Gerichte der Vorinstanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tab. 9: Rechtsnatur der Parteien: Privatparteien, Obrigkeiten und Kirchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tab. 10: Rechtsnatur der Parteien: Städte, Dörfer und Bauernschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tab. 11: Auswertung der Privatparteien, erste Partei. . . . . . . . . . . . . Tab. 12: Auswertung der Privatparteien, zweite Partei. . . . . . . . . . . . Tab. 13: Herkunft der Prozeßparteien im Herzogtum Lauenburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

277 277 278 278 279

279 280 280 281

281 282 282 283 283

X Tab. 14: Tab. 15: Tab. 16: Tab. 17: Tab. 18: Tab. 19: Tab. 20: Tab. 21: Tab. 22: Tab. 23: Tab. 24: Tab. 25: Tab. 26: Tab. 27: Tab. 28: Tab. 29: Tab. 30: Tab. 31: Tab. 32: Tab. 33: Tab. 34: Tab. 35: Tab. 36: Tab. 37: Tab. 38: Tab. 39: Tab. 40:

Inhalt

Herkunft nicht dem Herzogtum Lauenburg angehörender Prozeßparteien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Soziale Schichtung der Prozeßparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . Soziale Schichtung der Prozeßparteien, Angaben in Prozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Soziale Schichtung der Prozeßparteien: Adel. . . . . . . . . . . . Soziale Schichtung der Prozeßparteien: Geistlichkeit . . . . . Soziale Schichtung der Prozeßparteien: Oberschicht. . . . . . Soziale Schichtung der Prozeßparteien: Obere Mittelschicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Soziale Schichtung der Prozeßparteien: Niedere Mittelschicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Soziale Schichtung der Prozeßparteien: Landbevölkerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertanenprozesse zwischen der Landbevölkerung adliger Gerichte und der Gutsherrschaft. . . . . . . . . . . . . . . . Aufteilung der Untertanenprozesse auf die adligen Gerichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertanenprozesse zwischen der amtssässigen Bevölkerung und den Ämtern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitgegenstand, Angaben in Prozent. . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitgegenstand. Staatliche/hoheitliche Rechte . . . . . . . . . . Streitgegenstand. Jurisdiktion und Lehnswesen. . . . . . . . . . Streitgegenstand. Grundherrschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitgegenstand. Familienverband. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitgegenstand. Grund- und Bodenwirtschaft. . . . . . . . . . Streitgegenstand. Geldwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitgegenstand. Handel und Gewerbe. . . . . . . . . . . . . . . . . Streitgegenstand anhand der Geschäftsübersichten 1749–1752 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitgegenstand anhand der Geschäftsübersichten 1749–1752, Angaben in Prozent. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitgegenstand anhand der Geschäftsübersichten 1780–1782 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitgegenstand anhand der Geschäftsübersichten 1780–1782, Angaben in Prozent. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitgegenstand anhand der Geschäftsübersichten 1800/1801 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitgegenstand anhand der Geschäftsübersichten 1800/1801, Angaben in Prozent. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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300 300 300 301 301 301



Inhalt

Quellen- und Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . A. Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Oberlandesgericht Celle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Niedersächsisches Landesarchiv – Hauptstaatsarchiv Hannover. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Landesarchiv Schleswig-Holstein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kreisarchiv Ratzeburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gedruckte Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI 303 303 303 303 303 304 304 306

Personen- und Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen Abs. Abt. AcP Anh. Art. c/a CCCal. CCCel. Dep. ders. dies. EdN f. ff. FGO GVG HRG Hrsg. HZ IPO JRA Jura JZ Kap. LS m. w. N. MIÖG NDB NdsJbLG NHStA Nr. Nrn.

Absatz Abteilung Archiv für die civilistische Praxis Anhang Artikel contra Chur-Braunschweig-Lüneburgische Landes-Ordnungen und Gesetze Calenbergischen Theils (Corpus Constitutionum Calenbergense) Chur-Braunschweig-Lüneburgische Landes-Ordnungen und Gesetze Zellischen Theils (Corpus Constitutionum Cellense) Depositum derselbe dieselbe Enzyklopädie der Neuzeit folgende Seite/Spalte folgende Seiten/Spalten Finanzgerichtsordnung Gerichtsverfassungsgesetz Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Herausgeber Historische Zeitschrift Instrumentum Pacis Caesaro-Suecicum Osnabrugense (Westfälischer Friedensvertrag von Osnabrück) Jüngster Reichsabschied Jura. Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristenzeitung Kapitel Landesarchiv Schleswig-Holstein mit weiteren Nachweisen Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung Neue Deutsche Biographie Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover Nummer Nummern

XIV OAGO Rdnr. Rdnrn. Red. RHRO RKGO S. schw.-dt. GO Sec. Sp. Tab. Th. Tit. u. a. u. ä. usw. vgl. VVDStRL VwGO WTO ZDR ZNR ZPO ZRG GA ZRG RA

Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen

Oberappellationsgerichtsordnung Randnummer Randnummern Redaktion Reichshofratsordnung Reichskammergerichtsordnung Seite(n) Ihro Königl. Majest. und derer Reiche Schweden in Dero Teutschen Provincien Gerichts-Ordnungen Sectio Spalte(n) Tabelle(n) Theil Titel und andere und ähnliches und so weiter vergleiche Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Wismarer Tribunalsordnung Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte Zivilprozeßordnung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung

Vorwort Diese Monographie ist die leicht überarbeitete Fassung einer Arbeit, die im Wintersemester 2009/2010 von der Juristischen Fakultät der Universität Passau als Dissertation angenommen wurde. Die Anregung zu ihr erhielt ich von Frau Professorin Dr. Ulrike Müßig in Passau anläßlich eines Seminarvortrags zum Thema „Eine Zierde der Justiz in deutschen Landen – Das Oberappellationsgericht Celle“. Für diese Anregung, für die Betreuung während der Arbeit an der Dissertation sowie für die Erstellung des Erstgutachtens schulde ich Frau Professorin Dr. Ulrike Müßig besonderen Dank. Für die Erstellung des Zweitgutachtens danke ich Herrn Professor Dr. Ulrich Manthe. Weiterhin sage ich den Herausgebern für die Aufnahme in die Schriftenreihe meinen verbindlichsten Dank. Die Druckkosten wurden im Wege großzügiger Unterstützung vom Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG-Wort sowie der Landschaft des Fürstentums Lüneburg übernommen. Mit der lüneburgischen Landschaft beteiligt sich im Jahr des 300. Gründungstages des Celler Gerichts eine Institution an der Veröffentlichung dieser Arbeit, die bereits 1711 an der Gründung des Oberappellationsgerichts und in der folgenden Zeit an seiner finanziellen Unterhaltung nicht unerheblich mitgewirkt hat. Zur Entstehung dieser Monographie haben viele beigetragen, denen ich hier nur unvollkommen danken kann. Von den Angehörigen der Grupenschen Stiftungsbibliothek und der Bibliothek des Oberlandesgerichts Celle habe ich in vielerlei Hinsicht Unterstützung erhalten. Gleiches gilt für die Mitarbeiter des schleswig-holsteinischen Landesarchivs. Ohne sie und ohne die hervorragende Organisation des Archivs in Schleswig wäre die Auswertung aller dort erhaltenen Prozeßakten aus Celle kaum möglich gewesen. Besonders zu nennen ist hier Prof. Dr. Wolfgang Prange, der mir wichtige Hinweise aus dem Bereich der frühneuzeitlichen Geschichte Lauenburgs gegeben hat. Herrn Prof. Dr. Bernd Schildt danke ich für seine bereitwillige Unterstützung im Zusammenhang mit der Datenbank der Reichskammergerichtsakten. Wertvolle Anregungen habe ich durch Tagungen des Netzwerks Reichsgerichtsbarkeit und durch den Sommerkurs des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte erhalten. Mein Dank gilt denen, die mir die Teilnahme an diesen Veranstaltungen ermöglicht haben, sowie allen, die mir in Diskussionen und Gesprächen fruchtbare Denkanstöße gegeben und mich so bei der Arbeit unterstützt haben. Schließlich stehe ich in der Schuld aller, die mir während des Entstehens dieser Mono­graphie in fachlicher und menschlicher Hinsicht vor allem im

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privaten Bereich auf mannigfaltige Weise zur Seite gestanden haben. Einzelne nennen hieße hier vielen anderen Unrecht tun. Insofern möge der Dank in der Stille gedeihen. Stefan Andreas Stodolkowitz, im Juni 2011

A.  Einleitung „Unter den Territorialgerichten des 18. Jahrhunderts ragt vor allem das 1711 gegründete Hannoversche Oberappellationsgericht in Celle hervor. Seine Gerichtsordnung verband die bei den Reichsgerichten bewährten Grundsätze in glücklicher Weise mit zweckdienlichen Neuerungen. Die Unabhängigkeit dieses Gerichtshofs auch dem Landesherrn gegenüber ist im zeitgenössischen Schrifttum oft hervorgehoben worden. […] Besonders während des 18. Jahrhunderts galt es als eine Zierde der Justiz in deutschen Landen […].“ 1

1.  Das Oberappellationsgericht im Kontext rechtshistorischer Forschung „Weil Majestät gewöhnlich Unrecht haben!“ – Mit diesen Worten soll Rudolph Johann von Wrisberg, der von 1724 bis 1764 Präsident des 1711 gegründeten Oberappellationsgerichts Celle war, auf die Frage König Georgs II.2 geantwortet haben, warum er, der König, seine Prozesse vor dem Celler Gericht so oft verliere. Diese oft zitierte3 Anekdote spricht für ein richterliches Selbstverständnis, das in der Zeit des Fürstenstaates der Frühen Neuzeit überrascht. Sie ist zwar nicht historisch verifizierbar,4 aber unabhängig davon insofern sinnerfüllt, als die Landesherren die Autorität des Celler Gerichts weitgehend anerkannt und nie in seine Rechtsprechung eingegriffen haben. So kam das Oberappellationsgericht Celle in den Ruf, vom Herrscher und seiner Regierung unabhängig und mit weitgehenden Selbstverwaltungs1 Döhring, Geschichte, S. 27 f. 2 Georg II. (1683–1760), Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg und König von Großbritannien seit 1727. 3 Coing, Zur Geschichte, S. 19; Franzki, 275 Jahre, S. 24; Gunkel, S. 116; Jessen, Einfluß, S. 120; Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, S. 219; Lühr, S. 11; Miersch, S. 206; Roscher, S. 23; Schräder, S. 12; Wieacker, 250 Jahre, S. 16. 4 Auffällig ist, daß diese Begebenheit bei den beiden ältesten Chronisten des Celler Gerichts nicht erwähnt wird: von Bülow (1801/1804), und Spangenberg, Oberappellationsgericht (1833). Bei Wackerhagen (1808), S. 70 wird die Anekdote in der Form überliefert, daß Georg II. einen Minister gefragt habe, warum er seine Prozesse so oft verliere, und von diesem die genannte Antwort erhalten habe. Dies spricht allerdings nicht zwingend gegen die Person von Wrisbergs, denn dieser war als Präsident des Celler Gerichts bis 1732 zugleich Minister des Geheimen Rates, von Meier II, S. 191.

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rechten ausgestattet gewesen zu sein.5 Ja, es wurde gar zu einer Wiege richterlicher Unabhängigkeit stilisiert.6 Dabei dürfen freilich die übergeordneten rechtshistorischen Zusammenhänge nicht außer Acht gelassen werden. Eine verfassungsrechtlich gesicherte sachliche und persönliche Unabhängigkeit der Gerichte vom jeweiligen Herrscher setzt Gewaltenteilung voraus. Die richterliche Unabhängigkeit mußte sich erst in einem langen Entwicklungsprozeß gegen die Justizhoheit der Landesherren durchsetzen.7 Die Entwicklung richterlicher Unabhängigkeit im rechtsstaatlichen Sinne wäre für das frühe 18. Jahrhundert ein undenkbarer Anachronismus. Dies schließt jedoch nicht aus, daß sich am Beispiel des Celler Gerichts ein Entwicklungsprozeß ablesen läßt, der im Fürstenstaat der Frühen Neuzeit begann und schließlich zum sachlich und persönlich unabhängigen Richtertum des modernen Rechtsstaats führte. Wesentliche Rahmenbedingung für die Gründung des Celler Gerichts und sein Wirken im 18. Jahrhundert waren die komplexen Herrschaftsstrukturen der Frühen Neuzeit, aus denen sich eine homogene moderne Staatlichkeit erst allmählich entwickeln konnte. Dem Fürsten und seiner zunehmend rational organisierten Zentralverwaltung standen die hergebrachten ständischen Gewalten gegenüber. Weite Teile des Landes waren adligen Gütern zugehörig und unterstanden primär der Patrimonialherrschaft; staatlicher Hoheit waren sie nur mittelbar unterworfen.8 Diese uneinheitlichen Herrschaftsverhältnisse wirkten sich auch auf die Gerichtsbarkeit aus. Aber die Bedeutung staatlicher Herrschaft für die Justiz ist nur gleichsam eine von zwei Seiten derselben Medaille: Umgekehrt ist auch der Zustand der Gerichtsbarkeit aussagekräftig für den jeweiligen Stand staatlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen. So hat bereits Goethe geäußert, daß „die Beschaffenheit der Gerichte und der Heere die genaueste Einsicht in die Beschaffenheit irgendeines Reichs“ gibt.9 An Gerichten läßt sich ablesen, wie ein Gemeinwesen mit seinen gesellschaftlichen und politischen Konflikten umgeht.10 Die Justizgeschichte fügt sich so in allgemeine historische Zusammenhänge ein. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die Stellung des Oberappellationsgerichts im frühneuzeitlichen Staat des 18. Jahrhunderts und seiner Gesellschaft. Dabei dürfen nicht Prämissen bestimmend sein, die der Sicht 5 Insbesondere Coing, Zur Geschichte, S. 18 f.; Franzki, 275 Jahre, S. 23; Gunkel, S. 117; Wieacker, 250 Jahre, S. 8. 6 Lühr, S. 10; Schräder, S. 11. 7 Diestelkamp, Reichskammergericht und Rechtsstaatsgedanke, S. 1. 8 Vgl. Willoweit, Struktur, S. 11. 9 Goethe, Dichtung und Wahrheit, S. 570. 10 Ortlieb/Westphal, ZRG GA 123 (2006), 294.



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moderner Staatlichkeit und rechtsstaatlicher Justiz entspringen. Maßgeblich ist vielmehr der Hintergrund des frühneuzeitlichen Territorialstaates und seiner Herrschaftsverhältnisse. Auch sind die Verflechtungen mit dem Rechtsund Verfassungswesen des Alten Reiches zu berücksichtigen, in das die Territorien trotz ihrer zunehmenden Verselbständigung eingebunden blieben. Die Bedeutung des Reiches wird besonders an seiner Gerichtsbarkeit sichtbar. Ohne ihre mannigfaltigen Verbindungslinien zu den Reichsgerichten ist die frühneuzeitliche Territorialjustiz nicht denkbar. Bereits bei der Ausarbeitung der Celler Oberappellationsgerichtsordnung wurden die Reichskammergerichtsordnungen als Vorbilder herangezogen. Den Einfluß des Reichshofrates vermittelte Weipart Ludewig Fabricius (1640–1724), der an der Gründung des Gerichts maßgeblich beteiligt war und zuvor als Reichshofratsagent in Wien gewirkt hatte. Auch das 1653 gegründete Wismarer Tribunal als weiteres bedeutsames Höchstgericht im nördlichen Deutschland betrachteten die Väter des Celler Gerichts als Vorbild. Daher sind Vergleiche der Celler Gerichtsverfassung mit den Reichsgerichten und dem Wismarer Tribunal aufschlußreich. Im Vergleich zutage tretende Gemeinsamkeiten und Unterschiede tragen dazu bei, die Stellung des Oberappellationsgerichts im Rechtsund Gerichtsgefüge des Alten Reiches zu verorten. Im Bereich des gerichtlichen Verfahrens äußern sich die überregionalen Wechselbeziehungen in der Anwendung des gemeinen Prozeßrechts. So sind Gerichtsverfassung und Verfahren des Celler Gerichts ein Teil der höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich. Die Stellung des Gerichts im Rahmen der staatlichen Herrschaftsverhältnisse läßt sich weitgehend anhand der Oberappellationsgerichtsordnung und einschlägiger Literatur beurteilen. Die gerichtliche Praxis dagegen, die das Verfahren sowie die Bedeutung des Gerichts in der Gesellschaft bestimmte, kann nur auf Grund unmittelbarer Quellenüberlieferung sinnvoll untersucht werden. Dafür wurden die erhaltenen Prozeßakten herangezogen, die den Zeitraum von 1747 bis 1816 umfassen. Sie erlauben nicht nur eine Darstellung der historischen Wirklichkeit der gerichtlichen Praxis, die vom Text der Gerichtsordnung nicht selten abwich, sondern ermöglichen auch eine quantitative Auswertung der Rechtsfälle, mit denen das Gericht beschäftigt war, im Hinblick auf die gesellschaftliche Schichtung der Prozeßparteien und den Streitgegenstand.

2.  Quellenlage und bisheriger Forschungsstand Zur Gründung des Oberappellationsgerichts und zur Ausarbeitung seiner Gerichtsordnung sind nur noch vereinzelte Primärquellen erhalten, die einen Lichtstrahl auf die Grundlagen der Gerichtsverfassung und das Verhältnis

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des Gerichts zu den staatlichen Herrschaftsstrukturen werfen können. Die entsprechenden Akten der Regierung sind bei einem Luftangriff am 8./9. Oktober 1943 im Hauptstaatsarchiv Hannover fast ausnahmslos ein Raub der Flammen geworden.11 Daher konnten aus den Beständen der Regierung lediglich einige Akten zur Kameraljustiz nach der Göhrder Konstitution von 1719 ausgewertet werden. Einige weitere Akten, die Aufschlüsse über das Celler Gericht erlauben, sind durch die Überlieferung der Landstände erhalten geblieben. Dabei handelt es sich um die landschaftliche Registratur des Fürstentums Calenberg (NHStA Dep.  7) und Urkunden der Hoya-Diep- holzschen Landschaft (NHStA Dep. 106). Das Archiv der Grubenhagenschen Landschaft ist hingegen bereits 1809 beim Brand des Ständehauses in Hannover fast vollständig zugrunde gegangen,12 und das Archiv der lüneburgischen Land- und Ritterschaft ist bis auf geringe Reste im Jahre 1943 dem Kriege zum Opfer gefallen.13 Auch die Prozeßakten des Gerichts, die sich weitgehend ebenfalls im Hauptstaatsarchiv Hannover befanden, sind einschließlich der dazugehörigen Findmittel bei dem Luftangriff im Oktober 1943 zugrunde gegangen. Diejenigen Prozeßakten, die das Herzogtum Lauenburg betrafen, sind jedoch gesondert archiviert worden und haben den Krieg im Landesarchiv Schleswig-Holstein unbeschadet überstanden (LS Abt. 216). Dieser Bestand, der nahezu vollständig erhalten geblieben ist, enthält von unbedeutenden Ausnahmen abgesehen14 die einzigen noch erhaltenen Prozeßakten des Celler Gerichts. Seine Auswertung im Hinblick auf die prozessuale Praxis am Oberappellationsgericht – ein bisher unerfüllter „Wunsch der niedersächsischen Rechtsgeschichte“15 – ist Gegenstand des zweiten und dritten Teils der Untersuchung. Das Oberappellationsgericht hat die lauenburgischen Prozeßakten von Anfang an gesondert registriert. Nach 1816, als der größte Teil des Herzogtums Lauenburg an Dänemark abgetreten wurde16 und die Appellationszuständigkeit insofern auf das Obergericht Glückstadt überging, gab es 11 12 13 14

Vgl. NdsJbLG 20, 1947, 195 f. Schnath II, S. 335 Note 60. Schnath III, S. 36 Note 85. Im Bestand NHStA Hann. 73 sind 35 Prozeßakten vorwiegend aus dem 19. Jahrhundert erhalten. 15 Jessen, Gründung, S. 46. 16 Patent des dänischen Königs Frederik VI. vom 6. Dezember 1815, betreffend die Verwaltung der Geschäfte und die Einsendung der Bestallungen und Privilegien für das Herzogthum Lauenburg, bekanntgemacht nach der förmlichen Übertragung Lauenburgs am 27. Juni 1816, LS Abt. 217, Nr. 3. Dieses Patent ordnete an, daß das Obergericht Glückstadt an die Stelle des Celler Oberappellationsgerichts trat. Vgl. Hanisch, S. 134 ff.; Busch, S. 299 ff.



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die dieses Gebiet betreffenden Akten nach Glückstadt ab. Der Bestand der lauenburgischen Akten, der in Glückstadt fortgeführt wurde, enthält daher die Prozeßakten des Oberappellationsgerichts aus dem Herzogtum Lauenburg mit Ausnahme des Amtes Neuhaus, der südelbischen Teile des Amtes Lauenburg sowie der adligen Gerichte Ober Marschacht, Lüdersburg, Preten und Wehningen. Diese Gebiete verblieben 1816 bei Hannover, so daß die betreffenden Akten nicht dem Obergericht Glückstadt übergeben wurden. Auch das Land Hadeln, das zusammen mit Lauenburg 1747 das unbeschränkte Appellationsprivileg erhalten hatte,17 verblieb nach 1816 bei Hannover. Seine Prozeßakten wurden daher ebenfalls nicht nach Glückstadt abgegeben. 1834 wurden die nach Glückstadt gelangten Akten nach Kiel, 1868 nach Ratzeburg zum dortigen Hofgericht und 1870 an das Geheime Staatsarchiv in Berlin überführt. Seit 1876 werden sie im Staatsarchiv Schleswig, dem heutigen Schleswig-Holsteinischen Landesarchiv, archiviert und derzeit als Bestand Abteilung 216 geführt, der neben den Prozeßakten des Celler Gerichts auch diejenigen aus Glückstadt und Kiel aus der Zeit nach 1816 enthält. Erhalten sind somit nicht alle vom Oberappellationsgericht als lauenburgisch registrierten Akten, sondern nur diejenigen, die 1816 nach Glückstadt abgegeben wurden. Von gerichtlichen oder archivischen Kassationen ist der Bestand verschont geblieben. Lediglich die Akten von 17 Verfahren des Celler Gerichts sind im 19. Jahrhundert verloren gegangen.18 Sie wurden nach der Überführung des Bestandes von Kiel nach Ratzeburg 1869 vermißt und nicht wieder aufgefunden. Dabei handelt es sich nicht um bestimmte Verfahrenskomplexe, sondern um zufällige Verluste von Akten mit der Signatur K, die in der Registratur aufeinander folgten; die Verluste beeinträchtigen daher die Repräsentativität des Bestandes nicht wesentlich. Ebenfalls nicht erhalten sind laufende Akten, die das Gericht nach der vorübergehenden Annexion Lauenburgs durch Frankreich 1810 an die französische Cour Impériale in Hamburg abgab.19 Wie viele Akten davon betroffen waren, war den ausgewerteten Quellen nicht zu entnehmen. Auch dadurch wird die Repräsentativität aber nicht erheblich eingeschränkt, da offenbar alle laufenden Rechtssachen ohne Auswahl nach sachlichen Gesichtspunkten abgegeben wurden. 17 Eisenhardt, Die kaiserlichen privilegia, S. 79; Abdrucke des Privilegs finden sich in LS Abt. 210, Nr. 1451. Allgemein zum Land Hadeln Opitz, S. 256 ff. 18 Prange, Findbuch, S. 6. Die anderen von Prange erwähnten acht verlorenen Akten des Bestandes sind keine Akten des Oberappellationsgerichts Celle, sondern stammen aus der Zeit nach 1816. 19 Dies ergibt sich aus der Rechtssache LS Abt. 216, Nr. 986: Dort wird eine lauenburgische Appellationssache des Celler Gerichts genannt, die an die Cour Impériale abgegeben wurde und im untersuchten Bestand nicht erhalten ist.

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443 Prozeßakten des Oberappellationsgerichts sind erhalten geblieben; die verlorenen 17 Akten der Signatur K machen somit einen Anteil von weniger als vier Prozent aus. Auch die Zahl der an den französischen Gerichtshof abgegebenen Akten dürfte sich in Grenzen halten. Überdies sind auch die verlorenen 17 Akten mit der Signatur K im Findbuch20 des Bestandes aufgeführt, das der ursprünglichen gerichtlichen Registratur weitgehend folgt und neben den Jahreszahlen von Beginn und Ende des oberstgerichtlichen Verfahrens die Prozeßparteien und eine ungefähre Angabe des Streitgegenstandes verzeichnet. Ergänzt wird die Auswertung der Prozeßakten durch einen Blick in die „Urtheile und Hauptbescheide“, die Geschäftsübersichten, die vom Oberappellationsgericht seit 1730 herausgegeben wurden. Sie sind für die Jahrzehnte zwischen 1730 und 1802 fast vollständig erhalten. Da sie nur eine Auflistung der gerichtlichen Erkenntnisse mit lediglich stichwortartiger Nennung von Parteien und Streitgegenstand sind,21 ist ihr wissenschaftlicher Wert isoliert betrachtet gering.22 Sie sind aber gleichwohl insofern von Bedeutung, als sie angesichts des weitgehenden Verlusts der Prozeßakten die einzige Möglichkeit bieten, die Tätigkeit des Gerichts in ihrer Gesamtheit zu beleuchten. Für die Untersuchung wurden drei Zeitperioden dieser Geschäftsübersichten ausgewählt. Damit die Ergebnisse mit dem Lauenburger Aktenbestand verglichen werden können, wurden die Jahre von 1730 bis 1747 ausgeklammert. Die Auswahl der Zeiträume war darüber hinaus insofern nicht ganz frei, als nicht alle Jahrgänge der nur noch in wenigen Exemplaren erhaltenen Geschäftsübersichten zugänglich waren. Die Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen besitzt fast alle der zwischen 1730 und 1802 erschienenen Geschäftsübersichten. Wegen Restaurierungsmaßnahmen an einigen Bänden konnten aber nur die Jahrgänge 1730–1774 sowie 1800–1802 eingesehen werden. Die Jahrgänge 1801 und 1802 sind zudem jeweils nicht vollständig erhalten. Die Universitätsbibliothek Regensburg verfügt über eine nicht vollständige Sammlung der Jahrgänge 1774–1784 und die Universitätsbibliothek Rostock über die Jahrgänge 1794–1796. Weitere Exemplare der Geschäftsübersichten konnten nicht ausfindig gemacht werden. Insbesondere standen die Übersichten der Jahre um 1790, die wegen der gesellschaftlichen Umbrüche möglicherweise besonders aufschlußreich sein könnten, nicht zur Verfügung. Für die Untersuchung wurden daher die 20 Prange, Findbuch. 21 Beispiel eines Eintrags in einer solchen Geschäftsübersicht aus dem Jahre 1790: „Peter Garms, cont. die Wittwe Müller und Cons. in pto debiti, Reiector.“ Vgl. Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 27. 22 Vgl. Gehrke, S. 83: Diese Geschäftsübersichten seien „ohne das geringste wissenschaftliche Interesse“.



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Jahrgänge 1748–1751, 1780–1782 sowie 1800/1801 ausgewählt. Der erstgenannte Zeitraum ist von Interesse, weil er mit dem Beginn der Zuständigkeit für Lauenburg zusammenfällt und insofern einen Vergleich für die Anfangszeit ermöglicht. Die Jahre von 1780 bis 1782 markieren ausweislich der Auswertung des Lauenburger Bestandes eine Wende in der Prozeßtätigkeit, da die Verfahrenszahlen sowie der Anteil der Untertanenprozesse gegen die adlige Patrimonialherrschaft in dieser Zeit stark anstiegen. Da die Geschäftsübersichten der Jahre 1779 und 1783 im Exemplar der Universitätsbibliothek Regensburg jeweils nicht vollständig erhalten sind, kam hier nur die Untersuchung von drei Jahrgängen in Betracht. Die vier untersuchten Quartale vom 27. Oktober 1800 bis 7. November 180123 bilden schließlich das letzte zusammenhängende Jahr, für das die Geschäftsübersichten zugänglich waren. Da somit drei Untersuchungszeiträume der Geschäftsübersichten aus unterschiedlichen Perioden der gerichtlichen Tätigkeit zur Verfügung standen, wurde auf die Auswertung der Exemplare in Rostock verzichtet. Eine weitere Quelle von Entscheidungen des Oberappellationsgerichts ist das Werk des Celler Richters Friedrich Esajas von Pufendorf, der in seinen „Observationes Juris“ in nahezu tausend kleinen Abhandlungen die Rechtsprechung des Oberappellationsgerichts und das von ihm angewandte Recht darstellt.24 Von einer Auswertung dieser Quelle wurde bewußt abgesehen. Denn die von Pufendorf überlieferten Entscheidungen sind – anders als diejenigen des Lauenburger Aktenbestandes – für eine quantitative Auswertung insofern nicht geeignet, als Pufendorf sie nach sachlichen Kriterien ausgewählt hat. Sie bilden die Rechtsprechung daher nicht unverfälscht ab. Auch können ihnen weitgehend nur die Ergebnisse der Celler Jurisdiktion in einzelnen, vom Verfasser für erörterungswürdig gehaltenen Rechtsfragen entnommen werden. Die alltägliche Verfahrenspraxis des Gerichts ist nicht ihr Gegenstand. Die Literatur zum Oberappellationsgericht ist überschaubar. Hervorzuheben sind die zeitgenössischen Darstellungen der Oberappellationsräte von Bülow25 und Spangenberg.26 Auf ihnen baute die vor allem zu den Gerichtsjubiläen 1911, 1961 und 1986 erschienene Literatur27 auf, zumeist je23 Die Quartale umfaßten jeweils nicht genau drei Monate, da sie nach den Sitzungsperioden des Gerichts bemessen waren. 24 Von Pufendorf, Observationes Juris (1770–1782). Zu Pufendorf Depping, Art. Friedrich Esaias von Pufendorf, S.  59 ff.; Gunkel, S. 165 f.; Hagemann, Nachricht, S. 162 ff.; Heile, S. 75; Krause, Art. Pufendorf, Friedrich Esajas v., HRG IV, Sp. 102 ff.; Rieke, Celler Chronik 18 (2011), 79 ff. 25 Von Bülow (1801/1804). 26 Spangenberg, Oberappellationsgericht (1833). 27 Insbesondere Franzki, 275 Jahre (1986); Gunkel (1911); Lühr (1961); Schräder (1979); Wieacker, 250 Jahre (1961).

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doch ohne die Geschichte des Celler Gerichts in größere rechtshistorische Zusammenhänge einzubetten. Die mit der Gründung des Gerichts in engster Verbindung stehenden Auseinandersetzungen um das unbeschränkte Appellationsprivileg sind in der Dissertation von Jessen28 eingehend untersucht und dargestellt worden. Jessen hat sich darüber hinaus auch dem gerichtlichen Verfahren am Oberappellationsgericht gewidmet. Dabei hat er sich aber nicht auf die erhaltenen Prozeßakten29, sondern allein auf Sekundärliteratur gestützt. Eine eingehende Beschäftigung mit der Prozeßpraxis erschien daher im Rahmen der vorliegenden Untersuchung gleichwohl sinnvoll. Für Vergleiche mit den Reichsgerichten und die Einbindung der Untersuchung in die Rechts- und Verfassungsgeschichte des Alten Reiches steht hingegen reichhaltige Literatur zur Verfügung. Die moderne Höchstgerichtsbarkeitsforschung30 hat sich neben dem Reichskammergericht auch mit dem Reichshofrat31 und dem Wismarer Tribunal32 beschäftigt. Sie betont vor allem die strukturelle Bedeutung der Justiz in der Verfassung des Alten Reiches sowie dem Spannungsfeld zwischen dem Reich und den Territorialstaaten. Bei der Auswertung der Prozeßakten kann an wertvolle Erkenntnisse der Erschließung der Reichskammergerichtsakten33 sowie an die noch nicht abgeschlossene Aufarbeitung der prozessualen Überlieferung des Wismarer Tribunals34 angeknüpft werden. Auch über die Rechtsgeschichte hinaus ist die Frühe Neuzeit im letzten halben Jahrhundert ein Gegenstand umfangreicher historischer Forschungen geworden.35 Für verfassungsgeschichtliche Aspekte der frühneuzeitlichen Höchstgerichtsbarkeit im Rahmen von Herr28 Jessen, Einfluß (1986); auch ders., Gründung (1986). 29 Die erhaltenen Prozeßakten im Bestand LS Abt. 216 hat Jessen offensichtlich übersehen; Jessen, Einfluß, S. 30. 30 Zum derzeitigen Forschungsstand Ortlieb/Westphal, ZRG GA 123 (2006), 291 ff.; vgl. die Überblicksdarstellungen bei Liebmann, S. 151 ff.; Oestmann, Höchstrichterliche Rechtsprechung, S. 1 ff.; Westphal/Ehrenpreis, S. 1 ff. sowie die Beiträge in dem Band Battenberg/Schildt (Hrsg.), Das Reichskammergericht im Spiegel seiner Prozeßakten. 31 Grundlegend vor allem Sellert, Prozeßgrundsätze. 32 Jörn, Archiv; ders., Geschichte und Arbeitsweise; ders., Blutsauger; ders., Etablierung; ders., Gerichtstätigkeit; ders., Personal; ders., Stand und Aufgaben; ders., Das Wismarer Tribunal in seinen Beziehungen; Modéer, Gerichtsbarkeiten; ders., Die Gerichtsstruktur; Mohnhaupt, Organisation. 33 Richtungweisend insbesondere Ranieri, Recht und Gesellschaft. Baumann, Gesellschaft, hat die Auswertung der Reichskammergerichtsakten für das 17. und 18.  Jahrhundert fortgesetzt. Vgl. den Überblick bei Diestelkamp, Verzeichnung, S. 319 ff. 34 Vgl. Jörn, Stand und Aufgaben, S. 240 ff.; ders., Geschichte und Arbeitsweise, S. 280 ff.; Stein, S. 367 ff. 35 Vgl. Schulze, Frühe Neuzeit, S. 71 ff.



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schafts- und Staatsbildungsprozessen verdienen schließlich die Werke Dietmar Willoweits36 und Ulrike Müßigs37 besondere Beachtung.

3.  Auswertung des Lauenburger Aktenbestandes Die Bedeutung eines Gerichts kann trotz der Aussagekraft gerichtsorganisatorischer und justizpolitischer Merkmale und Entwicklungen nur auf Grund seiner Rechtsprechung umfassend ermessen werden.38 Erst in der Realität der prozessualen Rechtsverwirklichung tritt der wahre Charakter einer Rechtsordnung zutage.39 Nur eine Untersuchung der gerichtlichen Tätigkeit als solcher sowie der Frage, welche gesellschaftlichen Gruppen ein Gericht in Anspruch genommen und was für Angelegenheiten es beschäftigt haben, vermag Licht auf dessen praktische Wirksamkeit zu werfen. Die Tätigkeit des Oberappellationsgerichts wurde daher im Rahmen dieser Arbeit anhand der Prozeßakten aus dem Herzogtum Lauenburg untersucht. Der Bestand umfaßt die sieben Jahrzehnte der Zuständigkeit des Gerichts für das Herzogtum Lauenburg zwischen 1747 und 1816. Die erhaltenen Akten sind ordentlich und systematisch geführt und, soweit ersichtlich, ausnahmslos vollständig. Ihre Übersichtlichkeit wird durch eine stets am Anfang stehende Darstellung des Akteninhalts in Gestalt eines protocollum loco designationis actorum erhöht. Auch physisch befinden sich die Akten fast ausschließlich in sehr gutem Erhaltungszustand. Während das Reichskammergericht erst im ordentlichen Verfahren, dem sogenannten Judizialverfahren, mit der Aktenführung begann und Fälle, die in dieses Stadium nicht gelangten, sondern bereits im vorgelagerten Extrajudizialverfahren entschieden wurden, daher in der Regel nicht überliefert sind,40 legte das Oberappellationsgericht – ebenso wie das Wismarer Tribunal41 – sofort mit Erhebung einer Klage oder Einführung eines Rechtsmittels Akten an. Rechtsfälle, die das Gericht beschäftigt haben, aber nicht überliefert sind, gibt es daher nicht. Jeder Akt enthält die Parteischriften und Anträge, alle gerichtlichen Bescheide sowie Berichte untergeordneter Gerichte und Kom36 Willoweit, Rechtsgrundlagen. 37 Müssig, Gesetzlicher Richter ohne Rechtsstaat; dies., Höchstgerichte; dies., Höchstgerichtsbarkeit als Motor; dies., Recht und Justizhoheit. Ulrike Müßig publizierte bis 2005 unter ihrem Geburtsnamen Seif. 38 Hertz, MIÖG 69 (1961), 331. 39 Ranieri, Entscheidungsfindung, S. 165. 40 Oestmann, Rekonstruktion, S. 368 f.; Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 77. Vgl. zur Aktenführung des Reichskammergerichts Baumann, Quantifizierende Methode, S. 58 f.; dies., Aufbau. 41 Stein, S. 369.

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missionen, die vom Oberappellationsgericht zur Beweiserhebung oder zum Versuch der Güte eingesetzt wurden. Auch weniger bedeutende Anträge und Bescheide, die beispielsweise Fristverlängerungen und die Erteilung von Aktenabschriften betrafen, sind erhalten. Interne Schriften des Gerichts, insbesondere die Relationen der Referenten und Korreferenten, enthalten die Akten hingegen ebensowenig wie Voten der Richter und sonstige vorbereitende oder protokollierende Aufzeichnungen zu den Beratungen in den Senaten und im Plenum.42 Ob solche Schriften wie am Reichskammergericht anderweitig archiviert wurden, blieb bei der Untersuchung unklar; jedenfalls sind sie, soweit ersichtlich, nicht erhalten. Über den Prozeß der gerichtlichen Entscheidungsfindung und die argumentative Kultur am Oberappellationsgericht sind daher kaum Aussagen möglich.43 Gegenstand der Untersuchung waren einerseits der praktische Gang des gerichtlichen Verfahrens und andererseits die Bedeutung des Gerichts für die unterschiedlichen Gesellschaftsschichten des Herzogtums Lauenburg. Das angewandte materielle Recht wurde hingegen nicht untersucht. Eine solche Ausdehnung des Vorhabens hätte die Sichtung aller 443 Prozeßakten unmöglich gemacht. Materiellrechtliche Gesichtspunkte fanden daher nur Berücksichtigung, wenn und soweit dies für das Verständnis des gerichtlichen Verfahrens und die Erfassung des Streitgegenstandes erforderlich war. Um die Tätigkeit des Oberappellationsgerichts in ihrer ganzen Bandbreite würdigen zu können, stützt sich die Untersuchung in erster Linie nicht auf einzelne Aspekte bestimmter Verfahren, sondern auf die Methode einer quantitativen Analyse, die Ranieri44 für das 16. sowie Baumann45 für das 17. und 18. Jahrhundert auf die Regesten der Reichskammergerichtsakten angewandt haben. Anders als bei diesen standen hingegen aussagekräftige Archivregesten hier nicht zur Verfügung: Das von Prange veröffentlichte Findbuch46 des Lauenburger Aktenbestandes ist nicht hinreichend detailliert, um eine taugliche Grundlage der Untersuchung zu sein. Denn neben den Namen der Prozeßparteien enthält es lediglich eine ungefähre Angabe des Streitgegenstandes sowie eine zeitliche Einordnung nach Jahreszahlen. Herkunft und Berufsstand der Parteien sind nicht durchgehend angegeben; einzelne Prozeßhandlungen und gerichtliche Entscheidungen finden keine Erwähnung. 42 Eine Ausnahme stellt die 1777 beim Oberappellationsgericht eingeführte Appellationssache LS Abt. 216, Nr. 753 dar, in deren Akten ein gerichtsinternes protocollum deliberationis erhalten ist. 43 Zur Bedeutung der Relationen des Reichskammergerichts für eine Beurteilung seiner Argumentationskultur Ranieri, Entscheidungsfindung, S. 165. 44 Ranieri, Recht und Gesellschaft; ders., Versuch, S. 1 ff. 45 Baumann, Gesellschaft. 46 Prange, Findbuch.



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Verfahrensrechtliche Aspekte können dem Findbuch somit nicht entnommen werden. Daher wurden die Akten selbst als Quellengrundlage herangezogen. Dies war im Gegensatz zur Überlieferung des Reichskammergerichts unschwer möglich, da der verbliebene Bestand überschaubar und nicht auf verschiedene Orte aufgeteilt ist. Die Akten wurden im Hinblick auf bestimmte verallgemeinerungsfähige Kriterien untersucht, die eine statistische Auswertung ermöglichen. Die historisch-quantitative Methode löst sich von den Besonderheiten einzelner Rechtsfälle und stützt sich allein auf generalisierte Auswertungsgesichtspunkte. Dadurch ermöglicht sie es, sich wiederholende Erscheinungen und regelmäßige Entwicklungen in der Tätigkeit des Gerichts nachzuzeichnen, die als allgemeingültig gelten können.47 Vielfach erwiesen sich dabei die gleichen Untersuchungskriterien als sachgerecht, die Ranieri seiner Auswertung der Reichskammergerichtsakten zugrunde gelegt hat. Dies hat den Vorteil einer guten Vergleichbarkeit der Ergebnisse.48 Soweit freilich die territorialstaatlichen Verhältnisse des 18. Jahrhunderts von denen des Alten Reiches im 16. Jahrhundert wesentlich abweichen, mußten Fragestellung und Kategoriebildung entsprechend angepaßt werden. Zunächst wurde die tatsächliche Inanspruchnahme des Gerichts anhand der zahlenmäßigen Entwicklung des Prozeßaufkommens untersucht. Bereits darin kann sich das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Rechtsprechung ausdrücken.49 Des weiteren waren Aspekte des gerichtlichen Verfahrens wie die Verfahrensart, der Ablauf des Appellationsprozesses, die Art der gerichtlichen Entscheidungen und die Verfahrensdauer Gegenstand der Aktenauswertung. Sodann standen die Prozeßparteien, die am Oberappellationsgericht in Erscheinung traten, im Mittelpunkt der Untersuchung. Dabei war der Blick neben Art und Herkunft der Parteien vor allem auf deren soziale Schichtung zu lenken. Insofern wurde der Versuch unternommen, die Bedeutung des Oberappellationsgerichts im Lichte der gesellschaftlichen Verhältnisse des Herzogtums Lauenburg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu ermessen. Schließlich wurde der Streitgegenstand der Verfahren untersucht, um die oftmals auf sozialen Konflikten beruhenden rechtlichen Auseinandersetzungen, die das Gericht beschäftigten, thematisch einzugrenzen. Vermittels dieser Herangehensweise soll die historisch-quantitative Analyse allgemeingültige Aussagen über Justiz und Gesellschaft ermöglichen. 47 Siehe zu den Vorzügen der quantitativen Herangehensweise Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 54, 56 ff. 48 Vgl. im Hinblick auf weitere Untersuchungen der Reichskammergerichtsakten für das 17. und 18. Jahrhundert Baumann, Gesellschaft, S. 15; dies., Quantifizierende Methode, S. 62; zur Auswertung der prozessualen Überlieferung des Wismarer Tribunals Jörn, Stand und Aufgaben, S. 242. 49 Vgl. zum Reichskammergericht Ranieri, Versuch, S. 10.

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Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei zum einen die Tatsache, daß in einer ständisch gegliederten Gesellschaft oftmals nicht alle Schichten gleichermaßen Zugang zur Justiz haben – eine Tatsache, die in abgeschwächter Form für jede, auch unsere heutige Gesellschaft gilt: Denn die Gerichte haben keinen Einfluß darauf, daß sie von den verschiedenen gesellschaftlichen Schichten stets in unterschiedlichem Umfang in Anspruch genommen werden.50 Zum anderen sollen die Spannungen innerhalb der Gesellschaft am Ende der Frühen Neuzeit beleuchtet werden, die sich in der Tätigkeit des Gerichts widerspiegeln. Sofern die territoriale oberste Gerichtsbarkeit wie das Celler Gericht mit diesen Spannungen befaßt war, konnte sie einerseits den Gang gesellschaftlicher Auseinandersetzungen beeinflussen. Dabei spielt die zunehmende Verrechtlichung sozialer Konflikte am Ende der Frühen Neuzeit eine zentrale Rolle. Andererseits läßt sich an der Tätigkeit des Gerichts der Zustand einer ständisch geprägten Gesellschaft in einem Zeitalter grundstürzender sozialer und politischer Verwerfungen an der Schwelle zur Moderne ablesen. Die Herangehensweise der Untersuchung verbindet insofern rechtshistorische mit sozialgeschichtlichen Fragestellungen in einem gemeinsamen Blickwinkel.51 Von einer Auswertung des Streitwertes der Verfahren wurde – abweichend von Ranieri52 – Abstand genommen. Abgesehen von Geldforderungen war der Streitwert in den untersuchten Akten in der Regel nicht zu beziffern. Eine nur ungefähre Einordnung aber hätte kaum zu zuverlässigen Ergebnissen führen können. Um allgemeingültige Schlußfolgerungen ziehen und zufällige Verzerrungen der Ergebnisse weitgehend ausschließen zu können, muß die quantitative Analyse auf eine Quellenserie gestützt sein, in der die ausgewerteten Einzeldaten in einer rein zufälligen Auswahl erhalten geblieben sind.53 Damit die Quellengrundlage Repräsentativität beanspruchen kann, muß sie hinreichend groß sein. Für die Auswertung der Reichskammergerichtsakten bereitet das wegen des großen Umfangs der erhaltenen Bestände keine Schwierigkeiten. Die Anzahl der erhaltenen Akten des Celler Oberappellationsgerichts hingegen ist im Vergleich zu den rund 69.000 Reichskammergerichtsakten54 verschwindend gering. Daher stellt sich die Frage, ob 50 Wollschläger, Justizgewähr, S. 435. 51 Zu diesen Problemfeldern historisch-quantitativer Forschung aus rechtsgeschichtlicher Sicht Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 48. 52 Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 249 f. 53 Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 66. 54 Vgl. Battenberg, Reichskammergericht und Archivwesen, S. 178 f.: Von der Gesamtzahl der Reichskammergerichtsakten müssen demnach nur etwa elf Prozent als verloren gelten.



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ein Bestand von lediglich 443 Akten groß genug ist, um Zufallseinflüsse weitgehend ausschließen zu können. Die Untersuchung wurde trotz dieser berechtigten Bedenken durchgeführt, da die Lauenburger Akten als in sich geschlossener und nahezu vollständiger Bestand – von den wenigen zufälligen Verlusten abgesehen sind alle Akten aus den Gebieten, die 1816 an Dänemark abgetreten wurden, erhalten – im übrigen die Voraussetzungen einer statistischen Auswertung erfüllen. Zudem bieten sie infolge der Vernichtung aller anderen Akten des Celler Gerichts die einzige Möglichkeit, dessen Rechtsprechung umfassend zu beleuchten. In einem Punkt jedoch ist die Repräsentativität der Quellengrundlage eingeschränkt: Zwar sind die Einzeldaten innerhalb des Bestandes in zufälliger Auswahl erhalten. Der Bestand ist aber auf das Herzogtum Lauenburg beschränkt. Daher vermag er die Rechtsprechung des Gerichts insofern nicht repräsentativ widerzuspiegeln, als bestimmte Faktoren durch Umstände beeinflußt werden, die Lauenburg von den übrigen Teilen des Kurfürstentums unterscheiden. Uneingeschränkt verallgemeinerungsfähig sind die Untersuchungsergebnisse daher nur soweit, wie die ihnen zugrunde liegenden Merkmale für alle Teile des gerichtlichen Zuständigkeitsbereichs Geltung beanspruchen können. Dabei ist die Sonderstellung zu berücksichtigen, die Lauenburg im Verband des Kurstaates einnahm. Nach jahrhundertelanger Herrschaft der Askanier war das strategisch attraktive Herzogtum nördlich der Elbe erst um die Wende zum 18. Jahrhundert in die Hand der Welfen gelangt.55 Nach dem Landesrezeß von 1702, der zwischen Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg56 und der Ritter- und Landschaft des Herzogtums Lauenburg abgeschlossen wurde,57 behielt es seine alten Privilegien und Einrichtungen. Insbesondere blieben die Regierung, das Hofgericht und das Konsistorium in Ratzeburg als Behörden bestehen, unterstanden aber fortan den Zentralbehörden in Hannover. Lauenburg wurde nicht vollständig in die staatlichen Strukturen Kurhannovers eingegliedert und nahm im 18. Jahrhundert eine Zwischenstellung zwischen einer Personal- und einer Realunion ein.58 Da es keine Residenz mehr hatte und auch nicht über eine Universität verfügte, fehlten ihm die Impulse kultureller, wirtschaftlicher oder sozialer Zentren.59 Auch wegen seiner peripheren 55 Ausführlich zu den Erbfolgestreitigkeiten nach dem Tode des Askaniers Herzog Julius Franz von Sachsen-Lauenburg 1689 Krüger, S. 81 ff.; Opitz, S. 236 ff.; Schnath I, S. 447 ff., II, S. 35 ff. 56 Georg Wilhelm (1624–1705), Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, 1648–1665 Fürst des Fürstentums Calenberg, ab 1665 Fürst des Fürstentums Lüneburg. 57 Lauenburgische Verordnungen-Sammlung I, S. 192–208; Kenzler, S. 57 ff.; von Kobbe III, S. 108 ff.; Oberländer, Lauenburgische Heimat 156 (2000), 43. 58 G. Meyer, S. 12; Opitz, S. 249. 59 Opitz, S. 274 ff.

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geographischen Lage spielte es im Kurstaat nur eine unbedeutende Rolle und war eine wirtschaftlich und kulturell rückständige Provinz.60 Zudem verfügte das Herzogtum Lauenburg als Kolonisationsland aus dem Mittelalter über eine andere Agrarverfassung als der südelbische Rest des Kurfürstentums, die hinsichtlich der adligen Gerichte dem Typus der ostelbischen Gutsherrschaft zuzuordnen ist.61 Zwar waren die Bauern, die das Oberappellationsgericht, wie zu zeigen sein wird, in hohem Maße in Anspruch nahmen, nicht leibeigen, sondern persönlich frei. Die Gutsherren verfügten aber über stark gebündelte eigenständige Herrschaftsrechte, die den adligen Gerichten, wie die Rittergüter hier genannt wurden, eine größere und selbständigere Bedeutung verliehen.62 Anders als im nordwestdeutschen Altsiedelgebiet standen die adligen Gutsherren nicht unter, sondern gleichrangig neben dem landesherrlichen Amtmann.63 Auch waren die Dienstverpflichtungen der Bauern gegenüber der Gutsherrschaft in Lauenburg höher als im braunschweig-lüneburgischen Stammland.64 Die landesherrlichen Ämter Lauenburgs sind hingegen der nordwestdeutschen Grundherrschaft zuzuordnen, wenngleich auch ihnen gewisse Elemente der Gutsherrschaft anhaften.65 Das Meierrecht entsprach in seinen Grundzügen demjenigen des Stammlandes. Schließlich wurden bestehende Unterschiede im Laufe des 18. Jahrhunderts durch die Verwaltungspraxis, die am hannoverschen Vorbild orientiert war, teilweise eingeebnet.66 Hinsichtlich des Streitgegenstandes ermöglichen neben dem Lauenburger Aktenbestand die Geschäftsübersichten des Oberappellationsgerichts eine Untersuchung, die über das Herzogtum Lauenburg hinausgeht und den gesamten Zuständigkeitsbereich des Gerichts erfaßt. Zwar ist der Aussagegehalt der Geschäftsübersichten gering, da diese den Streitgegenstand nur in wenigen Stichworten skizzieren. Eine Untersuchung kann aber zumindest Anhaltspunkte dafür liefern, inwiefern die für das Herzogtum Lauenburg gewonnenen Ergebnisse auf das übrige Kurfürstentum übertragen und verallgemeinert werden können.

60 G. Meyer, S. 12; Opitz, S. 260 f. 61 Stoldt, S. 151 f.; vgl. Pohl, in: Jeserich/Pohl/von Unruh I, S. 256 f.; Wehler I, S. 71 ff. 62 Hillmann, S. 186; G. Meyer, S. 41 ff.; allgemein Selmer, Art. Gutsherrschaft, HRG I, Sp. 1878 ff. 63 Stoldt, S. 151. 64 G. Meyer, S. 48. 65 Stoldt, S. 152 f. 66 G. Meyer, S. 42 ff.; Stoldt, S. 49 f.

B. Rechtliche und politische Stellung des Oberappellationsgerichts im Kurstaat Die Rechtsprechung eines hohen Gerichts hängt wesentlich von der Stellung ab, die das Gericht im Gefüge des Herrschaftsverbandes, dem es angehört, einnimmt. Kern dieser Problematik ist die Frage nach der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit des Gerichts und seiner Richter von den politisch Herrschenden. Die Beantwortung dieser Frage ist insofern nicht einfach, als sich die Gerichte auch und gerade in Zeiten, die diese Grundsätze nicht kannten, zwischen dem Einfluß der Herrschenden und dem Ideal der Gerechtigkeit bewegten. Dabei können sich tatsächliche Elemente unabhängiger Rechtsprechung entwickelt haben, ohne daß der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit in Staat und Gesellschaft anerkannt war. Die Entwicklung zur Unabhängigkeit der Gerichte setzt auch nicht zwingend das – erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allmählich entstandene1 – öffentliche Bewußtsein voraus, daß eine Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung im Interesse der Gerechtigkeit wünschenswert sei. Vielmehr können solche Entwicklungen zunächst unbemerkt beginnen und ein entsprechendes öffentliches Bewußtsein erst im weiteren Verlauf der Ereignisse hervorbringen. Für das Oberappellationsgericht Celle stellt sich daher einerseits die Frage nach der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit, die mit den Herrschaftsverhältnissen im Fürstenstaat der Frühen Neuzeit auf den ersten Blick im Widerspruch zu stehen scheint. Eine Beantwortung dieser Frage setzt nicht nur eine Untersuchung der Gerichtsverfassung, sondern auch eine genaue Beleuchtung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse voraus. Andererseits ist zu klären, inwiefern die Herrschenden tatsächlich Einfluß auf die Rechtsprechung des Celler Gerichts genommen haben, da hieran möglicherweise der Stand der Entwicklung zur richterlichen Unabhängigkeit abgelesen werden kann. Über die Frage nach der Unabhängigkeit hinaus kann für die Stellung des Oberappellationsgerichts der Umfang der Befugnisse von Bedeutung sein, die ihm im Rahmen der Justizverwaltung zustanden. Zwar begründen solche Befugnisse keine Unabhängigkeit und berühren die Rechtsprechung nur mittelbar. Die Autorität der Entscheidungen aus der Sicht der Rechtsuchenden und der Herrschenden sowie das Selbstbewußtsein der Richterschaft, die Voraussetzung für die Entwicklung einer unabhängigen Justiz waren, können durch sie aber mitbeeinflußt worden sein. Ob dem Oberappella1 Ogris, Art. Kabinettsjustiz, HRG II, Sp. 517.

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tionsgericht auf Grund von Verwaltungs- und Aufsichtsrechten der Status einer Selbstverwaltungskörperschaft2 oder gar eigene Rechtsfähigkeit3 zuerkannt werden kann, ist allerdings kritisch zu hinterfragen.

2 Coing, Zur Geschichte, S. 6; Franzki, 275 Jahre, S. 23; Lühr, S. 13; Schräder, S. 8; Wieacker, 250 Jahre, S. 8. 3 Coing, Zur Geschichte S. 6; Schräder, S. 8; Wieacker, 250 Jahre, S. 13.



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I.  Das braunschweig-lüneburgische Appellationsprivileg Bevor das Celler Oberappellationsgericht gegründet wurde, waren der Reichshofrat in Wien und das Reichskammergericht in Wetzlar die höchsten Instanzen für Rechtssachen aus Braunschweig-Lüneburg. Das Rechtsmittel der Appellation an die Reichsgerichte war wegen der schon früher erteilten beschränkten Appellationsprivilegien von der Höhe des Streitwertes abhängig.1 Andere Rechtsbehelfe, insbesondere die Nichtigkeitsbeschwerde (querela nullitatis) und die Beschwerde wegen verweigerter oder verzögerter Justiz (querela protractae vel denegatae iustitiae), wurden von den Appellationsprivilegien nicht berührt.2 Als Ernst August von Braunschweig-Lüneburg3 im Jahre 1692 die Kurwürde erhielt, trat Unsicherheit hinsichtlich der Appellationszuständigkeit der Reichsgerichte ein. Nach teilweise vertretener Ansicht umfaßte die Kurwürde gemäß Kap. 8, 11 der Goldenen Bulle4 das unbeschränkte Appellationsprivileg, das die Appellationszuständigkeit der Reichsgerichte gänzlich ausschloß. Diese Ansicht machte sich Braunschweig-Lüneburg zu eigen.5 Die Repräsentanten des Reiches waren dagegen der Meinung, die Appellationsprivilegien der Goldenen Bulle seien durch Nichtgebrauch verwirkt.6 Dieser Meinungsstreit bestand jahrhundertelang zwischen Kaisern und Kurfürsten, ohne daß er jemals einer Lösung hätte zugeführt werden können. Obwohl er auch im Rückblick kaum entschieden werden kann,7 ist festzu1 Von Bülow I, S. 1 f. Auflistung der Braunschweig-Lüneburg erteilten beschränkten Appellationsprivilegien bei Eisenhardt, Die kaiserlichen privilegia, S. 77 f. 2 Eisenhardt, Die kaiserlichen privilegia, S. 13; Jessen, Einfluß, S. 89; Sydow, Der Staat 41 (2002), 272; eingehend zu diesen Rechtsmitteln auch Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 45 ff. Zur Rechtsverweigerung und der Bedeutung diesbezüglicher Beschwerden am Reichskammergericht Oestmann, ZRG GA 127 (2010), 51 ff.; Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 207 ff. 3 Ernst August (1629–1698), Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, Fürst des Fürstentums Calenberg seit 1679, Kürfürst ab 1692. 4 Müller, Die Goldene Bulle, S. 46 ff., 52 ff. 5 Jessen, Einfluß, S. 39. 6 So auch Moser, Einleitung, S. 354; vgl. von Pufendorf, De privilegiis. 7 Eisenhardt, Die kaiserlichen privilegia, S. 40 ff.; ders., ZRG GA 86 (1969), 81 ff.; Jessen, Einfluß, S. 40. Bross, S. 25 f. vertritt gleichwohl die Auffassung, die Appellationsprivilegien der Goldenen Bulle hätten auf Grund der historischen Entwicklung des Verhältnisses zwischen den Territorialfürsten und der Reichsgewalt auch nach 1495 fortgegolten. Vgl. auch Smend, S. 59 ff. sowie unter einseitiger Hervorhebung der Abhängigkeit des Landesherrn von den Ständen bei der Gründung des Celler Gerichts und dem Erwerb des Appellationsprivilegs E. L. von Lenthe, Präsentationsrechte, S. 547.

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stellen, daß Braunschweig-Lüneburg sich mit seiner Auffassung gegenüber dem Reich nicht durchsetzen konnte. Denn die Reichsgerichte haben offenbar nach 1692 gegen den heftigen Widerstand der hannoverschen Justizkanzlei weiterhin Appellationen gegen Entscheidungen braunschweig-lüneburgischer Gerichte angenommen. 8 Der abweichende Standpunkt blieb somit folgenlos. Auch als die Gründung des Celler Oberappellationsgerichts kurz bevor stand, waren der Kaiser und der Reichshofrat nicht bereit, die vollständige Appellationsfreiheit auf Grund der Goldenen Bulle anzuerkennen. Daher beantragte Braunschweig-Lüneburg ein gesondertes unbeschränktes Appellationsprivileg, das schließlich nach zähen Verhandlungen 1718 erteilt wurde.9 Bis dahin war gegen Entscheidungen braunschweig-lüneburgischer Gerichte die Appellation an die Reichsgerichte möglich. Seit dem 16. Jahrhundert war mit unbeschränkten Appellationsprivilegien regelmäßig die Verpflichtung des jeweiligen Landesfürsten verbunden, ein landeseigenes oberstes Gericht zu gründen, um im Interesse einer reichsweit einheitlichen Rechtsordnung einen Ersatz für die wegfallende Appellationsinstanz der Reichsgerichte zu schaffen.10 Da Braunschweig-Lüneburg der Ansicht war, daß ihm ein solches Privileg bereits seit 1692 zustehe, mußte die Gründung eines obersten Gerichts als dringlich gelten, zumal das Privileg von kaiserlicher Seite nicht anerkannt wurde und der Kurfürst hoffte, seine Position gegenüber dem Reich durch die Errichtung einer obersten Instanz stärken zu können. 1707 traf Ernst Augusts Nachfolger Georg Ludwig11 erste konkrete Bemühungen zur Gründung des 1711 eröffneten Oberappellationsgerichts. Offenbar hatte Georg Ludwig zunächst die Vereinigung der beiden Fürstentümer Lüneburg und Calenberg, zu der es nach dem Ableben des letzten Celler Herzogs Georg Wilhelm im Jahre 1705 gekommen war,12 sowie

8 Jessen, Einfluß, S. 46. 9 Jessen, Einfluß, S. 65 ff. 10 Vgl. § 15 Abschied des Deputationstages zu Speyer von 1600 = Sammlung der Reichs-Abschiede III, S.  476; Buchda, Art. Appellationsprivilegien, HRG  I, Sp.  200; Buschmann, Kaiser, Reich und Landesherren, S. 468; Eisenhardt, Die kaiserlichen privilegia, S. 55; Erwin, S.  234 ff.; von Pufendorf, De privilegiis, S. 184 f.; Sydow, Der Staat 41 (2002), 267; siehe auch Gabel, Einfluß, S. 78; Mohnhaupt, Organisation, S. 221 f. 11 Georg Ludwig (1660–1727), Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg seit 1698, ab 1714 in Personalunion als Georg I. König von Großbritannien. 12 Sukzessionsvertrag von 1680, NHStA Cal. Or. Des. 1, Nr. 187; Schnath  I, S. 139 ff., III, S. 87 ff.; von Heinemann III, S. 141 ff.



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die förmliche Einführung in das Kurfürstenkollegium13 abwarten wollen.14 Um aber schon vor der Eröffnung des Oberappellationsgerichts eine oberste Appellationsinstanz zu schaffen, die an die Stelle der Reichsgerichte treten konnte, hatte Georg Ludwig bestimmt, daß Appellationen gegen Entscheidungen der landeseigenen Gerichte vorübergehend an das Geheime Ratskollegium gerichtet werden sollten.15 An dieser Regelung wird das frühneuzeitliche Herrschaftsverständnis sichtbar: Vor Gründung eines eigenständigen Oberappellationsgerichts stand die oberste territoriale Gerichtsbarkeit allein dem Landesherrn kraft seiner Landeshoheit zu, und dieser übte sie durch seinen Geheimen Rat als oberste Regierungs- und Verwaltungsbehörde aus. Diese Appellationszuständigkeit des Geheimen Rates änderte aber nichts daran, daß gegen Entscheidungen braunschweig-lüneburgischer Gerichte Appellation an die Reichsgerichte eingelegt werden konnte. Denn wie ein Fall aus dem Jahre 1696 zeigt, war Braunschweig-Lüneburg nicht in der Lage, solche Appellationen zu unterbinden: Die Justizkanzlei Hannover weigerte sich zwar, dem Verlangen des Reichskammergerichts nach „Schreiben um Bericht“ und mehreren gerichtlichen Anordnungen nachzukommen, und betrieb die Zwangsvollstreckung ihres Urteils. Sie konnte aber nicht verhindern, daß das Reichkammergericht die Appellation annahm, die Sache an sich zog und entschied.16 Auch die Gründung des Oberappellationsgerichts im Jahre 1711 konnte für sich allein die Appellationszuständigkeit der Reichsgerichte nicht beseitigen. Diese endete erst 1718 durch die förmliche Erteilung des unbeschränkten Appellationsprivilegs. So war das Oberappellationsgericht in den ersten sieben Jahren seines Bestehens zwar das oberste Gericht der Kurlande; gleichwohl konnte in dieser Zeit gegen seine Entscheidungen aber an die Reichsgerichte appelliert werden.17

13 Erst 1708 wurde die unter den anderen Kurfürsten sehr umstrittene braunschweiglüneburgische Kurwürde durch die förmliche Einführung Georg Ludwigs in das Kurfürstenkollegium endgültig anerkannt; van den Heuvel, S. 158; Schnath III, S. 398 ff.; vgl. von Aretin, Das Alte Reich II, S. 54 ff., 179 ff.; von Esebeck; Moser, Einleitung, S. 165 ff. 14 Storch, S. 196 f. 15 Von Bülow I, S. 4; vgl. auch S. 17 Note 31: Demnach sind beim Geheimen Ratskollegium auf Grund dieser Interimszuständigkeit 186 Appellationen eingelegt worden. Wann diese Zuständigkeit begann, berichtet von Bülow nicht. Miersch, S. 107 bezeichnet die Appellationszuständigkeit des Geheimen Rates als „klassisches Beispiel von Kabinettsjustiz“. 16 Prottsche Erben c/a Hübner, NHStA Hann. 27 Hannover, Nr. 2316, zitiert nach Jessen, Einfluß, S. 47. 17 Vgl. den bei Jessen, Einfluß, S. 96 ff. ausführlich geschilderten Fall von Boineburg c/a von Mutschefahl, in dem das Reichskammergericht 1714 die Appellation gegen

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Doch auch nach der Verleihung des unbeschränkten Appellationsprivilegs war die Zuständigkeit der Reichsgerichte nicht generell ausgeschlossen, denn in einigen Fällen entfaltete das Privileg keine Wirkung. Appellationsprivilegien waren unbeachtlich bei Klagen gegen Reichsunmittelbare,18 in Austrägalstreitigkeiten19, in Mandatsprozessen mit Mandaten sine clausula als Fällen einstweiligen Rechtsschutzes20 und in Fällen mit grenzüberschreitendem Streitgegenstand21 sowie stets bei erstinstanzlicher Zuständigkeit des Reichskammergerichts.22 In Verfahren, in denen die Appellation beim Reichskammergericht vor 1718 anhängig gemacht worden war, beanspruchte dieses seine Zuständigkeit auch nach der Erteilung des Privilegs.23 Außerdem schloß das Privileg nur das Rechtsmittel der Appellation aus. Unberührt blieben dagegen die Zuständigkeiten der Reichsgerichte für die Beschwerde wegen verweigerter oder verzögerter Justiz (querela protractae vel denegatae iustitiae) und die Nichtigkeitsbeschwerde (querela nullitatis).24 Nach einer Entscheidung des Oberappellationsgerichts vom 30. Juni 1800 sollten gegen Entscheidungen in bremen-verdenschen Sachen keine Rechtsmittel an die Reichsgerichte statthaft sein, da das Bremen-Verden im Westfälischen Frieden erteilte Appellationsprivileg über die Appellation hinaus alle Rechtsmittel ausschließe.25 Daß die Reichsgerichte dieser Ansicht beigetreten wären, erscheint wegen ihrer Bedeutung für den Reichsverband aber als nahezu ausgeschlossen.26 Auf diese Weise konnten gegen Entscheidungen braunschweig-lüneburgischer Gerichte, auch solche des Oberappellationsgerichts selbst, Rechtsmittel an die Reichsgerichte eingelegt werden. Trotz ihrer geringen praktischen Bedeutung – die einzige überlieferte Nichtigkeitsbeschwerde an das

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eine Entscheidung des Oberappellationsgerichts annahm, NHStA Hann. 27 Hildesheim, Nr. 206. Sellert, Zuständigkeitsabgrenzung, S. 47. Die Austrägalinstanz war ein gesetzlich vorgesehenes Schiedsgericht für Streitigkeiten privilegierter Reichsunmittelbarer, vgl. von Gohren, ZDR 18 (1858), 7 ff.; Kotulla, Art. Austrägalinstanz, HRG I, 2. Auflage, Sp. 387 f. Erwin, S. 227; Sydow, Der Staat 41 (2002), 272; vgl. Uhlhorn, Mandatsprozeß, S. 8 ff. Jessen, Einfluß, S. 85 ff. Vgl. Schildt, Entwicklung, S. 20 ff. Jessen, Einfluß, S. 88. Daß Appellationsprivilegien nur für Fälle galten, in denen die Appellation nach Erteilung des Privilegs eingelegt worden war, vertraten der Geheime Rat und das Oberappellationsgericht selbst 1760 hinsichtlich des lauenburgischen Privilegs, LS Abs. 216, Nr. 797. Siehe oben S. 17 Note 2. Von Bülow/Hagemann III, S. 423. Vgl. Sydow, Der Staat 41 (2002), 267, 272.



Das braunschweig-lüneburgische Appellationsprivileg

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Reichskammergericht gegen eine Entscheidung des Oberappellationsgerichts ereignete sich im Fall von Berlepsch, der das Reichskammergericht ab 1788 beschäftigte,27 und an den Reichshofrat wurde ebenfalls nur eine, offensichtlich unbegründete, Nichtigkeitsbeschwerde herangetragen28 – hatten die Nichtigkeitsbeschwerde und die Beschwerde wegen verweigerter oder verzögerter Justiz entscheidenden Einfluß auf die Gerichtsbarkeit der Territorialstaaten. Denn die Landesherren, die daran interessiert waren, solchen rufschädigenden Beschwerden vorzubeugen, wurden dadurch dazu ermuntert, ein Gerichtswesen zu gewährleisten, das dem von den Reichsgerichten gesetzten Maßstab standhielt.29 Das unbeschränkte Appellationsprivileg galt indes nur für den Kernbestand der Kurlande. Für das Herzogtum Lauenburg, das erst am Ende des 17. Jahrhunderts in den Besitz der Welfenherzöge gelangt war,30 sowie für das Land Hadeln hatte es keine Wirkung. Rechtsmittel gegen Entscheidungen lauenburgischer Gerichte waren daher nicht an das Oberappellationsgericht, sondern weiterhin an die Reichsgerichte zu richten.31 Dieser Zustand änderte sich erst 1747, als das Appellationsprivileg durch Kaiser Franz I. ausdrücklich auf Lauenburg und Hadeln ausgedehnt wurde.32 Auch die Herzogtümer Bremen und Verden gehörten als Neuerwerbung BraunschweigLüneburgs im Großen Nordischen Krieg nicht zum ursprünglichen Bestand der Kurlande; sie behielten aber ihr unbeschränktes Appellationsprivileg aus dem Westfälischen Frieden und gehörten daher zum Zuständigkeitsbereich des Celler Gerichts.33 27 Jessen, Einfluß, S. 111, NHStA Hann. 27 Hannover, Nr. 2934a; Leerhoff, S. 135 ff. 28 Jessen, Einfluß, S. 117; von Pufendorf, Observationes III, S. 279. 29 Diestelkamp, Reichskammergericht im Rechtsleben, S. 221 ff.; Erwin, S. 234  ff.; Oestmann, ZRG GA 127 (2010), 128, 139 f.; Sydow, Der Staat 41 (2002), 263 ff.; Weitzel, Minderungen, S. 329 f.; vgl. Müssig, Gesetzlicher Richter ohne Rechtsstaat, S. 27. 30 Opitz, S. 236 ff. 31 Von Bülow I, S. 23; Gunkel, S. 35. 32 Eisenhardt, Die kaiserlichen privilegia, S. 79. 33 Bei den Verhandlungen um das braunschweig-lüneburgische Privileg hatte der Gesandte von Huldenberg erreicht, daß Bremen-Verden auch nach dem Erwerb durch Braunschweig-Lüneburg das bisherige unbeschränkte Appellationsprivileg behalten sollte. Dieses stand Bremen-Verden kraft des Westfälischen Friedens (Art. 10 § 12 IPO = Müller, Instrumenta, S. 53, 141) als Landesteil Schwedens zu, für dessen deutsche Provinzen als oberstes Gericht das Wismarer Tribunal zuständig war. Vgl. Jessen, Einfluß, S. 77 ff.; ders., Gründung, S. 38. Ein königliches Reskript vom 19. November 1715 (NHStA Cal. Br. 23 b, Nr. 174) teilte dem Oberappellationsgericht mit, daß die Herzogtümer Bremen und Verden künftig dessen Gerichtsbarkeit unterworfen sein sollten. Am 16. Dezember 1715 verfügte die Stader Regierung, „daß die Appellationes von denen Ober-Gerichten Dero Hertzogthümer Bremen

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und Vehrden künfftighin an das Ober-Appellations-Gerichte zu Celle gehen sollen“ (zitiert nach Drecktrah, Gerichtsbarkeit, S. 70; ders., Abwicklung, S. 189). Endgültige Wirksamkeit erhielten die Verhandlungsergebnisse von Huldenbergs und damit der Fortbestand des bremen-verdenschen Appellationsprivilegs allerdings erst mit der Notifikation des braunschweig-lüneburgischen Appellationsprivilegs 1718; Jessen, Gründung, S. 38 f.



Die Gründung des Gerichts

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II.  Die Gründung des Gerichts und die Entstehung der Oberappellationsgerichtsordnung 1.  Der Beginn. Die Ausarbeitung des Entwurfs einer Gerichtsordnung Der Gründung des Oberappellationsgerichts im Jahre 1711 und dem endgültigen Inkrafttreten der Oberappellationsgerichtsordnung 1713 gingen mehrjährige Vorarbeiten sowie Verhandlungen zwischen dem Landesherrn und den Landständen voraus. Nachdem Kurfürst Ernst August seiner Ankündigung aus dem Jahre 1693, die Landstände sollten gehört werden, „wenn erst wegen Anlegung des Oberappellationsgerichts das Ansehen auf etwas Gewisses gerichtet wäre“,1 keine Taten hatte folgen lassen, betraute Georg Ludwig – vermutlich auf Veranlassung seines Premierministers Andreas Gottlieb von Bernstorff (1649–1726) – durch Reskript vom 18. Mai 1707 den Direktor der Celler Justizkanzlei Weipart Ludewig Fabricius2 (1640–1724) mit der Ausarbeitung des Entwurfs einer Oberappellationsgerichtsordnung. Er erteilte die Vorgabe, „so viel sich füglich thun lassen will, und darauf quadriret, denen Cammer-Gerichts, Zellischen Hof-Gerichts- auch Wismarschen Tribunals-Ordnungen nachzugehen“.3 Der Umstand, daß neben der Celler Hofgerichtsordnung, deren Berücksichtigung wegen des örtlichen Zusammenhangs nahe lag, und der Reichskammergerichtsordnung, die schon wegen reichsrechtlicher Vorgaben und im Hinblick auf die Privilegsverhandlungen zu beachten war,4 nur die Wismarer Tribunalsordnung herangezogen werden sollte, spricht für die herausragende Bedeutung, die die Zeitgenossen dem Gericht in Wismar beimaßen. Fabricius bildete eine Kommission, der alle Mitglieder der Celler Justizkanzlei angehörten. Von Bernstorff und Fabricius waren die geistigen Väter der Oberappellationsgerichtsordnung, und es wird nicht von geringem Einfluß auf die Ausgestaltung des Celler Gerichts gewesen sein, daß von Bernstorff am Reichskammergericht in Speyer praktiziert, Fabricius aber einige 1 Zitiert nach Jessen, Einfluß, S. 47; Lühr, S. 4; Storch, S. 196. 2 Spätere Schreibweise: von Fabrice. Vgl. Vogell, Neues vaterländisches Archiv 4 (1823), 219. 3 Zitiert nach von Bülow I, S. 5; Jessen, Einfluß, S. 129; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S.  3 f. Vgl. §  137 JRA 1654 = Laufs, Der jüngste Reichsabschied, S. 67, der den Reichsständen nahelegte, sich hinsichtlich der Territorialgerichte am reichskammergerichtlichen Vorbild zu orientieren. 4 § 15 Abschied des Deputationstages zu Speyer von 1600 = Sammlung der ReichsAbschiede III, S. 476; § 137 JRA 1654 = Laufs, Der jüngste Reichsabschied, S. 67; Jessen, Einfluß, S. 123; vgl. Erwin, S. 234 ff.

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Jahre als Agent am Reichshofrat gewirkt hatte.5 Fabricius erbat sich von der Regierung zusätzlich die sächsische, brandenburgische und bayerische Appellationsgerichtsordnung. Ihm konnte jedoch nur die sächsische zur Verfügung gestellt werden, da, wie ein Reskript vom 17. Juni 1707 mitteilte, „die Bayersche OAGOrdnung nicht zu erhalten gewesen, die Brandenburgische aber noch nicht verfasset sey.“6 In demselben Reskript gab der Kurfürst der Kommission die Anweisung, die Fragen der personellen Besetzung des Gerichts sowie seines Sitzes einstweilen aufzuschieben.7 Insofern wünschte er offenbar noch keine Festlegung. Am 5. März 1709 legte die Kommission dem Landesherrn einen ersten Entwurf der Gerichtsordnung des künftigen Celler Gerichts vor. Dieser Entwurf regelte das gerichtliche Verfahren bereits sehr ausführlich. Hinsichtlich der Gerichtsverfassung war er hingegen noch unfertig; insbesondere zur personellen Zusammensetzung des Gerichts enthielt er nur ungefähre Vorschläge.8 Der Landesherr leitete den Entwurf sodann an die Hofgerichte in Celle und Hannover, die hannoversche Justizkanzlei sowie die Landstände von Calenberg, Lüneburg und Hoya weiter, damit diese Anregungen und Verbesserungsvorschläge beisteuern konnten. Nunmehr folgten langwierige Verhandlungen zwischen der Kommission des Entwurfs unter Fabricius, dem Landesherrn, von Bernstorff und der Regierung, den genannten Gerichten und den Landständen.9 Gegenstand der Auseinandersetzungen war vor allem die Finanzierung des Gerichts, hinsichtlich deren der Landesherr auf die Beteiligung der Stände angewiesen war.10 Der Vorschlag des Kammer 5 Grieser, Art. Weipart Ludwig v. Fabrice, NDB IV, S. 731; Jessen, Einfluß, S. 127 f.; ders., Gründung, S. 35; Kellenbenz, Art. Andreas Gottlieb v. Bernstorff, NDB II, S. 137 f.; Lampe II, S. 21, 29; Vogell, Neues vaterländisches Archiv 4 (1823), 216 ff. 6 Zitiert nach von Bülow I, S. 6; Jessen, Einfluß, S. 129. 7 Vgl. Bericht der Kommission vom 5. März 1709, NHStA Hann. 26a, Nr. 4765, S. 8R. 8 Bericht der Kommission vom 5. März 1709, NHStA Hann. 26a, Nr. 4765, S. 7 ff.; von Bülow I, S. 6 ff. 9 Jessen, Einfluß, S. 135; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 6 f. Vgl. die monita des Hofgerichts Hannover vom 11. Juli 1709, Dep. 7 B, Nr. 880 I, S. 62–73, der Justizkanzlei Hannover, ebenda, S. 131–146, der Regierung, ebenda, S. 154–161, der lüneburgischen Landschaft, ebenda S. 78–100, das Protokoll der calenbergischen Landschaft, ebenda, S. 228–235 sowie verschiedene Stellungnahmen der Landschaft Hoya, Dep. 106, Nr. 1035. 10 Zwar verfügte Georg Ludwig in den Jahren der Gründung des Oberappellationsgerichts über erhebliche finanzielle Mittel und war sogar weit über die Grenzen hinaus für seinen Reichtum berühmt; Schnath III, S. 37 mit Hinweis auf verschiedene zeitgenössische Stimmen. Die ständischen Steuern und die im Zuge militärischer Unternehmungen von England und Holland gezahlten Subsidien flossen aber allein



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präsidenten Freiherrn von Goertz11, das Gericht „pure et simpliciter von Sr. Kurfürstlichen Durchlaucht zu bestellen und zu salariren“,12 war daher nicht umsetzbar. Die Stände hatten ihrerseits ein Interesse daran, den landesherrlichen Einfluß auf das oberste Gericht zugunsten eigener Mitwirkungsrechte einzuschränken. Ergebnis der Verhandlungen war, daß die Landstände die gesamten personellen Kosten des Gerichts zu tragen hatten,13 während der Kurfürst nur für die vergleichsweise geringen Sachkosten aufkam.14 Im Ge-

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der Kriegskasse zu (ebenda, S. 47), während die für die Besoldung der Staatsdiener zuständige Rentkammer regelmäßig mit Fehlbeträgen abschloß (ebenda, S. 40). Die Personalkosten des Oberappellationsgerichts waren mit einer Höhe von 16.820 Reichstalern (zu den Besoldungen des Gerichtspersonals siehe unten S.  61 Note 131) gegenüber den 90.000 Reichstalern, die die Kammerkasse insgesamt pro Jahr für die Besoldung des Hofpersonals und der Staatsdienerschaft aufwandte (ebenda, S. 42), nicht vernachlässigbar. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß die Finanzen des Landesherrn durch die Bemühungen um die englische Sukzession stark in Mitleidenschaft gezogen worden waren; von Meier I, S. 300. Vor diesem Hintergrunde erklärt sich das Bestreben Georg Ludwigs, die Landstände für die Personalkosten des Oberappellationsgerichts aufkommen zu lassen. Reichsfreiherr Friedrich Wilhelm von Schlitz genannt von Goertz (1647–1728), braunschweig-lüneburgischer Geheimer Rat und Kammerpräsident; Lampe II, S. 29. Zitiert nach von Meier I, S. 300. Nach einem Reskript Georg Ludwigs vom 18. Januar 1712 hatten die Landschaften Lüneburg und Calenberg je 6200 Taler, Grubenhagen 1200 Taler, Hoya 1800 Taler und Diepholz 400 Taler beizusteuern. Da die Einnahmen des Gerichts aus den Gerichtsgebühren (Sporteln) in den Anfangsjahren geringer ausfielen als erwartet, entstand eine Finanzierungslücke; um diese zu schließen, sollten nach einem weiteren Reskript Georg Ludwigs vom 23. September 1712 die Beiträge erhöht werden, so daß fortan Lüneburg und Calenberg je 6600, Grubenhagen 1250, Hoya 1900 und Diepholz 450 Taler zahlen sollten. Diese Erhöhungen konnten gemäß landesherrlichem Reskript vom 28. Dezember 1717 wieder rückgängig gemacht werden, da die Sporteleinnahmen des Gerichts inzwischen gestiegen waren. Bremen-Verden trug ab 1716 jährlich 8700 Taler zur Unterhaltung des Oberappellationsgerichts bei, da es einen Beitrag in dieser Höhe schon zuvor zum Wismarer Tribunal geleistet hatte. Eine Neuordnung infolge der Vergrößerung des Gerichts wurde von König und Geheimem Rat 1720 angeordnet: Bremen-Verden, Lüneburg und Calenberg hatten nunmehr jährlich jeweils 6500, Grubenhagen 900, Hoya 1900 und Diepholz 450 Taler zu entrichten. Vgl. NHStA Dep. 106, Nr. 1035, sowie Gunkel, S. 108 f.; zu Bremen-Verden Drecktrah, Gerichtsbarkeit, S. 70. 1817 ging die Pflicht zur personellen Unterhaltung des Oberappellationsgerichts mit der Einrichtung allgemeiner Stände von den einzelnen Landschaften auf die Generalsteuerkasse über, Gunkel, S. 109; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 173. Dazu zählten die Unterhaltung des Gebäudes sowie Kosten für Mobiliar, Brennholz, Schreibmaterial usw.; von Bülow I, S. 372 ff.; Gunkel, S. 110; von Meier I, S. 300 f.; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 175 f. Gewisse geringfügige

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genzug beteiligte der Landesherr die Stände an der Besetzung des Gerichts, indem er ihnen Präsentationsrechte für die Mehrheit der Beisitzer einräumte.15 Insofern beruhte die Gründung des Oberappellationsgerichts auf einem Kompromiß zwischen dem Landesherrn und den Landständen. Gegen gerichtliche Entscheidungen der Konsistorien in Angelegenheiten mit kirchlichem Bezug war seit dem Westfälischen Frieden keine Appellation an die Reichsgerichte statthaft. Um diese Freiheit auch fürderhin zu wahren, baten die Prälatur16 und das Konsistorium17 sowie die calenbergische Landschaft18 darum, auch am neu zu gründenden Oberappellationsgericht solche Appellationen nicht zuzulassen. Die bereits in die Oberappellationsgerichtsordnung aufgenommene entsprechende Vorschrift, die Appellationen gegen Entscheidungen des Konsistoriums nach dem Vorbild des Wismarer Tribunals19 zuließ, sofern es sich nicht um rein geistliche oder innerkirchliche Angelegenheiten handelte,20 wurde daraufhin zunächst suspendiert. Auf Grund eines Befehls des Landesherrn vom 19. Oktober 1722 wurde die Vorschrift ab diesem Zeitpunkt aber doch angewandt, so daß fortan gerichtliche Erkenntnisse des Konsistoriums, sofern sie nicht rein geistliche oder innerkirchliche Angelegenheiten betrafen,21 durch das Oberappellationsgericht überprüft werden konnten.22

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Sachkosten, für die nicht die landesherrliche Kasse aufkam, wurden aus der Sportelnkasse des Gerichts bestritten. Th. I Tit. 1 § 4 OAGO = CCCal. II, S. 8. Gunkel, S. 27; Storch, S. 199. Von Bülow I, S. 12. Protokoll der Landschaft vom 31. Oktober 1709, NHStA Dep. 7 B, Nr. 878 I, S. 121–129. Th. II Tit. 1 § 15 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 54. Th. II Tit. 1 § 3 OAGO = CCCal. II, S. 62: „Solte dann auch in Dingen, welche nicht die curam religionis, constitutionem & destitutionem ministrorum Ecclesiae, ritus ecclesiasticos, inspectionem scholarum und was davon dependiret, sondern secularia und die causas, die mixti fori insgemein genennet werden, betreffen, als da sind die Ehe-Sachen, Hebungen der Intraden der Kirchen, Schulen oder anderer locorum piorum, wie auch, wann in Civilibus eine Actio personalis gegen eine zu dem Clero gehörige Persohn angestellet worden, und dergleichen jemand durch die Erkäntnissen Unsers Consistorii sich beschweret achten, mögen nicht weniger solche Sachen durch ordentliche Appellationes an Unser Ober-Appellations-Gericht gebracht und angenommen werden.“ Th. II Tit. 1 § 3 OAGO = CCCal. II, S. 62; hinsichtlich der Bestellung und Entlassung kirchlicher Bediensteter bestätigt durch königliche Verordnung vom 6. September 1736 = CCCel. II, S. 291 f. Gunkel, S. 138 f. Einen Beispielsfall für diese Zuständigkeitsbeschränkung bietet das Verfahren LS Abt. 216, Nr. 573, in dem das Oberappellationsgericht die Zulässigkeit der Appellation nach Th. II Tit. 1 § 3 OAGO = CCCal. II, S. 62 verneinte,



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Zum Sitz des Gerichts wurde Celle bestimmt. Celle hatte nach dem Ableben seines letzten Herzogs, des „Heideherzogs“ Georg Wilhelm, und der Vereinigung des Fürstentums Lüneburg mit Calenberg im Jahre 1705 seine gesellschaftliche und politische Bedeutung als herzogliche Residenz eingebüßt, und für diesen Verlust sollte es auf seinen ausdrücklichen Wunsch23 hin, da „die Stadt von Tage zu Tage mehr in Dedadence komme“,24 durch den Sitz des höchsten Gerichts entschädigt werden.25 So bestimmte die Oberappellationsgerichtsordnung ausdrücklich, „daß [das Gericht] zu Celle seinen ordentlichen sedem haben und gehalten werden soll.“26 Ähnlich dem Reichskammergericht tagte das Oberappellationsgericht damit in Distanz zur landesherrlichen Residenz. Die Wahl eines zwar zentral im Kurfürstentum gelegenen, von der Residenz in Hannover aber entfernten Ortes mag auch zu der späteren Wahrnehmung des Gerichts als einer unabhängig dem Landesherrn gegenüberstehenden Autorität beigetragen haben.27

2.  Die feierliche Eröffnung des Gerichts am 14. Oktober 1711 Noch bevor die Gerichtsordnung ihre endgültige Gestalt angenommen hatte, ließ der Kurfürst das Oberappellationsgericht am 14. Oktober 1711 eröffnen. Der Landesherr selbst wohnte der Eröffnung nicht bei, sondern ließ sich durch von Bernstorff vertreten. Dies war indes nicht unüblich; auch bei der Eröffnung des Wismarer Tribunals war die schwedische Königin nicht in eigener Person anwesend.28 Zunächst wurden im Rahmen der Celler Eröffnungsfeierlichkeit die Präsidenten und die Oberappellationsräte vereidigt. Die Eidesformeln richteten sich nach dem Entwurf der Oberappellationsgerichtsordnung. Der Oberappellationsrat Georg Ludwig von Bülow, der zuvor in Mecklenburgischen Diensten gestanden hatte,29 mußte zuvor noch den von allen landesherrlichen Bediensteten zu leistenden Huldigungs-

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weil die Sache als geistliche Angelegenheit der Konsistorialgerichtsbarkeit vorbehalten und der Überprüfung durch das Oberappellationsgericht entzogen sei. Vorstellung von Bürgermeister und Rat der Stadt Celle vom 22. Februar 1709, NHStA Hann. 26a, Nr. 4765, S. 15–16; Gunkel, S. 26. Post-Scriptum zum Bericht der Kommission vom 5. März 1709, NHStA Hann. 26a, Nr. 4765, S. 11. Jessen, Gründung, S. 35 f.; Rüggeberg, S. 78; vgl. das Dankschreiben von Bürgermeister und Rat der Stadt Celle vom 3. Mai 1709, NHStA Hann. 26a, Nr. 4765, S. 57–58. Th. I Tit. 8 § 1 OAGO = CCCal. II, S. 46. Vgl. Stollberg-Rilinger, Würde, S. 202. Hattenhauer, S. 54. Gunkel, S. 467.

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eid auf den Kurfürsten ablegen30 und schwören, „daß Sr. Königl. Majestät und Churfürstl. Durchl. ihr wollet treu, hold und gehorsam seyn, Dero Bestes wissen, und nach äußerstem Vermögen befördern, Arges aber, so viel an euch ist, kehren, wehren und warnen […].“31 Diese erste Vereidigung von Richtern des Celler Gerichts am 14. Oktober 1711 mag stellvertretend für das Treue- und Unterwerfungsverhältnis zwischen den Gerichtsangehörigen und dem Landesherrn im ganzen 18. Jahrhundert stehen. Alle Richter hatten vor ihrem Dienstantritt zum einen den Eid nach der Oberappellationsgerichtsordnung zu leisten, mit dem sie die getreuliche Erfüllung ihrer dienstlichen Pflichten gelobten. Insbesondere schworen sie, „daß bey dem Ober-Appellations-Gerichte die Justitz allen und jeden, so deren vonnöhten und darum anruffen, Hohen und Niedrigen, Armen und Reichen, Einheimischen und Fremden […] ohne einiges NebenAbsehen, und unnöhtigen Auffenthalt gleich durchgehend administriret werde“.32 Neben diesem Diensteid hatten sie, sofern dies bei Landesbediensteten nicht vorher schon geschehen war, den (Erb-) Huldigungseid auf den Kurfürsten abzulegen.33 Der Eid ist „die Anrufung der Gottheit als Zeuge und Garant der Wahrheit einer Aussage oder Behauptung oder eines Versprechens“.34 Er begründet eine konkrete und individuelle Treueverbindung zwischen zwei Personen. Damit ist er ein Inbegriff der vormodernen Ordnung, die nicht auf der Autorität eines abstrakt gedachten Staates, sondern auf persönlicher Bindung beruhte. Seine Bedeutung ist nicht auf das Verhältnis zwischen dem Fürsten und seinen Bediensteten beschränkt, sondern erfaßt alle Ebenen des vormodernen Gemeinwesens. Die ständisch-korporative Ordnung wurde in ihrer Gesamtheit durch ein Geflecht persönlicher Eide zusammengehalten: Den Huldigungseiden der Untergebenen stand neben der eidlichen Bestätigung von Freiheiten und Privilegien diejenige von Ämtern, Würden und Rechten gegenüber.35 Dabei diente der Eid auf allen Ebenen des Gemeinwesens in der Frühen Neuzeit stets mittelbar oder unmittelbar der sakral legitimier-

30 Von Bülow I, S. 17 f. 31 Der Huldigungseid ist abgedruckt bei Kannengiesser, S. 11 f. 32 CCCal. II, S. 51; abgedruckt bei von Bülow I, S. 171 f. Note 31. Die Eidesformeln des Präsidenten und Vizepräsidenten enthielten ähnliche Formulierungen; CCCal. II, S. 49 f.; abgedruckt bei von Bülow I, S. 93 f. Note 34, S. 114 f. Note 63. 33 Von Bülow I, S. 37 f. 34 Prodi, Eid, S. 7; vgl. Schmidt-Wiegand, S. 55 ff. 35 Stollberg-Rilinger, Verfassung und Fest, S. 13, 24; vgl. Munzel-Everling, Art. Eid, HRG I, 2. Auflage, Sp. 1249 ff. Zur Geschichte der Amtseide und ihrer Entwicklung seit dem Mittelalter Scheyhing, S. 113 ff.



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ten Bindung an den Herrscher und der Festigung seiner Herrschaft.36 Auf diese Weise fügt sich die Vereidigung der Celler Richter, nicht nur bezogen auf ihre Dienstpflichten, sondern durch den Huldigungseid in Gestalt eines persönlichen Unterwerfungsschwures, in die auf personalen Bindungen beruhende vormoderne Ordnung einerseits sowie die Entstehung moderner Staatlichkeit andererseits ein. Im Rahmen der Eröffnungsfeierlichkeit trug von Bernstorff eine Begebenheit vor, bei der sich David Mevius (1609–1670), der Vizepräsident des 1653 gegründeten Wismarer Tribunals, der Obrigkeit gegenüber als unerschrockener Richter im Dienste der Gerechtigkeit erwiesen hatte. Hier begegnet dem Betrachter der Geschichte somit erneut das Wismarer Tribunal, das für die Ausarbeitung der Oberappellationsgerichtsordnung beispielhaft herangezogen worden war. Fabricius steuerte daraufhin seinerseits einen Bericht über einen ähnlich standhaften Geistlichen bei. Von Bülow, dem offensichtlich das Protokoll der Eröffnungszeremonie noch zugänglich gewesen ist, gibt diese Szene ausführlich wider:37 „Nach einigen bey dieser Gelegenheit vorgefallenen Curialien, erzählte Bernstorf – wie es in dem Protocolle wörtlich heißt – das Exemplum eines Cordati Iudicis. Wie nämlich ein vornehmer Schwedischer General vor dem Tribunale zu Wismar einen Proceß rechtshängig gehabt, und nachdem ihm darin ein widriger Spruch geschehen, er zu dem Vicepräsidenten David Maevio kommen, und darüber mit ihm expostuliret, auch auf seine Charge sich berufen, da dann gedachter Mävius regeriret, wie er wohl wüßte als David Mävius ihm und seiner Charge gehörigen Respect zu erweisen, als Vicepräsident aber, und Nahmens des Gerichts, erkenne er keinen andern Obern als Gott und den König, und müßte er ihm in diesem Egard sagen, daß er der General Unrecht habe, welches er ihm dabey demonstriret, worauf dieser sich begriffen, und dem Spruche submittiret. Worauf des Hrn. Präsidenten de Fabrice Excellenz ein Simile fürtrug, daß nämlich ein gewisser Hofprediger in Sachsen, den damahligen Churfürsten wegen einiger Dinge pro concione bestrafet, worüber der Churfürst alteriret, denselben vor sich fordern lassen, und dieserwegen ihm verweislich zugeredet habe. Als aber der Hofprediger bey seiner gehaltenen Predigt, und darin gebrauchten Elencho geblieben, und solchen ferner defendiret, hätte der Churfürst den Degen gezücket, worauf der Hofprediger seine Brust hergehalten, und gesprochen: Wenn Sr. Churfürstl. Durchlaucht das zu thun verantworten könnten, wäre er parat es zu erleiden; worauf aber der Churfürst sich begriffen, und ihm alle Gnade erwiesen.“

Bei den vorgetragenen Begebenheiten handelt es sich nicht nur um zwei Anekdoten von beeindruckenden Persönlichkeiten, wie sie auch heute noch zur Anreicherung einer Festrede beliebt sind. Ihnen kommt im Rahmen des Er36 Holenstein, S. 19; Prodi, Sakrament, S. 197 ff.; vgl. Schreiner, Der Staat 24 (1985), 211 ff. 37 Von Bülow I, S. 18 Note 32.

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öffnungszeremoniells eine gesteigerte Bedeutung zu. Diese aber allein auf die Unabhängigkeit des höchsten Gerichts vom Kurfürsten gemünzt zu sehen,38 erscheint einseitig. Wie die ganze Eröffnungszeremonie, deren Einzelheiten wir, da das Protokoll nicht erhalten ist, nur kennen, soweit von Bülow sie schildert, gehören auch die Erzählungen von Mevius und dem sächsischen Hofprediger über ihren vordergründigen Inhalt hinaus der Ebene des Symbolischen an. Die ungeschriebene vormoderne Verfassung einer Ordnung, die in erster Linie auf Präsenz und persönlichem Handeln der Beteiligten beruhte,39 lebte wesentlich in Festen und Symbolik, die Herrschaftsverhältnisse legitimierten und festigten sowie zu ihrer Entstehung beitrugen. Symbolik wirkte daher in der Frühen Neuzeit in Ritualen und Zeremonien auch konstitutiv und stellte das her, was sie darstellte.40 Vor diesem Hintergrunde sind die Erzählungen von Bernstorffs und Fabricius zu sehen. Sie sollten vor den Anwesenden41 ein Richterbild beschwören, das weniger von Unabhängigkeit gegenüber dem Landesherrn als von dem Streben nach Gerechtigkeit geprägt war, und stimmen insofern mit den Gerechtigkeitsbekundungen in den Eidesformeln der Richter überein. Daneben stellen sie – ebenso wie der Eid mit der Anrufung Gottes – einen Bezug zur sakralen Ethik des Richters her: Mevius beruft sich darauf, daß er „keinen andern Obern als Gott und den König“ anerkenne, und dieses Richterethos wird sodann auf eine Ebene mit dem christlichen Ethos des sächsischen Hofpredigers gestellt. Die Bekundung des Mevius verleiht aber auch der personalen Bindung an den Landesherrn eine sakrale Weihe, indem sie die Autorität des Königs in einem Atemzuge mit derjenigen Gottes beschwört. Dieser sakrale Charakter ist kennzeichnend für frühneuzeitliche

38 Vgl. Wieacker, 250 Jahre, S. 11 f. 39 Zur „Präsenzkultur“ der Frühen Neuzeit Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, S. 11, 299 ff. 40 Stollberg-Rilinger, Verfassung und Fest, S. 10; dies., ZRG GA 127 (2010), 13; zur allgemeinen Bedeutung von Symbolen, Zeremonien und Ritualen für die Verfassungsgeschichte des Alten Reiches vgl. dies., Des Kaisers alte Kleider, S. 17 f.; siehe auch Rudolph, S. 67 ff. 41 Leider berichtet von Bülow als einzige Quelle dieser Eröffnungszeremonie nicht, wer ihr außer von Bernstorff und dem Gerichtspersonal noch beigewohnt hat. Daher kann nicht mehr nachvollzogen werden, ob sie sich mit ihrem symbolischen Gehalt an ein größeres Publikum richtete. Wegen dieser lückenhaften Quellenlage ist auch ein konstruktiver Vergleich mit der umfassend überlieferten Eröffnungszeremonie des Wismarer Tribunals aus dem Jahre 1653 und ihrem offenbar prunkvollen Festzug (Anonymus, Beschreibung des Actus Introductionis, S. 5 ff.; Hattenhauer, S. 45 ff.) nicht möglich. Vgl. zum öffentlichen Charakter von Verfassungsfesten Stollberg-Rilinger, Verfassung und Fest, S. 23.



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Verfassungsfeste42 und belegt den legitimationsstiftenden Inhalt der Eröffnungszeremonie.

3.  Fertigstellung und Inkrafttreten der Oberappellationsgerichtsordnung Bis zur Fertigstellung der Oberappellationsgerichtsordnung vergingen nach der Eröffnung des Gerichts noch fast zwei Jahre, in denen der Entwurf der Gerichtsordnung als vorläufiges Prozeßgesetz diente.43 In dieser Zeit beteiligten sich auch die Mitglieder des Gerichts an der Ausarbeitung der Gerichtsordnung.44 Der Kurfürst verabschiedete die Oberappellationsgerichtsordnung in ihrer endgültigen Fassung am 26. Juni 1713, und am 13. Juli 1713 wurde sie zeremoniell in Kraft gesetzt, indem „das Proömium der Ordnung im versammelten OAGerichte, bey offenen Thüren, und in Gegenwart sämmtlicher dazu vorgeladenen Gerichts-Procuratoren, durch den OASecretär Jahns vorgelesen und förmlich publiciret“ wurde.45

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Stollberg-Rilinger, Verfassung und Fest, S. 23. Jessen, Einfluß, S. 124; Lühr, S. 6. Von Bülow I, S. 21. Von Bülow I, S. 21.

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Rechtliche und politische Stellung im Kurstaat

III.  Das Proömium der Oberappellationsgerichtsordnung 1.  Überblick über die Aussagen des Proömiums und ihre bisherige Würdigung Im Proömium, der Vorrede zur Oberappellationsgerichtsordnung, sahen die Historiographen des Gerichts vielfach ein Ergebnis des Ausgleichs unterschiedlicher Interessen des Kurfürsten und der Landstände, unter deren Beteiligung die Gerichtsordnung zustande gekommen war. Es galt ihnen als verfassungsrechtliche Sicherung gerichtlicher Unabhängigkeit und Einschränkung der Justizhoheit des Landesherrn.1 Dabei wurden drei Aussagen des Proömiums als grundlegend angesehen: Zunächst gab der Kurfürst „Unsern Praesidenten, Vice-Praesidenten, und Ober-Appellations-Rähten, vollenkommene Macht und Gewalt, an Unsere statt, und in Unsern Nahmen, alle die Sachen, welche nach Anweisung besagter Verordnung an Unser Ober-Appellations-Gerichte gehören und erwachsen, anzunehmen, anzuhören, darin procediren zu lassen, zu handeln, denen Rechten und Acten, folglich auch Ihren Gewissen und bestem Verstande nach, zu sprechen, zu erkennen, zu gebieten, und zu verschaffen, alles was recht und billig, und gemeldter Unser Ordnung gemäs ist, wie Wir solches selbst aus Hoch-Obrigkeitlichem Amte und Gewalt tuhn könten oder mögten; Immassen dann, was Sie also handeln, sprechen und erkennen, zu exequiren und zu vollziehen gebieten, nicht anders, als hätten Wir solches in eigener Persohn getahn und anbefohlen, geachtet und respectiret werden soll.“2 Alle Handlungen und Erkenntnisse des Oberappellationsgerichts sollten somit als solche des Landesherrn gelten; sie sollten kein geringeres Gewicht haben, als wenn dieser selbst eine Entscheidung gefällt hätte. Des weiteren erließ der Landesherr, „damit Unsere Praesident, und Ober-Appellations-Rähte3 jetzt und künfftig desto freyer, ohne alle Scheu und Furcht darunter verfahren; […] dieselben in den Sachen, so Uns und Unsere Successores, Unsere Cammer, Aemter und Jura, oder Unsere Officiales, die in Unsern Nahmen agiren, einigermassen betreffen, oder dabey Wir und 1 Von Bülow I, S. 322 f.; Coing, Zur Geschichte, S. 18 f.; Franzki, 275 Jahre, S. 23; Gunkel, S. 117; Lühr, S. 10; Schräder, S. 11; Wieacker, 250 Jahre, S. 8. Jessen, Einfluß, S. 138 f. sowie ders., Gründung, S. 41 beleuchtet die Ursachen für die Formulierungen des Proömiums zwar kritisch, sieht in diesen aber gleichwohl auch eine wirksame Grundlage richterlicher Unabhängigkeit. Ähnlich Miersch, S. 204. 2 CCCal. II, S. 3. 3 Im Original von 1713 heißt es „Unsere Praesident, Vice-Praesident, und Ober-Appellations-Räthe“; es handelt sich offenbar um einen Druckfehler des CCCal., daß dieser die Vizepräsidenten nicht erwähnte.



Das Proömium der Oberappellationsgerichtsordnung

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Unsere Successores selbst, oder Sie Unserntwegen ein Interesse haben könten und mögten, der auf Beforderung und Respicirung Unsers besten und Interesse geleisteten Pflichten und Verbindung […], dergestalt, daß sie auch bey solchen Sachen, wie überall bey Administration ihres Amts, auf nichts, als GOTT dem Allmächtigen, und eine gantz unpartheyische Justiz sehen, und in so weit und dahin aller Pflichten erlassen seyn sollen.“4 In Fällen, die das Interesse des Landesherrn oder dessen Behörden und Bedienstete betrafen, sollte das Gericht somit vollkommen unparteiisch entscheiden; die Untertanenpflichten, an die es grundsätzlich durch den Erbhuldigungseid aller seiner Richter gebunden war,5 sollten es an der Unparteilichkeit und Gerechtigkeit seiner Entscheidungen nicht hindern. Die Gerichtsmitglieder wurden für solche Fälle ausdrücklich von den Untertanenpflichten gegenüber ihrem Landesherrn entbunden. Dieser unterwarf sich also in Fällen, die sein eigenes Interesse betrafen, der unparteiischen Gerichtsbarkeit des Celler Gerichts. Schließlich versprach Georg Ludwig, er wolle das Oberappellationsgericht „an gedachten Erkäntnissen nicht hindern, oder die an Unserem Ober-Appellations-Gerichte anhängige oder dahin gehörige Sachen davon avociren, sondern bey demselben der Justitz allerdings ihren Lauff lassen.“6 Sollten sich gleichwohl Fälle ereignen, in denen „ein oder anderer in Sachen, die vor Unser Ober-Appellations-Gerichte gehören, oder an dasselbe erwachsen, oder auch gar Erkäntnisse von demselben darinn bereits ergangen, und also daselbst rechthängig wären, eine Verordnung, von wem das auch seyn mögte, erhielte und unsern Collegiis, Befehlshabern, Beamten, Gerichtshaltern, oder Bürgermeistern und Rahtmännern in Städten, vorbrächte, welche Unsers Ober-Appellations-Gerichts Decretis und Erkäntnissen, mithin auch obgemeldten unsern Verordnungen entgegen lieffe, soll dergleichen dawieder erhaltene und erschlichene Verordnung nicht anders, als per sub- & obreptionem, oder aus einem Irrthum und Misverstand ausgebracht, consideriret, und deren ungeachtet, bey denen gerichtlichen Erkäntnissen es gelassen werden“. Dies erklärte er nicht nur für sich, sondern auch als bindend für seine Nachfolger.7 Am Ende des Proömiums bekräftigte er nochmals, daß er und seine Nachfolger sich stets an die Bestimmungen der Oberappellationsgerichtsordnung halten und der Justiz ihren ungehinderten Lauf lassen wollten, in dem er erklärte, es sei „ein vor allemahl Unser Wille und Meynung […], daß, wie Wir Unserseits über diese Ordnung beständig halten, und mithin der 4 5 6 7

CCCal. II, S. 3 f. Von Bülow I, S. 320. CCCal. II, S. 3. CCCal. II, S. 6.

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Rechtliche und politische Stellung im Kurstaat

Administration der Justitz stets in allem ihren ungehinderten Lauff lassen wollen, also von unsern Nachkommen und Successoren, auch allen von Uns dependirenden desgleichen geschehen soll.“8 Die Versprechungen Georg Ludwigs im Proömium, in denen eine Grundlage beginnender gerichtlicher Unabhängigkeit zugunsten des Oberappellationsgerichts gesehen wurde, lassen sich in drei Punkten zusammenfassen: 1. Die Entscheidungen sollten mit voller Autorität als solche des Landesherrn gelten. 2. Das Gericht sollte auch in Fällen, die das Interesse des Landesherrn betrafen, unparteiisch entscheiden. 3. Der Landesherr werde nicht in den Gang der Justiz eingreifen, sondern dieser ihren freien Lauf lassen.

Vergleicht man aber das zu Beginn des 18. Jahrhunderts verfaßte Proömium der Oberappellationsgerichtsordnung mit anderen frühneuzeitlichen Gerichtsordnungen, so relativiert sich seine Bedeutung. Eine Grundlage gerichtlicher Unabhängigkeit kann in ihm ebensowenig gesehen werden wie ein Akt landesherrlicher Selbstbindung und Selbstbeschränkung.

2.  Die Übertragung landesherrlicher Rechtsprechungsgewalt Die Zusicherung, daß Entscheidungen des Oberappellationsgerichts die gleiche Autorität und Geltung haben sollten wie solche des Landesherrn, war, legt man die unbeschränkte Justizhoheit des Landesherrn als Maßstab zugrunde, ein notwendiges Element der Übertragung höchster Gerichtsbarkeit auf ein institutionell selbständiges Gericht. Im feudalstaatlichen Gerichtsaufbau stand die niedere Gerichtsbarkeit lokalen Herrschaftsträgern zu; die obere und höchste Gerichtsbarkeit hingegen war Ausfluß der iurisdictio als höchster Gerichtsherrlichkeit des Landesherrn. Sie ist Bestandteil der Landeshoheit und damit ein ursprüngliches Herrschaftsrecht.9 Die Ausübung der Gerichtsbarkeit durch eine selbständige Institution bedurfte daher eines Bezugs auf die Autorität der Landeshoheit als Legitimationsgrundlage. Diese Legitimation geschah dadurch, daß Entscheidungen des obersten Gerichts als solche des Landesherrn ergingen und der Urteilstenor so formuliert wurde, als habe der Landesherr selbst Recht gesprochen. Die Eingangsformel der Entscheidungen des Oberappellationsgerichts lautete daher:

8 CCCal. II, S. 6. 9 Willoweit, Rechtsgrundlagen, S. 188; speziell zum Oberapellationsgericht Landwehr, S. 25.



Das Proömium der Oberappellationsgerichtsordnung

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„So wird [...] von Uns, Georg dem Andern, von GOTTES Gnaden, König von Groß-Britannien, Franckreich und Irrland, Beschützer des Glaubens, Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg, des heiligen Römischen Reichs Ertz-Schatzmeister und Churfürsten, für Recht erkannt: [...].“10

In dieser Entscheidungsformel bewußten Stolz des Gerichts zu sehen,11 läßt die notwendige Herleitung der Entscheidungskompetenz von der Justizhoheit des Landesherrn außer Acht. Auch Schriftsätze an das Gericht wurden so formuliert, als richteten sie sich unmittelbar an den Herrscher selbst; ausweislich der Lauenburger Prozeßakten begannen sie stets mit den Worten „Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König, Allergnädigster König, Churfürst und Herr“.12 Vergleichbare Anordnungen enthielten das Proömium der Celleschen Hofgerichtsordnung aus dem Jahre 168513 sowie das Proömium der Wismarer Tribunalsordnung von 1657.14 Die Oberappellationsgerichtsordnung betrat in diesem Punkte also kein Neuland, sondern folgte den Gerichtsordnungen, die bei ihrer Ausarbeitung als Vorbilder gedient hatten. Auch das 10 LS Abt. 216, Nr. 800; vgl. Landwehr, S. 25 ff. 11 So Wieacker, 250 Jahre, S. 12. 12 Vgl. Clar, S. 31 ff.: Diese Anrede des Königs war an keinem anderen braunschweiglüneburgischen Gericht üblich. Schriftsätze an das Reichskammergericht wurden an den Kammerrichter als Vertreter des Kaisers adressiert; Wetzell, S. 371; Wiggenhorn, S. 13. 13 „Wir geben auch Unsern Hof-Richter und Beysitzern vollkommene Macht und Gewalt an Unser statt, und in Unserem Namen alle und jede erster Instanz, auch Appellation- und andern Sachen, so vor Uns oder dasselbige Unser Hofgericht gehören, und erwachsen, oder sonsten ihnen befohlen werden, anzunehmen, anzuhören, darin zu handeln, zu sprechen, zu erkennen, zu gebieten, und zu verschaffen, alles was recht, billig, und dieser Unserer Ordnung gemäß ist, wie Wir das selbst aus ordentlichem Gewalt und sonsten zu thun Macht haben: Was auch dieselben Unsere Hof-Richter und Beysitzer also sprechen, erkennen, verhandeln, gebieten, exequiren, und vollziehen werden, das soll ganz vollkommen, und so viel Kraft und Macht haben, als hätten Wir solches in eigener Person gethan und gehandelt.“ = von Schlepegrell, S. 64 f. 14 „Geben auch hiemit und in Krafft dieses gedachtem Unserm Praesidenten, VicePraesidenten und Beysitzern vollnkommene Macht und Gewalt, an Unserer Stat und in Unserm Nahmen, daß Sie alle einkommende Supplicationes, Brieffe und Sachen, so an dasselbe, vermöge dieser Ordnung, gehören, unweigerlich annehmen, und darinnen nach deroselben Anweisung handeln und procediren lassen, auch sprechen, erkennen, gebiethen und verschaffen was Recht, Billig, und selbiger Unserer Ordnung gemäß ist, wie Wir solches auß ordentlicher Macht und sonst Selbst zujegen thun könten und möchten, Wollen auch, was Sie also in Rechten verhandeln, sprechen, erkennen, zu exequiren und zu vollnziehen gebiethen werden, nicht anders, als wann Wir es Selber in eigener Person gethan, gehandelt und anbefohlen, gehalten haben.“ = Schw.-dt. GO, S. 5 f.

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Hofgericht in Hannover hatte bis zur Gründung des Oberappellationsgerichts ausdrücklich im Namen des Landesherrn Recht gesprochen.15 Gleiches galt zunächst für das lauenburgische Hofgericht in Ratzeburg. Nachdem 1747 die Zuständigkeit des Oberappellationsgerichts auf Lauenburg ausgedehnt worden war, erbat sich das Celler Gericht vom Landesherrn eine Entscheidung darüber, ob das Hofgericht weiterhin in dessen Namen Recht sprechen dürfe.16 Der König entschied, daß „dieser Gebrauch nunmehro, da die Appellations-Sachen vom Hofgericht an das Ober-Appellations-Gericht gehen, und dieses in Unserem Nahmen spricht, nicht weiter ohne Incongruität statt haben können“ werde. Daher habe das lauenburgische Hofgericht schlicht „des Praedicats Hofrichter und Rähte sich fortan zu bedienen“.17 Die Bestimmung, daß Entscheidungen des Oberappellationsgerichts als solche des Landesherrn gelten sollten, hatte nur den Zweck, sie auf eine feste Legitimationsgrundlage zu stellen und mit der erforderlichen Autorität zu versehen. Sie sagt nichts über die Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Gerichts aus. Die Argumentation, dieses sei dem Landesherrn gegenüber eine selbständige und unabhängige Instanz, weil es mit gleicher Autorität Recht spreche wie dieser,18 ist mit dem Zweck dieser Bestimmung und der auf dem frühneuzeitlichen Herrschaftsverständnis beruhenden Justizhoheit des Landesherrn nicht vereinbar.

3. Unparteilichkeit der Rechtsprechung gegenüber dem Landesherrn Mit der Anordnung, daß die Oberappellationsräte in Fällen, die das Interesse des Landesherrn berührten, „auf nichts, als GOTT dem Allmächtigen, und eine gantz unpartheyische Justiz sehen“ sollten,19 gab der Landesherr dem Gericht auf, stets nur im Sinne der Gerechtigkeit zu entscheiden, ohne seine eigenen Interessen zu bevorzugen. Auch sie war nicht revolutionär, sondern eine in frühneuzeitlichen Gerichtsordnungen häufig anzutreffende Bestimmung. So enthielten in Braunschweig die Landtagsabschiede von 1597 und 1619 sowie die Kanzleiordnung von 1629 eine Garantie der unparteiischen Justiz.20 In hessischen Hofgerichts- und Kanzleiordnungen des 16., 17. und 15 Bericht des Oberappellationsgerichts an den Landesherrn vom 13. April 1750, LS Abt. 210, Nr. 1451. 16 Bericht des Oberappellationsgerichts an den Landesherrn vom 13. April 1750, LS Abt. 210, Nr. 1451. 17 Landesherrliches Reskript vom 24. April 1750, LS Abt. 210, Nr. 1451. 18 In dieser Richtung Lühr, S. 9. 19 CCCal. II, S. 3 f. 20 Pfeiffer, S. 62.



Das Proömium der Oberappellationsgerichtsordnung

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18. Jahrhunderts findet sich wiederholt der Grundsatz der Unparteilichkeit,21 und auch die Wismarer Tribunalsordnung verpflichtete die Assessoren ausdrücklich zur unparteilichen Rechtsprechung.22 Diese Verpflichtung der Richter zur Unparteilichkeit entsprach zwingendem Reichsrecht. Denn über Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Landesherrn und seinen Untertanen entschied das Oberappellationsgericht des jeweiligen Territoriums als Austrägalgericht nach dem Reichsrecht. Dafür mußten die Richter von ihrem Diensteid auf ihren Fürsten entbunden werden. Das Proömium wiederholte somit nur einen reichsrechtlichen Grundsatz, über den der Landesherr nicht disponieren konnte.23 Schon in den vorangegangenen Jahrhunderten hatten Gerechtigkeit und Unparteilichkeit als höchste Ideale der Justiz gegolten,24 die auf der religiös begründeten Ethik richterlichen Urteilens beruhten: Jeder Richter steht im Dienste der göttlichen Gerechtigkeit und muß sich für ungerechte Entscheidungen im Jüngsten Gericht vor dem Herrn Jesus Christus als höchstem Richter verantworten.25 Dies gab der frühneuzeitlichen Justiz eine sakrale Weihe: „Der gerechte menschliche Richter war ein Abbild des göttlichen; das gerechte Gericht ein Abbild des göttlichen Gerichts am Ende der Tage.“26 Das Streben nach Gerechtigkeit, das Unparteilichkeit voraussetzt, mußte daher ein höherer Wert sein als das Interesse des Landesherrn, der selbst dem göttlichen Gericht unterworfen ist.27 Diese Sichtweise liegt beispielhaft auch der Oberappellationsgerichtsordnung Hessen-Kassels von 1746 zugrunde, die eine „reine unparteyische Justiz“ anstrebte und das Gericht anwies, so zu urteilen, wie es seine Richter „dareinst vor dem Richter aller Welt zu verantworten gedenken.“28 Aufschlußreich ist am Proömium der Celler Oberappellationsgerichtsordnung, daß die Richter im Interesse einer unparteiischen Justiz in Fällen, 21 Miersch, S. 64. 22 Th. I Tit. 5 § 4 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 14; vgl. Jörn, Gerichtstätigkeit, S. 228. 23 Erwin, S. 211 mit Hinweis auf andere frühneuzeitliche Gerichtsordnungen in Note 348; vgl. auch ebenda, S. 226. 24 Zum Reichskammergericht Wiggenhorn, S. 24; vgl. § 157 JRA 1654 = Laufs, Der jüngste Reichsabschied, S. 157. 25 Vgl. § 46 des Visitationsabschieds von 1713, nach dem die Personen des Reichskammergerichts ihre Arbeit so gewissenhaft verrichten sollten, daß sie „mit unverletztem Gewissen jederzeit GOtt dem höchsten Richter davon Rechenschafft geben […] können“ = Sammlung der Reichs-Abschiede IV, S. 269. Siehe auch Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 319 f. 26 Stollberg-Rilinger, Würde, S. 195 mit Hinweisen auf bildliche Darstellungen des göttlichen und des menschlichen Gerichts. 27 Vgl. Döhring, Geschichte, S. 88 f. 28 Zitiert nach Miersch, S. 63.

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die den Landesherrn betrafen, ausdrücklich „der auf Beforderung und Respicirung Unsers besten und Interesse geleisteten Pflichten und Verbindung erlassen“ 29 wurden: Grundsätzlich galt es demnach als selbstverständlich, daß der Richter an das Interesse des Landesherrn stärker gebunden war als an Gerechtigkeit und Unparteilichkeit. Sollte er – nach zwingendem Reichsrecht30 – ausschließlich diesen beiden letzteren Werten dienen, mußte er von seinen Pflichten jenem gegenüber ausdrücklich entbunden werden.31 Eine solche Entbindung von den Pflichten gegenüber dem Landesherrn im Interesse der Gerechtigkeit enthalten ebenfalls die Cellesche Hofgerichtsordnung von 168532 und die Wismarer Tribunalsordnung von 1657.33 Für das 18. Jahrhundert ist die hessische Oberappellationsgerichtsordnung von 174634 ein weiteres Beispiel für eine solche Bestimmung, und auch die Hildesheimische Hofgerichtsordnung von 1730 enthielt eine solche Formulierung.35 Hier ist eine Vorbildwirkung des Celler Proömiums naheliegend. Die entsprechende Bestimmung des Proömiums der Celler Oberappellationsgerichtsordnung ist somit nicht Ausdruck einer fortschrittlichen Gesinnung Georg Ludwigs, sondern wurde für eine gerechte Justiz als notwendig angesehen und ist auch in anderen Gerichtsordnungen des 17. und 18. Jahrhunderts anzutreffen.36

29 CCCal. II, S. 3 f. 30 Erwin, S. 211. 31 Kern, Geschichte, S. 40 f., der sich auf vergleichbare Bestimmungen der Reichshofratsordnung von 1654, der preußischen Kammergerichtsordnung von 1709 und der hessischen Appellationsordnung von 1746 bezieht. 32 Th. I Tit. 3 § 3: „Und damit sie solches desto freier und ohne Scheu oder Furcht thun, und allein die Wahrheit und Gerechtigkeit für Augen haben, So wollen Wir sie ihrer Eid und Pflichte, damit sie Uns, außerhalb des Gerichts verwandt seyn, was und so viel das Gericht belangt, oder darin gehören wird, hiemit erlassen haben.“ = von Schlepegrell, S. 69 f. 33 Th. I Tit. 5 § 4 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 14. 34 Titel II der Oberappellationsgerichtsordnung vom 15. Februar 1746: „In allen Sachen, welche uns und unsere Kammer, Ämter und Jura, oder unsere Beamte und Bediente, die in unserem Namen agieren, einigermaßen betreffen, oder wobei Wir oder unsere Nachkommen […] ein Interesse haben, erlassen wir Unsere zu besagtem Oberappellationsgericht bestellten Räte und Diener der auf Wahrnehmung unseres Besten geleisteten Pflichten und Verbindung hiermit, und wollen, daß dieselben, wie überall, also auch in dergleichen Uns und die Unsrigen betreffenden Rechtsangelegenheiten bei Verwaltung ihres Amtes nichts anderes als eine ganz unparteiische reine Justiz, worauf sie ihren Eid abgelegt und geschworen, vor Augen haben“. Zitiert nach Kern, Der gesetzliche Richter, S. 55, vgl. Keck, S. 93 f. 35 Pfeiffer, S. 54. 36 Vgl. auch Manecke, S. 147 Note 20 sowie Sieber, S. 87 ff., 178 ff.



Das Proömium der Oberappellationsgerichtsordnung

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4.  Versprechen des freien Laufs der Justiz Am weitesten scheint die dritte der oben genannten Bestimmungen zu gehen, die das Versprechen des Landesherrn enthält, nicht in die Rechtsprechung des Oberappellationsgerichts einzugreifen, „sondern bey demselben der Justitz allerdings ihren Lauff [zu] lassen.“37 Auf den ersten Blick begab sich Georg Ludwig damit seines nach damaligem Herrschaftsverständnis grundsätzlich anerkannten Rechts, durch Machtsprüche und Instrumente der Justizaufsicht in die Rechtsprechung des obersten Gerichts einzugreifen. Hierbei handelt es sich aber nicht um einen revolutionären unwiderruflichen Selbstbindungs- und Selbstbeschränkungsakt Georg Ludwigs38 – ein solcher wäre im Herrschaftsdenken des frühen 18. Jahrhunderts nicht denkbar gewesen, da der Herrscher zumindest in der Theorie an seine eigenen positiven Gesetze ebensowenig gebunden war wie an die seiner Vorgänger (princeps legibus solutus)39 –, sondern um eine Standardformulierung frühneuzeitlicher Gerichtsordnungen, die auch in Braunschweig-Lüneburg nicht unbekannt war. Bereits im Calenberger Landtagsabschied von 1639 erklärte der Landesherr, er wolle es „dahin richten, daß der Justiz ihr stracker Lauf gelassen […] werden soll“.40 Ähnliche Formulierungen enthielten auf Reichsebene die Reichskammergerichtsordnung von 155541, der Jüngste Reichsabschied von 165442 und die kaiserlichen Wahlkapitulationen.43 Zwar herrschten auf Reichsebene andere staatsrechtliche und machtpolitische Verhältnisse als in den Territorien. Die auf das Reichskammergericht bezogenen Bestimmungen sind aber gleichwohl von besonderer Bedeutung, da sie für die territoriale Gerichtsverfassung eine zentrale Vorbildfunktion hatten44 und auch bei der 37 38 39 40 41 42 43

CCCal. II, S. 3. So aber Coing, Zur Geschichte, S. 18 f.; Lühr, S. 10; Miersch, S. 204. Vgl. Blickle, Das Alte Europa, S. 42. Pfeiffer, S. 53. Th. II Tit. 35 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 217. § 165 JRA 1654 = Laufs, Der jüngste Reichsabschied, S. 78. Art. 26 der Wahlkapitulation Leopolds I. von 1659, abgedruckt bei Reinkingk, S. 122; vgl. Müssig, Gesetzlicher Richter ohne Rechtsstaat, S. 27 Note 92 mit Hinweis auf die unveränderliche kaiserliche Wahlkapitulation von 1711; Sellert, Richterliche Unabhängigkeit, S. 122; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 161. Zur Bedeutung der Wahlkapitulationen und insbesondere der unveränderlichen Wahlkapitulation von 1711 Buschmann, Heiliges Römisches Reich, S. 31 f. 44 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 286; Diestelkamp, Reichskammergericht im Rechtsleben, S. 229; Laufs, Art. Reichskammergericht, HRG IV, Sp. 655; Oestmann, in: Rückert/Vortmann, S. XLIV; Stobbe II, S. 258; Sydow, Der Staat 41 (2002), 280 ff.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 178. Vgl. auch Sailer, Untertanenprozesse, S. 4. Die Vorbildfunktion der Reichsgerichte für die territoriale

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Ausarbeitung der Oberappellationsgerichtsordnung als Vorbild herangezogen worden sind. Auch in anderen territorialen Gerichtsordnungen finden sich solche Zusicherungen.45 In Braunschweig war bereits nach der Kanzleiordnung von 1651 ein „Richtiger, freier und ungesperrter Lauf der Justiz“ garantiert.46 Die Wismarer Tribunalsordnung von 1657 enthielt im Proömium das Versprechen des Königs, daß „die Heilige Justitz ohnverbrüchig verwaltet und gehandhabet, dem Recht sein freyer, starcker, unbehinderter Lauff gelassen“ werden solle.47 Hier ist freilich als Besonderheit zu berücksichtigen, daß hinsichtlich des höchsten Gerichts für die deutschen Territorien Schwedens ein besonderes Interesse daran bestand, Eingriffe der schwedischen Könige zu verhindern.48 Die Cellesche Hofgerichtsordnung von 1685 enthielt eine solche Bestimmung nicht. Schließlich bestimmte für das Oberappellationsgericht Kassel ein Edikt vom 26. November 1743, daß „der Justiz ihr stracker Lauf gelassen und ein dawider ausgewirkte Verordnung nicht anders als per sub- et obreptionem erschlichen und nur aus Irrtum und Mißverstand erteilt angesehen werden“ solle.49 Hier liegt es wegen der sehr ähnlichen Formulierung nahe, daß die Celler Oberappellationsgerichtsordnung Pate gestanden hat. Da sowohl die Reichskammergerichtsordnung von 1555 sowie vermutlich der Jüngste Reichsabschied, der diese wesentlich revidierte, als auch die Wismarer Tribunalsordnung bei der Ausarbeitung der Celler Oberappellationsgerichtsordnung unmittelbar herangezogen wurden,50 ist anzunehmen, daß die Bekräftigung der Unabhängigkeit nach deren Vorbildern aufgenommen und formuliert worden ist. Dabei mag es sich auch um ein Zugeständnis an die Landstände gehandelt haben, die allein die gesamten Personalkosten des Gerichts trugen und ein Interesse daran haben mußten, den Einfluß des Landesherrn auf das Gericht und seine Rechtsprechung gering zu halten.51 Dieses Interesse war aber nur machtpolitisch motiviert und nicht mit dem erst später entstandenen Empfinden verbunden, Eingriffe des Landesherrn in die Justiz seien der Gerechtigkeit abträglich und daher illegitim. Der tatsächliche Wert dieser Zusicherung konnte sich erst in der Praxis erweisen. Diese konnte freilich eine faktische Bindung an ein Machtspruch-

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Gerichtsverfassung wird in vielfältiger Weise an den Bestimmungen der Oberappellationsgerichtsordnung sichtbar. Vgl. Ogorek, Machtspruchmysterium, S. 17. Pfeiffer, S. 63. Schw.-dt. GO, S. 4. Vgl. Backhaus, S. 43 ff. Zitiert nach Keck, S. 94; vgl. Miersch, S. 64. Siehe oben S. 23; Jessen, Einfluß, S. 129. Vgl. Jessen, Einfluß, S. 139.



Das Proömium der Oberappellationsgerichtsordnung

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verbot bewirken. Hielt sich der Landesherr aber nicht an sein Versprechen, so war es allein eine Frage der Machtverteilung zwischen ihm, dem Gericht und den Landständen, ob er Eingriffe in die Justiz gegen Widerstand durchsetzen konnte; die feierliche Zusicherung in der Oberappellationsgerichtsordnung als solche wäre im Ernstfalle nicht geeignet gewesen, Eingriffe des Landesherrn zu verhindern. Beispielhaft ist Friedrichs des Großen Erklärung in seinem politischen Testament von 1752, er habe sich „entschlossen, niemals in den Lauf eines gerichtlichen Verfahrens einzugreifen; denn in den Gerichten sollen die Gesetze reden und der Souverain schweigen.“52 Gleichwohl hat der preußische König im Fall des Müllers Arnold durch Machtspruch in die Justiz eingegriffen.53 Solange die Machtvollkommenheit (plenitudo potestatis) des Landesherrn im Grundsatz unbestritten und keine Instanz berufen war, rechtlich über dessen Verhalten zu wachen, konnten Eingriffe in die Justiz nicht durch rechtliche Bestimmungen verhindert werden, sondern nur durch die tatsächliche Verteilung staatlicher Macht.

5.  Bewertung des Proömiums Wiederholt ist die Bedeutung des Proömiums für die Unabhängigkeit des Gerichts vom Landesherrn hervorgehoben worden.54 Lühr haben die feierlichen Zusicherungen Georg Ludwigs, dem ein „Gerichtshof von höchster Idealität, Würde und Unantastbarkeit“ vorgeschwebt habe, gar „mit Staunen und Ehrfurcht erfüllt“55. Diese von Pathos erfüllte Sichtweise muß stark relativiert werden. Das Proömium der Oberappellationsgerichtsordnung enthielt lediglich Standardformulierungen frühneuzeitlicher Gerichtsordnungen, die nicht auf eine fortschrittliche Gesinnung des Landesherrn schließen lassen, sondern den Vorbildern zahlloser anderer Gerichtsordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts entsprechen. Als „verfassungsrechtliche[s] Dokument von großer rechtsgeschichtlicher Bedeutung“56 kann es daher nicht angesehen werden. Daß die Entscheidungen des Gerichts mit der Autorität des Landesherrn ausgestattet wurden, sicherte nicht die selbständige und unabhängige Rechtsstellung des höchsten Tribunals, sondern war ein Tribut an die nach 52 Zitiert nach Kern, Geschichte, S. 47; vgl. Erwin, S. 217. 53 Diesselhorst, S. 23 ff.; Kern, Geschichte, S. 47; Schmidt, S. 16 ff., 29 ff.; Schmon, S. 68 ff. Vgl. Ogorek, Machtspruchmysterium, S. 29. 54 Von Bülow I, S. 322 f.; Franzki, 275 Jahre, S. 23; Gunkel, S. 116 f.; Wieacker, 250 Jahre, S. 11 f. 55 Lühr, S. 9. 56 Lühr, S. 9.

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damaliger Sichtweise selbstverständlich dem Landesherrn zustehende oberste Jurisdiktionsgewalt. Die Betonung der Unparteilichkeit auch in Fällen, die das landesherrliche Interesse berührten, war in der Frühen Neuzeit keine Besonderheit; daß Unparteilichkeit als Voraussetzung für Gerechtigkeit betrachtet wurde, ist letztlich durch die christliche Ethik des Richteramtes begründet. Das Versprechen schließlich, der Justiz ihren freien Lauf zu lassen, ist ebenfalls anderen Gerichtsordnungen entlehnt. Es kann auch nicht als „verfassungsmäßige Sicherung der Unabhängigkeit des Gerichts“57 gewertet werden, denn eine solche konnte es in einem vormodernen Staat, in dem die Handlungen des Herrschers keiner rechtlichen, sondern allenfalls einer von der politischen Machtverteilung abhängigen tatsächlichen Kontrolle durch die Stände unterworfen waren, nicht geben.58 Vielmehr war dieses Versprechen nur eine Absichtsbekundung Georg Ludwigs. Von ihm konnte zwar eine gewisse Signalwirkung ausgehen.59 Die Unabhängigkeit des Gerichts von Eingriffen des Herrschers konnte sich aber erst in der Praxis des Gerichtsalltags entwickeln. Durch förmliche Zusicherungen in der Oberappellationsgerichtsordnung konnte sie nicht wirksam, sondern nur scheinbar erzeugt werden. Aus diesen Gründen kann das Proömium auch nicht mit der These in Verbindung gebracht werden, in Braunschweig-Lüneburg habe sich der absolute Fürstenstaat nicht durchsetzen können.60 Es muß vielmehr vor dem Hintergrunde der grundsätzlich unbestrittenen Machtvollkommenheit und Justizhoheit des Landesherrn gesehen werden.

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Wieacker, 250 Jahre, S. 8; vgl. auch Lühr, S. 10. Vgl. Ogris, De sententiis, S. 174; Schmon, S. 53. Erwin, S. 216 f. So aber Miersch, S. 204, 208.



Personelle Besetzung des Gerichts

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IV. Personelle Besetzung des Gerichts 1.  Vorbemerkungen Wie die Gründung des Gerichts insgesamt entsprangen auch die Regelungen der Oberappellationsgerichtsordnung über die personelle Besetzung und die Auswahl des richterlichen Personals langwierigen Verhandlungen zwischen dem Landesherrn und den Landständen.1 Der Landesherr besetzte die Stellen der Präsidenten, Vizepräsidenten und dreier Oberappellationsräte allein ohne ständische Mitwirkung. Für die übrigen sechs Richterstellen hatten die Landschaften Präsentationsrechte, kraft deren sie dem Landesherrn Kandidaten vorschlagen konnten.2 Im Vergleich mit anderen frühneuzeitlichen Gerichtsordnungen ist hervorzuheben, daß es am Celler Gericht keine Trennung von Richter und Urteilern3 gab. Diese Frage war bei der Ausarbeitung der Oberappellationsgerichtsordnung zunächst umstritten gewesen.4 Die unmittelbaren Beweggründe der Väter der Gerichtsordnung, von der hergebrachten Trennung schließlich abzugehen, sind nicht überliefert. Insbesondere sind die entsprechenden Akten nicht erhalten. In der Aufgabe der Unterscheidung zwischen einem verfahrensleitenden Richter und den Urteilern kommt aber der endgültige Durchbruch des gelehrten Richtertums zum Ausdruck. Im älteren deutschen Gerichtsverfahren erfragte der Richter von den Urteilern das überlieferte Rechtswissen, das auf der natürlichen Rechtsanschauung der Allgemeinheit beruhte.5 Dies änderte sich mit dem Vordringen des gelehrten Rechts, das nur den selbsturteilenden Richter kannte,6 sowie des gelehrten Richtertums. Die traditionell-ständische Rechtsfindung wich der rational-staatlichen.7 Das verwissenschaftlichte Recht bezog seine Legitimation nicht mehr aus dem Rechtswissen der Schöffen, sondern aus der gelehrten Anwendung rationaler Rechtssätze.8 Die Trennung zwischen Richter und Urteilern wurde in vielen frühneuzeitlichen Gerichtsordnungen zwar noch formal aufrechterhalten,9 hatte mit diesem Wandel aber ihre ursprüngliche 1 Siehe oben S. 24 ff. 2 Th. I Tit. 1 § 4 OAGO = CCCal. II, S. 8; Oesterley, Grundriß, S. 23 f. 3 Vgl. Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 286 f.; Döhring, Geschichte, S. 35 ff.; Stölzel I, S. 142 ff. 4 Von Bülow I, S. 92 f. Note 33. 5 Kaufmann, Art. Urteil (rechtlich), HRG V, Sp. 607; Schlosser, S. 399. 6 Schlosser, S. 403; Stölzel I, S. 142. 7 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 244. 8 Schlosser, S. 404. 9 Lenel, ZRG GA 34 (1913), 441 ff.

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Berechtigung verloren. Auch das Reichskammergericht unterschied formal noch zwischen dem Kammerrichter und zwei diesen unterstützenden Präsidenten, die vorwiegend verfahrensleitende Funktionen hatten, einerseits und den Beisitzern als Urteilern andererseits.10 Tatsächlich aber waren auch letztere ihrer Funktion nach Richter.11 Diese Entwicklung vollzog die Oberappellationsgerichtsordnung konsequent nach, indem sie die Trennung auch formal aufgab. Schließlich regelte die Gerichtsordnung die Stellung des Präsidenten dahingehend, daß er bei allen Abstimmungen im Gerichtskollegium in gleicher Weise stimmberechtigt war wie die übrigen Mitglieder.12 In dieser Hinsicht wich die Oberappellationsgerichtsordnung von den Regelungen sowohl für die braunschweig-lüneburgischen Hofgerichte13 als auch für die Reichsgerichte und das Wismarer Tribunal ab.14 Anders als am Reichshofrat15 und am Wismarer Tribunal16 hatte der Präsident zudem grundsätzlich kein votum decisivum bei Stimmengleichheit.17 Insofern galt am Celler Gericht der moderne Grundsatz, daß der Präsident bei der Abstimmung über richterliche Entscheidungen kein anderes Gewicht hatte als alle anderen Richter. Wie die Aufgabe der Trennung von Richter und Urteilern zeigt auch die Stellung des Präsidenten, daß Entscheidungen des Gerichts nur noch auf der rationalen Anwendung des gelehrten Rechts beruhten, für die alle Mitglieder des Gerichts gleichermaßen qualifiziert waren. Die Richterschaft war dem feudalen Gesellschaftsaufbau folgend in eine adlige und eine gelehrte Bank geteilt. Der adligen Bank konnten nur Angehörige des alten Geschlechtsadels angehören; Angehörige des neuen Adels konnten wie Bürgerliche Richter der gelehrten Bank sein. Die Voraussetzungen für die altadlige Herkunft der Oberappellationsräte der adligen Bank

10 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 286 f.; Laufs, Art. Reichskammergericht, HRG IV, Sp. 657; Smend, S. 251 f., 261; Wiggenhorn, S. 11 ff. Zur Parallele am Wismarer Tribunal Modéer, Gerichtsbarkeiten, S. 354 f. Zum Reichshofrat Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 344 f. 11 Kaufmann, Art. Urteil (rechtlich), HRG V, Sp. 608. 12 Th. II Tit. 12 § 13 OAGO = CCCal. II, S. 142; Döhring, Geschichte, S. 36. 13 Vgl. von Meier I, S. 290 f. 14 Jessen, Einfluß, S. 141. 15 Tit. V § 16 RHRO 1654 = Sellert, Ordnungen II, S. 198; Lenel, ZRG GA 34 (1913), 442 ff.; Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 344 f. Ob es am Reichskammergericht in der späteren Zeit noch ein votum decisivum des Präsidenten gegeben hat, ist unklar; Smend, S. 253; Wiggenhorn, S. 147; vgl. Mohl, S. 340 ff.; Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 344. 16 Th. II Tit. 38 § 18 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 113. 17 Th. II Tit. 12 § 14 OAGO = CCCal. II, S. 142 f.



Personelle Besetzung des Gerichts

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waren lange Zeit umstritten.18 Das rigorose Beharren des alten Geschlechtsadels auf seinen Vorrechten kann als Reaktion auf den Aufstieg einer neuen bürgerlichen Elite zu sehen sein.19 Altadliger Herkunft mußten der Präsident und der ab 1740 eingesetzte zweite Vizepräsident sowie ungefähr20 die Hälfte der Räte sein; der erste Vizepräsident und die andere Hälfte der Räte waren neuadlig oder bürgerlich.21 Dabei gehörte im 18. Jahrhundert die Mehrheit (24 von insgesamt 33) der Räte auf der gelehrten Bank dem neuen Adel an, so daß das rein bürgerliche Element am Oberappellationsgericht nur schwach vertreten war.22 Diese Trennung der Richterschaft war eine Konsequenz des Vordringens des gelehrten Richtertums zu Beginn der Neuzeit – die adligen Beisitzer waren bis ins 16. Jahrhundert nicht immer rechtsgelehrt.23 Auch am Reichshofrat sowie an etlichen anderen Territorialgerichten gab es diese Unterscheidung;24 dem Wismarer Tribunal war sie hingegen fremd.25 Am Reichskammergericht hat es die Trennung von Adligen und Gelehrten wohl nur in der Anfangszeit gegeben.26 Da zur adligen Bank am Oberappellationsgericht nur Angehörige des alten Geschlechtsadels zugelassen waren, war das altadlige Element in Celle, anders als am Reichskammergericht und am Wismarer Tribunal,27 stark vertreten. Die Differenzierung der beiden Bänke wirkte sich allerdings nicht auf die Anforderungen an die juristische Qualifikation aus. Sie betraf in erster Linie die Rangverhältnisse, die sich im gesellschaftlichen Ansehen ausdrückten, aber auch bei der Reihenfolge der Abstimmung im Plenum zum Tragen kamen.28 18 Gunkel, S. 54; von Meier I, S. 485 f. 19 Vgl. Wehler I, S. 149 f. 20 Keine der beiden Bänke durfte die andere hinsichtlich der Zahl ihrer Richter um mehr als zwei übersteigen; Th. I Tit. 1 § 6 OAGO = CCCal. II, S. 8 f. 21 Th. I Tit. 1 § 4 OAGO = CCCal. II, S. 8; von Bülow I, S. 40 f.; Gunkel, S. 51 ff.; von Meier I, S. 477 ff.; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 38. 22 Von Meier I, S. 487. 23 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 176; vgl. Strube, Nebenstunden III, S. 52 ff. 24 Tit. 5 § 8 RHRO 1654 = Sellert, Ordnungen II, S. 192; ders., Beschleunigung, S. 262; ders., Prozeßgrundsätze, S. 343; Strube, Nebenstunden III, S. 59 f. 25 Jessen, Einfluß, S. 141 f.; vgl. Strube, Nebenstunden III, S. 39 ff. 26 Jahns, Personalverfassung, S. 75 Note 30; Strube, Nebenstunden III, S. 58. Auch ausweislich der Biographien bei Jahns, Reichskammergericht II, spielte die Trennung zwischen adligen und gelehrten Richtern im 18. Jahrhundert keine Rolle mehr. Vgl. Smend, S. 300. Anders Diestelkamp, Krise, S. 488, der von „formeller Beibehaltung der beiden Bänke“ spricht. 27 Jörn, Personal, S. 257, auch zum Reichskammergericht. Nach Th. I Tit. 2 § 1 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 9 sollten in Wismar zwei der sechs Beisitzer von Adel sein. 28 Gunkel, S. 52 f.

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2.  Qualifikation des richterlichen Personals a)  Vorgaben der Oberappellationsgerichtsordnung Präsidenten, Vizepräsidenten und Oberappellationsräte mußten, wie auch alle nichtrichterlichen Mitglieder des Gerichts, der Augsburger Konfession und der deutschen Nation zugehörig sein.29 Ob ein Kandidat dem braunschweig-lüneburgischen Kurstaate angehörte, war hingegen unbeachtlich. So stammten zahlreiche Oberappellationsräte aus anderen deutschen Territorien. Dies ist auch darauf zurückzuführen, daß man mit Recht fürchtete, im eigenen Lande, das bis 1737 noch nicht über eine Universität verfügte, nicht genügend geeignete Kandidaten zur Verfügung zu haben.30 In fachlicher Hinsicht sollte der Präsident über die „solchem Officio gemässen, zu Handhabung der Justitz und Erhaltung des Gerichts Respects nöhtigen Qualitäten“ verfügen.31 Über die Vizepräsidenten enthielt die Oberappellationsgerichtsordnung nur die Vorgabe, daß sie wie die Präsidenten „zu diesen importanten Aemtern geschickt“ sein sollten.32 Sollte ein Vizepräsident ausnahmsweise dem alten Adel entstammen, so sollte er „doch von solcher Erudition seyn, als von einem Gelehrten immer kann erfordert werden“.33 In der gerichtlichen Praxis des 18. Jahrhunderts hatten alle Präsidenten und Vizepräsidenten dem Oberappellationsgericht zuvor schon als Räte angehört.34 Die Oberappellationsräte sollten „der Rechte und des Processus wohlkundig“ sein.35 Wie die Assessoren des Reichskammergerichts36 unterschieden sich die Mitglieder der adligen und der gelehrten Bank in ihrer juristischen Qualifikation nicht.37 So formulierte die Oberappellationsgerichtsordnung ausdrücklich:

29 30 31 32 33 34 35 36

Th. I Tit. 1 § 3 OAGO = CCCal. II, S. 7 f. Vgl. Gunkel, S. 54 f. Th. I Tit. 1 § 5 OAGO = CCCal. II, S. 8. Th. I Tit. 1 § 1 OAGO = CCCal. II, S. 7. Th. I Tit. 1 § 5 OAGO = CCCal. II, S. 8. Gunkel, S. 463 ff. Th. I Tit. 1 § 1 OAGO = CCCal. II, S. 7. Th. I Tit. 3 § 2 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 75  f.; Smend, S. 299 f. Am Reichshofrat hingegen war für die Räte der Herrenbank erst ab 1706 der Nachweis juristischer Kenntnisse vorgeschrieben. Gleichwohl hielt sich die Praxis nicht an diese Vorschrift; Sellert, Beschleunigung, S. 262 f. 37 Von Bülow I, S. 42 f.



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„Es sollen aber die adeliche Persohnen nicht weniger, als die Gelehrte mit genugsahmer und zugehöriger Verwaltung des ihnen bey Unserem Ober-Appellations-Gericht anvertraueten Amts erforderter Erudition versehen seyn.“38

Diese Frage war allerdings bei der Ausarbeitung der Oberappellationsgerichtsordnung umstritten gewesen. Kurz vor der Eröffnung des Gerichts im Jahre 1711 – die genannte Vorschrift hatte bereits ihre endgültige Fassung – hatten sich der erste Präsident Fabricius und der erste Vizepräsident von Hedemann deshalb an den Landesherrn gewandt. Sie trugen Bedenken, ob man genügend rechtskundige Adlige finden werde. Daher schlugen sie dem Kurfürsten vor, an die adligen Richter geringere Anforderungen zu stellen als an die gelehrten.39 Der Kurfürst erwiderte darauf: „Wird zwar von den gelehrten Räthen, billig ein höherer gradus eruditionis als den Adelichen requiriret; was aber die hauptsächlich nöthige, und genugsame Idoneitatem ad officium anlanget, muß darunter den Nobilibus vor den Gelehrten nichts indulgiret werden, sondern der Eine sowohl als der Andre zum Officio geschickt seyn. Wann immittelst jemand derselben die benöthigte Wissenschaft der Rechte hat; das Factum mit allen Umständen aus den Acten begriffen; solches ordentlich vorstellen; das Ius darauf halber wohl expliciren kann; auch sonsten gehörigen Fleiß zeiget; So halten Wir dafür, und approbiren hiermit gnädigst, daß man deßfalls zufrieden seyn könne und möge.“40

Damit erklärte der Landesherr, an der grundsätzlich gleichen Eignung der adligen und der gelehrten Räte festhalten zu wollen. Mit dem zweiten Teil seiner Erwiderung hielt er sich aber ein Hintertürchen offen für den Fall, daß man tatsächlich wie befürchtet nicht genügend rechtskundige Adlige finden werde. In diesem Fall hätte wohl eine geringere Qualifikation für einen Kandidaten der adligen Bank genügt. Es ist aber nicht ersichtlich, daß es jemals zu einer Situation gekommen wäre, in der eine solche Absenkung der Qualifikation erforderlich geworden wäre.

b)  Verschärfung der Anforderungen durch den Landesherrn 1778 Ein Mindestalter für die Richter sah die Oberappellationsgerichtsordnung nicht vor. Im Jahre 1778 verschärfte der Landesherr jedoch insofern die an die Oberappellationsräte gestellten Anforderungen.41 Als die lüneburgische

38 39 40 41

Th. I Tit. 1 § 6 OAGO = CCCal. II, S. 9. Von Bülow I, S. 42 Note 22. Zitiert nach von Bülow I, S. 42 f. Note 22; siehe auch Gunkel, S. 48 f. Ausführliche Darstellung bei E. L. von Lenthe, Präsentationsrechte, S. 554 ff.

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Landschaft den nur 23 Jahre alten von Schlepegrell42 präsentierte,43 der erst ein Jahr lang als Hofgerichtsassessor tätig gewesen war und somit nur über geringe praktische Erfahrung verfügte, versagte Georg III.44 diesem die Bestätigung zwar nicht, ordnete aber durch ein Reskript vom 13. Juni 177845 an, daß die Präsentierten fürderhin mindestens 25 Jahre alt sein und über einige Jahre Berufserfahrung in einem Justizkollegium verfügen müßten. Die Landschaften sahen darin eine in ihre Präsentationsrechte eingreifende Änderung der Oberappellationsgerichtsordnung und brachten dies in Vorstellungen an den Landesherrn46 und die Regierung47 zum Ausdruck. Sie beklagten, daß sie vor der Beschränkung ihres Präsentationsrechts nicht gehört worden seien. Mit der Einführung eines Mindestalters erklärten sie sich zwar einverstanden, forderten den Landesherrn aber auf, das Erfordernis der mehrjährigen Tätigkeit in einem Justizkollegium wieder fallen zu lassen, da dadurch qualifizierte ausländische Kandidaten und auch die rechtsgelehrten Syndici der Landstände ausgeschlossen würden; der Kreis der Präsentationsfähigen werde auf diese Weise erheblich verengt. Durch ein erneutes Reskript vom 30. November 177948 bestätigte Georg III. seine Anordnung, erklärte aber, daß diese nur einheimische Kandidaten betreffen und ausländische nicht ausschließen solle. Auch sei in Einzelfällen ein Dispens von der Voraussetzung der mehrjährigen Tätigkeit in einem Justizkollegium möglich. Zugleich bekräftigte der Landesherr ausdrücklich, „daß dasjenige, was die Constitution und Bestellung Unserer Landes-Collegien überhaupt, und Unserer sämmtlichen Justiz-Collegien insonderheit, ange42 Otto Ludwig von Schlepegrell gehörte ab 1778 der adligen Bank des Oberappellationsgerichts an, wurde 1789 Vizepräsident und 1817 Präsident; er starb 1820; Gunkel, S. 464 ff. 43 Das Präsentationsschreiben, die Aufforderung des Oberappellationsgerichts zur Präsentation eines anderen Kandidaten sowie die landesherrliche Bestätigung sind abgedruckt bei E. L. von Lenthe, Präsentationsrechte, S. 576–578. 44 Georg III. (1738–1820), Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg und König von Großbritannien seit 1760. 45 NHStA Dep. 7 B, Nr. 388, S. 26–27; Dep. 106, Nr. 1040; abgedruckt bei von Bülow I, S. 153 f. Note 12 sowie E. L. von Lenthe, Präsentationsrechte, S. 579. 46 Vorstellung der lüneburgischen Landschaft vom 6. Januar 1779, abgedruckt bei E. L. von Lenthe, Präsentationsrechte, S. 580 ff.; Vorstellung der Landschaft Hoya vom 18. Januar 1779, NHStA Dep. 106, Nr. 1040; Vorstellung der calenbergischen Landschaft vom 10. Mai 1779, NHStA Dep. 7 B, Nr. 388, S. 35–39; von Bülow I, S. 153 f. Note 12; von Meier I, S. 265 f. 47 Vortrag der lüneburgischen Landschaft an die Regierung vom 27. Januar 1779, abgedruckt mit der Erwiderung der Geheimen Räte bei E. L. von Lenthe, Präsentationsrechte, S. 586 ff. 48 NHStA Dep. 7 B, Nr. 388, S. 43–45; Dep. 106, Nr. 1040; abgedruckt bei E. L. von Lenthe, Präsentationsrechte, S. 589 f.



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het, zu Unsern alleinigen höchsten landesherrlichen Rechten gehörig ist.“49 Die Landschaften wandten sich in weiteren Vorstellungen gegen die Neuregelung.50 Ihre Proteste blieben aber erfolglos; der Landesherr erließ lediglich weitere bestätigende Reskripte, die im Gegensatz zu den vorigen nicht von den Geheimen Räten in Hannover im Auftrag des Königs, sondern von diesem selbst in St. James erlassen wurden.51 Ein Dispens von dem neu aufgestellten Erfordernis der mehrjährigen Vorbeschäftigung bei einem Justizkollegium wurde einige Jahre später dem von der calenbergischen Landschaft am 10. Januar 1784 präsentierten Hofgerichtsassessor von Hardenberg erteilt, der noch keine zwei Jahre einem Justizkollegium angehört hatte.52 Durch diese Neuregelung bewies der Landesherr, daß er der alleinige Inhaber der Justizhoheit war und dies gegenüber den protestierenden Landständen auch durchzusetzen vermochte.53 Da er das Recht hatte, jedem einzelnen Kandidaten die Bestätigung der Präsentation zu versagen, konnte er auch allgemeine Regelungen für die Qualifikation der Oberappellationsräte aufstellen.54 In welchem Maße er dabei die Stände anhörte und auf ihre Be-

49 E. L. von Lenthe, Präsentationsrechte, S. 589. 50 Die Landschaft Hoya zog in ihrer Vorstellung vom 19. April 1780, NHStA Dep. 106, Nr.  1040 einen Vergleich mit den Reichsgerichten, deren Verfassung auch nicht der Willkür des Kaisers ausgeliefert sei. Auch beim Erlaß der Oberappellationsgerichtsordnung 1713 und bei der Gerichtsreform 1733 hätte eine Beschränkung der Präsentationsrechte die Mitwirkung der Stände erfordert. Vorstellung der calenbergischen Landschaft vom 17. März 1780, NHStA Dep. 7 B, Nr. 388, S. 51–56, abgedruckt bei E. L. von Lenthe, Präsentationsrechte, S. 590–592; Vorstellung der lüneburgischen Landschaft vom 19. April 1780, ebenda, S. 593 ff.; in einer weiteren Vorstellung vom 9. April 1781, NHStA Dep. 7 B, Nr. 388, S. 68–71, abgedruckt bei E. L. von Lenthe, Präsentationsrechte, S. 601 ff., die der Landesherr offenbar nicht mehr beantwortete, hob die calenbergische Landschaft hervor, „daß das freie Präsentationsrecht unter onerösen Bedingungen erworben“ worden sei, und bezog sich damit auf die von den Landschaften übernommenen Personalkosten. Vorstellung der lüneburgischen Landschaft vom 7. Mai 1781, ebenda, S. 604 ff. 51 Reskript vom 9. Mai 1780 an die calenbergische Landschaft, NHStA Dep. 7 B, Nr. 388, S. 58–59; Reskript vom 25. Juli 1780 an die lüneburgische Landschaft, abgedruckt bei E. L. von Lenthe, Präsentationsrechte, S. 601. 52 Gunkel, S. 49; vgl. Unterlagen zur Wahl, Präsentation und Bestätigung von Hardenbergs am 17. Februar 1784 unter ausdrücklicher Dispensation von den im Reskript vom 13. Juni 1778 aufgestellten Voraussetzungen in NHStA Dep. 7 B, Nr. 388, S. 85 ff. 53 E. L. von Lenthe, Präsentationsrechte, S. 554 ff., stritt das Recht des Landesherrn zu der Neuregelung ebenso ab wie das Bestehen des landesherrlichen Bestätigungsrechts. Von Lenthes Argumentation betont aber die verfassungsrechtliche Stellung der Landstände zu einseitig und berücksichtigt nicht hinreichend die absolutistisch geprägten Herrschaftsverhältnisse des 18. Jahrhunderts. 54 Vgl. Gunkel, S. 49.

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schwerden einging, lag in seinem Ermessen. Hierin bestätigte sich der ganz absolutistischem Staatsdenken verhaftete Grundsatz, daß die Stände keine eigenständige Macht neben dem Landesherrn seien, sondern – nach einer Aussage des Landschaftsdirektors und Konsistorialpräsidenten Molanus55 – lediglich Consiliarii Patriae, und deren Rat „befraget sein Herr, so oft er es nöthig, nützlich oder möglich befindet“.56 Dabei machte der Landesherr aber lediglich aus sachlichen Erwägungen von seiner Justizhoheit Gebrauch. Ein rechtswidriger Eingriff in Rechte der Stände oder des Gerichts kann in dieser Maßnahme nicht gesehen werden, zumal es sich um eine abstrakte Regelung der Qualifikation handelte, die auch ein heutiger Gesetzgeber – in den ihm gesetzten Grenzen – treffen könnte.

3. Landschaftliche Präsentationsrechte Die ständischen Präsentationsrechte sicherten den Landschaften nicht unerheblichen Einfluß auf die Besetzung des Gerichts; stets waren mindestens zwei Drittel der Ratsstellen der landständischen Präsentation vorbehalten.57 Im Gegenzuge waren die Landschaften verpflichtet, die gesamten personellen Kosten des Gerichts zu tragen; nur für die geringen sachlichen Kosten kam der Landesherr auf.58 Neben dem finanziellen Aspekt hatte die Beteiligung der Stände an der Besetzung des Gerichts im Wege der Präsentationen aus der Sicht des Landesherrn auch den Zweck, genügend geeignete Kandidaten in einem Land zu finden, das Anfang des 18. Jahrhunderts noch nicht über eine Universität verfügte59 – die einzige landeseigene Universität Georgia Augusta in Göttingen wurde erst 1737 gegründet. Nach der Oberappellationsgerichtsordnung präsentierten die Landschaften Calenberg und Lüneburg je zwei Räte und Grubenhagen sowie Hoya je einen Rat.60 Im Zuge des Erwerbs Bremen-Verdens im Großen Nordischen 55 Gerhard Wolter Molanus, Abt des Klosters Loccum, 1633–1722. 56 Zitiert nach Storch, S. 141. 57 Infolge der wiederholten Vergrößerungen des Gerichts schwankte das Verhältnis der landständisch präsentierten zu den vom Landesherrn frei zu ernennenden Oberappellationsräten. Bei der Gründung des Gerichts betrug es sechs zu drei, nach dem Erwerb Bremen-Verdens neun zu drei und ab 1733 zehn zu vier. 58 Siehe oben S. 25 mit Noten 13, 14. 59 Vgl. Jahns, Erfassung des Raumes, S. 396; dies., Personalverfassung, S. 77; Smend, S. 282; Wiggenhorn, S. 19. 60 Th. I Tit. 1 § 4 OAGO = CCCal. II, S. 8. Für die Grafschaft Diepholz gab es kein Präsentationsrecht, da diese keine landständische Verfassung hatte; vgl. von Bülow I, S. 134 Note 87; von Meier I, S. 301.



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Krieg wurde das Gericht 1716 um drei Ratsstellen erweitert.61 Von diesen wurden zwei durch Bremen und eine durch Verden im Wege ständischer Präsentation besetzt. Die Reform durch das „Reglement wegen verbesserter Einrichtung des Ober-Appellations-Gerichts vom 31. März 1733“62, die auch die Senatsverfassung einführte und damit die ursprüngliche reine Plenarverfassung ablöste,63 erweiterte das Gericht erneut um zwei Ratsstellen. Von ihnen waren die eine durch den Landesherrn und die andere nach einem vorab durch Los festgelegten Turnus64 reihum durch die Landschaften zu besetzen. Eine weitere und für das 18. Jahrhundert letzte Veränderung der Zusammensetzung des Gerichts brachte das Jahr 1740, in dem das Gericht einen zweiten Vizepräsidenten erhielt, der vom Landesherrn zu bestimmen war.65 Als im Jahre 1747 das Herzogtum Lauenburg und das Land Hadeln ein gesondertes unbeschränktes Appellationsprivileg66 erhielten und infolgedessen in die Zuständigkeit des Celler Gerichts fielen, erbat sich die lauenburgische Ritter- und Landschaft ein Präsentationsrecht. Zugleich wies sie aber auf die beschränkten finanziellen Möglichkeiten des kleinen Herzogtums hin und bat deshalb, das Land Hadeln möge an den Kosten der Präsentation beteiligt werden.67 Daraufhin räumte Georg II. der lauenburgischen Ritter- und Landschaft das Recht ein, einen Oberappellationsrat zu präsentieren, für den sie jedoch auch in entsprechender Höhe einen Beitrag zur Unterhaltung des Gerichts leisten müsse, denn das Land Hadeln habe eine Beteiligung an den Kosten abgelehnt.68 Wegen der ungeklärten Kostenfrage nahm die lauenburgische Landschaft das Präsentationsrecht nicht in Anspruch. Die ausgewerteten Quellen schweigen in dieser Hinsicht bis 1770. 61 62 63 64

65 66 67 68

Von Bülow I, S. 27. CCCal. II, S. 180–186, Original in NHStA Hann. 26a, Nr. 4788, S. 101 ff. Von Bülow I, S. 59 ff.; Oesterley, Grundriß, S. 26. E. L. von Lenthe, Präsentationsrechte, S.  406; Schreiben der Geheimen Räte an die Calenbergische Landschaft wegen des Wahlturnus bei der neuen Präsentations-Stelle, NHStA Dep. 7 B, Nr. 237, S. 16–18, vgl. Abdruck des entsprechenden Schreibens an die lüneburgische Landschaft bei E. L. von Lenthe, Präsentationsrechte, S. 447 f., sowie von Bülow I, S. 135 ff. Zu den hier nicht näher zu erörternden Veränderungen im 19. Jahrhundert Lühr, S. 31 ff. LS Abt. 210, Nr. 1451; Eisenhardt, Die kaiserlichen privilegia, S. 79. Vorstellung der Ritter- und Landschaft vom 11. September 1747, LS Abt. 210, Nr. 1451; Extract von 1819 über die ins Stocken geratene Präsentationssache, LS Abt. 65.3, Nr. 53. II; siehe auch NHStA Hann 26a, Nrn. 4796, 4811. Reskript des Königs an die Ritter- und Landschaft des Herzogtums Lauenburg vom 15. September 1748 sowie entsprechende Bekanntmachung an das Oberappellationsgericht mit gleichem Datum, LS Abt. 210, Nr. 1451, auch in LS Abt. 65.3, Nr. 53. I.

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Am 6. November 1770 bat die Ritter- und Landschaft, die lauenburgischen Ämter, die Stadt Mölln und das Land Hadeln sollten an den Kosten der Präsentation beteiligt werden, da auch sie der Vorteile der höchsten Instanz in Celle genössen. In Anbetracht der durch die Erweiterung der Zuständigkeit erhöhten Arbeitsbelastung habe man aber „zu einiger Beruhigung des hohen Tribunals seit Jahren, ab und zu ein beträchtliches donum gratuitum aufgebracht und nach Celle gehen laßen.“69 Wiederum kam die Angelegenheit nicht voran. Zehn Jahre später, am 22. Dezember 1780, wandte sich der Geheime Rat erneut an die Landschaft. Das Oberappellationsgericht hatte darauf angetragen, die Landschaft solle, wenn sie schon keinen Rat präsentiere, für die immer mehr zunehmende Arbeit aus dem Herzogtum Lauenburg eine billige Vergütung zahlen. Einstweilen möge sie ein extraordinarium für „die ohnehin saure Arbeit des Ober Appellations Gerichts“ zahlen. Der Geheime Rat erklärte die Vergrößerung des Gerichts um einen weiteren Rat für wünschenswert und forderte die Landschaft auf, sich über das Präsentationsrecht und die Frage der Vergütung zu erklären.70 Die Landschaft teilte daraufhin am 14. Juli 1781 der Regierung mit, sie werde die Präsentation bis zur Klärung der Vergütungsfrage, die sie von der Beteiligung der Ämter, der Stadt Mölln und des Landes Hadeln abhängig machte, aufschieben.71 Diese Erklärung teilte die Regierung am 21. Juli 1781 dem Geheimen Rat mit. Die Frage eines Präsentationsrechts ruhte in der Folgezeit bis 1816, als die Herrschaft im Herzogtum Lauenburg auf Dänemark überging.72 Mit dem System der Präsentationen folgte die Oberappellationsgerichtsordnung den Vorbildern des Reichskammergerichts und des Wismarer Tribunals. Der Reichshofrat dagegen wies als Rat des Kaisers einen nicht vergleichbaren Besetzungsmodus auf.73 Die Beisitzerstellen am Reichskammergericht, bei dem freilich die von der Situation in den Territorien abweichenden verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen auf Reichsebene zu berücksichtigen sind, wurden weitgehend von den Reichsständen im Wege 69 Vorstellung der Ritter- und Landschaft vom 6. November 1770, LS Abt. 210, Nr. 1453; Extract von 1819 über die ins Stocken geratene Präsentationssache, LS Abt. 65.3, Nr. 53. II. Die Ritter- und Landschaft gab an, sie habe dem Celler Gericht in den Jahren 1751, 1755, 1764 und 1772 jeweils 600 Reichstaler gezahlt. 70 Resolution des Geheimen Rates vom 22. Dezember 1780, LS Abt. 210, Nr. 1453. 71 Vorstellung der Ritter- und Landschaft vom 14. Juli 1781, LS Abt. 210, Nr. 1453. 72 Extract von 1819 über die ins Stocken geratene Präsentationssache, LS Abt. 65.3, Nr. 53. II. 73 Mit Ausnahme des vom Kurfürsten von Mainz als Reichserzkanzler ernannten Reichsvizekanzlers wurden alle Hofräte allein vom Kaiser ernannt, von Gschliesser, S. 67; zu den Regierungsaufgaben des Reichshofrats vgl. Eisenhardt, Reichshofrat, S. 245 ff.



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der Präsentation besetzt, 74 und die Kosten des Gerichts trugen die Reichsstände durch die von ihnen zu entrichtenden sogenannten Kammerzieler.75 Am Wismarer Tribunal präsentierten die Provinzen Bremen-Verden und Vorpommern jeweils drei der insgesamt sechs Assessoren, und zwar dergestalt, daß Regierung, Ritterschaft und Städte der beiden Provinzen jeweils eine Präsentation erhielten.76 Lediglich die Auswahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten blieb dem schwedischen König vorbehalten. Im Gegensatz zum Celler Gericht trugen die Stände in Wismar nur die Kosten der von ihnen präsentierten Gerichtsmitglieder; Präsident und Vizepräsident wurden von der schwedischen Krone besoldet.77 Im 18. Jahrhundert hat die Regierung den Ständen in mehreren Fällen bestimmte Kandidaten zur Präsentation empfohlen. Am 24. Januar 1711 präsentierte die grubenhagensche Landschaft einen Kandidaten, den der Kammerpräsident von Goertz vorgeschlagen hatte.78 Der Kandidat lehnte aber schließlich ab.79 Schon zuvor war ihr der mecklenburgische Regierungsrat Georg Ludwig von Bülow „recommendirt“ worden.80 Ihn hatte dann aber die Landschaft des Fürstentums Lüneburg präsentiert.81 Zur anderweitigen Präsentation wurde der grubenhagenschen Landschaft daraufhin der Sachsen-Weißenfelssche Hof- und Regierungsrat Ernst von Gustedt empfohlen. Die Landschaft erwog, ob man diese Empfehlung ausschlagen könne, um sich nicht von der Regierung beeinflussen zu lassen und auch fürderhin bei den Präsentationen frei zu bleiben.82 Von Gustedt wurde gleichwohl präsentiert und von Gericht und Landesherrn angenommen.83 Daß seine Präsenta74 Dotzauer, S 456 ff.; Jahns, Personalverfassung, S. 76. Die Präsentation der Assessoren spiegelte die politische und territoriale Gliederung sowie die Herrschaftsverhältnisse des Reichsverbandes wider, Press, Reichskammergericht, S. 13. Siehe auch Ruthmann, S. 6 f. 75 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 135 f.; Henning, Art. Kammerzieler, HRG II, Sp. 590 ff. 76 Buchholz, ZNR 12 (1990), 30, der das Wismarer Tribunal wegen der Präsentationsrechte als „Bollwerk der Landstände“ bezeichnet. 77 Jörn, Gerichtstätigkeit, S. 223; ders., Stand und Aufgaben, S. 256 f.; von Meier I, S. 299, 301. Die Auswahl der Assessoren und ihre Besoldung wurden am Wismarer Tribunal als untrennbare Einheit gesehen: Buchholz, ZNR 12 (1990), 31. 78 NHStA Dep. 7 B, Nr. 1028, S. 17. 79 Roscher, S. 24. 80 NHStA Dep. 7 B, Nr. 1028, S. 17. 81 Gunkel, S. 467. 82 NHStA Dep. 7 B, Nr. 1028, S. 19: „Es ist Bedenklich fallen ob man der vornehmen Recommendation sich könne opponiren und dieselbe außschlagen, man müste hiebey wol verwahren, daß künftig der Landschaft frey bleiben möchte bey begebener Vacants entweder einen nobilem oder literatum zu p’sentiren.“ 83 Gunkel, S. 467.

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tion aber über eine reine Empfehlung seitens der Regierung hinausging und auf wirksamer Einflußnahme beruhte, ist nicht ersichtlich.

4.  Bestätigungsrecht des Landesherrn Die Stände waren bei der Besetzung der ihnen zur Präsentation überlassenen Ratsstellen am Oberappellationsgericht aber nicht frei. Die Präsentationen waren dem Landesherrn gegenüber zu erklären84 und von dessen Bestätigung abhängig.85 Der Herrscher hatte auch darüber zu befinden, ob die Präsentation ordnungsgemäß zustande gekommen war.86 So war jede Präsentation letztlich nur ein unverbindlicher Vorschlag. Nur in einigen wenigen Fällen sind Kandidaten unmittelbar dem Gericht präsentiert worden. Hier wird ein Unterschied zu dem vom Kaiser weitgehend unabhängigen Reichskammergericht sichtbar, bei dem die Präsentationen stets an das Gericht zu richten und nicht von einer Bestätigung durch den Kaiser abhängig waren.87 Dieser Unterschied beruht auf der von den territorialen Herrschaftsverhältnissen abweichenden Situation im Reich. Das Bestätigungsrecht des Landesherrn war in der Oberappellationsgerichtsordnung nicht ausdrücklich geregelt, wurde aber offenbar als selbstverständlich angesehen. Auch am Wismarer Tribunal erklärten die Stände ihre Präsentationen dem König, der sie zu bestätigen hatte.88 Dieses Recht übten die Kurfürsten während des ganzen 18. Jahrhunderts stets aus.89 Weder von seiten der Stände noch des Gerichts wurde es jemals geleugnet.90 Der Landesherr konnte die Bestätigung willkürlich versagen. Ein Anspruch auf Bestätigung bestand weder seitens des Präsentierten noch seitens der Stände oder des Gerichts. Eine Äußerung aus dem 19. Jahrhundert, die das landesherrliche Bestätigungsrecht leugnete, blieb ein Einzelfall.91 84 85 86 87 88 89

Th. I Tit. 1 § 4 OAGO = CCCal. II, S. 8; von Bülow I, S. 148. Von Bülow I, S. 149; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 73. Von Bülow I, S. 138 f.; Gunkel, S. 59. Wiggenhorn, S. 16 ff. Th. I Tit. 2 § 4 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 10; von Meier I, S. 303. Vgl. NHStA Dep. 7 B, Nr. 1028, S. 20: „Wegen des Rescripti Sr. Churfürstl. Durchl. die Confirmation des praesentirten H. von Gustedt zum Ober Appellations Rhats und salarien Gelder Betreffend de dato Hannover 23 9br 712“; Dep. 106, Nr. 1038 II: Der von der Landschaft Hoya präsentierte Willich wurde am 25. Juli 1759 durch das Geheime Ratskollegium ad mandatum speciale, also auf ausdrücklichen Befehl des Landesherrn, bestätigt. Vgl. auch Moser, Einleitung, S. 549. 90 Vgl. Gunkel, S. 62. 91 E. L. von Lenthe, Präsentationsrechte, S. 547 f., der in der Ernennung der Oberappellationsräte durch den Landesherrn eine reine Formalität sah. Die Veröffentli-



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Nach Ansicht Lührs diente dieses Recht des Landesherrn dem Zweck, „bei den ständischen Präsentationen Nepotismus und Ämterpatronage soweit wie möglich auszuschalten“ und „unsachgemäßen Gesichtspunkten begegnen zu können“.92 Dieser Aspekt mag durchaus eine Rolle gespielt haben.93 Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß es für die Herrscher auch machtpolitisch wünschenswert war, bei der Ernennung der Oberappellationsräte, die in ihrem Namen Recht sprachen, das letzte Wort zu haben. Hätte sich der Dualismus zwischen Landesherrn und Ständen im 18. Jahrhundert zu einem ernsthaften Konflikt entwickelt, so hätte sich die Besetzung des höchsten Gerichts zu einem politischen Faktor von größter Bedeutung entwickeln können. Etliche Beispiele für mögliche Eingriffe des Herrschers in ständische Präsentationsrechte bot das Wismarer Tribunal in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.94 Nach dem Herrschaftsverständnis, das der Gerichtsverfassung des 18. Jahrhunderts zugrunde lag, war das Bestätigungsrecht ein selbstverständlicher Ausfluß der Justizhoheit und damit der Landeshoheit (superioritas territorialis) des Fürsten. An dem Bestätigungsrecht wird sichtbar, daß auch die präsentierten Oberappellationsräte, obwohl die Landschaften die gesamten Personalkosten des Gerichts trugen, nicht als Repräsentanten der Landschaften, sondern als Bedienstete des Landesherrn angesehen wurden.95 Daß das Bestätigungsrecht dauerhaft bestand, ohne daß die Stände jemals versucht hätten, es abzuleugnen, beweist, daß das Oberappellationsgericht trotz des starken ständischen Einflusses grundsätzlich ein vom Landesherrn abhängiges Gericht war. Dies kommt auch in der Bezeichnung der Assessoren als Räte96 zum Ausdruck, denn anhand dieser Terminologie wird ihre Einbindung in die Zentralverwaltung als Bedienstete des Landesherrn deutlich.

5.  Beteiligung des Gerichts an der Auswahl des richterlichen Personals Zwar war das Gericht in seiner Besetzung durch das Bestätigungsrecht vom Landesherrn abhängig. Diese Abhängigkeit wurde aber durch seine eigenen Mitwirkungsrechte bei der Auswahl seiner Mitglieder erheblich abge-

92 93 94 95 96

chung von Lenthes stammt aus dem Jahre 1859 und sagt daher über die gerichtlichen und politischen Verhältnisse des 18. Jahrhunderts nichts aus. Lühr, S. 14. Vgl. Vierhaus, S. 81. Jörn, Gerichtstätigkeit, S. 226. Von Bülow I, S. 321. Th. I Tit. 1 § 1 OAGO = CCCal. II, S. 7.

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schwächt. Denn sowohl die vom Landesherrn vorgeschlagenen als auch die von den Landschaften präsentierten Kandidaten hatten sich vor ihrer Ernennung einer umfassenden Prüfung durch das Plenum des Gerichts zu unterziehen, die den Vorbildern des Reichskammergerichts97 und des Wismarer Tribunals98 folgte.99 Ausgenommen waren nur die Präsidenten und Vizepräsidenten. Die Prüfung bestand aus dem sogenannten Skrutinium, das die persönlichen und charakterlichen Verhältnisse des Kandidaten zum Gegenstand hatte100 und dem examen generale101 am Reichskammergericht entsprach, der ebenfalls in Wetzlar üblichen Ausarbeitung schriftlicher Proberelationen102 und einer dem reichskammergerichtlichen examen speciale entsprechenden weiteren mündlichen Prüfung. In gleicher Weise war die Prüfung der Kandidaten am Wismarer Tribunal geregelt.103 Im Skrutinium als erstem Teil der mündlichen Prüfung hatte sich das Plenum des Gerichts „de vita & moribus […] so viel immer möglich, aufs genaueste zu erkundigen, und wann davon mit Grunde etwas widriges zu vernehmen wäre, solches sowohl, ja noch mehr, als den Mangel der Erudition zu attendiren.“104 Es prüfte zunächst die Zugehörigkeit zur Augsburger Konfession und zur deutschen Nation als gesetzliche Voraussetzungen.105 Des weiteren waren Fleiß und Verträglichkeit in kollegialen Verhältnissen sowie Gesundheit, Lebenswandel, Ansehen und die Vermögensverhältnisse des Kandidaten Gegenstand des Skrutiniums.106 Im 18. Jahrhundert wies das Gericht nur einen einzigen Bewerber, und zwar einen landschaftlich präsen 97 Baumann, Art. Beisitzer, HRG I, 2. Auflage, Sp. 512; Mohl, S. 51 ff.; Smend, S. 304; Wiggenhorn, S. 15 Note 2, S. 19. 98 Das Wismarer Tribunal orientierte sich hinsichtlich der Qualifikation, Auswahl und Prüfung des richterlichen Personals seinerseits am Reichskammergericht; Jörn, Personal, S. 250; ders., Gerichtstätigkeit, S. 224; Modéer, Gerichtsbarkeiten, S. 356. 99 Die Mitwirkungsrechte des Gerichts an seiner Besetzung durch die Prüfung der Kandidaten waren daher im Vergleich mit anderen frühneuzeitlichen Gerichtsordnungen keineswegs einzigartig, wie Heile, S. 67 meint. 100 Unklar Jessen, Einfluß, S. 142. 101 Im examen generale prüfte das Gericht, ob die Kandidaten ein „ehrbares und exemplarisches Leben“ führten; § 7 des Visitationsabschieds von 1713 = Sammlung der Reichs-Abschiede IV, S. 263. 102 Vgl. Ranieri, Entscheidungsfindung, S. 168. 103 Th. I Tit. 5 § 2 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 13 f. In persönlicher Hinsicht waren Geburt, Herkunft, Wesen und Wandel Gegenstand der Prüfung zur Aufnahme in das Richterkollegium des Wismarer Tribunals; Jörn, Stand und Aufgaben, S. 257. 104 Th. I Tit. 1 § 8 OAGO = CCCal. II, S. 10. 105 Th. I Tit. 1 § 3 OAGO = CCCal. II, S. 7 f. 106 Von Bülow I, S. 151 f.; Lühr, S. 15.



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tierten, im Jahre 1734 im Skrutinium wegen fehlender charakterlicher Eignung zurück.107 An das Skrutinium schloß sich ein Examen zur Prüfung der fachlichen Qualifikation an. Hierzu wurden den Kandidaten „2. oder 3. Bund Acten ad referendum gegeben […], aus welchen sie schrifftliche Relationes mit beygefügtem Voto und Aufsatz der Sententz in wenigen, etwa 4. ad 6. Tagen zu Celle, […] verfertigen“ sollten.108 Gegenstand der Prüfung waren üblicherweise zwei umfangreiche entscheidungsreife Akten aus der laufenden Gerichtspraxis. Wegen des Umfangs der Akten und der gebotenen tiefen Durchdringung derselben in den Proberelationen war die gesetzliche Frist von wenigen Tagen in der Regel nicht einzuhalten; vielmehr wurden den Examinanden meist drei bis sechs Monate Bearbeitungszeit gewährt.109 Nach Fertigstellung der Proberelationen wurden diese zunächst allen Mitgliedern des Gerichts zu lesen gegeben. Anschließend hatte sich der Kandidat einer zweitägigen mündlichen Prüfung durch das Plenum zu stellen, in der er Teile seiner Proberelationen verlesen und beliebige rechtswissenschaftliche Fragen beantworten mußte.110 Unmittelbar nach der Prüfung entschied das Gericht über die Eignung des Kandidaten. Verneinte es diese auf Grund des Skrutiniums oder des Examens, so brauchte es seine Entscheidung dem reichskammergerichtlichen Vorbild folgend nicht zu begründen,111 sondern nur dem Landesherrn oder der präsentierenden Landschaft mitzuteilen, daß ein anderer Kandidat be107 Von Meier I, S. 304; Gunkel, S. 60, hebt hervor, aus der Einzigartigkeit dieses Mißerfolges könne nicht geschlossen werden, daß das Skrutinium milde gehandhabt worden wäre, sondern vielmehr, daß sich ungeeignete Kandidaten schon aus Furcht vor einer Ablehnung vom Skrutinium ferngehalten hätten. 108 Th. I Tit. 1 § 7 OAGO = CCCal. II, S. 9. 109 Von Bülow I, S. 159 ff.; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 74 f. Während am Reichskammergericht eine Zeit für die Ausarbeitung der Proberelation nicht vorgegeben war, mußten am Wismarer Tribunal zwei oder drei Proberelationen innerhalb von drei Tagen angefertigt werden, Th. I Tit. 5 § 2 WTO 1657 = Schw.dt. GO, S. 13 f.; Jörn, Stand und Aufgaben, S. 257; Smend, S. 305. Nach Mohl, S. 55, war am Reichskammergericht für die Proberelationen ebenfalls eine Bearbeitungszeit von drei bis sechs Monaten üblich. 110 Th. I Tit. 1 § 7 OAGO = CCCal. II, S. 9; Gunkel, S. 61; ausführliche Schilderung des Ganges der mündlichen Prüfung bei Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 76 f. 111 Th. I Tit. 1 § 10 OAGO = CCCal. II, S. 10; von Bülow I, S. 165; zum Reichskammergericht Wiggenhorn, S. 20 f. Vgl. auch von Bülow I, S. 155 f., der auf die Parallele zum Reichskammergericht hinweist und annimmt, daß die entsprechende Vorschrift der Oberappellationsgerichtsordnung auf den Einfluß des Premierministers Georg Ludwigs, Andreas Gottlieb von Bernstorff, zurückgehe.

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nannt werden müsse. Es war insofern keinem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Zum ersten Male lehnte das Gericht im Jahre 1738 einen vom Landesherrn Benannten im Examen ab. Wegen der Überlastung des Gerichts hatte dieses den Kandidaten schon als künftigen Oberappellationsrat angesehen und ihm bereits Akten zugeteilt. Dennoch lehnte Präsident von Wrisberg eine vom Geheimen Rat geforderte Wiederholung des Examens entschieden ab, da er von ihr schädliche Folgen für das Ansehen des Gerichts befürchtete.112 Später (1767) hat das Gericht zwar erklärt, eine Wiederholung des Examens sei nicht zwingend ausgeschlossen, wenn ein Kandidat nach längerer Zeit seine Rechtskenntnisse erheblich verbessert haben sollte.113 Tatsächlich ist es aber nie zu einer Wiederholung gekommen, da kein Kandidat nach einem Mißerfolg wagte, sich der Prüfung erneut zu unterziehen.114 Insgesamt haben im 18. Jahrhundert vier Kandidaten das Examen nicht bestanden.115 Benannten der Landesherr oder die präsentierenden Landschaften nicht innerhalb von sechs Monaten nach Mitteilung einer Vakanz einen Kandidaten, so ging das Benennungsrecht kraft des sogenannten Devolutionsrechts auf das Gericht über.116 Diese Regelung beruhte auf den Vorbildern des Reichskammergerichts117 und des Wismarer Tribunals118. Sie diente dem Zweck, die Zahl und Dauer der Vakanzen gering zu halten. Auch ein auf diese Weise durch das Gericht selbst benannter Kandidat bedurfte noch der Bestätigung durch den Landesherrn, die in dessen freiem Ermessen stand,119 112 Von Bülow I, S. 166 Note 26; Gunkel, S. 61. Am Reichskammergericht war umstritten, ob das Gericht verpflichtet war, einen für ungeeignet befundenen Kandidaten zu einer erneuten Prüfung zuzulassen. Das Reichskammergericht hat in einigen Fällen des späten 17. und des 18. Jahrhunderts eine erneute Prüfung durchgeführt; Jahns, Personalverfassung, S. 86. Anders Wiggenhorn, S. 21 mit Hinweis auf einen Fall aus dem Jahre 1779, in dem das Gericht eine Wiederholungsprüfung ablehnte. 113 Von Bülow I, S. 167 Note 27; Spangenberg, S. 77 f. 114 Gunkel, S. 62. 115 Von Bülow I, S. 164 Note 21. 116 Th. I Tit. 1 § 11 OAGO = CCCal. II, S. 10 f.; von Bülow I, S. 143; von Meier I, S. 307. 117 Th. I Tit. 4 § 3 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 77  f.; §  22 JRA 1654 = Laufs, Der jüngste Reichsabschied, S. 19 f.; vgl. Jessen, Einfluß, S. 142. Das Reichskammergericht übte sein Devolutionsrecht aber kaum aus; Smend, S. 385. 118 Jörn, Etablierung, S. 152. 119 Gunkel, S. 60; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 73. Anders Heile, S. 67 ohne Nachweis: Ob die kraft Devolutionsrechts benannten Kandidaten der landesherrlichen Bestätigung bedurft hätten, sei unklar geblieben. Diese Ansicht ist aber mit der unbestrittenen Justizhoheit des Landesherrn nicht vereinbar.



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und mußte seine charakterliche und fachliche Eignung in Skrutinium und Examen nachweisen. Im 18. Jahrhundert wurde die Sechsmonatsfrist allerdings immer, wenn es zu Verzögerungen kam, durch das Gericht verlängert, so daß das Devolutionsrecht nicht zur Anwendung kam.120 Erst im 19. Jahrhundert ernannte das Gericht mehrere Oberappellationsräte im Wege des Devolutionsrechts.121 Nach bestandenen Prüfungen wurde der Kandidat in das Kollegium des Gerichts eingeführt und vereidigt. Hierzu war wiederum eine von der Bestätigung der Präsentation zu unterscheidende landesherrliche Anweisung abzuwarten.122 Als diese Vorschrift außer Gebrauch kam und das Gericht für geeignet befundene Kandidaten sofort ins Kollegium einführte, untersagte der Landesherr im Jahre 1757 dieses Vorgehen und ordnete an, daß das Gericht ihm künftig vor der Einführung stets Bericht zu erstatten und seine Anweisung abzuwarten habe.123 Auch hieran wird deutlich, daß der Landesherr nicht gewillt war, seine Personalhoheit über das Gericht aus der Hand zu geben.

6. Schlußfolgerungen Betrachtet man die Besetzung des Oberappellationsgerichts im ganzen, so stehen der Landesherr und die Stände im Vordergrund. Sie wählten die Oberappellationsräte durch Ernennung beziehungsweise Präsentation aus. Ein solcher positiver Einfluß auf die Besetzung kam dem Gericht selbst nur im Ausnahmefalle des Devolutionsrechts zu. Der Landesherr hatte über die von ihm selbst zu besetzenden Stellen hinaus dadurch weitreichenden negativen Einfluß auf die Besetzung, daß er die Bestätigung auch der landschaftlich Präsentierten willkürlich versagen konnte. Einen ähnlich weitreichenden negativen Einfluß hatte indes auch das Gericht selbst: Es hatte in Skrutinium und Examen zwar nur die charakterliche und fachliche Eignung der Kandidaten zum Richteramt zu prüfen. Da es aber jeden Kandidaten ohne Angabe von Gründen ablehnen konnte und seine Entscheidung nicht durch eine höhere Stelle überprüfbar war, konnte faktisch niemand gegen 120 Von Bülow I, S. 144; Gunkel, S. 60 sowie die Richtertabellen S. 467 ff., die bis 1805 keine ex iure devoluto ernannten Oberappellationsräte verzeichnen. Vgl. auch Hagemann, Ordnung, S. 9 Note 1. 121 Von Stralenheim und von Beulwitz 1805, Koch 1828, Langwerth von Simmern 1844, Behncke 1853; vgl. Gunkel, S. 471 ff. 122 Th. I Tit. 1 § 4 OAGO = CCCal. II, S. 8; Gunkel, S. 62; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 78. 123 Von Bülow I, S. 168 Note 28.

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seine Ablehnung in das Kollegium aufgenommen werden, auf welchen Gründen diese auch immer beruhen mochte. Wie die Stände und im Falle des Devolutionsrechts das Gericht keinen Kandidaten gegen den Willen des Landesherrn durchsetzen konnten, so konnten weder die Stände noch selbst der Landesherr mit einem Kandidaten gegen die Ablehnung des Gerichts zum Zuge kommen. Damit hatte das Oberappellationsgericht einen weitaus größeren Einfluß auf die Wahl seiner Richter als jedes heutige deutsche Gericht. Die Oberappellationsgerichtsordnung übertrug, indem sie dem Gericht ein Recht des letzten Wortes bei der Besetzung einräumte, einen nicht unwesentlichen Bestandteil der Justizhoheit des Landesherrn auf das Plenum des Gerichts. Dies war aber nicht unüblich und folgte den Vorbildern des Reichskammergerichts und des Wismarer Tribunals. Neben diesen Vorbildern spielten vor allem Zweckmäßigkeitserwägungen eine Rolle. So diente die Prüfung der Kandidaten in Skrutinium und Examen nicht der Unabhängigkeit des Gerichts, sondern der Sicherstellung einer als notwendig erkannten guten Justiz durch fachlich und moralisch qualifizierte Richterpersönlichkeiten. Auch die ständischen Präsentationsrechte verfolgten dieses Ziel, indem sie die Suche nach geeigneten Kandidaten auf breitere Kreise verteilten und so erleichterten. Die Einbeziehung der Stände in die Besetzung des Gerichts war für Georg Ludwig zudem unverzichtbar, weil er für die Finanzierung des Gerichts auf die ständischen Gewalten angewiesen war. Ein Umstand, der sowohl das Ansehen als auch die Tätigkeit eines Gerichts erheblich beeinflussen kann, ist dessen kontinuierliche vollständige Besetzung. Das Reichskammergericht war, vor allem aus finanziellen Gründen, in der Zeit nach dem Westfälischen Frieden kaum jemals vollständig besetzt.124 Auch das Wismarer Tribunal litt unter den Schwierigkeiten unvollständiger Besetzung: In seinen Anfangsjahren war es kaum möglich, qualifizierte Juristen als Mitglieder des Gerichts zu gewinnen, da diese infolge der wirtschaftlichen Notlage kurz nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges zunächst nicht regelmäßig bezahlt wurden.125 Zwar konnten die Vakanzen in der Folgezeit, als die Besoldung der Assessoren sichergestellt war, meist sehr schnell besetzt werden.126 Gleichwohl klagte das Tribunal 1763 über Fehlbesetzungen und Vakanzen und die durch diese Mißstände verursachten erheblichen Rückstände.127 Vergleichbare Schwierigkeiten blieben dem 124 Baumann, Art. Beisitzer, HRG I, 2. Auflage, Sp. 513; Diestelkamp, Verwissenschaftlichung, S. 273; Jahns, Personalverfassung, S. 81. 125 Jörn, Archiv, S. 332 f.; ders., Etablierung, S. 147 ff.; ders., Geschichte und Arbeitsweise, S. 272. 126 Jörn, Gerichtstätigkeit, S. 225. 127 Mohnhaupt, Organisation, S. 232.



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Oberappellationsgericht weitgehend erspart. Als das Gericht am 14. Oktober 1711 seine Tätigkeit aufnahm, war es bereits mit einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und sechs Räten besetzt.128 Abgesehen von den regulär auftretenden Vakanzen – Neubesetzungen dauerten, da die sechsmonatige Frist oftmals verlängert wurde, durchschnittlich ein Jahr129 – war das Gericht im 18. Jahrhundert stets vollständig besetzt, und seine Mitglieder wurden regelmäßig bezahlt.130 Zudem waren die Gehälter in Celle relativ hoch, damit die Gerichtspersonen von Bestechungen und Nebeneinkünften unabhängig waren.131 Diese gesicherte personelle Situation trug nicht unwesentlich zum Ansehen des Gerichts und zur hohen Qualität seiner Rechtsprechung bei.

128 Von Bülow I, S. 18, 20: Der Oberappellationsgerichtsrat und spätere Präsident von Wrisberg hielt sich 1711 anläßlich der Reichskammergerichtsvisitation in Wetzlar auf und trat seinen Dienst in Celle erst 1714 an; Gunkel, S. 28; Jessen, Einfluß, S. 218; zwei weitere Ratsstellen wurden erst 1712 und 1714 besetzt, Gunkel, S. 467, 473. 129 Gunkel, S. 184. 130 Da die Stände ihre finanziellen Beiträge zur Unterhaltung des Gerichts regelmäßig erbrachten und hiervon auch bei Vakanzen nicht befreit waren, entstanden in der Besoldungskasse des Gerichts sogar regelmäßig Überschüsse. Vorübergehende Rückstände mit der Besoldung ereigneten sich aber in den Jahren des Siebenjährigen Krieges; Heile, S. 74. 131 Jessen, Einfluß, S. 135. Der Präsident erhielt jährlich 3000 Reichstaler, der Vizepräsident 1700, die Räte je 1000, der Protonotar 500, die Sekretäre je 450, der Registrator 400, die Kanzlisten je 200, der Pedell 150 und die Boten je 40. Die Besoldungen wurden halbjährlich zu Ostern und zu Michaelis nachträglich (postnumerando) ausgezahlt; es war aber üblich, daß im voraus Abschlagszahlungen bis zur Höhe eines Vierteljahresgehalts geleistet wurden. Die Besoldungen wurden ab 1720 mehrfach erhöht. Vgl. von Bülow I, S. 353 ff., 369; Gunkel, S. 96; Heile, S. 68 f.

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V.  Die selbständige Rechtsstellung des Gerichts im Kurstaat Immer wieder haben die Veröffentlichungen über das Oberappellationsgericht dessen selbständige Stellung im Gefüge des Staatswesens hervorgehoben. Diese war allerdings nicht gesetzlich garantiert – insbesondere können die feierlichen Zusicherungen im Proömium zur Oberappellationsgerichtsordnung nicht als eine verfassungsrechtliche Garantie angesehen werden1 –, sondern kann sich nur aus einer Gesamtschau aller Einzelbefugnisse und Privilegien ergeben. Nur eine umfassende Gesamtbewertung kann die Frage beantworten, ob man mit Recht von einer „weisungsfreien richterlichen Selbstverwaltung“2, einer „sich selbst verwaltenden Körperschaft“3, „korporative(r) Autonomie“4, dem Charakter einer Ständeversammlung5 und der Rechtsfähigkeit des Gerichts6 sprechen kann.

1.  Die einzelnen Aspekte der Selbständigkeit a)  Beteiligung des Gerichts an der Zusammensetzung der Richterschaft Der Mechanismus der Besetzung des Gerichts hinsichtlich der Oberappellationsräte wurde bereits dargestellt.7 Infolge der Prüfung aller Bewerber in Skrutinium und Examen und der damit verbundenen Möglichkeit des Gerichts, jeden Kandidaten ohne Begründung abzulehnen, konnte niemand gegen den Willen des Gerichts als Oberappellationsrat in das Richterkollegium gelangen. Weder der Landesherr noch die präsentierenden Landschaften haben, soweit ersichtlich, jemals versucht, einen Kandidaten gegen die erklärte Ablehnung des Gerichts durchzusetzen; diese wurde stets respektiert.8 Nach der während des ganzen 18. Jahrhunderts einzigen Ablehnung eines Kandidaten im Skrutinium im Jahre 1734 forderte die Landesregierung das Gericht auf, ihr die Gründe für die Ablehnung mitzuteilen. Das Gericht verweigerte eine Begründung mit Hinweis auf die Oberappellationsgerichtsordnung. Die Regierung akzeptierte diese Verweigerung offenbar klaglos. 1 Siehe oben S. 41. 2 Lühr, S. 13. 3 Coing, Zur Geschichte, S. 6; Franzki, 275 Jahre, S. 23: „Körperschaft mit eigenem Selbstverwaltungsrecht“. 4 Wieacker, 250 Jahre, S. 8. 5 Von der Osten, S. 6. 6 Coing, Zur Geschichte, S. 6; Schräder, S. 8; Wieacker, 250 Jahre, S. 13. 7 Oben S. 43 ff. 8 Von Bülow I, S. 156 f. Note 14.



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Auch als das Gericht 1738 eine vom Geheimen Rat geforderte Wiederholung der Prüfung des ersten durchgefallenen Examinanden als mit Würde und Ansehen des Gerichts unvereinbar ablehnte, akzeptierte dies jener offenbar, ohne den Versuch zu unternehmen, eine Wiederholung dennoch durchzusetzen.9 Auch durch das Devolutionsrecht nach sechs Monaten10 hatte das Gericht Einfluß auf seine Besetzung. Allerdings wurde die Sechsmonatsfrist, wenn es zu Verzögerungen bei der Auswahl der Oberappellationsräte kam, regelmäßig verlängert.11 Nach der Konzeption der Oberappellationsgerichtsordnung sollten der Landesherr oder die präsentierende Landschaft jedesmal zwei Kandidaten vorschlagen, von denen das Gericht einen auszuwählen hatte.12 Diese Vorschrift, die dem Besetzungsmodus des Wismarer Tribunals13 folgte, hätte zu Ansätzen einer Kooptation des Gerichts führen können.14 Sie wurde aber gemäß einer kurfürstlichen Resolution vom 24. August 1711 zunächst nicht angewandt; eine Begründung ist, soweit ersichtlich, nicht überliefert.15 Damit beschnitt der Landesherr die dem Gericht zustehenden Mitwirkungsrechte an der Auswahl der Oberappellationsräte. Daß Georg Ludwig nicht noch die Oberappellationsgerichtsordnung vor ihrem Inkrafttreten entsprechend geändert hat, mag daran liegen, daß er für diesen Fall einen Konflikt mit den Ständen befürchtete. Zu Auseinandersetzungen führte die eigenmächtige Änderung des Besetzungsmodus – anders als ein entsprechender Vorfall am Wismarer Tribunal16 – nicht; sie rief offenbar weder den Widerstand des Gerichts noch denjenigen der Stände hervor. In einigen Fällen kam es gleichwohl zur Präsentation zweier Kandidaten: Als das Gericht 1727 von der Landschaft Hoya verlangte, zwei Räte zu präsentieren, gab die Regierung diesem Ansinnen statt. Nach dem Tode des Richters Strube präsentierte die Landschaft Hoya zunächst den Mecklenburgischen Regierungsrat von Schaeffer. Dieser beurlaubte sich jedoch 9 10 11 12 13

Von Bülow I, S. 165 ff. Noten 24–26; Gunkel, S. 61 f.; von Meier I, S. 304 f. Siehe oben S. 58. Gunkel, S. 60. Th. I Tit. 1 § 4 OAGO = CCCal. II, S. 8. Jörn, Etablierung, S. 152; ders., Gerichtstätigkeit, S. 223. Auch am Reichskammergericht mußten ursprünglich stets mindestens zwei Kandidaten präsentiert werden, von denen das Gericht einen auswählte. Seit dem Jüngsten Reichsabschied von 1654 wurde aber regelmäßig nur noch ein Kandidat präsentiert. Das Gericht wahrte sich seine Beteiligung an der Besetzung insofern, als es fortan häufiger ungeeignete Kandidaten im Examen zurückwies. Smend, S. 295. 14 Von Meier I, S. 305. 15 Gunkel, S. 59; Oberschelp, Rechtsquellen, S. 271 f. erwähnt diese Resolution nicht. 16 Jörn, Etablierung, S. 160.

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nach Erhalt der zum Examen zu bearbeitenden Akten und verließ Celle. Daraufhin forderte der Gerichtspräsident von Wrisberg am 12. April 1727 die Landschaft zu einer anderweitigen Präsentation auf. Die Landschaft präsentierte am 29. Mai 1727 den hannoverschen Hofgerichtsassessor und Konsistorialrat Schilling17. Von Wrisberg verlangte am 26. Juni 1727 die Präsentation eines zweiten Kandidaten. Ein Reskript des Geheimen Rates vom 18. Juli 1727 bekräftigte dieses Ansinnen und erklärte, andernfalls könne der König kraft Devolutionsrechts einen Kandidaten ernennen. Diese Ankündigung ging eindeutig an den Bestimmungen der Oberappellationsgerichtsordnung vorbei, die ein Devolutionsrecht nur dem Gericht selbst zubilligte.18 Die Landschaft weigerte sich zunächst hartnäckig, einen zweiten Kandidaten zu präsentieren, da sie in dieser Forderung wohl eine Schmälerung ihrer Rechte sah. Die entsprechende Vorschrift der Oberappellationsgerichtsordnung hielt sie für veraltet und behauptete, sie sei durch Nichtgebrauch außer Kraft getreten. Sowohl von Wrisberg als auch der Geheime Rat bestanden indes auf einer zweiten Präsentation. Offenbar hielten sie den präsentierten Kandidaten Schilling für ungeeignet und wollten ihn auch nicht bis zur Prüfung durch das Gericht gelangen lassen. Wegen der Verzögerung empfahl der Geheime Rat der Landschaft zwei Kandidaten zur Präsentation und drohte wiederholt an, vom Devolutionsrecht Gebrauch zu machen. Schließlich präsentierte die Landschaft Hoya am 12. März 1728 den späteren Vizepräsidenten von Beurhaus. Dieser gehörte nicht zu den vom Geheimen Rat Empfohlenen, wurde aber vom Gericht sowie vom Landesherrn akzeptiert.19 Die Regierung übte keinen Druck auf die Landschaft aus, einen der Empfohlenen zu präsentieren. 1728 präsentierten die Landstände von Verden zwei Kandidaten, da sich die Ritterschaft und die Stadt Verden bei der Wahl des Kandidaten über ihre Stimmen nicht einigen konnten, und baten den Landesherrn, einen der beiden auszuwählen. Daraufhin wurde einer der Präsentierten entgegen der Oberappellationsgerichtsordnung – die Auswahl eines von zwei präsentierten Kandidaten stand dem Gericht zu20 – vom Landesherrn ausgewählt und bestätigt. Das Gericht beanstandete dieses Vorgehen, ließ die Angelegenheit aber im übrigen auf sich beruhen.21 In diesem Falle griff der Landesherr so17 Vgl. Lampe II, S. 10, 43. 18 Th. I Tit. 1 § 11 OAGO = CCCal. II, S. 10 f. 19 NHStA Dep. 106, Nr. 1038 I. Vgl. von Bülow I, S. 145 f. Note 98. Die Schilderung dieses Falles bei Gunkel, S. 59 ist ungenau, denn nicht Schilling, sondern der zunächst präsentierte von Schaeffer vermied es durch seine Abreise, sich der Prüfung durch das Gericht zu unterziehen. 20 Th. I Tit. 1 § 4 OAGO = CCCal. II, S. 8. 21 Von Bülow I, S. 147 Note 99.



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mit in die Rechte des Gerichts hinsichtlich der Besetzung ein, ohne daß dies größere Auseinandersetzungen zur Folge gehabt hätte. Im Jahre 1733 präsentierte die grubenhagensche Landschaft zwei Kandidaten, nämlich den Celler Hofrat von Lenthe und den Weimarer Hofrat von Bodenhausen. Das Gericht forderte beide zur Anfertigung der Proberelationen auf. Von Lenthe wurde indes auch von der calenbergischen Landschaft präsentiert und verzichtete daher auf die grubenhagensche Präsentation.22 Der Landesherr griff hier nicht in das Auswahlverfahren ein. 1738 beabsichtigte die lüneburgische Landschaft zunächst, zwei Kandidaten zu präsentieren, weil die Auswahl des Würdigsten unter Würdigen schwer sei. Sie wählte den Hofrat Avemann und den Hofgerichtsassessor Friedrich Esaias von Pufendorf. Avemann lehnte es aber ab, nur als einer von zweien präsentiert zu werden. Daraufhin führte die Landschaft eine erneute Wahl durch und wählte Avemann nunmehr als einzigen Kandidaten. Dieser wurde vom Landesherrn und vom Gericht als Oberappellationsrat angenommen. Von Pufendorf hielt die Wahl Avemanns für unwirksam und wandte sich in einer Beschwerde an den Landesherrn, die jedoch erfolglos blieb.23 Friedrich Esaias von Pufendorf (1707–1785) wurde im Folgejahr auf Grund einer Präsentation der Grubenhagenschen Landschaft Oberappellationsrat und 1767 Vizepräsident.24 In der Folgezeit scheint die mögliche Präsentation zweier Kandidaten keine Bedeutung mehr gehabt zu haben. Die Mitwirkungsrechte des Gerichts an der Besetzung bestanden nur hinsichtlich der Oberappellationsräte. Auf die Auswahl der Präsidenten und Vizepräsidenten, die allein vom Landesherrn ernannt wurden und keine Prüfung zu absolvieren hatten, hatte das Gericht keinen Einfluß. Die weitreichende Beteiligung des Oberappellationsgerichts an der Auswahl seiner Richter ist ein im Vergleich mit heutigen Gerichten ungewöhnlich anmutender Aspekt gerichtlicher Selbständigkeit. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß es im damaligen Kurstaat keine höhere Justizbehörde als das Oberappellationsgericht gab, der die Prüfung der Kandidaten hätte übertragen werden können. Die Beteiligung eines Gerichts an seiner Besetzung war an hohen Gerichten in der Frühen Neuzeit nicht ungewöhnlich; es gab sie auch am Reichskammergericht und am Wismarer Tribunal. Gleichwohl darf nicht übersehen werden, daß dem Landesherrn kraft seiner Justizhoheit weiterhin umfassende personelle Einflußmöglichkeiten zustanden, gegen deren Anwendung sich das Gericht im Ernstfalle kaum hätte wehren können. Zudem hatte der Landesherr auf Grund seines freien Bestätigungsrechts allein und ohne Beteiligung des Gerichts darüber zu befinden, ob eine 22 Von Bülow I, S. 147 Note 99. 23 Von Meier I, S. 305 f.; vgl. von Bülow I, S. 139 Note 93. 24 Gunkel, S. 466, 474. Zu Pufendorf siehe oben S. 7 Note 24.

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ständische Präsentation wirksam zustande gekommen war; er konnte auch willkürlich jeden präsentierten Kandidaten ablehnen.25 Von Selbständigkeit in personeller Hinsicht kann daher nur teilweise gesprochen werden.

b)  Die Adjunkten: Auswahl und Aufsicht Die Adjunkten bildeten das nichtrichterliche Personal des Gerichts.26 Zu ihnen gehörten der Protonotar, die zunächst drei, ab 1733 vier Sekretäre, der Registrator, der zugleich Botenmeister war, drei, ab 1716 vier Kanzlisten, ein, ab 1731 zwei Pedelle, drei Boten sowie der beeidigte Buchbinder. Für die Beurteilung der Selbständigkeit des Gerichts in personeller Hinsicht sind die Befugnisse des Gerichts hinsichtlich der Auswahl seines nichtrichterlichen Personals und der Dienstaufsicht von Bedeutung. Die Protonotare, Sekretäre und Registratoren wählte das Plenum des Gerichts durch Mehrheitsentscheidung aus und präsentierte sie dem Landesherrn.27 Bestätigte der Kurfürst den Gewählten, so wurde dieser im Plenum vereidigt. Über die Vereidigung mußte dem Landesherrn nicht erneut berichtet werden.28 Zwar ist kein Fall überliefert, in dem der Landesherr einem solchen Bediensteten die Bestätigung versagt hätte. Er behielt sich aber die letzte Entscheidungskompetenz nicht nur bei der Auswahl der Oberappellationsräte vor, die in seinem Namen Recht sprachen, sondern auch bei den höheren nichtrichterlichen Bediensteten. Dies verdeutlicht, daß er, wenn er auch dem Gericht weitgehende Befugnisse übertrug, in letzter Konsequenz seine Hoheit über das Gericht nicht einzuschränken gewillt war. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang folgende Begebenheit: Das Gericht entwickelte die Gepflogenheit, außerordentliche Adjunkten zu vereidigen und ohne Gehalt mit der Mitbesorgung der Sekretärsaufgaben zu betrauen, um geeigneten Nachwuchs heranzubilden. Der Landesherr billigte diese Praxis durch Reskript vom 7. April 1791 grundsätzlich, ordnete aber an, ihm stets vor der Vereidigung Bericht zu erstatten.29 Er gestand dem Gericht somit zu, außerordentliche Adjunkten selbst auszubilden, und hatte kein Interesse daran, durch ein Verbot dieser Praxis ein Exempel zu statu25 Siehe oben S. 54 f. 26 Die Dienstpflichten der Adjunkten sind in Th. I Tit. 3 OAGO = CCCal. II, S. 16– 29 geregelt. Von Bülow I, S. 186 ff; Gunkel, S. 66 ff.; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 79 ff. Zu ihren Dienstverhältnissen siehe auch Ellermann, S. 297 ff. 27 Th. I Tit. 1 § 13 OAGO = CCCal. II, S. 11; Hagemann, Ordnung, S. 10 Note 1. 28 Von Bülow I, S. 197 zum Protonotar, S. 209 zu den Sekretären, S. 222 zum Registrator; Gunkel, S. 66, 73, 78; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 86, 93, 99. 29 Von Bülow I, 2. 209 mit Note 40; Gunkel, S. 74; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 93.



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ieren und seine Stellung als Herr des Gerichts zu bekräftigen. Durch sein Verlangen nach Bericht betonte er aber, daß er dem Gericht und seinem Personal übergeordnet und die Eigenverantwortlichkeit des Gerichts nur eine von ihm gewährte war. Die Protonotare, deren Aufgaben die Leitung der Kanzlei sowie die Aufsicht über die übrigen Adjunkten waren,30 wurden meist aus der Mitte der Sekretäre des Gerichts ausgewählt. Ihre Qualifikation war in der Oberappellationsgerichtsordnung nicht geregelt; in der Praxis waren aber alle Protonotare studierte Juristen. Ein Protonotar war zugleich Assessor am lauenburgischen Hofgericht zu Ratzeburg, und ein weiterer wurde 1749 Professor an der Universität Helmstedt.31 Die Sekretäre hatten ebenfalls meistens studiert; sie gingen oftmals aus dem Advokatenstande hervor. Auch ihnen war ein weiterer Aufstieg möglich; einer der ersten Sekretäre wurde 1715 Justizrat in Stade.32 Die Registratoren waren hingegen nur selten studierte Juristen.33 Die Kanzlisten, Pedelle und Boten wurden als niedere Kanzleibedienstete allein von den Präsidenten und Vizepräsidenten ausgewählt und ernannt34 sowie im Plenum vereidigt, ohne daß es einer Bestätigung durch den Landesherrn oder eines Berichts an diesen bedurft hätte.35 Insofern war das Gericht also frei. Das Ansinnen der Landesregierung im Jahre 1718, einen bestimmten Kandidaten bei der Besetzung einer Kanzlistenstelle mit Vorrang zu behandeln, wies das Gericht erfolgreich zurück: Die Regierung benachrichtigte das Oberappellationsgericht am 24. Februar 1718, „daß der König einem gewissen Westphal die Anwartschaft auf die erste, bey einem der Justiz-Collegien zu Hannover, Zelle oder Stade loßfallende Cancellisten-Bedienung ertheilet habe.“ Das Oberappellationsgericht antwortete am 31. März 1718, nur die übrigen Gerichte könnten gemeint sein, denn nach der Oberappellationsgerichtsordnung würden die Kanzlisten allein vom Präsidenten und dem Vizepräsidenten bestellt. Die Regierung bestand daraufhin, was das Oberappellationsgericht anbelangt, nicht weiter auf der Anwartschaft.36 Die Stelle eines beeidigten Buchbinders, der die Schriftstücke des Gerichts zu heften hatte, war in der Oberappellationsgerichtsordnung zwar von 30 Von Bülow I, S. 186 ff.; vgl. allgemein Döhring, Art. Protonotar, HRG III, Sp. 2044 ff. 31 Gunkel, S. 70. 32 Gunkel, S. 73. 33 Gunkel, S. 78. 34 Th. I Tit. 1 § 14 OAGO = CCCal. II, S. 11. 35 Von Bülow I, S. 229 f. zu den Kanzlisten, S. 241 zu den Pedellen, S. 247 f. zu den Boten; Gunkel, S. 80, 82, 83; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 103, 108, 111. 36 Von Bülow I, S. 99 Note 39.

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Anfang an vorgesehen,37 wurde aber zunächst nicht besetzt. Ab 1731 wurden seine Aufgaben dem zweiten Pedell übertragen. Ein beeidigter Buchbinder wurde 1747 erstmals angestellt. Ab 1783 war diese Stelle dauerhaft einem Celler Buchbindermeister übertragen.38 Die Auswahl des beeidigten Buchbinders stand allein dem Gericht ohne Mitwirkung des Landesherrn zu.39 Seine Stellung unterschied sich insofern von der aller anderen Gerichtspersonen, als er kein festes Gehalt aus der Besoldungskasse des Gerichts bezog, sondern abhängig vom jeweiligen Arbeitsaufkommen von der landesherrlichen Domänenkammer entlohnt wurde.40 Die Dienstaufsicht über die Adjunkten stand in erster Linie dem Gericht selbst zu. Der Registrator hatte als Botenmeister die Aufsicht über die Boten;41 der Protonotar führte als ranghöchste Kanzleiperson die Aufsicht über alle anderen Adjunkten und überwachte die Einhaltung der Ordnung in der Kanzlei.42 Fehlverhalten der Kanzleipersonen und sonstige Mißstände hatte er, wenn er nicht selbst Abhilfe bewirken konnte, dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten oder dem ganzen Richterkollegium mitzuteilen.43 Die eigentliche Disziplinargewalt übte der Präsident im Zusammenwirken mit den Vizepräsidenten und dem Richterkollegium aus. Dies ist in der Oberappellationsgerichtsordnung zwar nicht eindeutig geregelt – die Vorschriften der Oberappellationsgerichtsordnung44 über Dienstaufsicht und Disziplinargewalt betreffen wohl nur die Aufsicht über die Oberappellationsräte –, ergibt sich aber aus der Hierarchie des Gerichts und der diesbezüglichen Berichtspflicht des Protonotars. Ob die oberste Disziplinargewalt über die Adjunkten wie die Aufsicht über die Räte – war das Fehlverhalten eines Rates bedeutsam und konnte ihm nicht durch das Richterkollegium abgeholfen werden, so sollte dem Landesherrn „zu Verfügung dessen, was die Noht-

37 Th. I Tit. 3 § 9 OAGO = CCCal. II, S. 20 f. 38 Von Bülow I, S. 251; Gunkel, S. 84 f. Die auf die Vorschrift über den beeidigten Buchbinder bezogene Anmerkung von Hagemann, Ordnung, S. 22 Note 3 „wird gleichfalls nicht beobachtet“ beruht wohl nur auf dem Umstand, daß der beeidigte Buchbinder zur Zeit Hagemanns (1819) kein eigens bestellter Gerichtsdiener war, sondern seine Aufgaben lediglich einem Celler Buchbindermeister übertragen wurden. 39 Von Bülow I, S. 252; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 154: 40 Von Bülow I, S. 252; Gunkel, S. 85; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 154. 41 Von Bülow I, S. 217. 42 Th. I Tit. 3 § 1 OAGO = CCCal. II, S. 16 f. 43 Th. I Tit. 3 § 6 OAGO = CCCal. II, S. 19; von Bülow I, S. 186–188; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 80. 44 Th. I Tit. 2 § 1 OAGO = CCCal. II, S. 11 f.



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durfft deshalber erforderen wird“, berichtet werden45 – in besonders wichtigen Fällen dem Landesherrn zustand, war ebenfalls nicht geregelt. Diese Frage scheint sich in der Praxis auch nie gestellt zu haben. Es ist aber als sicher davon auszugehen, daß in einem Falle schweren Fehlverhaltens eines Adjunkten, dessen das Gericht selbst nicht ohne weiteres Herr geworden wäre, der Landesherr hätte eingreifen können. Mit der Kanzlei des Reichskammergerichts ist die Situation der Adjunkten am Oberappellationsgericht nicht zu vergleichen. Die Kanzleihoheit über das Reichskammergericht stand dem Kurfürsten von Mainz als Reichserzkanzler zu.46 Dieser wählte die höheren Kanzleipersonen selbst aus. Die niederen wurden vom Kanzleiverwalter mit Einverständnis des Reichserzkanzlers ernannt.47 Auch die Dienstaufsicht und die Disziplinargewalt über das Kanzleipersonal standen nicht dem Gericht, sondern dem Reichserzkanzler zu. Das Reichskammergericht konnte auf die Kanzlei daher keinen unmittelbaren Einfluß nehmen, sondern nur mittelbaren durch Vorstellungen an den Kurfürsten von Mainz.48 Gleichwohl wurden die Kanzleipersonen nicht auf den Reichserzkanzler, sondern nach ihrer Wahl auf den Kaiser oder auf das Reichskammergericht vereidigt.49 Wegen dieser besonderen, auf der Stellung des Reichserzkanzlers beruhenden Verhältnisse der Kanzlei des Reichskammergerichts kommt dieses nicht als Vorbild für die Regelungen der Oberappellationsgerichtsordnung über die Kanzlei und die Adjunkten in Betracht. Am Wismarer Tribunal wurden die höheren Adjunkten vom schwedischen König ernannt. Wie bei den Assessoren hatten die Stände aber weitgehende Präsentationsrechte. So präsentierten die Bremen-Verdenschen Landstände den Protonotar, den Kammeradvokat und einen Kanzlisten, die Pommerschen den Sekretär, den Registrator und den Botenmeister. Die niederen Adjunkten, für die keine Präsentationsrechte bestanden – neben dem zweiten Kanzlisten die Kopisten, Pedellen, Boten und Trabanten –, wurden wie in Celle allein vom Gericht ausgewählt und ernannt.50 Während am Reichskammergericht der Protonotar dem Kanzleiverwalter nachgeordnet war, stimmt die Position des Celler Protonotars als Kanz45 Th. I Tit. 2 § 1 OAGO = CCCal. II, S. 11 f. 46 Diestelkamp, Reichserzkanzler, S. 314 ff. Die Mainzer Kanzleihoheit wurde vielfach in konfessioneller Hinsicht instrumentalisiert und ermöglichte auch eine Einflußnahme auf die Entscheidungen des Gerichts. Der Kurfürst von Mainz verhinderte erfolgreich, daß jemals ein Nichtkatholik in der Kanzlei angestellt wurde. Mohl, S. 124 f.; Wiggenhorn, S. 45. 47 Th. I Tit. 26 §§ 1 f. RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 112 f.; Wiggenhorn, S. 45. 48 Smend, S. 321; Wiggenhorn, S. 46. 49 Wiggenhorn, S. 46. 50 Th. I Tit. 2 § 6 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 10.

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leivorsteher mit der am Reichshofrat und am Wismarer Tribunal überein. Die Bezeichnung der Sekretäre ist ebenfalls den Regelungen für den Reichshofrat und das Wismarer Tribunal nachgebildet, während das Reichskammergericht sogenannte Notarien hatte. Auch die Stellung des Registrators weist Parallelen zum Reichshofrat auf, da der Registrator wie der Türhüter des Reichshofrats die Parteischriften entgegenzunehmen hatte. Die Registratur durch die Leser am Reichskammergericht war hingegen wegen des dort eingeschränkten Schriftlichkeitsprinzips und der Audienzen abweichend geregelt.51 Trotz mancher Ähnlichkeiten wies jedoch die Kanzlei des Reichshofrats eine mit dem Celler Gericht nicht vergleichbare Organisation auf, da auch sie hinsichtlich Ernennung, Dienstaufsicht und Besoldung der Kanzleipersonen vom Kurfürsten von Mainz als Reichserzkanzler abhängig war.52 Daß Dienstaufsicht und Disziplinargewalt in erster Linie dem Gericht selbst zustanden, war praktischen Erwägungen geschuldet. Eine Aufsicht durch den Landesherrn oder die Regierung wäre schwer durchführbar gewesen, denn die Verhältnisse der Adjunkten konnte das Gericht wegen der viel größeren Nähe zu seinem Personal selbst am besten beurteilen. Das Eingreifen des Landesherrn in besonders bedeutsamen Fällen war dadurch nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Ähnliches galt für die Auswahl des nichtrichterlichen Personals: Weitgehende Handlungsfreiheit des Gerichts war auch hier praktisch sinnvoll; eine Zuständigkeit für die Ernennung der Adjunkten, die keine besonders einflußreiche Stellung hatten, wäre für die Regierung unnötiger Ballast gewesen. Während sich der Landesherr bei den Protonotaren, Sekretären und Registratoren als höheren Adjunkten noch ein Bestätigungsrecht vorbehielt, konnte es ihm gleichgültig sein, wer die einfacheren Tätigkeiten der Kanzlisten, Pedelle und Boten ausführte. Die weitgehenden Befugnisse des Gerichts hinsichtlich der Adjunkten belegen nicht seine Selbständigkeit in personellen Angelegenheiten, sondern waren aus Zweckmäßigkeitsgründen vom Landesherrn delegiert, der insofern kaum Interesse an eigenem Einfluß hatte. Aufschlußreich ist das Verhalten Georgs III. im Zusammenhang mit den außerordentlichen Adjunkten: Er gestand dem Gericht zwar weitgehende Selbständigkeit zu, ohne aber zugleich seine übergeordnete Position preiszugeben, kraft deren er Bericht verlangte. Oberster Dienstherr über das Gericht und sein nichtrichterliches Personal blieb trotz weitgehender Delegation der Auswahl und Aufsicht der Landesherr. Die Selbständigkeit des Gerichts war keine eigene, sondern eine von jenem abgeleitete.

51 Jessen, Einfluß, S. 143 f.; Mohl, S. 129. 52 Von Gschliesser, S. 86.



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c)  Finanzielle Selbständigkeit Das Oberappellationsgericht verwaltete seine Gerichtsgebühren ebenso wie die Finanzen für die Besoldung des richterlichen Personals und der Adjunkten sowie die Mittel für die Versorgung der Witwen der Gerichtsmitglieder in erheblichem Umfang selbst. Es verfügte über eine Besoldungskasse, die der Besoldung der Gerichtsangehörigen diente und von den Landständen unterhalten wurde. Des weiteren gab es eine Witwenkasse zur Versorgung der Witwen verstorbener Gerichtsmitglieder, eine Neglektenkasse für Strafgelder wegen Verspätungen und eine Sportelnkasse für die eingenommenen Gebühren. Die verhältnismäßig geringen Sachkosten53 wurden hingegen aus der landesherrlichen Kasse bestritten, ohne daß das Gericht an der Verwaltung dieser Gelder beteiligt worden wäre. Gleiches gilt für die Vergütung des beeidigten Buchbinders. Die Verwaltung der Besoldungskasse war dem Registrator unter der Aufsicht zweier Oberappellationsräte anvertraut.54 Aus der Besoldungskasse wurden die Bezüge der Gerichtspersonen gezahlt, deren Höhe bei der Gründung des Gerichts festgelegt worden war.55 Die Kasse wurde von den Landständen ausgestattet, die verpflichtet waren, die gesamten Personalkosten des Gerichts zu tragen. Jede Landschaft mit Ausnahme von Lauenburg und Hadeln, die nicht über Präsentationsrechte verfügten, mußte jährlich einen bestimmten festgesetzten Betrag zahlen, den der Registrator in Empfang nahm und in der Besoldungskasse verwahrte.56 Die Zahlungspflichten der Landschaften waren, besonders im Zuge der Gründung des Gerichts, Gegenstand zäher Auseinandersetzungen.57 Im Gegensatz zum Reichskammergericht58 und zum Wismarer Tribunal59 litt das Oberappellationsgericht aber nie unter erheblicher Unterfinanzierung; es konnte daher stets vollständig besetzt werden. Nur im Siebenjährigen Kriege und während der franzö53 54 55 56

Siehe oben S. 25 Note 14. Von Bülow I, S. 368; Gunkel, S. 109; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 173. Siehe oben S. 61 Note 131. Th. I Tit. 3 § 16 OAGO = CCCal. II, S. 25 f.; von Bülow I, S. 218 f.; Gunkel, S. 78; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 98. 57 Jessen, Einfluß, S. 135 f.; für die Grubenhagensche Landschaft werden diese Auseinandersetzungen anhand der Akten NHStA Dep. 7 B, Nr. 1028 deutlich, für die Landschaft Hoya anhand der Akten NHStA Dep. 106, Nr. 1035. 58 Henning, Art. Kammerzieler, HRG II, Sp. 591; Sellert, Gewalt, Macht oder Recht, S. 43; ders., Pax Europae, S. 104; Smend, S. 398 ff.; Wiggenhorn, S. 25 f. 59 Fiedler, S. 68; Jörn, Stand und Aufgaben, S. 264; Modéer, Gerichtsbarkeiten, S. 332 ff. Die Unterfinanzierung des Tribunals in den ersten Jahren führte dazu, daß mehrere Assessoren ihre richterliche Tätigkeit aufgaben und das Tribunal an den Rand der Arbeitsunfähigkeit geriet; Jörn, Personal, S. 253.

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sischen Besetzungen ab 1803 kam es zu Zahlungsausfällen.60 Die Zahlungspflichten der Landstände bestanden ungeachtet etwaiger Vakanzen. Daher sammelten sich in der Besoldungskasse regelmäßig Überschüsse an, die dem Gericht zu einiger finanzieller Selbständigkeit verhalfen. So wurde im Mai 1719 ein vor allem auf erhöhten Zahlungen Bremen-Verdens61 beruhender Überschuß von 8000 Talern mit landesherrlicher Genehmigung auf die Mitglieder und Adjunkten des Gerichts aufgeteilt. Solche Sonderzahlungen wiederholten sich.62 Ab 1746 wurden Überschüsse weitgehend zugunsten der Witwenkasse verzinslich angelegt; auch hierzu wurde eine Genehmigung des Landesherrn eingeholt.63 In dieser Form bestand die Besoldungskasse bis 1833, als die Stände durchsetzten, daß die Überschüsse fortan der Generalsteuerkasse verblieben.64 Die Besoldungskasse war der Sustentationskasse des Reichskammergerichts nachgebildet, in die die von den Reichsständen zu leistenden Kammerzieler flossen. Die Sustentationskasse verwaltete der Pfennigmeister des Gerichts.65 Eine entsprechende Einrichtung, die der gerechten Aufteilung der jeweils zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel diente, gab es auch am Wismarer Tribunal.66 Die Hinterbliebenen verstorbener Gerichtsangehöriger erhielten auf Grund landesherrlicher Resolution vom 20. Februar 1712 die Besoldung im Quartal des Todes und einem weiteren sogenannten Gnadenquartal fortbezahlt.67 Darüber hinaus gab es von staatlicher Seite aber keine Versorgung der Hinterbliebenen. Daher wurde im Jahre 1746 eine gerichtseigene Witwenkasse ins Leben gerufen. Die Initiative hierzu ging von dem Oberappellationsrat und späteren Vizepräsidenten von Beurhaus aus. Nach wiederholter Beratung aller Mitglieder legte das Gericht dem Landesherrn den Entwurf eines Reglements vor, den dieser am 18. Februar 1746 bestätigte und damit in

60 Heile, S. 74, 78 ff. 61 Von Bülow I, S. 355; Gunkel, S. 108. Obwohl die Vergrößerung des Gerichts infolge des Erwerbs Bremen-Verdens um drei Oberappellationsräte und einen Kanzlisten nur um jährlich 3200 Reichstaler erhöhte Besoldungskosten verursachte, zahlte Bremen-Verden zunächst jährlich 8700 Reichstaler in die Besoldungskasse, da es diesen Betrag zuvor auch zur Unterhaltung des Wismarer Tribunals beigesteuert hatte. 62 Gunkel, S. 109. 63 Von Bülow I, S. 392 ff.; Gunkel, S. 518 Note *). 64 Gunkel, S. 109. 65 Th. I Tit. 40 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 138 ff. 66 Th. I Tit. 17 § 3 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 38. 67 Von Bülow I, S. 371; Gunkel, S. 110; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 174 f.



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Kraft setzte.68 Da die Witwenkasse letztlich durch landesherrliche Verordnung entstanden ist, kann sie nicht ohne Einschränkung als „Zeichen für die freie Selbstverwaltung des Gerichts“69 gesehen werden. Sowohl die Unterhaltung der Kasse als auch die auszuzahlenden Versorgungsleistungen waren in dem Reglement eingehend geregelt. Finanziert wurde die Witwenkasse durch Beiträge der Gerichtsmitglieder, Überschüsse der Gerichtsgebühren, Zinsen der Überschüsse in der Besoldungskasse sowie Beiträge derjenigen, die beim Oberappellationsgericht ein Examen ablegten, und der zu bestellenden Prokuratoren.70 Die Höhe der Witwenrente betrug nach § 5 des Reglements jährlich 300 Reichstaler. Als in der Kasse erhebliche Überschüsse entstanden waren, wurde sie auf Antrag des Gerichts durch landesherrliches Reskript vom 5. März 1771 auf jährlich 500 Taler erhöht.71 Auch hieraus erhellt, daß die Witwenkasse keine selbständige Einrichtung des Gerichts, sondern vom Landesherrn abhängig war. Die Gebühreneinnahmen (Sporteln) verwaltete das Gericht selbst. Sie standen zu seiner alleinigen Verfügung und wurden zur Anschaffung von Schreibmaterialien verwendet, die nicht die landesherrliche Kasse zahlte.72 Die Überschüsse, die regelmäßig in der Sportelnkasse entstanden, kamen seit 1746 der Witwenkasse zugute.73 Um die Gerichtsmitglieder zum pünktlichen Erscheinen bei den Sitzungen anzuhalten, ordnete das Reglement der Gerichtsreform von 173374 an, daß sie bei Verspätungen einen genau festgelegten75 Obolus in eine sogenannte Neglektenkasse zu entrichten hatten. Offenbar hatte sich eine solche Disziplinierungsmaßnahme als notwendig erwiesen. In der Kasse sammelte sich meistens nur wenig Geld an. Die Einrichtung verfehlte ihre pünktlich68 Von Bülow I, S. 392 f.; Gunkel, S. 517; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 184 f. Das Witwenkassenreglement ist abgedruckt ebenda, S. 185–188, sowie bei Ebhardt I, S. 241 ff. 69 Lühr, S. 15. 70 §§ 1–3 des Witwenkassenreglements = Ebhardt I, S. 241 f.; von Bülow I, S. 394 f.; Gunkel, S. 517 f. 71 Von Bülow I, S. 400 f.; Gunkel, S. 518. 72 Von Bülow I, S. 377; Gunkel, S. 112; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 176 f. 73 § 2 des Witwenkassenreglements = Ebhardt I, S. 241 f.; Gunkel, S. 112. 74 § 15 des Reglements wegen verbesserter Einrichtung des Ober-Appellations-Gerichts vom 31. März 1733 = CCCal. II, S.  186, Original in NHStA Hann. 26a, Nr. 4788, S. 101 ff. 75 Bei einer Verspätung von einer halben Stunde waren sechs, bei einer ganzen Stunde zwölf Groschen zu zahlen. Wer nach den Gerichtsferien unentschuldigt nicht zu den Sitzungen erschien, mußte für jeden versäumten Tag drei Gulden in die Neglektenkasse entrichten; von Bülow I, S. 54.

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keitsfördernde Wirkung also nicht. Die Gelder sollten halbjährlich unter den Gerichtsmitgliedern verteilt werden. Später wurden sie mit deren Einwilligung zu wohltätigen Zwecken verwendet.76 Die Einrichtung der Neglektengelder war nicht ganz neu, sondern dem Vorbild der Justizkanzlei in Celle77 und vermutlich dem Reichskammergerichts-Visitationsabschied von 1713 nachgebildet worden, der ebenfalls eine solche Regelung enthielt.78 Eine zusammenfassende Betrachtung der finanziellen Instrumente des Oberappellationsgerichts ergibt, daß diese nicht geeignet sind, die These von der selbständigen Rechtsstellung des Gerichts zu stützen. Zwar verwaltete das Gericht seine finanziellen Mittel weitgehend selbst. Dabei handelte es sich aber nur um eine aus praktischen Gründen vom Landesherrn delegierte Finanzverwaltung. Dies wird daran sichtbar, daß das Gericht über die Überschüsse der Besoldungskasse erst nach Einholung einer landesherrlichen Genehmigung verfügte. Die Witwenkasse war zwar vom Gericht angeregt worden, stützte sich aber auf ein landesherrliches Reglement als Legitimationsgrundlage. Auch die im übrigen ganz geringfügige Neglektenkasse geht auf ein Reglement des Landesherrn zurück. Daß schließlich das Gericht über die vereinnahmten Gerichtsgebühren (Sporteln) frei verfügen konnte, war in der Gerichtsverfassung der Frühen Neuzeit keine Besonderheit.79

d)  Advokaten, Prokuratoren und Notare Neben seiner richterlichen Tätigkeit hatte das Oberappellationsgericht beträchtliche Aufgaben im Bereich der Aufsicht über die ihm nachgeordneten Gerichte sowie über Notare, Prokuratoren und Advokaten. Dies ist darauf zurückzuführen, daß es im 18.  Jahrhundert noch keine homogene Staatsgewalt gab, die durch eine besondere Behörde die Justizverwaltung zentralisiert ausgeübt hätte. Daher war das Oberappellationsgericht nicht nur höchstes Gericht, sondern hatte vielfach auch die Aufgaben einer obersten Justizbehörde zu erfüllen. Grundsätzlich mußten sich alle Parteien am Oberappellationsgericht zur Vornahme von Prozeßhandlungen eines Prokurators bedienen. Lediglich in 76 Von Bülow I, S. 56; Gunkel, S. 43. 77 Gunkel, S. 43. Die Cellesche Kanzleiordnung von 1656 (von Schlepegrell) enthält hierzu nichts; es scheint sich also um einen erst später eingeführten Gerichtsgebrauch gehandelt zu haben. 78 § 40 des Visitationsabschieds von 1713 = Sammlung der Reichs-Abschiede  IV, S. 268. 79 Döhring, Geschichte, S. 76: Meist wurden die Sportelgelder als Gehalt oder Teil des Gehalts an die Gerichtspersonen ausgezahlt. Vgl. auch Buchda, Art. Gerichtsgefälle, HRG I, Sp. 1547.



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Celle wohnhafte Personen waren von diesem Erfordernis befreit.80 Die anwaltliche Beratung der Parteien war dagegen Aufgabe der Advokaten.81 Die Unterscheidung von Prokuratur und Advokatur hatte bereits im 16. Jahrhundert weitgehend an Bedeutung verloren. Im 18. Jahrhundert gab es regelmäßig keine scharfe Trennung mehr zwischen Prokuratoren und Advokaten; die Oberappellationsgerichtsordnung erhielt sie aber, zumindest formal, aufrecht.82 Die Prokuratoren galten als Nebenpersonen des Gerichts. Sie mußten „der Rechte wohlerfahrne Personen, die zugleich ihrer Ehrlichkeit halber bekandt, auch in ihrem Thun fleißige und emsige Leute“ sein. Wie am Reichskammergericht83 wurden sie allein durch das Gericht, nämlich durch das Präsidium, ernannt und vor dem Plenum vereidigt.84 Weder der Landesherr noch eine Regierungsbehörde waren an ihrer Auswahl beteiligt. Eine Ausnahme bildete lediglich der allein vom Landesherrn ernannte Kammeranwalt (procurator fisci), der in Rechtsstreitigkeiten der landesherrlichen Kammer und der Ämter als Prokurator fungierte.85 Die an die Prokuratoren gestellten Anforderungen entsprachen den Regelungen der Wismarer Tribunalsordnung von 165786, der Calenbergischen Kanzleiordnung von 166387 und der Calenbergischen Hofgerichtsordnung von 163988. Der Prokuratoreneid der Oberappellationsgerichtsordnung89 stimmte weitgehend wörtlich mit demjenigen der Wismarer Tribunalsordnung überein.90 Die Zahl der Prokuratoren war wie am Wismarer Tribunal91 zunächst auf sechs beschränkt, konnte 80 Von Bülow I, S. 253; Gunkel, S. 86; G. von Lenthe, S. 182. Zum Prokuratorenzwang am Reichskammergericht Smend, S. 343; Wiggenhorn, S. 39. Zu den Prokuratoren am Reichskammergericht Baumann, Prokuratoren, S. 179 ff. 81 Zur Unterscheidung von Prokuratur und Advokatur Roscher, S. 68; vgl. allgemein Buchda/Cordes, Art. Anwalt, HRG I, 2. Auflage, Sp. 257; Klass, S. 56 ff.; Sellert, Art. Prokurator, HRG III, Sp. 2032. 82 Vgl. Jessen, Einfluß, S. 145. Ausführliche Darstellung der Tätigkeit der Prokuratoren und ihrer Pflichten bei von Bülow I, S. 256 ff. 83 Smend, S. 350. 84 Th. I Tit. 6 § 1 OAGO = CCCal. II, S. 37 f., von Bülow I, S. 255 Note 4. 85 Von Bülow I, S. 274 f.; Gunkel, S. 89; Roscher, S. 72. Vgl. zum Reichsfiskal am Reichskammergericht Diestelkamp, Von der Arbeit, S. 287; Rautenberg. 86 Th. I Tit. 12 § 2 = Schw.-dt. GO, S. 26. 87 Tit. IV § 8 = CCCal. II, S. 254 f. 88 Tit. VIII Abs. 1 = CCCal. II, S. 383. 89 Th. I Tit. 9 OAGO = CCCal. II, S. 59 f. 90 Th. I Tit. 19 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 47 f. Vgl. zum Reichskammergericht den Prokuratoreneid in Th. I Tit. 63 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 154 f. 91 Th. I Tit. 12 § 1 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 25 f.

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aber durch das Präsidium bei Bedarf erhöht werden.92 Später schwankte sie regelmäßig zwischen fünf und neun.93 Während die Prokuratoren am Wismarer Tribunal durch den Vizepräsidenten und Beisitzer geprüft, vereidigt und immatrikuliert wurden94 und am Reichskammergericht im 18. Jahrhundert zwar kein Examen mehr ablegen mußten, aber stets Advokaten waren und daher das Advokatenexamen bestanden hatten,95 brauchten die Prokuratoren in Celle kein Examen abzulegen. Seit der Gründung der Universität Göttingen sollten aber deren Doktoren bei der Auswahl der Prokuratoren bevorzugt behandelt werden,96 und ab 1747 verlangte das Gericht die an der Universität Göttingen erworbene Doktorwürde.97 Hatte ein Bewerber keinen Doktorgrad, so konnte er diesen nachträglich erwerben. Erst ab 1787 führten tatsächlich alle Prokuratoren den Doktortitel.98 Im Gegensatz zur weitgehend obligatorischen Prokuratur war es den Parteien freigestellt, ob sie einen Advokaten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen betrauen wollten.99 Die Tätigkeit des Advokaten war mit der Prokuratur vereinbar. Diese Verbindung war keine Seltenheit und setzte sich im Laufe des 18. Jahrhunderts weitgehend durch. 1740 war die Mehrzahl der an den Celler Gerichten tätigen Prokuratoren auch als Advokaten tätig. 100 Als Advokat konnte vor dem Oberappellationsgericht jeder auftreten, der juristisch gebildet und gewissenhaft war und die nach Gemeinem Recht vorausgesetzte Qualifikation aufwies.101 Die Zahl der Advokaten war anders als

92 Th. I Tit. 6 §§ 1, 13 = CCCal. II, S. 37 f., 42. 93 Zwischen 1738 und 1790 betrug die Zahl der Prokuratoren durchschnittlich neun, bis 1803 acht und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sieben; bis 1852 sank sie auf fünf; G. von Lenthe, S. 182. 94 Th. I Tit. 12 § 2 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 26. 95 Smend, S. 350 f.; Wiggenhorn, S. 37. 96 Art. XXIII der landesherrlichen Privilegien der Universität Göttingen vom 7. Dezember 1736 = CCCal. I, S. 731 f. 97 Von Bülow I, S. 254; Gunkel, S. 86 f.; Roscher, S. 69; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 122. 98 G. von Lenthe, S. 182. 99 Von Bülow I, S. 276; Gunkel, S. 91. Ausführliche Darstellung der Tätigkeit der Advokaten und ihrer Pflichten bei von Bülow I, S. 287 ff. Vgl. zum Reichskammergericht Weitzel, Anwälte, S. 261: Dort war zwar die Vertretung durch einen Advokaten nicht obligatorisch, jedoch waren die Parteien durch die Praxis des Prozeßbetriebs faktisch nahezu gezwungen, sich durch einen Advokaten vertreten zu lassen. Allgemein zur Freiheit der Advokatur Bergmann, S. 104. 100 G. von Lenthe, S. 182 f. Der Grundsatz der Vereinbarkeit von Advokatur und Prokuratur galt auch am Wismarer Tribunal, Th. I Tit. 12 § 3 WTO 1657 = Schw.dt. GO, S. 26. 101 Von Bülow I, S. 279; Gunkel, S. 91.



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diejenige der Prokuratoren nicht beschränkt.102 Insgesamt waren im 18. Jahrhundert 1333 Advokaten am Celler Gericht tätig.103 Eine Prüfung gab es zunächst nicht. Hierin unterschied sich die Celler Gerichtsordnung vom Reichskammergericht104 und vom Wismarer Tribunal, an dem sich jedenfalls diejenigen Advokaten, die nicht Doktoren oder Lizentiaten waren, einer mündlichen Prüfung durch den Vizepräsidenten und zwei Beisitzer unterziehen mußten.105 Erforderlich waren in Celle aber die Eintragung in die Advokatenmatrikel des Gerichts und die Vereidigung.106 Dieser Eid107 stimmte weitgehend wörtlich mit dem der Wismarer Tribunalsordnung108 überein. Auswärtige Advokaten mußten sich nicht in die Advokatenmatrikel eintragen lassen; sie mußten lediglich den Advokateneid leisten, wenn das Gericht dies verlangte.109 Durch einen Gemeinen Bescheid vom 14. März 1718110 machte das Gericht die Zulassung als Advokat von einer mindestens einjährigen Ausbildung bei einem Advokaten oder Erfahrung bei einem auswärtigen Gericht abhängig. Denn die leicht zu erfüllenden Voraussetzungen für die Ausübung der Advokatur hatten in den ersten Jahren zu Mißbrauch geführt. Die Neuregelung führte aber zu unbilligen Ergebnissen. Daher wurde die Zulassung auf Grund eines weiteren Gemeinen Bescheides vom 28. Dezember 1718111 mit einem schriftlichen Examen und einer mündlichen Prüfung vor einem Oberappellationsrat verbunden. Mitglieder der Justizkollegien, Syndici der Landschaften und Städte,112 Doctores der Universität Göttin102 G. von Lenthe, S. 183. 103 Von Bülow I, S. 285 Note 75. 104 Am Reichskammergericht gab es eine Prüfung bereits seit 1530. In ihr mußten die Advokaten ein akademisches Studium und den Doktor- oder Lizentiatengrad sowie ab 1672 eine zweijährige praktische Tätigkeit in Kammergerichtssachen nachweisen; Buchda/Cordes, Art. Anwalt, HRG I, 2. Auflage, Sp. 258; Klass, S. 177 ff.; Smend, S. 350; Weitzel, Anwälte, S. 257 f. Der Prüfung der Assessoren folgend bestand die Prüfung der Advokaten am Reichskammergericht aus einer schriftlichen Relation und der in General- und Spezialexamen unterteilten mündlichen Prüfung (siehe oben S. 56); Baumann, Advokaten und Prokuratoren, S. 9. 105 Th. I Tit. 11 § 1 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 23. 106 Th. I Tit. 5 § 1 OAGO = CCCal. II, S. 31 f. 107 Th. I Tit. 9 OAGO = CCCal. II, S. 58 f. 108 Th. I Tit. 19 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 47. Vgl. zum Reichskammergericht den Advokateneid in Th. I Tit. 64 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 155 f. 109 Von Bülow I, S. 277. 110 Hagemann, Ordnung, S. 242 f. 111 Hagemann, Ordnung, S. 244 f. 112 Landesherrliches Reskript vom 27. Januar 1713 = CCCel. II, S. 278 f.

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gen113 sowie Advokaten auswärtiger höherer Gerichte114 waren von diesem Erfordernis allerdings befreit. Das schriftliche Examen bestand aus einem auf die Anwaltspraxis zugeschnittenen Rechtsfall, in dem der Kandidat eine Klage, Appellation oder ein Gutachten zu entwerfen hatte. Gegenstand der mündlichen Prüfung waren neben dem Fall der schriftlichen Arbeit Fragen aus verschiedenen Bereichen der Rechtswissenschaft.115 Ab 1771 war die Eintragung in die Advokatenmatrikel des weiteren von einem dreijährigen Universitätsstudium der Rechtswissenschaften abhängig.116 Damit war die Celler Anwaltschaft endgültig im Zeitalter der professionalisierten Juristenausbildung angelangt. Besonderheiten galten jedoch auch hinsichtlich der Advokatur für die landesherrliche Kammer und die Ämter: Diese wurden in Rechtsstreitigkeiten durch eigene Amtsadvokaten und Kammerkonsulenten vertreten, die vom Landesherrn bestellt wurden und ein festes Gehalt aus der Kammerkasse bezogen. Ihre Zulassung war weder von der Prüfung durch das Gericht noch von der Ableistung des Advokateneides abhängig.117 Neben der Advokatenmatrikel führte das Oberappellationsgericht auch eine Notariatsmatrikel, in die sich alle im Kurfürstentum tätigen Notare118 eintragen lassen mußten.119 Wer nicht bereits bei den Reichsgerichten als Notar oder in Celle als Advokat immatrikuliert war, mußte sich des weiteren einem mündlichen Examen durch einen Oberappellationsrat unterziehen. Dieser prüfte durch Fragen, die die notarielle Tätigkeit betrafen, die Eignung des Bewerbers. Die Notare mußten „ihrer Geschicklichkeit und Redlichkeit halber bekante Persohnen“120 sein. Im übrigen richteten sich ihre Qualifikation und Tätigkeit nach der Reichsnotariatsordnung Kaiser Maximilians I. vom 8. Oktober 1512.121 Bevor sie das Examen beim Oberappellationsgericht ablegen konnten, mußten sie daher durch einen kaiserlichen Hofpfalzgrafen examiniert und vereidigt werden.122 Daher gab es keine ge113 Art. XXIII der landesherrlichen Privilegien der Universität Göttingen vom 7. Dezember 1736 = CCCal. I, S. 731. 114 Von Bülow I, S. 277; Hagemann, Ordnung, S. 34 f. Note 1 unter a). 115 Von Bülow I, S. 283 f.; Roscher, S. 74 f. 116 Königliche Verordnung vom 20. September 1771, vgl. von Bülow I, S. 279 Note 65; Oesterley, Grundriß, S. 184 ff. 117 Von Bülow I, S. 299; Gunkel, S. 93. 118 Vgl. allgemein zum Notariat im Alten Reich Schubert, Geschichte, S. 203  ff.; Wendehorst, S. 343 ff. 119 Th. I Tit. 7 §§ 1, 2 OAGO = CCCal. II, S. 45. 120 Th. I Tit. 7 § 1 OAGO = CCCal. II, S. 45. 121 Sammlung der Reichs-Abschiede II, S. 151–166; von Bülow I, S. 301; Roscher, S. 80; vgl. allgemein Dolezalek/Konow, Art. Notar, Notariat, HRG III, Sp. 1045 f. 122 Oesterley, Grundriß, S. 200.



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sonderte Vereidigung in Celle.123 Das Notariat war mit der Advokatur vereinbar; daß ein immatrikulierter Notar nicht zugleich als Advokat tätig war, war ein seltener Ausnahmefall.124 Die Zahl der Notare war nicht beschränkt. Im 18. Jahrhundert ließen sich insgesamt 625 Notare beim Oberappellationsgericht immatrikulieren.125 Das Oberappellationsgericht übte auch die Aufsicht und Disziplinargewalt über die Prokuratoren, Advokaten und Notare aus. Tätigkeit und Pflichten dieser Berufsstände sowie das Disziplinarstrafrecht regelte es selbst in zahlreichen Gemeinen Bescheiden.126 Bei Fehlverhalten konnte es Verweise erteilen sowie Geldbußen und Strafen bis hin zur Entfernung aus dem Amt verhängen.127 So war es ausweislich der untersuchten Prozeßakten keine Seltenheit, daß es gegen Advokaten wegen völlig ungerechtfertigter Rechtsmittel Geldstrafen verhängte. Ebenso ging es vor, wenn es in Schriftsätzen den gehörigen Respekt vermißte. Die Auswertung der Geschäftsübersichten des Gerichts bestätigte dies: Im Zeitraum zwischen dem 27. Oktober 1800 und dem 7. November 1801 erließ das Gericht 853 Urteile und Hauptbescheide. Davon waren 84 mit einer Rüge und Bestrafung eines Parteivertreters verbunden. Diese weitreichenden Aufsichts- und Disziplinierungsbefugnisse des Gerichts waren in der frühneuzeitlichen Gerichtsverfassung bis Ende des 18. Jahrhunderts allgemein üblich.128

e)  Aufsicht über die braunschweig-lüneburgischen Obergerichte Für die dem Oberappellationsgericht unmittelbar nachgeordneten Gerichte war das oberste Gericht nicht nur Rechtsmittelinstanz, sondern auch Aufsichtsbehörde. Dies waren die Hofgerichte, Justizkanzleien, die Regierung zu Ratzeburg, soweit sie als Gericht handelte, sowie die Konsistorien. Hierin 123 Th. I Tit. 7 § 3 OAGO = CCCal. II, S. 45; von Bülow I, S. 302 f., zu den am Oberappellationsgericht immatrikulierten Advokaten S. 303 Note 19; Gunkel, S. 95. 124 G. von Lenthe, S. 184. 125 Von Bülow I, S. 304 Note 20. 126 Vgl. die bei Hagemann, Ordnung, S. 229 ff. abgedruckten Gemeinen Bescheide des Oberappellationsgerichts. Auch das Wismarer Tribunal regelte die Tätigkeit der Advokaten und Prokuratoren durch Gemeine Bescheide; Mohnhaupt, Organisation, S. 231. 127 Von Bülow I, S. 269 f. hinsichtlich der Prokuratoren, S. 295 f. hinsichtlich der Advokaten, S. 306 zu den Notaren; Gunkel, S. 89, 93; G. von Lenthe, S. 184 f.; Roscher, S. 71, 76 f. 128 Th. I Tit. 52 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 149  f.; Buchda/Cordes, Art. Anwalt, HRG I, 2. Auflage, Sp. 260 f.; Klass, S. 72 f.; Weitzel, Anwälte, S. 265 f.; Wiggenhorn, S. 42.

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wird die Einbindung des Gerichts in die landesherrliche Zentralverwaltung beispielhaft sichtbar, die es vom Reichskammergericht unterschied: Für das höchste Gericht des Reiches kam eine solche Aufsichtskompetenz naturgemäß nicht in Betracht, da in seinem Falle die jeweiligen Gerichte der Vorinstanz stets einem anderen Herrschaftsverband angehörten. Als Aufsichtsbehörde war das Celler Gericht gehalten, ihm bekannt werdende Mißstände an den Obergerichten zu rügen und auf deren Beseitigung hinzuwirken.129 Zu diesem Behufe konnte es nicht nur Erinnerungen, Weisungen und Verweise aussprechen, sondern auch gegen das untergeordnete Gericht selbst Geldbußen verhängen. Auch im Rahmen von Beschwerden über verweigerte oder verzögerte Justiz konnte es solche Maßnahmen gegen ein nachgeordnetes Gericht ergreifen. Die Landesregierung in Hannover achtete diese Kompetenz des Oberappellationsgerichts: Als bei ihr 1729 eine Beschwerde über eines der Obergerichte einging, gab sie die Sache wegen Unzuständigkeit an das Oberappellationsgericht ab.130 Leistete ein Gericht einer Anordnung des Oberappellationsgerichts nicht Folge, so konnte letzteres im Wege des sogenannten Einlagers, das ein aus dem Mittelalter stammendes, im 18.  Jahrhundert noch gebräuchliches Mittel der Zwangsvollstreckung war,131 dem Gericht als Druckmittel einen auf dessen Kosten zu beherbergenden Gerichtsboten ins Haus legen.132 Willkürliche Eingriffe in das Verfahren bei den untergeordneten Gerichten waren ihm untersagt.133 Daß für die Justizaufsicht über die Obergerichte das Oberappellationsgericht zuständig war, das zugleich Rechtsmittelinstanz für Entscheidungen dieser Gerichte war, verdeutlicht, daß zwischen Rechtsprechung (Rechtsmittelzuständigkeit) und Verwaltung (Justizaufsicht) nicht scharf unterschieden wurde.

129 Th. II Tit. 1 § 13 OAGO = CCCal. II, S. 71; von Bülow II, S. 419; Gunkel, S. 122; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 295. 130 Von Bülow I, S. 351 Note 80. 131 Oesterley, Grundriß, S. 418: „Die Execution durch Einlager wird dergestalt vollstreckt, daß einer oder mehrere Mann Wache dem Beklagten in’s Haus gelegt, und von diesen bezahlt werden müssen; sie ist besonders rathsam, wenn es erhellt, daß nur aus Ungehorsam das Decret nicht befolgt wird; ist wirklich Geldmangel da, so erreicht sie nicht nur den Zweck nicht, sondern wird unnöthig drückend, und man schreitet besser zur Auspfändung.“ Vgl. allgemein Bressler, Art. Einlager, HRG I, 2. Auflage, Sp. 1298 f. Zur Vollstreckungspraxis des Einlagers am Wismarer Tribunal Jörn, Geschichte und Arbeitsweise, S. 277. 132 Gunkel, S. 122, vgl. auch S. 145; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 296. 133 Von Bülow I, S. 352; Gunkel, S. 122; Hagemann, Ordnung, S. IX Note 16.



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Eine weitere Aufgabe hinsichtlich der Justizkollegien134 erhielt das Oberappellationsgericht durch ein landesherrliches Reskript im Jahre 1738: Es hatte nunmehr die Kandidaten für die Richterstellen an diesen ihm nachgeordneten Gerichten einer Prüfung zu unterziehen.135 Solche Prüfungen waren in einzelnen Fällen bereits vor 1738 vom Landesherrn angeordnet worden. Lediglich Kandidaten, die bereits einem anderen Justizkollegium angehörten, waren von der Prüfung ausgenommen.136 Für die lauenburgischen Gerichte galt dies allerdings wohl erst ab dem Beginn der Zuständigkeit des Celler Gerichts für das Herzogtum Lauenburg im Jahre 1747.137 Gegenstand der Prüfung waren zwei entscheidungsreife Akten aus der gerichtlichen Praxis. Der Kandidat hatte innerhalb einer Frist von meistens drei Monaten zwei Proberelationen anzufertigen. An diese schriftliche Prüfung schloß sich ein zweitägiges mündliches Examen vor dem Plenum des Gerichts an. Der Ablauf der schriftlichen und mündlichen Prüfung entsprach weitgehend dem Examen der Oberappellationsräte.138 In besonderen Fällen konnte der Landesherr einem Kandidaten einen Dispens von der Prüfung erteilen; dies geschah wiederholt bei Professoren der Rechtswissenschaft.139 Der Prüfung der Richter der Mittelinstanzen durch das Oberappellationsgericht lag der Gedanke zugrunde, „niemand dürfe Recht im Lande sprechen, der nicht vom Obersten Gericht für geeignet befunden sei.“140

134 Erfaßt waren von dieser Regelung die Justizkanzleien in Celle, Hannover und Stade, die Regierung zu Ratzeburg, die Hofgerichte und die weltlichen Konsistorialräte des Konsistoriums zu Hannover; von Bülow II, S. 423. 135 Landesherrliches Reskript vom 31. Oktober 1738, abgedruckt bei von Bülow II, S. 421 Note 37; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 298. Der diesbezügliche Akt NHStA Hann. 70, Nr. 3819 ist derzeit wegen Pilzbefalls nicht zugänglich. Vgl. den Bericht des Oberappellationsgerichts an den Landesherrn über die Prüfung des späteren hannoverschen Hofrichters Friedrich Ludwig von Berlepsch vom 17. Dezember 1771, NHStA Hann. 27 Hannover, Nr. 2934a I, Q 15. 136 Von Bülow II, S. 420. 137 Dies ergibt sich aus einem königlichen Reskript an die lauenburgische Ritter- und Landschaft vom 15. September 1748, das zusicherte, landschaftliche Landräte seien am Hofgericht vom Examen dispensiert: LS Abt. 65.3, Nr. 53. I. 138 Detaillierte Darstellung des Ganges der Prüfung bei von Bülow II, S. 424–428. Zum Examen der Oberappellationsräte siehe oben S. 55 ff. 139 Von Bülow II, S. 423 Note 40. 140 Coing, Zur Geschichte, S. 13.

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f)  Auslegung des Rechts, Gemeine Bescheide und die Bedeutung von Präjudizien In zahlreichen europäischen und territorialen deutschen Rechtsordnungen waren die Gerichte nicht oder nur eingeschränkt ermächtigt, das Recht, das sie anwandten, selbst auszulegen. Die (authentische) Auslegung der Gesetze war oftmals dem Gesetzgeber vorbehalten, um dessen Willen vor einer allzu freien Rechtsanwendung durch die Gerichte zu schützen. Auslegungsverbote, die nicht selten durch ein Kommentierungsverbot ergänzt wurden, gingen zudem oftmals mit einer Vorlagepflicht der Gerichte (référé législatif) einher: In Zweifelsfällen und bei schwierigen Rechtsfragen mußten die Gerichte den Gesetzgeber um die authentische Interpretation des Rechts ersuchen. Auslegungs- und Kommentierungsverbote sowie der référé législatif, die sowohl das materielle Recht als auch das Prozeßrecht betreffen konnten, gingen auf die Gesetzgebung des Kaisers Justinian zurück, erlangten aber im Fürstenstaat der Frühen Neuzeit sowie im Zeitalter der Naturrechtskodifikationen eine gesteigerte Bedeutung, da die Herrscher vermehrt versuchten, das Recht inhaltlich dem Zugriff der Justiz zu entziehen.141 Die Celler Oberappellationsgerichtsordnung enthielt weder ein Auslegungs- und Kommentierungsverbot noch Bestimmungen über einen référé législatif. Für prozeßrechtliche Fragen, die in ihr nicht geregelt waren, ordnete sie vielmehr ausdrücklich an, „daß nach gemeinen beschriebenen Käyserlichen Rechten, wie auch des heiligen Reichs-Satzungen […] procediret und erkant […] werden solle.“142 Auch außerhalb dieser Gerichtsordnung sind entsprechende Regelungen für Braunschweig-Lüneburg nicht überliefert. Dies spricht dafür, daß das Celler Gericht das materielle Recht ebenso wie das Prozeßrecht eigenständig auslegen konnte, ohne an die authentische Interpretation des Gesetzgebers gebunden zu sein. Zwingend ist dieser Schluß indes nicht. Denn die Pflicht des Richters, in Zweifelsfällen den Gesetzgeber um die authentische Interpretation des Gesetzes zu ersuchen, galt im 18. Jahrhundert als Ausfluß der Gesetzesbindung der Justiz.143 Es ist deshalb und wegen der Einbindung des Gerichts in den Bau der Zentralverwaltung nicht ausgeschlossen, daß auch das Oberappellationsgericht bei zweifelhaften 141 Becker, Art. Kommentier- und Auslegungsverbot, HRG II, Sp. 963 ff.; Conrad, Richter, S. 8 ff.; Hübner, S. 29 ff.; Mohnhaupt, Potestas legislatoria, S. 220 ff.; Schott, Rechtsgrundsätze, S. 26; ders., Art. Auslegungsverbot, HRG I, 2. Auflage, Sp. 369 ff., 372 f. Zum Kommentierungs- und Auslegungsverbot im preußischen Allgemeinen Landrecht Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 332. 142 Th. II Tit. 19 § 2 OAGO = CCCal. II, S. 171; vgl. Jessen, Einfluß, S. 168; Miersch, S. 108. 143 Stock, S. 198 ff.; Strube, Unterricht, S. 24, 33 Note 6.



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und schwierigen Rechtsfragen den Landesherrn und seine Regierung um die authentische Interpretation von Rechtsnormen ersucht hat. Mit Sicherheit festzustellen ist dies nicht mehr, da entsprechende Akten der Regierung nicht erhalten sind. Daß die Lauenburger Prozeßakten hierüber nichts aussagen, belegt ebenfalls nicht zwingend, daß es solche Vorlagen nicht gegeben hat. Denn Anfragen des Gerichts an die Regierung wären möglicherweise nicht in den Prozeßakten dokumentiert worden. Gleichwohl folgt schon aus den Vorgaben der Oberappellationsgerichtsordnung, die weder einen référé législatif noch ein Auslegungsverbot enthielt, sondern dem Gericht gestattete, auch in nicht ausdrücklich geregelten Fällen selbst zu entscheiden, eine im Vergleich mit anderen Gerichten des 18. Jahrhunderts nicht selbstverständliche Freiheit bei der Gesetzesanwendung. Dies trug zu einer gewissen Unabhängigkeit der Rechtsprechung vom Landesherrn bei. Dieser Aspekt darf aber nicht einseitig betrachtet werden, denn Auslegungsverbote konnten mannigfaltige Hintergründe haben. Zwar konnte ein Interpretationsmonopol des Gesetzgebers durchaus eine Stärkung der Stellung des Herrschers bezwecken. Auslegungsverbote konnten aber auch dazu dienen, richterliche Willkür und Machtmißbrauch durch die Gerichte zu unterbinden. Weiters trugen sie dazu bei, die Rechtsprechung eindeutig von Verwaltung und Regierung zu trennen.144 Schließlich war das Oberappellationsgericht in der Rechtsanwendung trotz des Fehlens eines allgemeinen Auslegungsverbots und des référé législatif insofern nicht frei, als der Landesherr im Einzelfall in seine Rechtsprechung eingreifen konnte, wenn er mit der Gesetzesauslegung nicht einverstanden war. Insbesondere in der Ausgestaltung des Prozeßrechts war das Oberappellationsgericht im Vergleich zu heutigen Gerichten ziemlich frei.145 Durch Gemeine Bescheide konnte es Anordnungen über das gerichtliche Verfahren treffen. Dies war zwar nicht ausdrücklich geregelt, ergab sich aber aus „der Natur der Sache und der Analogie anderer Gerichtshöfe“146. Das Institut der Gemeinen Bescheide ist den Vorbildern des Reichskammergerichts und des Wismarer Tribunals147 entlehnt und war auch an französischen und portugiesischen Gerichten verbreitet.148 Auch an den braunschweig-lüneburgischen Mittelgerichten ist es anzutreffen.149 Am Reichskammergericht 144 Becker, Art. Kommentier- und Auslegungsverbot, HRG II, Sp. 963. 145 Vgl. Miersch, S. 109. 146 Von Bülow II, S. 392, der sich vor allem auf das Vorbild des Reichskammergerichts bezieht; Gunkel, S. 157 f.; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 26. 147 Das Wismarer Tribunal erließ zwischen 1654 und 1715 27 Gemeine Bescheide, nur zwei davon nach 1700, abgedruckt in: Schw.-dt. GO, S. 135–147. 148 Mohnhaupt, Organisation, S. 230 f. 149 Die calenbergische Justizkanzlei und das calenbergische Hofgericht erließen, mit einer Ausnahme zeitlich nach der Gründung des Oberappellationsgerichts und

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leitete man die Kompetenz zur allgemeinverbindlichen Entscheidung prozessualer Streitfragen aus der Reichskammergerichtsordnung von 1555 und dem Reichsabschied von 1570 ab.150 Die Gemeinen Bescheide wurden veröffentlicht und besaßen Gesetzeskraft, solange nicht gesetzlich eine andere Regelung getroffen wurde.151 Sie betrafen Verfahrensfragen, die in der Oberappellationsgerichtsordnung nicht oder nicht hinlänglich geregelt waren, durften aber nicht dem geltenden Recht widersprechen.152 Das Gericht hat von dieser Möglichkeit umfangreichen Gebrauch gemacht und allein bis zum Jahre 1803 71 Gemeine Bescheide erlassen.153 Zwar war ihr Einfluß auf die prozessuale Rechtsfortbildung wohl eher gering, da sie meist nur die Regelungen der Oberappellationsgerichtsordnung bestätigten und Parteien, Advokaten und Prokuratoren zu deren gewissenhafter Einhaltung ermahnten.154 So kann ihnen nicht die gleiche Bedeutung beigemessen werden wie den Gemeinen Bescheiden des Reichskammergerichts, die wesentlich zur Entwicklung des Kameralprozesses beigetragen haben.155 Gleichwohl sind die Gemeinen Bescheide ein Beispiel für die Freiheit des Gerichts in verfahrensrechtlichen Fragen. Die Gemeinen Bescheide waren auf Fragen des Prozeßrechts beschränkt. Materielle Rechtsfragen hat das Gericht, abweichend von der Praxis des

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daher wohl auf dessen Vorbild beruhend, jeweils sieben Gemeine Bescheide, abgedruckt in CCCal. II, S. 360–367, 524–532. Die Cellesche Justizkanzlei erließ bis 1686 41 sowie zwischen 1708 und 1730 19 gemeine Bescheide; von diesen ergingen 17 in den Jahren 1712–1714, CCCel. II, S. 339–404. Das Cellesche Hofgericht erließ zwischen 1686 und 1731 15 Gemeine Bescheide, CCCel. II, S. 555–571. Gemeine Bescheide des Hofgerichts Ratzeburg ab 1702 sind erhalten in LS Abt. 217, Nr. 9. Th. II Tit. 36 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 217; § 77 des Reichsabschieds von 1570 = Sammlung der Reichs-Abschiede III, S. 297; vgl. auch § 14 des Visitationsabschieds von 1713 = Sammlung der Reichs-Abschiede  IV, S.  264. Diestelkamp, Die Gemeinen Bescheide, S. 143 ff.; Gerstlacher IV, S. 184 ff.; Müssig, ZNR 28 (2006), 83; dies., Höchstgerichtsbarkeit als Motor, S. 722; vgl. W. Kirchner, S. 12 ff. Coing, Zur Geschichte, S. 8; W. Kirchner, S. 14; Stock, S. 213. Von Bülow II, S. 393. Von Bülow II, S. 393 Note 2; die bis 1819 erlassenen Gemeinen Bescheide sind abgedruckt bei Hagemann, Ordnung, S. 229 ff. Jessen, Einfluß, S. 125; vgl. Miersch, S. 108 f. Schildt, Jura 2006, 498. Begründet wurde das Recht des Reichskammergerichts, unklare Verfahrensfragen durch Gemeine Bescheide verbindlich zu regeln, mit dem Gleichheitsgrundsatz, denn in gleich gelagerten Fällen durften die gerichtlichen Entscheidungen nicht unterschiedlich ausfallen; Müssig, Höchstgerichtsbarkeit als Motor, S. 724.



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Reichskammergerichts,156 auf diesem Wege nicht allgemeinverbindlich entschieden. Eine mit Gesetzeskraft versehene Präjudizienbindung wie beispielsweise in Kurhessen157 gab es am Celler Gericht im 18. Jahrhundert nicht.158 Inwiefern dieses in seiner Rechtsprechung gleichwohl Präjudizien argumentativ berücksichtigt hat, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen, da die Relationen der Referenten nicht erhalten sind. Spangenberg, selbst Oberappellationsrat in Celle,159 berichtet in seinem 1833 erschienenen Werk über das Oberappellationsgericht, daß Gerichtsentscheidungen, soweit „einzelne dieser Erkenntnisse jedoch Rechtsansichten aussprechen und ein sehr bedeutendes Hülfsmittel für die Ausbildung und festere Bestimmung des Rechtszustandes überhaupt sind, […] stets einer hohen Beachtung würdig und zur allgemeinen Kunde gebracht zu werden geeignet seyn“ werden.160 Auch die Werke der Celler Richter Friedrich Esaias von Pufendorf161, Friedrich von Bülow und Theodor Hagemann162, die in großem Umfang Entscheidungen des Oberappellationsgerichts wiedergeben und sich auf deren Autorität berufen, sprechen dafür, daß das Celler Gericht seine eigenen früheren Entscheidungen bei der Rechtsfindung berücksichtigt hat. Daher ist anzunehmen, daß es der gemeinrechtlichen Praxis der Berücksichtigung von Präjudizien durch den usus fori folgte, die nicht nur am Reichskammergericht, sondern als gesamteuropäische Erscheinung auch an anderen europäischen Gerichtshöfen verbreitet war: Präjudizien wurden in der Rechtsanwendung des Ius Commune im Interesse der Gleichheit der Entscheidungen (aequitas) herangezogen. Im Rahmen des Arguments a similibus ad similia kam ihnen 156 Die Kompetenz des Reichskammergerichts, Fragen des materiellen Rechts durch Mehrheitsbeschluß des Plenums allgemeinverbindlich zu entscheiden, wurde auf § 77 des Reichsabschieds von 1570 = Sammlung der Reichs-Abschiede IV, S. 297 gestützt. Die Terminologie ist uneinheitlich; teilweise wird auch hier von Gemeinen Bescheiden (decreta communia), teilweise von senatus consulta oder praeiudicia cameralia gesprochen. Müssig, ZNR 28 (2006), 83 f.; dies., Höchstgerichtsbarkeit als Motor, S. 721 ff. 157 In Kurhessen banden Präjudizien sowohl das Oberappellationsgericht selbst als auch die nachgeordneten Instanzgerichte; Müssig, ZNR 28 (2006), 87. 158 Coing, Zur Geschichte, S. 8; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 28. Zur bindenden Wirkung von Präjudizien am Oberappellationsgericht seit 1834 vgl. Miersch, S. 212 ff. 159 Gunkel, S. 476. 160 Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 28. 161 Von Pufendorf, Observationes. Zu Pufendorf siehe oben S. 7 Note 24. 162 Von Bülow/Hagemann. Von Bülow (1762–1827) war von 1790 bis 1805 Oberappellationsrat in Celle, Hagemann (1761–1827) von 1799 bis 1819. Zu beiden vgl. Gunkel, S. 167 f.; Heile, S. 77.

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argumentative Autorität zu. Sie wurden regelmäßig befolgt, solange nicht gewichtige Gründe für eine abweichende Behandlung des Falles sprachen.163

g)  Die Würde des Gerichts und der Umgang mit ungebührlichem Verhalten Ein Gericht bezieht die Autorität, mit der es Rechtsfälle entscheidet und durch die seine Entscheidungen von den Rechtsuchenden als legitim akzeptiert werden, nicht aus der bloßen Tatsache seiner Existenz. Seine Autorität beruht darauf, daß die Menschen, denen es als Institution der Rechtspflege gegenübertritt, sie ihm zuschreiben. Wie jede Institution jedes Zeitalters muß es sich dazu durch symbolische Repräsentation aus der Sphäre des Alltäglichen herausheben.164 Durch Gerichtssymbolik – Gegenstände wie Schwert, Stab, Schranke, Robe oder Allegorien, Bilder und Architektur – sowie durch bestimmte Verhaltensweisen der beteiligten Personen wird die Würde des Gerichts soziale Realität. Symbolisch-zeremonielle Formen wie Kruzifix, Wappen, Fahnen und Herrscherportraits stellen den konkreten Akt der gerichtlichen Tätigkeit in einen höheren Sinnzusammenhang und bewirken damit seine Legitimation.165 Die symbolische Entfaltung des Oberappellationsgerichts war – wie auch die der Reichsgerichte – relativ gering, zumal es wie der Reichshofrat keine öffentlichen Audienzen abhielt.166 Lediglich in den Urteilsverkündungen trat es der Öffentlichkeit gegenüber. Diese fanden bei Anwesenheit aller Prokuratoren vierteljährlich im Plenum und bei offenen Türen statt, indem der Protonotar die Urteile aus dem Urteilsbuch verlas.167 Hierin kann der letzte Rest eines öffentlichen Gerichtstags in der Tradition zum Reichstag gesehen werden.168 Wie im 18. Jahrhundert üblich169 verfügte das Gericht nicht über ein eigenes repräsentatives Gebäude, sondern teilte sich die Räumlichkeiten mit 163 Becker, Art. Präjudiz, HRG III, Sp. 1866 ff.; Müssig, ZNR 28 (2006), 81 ff.; Ranieri, Entscheidungsfindung, S. 177 ff.; Weller, S. 62; vgl. Miersch, S. 109. 164 Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, S. 10; dies., ZRG GA 127 (2010), 13; zur herrschaftslegitimierenden Funktion der Symbolik in der Frühen Neuzeit vgl. Freist, S. 26 ff. 165 Stollberg-Rilinger, Würde, S. 192 ff. 166 Vgl. Stollberg-Rilinger, Würde, S. 191. 167 Th. II Tit. 13 § 4 OAGO = CCCal. II, S. 145 f.; von Bülow II, S. 300 f. 168 Vgl. Stollberg-Rilinger, Würde, S. 202. 169 Lück, Art. Gerichtsgebäude, HRG II, 2. Auflage, Sp. 150 f. Eine Ausnahme bildete das Wismarer Tribunal, das sehr repräsentativ im Fürstenhof in Wismar untergebracht war; Jörn, Geschichte und Arbeitsweise, S. 271 f.



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der Celler Justizkanzlei und dem Hofgericht.170 Da es im Laufe des Jahrhunderts wiederholt vergrößert worden war und seine Geschäfte zugenommen hatten, wurden seine Räumlichkeiten allmählich zu klein.171 Auch war das Gebäude am Ende des 18. Jahrhunderts alt und zugig, und die Bücher moderten in einem viel zu kleinen, feuchten Bibliotheksraum. 1793 erklärte das Oberappellationsgericht in einer Vorstellung an die Landesregierung, daß ein Verbleib in diesen Räumen im Hinblick auf die Gesundheit der Gerichtsmitglieder und die Feuergefahr für die Akten unvertretbar sei.172 Aber erst in den 1830er Jahren wurde ein neues, repräsentatives Gebäude für das Oberappellationsgericht errichtet, das heute das Oberlandesgericht beherbergt.173 Ohne aufwendige Prachtentfaltung wurden die Würde des Gerichts und die Legitimation seiner Rechtsprechung gleichwohl in symbolischen Formen sichtbar. Beispiele hierfür sind neben einem eigenen Gestühl in der Celler Stadtkirche für sämtliche Gerichtsmitglieder174 die Herrscherportraits, die alle Landesherren ab Georg II. dem Gericht zu Beginn ihrer Regentschaft schenkten und die noch heute den Plenarsaal des Oberlandesgerichts zieren.175 Ein Bildnis des Gründers Georgs I. hatte das Gericht bereits 1719 auf eigene Kosten anfertigen lassen. 40 Reichstaler hatte es dem Maler Johann Bernhard Siemerding für das Gemälde gezahlt und weitere 26 Taler dem Bildhauer Bartels für den goldenen Rahmen.176 Nachdem Georg II. dem Gericht sein Portrait geschenkt, sein Nachfolger Georg III. dies nach seiner Thronbesteigung 1760 jedoch zunächst unterlassen hatte, sandte das Gericht am 11. Dezember 1766 ein Gesuch an den König in London, um „das bisher vermißte Gemälde von Ew: Königlichen Majestät Ehrfurchtsvoll zu erbitten“. Denn schon bisher habe es ihm „zur besonderen Zierde“ gereicht, „ein Bildniß sowohl weiland dessen Allerdurchlauchtigsten Stifters Georgs des Ersten, als Ihro gleichfalls in Gott ruhenden Königlichen Majestät Georgs des Anderen, glorwürdigen Andenkens, und zwar beyde in König170 Gunkel, S. 493; Grundrisse des Gerichtsgebäudes aus den Jahren 1709 und 1802 sind abgedruckt ebenda, nach S. 510; vgl. auch Zeichnung und Grundriß bei Grendel, nach S. 216. 171 Von Bülow I, S. 34; Wettich/Gebhardt, Celler Chronik 18 (2011), 53 ff. 172 Vorstellung des Oberappellationsgerichts vom 26. April 1793, NHStA Hann. 26a, Nr. 4812; Grendel, S. 209 f.; Gunkel, S. 494 f.; Wettich/Gebhardt, Celler Chronik 18 (2011), 56 f. 173 Ausführlich und mit Grundrissen sowie Schilderung der Zeremonie der Grundsteinlegung Gunkel, S. 493 ff. 174 Kappe, S. 335 ff. 175 Coing, Zur Geschichte, S. 19; Gunkel, S. 65; Stosch, S. 310, 313. Abbildungen der Gemälde bei Franzki (Hrsg.), Festschrift, S. 31, 61 f., 109 ff. 176 Zahlungsanweisungen des Gerichts vom 5. April 1719 (Gemälde) und vom 4. April 1720 (Rahmen), OLG Celle, Nr. 5361 IV (Abt. 1e).

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licher Kleidung und völliger Lebens-Grösse, aufgestellet zu sehen.“177 Der König gab wunschgemäß ein Gemälde in Auftrag und schenkte es dem Gericht,178 das in seinem Dankschreiben versprach, „Selbiges als ein besonderes Merkmahl Ew: Königl. Majestät Allergnädigsten Gesinnug für dieses Gericht zu verehren“.179 Die Gemälde wurden, wie sich aus dem Schreiben Georgs IV. 180 ergibt, der sein Bildnis dem Gericht 1820 schenkte, „in dem zu der feyerlichen Publication der gesprochenen Urtheile bestimmten Saale des Ober-Appellations-Gerichts […] aufgestellt“.181 So führten sie jedem, der der öffentlichen Verkündung der Urteile beiwohnte, die autoritätstiftende Herleitung der Gerichtsbarkeit vom Landesherrn vor Augen,182 und den Richtern verliehen sie „bey Ausübung unserer Berufsgeschäfte Kraft und Heiterkeit“.183 Weitere symbolträchtige Gegenstände waren die Gerichtssiegel. Das große Gerichtssiegel aus der Zeit Georgs III.184 ist umgeben von dem Schriftzug „GEORGIUS III D G M BRIT FR & HIB REX D BRUNS & LUNEB DUX S  R I A TH & ELECT“, der für den vollen Titel des Landesherrn stand: Georg der Dritte, von Gottes Gnaden König von Großbritannien, Frankreich und Irland,185 Herzog von Braunschweig und Lüneburg, des Heiligen Römischen Reichs Erzschatzmeister und Kurfürst. In der Mitte des Siegels befindet sich das Wappen des britischen Königreichs mit seinen Wendungen Honi soit qui mal y pense und Dieu et mon droit, darunter die Buchstaben OAG als Abkürzung für das Oberappellationsgericht. Dieses prunkvolle, aus Silber gearbeitete186 Siegel versinnbildlichte die Herleitung der Gerichtsbarkeit vom König und auf Grund des Gottesgnadentums in letzter Konsequenz von Gott, und es warf auf das Gericht den Glanz der englischen Königswürde. 177 Gesuch des Gerichts vom 11. Dezember 1766, OLG Celle, Nr. 5361 IV (Abt. 1e). 178 Schreiben Georgs III. vom 30. Dezember 1766, OLG Celle, Nr. 5361 IV (Abt. 1e); NHStA Hann. 26a, Nr. 4934. 179 Dankschreiben des Gerichts vom 28. Januar 1767, OLG Celle, Nr. 5361 IV (Abt. 1e). 180 Georg IV. (1762–1830), König von Hannover und Großbritannien seit 1820. 181 Schreiben Georgs IV. vom 11. Juli 1820, OLG Celle, Nr. 5361 IV (Abt. 1e). 182 Vgl. Stollberg-Rilinger, Würde, S. 203. 183 Dankschreiben des Gerichts an Georg IV. vom 1. November 1828, OLG Celle, Nr. 5361 IV (Abt. 1e). 184 Abgebildet bei Franzki (Hrsg.), Festschrift, S. 66. Das große Gerichtssiegel aus der Zeit Georgs II. (1727–1760) wies nur geringe Abweichungen auf, ebenda, S. 16. 185 Die Könige von Großbritannien bezeichneten sich seit 1340 auch als Könige von Frankreich, da sie – ohne Erfolg – Erbansprüche auf den französischen Thron für sich geltend machten; vgl. Landwehr, S. 26. 186 Gunkel, S. 67 Note *).



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Auch im Umgang mit ungebührlichem Verhalten der Parteien verkörperte sich die Würde des Gerichts. Hier bestand ein weiter Ermessensspielraum bei der Verhängung von Ordnungsstrafen. Verunglimpfungen und Beleidigungen des Gerichts und seiner Richter konnte dieses „an Haab und Gütern, und im Fall sie nichts zu büssen hätten, mit Gefängnis oder sonst aufs allerschärffeste, andern zum Abscheu und Exempel“ selbst bestrafen.187 Dabei war sogar die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe möglich: So verhängte das Gericht in der Mitte des 18. Jahrhunderts gegen zwei Brüder Freiheitsstrafen, die es „mit sehr harten Schmähungen und Beschuldigungen“ angegriffen hatten; den einen verurteilte es zu vierjähriger, den anderen zu lebenslanger Haft.188 Die Kompetenz, ungebührliches Verhalten dem Gericht gegenüber selbst zu ahnden, war im 18. Jahrhundert allgemein üblich. So beschwerte sich der Magistrat der Stadt Ratzeburg in einer 1814 beim Oberappellationsgericht anhängigen Jurisdiktionsstreitigkeit gegen die Regierung Ratzeburg, daß diese ihm „sogar die, jedem Gerichte zustehende Befugnis entziehen will, die in officio uns zugefügten Beleidigungen selbst zu ahnden.“ Das Oberappellationsgericht entschied, daß diese Absicht von Seiten der Regierung nicht bestanden habe, zog diese gerichtliche Befugnis aber nicht generell in Zweifel.189 Solche gerichtlichen Strafen entsprechen der Verhängung von Ordnungsstrafen durch heutige Gerichte190 und gingen über diese nur durch das große Ermessen des Gerichts und die Härte der gesetzlich nicht bestimmten Strafen hinaus. Sie wurden mit der Autorität des Gerichts begründet, die nicht nur durch das zu bestrafende ungebührliche Verhalten selbst, sondern auch dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden könnte, daß eine andere Stelle als das oberste Gericht selbst derartige Vergehen zu ahnden hätte.191 Die angedrohte Schärfe der Bestrafungen galt als durch Abschreckung und Schutz der gerichtlichen Würde gerechtfertigt. Als Vorbild für diese Vorschrift der Oberappellationsgerichtsordnung dienten vermutlich die Wisma-

187 Th. II Tit. 19 § 3 OAGO = CCCal. II, S. 171 f. 188 Von Bülow/Hagemann II, S. 208; Gunkel, S. 149 f.; vgl. auch das an die Landschaft Hoya gerichtete, erfolglos gebliebene „Gesuch des Cand. jur. Ziehen zu Siedenburg um intercession bey dem Oberappellationsgericht in einer Prozeßsache“ von 1785, NHStA Dep. 106, Nr. 1042: Er, Ziehen, sei vom Oberappellationsgericht „starcker Ausdrücke wegen bestraft“ worden. Zu einem weiteren Falle einer – vierwöchigen – Freiheitsstrafe wegen einer mit „groben Schmähungen, ungegründeten Beschuldigungen und calumniösen Aeusserungen“ versehenen Schrift an das Oberappellationsgericht aus dem Jahre 1816 von Bülow/Hagemann VI, S. 370 ff. 189 LS Abt. 216, Nr. 438. 190 Vgl. insbesondere § 178 GVG, §§ 141 Abs. 3 Satz 1, 380 ZPO. 191 Vgl. von Bülow II, S. 320.

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rer Tribunalsordnung von 1657192 und die entsprechenden Regelungen für das Reichskammergericht193.

2.  Einschränkung der Selbständigkeit durch Unterordnung gegenüber dem Landesherrn Das Oberappellationsgericht sprach nicht aus eigener Machtvollkommenheit Recht, sondern namens und im Auftrag des Landesherrn, der es ins Leben gerufen hatte. Die Übertragung der Rechtsprechung auf ein Kollegium gelehrter und vom Landesherrn sowie seiner Regierung personenverschiedener Richter berührte die Justizhoheit des Fürsten nicht.194 Daher war das Gericht „dem Landesherrn mit Unterthans- und Dienstpflichten verbunden“.195 Dies kam im Huldigungseid zum Ausdruck, den alle Gerichtsangehörigen auf den Fürsten abzulegen hatten.196 Starb dieser, so sandte das Gericht sogleich ein Kondolenzschreiben an den neuen Herrscher und versicherte diesen seiner unverbrüchlichen Treue. Das Treuegelöbnis war nicht nur auf die Wahrnehmung der gerichtlichen Pflichten bezogen, sondern darüber hinaus ein Ausdruck der persönlichen Unterwerfung aller Gerichtsangehörigen.197 Der neue Landesherr forderte das Gericht sodann auf, den Erbhuldigungseid zu erneuern, der die persönliche Bindung jedes Gerichtsmitglieds an den Herrscher begründete. Das Gericht gab seiner Trauer um den verstorbenen Fürsten zudem durch die Verwendung schwarzumrandeten Papiers und schwarzen Siegellacks oder schwarzer Oblaten Ausdruck. Die Gerichtsangehörigen trugen die Landestrauer und erhielten dafür eine Vergütung aus der landesherrlichen Kasse.198 Vor

192 Th. III Tit. 11 § 8 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 133: Im Falle von Injurien gegen das Gericht sollten die Personen „an ihre Haab und Güther, oder im Fall sie darin was zu büssen nicht vermöchten, mit Gefängnüß und Unser Länder Verweisung, oder auch, da die injuriae atrociores, und Leib- und Lebens-Straffe meritiren, damit dergestalt ernstlich gestraffet werden, daß andere dardurch von solchen Mißhandlungen abgehalten werden.“ 193 Wiggenhorn, S. 170–173. Am Reichskammergericht waren aber offenbar nur Geldstrafen und Verweise gegenüber den Parteien sowie Suspension und Entlassung von Advokaten und Prokuratoren, nicht hingegen Freiheitsstrafen üblich. 194 Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 228. 195 Von Bülow I, S. 320. 196 Von Bülow I, S. 37 f. 197 Vgl. oben S. 27 f. Allgemein zum Eid als personaler Treueverbindung StollbergRilinger, Verfassung und Fest, S. 13. 198 Von Bülow I, S. 320 Note 24; Gunkel, S. 63.



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allem aus letzterem wird ersichtlich, daß die staatlich verordnete Trauer ein wohlüberlegt inszeniertes Symbol fürstlicher Herrschaft war.199 Dem Landesherrn standen Aufsicht und Disziplinargewalt über das Gericht zu.200 Das Subordinationsverhältnis zwischen dem Landesherrn und dem Gericht drückt sich auch darin aus, daß jener mit dem Gericht in der Form von Reskripten (Bescheiden) verkehrte, während dieses sich umgekehrt der respektmäßigen Berichtsform zu bedienen hatte.201 Daß die Mehrzahl der Oberappellationsräte nicht vom Landesherrn ernannt, sondern von den Landschaften präsentiert wurde, war für die Unterordnung gegenüber dem Landesherrn unbeachtlich.202 Denn auch die präsentierten Räte waren keine Repräsentanten der jeweiligen Landschaften, sondern Bedienstete des Landesherrn. Die Berichtspflicht des Gerichts dem Landesherrn gegenüber konkretisierte sich in den durch landesherrliches Reskript vom 24. August 1745 eingeführten Designationen, detaillierten Geschäftsübersichten, die das Gericht jährlich dem Landesherrn vorzulegen hatte. Sie sollten eine bessere Aufsicht über die Rechtspflege ermöglichen. Diese nur internen Designationen, die, soweit ersichtlich, nicht erhalten sind, dürfen nicht mit den veröffentlichten Übersichten der „Urtheile und Hauptbescheide“203 verwechselt werden. Sie stellten die richterliche Tätigkeit nicht nur des Gerichts als ganzen, sondern jedes einzelnen Gerichtsmitglieds ausführlich dar.204 Da die Rechtspflege dem Landesherrn unterworfen und aus dessen Justizhoheit und Machtvollkommenheit (plenitudo potestatis) abgeleitet war, stand diesem auch die Entscheidung von Rechtswegfragen zu sowie die Abgrenzung zwischen Justizsachen, die vor die ordentlichen Gerichte gehörten, und „Policeysachen“, die zumindest auf territorialer Ebene nicht justitiabel waren.205 Gegen diese Entscheidungsgewalt des Landesherrn, die insbesondere im Zusammenhang mit der Gerichtsbarkeit der Kammer nach der Göhrder Konstitution vom 19. Oktober 1719206 Bedeutung erlangte, stand dem Gericht keine Handhabe zu; es konnte nur über diejenigen Rechtssachen entscheiden, die der Landesherr ihm zuwies beziehungsweise nicht entzog. In dieser Entscheidungskompetenz des Herrschers über den Rechtsweg kommt dessen Hoheit über das Justizwesen und damit auch über 199 Vgl. allgemein zur Bedeutung von Symbolen für vormoderne Herrschaft Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, S. 10. 200 Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 199. 201 Von Bülow I, S. 321 f. 202 Von Bülow I, S. 320 f. 203 Zu diesen siehe oben S. 6 sowie von Bülow II, S. 410 ff. 204 Von Bülow II, S. 413; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 199 ff. 205 Gunkel, S. 118. Vgl. allgemein zum Verhältnis zwischen Justiz- und Policeysachen Schmelz, S. 38 ff. 206 CCCal. II, S. 588 ff.; Abdruck bei von Meier II, S. 244 ff.

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das Oberappellationsgericht besonders deutlich zum Ausdruck. Trotz aller ihm zugebilligten Selbständigkeit war das Gericht weder sachlich noch persönlich unabhängig, sondern dem Landesherrn unterworfen. Zwar machte dieser von seinen Befugnissen vielfach keinen Gebrauch. Einen Anspruch auf solche Zurückhaltung hatte das Gericht aber nicht.

3.  Das Oberappellationsgericht als Ständeversammlung Dem Oberappellationsgericht waren, wie im vorstehenden dargestellt, umfangreiche Aufgaben nicht nur im Bereich der Rechtsprechung, sondern auch der Justizverwaltung und -aufsicht zu vielfach eigenverantwortlicher Wahrnehmung übertragen. Darüber hinaus ist die Frage aufgeworfen worden, ob das oberste Gericht auch eine neben dem Landesherrn und seiner Zentralverwaltung stehende politische Kraft war. Zu dieser Frage berechtigt vor allem die weitreichende Beteiligung der Landstände an der Besetzung der Richterstellen. In Konsequenz einer solchen Argumentation bezeichnete der Gerichtspräsident von der Osten das Gericht im Jahre 1852 als „einer Ständeversammlung nicht unähnlich“. Diesem Charakter stehe insbesondere nicht entgegen, daß das Gericht kein Organ der Gesetzgebung, sondern eines der Rechtsprechung sei. Denn durch die landschaftlich präsentierten Räte, die die Mehrheit des Richterkollegiums bildeten, seien die Stände im Gericht vertreten.207 Dieser Gedanke von der Ostens wurde in der späteren Literatur wiederholt aufgegriffen.208 Damit von einer Ständeversammlung gesprochen werden kann, müssen zunächst die landschaftlich präsentierten Oberappellationsräte dergestalt die Landschaften vertreten, daß durch ihre Mehrheit das Gericht als solches zu einem Repräsentanten der Landstände wird. Sodann müßte im allgemeinen eine gerichtliche Institution mit der Charakterisierung als Ständeversammlung vereinbar sein. Allein letzteres erscheint schon fraglich. Von der Osten begründete seine Betrachtung damit, daß es völlig gleich sei, „ob eine solche Ständeversammlung […] berufen ist, Gesetze zu machen oder nach diesen Recht zu sprechen und zu verwalten“209. Diese These ist mit Charakter und Bedeutung des Ständewesens der Frühen Neuzeit210 aber kaum vereinbar: Im 207 208 209 210

Von der Osten, S. 6 f. Coing, Zur Geschichte, S. 6; von Meier I, S. 308. Von der Osten, S. 6 f. Vgl. allgemein Birtsch, S. 32 ff.; Gerhard, S. 9 ff.; Oestreich, Ständetum, S. 277 ff.; von Reden-Dohna, Art. Landständische Verfassungen, HRG II, Sp.  1578  ff.; Stollberg-Rilinger, Zeitsprünge 4 (2000), 120 ff.; Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 17 IV 1.



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Ständestaat der Frühen Neuzeit verkörperten die Landstände das Land, das auf den Landtagen zusammentrat, um seine Macht- und Rechtsstellung gegenüber dem Landesherrn zu behaupten. Ständeversammlungen waren ein Mittel zur Verteilung und Ausbalancierung von Macht und Herrschaft zwischen dem Landesherrn und den Landständen. In ihnen kamen die aus dem mittelalterlichen Lehnswesen herrührende Pflicht der Vasallen, dem Herrn mit Rat und Hilfe zur Seite zu stehen, und der Dualismus zwischen dem Landesherrn und den Landständen als lokalen Herrschaftsträgern zum Ausdruck.211 Von dieser Funktion der Ständeversammlungen unterscheidet sich die Tätigkeit eines obersten Gerichtshofs wesentlich. Zwar kann ein Gericht Gegenstand machtpolitischer Auseinandersetzungen sein. Seine Funktion liegt aber nicht in der Ausbalancierung von Macht und Herrschaft im Rahmen eines landesherrlich-landständischen Dualismus. Es dient vielmehr der Ausübung unparteiischer Gerichtsbarkeit, die, losgelöst von den Herrschaftsverhältnissen in Staat und Gesellschaft, ein Erfordernis der Gerechtigkeit ist und als solches anerkannt war. Das Oberappellationsgericht unterschied sich somit schon seiner Funktion nach wesentlich von einer Ständeversammlung. Des weiteren steht dem Vergleich mit einer Ständeversammlung entgegen, daß die von den Landschaften präsentierten Richter nicht deren Vertreter im Gericht waren. Sie wurden lediglich von den Landschaften dem Landesherrn vorgeschlagen; dieser ernannte sie nach seinem freien Ermessen, und sie standen in dessen Diensten, nicht in denen der präsentierenden Landschaft oder des Gerichts.212 Von einer Vertretung der Landschaften durch die von ihnen präsentierten Oberappellationsräte kann daher nicht gesprochen werden.213 Auch aus diesem Grunde kann das höchste Gericht nicht mit einer Ständeversammlung verglichen werden, die landständische Interessen gegenüber dem Landesherrn vertritt. Das Oberappellationsgericht war vielmehr selbst in die landesherrliche Zentralverwaltung eingebunden.214 Obwohl die Präsentationsrechte und die Besoldung durch die Landschaften dazu führten, daß das Gericht stark von landständischen Elementen geprägt war, kann der Äußerung von der Ostens, es sei „einer Ständeversammlung nicht unähnlich“, nicht zugestimmt werden. Als oberstes Territorialgericht unterschied es sich wesentlich von einer Ständeversammlung zur Wahrnehmung landständischer Interessen gegenüber dem Landesherrn. 211 Brunner, S. 426 ff., zum Dualismus des Ständestaates S. 438; von Reden-Dohna, Art. Landständische Verfassungen, HRG II, Sp. 1578 ff.; vgl. auch Walther, Art. Stand, Klasse, Geschichtliche Grundbegriffe VI, S. 208. 212 Siehe oben S. 55. 213 Gleiches gilt für das Reichskammergericht, Wiggenhorn, S. 22. 214 Siehe oben S. 80.

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VI.  Einflußmöglichkeiten des Landesherrn Einerseits hat Georg Ludwig dem Gericht in der Oberappellationsgerichtsordnung zwar Befugnisse zu selbständiger Verwaltung und zur Mitwirkung bei der personellen Besetzung eingeräumt. Andererseits blieben dem Landesherrn aber zugleich weitgehende Rechte vorbehalten, die ihm eine Einflußnahme auf das Gericht ermöglichten. Diese Rechte, die sich auf das richterliche Personal, die Einsetzung von Kommissionen zur Entscheidung einzelner Rechtsfälle, die Anordnung von Visitationen und die Entscheidung von Rechtswegfragen bezogen und zu denen zudem die persönliche Entscheidung einzelner Rechtssachen durch Machtspruch, insbesondere auf Grund von Suppliken unterlegener Prozeßparteien, hinzutreten konnte, bildeten den unüberwindbaren Rahmen für die Stellung des obersten Gerichts im absolutistisch geprägten vormodernen Fürstenstaat.

1.  Die personelle Zusammensetzung des Gerichts Daß der Landesherr neben der Ernennung der Präsidenten, Vizepräsidenten und einiger Räte das Recht hatte, die landschaftlich präsentierten Kandidaten zu bestätigen und diese Bestätigung nach freiem Ermessen zu versagen, wurde bereits erwähnt.1 Auf diese Weise hatte er die Möglichkeit, eine Besetzung des Oberappellationsgerichts mit ihm unliebsamen Personen zu verhindern. Niemand konnte gegen den Willen des Landesherrn Mitglied des Gerichts werden. Eine persönliche Unabhängigkeit der Richter war in der Oberappellationsgerichtsordnung nicht geregelt. Grundsätzlich hatten im ganzen Reich die Territorialherren das Recht, Richter nicht nur zu ernennen, sondern auch nach freiem Ermessen zu entlassen.2 Denn die Richter standen gegenüber dem Landesherrn in einem Treue- und Unterwerfungsverhältnis,3 das von der Machtvollkommenheit (plenitudo potestatis) des Herrschers und seiner Justizhoheit geprägt war und eine persönliche Unabhängigkeit nicht zuließ. Der Richter leitete seine Gerichtsbarkeit vielmehr nur vom Landesherrn ab.4 Diese persönliche Bindung an den Fürsten fand ihren sicht

1 2 3 4

Siehe oben S. 54 f. Vgl. Keck, S. 93; Knauer, Art. Gesetzlicher Richter, HRG I, Sp. 1622. Von Bülow I, S. 321; Erwin, S. 218 f.; Schmelz, S. 75. Ogris, De sententiis, S. 175; Sellert, Richterliche Unabhängigkeit, S. 118; Art. Unabhängigkeit des Richters (der Justiz), HRG V, Sp. 443.

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barsten Ausdruck im Huldigungseid.5 Sollte die Absetzung eines Richters entgegen diesem Grundsatz von einem bestimmten Verfahren oder der Mitwirkung des Gerichts abhängig gemacht werden, so setzte dies eine ausdrückliche Regelung voraus.6 Eine solche enthielt die Oberappellationsgerichtsordnung nicht. Daß auch in Braunschweig-Lüneburg grundsätzlich von diesem Treue- und Unterwerfungsverhältnis ausgegangen wurde, erhellt neben dem Huldigungseid auch aus dem Proömium der Oberappellationsgerichtsordnung, das die Richter von ihren Pflichten jenem gegenüber in Fällen, die das landesherrliche Interesse betrafen, ausdrücklich entband.7 Auch am Bestätigungsrecht des Herrschers wird dessen Personalhoheit über das Gericht sichtbar. Der Landesherr hatte, da die Oberappellationsgerichtsordnung keine von diesen allgemeinen Grundsätzen abweichende Bestimmung enthielt, das Recht, die Mitglieder nach freiem Ermessen auch willkürlich zu versetzen und zu entlassen.8 Dies galt nicht nur für die Oberappellationsräte, sondern auch für die Präsidenten und Vizepräsidenten. Von einem reichsrechtlich begründeten Schutz territorialer Richter vor willkürlicher Amtsenthebung kann nicht vor dem Ende des  18. Jahrhunderts ausgegangen werden.9 Da infolge des Ernennungs- und Bestätigungsrechts des Landesherrn niemand gegen dessen Willen in das Richterkollegium gelangen konnte und der Kurfürst darüber hinaus das Recht hatte, jedes ihm unliebsame Mitglied aus dem Gericht zu entfernen, hatte dieser nahezu schrankenlosen Einfluß auf die Besetzung des Gerichts. Dieser Einfluß konnte auch als Möglichkeit genutzt werden, durch Veränderung der Zusammensetzung des Spruchkörpers indirekt inhaltlichen Einfluß auf gerichtliche Entscheidungen zu nehmen. In der Rechtspraxis haben die braunschweig-lüneburgischen Landesherren abgesehen von der Ernennung der landesherrlichen Kandidaten für die Oberappellationsratsstellen sowie der Präsidenten und Vizepräsidenten allerdings nur in geringem Umfang auf die personelle Zusammensetzung des Gerichts Einfluß genommen. Nie haben sie einem von den Ständen präsentierten Kandidaten die erforderliche Bestätigung der Präsentation versagt.10 Auch dürfte nie ein Mitglied des Oberappellationsgerichts gegen seinen Willen aus dem Dienst entlassen oder an eine andere Stelle des landesherrli- 5 6 7 8 9

CCCal. II, S. 3 f. Vgl. Th. I Tit. 5 § 2 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 79. Siehe oben S. 37 f. So, allerdings ohne nähere Begründung, auch Lühr, S. 12. Vgl. Erwin, S. 238 unter Hinweis auf die Rechtssache des hannoverschen Hofrichters Friedrich Ludwig Freiherr von Berlepsch (1749–1818). 10 Gunkel, S. 60; Lühr, S. 14; von Meier I, S. 303.

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chen Behördenapparates versetzt worden sein.11 Auch wenn Lühr für diese Aussage keine Nachweise anführt, erscheint sie glaubhaft, denn die Entlassung oder Versetzung eines Mitglieds des Oberappellationsgerichts wäre höchstwahrscheinlich in der zeitgenössischen Literatur überliefert worden. Die aus dem Dienst entlassenen Oberappellationsräte wurden ausnahmslos auf eigenen Antrag entlassen.12 Eine weitere Möglichkeit, einzelne Mitglieder dem Gericht vorübergehend zu entziehen, war deren Beauftragung mit politischen Gesandtschaften, die in Celle wie auch am Wismarer Tribunal13 allgemein üblich war.14 Tatsächlich wurden in vielen Fällen Oberappellationsräte mit Gesandtschaften betraut, durch die sie dem Gericht oftmals für mehrere Jahre entzogen waren. So wurde der spätere Präsident von Wrisberg zwar bereits 1710 zum Oberappellationsgerichtsrat ernannt, trat seine Stelle aber erst 1713 an, da er an der Reichskammergerichtsvisitation beteiligt war.15 Von 1714 bis 1724 war er ständiger Abgesandter auf dem Reichstag in Regensburg. Auch die Oberappellationsräte von Münchhausen, Diede von Fürstenstein und von Beulwitz waren Gesandte in Regensburg, und zwar der erstgenannte von 1726 bis 1728 und Diede von Fürstenstein von 1728 bis 1730.16 Von Beulwitz wurde 1769 Reichstagsgesandter.17 Diede von Fürstenstein sowie der Oberappellationsrat von Erffa waren anschließend einige Jahre Gesandte in Wien. Zeitweilig waren mehrere Räte gleichzeitig durch solche Angelegenheiten für etliche Jahre an der Ausübung ihrer richterlichen Tätigkeit in Celle verhindert. Der Geheime Rat hat dem Landesherrn wiederholt von solchen Gesandtschaften abgeraten, da dadurch der Geschäftsgang des Gerichts behindert werde und es zu Rückständen bei der Bearbeitung von Rechtsfällen komme. Gleichwohl setzten die Landesherren diese Praxis fort. Die Mitglieder des Gerichts erhielten lediglich als Entschädigung für die Mehrarbeit jährlich 1000 Reichstaler zur „Ergötzlichkeit und Aufmunterung bei ihrer schweren Arbeit“. 18 Daß die Beauftragung mit Gesandtschaften aber gezielt genutzt worden wäre, um dem Gericht einzelne Richter zu entziehen, ist 11 Lühr, S. 10. 12 Von Bülow I, S. 175 ff.; Gunkel, S. 467 ff. 13 Jörn, Etablierung, S. 161. In Wismar drängten die Stände wiederholt darauf, daß die Gerichtsmitglieder nicht durch Gesandtschaften von ihrer richterlichen Tätigkeit abgehalten werden sollten, da dies die Arbeitsfähigkeit des Gerichts beeinträchtige; Jörn, Stand und Aufgaben, S. 246. 14 Gunkel, S. 181. Allgemein zur Gesandtschaftstätigkeit von Juristen in der Frühen Neuzeit vgl. Jahns, Erfassung des Raumes, S. 398; Lanzinner, S. 351 ff. 15 Jessen, Einfluß, S. 218. 16 Gunkel, S. 181. 17 Gunkel, S. 469. 18 NHStA Hann. 26a, Nr. 4785; Gunkel, S. 181.



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nicht ersichtlich. Vielmehr ist anzunehmen, daß sie dem Ansehen des höchsten Gerichts förderlich war. Von dem theoretischen Einfluß des Landesherrn ist allerdings die Frage zu unterscheiden, in welchem Ausmaß dieser in der Lage gewesen wäre, Eingriffe gegen den zu erwartenden Widerstand der Stände und des Gerichts durchzusetzen. Dafür wäre es auf die tatsächliche Machtverteilung im Kurstaat angekommen. Diese Frage kann indes nicht beantwortet werden, da die Landesherren ihre Eingriffsrechte kaum jemals genutzt haben. Zu ernsthaften Machtkämpfen und Auseinandersetzungen in dieser Hinsicht ist es in der politisch insgesamt ruhigen Zeit des 18. Jahrhunderts nicht gekommen.

2. Machtsprüche kraft uneingeschränkter Machtvollkommenheit des Landesherrn a)  Allgemeines Der Landesherr des Fürstenstaats der Frühen Neuzeit war kraft seiner durch positives Recht weder beschränkten noch beschränkbaren Machtvollkommenheit (plenitudo potestatis) Inhaber der umfassenden Landes- und Justizhoheit. Er hatte ebenso das Majestätsrecht der Rechtsprechung wie das der Gesetzgebung inne.19 Daher leitete sich nicht nur die Rechtsprechung der Gerichte von der Justizhoheit des Landesherrn ab. Dieser konnte auch kraft eigener Jurisdiktionshoheit Rechtssachen selbst entscheiden oder durch Weisungen an die Richter beeinflussen. Das Instrument für solche Eingriffe des Herrschers in die Rechtsprechung war der Machtspruch (sententia ex plenitudine potestatis).20 Landesherrliche Entscheidungen von Rechtssachen 19 Ogris, Art. Kabinettsjustiz, HRG II, Sp. 515. Vgl. Christian August von Beck in seinen Vorträgen zum Unterricht des Erzherzogs Joseph (1755–1759), in: Conrad (Hrsg.), Recht und Verfassung, S. 248: „Die Gesetze würden ohne Wirkung sein, wenn der Gesetzgeber nicht zugleich das Recht hätte, nach dieser Richtschnur die Handlungen der Untertanen zu prüfen und ihre Streitigkeiten zu entscheiden. […] Hieraus entsteht das richterliche Amt, welches ein Regent entweder selbst oder durch untergebene obrigkeitliche Personen verwalten kann, doch so, daß denjenigen, welche durch das Urteil eines niedern Richters beschwert zu sein vermeinen, der Weg offenstehe, ihre Zuflucht zu dem Landesherrn zu nehmen und von ihm den Ausspruch zu erwarten.“ 20 Die Reichweite von Machtsprüchen war freilich nicht auf den Bereich der Rechtsprechung beschränkt. Vgl. Erwin, S. 20 ff. mit der Definition auf S. 23: „Ein Machtspruch ist die Einzelfallentscheidung einer Person oder Institution, die einen absoluten Machttitel in Anspruch nehmen kann, die aufgrund dieses höchsten Machttitels erlassen wird und im jeweiligen Kontext anerkannte Rechtsregeln außer Kraft setzt.“

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und Eingriffe in laufende Rechtsstreitigkeiten wurden uneingeschränkt – ohne daß sie einer besonderen Rechtfertigung bedurft hätten – als zulässig angesehen.21 Ihnen haftete kein Unwerturteil an; sie galten nicht als Willkürakte des Fürsten, sondern waren Entscheidungen, die der Herrscher rechtmäßig kraft seiner Machtvollkommenheit und in Wahrnehmung seiner Regentenpflicht, für Gerechtigkeit zu sorgen, traf.22 Der Unterschied zwischen dem Machtspruch und dem in einem justizförmigen Verfahren ergangenen Rechtsspruch eines Gerichts war kein inhaltlicher, sondern nur ein formeller. Beide waren Entscheidungen in Rechtssachen, die der Verwirklichung materieller Gerechtigkeit dienten.23 Zwar konnte sich der Fürst mit einem Machtspruch über das positive Gesetz hinwegsetzen. Dies konnte er aber auch, indem er ein neues, gegebenenfalls rückwirkendes oder nur einen Einzelfall betreffendes Gesetz erließ.24 Der Wille des Herrschers mußte Vorrang vor den Gesetzen haben, da unvorstellbar war, daß er seinen eigenen Gesetzen unterworfen sein sollte.25 In beiden Fällen stand der Herrscher zwar über dem positiven Gesetz, aber nicht über dem Recht, sondern war an die Werte materieller Gerechtigkeit gebunden.26 Diese Einschätzung änderte sich auch mit der um 1750 einsetzenden Machtspruchkritik nicht grundlegend. Die Machtspruchkritiker plädierten zwar für eine weitgehende Einschränkung persönlicher Entscheidungen des Herrschers in Rechtssachen. Dies begründeten sie aber nicht mit dem Gebot einer Trennung der Staatsgewalten im Sinne Montesquieus, sondern mit der Zweckwidrigkeit von Machtsprüchen, denn dem Landesherrn fehle es regelmäßig an juristischer Fachkenntnis, Objektivität und Zeit.27 Zwar kann in der Machtspruchkritik ein Aufkeimen des Bewußtseins gesehen werden, daß eine Einmischung der politisch Herrschenden in die Rechtsprechung der Gerechtigkeit in den meisten Fällen abträglich ist. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Montesquieus Geist der Gesetze28 und eine Rezeption des Gedankens der Gewaltenteilung kann bis Ende des 18.  Jahrhunderts aber 21 Erwin, S. 116 f. 22 Ogorek, Machtspruchmysterium, S. 23; Ogris, De sententiis, S. 175 f.; ders., Art. Machtspruch, HRG III, Sp. 127. 23 Zu den Grenzen für Machtsprüche durch die Bindung des Herrschers an Grundsätze des überpositiven Rechts Erwin, S. 68 ff. 24 Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 227. 25 Bussi, S. 58. 26 Ogris, Art. Machtspruch, HRG III, Sp. 127; Schmidt, S. 4 f.; vgl. Link, Anfänge, S. 781 f.; ders., Herrschaftsordnung, S. 90 f. 27 Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 229; Ogris, Art. Kabinettsjustiz, HRG II, Sp. 517; Schmon, S. 63 f.; Seif, Der Staat 42 (2003), 130. Vgl. auch Ogorek, Machtspruchmysterium, S. 19 f. 28 Montesquieu, De l’Esprit des Lois.



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nicht festgestellt werden.29 Soweit das 1748 erschienene Werk Montesquieus von den Machtspruchkritikern aufgegriffen wurde, bezog sich deren Interesse nur auf die Verschiedenartigkeit von Regierungs- und Justizsachen, nicht auf den Gedanken der Gewaltenteilung. Auch die Machtspruchkritiker sahen in der Machtvollkommenheit des Fürsten die Quelle des Rechts, Machtsprüche zu erlassen. Eingriffe in die Rechtsprechung hielten sie nicht für grundsätzlich illegitim, sondern nur weitgehend für unzweckmäßig.30

b) Machtsprüche in Braunschweig-Lüneburg Diese Grundsätze gelten auch für die Territorien des Reiches31 und damit für den braunschweig-lüneburgischen Kurstaat. Insbesondere können die Zusicherungen in der Oberappellationsgerichtsordnung32 nicht als verfassungsrechtlich bindende Garantien richterlicher Unabhängigkeit aufgefaßt werden. Durch Machtsprüche konnte der Landesherr daher Erkenntnisse der Gerichte, auch des Oberappellationsgerichts, abändern oder Rechtssachen der Entscheidungsgewalt der Gerichte ganz entziehen; solche Eingriffe galten nicht als unzulässig oder verwerflich. Allerdings ist aus Braunschweig-Lüneburg für das 18. Jahrhundert kein Fall überliefert, in dem ein Herrscher durch einen Machtspruch in die Rechtsprechung der Gerichte eingegriffen hätte. Die Möglichkeit solcher Eingriffe blieb weitgehend theoretisch. Im Gegenteil haben die Landesherren wiederholt mit Nachdruck und unter Strafe verboten, sich gegen Entscheidungen braunschweig-lüneburgischer Gerichte im Wege der Supplik als Bitte um einen Machtspruch33 an die Krone in London zu wenden, und betont, oberste Instanz in Justizsachen sei ausschließlich das Oberappellationsgericht in Celle. So verfügte ein „Ausschreiben der Regierung“ vom 25. Juni 1718, „Daß in Justitz- und Proceß-Sachen gar nimand weiter, so wenig per Memoriale sich nach London wenden, als noch weniger etwas allda zu suchen […], 29 Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 230; Seif, Der Staat 42 (2003), 124 ff.; dies., Bemerkungen, S. 546 ff. Zu den Vorträgen von Svarez vor dem preußischen Kronprinzen (1791/1792) Kleinheyer, S. 77 ff. Vgl. auch Pahlow, S. 56 ff. 30 Von Kreittmayr, S. 20 f.; Moser, Abhandlung, S. 8 f.; Strube, Nebenstunden III, S. 20; vgl. Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 226 f. 31 Vgl. Erwin, S. 206 f. 32 „Massen dann ein vor allemahl Unser Wille und Meynung ist, daß, wie Wir Unserseits über diese Ordnung beständig halten, und mithin der Administration der Justitz stets in allem ihren ungehinderten Lauff lassen wollen, also von unsern Nachkommen und Successoren, auch allen von Uns dependirenden desgleichen geschehen soll.“ = CCCal. II, S. 6. Vgl. auch die weiteren Zitate oben S. 32 ff. 33 Erwin, S. 212.

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sondern seine Sache bey dem Gericht, vor welches sie gehöret, in hiesigen Landen anbringen und verfolgen […]; dafern er aber auch mit dem Verfahren, oder mit dem Ausspruch selbigen Gerichts nicht zufrieden seyn wollte, alsdann endlich seine Nohtdurfft an das Ober-Appellations-Gericht gehörig gelangen lassen, und mit demjenigen ohne weitere Ausflucht oder Klage sich begnügen sollte, was dasselbe in der Sache ordnen und statuiren würde.“34 Nachdem sich gleichwohl einige Fälle von Supplikationen nach London ereignet hatten, wurde diese Verordnung bei Androhung „ohnausbleiblicher Straffe“ bekräftigt, zumal „mehrentheils einfältige Leute von bösen gewinnsüchtigen Advokaten zu dem Lauffen nach Engelland und dortigen Suppliciren verführet werden“.35 Auch dieser Strafandrohung scheint durchschlagende Wirkung zunächst versagt geblieben zu sein, denn 1734 erfuhr das Verbot eine erneute Bekräftigung: „Nachdem Wir einige Zeit her misfällig wahrgenommen, daß […] Dennoch ein und andere Unterthanen sich unterstanden, hieher nach Engelland zu reisen, und Uns selbst, oder Unser hiesiges teutsches Ministerium zu behelligen. […] So geschiehet solches hierdurch dergestalt und also, daß ein jeder sich hinführo darnach zu achten, und wenn er darwider handelt, zu gewärtigen habe, daß er mit nachdrücklichen, und dem Befinden nach mit Leibes-Straffe werde beleget werden.“36 Diese Anordnung richtete sich ausdrücklich auch an Advokaten, Prokuratoren und andere Ratgeber, die das Supplizieren unterstützen sollten. Solche wiederholten Verbote sind auch in anderen Ländern zu beobachten. Sie sind aber vorwiegend auf das zeittypische Überhandnehmen des Supplizierens zurückzuführen und dienten der Vermeidung des Mißbrauchs.37 Eine grundsätzliche Einschränkung des landesherrlichen Rechts, Machtsprüche zu erlassen, war mit ihnen nicht verbunden.38 An ihnen wird zudem deutlich, daß Untertanen die persönliche Entscheidung des Landesherrn wie in anderen Reichsterritorien39 oftmals im Wege von Suppliken gesucht haben. 34 CCCal. II, S. 584 ff.; vgl. hierzu und zum folgenden von Bülow I, S. 323; Gunkel, S. 117 f.; Landwehr, S. 27 f. 35 Renovatio Mandati vom 21. September 1726 = CCCal. II, S. 595 f.; vgl. schon Anderweites Ausschreiben der Regierung vom 12. Februar 1725 = CCCal. II, S. 593. 36 Renovirter und extendirter poenal-Befehl vom 25. Mai 1734 = CCCal. II, S. 604 f. 37 Erwin, S. 213; Hülle, ZRG GA 90 (1973), 206. In Preußen suchte Friedrich Wilhelm I. (König von 1713 bis 1740) vergeblich das Supplikenwesen, über das er sehr erbost war, zu unterbinden; Schmidt, S.  26; Schmon, S. 55; allgemein Ogorek, Machtspruchmysterium, S. 25 ff. 38 Erwin, S. 221. 39 Ogris, Art. Kabinettsjustiz, HRG II, Sp. 515; ders., Art. Machtspruch, HRG III, Sp. 127; Dolezalek, Art. Suppliken, HRG V, Sp. 96; Hülle, ZRG GA 90 (1973), 199 f.



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Im übrigen kann wegen der Lückenhaftigkeit der Quellen nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen werden, ob die braunschweig-lüneburgischen Gerichte und insbesondere das Oberappellationsgericht mit Machtsprüchen des Landesherrn durch persönliche Entscheidungen von Rechtssachen oder Weisungen an das entscheidende Gericht konfrontiert worden sind. Als ungerecht empfundene willkürliche Eingriffe des Landesherrn in die ordentliche Gerichtsbarkeit wären in der zeitgenössischen Literatur, die hierüber schweigt, mit großer Wahrscheinlichkeit überliefert worden. Für Machtsprüche, die nicht landesherrlicher Willkür entsprangen, sondern der Förderung der Gerechtigkeit dienten und diesem Ziel auch gerecht wurden – dabei handelt es sich um den Regelfall von Machtsprüchen40 –, kann dies nicht unbedingt gelten. Da sich solche Entscheidungen des Landesherrn nur formal von den Rechtssprüchen der ordentlichen Gerichte unterschieden und nicht mit dem Makel von Willkür und Ungerechtigkeit behaftet waren, kann nicht mit Sicherheit angenommen werden, daß sie in der erhaltenen Literatur überliefert worden wären. Ob es tatsächlich zu Machtsprüchen gekommen ist, ist aber für die vorliegende Untersuchung nur von sekundärer Bedeutung. Denn solange Machtsprüche nicht auf Willkür beruhten, hätten sie nicht den Charakter einer illegitimen und rechtfertigungsbedürftigen Ausnahme und wären damit für die Darstellung der Geschichte des Celler Gerichts wenig aufschlußreich. Vor allem könnten sie nicht als Eingriff in die Unabhängigkeit des Gerichts gewertet werden, denn eine verfassungsrechtlich gesicherte Unabhängigkeit eines Gerichts vom Landesherrn war im Fürstenstaat der Frühen Neuzeit nicht denkbar.41

c) Landesherrliche Kommissionen als Möglichkeit der Einflußnahme Nicht nur die unmittelbare Beeinflussung von Rechtssachen durch den Herrscher persönlich war dessen Hoheitsrecht kraft seiner Machtvollkommenheit; er konnte einzelne Sachen auch einer von ihm eingesetzten Kommission42 als Sondergericht zuweisen und so den ordentlichen Gerichten entziehen.43 Der landesherrliche Kommissar ist als Ausdruck der Machtvollkommenheit des 40 Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 227. 41 Ogris, De sententiis, S. 174; D. Simon, S. 2. 42 Diese landesherrlichen Kommissionen dürfen nicht mit den durch das Gericht für einzelne Verfahrensabschnitte wie Vergleichsverhandlungen oder eine Beweisaufnahme eingesetzten Kommissionen verwechselt werden; zu diesen von Bülow II, S. 202 ff.; Oesterley, Handbuch II, S. 618 f.; vgl. auch Jörn, Das Wismarer Tribunal in seinen Beziehungen, S. 94. 43 Erwin, S. 116; Ogris, De sententiis, S. 179; ders., Art. Kabinettsjustiz, HRG II, Sp. 516.

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Herrschers ein Charakteristikum des frühneuzeitlichen Fürstenstaates.44 Auch die Einsetzung solcher Kommissionen, die ebenfalls eine Ausprägung von Kabinettsjustiz war,45 sahen die Machtspruchkritiker noch als natürliches Herrschaftsrecht des Landesherrn an und lehnten sie nur aus Zweckmäßigkeitsgründen weitgehend ab.46 Die Celler Oberappellationsgerichtsordnung schränkte die Einsetzung landesherrlicher Kommissionen für einzelne Rechtssachen ausdrücklich ein.47 Nur in Ausnahmefällen, wenn „wichtige erhebliche Ursachen vor44 Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 228; Willoweit, Verfassungsgeschichte, §  23 II 3. 45 Oestmann, Art. Kabinettsjustiz, EdN VI, Sp. 238. 46 Sieber, S. 18, 218 ff. 47 Th. II Tit. 1 § 4 OAGO = CCCal. II, S. 63 f.: „Als auch öffters geschiehet, daß, wenn einer jemanden zu Recht zu besprechen gemeynet, solche seine Sache nicht vor dem ordentlichen Gericht einführet, sondern in Meynung dieselbe desto kürtzer abzutuhn, oder auch wohl gar in andern bösen Absehen, um seinen Gegentheil zu übereilen, oder einiger Meynung nach, selbigem die Appellation dadurch abzuschneiden, bey Uns um eine Commission anhält, auch wohl selbst dero behuef Commissarien, in welche er ein Vertrauen gesetzet, benennet. Und wir dann dabey erwogen, daß durch dergleichen Commissarische Untersuchungen und darauf erfolgenden Spruch gar leicht allerhand Ungebühr mit unterlauffen, und ein- oder anderm Theile präjudiciret werden kan; einem aber, so dadurch graviret zu seyn vermeynet, die Beneficia, so sonst einem jeden in Rechten wieder die ergangene Urtheile erlaubet, insonderheit auch das Beneficium Appellationis abzuschneiden um so bedencklicher ist, da auf solche Art einer mit einer Instantz sich würde begnügen, und alle Beschwerde über sich ergehen lassen müssen; So wollen Wir zwar ins künfftige dergleichen Commissiones zu Decision der Rechts-Sachen nicht, es wäre dann, daß dazu gar sonderbahre und wichtige erhebliche Ursachen vorhanden wären, erkennen, sondern vielmehr die Sachen an die Gerichte, die dazu von Uns geordnet, daß sie allen denen, die Rechts-Hülffe bedürffen, die Justitz administriren sollen, verweisen. Solten aber jedoch von Uns oder Unsern Nachkommen dergleichen Commissiones erkant, und von denen Commissariis welchen potestas decidendi gegeben, ein Spruch darinn geschehen, soll selbiger nicht anders als in ihrer der verordneten Commissarien Nahmen ergehen: oder wann auch ja aus Versehen, oder per sub- & obreptionem Unser oder Unserer Successoren Nahme dazu gebrauchet würde; So soll dennoch der Parthey, so dadurch beschweret zu seyn vermeynet, wann sonst die Sache darnach qualificiret ist, allerdings frey verbleiben, von solchen Aussprüchen und Resolutionen in Rechts-Sachen an Unser Ober-AppellationsGericht zu appelliren; gestalt dann besagtes Gericht solche Sachen anzunehmen und darinn den Rechten und der Ordnung nach zu procediren, und die Sache durch Urtheil und Recht abzutuhn befugt und schuldig seyn soll. Dawieder dann von Uns und Unseren Nachkommen keine Hinderung gemacht, sondern vielmehr der Justitz ihr ohnverrückter Lauff gelassen, und einem jeden auch hierinn, was das Recht ihm zubilliget, zu gute kommen soll.“ Vgl. von Bülow II, S 126 f.



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handen wären“, sollten solche Kommissionen angeordnet werden dürfen. Allerdings waren diese generell ein Mittel für Fälle, in denen es der Landesherr wegen ihrer Bedeutung für erforderlich hielt, in die Gerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichte einzugreifen. In unbedeutenden Fällen bestand von vornherein kein Interesse an einem solchen Eingriff. Hielt der Landesherr das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten im Einzelfall für unzulänglich, so konnte allein darin eine wichtige Ursache gesehen werden, die Sache einer Kommission zuzuweisen. Diese Beschränkung der Oberappellationsgerichtordnung war somit kein wirksames Mittel, landesherrliche Machtsprüche in Gestalt besonderer Kommissionen zu unterbinden, zumal die Machtvollkommenheit des Herrschers sich gerade dadurch auszeichnete, daß sie nicht durch Gesetz eingeschränkt werden konnte.48 Von größerer theoretischer Bedeutung war eine weitere Vorschrift zum Schutz des höchsten Gerichts vor Eingriffen des Landesherrn in seine Rechtsprechung: Gegen die Entscheidung einer Kommission war die Appellation zum Oberappellationsgericht zulässig.49 Auch andere Rechtsmittel wie die Nichtigkeitsbeschwerde konnten in Betracht kommen,50 so daß die Entscheidung einer Kommission nicht anders zu behandeln war als das Erkenntnis des Hofgerichts oder der Justizkanzlei. Die Zuständigkeit des obersten Gerichts konnte durch die Einsetzung einer Kommission somit nicht umgangen werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die braunschweig-lüneburgische Gerichtsbarkeit trotz des unbeschränkten Appellationsprivilegs in Fällen der Rechtsverweigerung der Aufsicht der Reichsgerichte unterstand.51 Wäre gegen Entscheidungen landesherrlicher Kommissionen kein Rechtsmittel, insbesondere keine Appellation zum Oberappellationsgericht zugelassen worden, so wären Beschwerden wegen Rechtsverweigerung an die Reichsgerichte in Betracht gekommen.52 Eine solche Möglichkeit hätte aber das Ansehen der territorialen Justiz erheblich beeinträchtigen und die Stellung Braunschweig-Lüneburgs im Reich schwächen können. Die Zulassung der Appellation gegen das Erkenntnis einer Kommission war ein probates Mittel, eine solche Einmischung der Reichsgerichte zu verhindern.

48 49 50 51 52

Bussi, S. 58. Th. II Tit. 1 § 4 OAGO, siehe oben Note 47. Von Bülow II, S. 128 f. Siehe oben S. 17, 20. Vgl. Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 45.

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d) Landesherrliche Kommissionen in der Rechtspraxis In welchem Umfang die Landesherren tatsächlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, einzelne Rechtsstreitigkeiten den ordentlichen Gerichten zu entziehen und Einzelfallkommissionen als Sondergerichten zuzuweisen, ist nicht sicher festzustellen. Solche Kommissionen scheint es vorwiegend in der Anfangszeit des Gerichts und auch nur in wenigen Fällen gegeben zu haben. Von Bülow bezeichnet sie in seinem 1804 erschienenen Werk über das Oberappellationsgericht als „höchst ungewöhnliche Ausnahmen von der Regel“53. Gleichwohl sei „Vormahls […] verschiedentlich von diesem Vorbehalte Gebrauch gemachet“ worden. Als Beispiel nennt er die Rechtssache des Oberkriegskommissars Craushaar gegen die Interessenten des vormaligen Leefmann Behrenschen Comtoirs aus dem Jahre 1717, deren Entscheidung der Landesherr dem Ministerium zu Hannover kommissarisch übertragen hatte. In dieser Sache hatten die Beklagten gegen die Kommission beim Landesherrn Beschwerde erhoben. Daraufhin wies ein königliches Reskript vom 11. Juni 1717 das Ministerium an, sich im rechtmäßigen Verfahren zu bewegen und den Parteien die auch bei den ordentlichen Gerichten zulässigen Rechtsmittel zu gewähren.54 Eine besondere Bewandtnis hat es mit der ebenfalls bei von Bülow als Beispiel für eine landesherrliche Kommission angeführten Ehescheidungssache des jüdischen Ehepaares Lea Hertz und Salomon Philip aus dem Jahre 1719: Hier entzog der Landesherr die Rechtssache der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht, sondern wies sie durch die Kommission dem Oberappellationsgericht in erster Instanz zu, das ebenso verfuhr wie in anderen erst- instanzlichen Sachen.55 Auch ein solcher Eingriff in die Zuständigkeit der Gerichte ist ein Beispiel der Kabinettsjustiz kraft landesherrlicher Justizhoheit.56 Derartige Fälle gehörten, „zumahl aus neueren Zeiten, […] zwar zu den Seltenheiten“57; sie scheinen sich demnach aber möglicherweise auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch ereignet zu haben. Weshalb von Bülow indes nur diesen einen Beispielsfall aus dem Jahre 1719 erwähnt, ist unklar. Der ausgewertete Lauenburger Aktenbestand gibt über solche Fälle keine Auskunft. Da aber auch in der Sache, die von Bülow schildert, das Oberappellationsgericht im ordentlichen Verfahren vorging und den besonderen Auftrag des Landesherrn im Urteil nicht erwähnte,58 kann nicht 53 54 55 56 57 58

Von Bülow II, S. 330. Von Bülow II, S. 127, 129 Note 15. Von Bülow II, S. 330. Oestmann, Art. Kabinettsjustiz, EdN VI, Sp. 238. Von Bülow II, S. 330. Von Bülow II, S. 330 Note 9.



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ausgeschlossen werden, daß erstinstanzliche Sachen des Lauenburger Bestandes auf einer solchen Kommission beruhten. Die Landesherren haben somit nur vereinzelt von der Möglichkeit, durch besondere Kommissionen in den Gang der ordentlichen Gerichtsbarkeit einzugreifen, Gebrauch gemacht. Daß aber die beiden genannten Fälle aus den Jahren 1717 und 1719 die einzigen landesherrlichen Kommissionen seit der Gründung des Oberappellationsgerichts gewesen seien,59 kann nicht geschlußfolgert werden. Die Frage nach der Häufigkeit der insgesamt wohl sehr seltenen Kommissionen kann ebensowenig exakt beantwortet werden wie diejenige, wann diese Verfahrensweise endgültig außer Übung gekommen ist. Jedenfalls wurden die Bahnen des ordentlichen Verfahrens auch im Falle landesherrlicher Kommissionen wohl weitgehend eingehalten, und die Parteien verloren nicht die Befugnis zum Gebrauch der ihnen auch sonst zustehenden Rechtsmittel. Zu landesherrlichen Willkürakten scheint es hierbei somit nicht gekommen zu sein. Für diese Annahme spricht auch, daß willkürliche Eingriffe in die Gerichtsbarkeit aller Wahrscheinlichkeit nach überliefert worden wären.

3.  Visitationen des Gerichts a)  Vorgaben der Oberappellationsgerichtsordnung „Damit auch der bei Errichtung dieses Unsers Ober-Appellations-Gerichts von Uns geführte, zu sorgfältiger Administrirung der Justitz abzielender Zweck um desto völliger erreichet, und gegenwärtige Unsers hohen Gerichts Ordnung, nach allen und jeden Stücken zur behöriger Observantz gebracht, auch dabey mit Hinwegthuung aller sich dagegen etwa hie und da äusserenden Mängel und Gebrechen beständig auf Recht erhalten werden möge“, sollte das Gericht alle zehn Jahre einer ordentlichen Visitation unterzogen werden. Darüber hinaus konnte der Landesherr, wenn er es für nötig erachtete, außerordentliche Visitationen anordnen.60 Die Regelungen über die Visitationen gehen auf Georg Ludwigs Premierminister Andreas Gottlieb von Bernstorff zurück, der insofern das Vorbild der Reichskammergerichtsordnung von 155561 aufgriff.62 Die Visitationen waren ein Instrument der Justizaufsicht und dienten dazu, die Einhaltung der Oberappellationsgerichtsordnung zu überwa59 60 61 62

So Lühr, S. 11 f. Th. II Tit. 18 § 1 OAGO = CCCal. II, S. 168; vgl. Oesterley, Handbuch I, S. 160. Th. I Tit. 50 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 146 ff. Jessen, Einfluß, S. 128; von Bülow I, S. 10.

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chen, eine sorgfältige Justizverwaltung sicherzustellen und etwaige Mängel des Gerichts und seines Verfahrens zu beseitigen. Eine vom Landesherrn eingesetzte Visitationskommission sollte Mißstände am Gericht und Fehlentwicklungen des Verfahrens durch Befragung der Gerichtspersonen ermitteln. Die Richter sollten wegen der Mitteilung solcher Mängel keine Nachteile zu befürchten haben.63 Die Visitationskommission hatte des weiteren Beschwerden über das Gericht sowie Syndikatsklagen gegen einzelne Richter64 zu bearbeiten und sich mit Vorschlägen zur Verbesserung der Oberappellationsgerichtsordnung und des Justizwesens zu befassen.65 Sie sollte sich aus drei Geheimräten oder Staatsministern und drei rechtskundigen anderen Personen zusammensetzen.66 Alle Kommissionsmitglieder waren ohne Mitspracherecht der Landstände oder des Gerichts vom Landesherrn zu bestimmen. Die Stände hatten lediglich das Recht, Deputierte zu benennen, die ihre Interessen vertreten und zu entscheidenden Fragen angehört werden sollten, ohne jedoch eigene Entscheidungsbefugnisse zu haben. Mit ihrer Forderung, gleichberechtigte Mitglieder der Kommission bestimmen zu dürfen, hatten sie sich bei der Ausarbeitung der Oberappellationsgerichtsordnung gegen den Widerstand des Geheimen Rates nicht durchsetzen können.67 Mitglieder des Oberappellationsgerichts oder untergeordneter Gerichte sollten an der Visitation nicht beteiligt werden. Nach Beendigung der Visitation hatte die Kommission dem Landesherrn schriftlich Bericht zu erstatten. Daraufhin sollte nach landesherrlicher Resolution ein Visitationsrezeß ergehen, der die beschlossenen Verbesserungen der Gerichtsverfassung und des Verfahrens zum Gegenstand haben sollte. Die jeweils nächste Visitation sollte neben ihren sonstigen Aufgaben überprüfen, ob dieser Rezeß befolgt wurde.68 63 Th. II Tit. 18 § 4 OAGO = CCCal. II, S. 169 f. 64 Die Prozeßparteien konnten gegen den vorsätzlich das Recht beugenden Richter bei dem Gericht selbst oder bei der Visitationskommission nach Th. II Tit. 17 OAGO = CCCal. II, S. 166 f. Syndikatsklage erheben: „Wenn eine Parthey vermeynet, oder sich auch befünde, daß aus Betrug oder Argelist vom Geschencke, Gabe, Neid, Feindschafft, Bitte, Freundschafft und anderer dergleichen Ursachen wegen, eine nichtige und ungerechte Urthel gefället und gegeben wäre; So stehet solcher Parthey frey, die Urtheiler, so sie vermeynet, itztbesagter massen gehandelt zu haben, entweder bey Unserem Ober-Appellations-Gericht, oder bey nächst vorhergehender Visitation ad Syndicatum vorzustellen, […].“ Vgl. von Bülow II, S. 439 ff. Die Regelung der Syndikatsklage folgte dem Vorbild in Th. III Tit. 53 § 6 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 277. 65 Im einzelnen Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 203 ff. 66 Th. II Tit. 18 § 2 OAGO = CCCal. II, S. 168 f. 67 Von Bülow II, S. 432 Note 3; insofern irreführend Storch, S. 200. 68 Th. II Tit. 18 § 5 OAGO = CCCal. II, S. 170.



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b)  Bedeutung gerichtlicher Visitationen in Reichs- und Territorialjustiz Die Visitation ist im Bereich des Gerichtsverfassungsrechts die Überprüfung eines Gerichts als Mittel der Justizaufsicht.69 Bedeutung hat dieses Institut insbesondere am Reichskammergericht erlangt.70 Über die Justizaufsicht hinaus konnte es sich zu einem Instrument politischer Macht entwickeln. Dabei war entscheidend, welche Vollmachten die Visitationskommission hatte und wer über ihre Zusammensetzung entschied. Am Oberappellationsgericht hat trotz der Regelungen der Oberappellationsgerichtsordnung nie eine Visitation stattgefunden. Praktische Wirksamkeit hat dieses Institut somit nicht erlangt.71 Für die Rechtsstellung des Gerichts und den Grad seiner Abhängigkeit vom Landesherrn ist aber dennoch von Interesse, inwiefern dieser durch Visitationen Einfluß auf das Gericht und seine Rechtsprechung nehmen konnte. Dafür bietet sich ein Blick auf das Reichskammergericht und das Wismarer Tribunal an, da an diesen beiden Gerichten Visitationen stattgefunden haben. Das Reichskammergericht sollte im 16. Jahrhundert jährlich visitiert werden. Dadurch sollten Mißstände festgestellt und beseitigt werden.72 Tatsächlich fanden die Visitationen im 16. Jahrhundert zwar nicht alljährlich, aber doch mit einiger Regelmäßigkeit statt.73 Die Visitationskommission setzte sich aus zwei kaiserlichen Kommissaren und sieben Reichsständen zusammen.74 Die Visitationen waren daher in erster Linie ein Kontrollinstrument der Reichsstände gegenüber dem Gericht. Eine weitere Aufgabe der Reichskammergerichtsvisitation war die Entscheidung über das Rechtsmittel der

69 Visitationen sind freilich keine nur dem Gerichtsverfassungsrecht eigentümliche Institution; von Bedeutung waren sie bereits seit der Spätantike im Bereich der Kirchenverfassung; Becker, Art. Visitation, HRG V, Sp. 927. 70 Becker, Art. Visitation, HRG V, Sp. 927; Mencke. 71 Von Bülow I, S. 328; Gunkel, S. 115. 72 Th. I Tit. 50 § 1 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 146. Vgl. Sellert, Verhältnis, S. 111 ff. 73 Mencke, S. 13 ff. 74 Mencke, S. 80 f., 49 f. Neben dem Kurfürsten von Mainz als Reichserzkanzler waren auf Seiten der Reichsstände ein weiterer Kurfürst, je ein geistlicher und ein weltlicher Fürst sowie Prälaten, Grafen und Städte an der Visitation beteiligt. Mit Ausnahme des Kurfürsten von Mainz sollten die Reichsstände abwechselnd der Reihe nach durch den Reichserzkanzler zur Visitationskommission berufen werden. Zum Einfluß des Kurfürsten von Mainz auf die Reichskammergerichtsvisitation Diestelkamp, Reichserzkanzler, S. 318 ff.

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Revision.75 Durch diese Befugnis bot die Visitation den Reichsständen die Möglichkeit, inhaltlichen Einfluß auf die Entscheidungen des Reichskammergerichts zu nehmen. Wegen konfessioneller Streitigkeiten, bei denen die Visitationen als Möglichkeit der Einflußnahme auf gerichtliche Erkenntnisse politisch instrumentalisiert wurden, kamen die ordentlichen Visitationen 1588 zum Erliegen und wurden nicht wieder aufgenommen.76 Der Jüngste Reichsabschied ordnete zwar die Wiederaufnahme der Visitationen an,77 wurde aber insofern nicht befolgt. Nur zwei außerordentliche Visitationen fanden noch 1707–171378 und 1767–177679 statt. Am Wismarer Tribunal sollten alle zwei Jahre Visitationen stattfinden, um die Befolgung der Tribunalsordnung zu überwachen, am Gericht etwa auftretende Mißstände zu beseitigen und über Revisionen zu entscheiden.80 Die Visitationskommission setzte sich aus einem schwedischen Reichsrat als Direktor, je vier Vertretern der Stände und der Regierungen und dem Dekan der Greifswalder Juristenfakultät zusammen.81 Trotz dieser Regelungen fand in Wismar nur eine einzige Visitation im Jahre 1688 statt.82 Über die genannten verfahrensrechtlichen Maßnahmen hinaus hatte die Visitation des Tribunals aber auch eine politische Dimension. Sie führte zu einer neuen Machtverteilung der Staatsorgane in den deutschen Provinzen Schwedens im Sinne der 1680 durch Karl XI. eingeführten absoluten Mon-

75 Th. III Tit. 53 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 275 ff. Detaillierte Darstellung des reichskammergerichtlichen Revisionsverfahrens bei Dick, S. 215 ff.; Mencke, S. 85 ff. 76 Mencke, S. 111 ff.; Press, Reichskammergericht, S. 26 f.; Smend, S. 189 ff. Harsche Kritik am Ausbleiben der ordentlichen Visitationen bei von Zwierlein I, S. 69 ff., der in diesem Umstand die Ursache zahlreicher Mißstände am Reichskammergericht sah. 77 § 128 JRA 1654 = Laufs, Der jüngste Reichsabschied, S. 63. 78 An der Reichskammergerichtsvisitation 1707–1713 war der spätere Oberappellationsgerichtsrat (vgl. Gunkel, S. 48 mit Note *) und Präsident des Celler Gerichts von Wrisberg beteiligt; Jessen, Einfluß, S. 218; ders., Gründung, S. 42. Ein Einfluß dieser Tätigkeit von Wrisbergs auf die Ausarbeitung der Oberappellationsgerichtsordnung ist indes nicht ersichtlich. 79 Diese letzte Visitation wurde von Seiten der Reichsstände machtpolitisch instrumentalisiert. Dies gilt insbesondere für England/Hannover, das schließlich die Visitation zum Scheitern brachte und auf diese Weise das Bündnis zwischen Österreich und Frankreich zu sprengen hoffte: von Aretin, ZNR 13 (1991), 130. Vgl. ders., Reichshofrat und Reichskammergericht; Press, Reichskammergericht, S. 44 f. 80 Modéer, Gerichtsbarkeiten, S. 370. 81 Th. III Tit. 10 §§ 2, 3 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 130; vgl. Reslow, S. 243. 82 Vgl. Katalog der Auskünfte, die die Visitationskommission vom Tribunalspräsidenten einforderte, bei Jörn, Gerichtstätigkeit, S. 237.



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archie.83 Die Visitation hatte auch eine Einschränkung der Kompetenzen des Tribunals zur Folge.84 Die Proteste der Stände gegen die wiederholten Eingriffe der Krone in die ständischen Präsentationsrechte zu den Beisitzerstellen verhallten ungehört.85 Den Ständen gelang es, weitere Visitationen des Tribunals zu verhindern.86 Obwohl in Wismar nur diese eine Visitation durchgeführt wurde, verdeutlicht ihr Beispiel, wie weit das Rechtsinstitut der Visitation über seine eigentliche Funktion der Justizaufsicht hinaus als Machtmittel gegen die Stände und gegen eine aus Sicht der Krone zu selbständige Haltung des Gerichts genutzt werden konnte. Für die Frage nach der Bedeutung der Visitationen lassen sich weder die Verhältnisse am Reichskammergericht noch diejenigen am Wismarer Tribunal ohne weiteres auf das Celler Gericht übertragen, denn die politischen Verhältnisse im Reich, in den deutschen Territorien der schwedischen Krone und im braunschweig-lüneburgischen Kurstaat waren sehr verschieden. Während das Reichskammergericht als vorwiegend ständisches Gericht dem Einfluß des Kaisers weitgehend entzogen war und seine Visitationen in erster Linie ein Kontrollmittel der Reichsstände waren, wurde die Visitation des Wismarer Tribunals im absolutistischen Schweden als Instrument fürstlicher Macht zu Lasten von Gericht und Ständen genutzt. Da die Mitglieder der Visitationskommission nach der Celler Oberappellationsgerichtsordnung ausschließlich vom Landesherrn auszuwählen waren und die Stände nur Deputierte absenden durften, hätte der Landesherr eine Visitation weitgehend seinen Weisungen unterwerfen können. Zwar waren die Möglichkeiten inhaltlichen Einflusses der Visitationskommission auf die Rechtsprechung in Celle insofern gegenüber dem Reichskammergericht und dem Wismarer Tribunal eingeschränkt, als die Oberappellationsgerichtsordnung keine Revisionszuständigkeit der Kommission vorsah. Dabei muß aber berücksichtigt werden, daß der Landesherr als Inhaber der unbeschränkten Justizhoheit deren Kompetenzen über den durch die Gerichtsordnung vorgesehenen Umfang hinaus hätte ausdehnen können. Hätte der Landesherr eine Visitation angeordnet und dabei die Rechte des Gerichts und der Stände beschnitten, so hätten sich beide kaum mit Erfolg dagegen zur Wehr setzen können.

83 84 85 86

Reslow, S. 239. Reslow, S. 245; Jörn, Gerichtstätigkeit, S. 253. Jörn, Gerichtstätigkeit, S. 227; ders., Stand und Aufgaben, S. 254. Jörn, Gerichtstätigkeit, S. 254.

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c)  Behandlung der Visitationen in der Rechtswirklichkeit Daß es in der Geschichte des Oberappellationsgerichts weder ordentliche noch außerordentliche Visitationen jemals gegeben hat, ist formell darauf zurückzuführen, daß die Kurfürsten und Könige niemals eine Visitation angeordnet haben. Denn auch die ordentlichen Visitationen, die alle zehn Jahre stattfinden sollten, waren von der Anordnung durch den Landesherrn abhängig. Die Visitationen wurden aber nicht völlig übergangen, sondern waren wiederholt Gegenstand von Meinungsäußerungen der Stände und des Gerichts selbst. Da das erhaltene Quellenmaterial überaus lückenhaft ist, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die im folgenden erwähnten Fälle hinsichtlich der Visitationen ein abschließendes Bild ergeben. Vielmehr ist anzunehmen, daß es weitere Gelegenheiten gab, anläßlich deren über Visitationen verhandelt wurde. Lediglich der Umstand, daß solche Fälle auch in der zeitgenössischen Literatur nicht erwähnt werden, erlaubt den Schluß, daß Visitationen niemals zu heftigen Auseinandersetzungen geführt haben.

aa)  Verlangen der Landschaft Hoya nach einer Visitation im Jahre 1732 Durch ein Reskript vom 13. August 1732 gab Georg II. der Landschaft Hoya – wie auch den anderen Landschaften – den Entwurf einer Verordnung zur Verbesserung und Beschleunigung der Justiz bekannt.87 Dieser Entwurf führte schließlich zur Gerichtsreform von 1733, die das Oberappellationsgericht in zwei Senate einteilte und um zwei Ratsstellen erweiterte. Die Reform sollte der Überlastung des Gerichts abhelfen, die sowohl auf die umständliche Plenarverfassung als auch auf die Zunahme des Prozeßaufkommens zurückzuführen war.88 Nach Erhalt des landesherrlichen Reskripts wandte sich die Landschaft Hoya an den Geheimen Justizrat von Lautensack in Celle mit der Bitte um videtur wegen der beabsichtigten Änderungen, da sie diesbezüglich Bedenken hegte. Maßnahmen zur Entlastung des Gerichts sowie Verbesserungen der Oberappellationsgerichtsordnung sollten ihrer 87 NHStA Dep. 106, Nr. 1035. 88 Ausführlich zu den Maßnahmen der Reform Lühr, S. 23 ff.; Akten harrten teilweise sechs Jahre ihrer Bearbeitung: Gunkel, S. 125. Anders als Gunkel annimmt, kann die Überlastung nicht allein auf die Vergrößerung des Gerichtsbezirks durch den Erwerb Bremen-Verdens im Jahre 1715 zurückgeführt werden, denn zum Ausgleich dieser Vergrößerung war das Gericht schon damals um drei Ratsstellen erweitert worden. Wichtigste Maßnahme der Entlastung des Gerichts war die Bildung der Senate. Vgl. zur parallelen Problematik am Reichskammergericht Sellert, Verfahrensbeschleunigung, S. 139 ff.; zum Reichshofrat ders., Beschleunigung, S. 257 ff.



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Ansicht nach einer vom Landesherrn anzuordnenden Visitation überlassen werden. Von Lautensack erstattete daraufhin ein Gutachten, in dem er die Anregung einer Visitation aufgriff. 89 Die Visitationskommission sollte – so die Vorschläge von Lautensacks – über eine Verbesserung der Oberappellationsgerichtsordnung beraten. Zur Entlastung des Gerichts sollten einige besonders umstrittene Rechtsfragen von der Kommission selbst entschieden werden. Rückständige Akten sollten an auswärtige90 Juristenfakultäten zur Bearbeitung verschickt werden, gegen deren Erkenntnis Rechtsmittel zum Oberappellationsgericht statthaft sein sollte. Auf diese Weise könne das Arbeitsaufkommen am Oberappellationsgericht derart verringert werden, daß nicht nur dessen Vergrößerung entbehrlich, sondern sogar eine Verkleinerung desselben möglich sein werde. Am 12. Dezember 1732 ersuchte die Landschaft Hoya den Landesherrn um Anordnung einer Visitation. Sie beantragte, die beabsichtigten Änderungen bis dahin aufzuschieben. Dabei trug sie die durch von Lautensack ausgearbeiteten Vorschläge vor.91 Durch Reskript vom 30. Januar 1733 wies das Geheime Ratskollegium das Ersuchen der Landschaft jedoch mit der Begründung zurück, deren Vorschläge seien nicht zweckmäßig, sondern hinderlich und zu umständlich.92 Daraufhin erging, ohne weitere Auseinandersetzungen mit der Landschaft, am 31. März 1733 das „Reglement wegen verbesserter Einrichtung des Ober-Appellations-Gerichts“93, das mit dem Entwurf vom 13. August 1732 weitgehend übereinstimmte. Die Landschaft Hoya bestand nach Erhalt des ablehnenden Reskripts nicht weiter auf der Durchführung einer Visitation, sondern erklärte sich mit der Gerichtsreform einverstanden. Im Ergebnis blieb ihr Vorstoß damit ohne Folgen. Die von der Landschaft übernommenen Vorschläge von Lautensacks standen teilweise in eklatantem Widerspruch zur Oberappellationsgerichtsordnung. Die Aktenversendung verbot diese grundsätzlich.94 Eine Ausnahme 89 NHStA Dep. 106, Nr. 1035. 90 Die einzige landeseigene Universität Georgia Augusta in Göttingen wurde erst 1737 gegründet. 91 NHStA Dep. 106, Nr. 1035; das Schreiben der Landschaft vom 12. Dezember 1732 ist in dieser Akte nicht erhalten, wird aber im Inhaltsverzeichnis mit kurzer Inhaltsangabe erwähnt. Abschriften befinden sich in NHStA Dep. 7 B, Nr. 389 und NHStA Hann. 26a, Nr. 4788, S. 29 ff. 92 NHStA Dep. 106, Nr. 1035; NHStA Hann. 26a, Nr. 4788. 93 CCCal. II, S. 180–186, Original in NHStA Hann. 26a, Nr. 4788, S. 101 ff. 94 Th. II Tit. 13 § 9 OAGO = CCCal. II, S. 148: „Wie bey den höchsten Reichs-Gerichten nicht üblich, die Acta zu Abfassung einer Urthel ad Extraneos zu verschicken; also sollen auch regulariter bey diesem Unserm Ober-Appellations-Gericht, als welches allemahl mit tüchtigen, qualificirten erfahrnen Persohnen besetzet werden soll, und da diejenige, so einige Zeit in solchen Gericht gesessen, des Landes

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galt nur für den Fall von Stimmengleichheit im Plenum.95 Auch die vorgesehene Entscheidung einzelner Rechtsfragen durch die Visitationskommission entsprach nicht der Gerichtsordnung, denn diese legte der Visitation lediglich eine verfahrensrechtliche Aufsichtsfunktion bei. Bemerkenswert ist, daß keiner der Beteiligten, auch nicht das Geheime Ratskollegium, das die Vorschläge der Landschaft ohne Erörterung abwies, auf diese Verstöße hinwies. Selbst das Oberappellationsgericht, das an der Reform beteiligt war, begründete seine Ablehnung der Aktenversendung nicht mit der entgegenstehenden Regelung der Gerichtsordnung, sondern mit der schlechten Arbeit der Juristenfakultäten.96 Dies spricht dafür, daß einer strengen Einhaltung gesetzlicher Vorschriften entsprechend vormodernem, von absolutistischem Gedankengut beeinflußtem Herrschaftsverständnis kein allzu hoher Wert beigemessen wurde. Im gleichen Zusammenhang kann dies am Unterbleiben der ordentlichen Visitationen abgelesen werden, die nach der Oberappellationsgerichtsordnung regelmäßig alle zehn Jahre stattfinden sollten. Als Inhaber der Justizhoheit hätte der Landesherr durchaus Maßnahmen anordnen können, die mit der Oberappellationsgerichtsordnung nicht im Einklang standen. Der Wunsch der Landschaft nach einer Visitation, bei der sie selbst keinen maßgeblichen Einfluß gehabt hätte, erscheint auf den ersten Blick erstaunlich. Er läßt sich aber dadurch erklären, daß die vom Landesherrn angestrebte und durch das Reglement von 1733 schließlich auch umgesetzte Erweiterung des Gerichts zu einer finanziellen Mehrbelastung führte, die die finanzschwache Landschaft Hoya, für die schon bei der Ausarbeitung der Oberappellationsgerichtsordnung in besonderem Maße die Finanzierungsproblematik im Vordergrund gestanden hatte,97 durch die vorgeschlagenen Änderungen zu vermeiden suchte. Der Landesherr hingegen hatte kein Interesse an einer aufwendigen und möglicherweise zeitraubenden Visitation, die unabsehbare Streitigkeiten mit den Landständen zur Folge haben konnte. Denn er konnte die angestrebten Änderungen auch ohne weiteres aus eigener Kompetenz durchsetzen.

Sitten, Rechte und Gewohnheiten am besten wissen, keine Acta auf Universitäten verschicket, noch einen Theil solches zu bitten, verstattet werden.“ 95 Th. II Tit. 12 § 14 OAGO = CCCal. II, S. 142 f. 96 Gunkel, S. 126. 97 NHStA Dep. 106, Nr. 1035; Jessen, Einfluß, S. 136.



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bb)  Verlangen der lüneburgischen Landschaft nach einer Visitation im Jahre 1780 Ein weiterer Vorschlag einer Visitation von ständischer Seite ist aus dem Jahre 1780 überliefert. Durch Reskript vom 13. Juni 177898 hatte das Geheime Ratskollegium die Voraussetzungen für die ständisch präsentierten Oberappellationsräte verschärft.99 Hiergegen gerichtete Vorstellungen der Stände blieben ohne Erfolg; das Geheime Ratskollegium bestätigte seine Anordnung durch ein erneutes Reskript vom 30. November 1779.100 Die lüneburgische Landschaft verlieh ihrer weiterhin ablehnenden Haltung in einer Vorstellung vom 19. April 1780 Ausdruck und vertrat die Auffassung, Änderungen, die die Präsentationsrechte der Landschaften beträfen, setzten ständische Beteiligung voraus und seien daher einer Visitation vorbehalten, bei der die Interessen der Stände durch Deputierte vertreten seien.101 Von Regierungsseite wurde das Verlangen nach einer Visitation weder aufgegriffen noch überhaupt beantwortet. Ein Reskript Georgs III. vom 9. Mai 1780102 bestätigte die Reskripte des Geheimen Ratskollegiums, ohne auf die Möglichkeit einer Visitation des Celler Gerichts einzugehen. Die Vorstellungen der anderen Landschaften enthalten die Forderung nach einer Visitation hingegen nicht.

cc)  Die Visitation und der einzelne Bürger – der Fall des Amtmannes Wedemeyer Am Ende des Jahrhunderts kam es erneut zum Vorschlag einer Visitation. Der Oberamtmann Wedemeyer aus Eldagsen richtete am 18. April 1792 eine Beschwerde an die Regierung wegen eines beim Oberappellationsgericht gegen die Kammer geführten Prozesses wegen Wildschäden.103 In dem Prozeß hatte Wedemeyer obsiegt. Seine Beschwerde betraf lediglich die Vollstreckung. Sie war insgesamt nicht sehr substantiiert. Die Regierung beantwortete die Beschwerde am 3. Juli 1792 mit der Mitteilung, das Nötige sei veranlaßt, und rügte einige despektierliche Wendungen Wedemeyers. Am 28. September 1792 erhob Wedemeyer in einem unbeantwortet gebliebenen weiteren Schreiben an die Regierung in Hannover die Forderung nach einer Visitation des Oberappellationsgerichts: 98 99 100 101 102 103

NHStA Dep. 7 B, Nr. 388 S. 26–27. Siehe oben S. 47 ff. NHStA Dep. 7 B, Nr. 388 S. 43–45. NHStA Dep. 106, Nr. 1040. NHStA Dep. 7 B, Nr. 388 S. 58–59. Bittschrift des Oberamtmanns Wedemeier zu Eldagsen, Annalen der leidenden Menschheit 2 (1796), 1–16; siehe auch NHStA Hann. 26, Nr. 4814.

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„Nach der Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung sollen alle 10 Jahre Visitationes ordinaria angestellt werden, wobei ein jeder der Mitbürger insgemein seine Gravamina und Syndicat-Klagen vorbringen darf. Diese Bedingung gehört also allerdings zu einer Conditione sine qua non, unter welcher das Land die Unterhaltung dieses Gerichts übernommen hat, und da nicht nur etwa der Reiche sondern auch der geringste Tagelöhner durch den Licent zu dieser Erhaltung beiträgt; so haben auch nicht nur die Landstände in corpore noch ein einzelner Landstand allein, sondern jeder Mitbürger insgemein ein Recht, auf diese Visitationen zu bestehen.“

Im Zuge der geforderten Visitation erbat Wedemeyer eine Revisionsentscheidung seines Prozesses durch die Regierung, die den Fall insgesamt an sich ziehen möge: „Am liebsten aber wäre es mir, wann Euer g. Kraft der Ihnen offenbar nach der Tribunals-Ordnung zustehenden Visitations- und Revisions-Befugnis vorläufig diese Sache allenfalls mir von Haus aus revidiren und das nötige darauf unmittelbar verfügen, auch zu dem Ende sich Acta einschicken laßen wollen. […] Geruhen nun Euer g. meinem Vorschlag ein Genüge zu thun: so bitte ich eventualiter das ganze Verfahren des Gerichts seit dem Desertorio vom 9.ten Sept: 1786 […] zu caßiren.“

Des weiteren beklagte Wedemeyer die seiner Ansicht nach willkürliche Verfahrensweise des Gerichts und die angebliche Mißachtung der Oberappellationsgerichtsordnung durch die Verfahrensweise des Reskriptsprozesses104, ohne diesen Vorwurf jedoch zu konkretisieren. An der Beschwerde Wedemeyers ist einmal bemerkenswert, daß dieser das Rechtsinstitut der Visitation nicht primär als Mittel der Justizaufsicht der Regierung sah, sondern als ein Recht aller, die zur Unterhaltung des Gerichts beitrugen, also der Stände und jedes einzelnen lizentpflichtigen Untertanen. Diese Sichtweise steht mit dem erwachenden Bürgergeist des zu Ende gehenden 18. Jahrhunderts, der auf die Aufklärung zurückzuführen war, im Einklang und entspricht nicht den politischen und staatlichen Vorstellungen der Verfasser der Oberappellationsgerichtsordnung. Diese hatten ein Mächtegleichgewicht zwischen dem Landesherrn und den Landständen herzustellen. Der einzelne Untertan war in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Weiterhin fällt auf, daß Wedemeyer ohne Begründung von der Visitations- auf die Revisionsbefugnis der Regierung schließt. Eine Kompetenz der Visitationskommission, Rechtssachen im Wege der Revision selbst zu entscheiden, war zwar an anderen Gerichten üblich.105 Mit der Oberappel104 Zum sogenannten Reskriptsprozeß und der Entscheidung durch rescriptum de emendando siehe unten S. 163 ff. 105 Vgl. oben S. 107 f.



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lationsgerichtsordnung war sie aber nicht zu vereinbaren. Die an der Angelegenheit beteiligten Stellen, das Gericht, die Landschaften Lüneburg und Hoya sowie der Oberappellationsrat von Ramdohr, gingen auf diese Frage nicht ein. Das Gericht hatte zu diesem Zeitpunkt offenbar noch keine Kenntnis von den Vorwürfen Wedemeyers.106 Ende 1795 wurden seine beiden Vorstellungen in einer revolutionären Zeitschrift abgedruckt.107 Dadurch erfuhr das Oberappellationsgericht von ihnen. Es wandte sich daraufhin an die Regierung. Mit Schreiben vom 1. Dezember 1795 erklärte es, gegen eine Visitation habe es nichts einzuwenden, die zügellosen und boshaften Beschuldigungen Wedemeyers erheischten aber dessen Verantwortlichkeit nach Th. II Tit. 19 § 3 OAGO108. Wedemeyer müsse daher zum Präjudizialtermin geladen werden, um sich über seine Beschuldigungen und eine mögliche Syndikatsklage, die zu erheben ihm unbenommen sei, zu erklären. Halte er seine Anschuldigungen aufrecht, ohne sie hinreichend begründen zu können, sei eine Strafe zu verhängen.109 Die Regierung überließ es dem Gericht, Wedemeyer vorzuladen und hinsichtlich einer Bestrafung nach Th. II Tit. 19 § 3 OAGO zu verfahren.110 Am 18. März 1796 nahm Wedemeyer zur Ladung des Gerichts, die er inzwischen erhalten hatte, Stellung. Er verlangte erneut eine Visitation und beklagte, daß sich das Gericht in diesem Fall „zum Richter in seiner eigenen Sache“ erhebe.111 Das Oberappellationsgericht verhörte Wedemeyer mehrere Tage lang vom 25. bis 28. April

106 Von Bülow/Hagemann II, S. 210. 107 Bittschrift des Oberamtmannes Wedemeier zu Eldagsen, Annalen der leidenden Menschheit 2 (1796), 1–16; aus einem Brief des Oberappellationsrats von Ramdohr an die Regierung vom 14. Dezember 1795 (NHStA Dep. 106, Nr. 1043) ergibt sich, daß die Veröffentlichung zu diesem Zeitpunkt schon erschienen war. Wedemeyer selbst hat den Abdruck wohl nicht veranlaßt, sondern jemand, dem er seine Beschwerden mitgeteilt hatte: Von Bülow/Hagemann II, S. 210; OberAmtmann Wedemeyer, Annalen der leidenden Menschheit 3 (1797), 200. 108 CCCal. II, S. 171 f.; siehe oben S. 89. 109 Das Schreiben des Gerichtskollegiums an die Regierung vom 1. Dezember 1795 ist, soweit ersichtlich, nicht erhalten. Es wird in dem bereits erwähnten (Note 106) Brief von Ramdohrs an die Regierung vom 14. Dezember 1795 (NHStA Dep. 106, Nr. 1043) zitiert. Vgl. auch von Bülow/Hagemann II, S. 210 f. 110 Der Bescheid der Regierung an das Gericht ist ohne Datum auszugsweise abgedruckt bei von Bülow/ Hagemann II, S. 211. 111 NHStA Dep. 25 B, Nr. 1054.

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1796.112 Am 25. Juni 1796113 verurteilte es ihn wegen wiederholter Schmähungen und der Veröffentlichung seiner Vorstellungen zu einer Geldstrafe von 500 Reichstalern. Gleichzeitig gab es ihm auf, eine Syndikatsklage mit stichhaltiger Begründung bei der Regierung anzubringen, damit diese in Ermangelung einer Visitation eine Kommission zur Bearbeitung der Syndikatsklage einsetzen könne.114 Wedemeyer zahlte die Geldstrafe und erklärte dem Gericht, daß er eine Syndikatsklage zu erheben und zu begründen weder willens noch imstande sei. Von dieser Erklärung benachrichtigte das Gericht die Regierung und stellte ihr anheim, weitere Maßnahmen zu treffen. Die Regierung ließ die Angelegenheit nunmehr auf sich beruhen.115 An der Diskussion um eine mögliche Visitation des Gerichts beteiligten sich auch die Landschaften Lüneburgs und Hoyas. Die lüneburgische Landschaft hielt nach den Anschuldigungen Wedemeyers „eine Visitation des Gerichts zur Wiederherstellung seines guten Rufes für erforderlich“.116 Der Landschaft Hoya teilte der von ihr präsentierte Oberappellationsrat von Ramdohr den Fall am 15. Dezember 1795 mit, damit sie auf ein Einschreiten der Regierung drängen möge: „Vielleicht erwirken wir durch diesen Vorfall eine Visitation des Gerichts, welche Sie gewiß mit mir und jedem guten Patrioten von Herzen wünschen.“117

Am 25. April 1796 richtete die Landschaft Hoya ein Schreiben an die Regierung, in dem sie erklärte, sie habe gegen eine Visitation nichts einzuwenden.118 112 Protokoll dieses Verhörs: NHStA Dep. 25 B, Nr. 1054. Vgl. Gunkel, S. 150. Gunkel schildert den Fall insofern anders, als das Gericht zunächst nichts habe unternehmen wollen, der Geheime Rat ihm aber empfohlen habe, gegen Wedemeyer vorzugehen. Wegen des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs erscheinen die übereinstimmenden Schilderungen bei von Bülow/Hagemann II, S. 211 und in einem Beitrag aus der National-Zeitung der Teutschen 1796, 1057 f. – abgedruckt in: Ober-Amtmann Wedemeyer, Annalen der leidenden Menschheit 3 (1797), 198 ff. – glaubhafter als die Darstellung Gunkels aus dem Jahre 1911, für die sich sonst keine Stütze findet. 113 NHStA Dep. 25 B, Nr. 1054. Die in dem Aufsatz der National-Zeitung der Teutschen (siehe vorige Note) genannte abweichende Datumsangabe 25. Juli ist nicht glaubhaft, da das Urteil am 12. Juli bereits in der Zeitschrift mitgeteilt wurde: Ober-Amtmann Wedemeyer, Annalen der leidenden Menschheit 3 (1797), 183. 114 Die Entscheidung ist abgedruckt in den Annalen der leidenden Menschheit 3 (1797), 186–188. Die Mitteilung des Urteils ist mit A. Z. gezeichnet und stammt möglicherweise von dem Oberappellationsrat Dietrich Christian Arnold von Zesterfleth (Gunkel, S. 470). 115 NHStA Dep. 25 B, Nr. 1054; von Bülow/Hagemann II, S. 213 Note 1. 116 NHStA Hann. 26a, Nr. 4813; Gunkel, S. 150. 117 NHStA Dep. 106, Nr. 1043. 118 NHStA Dep. 106, Nr. 1043 (Entwurf).



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Auch das Oberappellationsgericht selbst hatte bereits in seinem Schreiben an die Regierung vom 1. Dezember 1795 zum Ausdruck gebracht119, daß es einer Visitation, auf die zu dringen Wedemeyers gutes Recht sei, gern entgegensehe. Der Landesherr lehnte eine Visitation aber ab, da eine solche nicht mit dem Ansehen des Gerichts vereinbar sei.120

dd) Haltung des Gerichts zur Visitationsfrage um 1800 Einige Jahre später, 1804, berichtete der Oberappellationsrat von Bülow in seinem Werk über das Oberappellationsgericht, dieses selbst habe dem Staatsministerium gegenüber den Wunsch nach einer Visitation geäußert. Damit bezog er sich vermutlich auf das erwähnte Schreiben des Gerichts an die Regierung vom 1. Dezember 1795.121 Die Besorgnis, daß eine Visitation der Unabhängigkeit und dem Ansehen des Gerichts abträglich sein könnte, war in dessen Kollegium offenbar nicht vorherrschend. Derartige Befürchtungen sind, soweit ersichtlich, nie nach außen getragen worden. Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, daß ernsthafte Vorbehalte gegen eine Visitation in das Werk von Bülows Eingang gefunden hätten. Von Bülow ging auch der Frage nach, ob das gänzliche Unterbleiben der Visitationen im 18. Jahrhundert dem Ansehen des Gerichts im Ergebnis förderlich gewesen ist. Er ließ diese Frage unbeantwortet, gab aber zu erkennen, daß er sich, sollte dem Wunsche nach einer Visitation entsprochen werden, von dieser eine Verbesserung des gerichtlichen Verfahrens und der Oberappellationsgerichtsordnung sowie eine wünschenswerte Anpassung an die im Laufe eines Jahrhunderts veränderten Gegebenheiten verspreche.122 Dieser Fall trat aber nicht ein; auch in der weiteren Geschichte des Oberappellationsgerichts kam es nie zu einer Visitation.123

4.  Entscheidungskompetenz des Landesherrn in Rechtswegfragen a)  Allgemeines Die allgemeine Regelung der Frage, welche Streitigkeiten als Rechtssachen den Gerichten zur Entscheidung zugewiesen waren, lag in der Hand des 119 120 121 122 123

Vgl. oben S. 115 Note 109. Gunkel, S. 150. Von Bülow II, S. 438 mit Verweis auf von Bülow/Hagemann II, S. 210. Von Bülow II, S. 439. 1837 wäre wegen erheblicher Rückstände beinahe eine Visitation angeordnet worden. Statt dessen wurde 1842 ein Retardatensenat zur Aufarbeitung der rückständigen Sachen eingerichtet; Gunkel, S. 115.

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Landesherrn. Diese Kompetenz folgte aus dessen unbeschränkter Justizhoheit, von der die Gerichtsbarkeit der Territorialgerichte abgeleitet war. Zwar konnte der Landesherr den ordentlichen Rechtsweg nicht beliebig beschränken. Er war selbst in letzter Instanz den Reichsgerichten unterworfen, deren Zuständigkeit für Beschwerden wegen Rechtsverweigerung durch das unbeschränkte Appellationsprivileg nicht berührt wurde. Auch in Streitigkeiten, die den ordentlichen Gerichten entzogen und der Kammer zur Entscheidung zugewiesen waren, konnten sich die Parteien an die Reichsgerichte wenden.124 Eine Verengung des Rechtsweges war aber gleichwohl möglich,125 und der braunschweig-lüneburgische Landesherr hatte, wie das im folgenden darzustellende Beispiel der Göhrder Konstitution zeigt, auch von London aus die Macht, solche Beschränkungen gegen den Widerstand der Landstände durchzusetzen. Der Landesherr hatte aber auch im Einzelfall zu entscheiden, ob für eine Streitigkeit der ordentliche Rechtsweg eröffnet war oder ob die Sache in den Zuständigkeitsbereich der landesherrlichen Verwaltungsbehörden, insbesondere der Kammer, fiel.126 Dieses Recht des Herrschers steht inhaltlich mit seinem Recht im Zusammenhang, Einzelfälle besonderen Kommissionen oder Gerichten zuzuweisen. Einzelfallentscheidungen über die Zulässigkeit des Rechtswegs mußten solange als legitim erscheinen, wie der Landesherr auch kraft seiner Justizhoheit einzelne Rechtssachen selbst durch Machtspruch entscheiden konnte.

b)  Kameraljustiz nach der Göhrder Konstitution von 1719 Wie folgenreich die Ausübung der landesherrlichen Entscheidungsmacht über Rechtswegfragen sein konnte, wird an Hand der sogenannten Göhrder Konstitution vom 19. Oktober 1719127 sichtbar. Diese Verordnung des Landesherrn entzog alle das landesherrliche Domänenwesen betreffenden Fälle den ordentlichen Gerichten und wies sie ausschließlich der Kammer zur Entscheidung zu.128 Schon ein Edikt des damaligen calenbergischen Herzogs Georg Wilhelm vom 17. Dezember 1663129 bestimmte, daß Klagen der 124 125 126 127 128

Schmelz, S. 80 f.; Strube, Unterricht, S. 87 f. Schmelz, S. 80. Gunkel, S. 118. CCCal. II, S. 588 ff.; Abdruck bei von Meier II, S. 244 ff. Die Trennung von der Kammer zugewiesenen Policey- und Kammersachen einerseits und den Gerichten zugewiesenen Justizsachen andererseits entsprach der Justiztheorie des 18. Jahrhunderts; vgl. Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 221. 129 NHStA Dep. 106, Nr. 1801; CCCal. II, S. 591 f.; abgedruckt bei von Meier II, S. 241 f. Die wesentliche Passage des Edikts lautet: „So verordnen Wir hiermit,



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Amtsuntertanen gegen die landesherrlichen Bediensteten der Ämter wegen der jenen abgeforderten Dienstgelder und sonstiger den Ämtern zu entrichtender Prästationen und Gebührnisse allein von der Kammer zu entscheiden waren; Klagen von Prälaten, Adligen, Städten und anderen nicht Amtsunterworfenen, die die Sphäre der Ämter betrafen, sollten zunächst zur Güte vor der Kammer verhandelt und auf Antrag an das Hofgericht verwiesen werden, das nur in einem summarischen Verfahren zu entscheiden hatte. Gegen dieses Edikt hatte die calenbergische Landschaft schon damals vergeblich protestiert. Anhaltende Auseinandersetzungen zwischen der Kammer und den Gerichten beruhten auf dem Bestreben der letzteren, ihren Wirkungskreis auszudehnen, während jene Übergriffe der Gerichte in ihren Kompetenzbereich zu verhindern suchte.130 1718 gab die calenbergische Landschaft in einer Vorstellung, die an den König gerichtete desideria enthielt, ihrer Befürchtung Ausdruck, die Kammer wolle zu Lasten der ordentlichen Gerichte in die Justiz eingreifen.131 Der König forderte die Kammer hierüber unter dem 23. Dezember 1718 zu einem Bericht auf.132 In Berichten vom 19. und 20.  Januar 1719133 wies die Kammer die Beschwerden der Landschaft zurück und erklärte, seit jeher sei, was die Administration und Ökonomie der Domänen betreffe, vor der Kammer und nicht vor den Justizkollegien behandelt worden. Zugleich ersuchte sie den König um eine verbindliche Zuständigkeitsabgrenzung, um zu verhindern, daß die Justizkollegien Sachen an sich zögen, die seit alters her vor die Kammer gehörten. Ein Reskriptsentwurf vom 28. Februar 1719 versuchte die Auseinandersetzungen in der Weise beizulegen, daß der König hinsichtlich seiner Domänen das gleiche Recht haben sollte wie jeder Privatmann. Dies hätte eine

130 131 132 133

daß wann hiernächst ein oder ander von Unseren Amtsunterthanen sich wegen der ihm abgeforderten Dienst-Gelder und anderen an Unsere Aemter schuldigen Prästationen und Gebührnissen, unterm Vorwand, daß ihnen bei Ableistung vorangeregter Amtsdienste, ihre alte Gebühr an Speise und Trank nicht abgefolget, sondern darunter, wie auch sonsten, allerhand Neuerungen mit ihnen gemacht werden wollten, über Unsere Beamte, oder in Holz- und Mast-Sachen über Unsere Forst-Bediente sich zu beschweren vermeinen, und deswegen Klage einführen wollten, dieselbe allda nicht angenommen, sondern sofort an Unsere Cammer remittiret, und allda, wie von alters Herkommen ist, darunter verfahren werden soll […]“. Von Meier II, S. 243. Die desideria der calenbergischen Landschaft sind offenbar nicht erhalten; vgl. die Vorstellung der Rentkammer an den König vom 19. Januar 1719, NHStA Hann. 92, Nr. 534, S. 1 f. Dieses königliche Reskript ist ebenfalls nicht erhalten; vgl. den Bericht der Rentkammer an den König vom 20. Januar 1719, NHStA Hann. 92, Nr. 534, S. 17–27. NHStA Hann. 92, Nr. 534, S. 1–9a, 17–27; vgl. von Meier II, S. 243.

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weitgehende Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte und eine Einschränkung der Kameraljustiz bedeutet. Hiermit war der König aber nicht einverstanden. Er betonte, daß der Kammer die Autorität, die ihr durch das Edikt Georg Wilhelms von 1663 beigelegt worden war, erhalten bleiben müsse.134 Für die folgende Zeit bis zum Erlaß der Göhrder Konstitution sind keine Akten der Kammer mehr erhalten; sie sind beim Brand des Schloßflügels an der Leine, in dem die Kammer mit ihrem Archiv ihren Sitz hatte, vernichtet worden oder anderweitig verloren gegangen.135 Die lüneburgische Landschaft, deren Akten über diese Auseinandersetzungen zumindest teilweise erhalten sind, wandte sich in einer Vorstellung an den Landesherrn vom 8. März 1719 gegen die Gerichtsbarkeit der Kammer in Streitigkeiten, die die landesherrlichen Bediensteten der Ämter betrafen. Sie führte aus, daß diese Zuständigkeit den Justizkollegien zukommen müsse, und behauptete, es sei ein „in Teutschland bekandtes principium“, daß der Kammer keine Gerichtsbarkeit zustehe.136 Am 7. Oktober 1719 wiederholte sie diese Beschwerde und beklagte, ihre Vorstellung vom 8. März 1719 sei unbeantwortet geblieben.137 Auch diese Vorstellung wurde offenbar nicht beantwortet. Am 19. Oktober 1719 erließ Georg I. die sogenannte Göhrder Konstitution138 und nahm damit eine eindeutige Zuständigkeitsabgrenzung zwischen der Kammer und den Justizkollegien vor. Fortan sollten alle Streitigkeiten im Bereich des landesherrlichen Domänenwesens der ausschließlichen Entscheidungsgewalt der Kammer zugewiesen sein.139 Jeder Prozeß vor den or134 135 136 137 138 139





Von Meier II, S. 243. Von Meier II, S. 244. NHStA Celle Br. 47, Nr. 88/1, S. 69–73. NHStA Celle Br. 47, Nr. 88/1, S. 224–230; zur Datierung vgl. Dep. 106, Nr. 1801. CCCal. II, S. 588 ff.; abgedruckt bei von Meier II, S. 244–246. „So declariren Wir […], daß die Administration und Oeconomie Unserer Domainen, und was dahin einschläget, blos und allein von Unser Rent-Cammer respiciret, und es desfals bey den bisherigen Reglements und Verordnungen sein Bewenden behalten solle. Absonderlich lassen Wir es dabey, daß die Bestell- und Absetzung der Beamte, und anderer Bedienten, welche bey Unser Cammer bestellet werden, nach wie vor bey Unser Cammer zu tractiren, und dagegen kein Process zu verstatten sey; es wäre dann, daß ein Bedienter cum infamie abzusetzen, oder noch außerdem zu bestraffen […]. Es bleibet ferner Unser Cammer nach der bisherigen observantz eintzig und allein bevor, Unsere Domainen nach denen bisherigen von Uns approbirten Verordnungen und Principiis zu administriren und zu verpachten, und soll dagegen kein Process verstattet werden. Wir lassen es nicht minder in Gnaden dabey bewenden, daß, wann Unterthanen, über welche Unsern Aemtern die Guts-Herrschafft zustehet, abzumeyern, und wegen Besetzung der Uns ratione der Guts-Herrschafft zustehender höfe etwas



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dentlichen Gerichten war damit ausgeschlossen. Dies betraf insbesondere die Verhältnisse der landesherrlichen Bediensteten der Ämter, die Besetzung landesherrlicher Höfe und den Umfang der Dienstpflichten. Den ordentlichen Gerichten verblieb die Zuständigkeit lediglich in Fällen, in denen streitig war, ob die Grundherrschaft der Kammer oder Dienstpflichten gegenüber den Ämtern überhaupt bestanden.140 Georg I. berief sich zwar auf das Edikt Georg Wilhelms vom 17. Dezember 1663, ging inhaltlich über dieses aber deutlich hinaus.141 Die Göhrder Konstitution rief erbitterte Proteste der Landstände hervor142 Diese konnten sich gegen die vom Landesherrn angeordnete Kammerzuständigkeit aber nicht durchsetzen. Durch Reskript vom 4. Juli 1735143 bestätigte Georg II. die Zuständigkeit der Kammer nach der Göhrder Konstitution. Noch 1763 war sie Gegenstand landschaftlicher Vorstellungen.144 Die Stände konnten mit ihren diesbezüglichen Beschwerden zu keiner Zeit auch nur teilweise Erfolge verzeichnen. zu verfügen, solches nach Unsern vorhin ergangenen Verordnungen bey Unser Cammer zu tractiren, ohne daß dagegen einiger Process zu verstatten. Es bleibet weiter dabey, daß, wann in Dienst-Sachen, absonderlich de modo servitiorum, […] Klagten und Beschwerden geführet werden, dieselbe nach der […] unterm 17. Decembr. 1663 abgelassenen Verordnung, […] bey Unser Cammer untersuchet und abgethan werden sollen. Fals aber jemand zu behaupten vermeynet, daß er gantz und gar keine Dienste zu leisten schuldig sey, und es also nicht blos auf den Modum, sondern darauf ankommt: ob einer Dienste in natura zu leisten schuldig sey oder nicht? sodann bleibet demselben bevor, solches vor Unsern Justitz-Collegiis zu Recht auszumachen. Als auch bishero, von denen auf den Land-Gerichten dictirten Straffen zu appelliren, nicht verstattet worden, es wäre dann, daß Unsere Aemter und Beamte intendiret, einem Tertio durch Bestraffung auf den Land-Gerichten, sein Recht zu nehmen, […] so ist Unser gnädigster Wille, daß es auch hierinnen bey obigem sein Verbleiben behalten, und außer angeführten Fällen von den dictirten LandGerichts-Straffen, keine Appellation zugestanden werden solle.“ = CCCal. II, S. 589 f. 140 Von Bülow/Hagemann IV, S. 125 ff.; von Meier II, S. 246 f. 141 Von Meier II, S. 246. 142 Vorstellung der calenbergischen Landschaft vom 6. Mai 1720, NHStA Dep. 106, Nr. 1801; Vorstellung der lüneburgischen Landschaft vom 30. Oktober 1720, NHStA Celle Br. 47, Nr. 88/1, S. 220; Vorstellung der Landschaft Hoya vom 2.  Juni 1722, NHStA Dep. 106, Nr. 1801; weitere Beschwerden der lüneburgischen Landschaft von 1722 und 1729 werden bei von Meier II, S. 248 erwähnt. 143 NHStA Hann. 92, Nr. 428 enthält die entsprechenden Reskripte an die Hannoverschen und Celleschen Justizbehörden sowie Reskripte an die Regierung des Herzogtums Lauenburg und den Geheimen Rat von Münchhausen zu Stade vom 2. August 1735. 144 E. L. von Lenthe, Archiv I, S. 8–44.

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In der gerichtlichen Praxis stellten sich Auseinandersetzungen um die Göhrder Konstitution hingegen weniger spektakulär dar. Ein Beispiel bildet ein Rechtsstreit aus dem Herzogtum Lauenburg, der das Oberappellationsgericht in den Jahren 1778 und 1781 beschäftigte.145 Der Tagelöhner Wenck aus Breitenfelde nahm für sich die Erbfolge in ein Gehöft des Onkels seiner Ehefrau in Anspruch, der ohne Testament verstorben war. Eine erste Appellation gegen eine Entscheidung der Regierung zu Ratzeburg wies das Oberappellationsgericht ab, da die Freiheit des Eigentums von der landesherrlichen Domänenherrschaft nicht nachgewiesen und daher die Kammer in Hannover zuständig sei. Nunmehr wandte sich Wenck an das Amt Ratzeburg. Dieses möge die Sache untersuchen und an die Kammer berichten. Zur Begründung führte er an, daß dem bisherigen Verfahren unwahrer Tatsachenvortrag der Gegenseite sowie eine falsche Ehestiftung zugrunde liege. Zum Beweis beantragte er die Vernehmung von zehn Zeugen. Das Amt berichtete der Kammer, und diese lehnte die Zeugenvernehmung ab. Hiergegen wandte sich Wenck mit der Beschwerde wegen Rechtsverweigerung an das Oberappellationsgericht. Er räumte ein, daß die Besetzung pflichtiger Höfe nach der Göhrder Konstitution der Kammer obliege. Der streitgegenständliche Hof sei aber kein eigentlicher Meierhof, da der Erblasser ihn von seinem Vater gekauft habe. Auch könne die Göhrder Konstitution nicht die Absicht haben, rechtmäßige dienstfähige Erben zu verstoßen. In der Begründung des Rechtsmittels gab Wenck seinem Vertrauen Ausdruck, „daß Ew. Königl. Majestät. Gerechtigkeit liebendes und Gerechtigkeit ausübendes Höchstes Tribunal, nach gnädigst erwogenen anliegenden Beweiß Artikeln, nicht zu geben werde, daß man uns, als rechtmäßige Erben, verstoße“. Das Gericht entschied daraufhin im Sinne der Göhrder Konstitution, ohne sich inhaltlich mit der Sache auseinanderzusetzen, „daß dem, die Besetzung eines CammerMeyer-Hofes betreffenden, folglich anhero nicht gehörigen Suchen, nicht zu deferiren.“ Durch die Göhrder Konstitution beschnitt Georg I. den Zuständigkeitsbereich der ordentlichen Gerichte und dehnte denjenigen der Kammer aus. Diese Zuständigkeitsverschiebung betraf die Abgrenzung von Justizsachen einerseits und den Gerichten entzogenen „Policeysachen“ andererseits. Letztere wurden im Staatsdenken des 18. Jahrhunderts nicht den Justiz- sachen zugeordnet, sondern fielen in die alleinige Kompetenz des Landesherrn und seiner Regierung. Zur „Policey“ wurde dabei alles gezählt, was für die Herstellung oder Aufrechterhaltung eines Zustands der guten Ordnung erforderlich war. „Policeysachen“ waren insbesondere alle Angelegenheiten der inneren Verwaltung wie die Landwirtschaft der landesherrlichen Domänen, die Jagd, Fischerei, Bergbau sowie Handwerke und 145 LS Abt. 216, Nrn. 1139, 1140.



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Künste.146 Die Frage, ob eine Justiz- oder eine Policeysache vorlag, war auch im Einzelfall nicht justitiabel. Dies unterscheidet die absolutistisch geprägte Staatlichkeit in den Territorien vom Reich. Denn auf Reichsebene entschied das Reichskammergericht, ob eine Sache im Einzelfall eine nicht justitiable „Policeysache“ oder eine Justizsache sei. Es betrachtete jede Sache, die wohlerworbene Rechte betraf, als Justizsache, so daß nur wenige Fälle als „Policeysachen“ nicht justitiabel waren.147 Zwar protestierten die Stände gegen die Neuregelung, da sie auf die Tätigkeit der Kammer keinen Einfluß hatten und durch die Göhrder Konstitution mithin einen Machtverlust befürchteten. Daß der Kammer keine Gerichtsbarkeit zustehe, kann aber nicht als ein „in Teutschland bekandtes principium“ gelten. Die Gerichtsbarkeit landesherrlicher Kammern ist vielmehr kennzeichnend für die Staats- und Behördenpraxis im 18. Jahrhundert.148 Sie beruht auf dem Grundsatz, daß nur Streitigkeiten der Untertanen, die die Individualrechtssphäre betrafen, als Justizsachen vor die ordentlichen Gerichte gehörten. Angelegenheiten, die das landesherrliche Interesse berührten, waren als „Policeysachen“ weitgehend nicht justitiabel.149 Diese Abgrenzung diente dem Schutz des entstehenden Staates vor sachfremden und damit den Staatszweck gefährdenden Entscheidungen der Gerichte und der Erweiterung des landesherrlichen Machtbereiches auf Kosten der hergebrachten ständischen Gewalten.150

146 Maier, Art. Polizei, HRG III, Sp. 1803; vgl. Pahlow, S. 39 ff. 147 Sailer, Selbstverständnis, S. 15 f. 148 Hoke, Art. Kammer, HRG II, Sp. 572; Maier, Art. Polizei, HRG III, Sp. 1801; Ogorek, Aufklärung II, S.  29 ff.; Pahlow, S. 27 ff., 94; Schmelz, S. 85 ff. Das preußische Justizressortreglement vom 19. Juni 1749 entzog die iura cameralia et fiscalia der ordentlichen Gerichtsbarkeit und wies sie der alleinigen Zuständigkeit der Kriegs- und Domänenkammern zu; Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 221. 149 Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 223 f.; Schmelz, S. 38; Seeger, S. 105 ff. 150 Schmelz, S. 85.

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VII.  Das Oberappellationsgericht im vormodernen Fürstenstaat – Ursachen und Bewertung seiner Rechtsstellung 1.  Bedeutung fürstlicher Herrschaft für die Gerichtsverfassung a)  Verfassungsentwicklung in Braunschweig-Lüneburg Die Gründung des Oberappellationsgerichts fällt in die Epoche der Frühen Neuzeit, die als Schnittmenge zwischen mittelalterlichen Herrschaftsverhältnissen und moderner Staatlichkeit die entscheidende Phase im deutschen und europäischen Staatsbildungsprozeß war.1 Der Übergang vom ständisch geprägten Feudalstaat zum zentral organisierten Staat des 18. Jahrhunderts führte schließlich zum modernen Staat2. Dieser Prozeß ging in Braunschweig-Lüneburg mit einem steilen Aufstieg des Welfenhauses einher. Die besondere Situation der Personalunion mit England beeinflußte ihn zusätzlich. Da Recht und Justiz maßgebliche Faktoren bei der Ausprägung staatlicher Herrschaft sind,3 setzt eine Bewertung der Gründung des Oberappellationsgerichts und seiner Stellung in Staat und Gesellschaft eine Charakterisierung der staatlichen Herrschaftsverhältnisse voraus. Der Gründung des Celler Gerichts kann dabei politische Bedeutung beigemessen werden, denn in ihr fand „das Selbstbewußtsein eines aufstrebenden jungen Staates seinen Ausdruck“4. Die These, daß die Gründung des Oberappellationsgerichts mit dem von politischen und gesellschaftlichen Gegensätzen geprägten Höhepunkt des absoluten Fürstenstaates zusammenfalle,5 kann dabei nicht unreflektiert übernommen werden. Das Phänomen „Absolutismus“ verlangt wegen seiner Vielschichtigkeit eine differenzierende Betrachtung der territorialstaatlichen Macht- und Herrschaftsverhältnisse.6 Dies 1 Reinhard, Probleme, S. 89. 2 Vom modernen Staat kann etwa ab Mitte des 18. Jahrhunderts gesprochen werden; Willoweit, Art. Staat, HRG IV, Sp. 1793; vgl. auch Conze, Art. Staat und Souveränität, Geschichtliche Grundbegriffe VI, S. 6 Note 3 m. w. N.; Oestreich, Die verfassungspolitische Situation, S. 275; Wyduckel, S. 30 ff. Zur Bedeutung der modernen Staatlichkeit für rechtshistorische Entwicklungen Oestmann, in: Rückert/ Vortmann, S. XVII f. 3 Vgl. Müssig, Höchstgerichte, S. 47 f.; dies., Recht und Justizhoheit, S. 337; Reinhard, Geschichte, S. 281 f. 4 Franzki, 275 Jahre, S. 16. 5 Lühr, S. 1. 6 Trotz zahlreicher kritischer Stimmen im neueren Schrifttum – Duchhardt, HZ 258 (1994), 113 ff.; ders., Barock, S. 40; Henshall; Hinrichs, Abschied, S. 361 f.; ders., Fürsten und Mächte; Reinhard, Geschichte, S. 51 – sollte der Absolutismus als historisch-politische Kategorie nicht aufgegeben werden. Dabei ist jedoch zu be-



Ursachen und Bewertung

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gilt für die Welfenlande in besonderem Maße. Denn durch den politischen Bedeutungszuwachs, der insbesondere in dem Erwerb der Kurwürde 1692,7 der Vereinigung der bisherigen Landesteile Lüneburg und Calenberg-Grubenhagen 1705,8 der 1718 nach langjährigen Bemühungen erreichten Verleihung des unbeschränkten Appellationsprivilegs9 und der 1714 begonnenen, bis 1837 währenden Personalunion mit England10 zum Ausdruck kam, nahm das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg eine Sonderstellung unter den frühneuzeitlichen Territorialstaaten des Alten Reiches ein. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts versuchten die braunschweiglüneburgischen Herzöge nicht ohne Erfolg, die absolutistischen Tendenzen der Zeit zur Maxime ihrer Herrschaft zu erheben. Grundlage der Regentschaft Johann Friedrichs11 im Herzogtum Calenberg war der Anspruch auf die unbeschränkte Landeshoheit.12 So sah sich Johann Friedrich selbst als „Kaiser in seinem Lande“.13 Wie in anderen Territorien des Reiches14 gelang es den Landesherren in den Jahrzehnten nach dem Dreißigjährigen Krieg, ihre Stellung erheblich zu stärken. Der Herrschaftsanspruch des Fürsten wurde durch die Landeshoheit in weltlichen und geistlichen Angelegenheiten (superioritas territorialis) gestärkt, die die Territorialherren auf den Westfälischen Frieden stützen konnten.15 Zur Machtkonzentration in der Hand

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rücksichtigen, daß der frühneuzeitliche Fürstenstaat die ständischen Gewalten nicht gänzlich beseitigte, sondern sich vom Ständestaat in der Regel nur durch eine graduelle Abstufung unterschied. So war der absolutistische Staat der Frühen Neuzeit fast stets eine Synthese moderner zentralistischer Fürstenmacht und verbleibenden Eigengewichts der ständischen Gewalten, ohne daß es zu einem Bruch mit dem hergebrachten Ständestaat gekommen wäre; Seif, Art. Absolutismus, HRG I, 2. Auflage, Sp. 36. Vgl. zum Zusammenhang zwischen dem Absolutismuskonzept und der höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich Westphal, Reichshofrat, S. 118 ff. Kotulla, Verfassungsgeschichte, Rdnrn. 546 ff.; Neuhaus, in: ders., Deutsche Geschichte V, S. 80 f. Vgl. auch die oben S. 18 Note 13 angeführte Literatur sowie Treuer, S. 305 ff. Siehe oben S. 18 Note 12. Jessen, Einfluß, S. 46 ff. Siehe oben S. 17 ff. Georg Ludwig, Sohn Sophies von der Pfalz, einer Enkelin Jakobs I. von England, bestieg 1714 als Georg I. den englischen Thron. Die Grundlage dafür war der Act of Settlement von 1701 = Willoweit/Seif, S. 117 ff.; vgl. Kotulla, Verfassungsgeschichte, Rdnrn. 632 f.; ausführliche Darstellung der Vorgeschichte: Schnath IV. Johann Friedrich (1625–1679), Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, seit 1665 Fürst des Fürstentums Calenberg. Von Stieglitz, S. 240; vgl. Köcher II, S. 3 ff. Schnath I, S. 38. Allgemein Esser, ZNR 23 (2001), 181. Art. V § 30 IPO = Müller, Instrumenta, S. 36, 123 f., und Art. VIII § 1 IPO = ebenda, S. 47 f., 134; vgl. Sellert, Art. Landeshoheit, HRG II, Sp. 1389 f.

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des Fürsten trug in Braunschweig-Lüneburg wie in anderen Territorien des Reiches der Aufbau eines zentralistisch organisierten Behördenapparates bei, an dessen Spitze der Geheime Rat stand.16 Diese Entwicklung schwächte die Stellung der Stände. An die Stelle der hergebrachten Landtage traten ständische Ausschüsse, denen gegenüber der Landesherr seine Forderungen leichter und ohne großen organisatorischen Aufwand durchsetzen konnte.17 Die Rechte der Landstände galten fortan nicht mehr als ursprünglich (iure proprio), sondern als vom Landesherrn verliehen (ex concessione principis).18 Zwar wurden die ständischen Mitwirkungsrechte nicht gänzlich verdrängt. Dies vermochte der Absolutismus aber auch in anderen vormodernen Staaten kaum jemals;19 es spricht deshalb nicht gegen die Ausprägung absoluter fürstlicher Herrschaft in Braunschweig-Lüneburg. In der Außenpolitik, im Heerwesen und in der Entscheidung über Krieg und Frieden verloren die braunschweig-lüneburgischen Landstände ihren Einfluß gänzlich. In der inneren Verwaltung und der „Policey“, die ein Ordnungsinstrument landesherrlicher Macht im Innern und als solches ein Merkmal der frühneuzeitlichen Staatsgewalt war,20 büßten sie ihn weitgehend ebenfalls ein.21 Wie in anderen absolutistisch regierten Ländern22 konn16 Die Behördenstruktur des Regierungsreglements von 1680 (abgedruckt bei Schnath I, S. 688 ff.) blieb das ganze 18. Jahrhundert hindurch weitgehend unverändert; Conrady, NdsJbLG 39 (1967), 156; Moser, Einleitung, S. 508 ff.; vgl. allgemein Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 220 f.; Ogorek, Aufklärung II, S. 26 f.: Die Ausbildung der landesherrlichen Zentralverwaltung, die auch die Justiz an sich zog, war grundlegend für die Etablierung der umfassenden Territorialgewalt. Siehe auch Burkhardt, S. 172 ff.; Oestreich, Regiment, S. 233. 17 Van den Heuvel, S. 177; Köcher II, S. 9 ff. Daß an die Stelle der Landtage ständische Ausschüsse traten, ist eine allgemeine Entwicklung der Territorien in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts; vgl. Vierhaus, S. 80; Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 23 IV. 18 Von Stieglitz, S. 240 ff.; Storch, S. 25 f. 19 Kotulla, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 943; Seif, Art. Absolutismus, HRG I, 2. Auflage, Sp. 34; Reinhard, Geschichte, S. 50: Real existierenden Absolutismus in Reinkultur habe es nur im Skandinavien des 17. Jahrhunderts gegeben. Hinrichs, Fürsten und Mächte, S. 235 nennt neben Dänemark und Schweden auch einige kleinere deutsche Reichsstände, die den Absolutismus kompromißlos verwirklicht hätten. Vgl. Wehler I, S. 338: „Absolutismus – das blieb gerade im Alten Reich eher Tendenz, als daß es je volle Realität wurde.“ Wyduckel, S. 16 ff. Zur Bedeutung intermediärer Gewalten im Zeitalter des Absolutismus Willoweit, Struktur, S. 9 ff. 20 Vgl. allgemein Seif, Art. Absolutismus, HRG I, 2. Auflage, Sp. 33. 21 Schnath II, S. 334. 22 Von den absoluten Monarchien konnten nur Dänemark und Schweden das ständische Steuerbewilligungsrecht beseitigen; Reinhard, Geschichte, S. 221. Vgl. Mohnhaupt, Potestas legislatoria, S. 192.



Ursachen und Bewertung

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ten sie indes ihr Steuerbewilligungsrecht23 bewahren. Darauf beruhte ihre verbleibende beschränkte Beteiligung an der Regierung. Zwar band Georg Ludwig die Stände ab der Jahrhundertwende wieder vermehrt in seine Regierung ein.24 Inhaltlich gaben sie den Steuerforderungen des Landesherrn aber stets nach und konnten kaum noch eine eigenständige Gewalt neben diesem behaupten.25 So wurden die ständischen Ausschüsse faktisch zu „gefügigen Organen im Dienste der Landesherrschaft“26. Da die Stände nicht mehr als gleichberechtigte Herrschaftsträger neben dem Landesherrn standen, trat dessen befehlender Wille an die Stelle früherer vertragsähnlicher Vereinbarungen zwischen dem Landesherrn und den Ständen.27 Die verbreitete Ansicht, in Braunschweig-Lüneburg habe sich der fürstliche Absolutismus nicht durchsetzen können, sondern die Stände hätten vielmehr ihre alten Rechte und ihre starke Stellung gegenüber dem Landesherrn bewahrt,28 stellt die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse unzutreffend dar und geht an der historischen Wirklichkeit vorbei. Seit 1714 waren die braunschweig-lüneburgischen Kurfürsten zugleich in Personalunion Könige von Großbritannien und weilten wegen ihrer Residenzpflichten in London dauerhaft außer Landes. Ein persönliches Regiment des Landesherrn war so nur noch eingeschränkt möglich.29 Daher übertrug 23 Das Steuerbewilligungsrecht der Landstände als lokaler Herrschaftsträger beruhte auf der ursprünglichen Freiwilligkeit der Steuern (Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 23 II 2). Die Landesherren waren auf die Zusammenarbeit mit den meist adligen Lokalgewalten und die ständische Bewilligung von Steuern angewiesen, da sie ihre finanziellen Forderungen nicht aus eigener Macht durchsetzen konnten, solange es weder eine alle Ebenen von Staat und Gesellschaft erfassende Verwaltung noch überhaupt eine homogene Staatlichkeit gab; Müssig, Forschungsaufgaben, S. 212; Reinhard, Geschichte, S. 217; vgl. Wehler I, S. 227 f. 24 Storch, S. 141. Die Beteiligung der Stände an der Regierung war nicht nur eine Machtfrage, sondern auch ein Aspekt politischer Opportunität, der eine allgemeinverbindliche Regelbildung nicht zuläßt; Mohnhaupt, Potestas legislatoria, S. 199. 25 Van den Heuvel, S. 178. 26 Van den Heuvel, S. 179. 27 Zum Vertragscharakter der ursprünglichen Landtagsabschiede, der auf die aus dem Mittelalter stammende lehnsrechtliche Bindung zwischen dem Vasallen und seinem Herrn zurückging, vgl. Brunner, S. 426 ff.; von Reden-Dohna, Art. Landständische Verfassungen, HRG II, Sp.  1582. Zum Vertragscharakter der Reichstagsabschiede Stolleis, Respublica, S. 24. 28 Haase, S. 13; Schnath II, S.  337; Schubert, in: Hucker/Schubert/Weisbrod (Hrsg.), S. 242 f.; in dieser Richtung auch Stollberg-Rilinger, Vormünder, S. 25. Vgl. schon Michaelis I, S. 85, der im Jahre 1768 von der „Verfassung der Hannöverischen Länder, wo die Landesstände noch ihre alten Rechte haben“, sprach. Weitere Nachweise aus justizgeschichtlicher Sicht bei Miersch, S. 203. 29 Vgl. Vierhaus, S. 75.

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Georg I. umfangreiche Regierungskompetenzen dem in Hannover verbleibenden Geheimen Rat,30 der fortan weitgehende Selbständigkeit in der Regierung innehatte und so einen character repraesentationis principis31 erlangte. Die Regentschaft gab der Landesherr gleichwohl nicht aus der Hand, denn er behielt sich neben der Entscheidung wichtiger Angelegenheiten32 auch das Recht vor, die Staatsdiener zu ernennen; dieses Recht bildete im frühneuzeitlichen Fürstenstaat einen Schwerpunkt landesherrlicher Gewalt.33 Die verbindlichen Richtlinien der Politik wurden damit weiterhin nicht von den hannoverschen Geheimen Räten, sondern vom König und seiner deutschen Kanzlei in London bestimmt.34 Zugleich wurde Braunschweig-Lüneburg aber durch die Personalunion faktisch zu einem Nebenland Großbritanniens und damit von diesem in gewissem Maße abhängig.35 Trotz harter Auseinandersetzungen in sachlichen Fragen entwickelte sich eine im wesentlichen gute Zusammenarbeit zwischen den Ausschüssen der Landschaften und dem Geheimen Rat, der sich aus Adel und führendem Staatspatriziat zusammensetzte.36 Das so entstandene ständisch geprägte Adelsregiment37 war für die politischen Verhältnisse in den Kurlanden während des ganzen 18. Jahrhunderts bestimmend.38 Die Personalunion mit England und die starke Stellung des Geheimen Rates änderten aber nichts an der grundsätzlichen absolutistischen Legitimierung der fürstlichen Herrschaft. Obwohl es zahlreiche personelle Überschneidungen zwischen den Ständevertretern und den Räten des Landesherrn gab, war das Geheime Ratskollegium ein vom Herrscher abhängiges Gremium der Zentralverwaltung, die wesentlich zur Festigung fürstlicher Herrschaft beitrug.

30 Regierungsreglement von 1714 = Drögereit, S. 5–15. Zum Geheimen Rat vgl. von Münchhausen, S. 279 ff. 31 Von Meier I, S. 165; vgl. auch Kruse, S. 29. 32 Insbesondere behielt der Landesherr die Kontrolle über die Kammer, die Grundzüge der Außenpolitik, die Kriegskanzlei und das militärische Kommando; Kruse, in: Bei der Wieden I, S. 305 f. 33 Conrady, NdsJbLG 39 (1967), 158. 34 Oberschelp, Politische Geschichte, S. 4; Richter-Uhlig, S. 13 f. Georg I. hatte die Absicht, die Regierung der Kurlande von London aus in der gleichen Intensität zu führen wie vordem in Hannover. Zudem war er ursprünglich der Hoffnung, nach einer Zeit des Übergangs wieder regelmäßig in Hannover residieren zu können; Grieser, Kanzlei, S. 155. Letztgenannte Absicht ließ sich indes nicht verwirklichen. 35 Vgl. Press, Kurhannover, S. 57 f. 36 Kruse, in: Bei der Wieden I, S. 306. 37 Conrady, NdsJbLG 39 (1967), 156; vgl. Vierhaus, S. 79. 38 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 234; Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 23 IV.



Ursachen und Bewertung

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b)  Die Landeshoheit als Kernbestand frühneuzeitlicher Territorialherrschaft Im Mittelpunkt der frühneuzeitlichen Territorialherrschaft stand die Landeshoheit39 des Herrschers. Die Landeshoheit hat sich in den einzelnen Territorien im Zuge der Verselbständigung vom Reich auf unterschiedliche Weise aus den einzelnen Rechten der Landesherrschaft entwickelt.40 Spätestens mit dem Westfälischen Frieden stand den Territorialherren durch die Garantie der superioritas territorialis41 die Landeshoheit als umfassende Gesamtheit ihrer Herrschaftsrechte in weltlichen und geistlichen Angelegenheiten zu. Sie war nicht mehr von bestimmten Rechten und dem Besitz spezifischer Institutionen des Verfassungsrechts abhängig, sondern entwickelte sich zu einer eigenen, nicht von der Reichsgewalt abgeleiteten Rechtsquelle,42 die den Territorialherren eine nahezu souveräne Stellung im Reichsverband43 gab. So ebnete die Landeshoheit den Weg sowohl zum Herrschaftsverständnis absoluter Fürsten44 als auch zur modernen Staatlichkeit in den Territorien, die zunehmend von den jeweiligen Herrschaftsinhabern abstrahiert und als anstaltliches Gebilde, als eine auf Dauer angelegte rechtliche Organisation betrachtet wurde.45 Diese Entwicklung stärkte nicht nur die Stellung der Territorien im Reich, sondern auch die Macht der Landesherren im Innern und gab diesen die Möglichkeit, ständische Mitwirkungsrechte

39 Während die Schriftsteller des 17. Jahrhunderts meistens von der landesfürstlichen Obrigkeit als Inhaber der superioritas territorialis sprachen, entwickelte sich der Begriff der Landeshoheit aus der Zusammenfassung der iura maiestatis, der Summe der umfassenden und das ganze Territorium unterwerfenden höchsten Herrschaftsrechte; Willoweit, Rechtsgrundlagen, S. 170 ff. 40 Vgl. Brunner, S. 165 ff. 41 Art. V § 30 IPO = Müller, Instrumenta, S. 36, 123 f., und Art. VIII § 1 IPO = ebenda, S. 47 f., 134; vgl. Sellert, Art. Landeshoheit, HRG II, Sp. 1389 f. 42 Sellert, Art. Landeshoheit, HRG II, Sp. 1389; Willoweit, Rechtsgrundlagen, S. 123, 132 f. 43 Souveränität im Sinne einer obersten, keiner anderen Herrschaft unterworfenen Gewalt konnte freilich nur dem Reich, nicht den Territorialherren zukommen. Insofern stand die superioritas territorialis im Widerspruch zur Reichsgewalt; Willoweit, Rechtsgrundlagen, S. 138 ff. Auch das staatsrechtliche Schrifttum des absolutistischen Zeitalters sah im Westfälischen Frieden weitgehend zwar eine Bestätigung der superioritas territorialis, nicht aber eine Gewährung der Souveränität; ebenda, S. 158, 165 ff., vgl. jedoch zu anderslautenden Stimmen S. 162 ff. 44 Willoweit, Rechtsgrundlagen, S. 133. 45 Buschmann, Heiliges Römisches Reich, S. 37; Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 17 I; vgl. zu Struktur und Charakter vormoderner staatlicher Gebilde Brunner, S. 236.

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massiv einzuschränken.46 Gleichwohl galt die Landeshoheit nicht als ursprüngliche Quelle aller anderen Herrschaftsrechte, sondern wurde erst durch die Summe der einzelnen Herrschaftsrechte begründet; nur wenn einem Landesherrn diese nachweisbar zustanden, galt er auch als Inhaber der superioritas territorialis.47 Im Laufe des Entwicklungsprozesses, der aus den einzelnen Rechten der Landesherrschaft die Landeshoheit entstehen ließ, vollzog sich ein entscheidender Wandel in der Bedeutung der Gerichtsbarkeit als Herrschaftsrecht. Solange das Recht in der mittelalterlichen Tradition als unveränderlich galt, war die Gerichtsbarkeit der Mittelpunkt der differenzierten Herrschaftsverhältnisse im Ständestaat.48 Sie war nicht personenbezogen gedacht, sondern haftete der Herrschaft über Grund und Boden an.49 So waren Jurisdiktionsrechte der Ausgangspunkt der Territorialherrschaft.50 Da Recht durch Rechtsfindung, durch die Fortentwicklung bestehenden Rechts und durch richterliche Entscheidungen entstand, galt die Gesetzgebung nur als untergeordneter Bestandteil der Gerichtsbarkeit.51 Obwohl die Gerichtsgewalt der Landesherren maßgeblich für die Entwicklung der Landeshoheit und der 46 Van den Heuvel, S. 176; von Stieglitz, S. 8; vgl. Willoweit, Rechtsgrundlagen, S. 147. 47 Willoweit, Rechtsgrundlagen, S. 178 ff. Diese Herleitung der Landeshoheit aus der Summe einzelner Herrschaftsrechte stand bis ins 18. Jahrhundert der Begründung einer umfassenden homogenen Staatlichkeit entgegen. 48 Mohnhaupt, Potestas legislatoria, S. 189 f.; ders., Raumbeherrschung, S. 161; Müssig, Forschungsaufgaben, S. 203; dies., Recht und Justizhoheit, S. 218. Vgl. Sachsenspiegel Landrecht I 1, hrsg. von Ebel, S. 29: „Zwei swert liz got in ertriche zu beschermene die kristenheit. Dem pabiste daz geistliche, deme koninge daz wertliche. Deme pabiste ist ouch gesatzt zu ritene zu bescheidener zit uf einem blanken pherde, unde der keiser sal im den stegereif halden, durch daz der satel nicht umme wanke. Diz ist de bescheidunge: waz deme pabiste widerstat, daz her mit geistlichem gerichte nicht getwingen mag, daz ez der keiser mit wertlichem gerichte betwinge, deme pabiste gehorsam zu wesene. So sal ouch die geistliche gewalt helfen deme wertlichen rechte, ab man ez bedarf.“ Roellecke, Richterliche Gewalt, S. 2: „Schwert und Gericht machten den Herrscher aus. Der Kampf um politischen Einfluß war Kampf um Gerichtsbarkeit, nicht um Gesetzgebung.“ 49 Dieser Grundsatz beruht auf der auf Bartolus zurückgehenden legistischen Rechtstheorie: „ […] si cui concedatur castrum, intelligitur etiam concessa iurisdictio castro adhaerens, et est iurisdictio adhaerens territorio omnis iurisdictio ordinaria.“ Bartolus, zitiert nach Mohnhaupt, Raumbeherrschung, S. 161; vgl. Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 218; Willoweit, Rechtsgrundlagen, S. 23 ff. 50 Brunner, S. 231 ff.; Stolleis, Geschichte I, S. 156 ff.; Willoweit, Rechtsgrundlagen, S. 34: „Wer in einem Territorium Jurisdiktionsrechte ausübt, muß diese entweder auf den Territorialherrn zurückführen können oder er übt volle Territorialgewalt als Inhaber eines eigenen Territoriums aus.“ 51 Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 219.



Ursachen und Bewertung

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Territorialstaaten war,52 vollzog sich unter den Herrschaftsrechten allmählich eine Schwerpunktverschiebung von der Gerichtsbarkeit zur Gesetzgebung: Im gleichen Maße, in dem der Staat in der Frühen Neuzeit vermehrt als rationaler Mechanismus galt,53 wurde das Recht als veränderbar begriffen, und die Gesetzgebung rückte in das Zentrum der Herrschaftsausübung.54 Seit dem 17. Jahrhundert wurde die Rechtsprechung (iurisdictio) scharf von der Herrschaftsgewalt (imperium) unterschieden.55 Auch der zunehmende Regelungsbedarf zur Aufrechterhaltung der guten Ordnung in einer Zeit, in der die hergebrachte lokal-ständische Rechtsordnung – nicht zuletzt als Folge des Dreißigjährigen Krieges – ins Wanken geriet, ermöglichte die Ausprägung des landesherrlichen Gesetzgebungsrechts. Die Macht des Landesherrn, generell-verbindliche abstrakte Regelungen zu erlassen, trug zum schwindenden Einfluß der Stände bei.56 Als Annex der Gesetzgebung wurde die Rechtsprechung in die landesherrliche Zentralverwaltung eingegliedert, in der der vormoderne Staat seine Ausprägung fand.57 Trotz dieser Akzentverschiebung blieb die Justizhoheit ein zentraler Bestandteil der Landeshoheit.58 Sie galt als umfassendes und originäres Majestätsrecht, kraft dessen der Landesherr oberster Herr jeder Gerichtsbarkeit war.59 Die Justizhoheit umfaßte das Recht, Organisation und Verfahren der Gerichte zu regeln, Aufsichts- und Visitationsrechte gegenüber den Gerich-

52 Eisenhardt, Die kaiserlichen privilegia, S. 3 f. 53 Für diese Entwicklung ist das Staatsdenken des Späthumanismus kennzeichnend, das den Staat von religiösen Inhalten trennte und seinen Zweck einerseits in der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Menschen und andererseits in ihrer moralischen Vervollkommnung sah; Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 22 I 2. 54 Mohnhaupt, Potestas legislatoria, S. 189; vgl. Stolleis, Idee, S. 72; Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 18 II; ders., Rechtsgrundlagen, S. 182. 55 Willoweit, Rechtsgrundlagen, S. 45: Indem jetzt die iurisdictio nur noch die urteilende Tätigkeit des Richters bezeichnete, wurde sie von dem imperium als Recht zu gebieten und zu verbieten deutlich abgegrenzt. Die iurisdictio war damit nicht mehr der Inbegriff aller öffentlichen Gewalt und konnte somit auch nicht mehr zur abschließenden Erfassung der Territorialgewalt dienen. Charakteristisch für diese Entwicklung ist die Aussage Bodins, daß die puissance de donner loy à tous en general die première marque du prince souverain sei; Bodin, livre I chapitre X, S. 221; vgl. Mohnhaupt, Organisation, S. 215; ders., Potestas legislatoria, S. 190; Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 220. 56 Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 219; vgl. Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 18 II 2. 57 Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 220. 58 Art. VIII § 4 IPO = Müller, Instrumenta, S. 48 f., 135; Eisenhardt, Die kaiserlichen privilegia, S. 7; Schmelz, S. 74. 59 Ogris, De sententiis, S. 174.

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ten sowie das Recht der Erhebung von Gerichtsgebühren,60 aber auch das Recht, jederzeit selbst als oberster Richter Rechtssachen zu entscheiden.61 Damit war jede in den Reichsterritorien ausgeübte Gerichtsbarkeit von der Landeshoheit der Territorialherren abgeleitet.62 Bereits die Hofgerichte des 16. Jahrhunderts sprachen daher nicht im eigenen, sondern im Namen des Landesherrn Recht.63 Im Zuge der Ausbildung der Landeshoheit wurde die Justizhoheit vom Besitz einzelner lokaler Justizrechte abstrahiert. Stand die untere Gerichtsbarkeit lokalen Herrschaftsträgern zu,64 so äußerte sich die Justizhoheit des Landesherrn in dem Recht, durch höhere Gerichte über Appellationen zu entscheiden,65 sowie in Aufsichts- und Visitationsrechten gegenüber den Gerichten.66 Als Herrschaftsrecht schlug sie sich somit insbesondere in der obergerichtlichen Tätigkeit der landesherrlichen Zentralbehörden nieder, vor allem des von ständischen Elementen geprägten Hofgerichts und der aus dem Hofrat hervorgehenden Justizkollegien. Auch die zu Lasten der ordentlichen Gerichte zunehmende Gerichtsbarkeit der Kammer vor allem in Streitigkeiten, die die landesherrlichen Domänen betrafen, zentralisierte die Wahrnehmung von Jurisdiktionsrechten und stärkte damit die Macht der Landesherren.67 Über die Ausübung der Justiz durch Zentralbehörden hinaus konnte der Herrscher als oberster Gerichtsherr selbst kraft materieller Rechtsprechungsbefugnis Rechtssachen persönlich entscheiden.68

c)  Beschränkung der Territorialherrschaft durch Einbindung in den Reichsverband Ungeachtet der weitreichenden, als unabhängige Rechtsquelle begriffenen Territorialherrschaft fehlte es den Landesherren aber noch immer an der vollen Souveränität. Denn ihre Herrschaft war durch die Einbindung in den 60 61 62 63 64

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Kleinheyer, S. 77; Oesterley, Handbuch II, S. 13. Schmon, S. 53. Roellecke, VVDStRL 34 (1976), 26. Merzbacher, Art. Landesherr, Landesherrschaft, HRG II, Sp. 1386. Solange es eine alle Ebenen des Landes erfassende homogene Staatlichkeit noch nicht gab, war die untere Gerichtsbarkeit als solche weder Gegenstand einer einheitlichen und zentralisierten staatlichen Macht noch eine eigenständige Gewalt, sondern ein Herrschaftsrecht dessen, dem das Land unmittelbar zugeordnet war; vgl. Mohnhaupt, Raumbeherrschung, S. 161. Willoweit, Rechtsgrundlagen, S. 188. Vgl. Kleinheyer, S. 77. Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 220 f. Ogris, De sententiis, S. 174.



Ursachen und Bewertung

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Reichsverband beschränkt.69 Dies äußerte sich vor allem in der Jurisdiktionsgewalt des Reichskammergerichts und des Reichshofrats,70 an die gegen Erkenntnisse territorialer Gerichte appelliert werden konnte. Im Streben nach Souveränität suchten sich die Territorialherren vor allem in der Zeit nach dem Westfälischen Frieden der Gerichtsbarkeit der Reichsgerichte zu entziehen.71 Die Appellation an die Reichsgerichte wurde zum Politikum, das zähe Machtkämpfe zur Unterbindung solcher Rechtsmittel hervorbrachte; sie wurde zum Dreh- und Angelpunkt des Ringens der Reichsstände um ihre Unabhängigkeit.72 Daher strebten die Territorialherren nach Appellationsprivilegien73, die die Appellation an die Reichsgerichte von einer bestimmten Appellationssumme abhängig machten oder ganz ausschlossen. Die Verleihung eines solchen Privilegs durch den Kaiser war die „Gewährung der Teilhabe der Kurfürsten an der kaiserlichen Macht“74. Die Appellationsprivilegien verpflichteten die Landesfürsten zur Errichtung oberster Territorialgerichte. Damit ermöglichten sie Rechtsprechungseinheit, die für die landesherrliche Zentralisierung der Justiz im Zuge der aufzubauenden Territorialherrschaft unentbehrlich war.75 Die weitreichenden Appellationsprivilegien bewirkten eine Schwächung und Aushöhlung der Reichsjustiz und damit eine Schwächung der Reichsgewalt im Verhältnis zu den sich festigenden Territorialstaaten.76 Sie spiegeln den verfassungsrechtlichen Zu69 Vgl. Buschmann, Kaiser, Reich und Landesherren, S. 472 f.; Link, Herrschaftsordnung, S. 67 ff. 70 Erwin, S. 224 ff.; Jessen, Einfluß, S. 119. Vgl. Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 353: Das Reichskammergericht war „neben dem Reichstag und dem stets als parteiisch eingeschätzten Reichshofrat die bedeutendste Klammer der Reichseinheit.“ 71 Müssig, Höchstgerichtsbarkeit als Motor, S. 729; dies., Recht und Justizhoheit, S. 217. 72 Jahns, Erfassung des Raumes, S. 389; Modéer, Gerichtsstruktur, S. 123; Müssig, Höchstgerichtsbarkeit als Motor, S. 729; dies., Recht und Justizhoheit, S.  217; Weitzel, Minderungen, S. 317 ff.; vgl. zu Versuchen, Appellationen ans Reichskammergericht zu unterbinden, ders., Kampf um die Appellation. 73 Die Vergabe der Privilegien war ein Reservatrecht des Kaisers und stand in dessen freiem Ermessen. Dabei spielten vor allem politische und finanzielle Erwägungen eine Rolle. Hinsichtlich der Privilegienvergabe hatten die Reichsstände kaum Einfluß auf die insofern starke Stellung des Kaisers; Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 27 f. Die Beachtung der Appellationsprivilegien durch die Reichsgerichte war durch Art. V § 56 IPO (= Müller, Instrumenta, S. 45, 131) garantiert. 74 Roellecke, Richterliche Gewalt, S. 3. 75 Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 217; vgl. Fischer, S. 369. 76 Buchda, Art. Appellationsprivilegien, HRG I, Sp. 200; Kern, Geschichte, S.  30. Seit 1654 waren die meisten größeren Reichsstände im Besitz von Appellationsprivilegien; Weitzel, Kampf um die Appellation, S.  36; vgl. Müssig, Gesetzlicher Richter ohne Rechtsstaat, S. 27; dies., Recht und Justizhoheit, S. 217. Daher

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stand des Reiches und den Stand der Bestrebungen der Territorialfürsten um Unabhängigkeit vom Reich wider.77 Daher waren sie von so großer Bedeutung für den Ausbau der landesherrlichen Gewalt und für die Entwicklung der territorialen Staatlichkeit.78 Aber selbst die unbeschränkten Appellationsprivilegien bewirkten keine völlige Unabhängigkeit der territorialen Gerichtsbarkeit von der Reichsjustiz,79 denn auch sie schlossen nur das Rechtsmittel der Appellation aus; unberührt blieben die Zuständigkeiten der Reichsgerichte für die Nichtigkeitsbeschwerde (querela nullitatis) und die Beschwerde wegen verweigerter oder verzögerter Justiz (querela protractae vel denegatae iustitiae). Durch diese Rechtsbehelfe blieb die Territorialjustiz der Aufsicht der Reichsgerichte unterworfen, und die Landesherren mußten eine unparteiische und gute Justiz gewährleisten, wollten sie vermeiden, daß Prozeßparteien wegen Nichtigkeit von Urteilen oder wegen verweigerter oder verzögerter Justiz die Reichsgerichte anriefen und diese zu Eingriffen in die territoriale Gerichtsbarkeit veranlaßten.80 Insofern förderten die Appellationsprivilegien die Entwicklung der Gerichtsverfassung in den Territorien.81 Durch diese Zusammenhänge war das Oberappellationsgericht in die Rechts- und Friedensordnung des Alten Reiches82 eingebunden. Über das Verhältnis von Reich und Territorien hinaus waren die Justizhoheit und insbesondere die Höchstgerichtsbarkeit politische Faktoren bei der Ausbildung moderner Staatlichkeit. Recht ist nicht nur ein Reflex ge-

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schrieben § 116 JRA 1654 = Laufs, Der jüngste Reichsabschied, S. 57 sowie die kaiserlichen Wahlkapitulationen ab 1711 Zurückhaltung bei der Verleihung von Appellationsprivilegien vor; Eisenhardt, Die kaiserlichen privilegia, S. 51 f.; ders., Reichshofrat, S. 263. Bross, S. 25 f.; Eisenhardt, Die kaiserlichen privilegia, S. 49; Weitzel, ZRG GA 90 (1973), 213. Eisenhardt, Die kaiserlichen privilegia, S. 11. Wegen der Bedeutung für die territorialstaatliche Justiz betrachtete David Mevius (1609–1670), der Autor der Wismarer Tribunalsordnung, das Appellationsprivileg als Staatsgrundgesetz (lex fundamentalis); Mohnhaupt, Organisation, S. 224. Aus verfassungstheoretischer Sicht blieb der Kaiser bis zum Ende des Alten Reiches Inhaber der höchsten Gerichtsbarkeit im Reich; Buschmann, Heiliges Römisches Reich, S. 35. Siehe oben S. 20 f. Es greift daher zu kurz, das Justizwesen im Zeitalter des Absolutismus als ein „weitgehend unter Ausschluß des Reiches und seiner Organe sich vollziehende[s] einzelterritoriale[s] Thema“ (Kotulla, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 941) zu bezeichnen. Eisenhardt, Die kaiserlichen privilegia, S. 11; Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 4; Schmelz, S. 76; Seeger, S. 99; Sydow, Der Staat 41 (2002), 263 ff.; Weitzel, Funktion, S. 195; Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 20 II 1. Vgl. Sellert, Pax Europae, S. 99.



Ursachen und Bewertung

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sellschaftlicher und moralischer Verhältnisse, sondern stets auch ein Machtmittel der jeweils Herrschenden.83 Einfluß des Herrschers auf das Recht setzte aber Kontrolle über die Justiz voraus, denn während das ursprünglich unveränderbar gedachte Recht seinem Zugriff nicht unterlag, war die Sorge für die Gerechtigkeit durch Ausübung der Justiz ebenso Recht wie Pflicht des Herrschers und vor der Akzentverschiebung zur Gesetzgebung die wesentliche Herrscherfunktion.84 Die Entstehung territorialer Staatlichkeit mußte daher mit der Ausbildung einer institutionalisierten Gerichtsbarkeit einhergehen. Dabei stand die Höchstgerichtsbarkeit wegen der mit ihr verbundenen Unabhängigkeit von übergeordneten Herrschaftsträgern im Mittelpunkt.85 Trotz der verbleibenden Abhängigkeit von den Reichsgerichten gilt dies auch für die oberste Gerichtsbarkeit der Territorien, die auf der weitgehenden Unabhängigkeit durch die Appellationsprivilegien beruhte.86 Dabei lassen sich der Zustand der territorialen Staatlichkeit sowie das Verhältnis zwischen dem Landesherrn und lokalen Herrschaftsträgern daran ablesen, in welchem Maße der Landesherr rechtlich und tatsächlich im Sinne eines Herrschaftsinstruments auf die hohe Gerichtsbarkeit einzuwirken vermochte.87 Auf der Grundlage dieser Überlegungen waren nicht nur die territorialen Herrschaftsverhältnisse in Braunschweig-Lüneburg Vorbedingungen für die Gründung des Celler Oberappellationsgerichts und die Ausgestaltung seiner Gerichtsverfassung. Das Oberappellationsgericht war umgekehrt auch seinerseits ein Element der Entwicklung und Festigung territorialer Staatlichkeit in der Frühen Neuzeit. Als solches war es ein Teil des Aufstiegs des Welfenhauses, der sich in der Verleihung der Kurwürde, der Erlangung des unbeschränkten Appellationsprivilegs und der Personalunion mit England ausdrückte. Das Celler Gericht ist somit in zweifacher Weise in die staatlichen Herrschaftsverhältnisse Braunschweig-Lüneburgs eingebunden: Einerseits wurde es selbst von der historischen Situation seiner Zeit hervorgebracht; andererseits war es ein Entwicklungsschritt auf dem Wege zur territorialen Staatlichkeit.

83 Reinhard, Geschichte, S. 282; vgl. Fehr, S. 210. 84 Reinhard, Geschichte, S. 291. 85 Müssig, Höchstgerichte, S. 20 f., 47; dies., Höchstgerichtsbarkeit als Motor, S. 704; Reinhard, Geschichte, S. 296. 86 Müssig, Höchstgerichtsbarkeit als Motor, S. 728. 87 Müssig, Höchstgerichte, S. 47.

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Rechtliche und politische Stellung im Kurstaat

2.  Beständigkeit der Verhältnisse im 18. Jahrhundert Sowohl die staatsrechtlichen und politischen Verhältnisse als auch die Gerichtsverfassung blieben im braunschweig-lüneburgischen Kurstaat während des 18. Jahrhunderts weitgehend unverändert. Reich an einschneidenden Veränderungen waren die Jahrzehnte um die Jahrhundertwende gewesen. Die Erlangung der Kurwürde im Jahre 1692, die Vereinigung der Fürstentümer Lüneburg und Calenberg 1705 und die englische Sukzession 1714 hatten den Charakter Braunschweig-Lüneburgs grundlegend gewandelt. Auch die Gründung des Oberappellationsgerichts im Jahre 1711 nimmt einen zentralen Platz unter den Ereignissen ein, die diesen Wandel bewirkten und begleiteten. Im Anschluß an die Gründungsphase des Gerichts, die mit der Erweiterung durch den Erwerb Bremen-Verdens im Jahre 1716 und der endgültigen Verleihung des unbeschränkten Appellationsprivilegs 1718 als beendet angesehen werden kann, trat indes eine „Phase der Beschaulichkeit“88 ein, die erst in der napoleonischen Zeit zu Ende ging. Die einzigen nennenswerten Änderungen der Gerichtsverfassung in dieser Zeit waren ein Justizreglement von 171889, das nur die Unter- und Mittelinstanzen betraf, die grundlegende Reform des Oberappellationsgerichts 173390 und die Ausdehnung des Gerichtsbezirks auf das Herzogtum Lauenburg im Jahre 1747. Ein 1719 in Angriff genommenes Projekt einer allgemeinen Gerichts- und Prozeßordnung für alle braunschweig-lüneburgischen Gerichte verlief aus im einzelnen nicht mehr feststellbaren Gründen ergebnislos im Sande.91 Der von dem 88 Heile, S. 74. 89 Vorgängiges Reglement, wornach sich die Cantzleyen und Untergerichte wie auch die Partheyen, Advocati und Procuratores bis zur Verfertigung einer neuen General-Prozess-Ordnung zu richten, vom 20. Dezember 1718 = CCCal. II, S. 533–568; vgl. Schwartz, S. 350 ff. 90 Reglement wegen verbesserter Einrichtung des Ober-Appellations-Gerichts vom 31. März 1733 = CCCal. II, S. 180–186, Original in NHStA Hann. 26a, Nr. 4788, S. 101 ff. 91 Von Meier I, S. 261: „Durch Reskript vom 30. Dezember 1718 wurde dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und einigen Räten des Oberappellationsgerichts der Auftrag erteilt, eine neue vollständige Gerichtsordnung zu entwerfen, damit bei solchen judiciis hinfort uniformiter procedirt werden möge.“ In NHStA Dep. 106, Nr. 1800 sind ein königliches Reskript vom 10. Januar 1719, das den Landständen der Grafschaft Hoya das Projekt mitteilt und die Aufforderung enthält, Anregungen von landschaftlicher Seite an den Oberappellationsgerichtspräsidenten von Fabrice zu richten, und ein Antwortschreiben der Landschaft Hoya vom 13. Februar 1719 mit der Bitte, den Entwurf der neuen Gerichtsordnung vor der Publikation der Landschaft vorzulegen, erhalten. Weiteres ist in dieser Angelegenheit, soweit erkennbar, nicht überliefert.



Ursachen und Bewertung

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Vizepräsidenten des Oberappellationsgerichts, Friedrich Esaias von Pufendorf (1707–1785), ausgearbeitete Entwurf einer Zivilrechtskodifikation (Codex Georgianus) trat nie in Kraft und fiel der Vergessenheit anheim.92 In der Gerichtsverfassung blieb das Nebeneinander von landesherrlichen Ämtern, adligen Patrimonialgerichten und Stadtgerichten in der Unterinstanz sowie landesherrlichen Justizkanzleien, Hofgerichten und Konsistorien in der Mittelinstanz unverändert. Das 18. Jahrhundert ist nicht nur durch die Beständigkeit der staatsrechtlichen und politischen Verhältnisse, sondern auch durch das weitgehende Ruhen der Gesetzgebungstätigkeit gekennzeichnet.93 Letzteres hatte Braunschweig-Lüneburg mit anderen Territorien des Reiches gemein.94 Verstärkt wurde dieser Umstand in Braunschweig-Lüneburg durch die Abwesenheit des Landesherrn infolge der englischen Sukzession. Die Gleichmäßigkeit aller öffentlichen Verhältnisse brachte es mit sich, daß sich auch die Regierungsweise sowie die politische und rechtliche Kultur kaum änderten. Durch die Personalunion mit England und die Abwesenheit des Landesherrn lag die unmittelbare Ausübung der Regierung in den Händen einer konservativen Aristokratie, deren Grundhaltung durch die Maxime des Kammerpräsidenten von dem Bussche, „man solle sich hüten, etwas Neues anzufangen“95, treffend charakterisiert wird. Diese Beständigkeit mag in mancherlei Hinsicht zur Rückständigkeit des vormodernen Staatswesens geführt haben. Dem Oberappellationsgericht gab sie aber fast ein Jahrhundert lang die Möglichkeit, den Ruf einer unparteiischen und apolitischen Rechtspflege ohne jedwede Störung durch äußere Einflüsse zu begründen und zu festigen. In diesem Sinne äußerte sich der Celler Richter Theodor Hagemann 1811 anläßlich der Hundertjahrfeier des Gerichts: „Nichts stöhrte in dem langen Zeitabschnitte eines fast vollen Jahrhunderts die Geschäftsthätigkeit dieser Männer und ihren erhabenen Beruf, den sie mit einem warmen Eifer unausgesetzt verfolgten. […] Alles blieb in seiner gewohnten Ordnung, und der Lauf der Justiz ward nicht einen Augenblick unterbrochen!“96

Die Ruhe und Ereignislosigkeit dieses ersten Jahrhunderts seines Bestehens haben das Oberappellationsgericht, das Selbstverständnis seiner Richter sowie Qualität und Ansehen seiner Rechtsprechung dauerhaft geprägt. 92 Ebel, in: Schräder, S. 63 ff.; Edition dieses Entwurfs: ders. (Hrsg.), Friedrich Esajas Pufendorfs Entwurf eines hannoverschen Landrechts (vom Jahre 1772). Vgl. Dölemeyer, S. 206 f.; Keiser, ZRG GA 125 (2008), 449 ff. Zu Pufendorf siehe oben S. 7 Note 24. 93 Miersch, S. 209; Vierhaus, S. 81. 94 Von Meier I, S. 261; vgl. allgemein Stollberg-Rilinger, Vormünder, S. 174. 95 Von Meier I, S. 31. 96 Hagemann, Rede, S. 15 f.; zur Hundertjahrfeier am 14. Oktober 1811 Heile, S. 89.

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Rechtliche und politische Stellung im Kurstaat

3.  Das Oberappellationsgericht im Rahmen des Reichsverbandes – Ergebnisse eines Vergleichs mit dem Reichskammergericht und dem Wismarer Tribunal Bei der Ausarbeitung der Celler Oberappellationsgerichtsordnung fanden neben der Celler Hofgerichtsordnung die Reichskammergerichtsordnung, die Wismarer Tribunalsordnung sowie eine Sächsische Gerichtsordnung Berücksichtigung.97 Wegen der Einbindung territorialer Gerichtsbarkeit in das Rechtswesen des Alten Reiches setzt eine umfassende Bewertung des Oberappellationsgerichts einen Vergleich mit anderen Gerichten des Reichs und der Territorien voraus. Zugleich stellt sich die Frage, in welchem Maße sich die Väter der Oberappellationsgerichtsordnung an den herangezogenen Quellen orientiert haben und – umgekehrt – inwiefern das Celler Gericht eigene Züge aufweist, die es von anderen Gerichten seiner Zeit unterscheiden. Dabei berücksichtigt der Vergleich neben dem Reichskammergericht das Wismarer Tribunal, nicht aber die Sächsische Gerichtsordnung. Diese Auswahl ist durch die umfassende Erforschung des Wismarer Gerichts in der jüngsten Zeit bedingt.98 Das Celler Gericht war in seiner Gerichtsverfassung weitgehend dem Reichskammergericht und dem Wismarer Tribunal nachgebildet. Es weist nur wenige Besonderheiten auf, durch die es von seinen Vorbildern abwich. Da sich die Gründer des Wismarer Tribunals ebenfalls weitgehend am Reichskammergericht orientiert haben, wird mittelbar auch insofern dessen Einfluß sichtbar.99 Vor allem im Bereich der personellen Zusammensetzung des Gerichts sind weitreichende Übereinstimmungen feststellbar. Wie in Wetzlar und Wismar wurde auch in Celle die Mehrzahl der Richterstellen durch ständische Präsentationen besetzt, und die Stände trugen weitgehend zur Finanzierung des Gerichts bei. Dabei ging Celle insofern über Wismar hinaus, als die Stände – anders als am Wismarer Tribunal – für die gesamten Personalkosten aufzukommen hatten, nicht nur für die Besoldung der von ihnen präsentierten Richter. Dieser Umstand ist hauptsächlich auf die finanzielle Abhängigkeit des Landesherrn von den Ständen bei der Gründung des Gerichts zurückzuführen. Die Organisation der Besoldung aller Gerichtsangehörigen durch eine Besoldungskasse, die das Gericht selbst verwaltete, hatte das Celler Gericht mit seinen Vorbildern gemein. Eine weitere Abweichung 97 Siehe oben S. 23. Im einzelnen zu diesen Quellen Jessen, Einfluß, S. 128 ff. Vermutlich wurde die sächsische Gerichtsordnung von 1622 herangezogen; dies läßt sich aber nicht mehr exakt klären. 98 Vgl. die oben S. 8 Note 32 aufgeführte Literatur. 99 Jessen, Einfluß, S. 132.



Ursachen und Bewertung

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vom Wismarer Tribunal war hingegen die Teilung der Richterschaft in eine adlige und eine gelehrte Bank, die der Tradition des Reichskammergerichts entstammte und der hohen Bedeutung des Adels in den welfischen Territorien geschuldet war. Die Beteiligung des Gerichts an seiner Besetzung durch die Prüfung der Kandidaten in einem sogenannten Skrutinium und einem Examen auf ihre charakterliche und fachliche Eignung war ebenfalls dem Reichskammergericht und dem Wismarer Tribunal nachgebildet. Sie hatte sich an den anderen Gerichten bereits bei der Ausbildung der gelehrten Rechtsprechung bewährt und war ein wichtiger Beitrag zur hohen Qualifikation der Richterschaft. Auch mit dem Devolutionsrecht in Fällen, in denen eine Richterstelle über ein halbes Jahr unbesetzt blieb, betraten die Gründer des Celler Gerichts kein Neuland. Es sicherte die vollständige Besetzung des Gerichts und damit die Effizienz seiner Rechtsprechung. Allerdings zeigen die Beispiele des Reichskammergerichts und des Wismarer Tribunals, die beide zeitweise an Unterbesetzung litten, daß es hierfür keine Garantie gab, sondern günstige Umstände wie vor allem eine gesicherte finanzielle Grundlage für die Richtergehälter hinzukommen mußten, sollte das Devolutionsrecht seine Wirkung entfalten können. Eine Besonderheit des Oberappellationsgerichts, die sowohl vom Reichskammergericht als auch vom Wismarer Tribunal abwich, war die Stellung des Präsidenten. Dieser war bei allen Abstimmungen im Plenum – also vor allem auch bei der Urteilsfindung – in gleicher Weise stimmberechtigt wie die übrigen Richter. Auch hatte er – von Ausnahmen abgesehen – kein votum decisivum bei Stimmengleichheit. Damit gaben die Väter der Oberappellationsgerichtsordnung die hergebrachte Trennung von Richter und Urteilern auf und bereiteten so in einem wesentlichen Punkt der Entwicklung einer modernen Gerichtsverfassung den Weg. Abweichungen vom Reichskammergericht sind durch die Einbindung des Oberappellationsgerichts in die landesherrliche Zentralverwaltung des Kurfürstentums bedingt. Dies gilt insbesondere für die Aufsicht über die Obergerichte, die Justizkanzleien und Hofgerichte, deren Kandidaten ab 1738 auch einer Prüfung durch das Celler Gericht unterzogen wurden. Diese Einbindung in territoriale Verwaltungsstrukturen, innerhalb deren das Oberappellationsgericht vielfach als oberste Justizbehörde fungierte, war der Ausprägung einer zunehmend effizienten und rational organisierten staatlichen Verwaltung geschuldet und beruhte zugleich auf dem Umstand, daß das entstehende Staatswesen nicht über eine andere hohe Justizverwaltungsbehörde wie ein Justizministerium verfügte.

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4.  Elemente einer unabhängigen Rechtspflege Lühr hat die Ansicht vertreten, Georg Ludwig habe einen „Gerichtshof von höchster Idealität, Würde und Unantastbarkeit“ ins Leben rufen wollen und aus diesem Grunde dem Celler Gericht in der Oberappellationsgerichtsordnung weitgehende Unabhängigkeit und Selbständigkeit zugestanden.100 Diese These berücksichtigt den rechtshistorischen Hintergrund der Gründung des Gerichts nicht genügend und ist daher anfechtbar. Die Rechtsstellung des Celler Gerichts wich von der anderer hoher Gerichte im Alten Reich nicht wesentlich ab. Rechtsstaatliche Erwägungen lagen seiner Errichtung nicht zugrunde. Die anderslautende Interpretation der bisherigen Literatur, die im Oberappellationsgericht eine vom Landesherrn und seiner Regierung weitgehend unabhängige selbständige Landeseinrichtung101 oder gar eine neben dem Landesherrn und den Ständen stehende „selbständige dritte Gewalt“102 gesehen hat, ist, berücksichtigt man den damaligen Stand der rechts- und verfassungsgeschichtlichen Entwicklung, nicht haltbar. Eine verfassungsrechtlich garantierte richterliche Unabhängigkeit gab es nicht. In personellen Fragen übertrug der Landesherr dem Gericht Verantwortung nur soweit, wie dies auch an anderen Gerichten üblich und für ihn ohne wesentlichen Verlust eigenen Einflusses zweckmäßig war. Denn die personelle Selbständigkeit des Gerichts war abhängig von dem Einfluß des Personals und der daraus folgenden machtpolitischen Bedeutung der Besetzungen graduell abgestuft: Während das Gericht auf die Auswahl der Präsidenten und Vizepräsidenten keinen Einfluß hatte, standen ihm hinsichtlich der Oberappellationsräte in Skrutinium und Examen ein Ablehnungs- und hinsichtlich der höheren Adjunkten ein Benennungsrecht zu. Die niederen Adjunkten wählte es allein aus. Auch in finanziellen Angelegenheiten waren dem Gericht nur aus Zweckmäßigkeitserwägungen gewisse Befugnisse übertragen worden. Durch weitreichende Aufsichts- und Prüfungszuständigkeiten im Rahmen der Gerichtsverfassung des Landes wurde das Gericht an hoher Stelle in das System der landesherrlichen Zentralbehörden eingebunden. Im Vergleich zu heutigen Gerichten verwaltete das Oberappellationsgericht zwar viele seiner eigenen Angelegenheiten selbst. Von einer Selbstverwaltungskörperschaft zu sprechen,103 verfälscht aber das Bild von der Ge100 Lühr, S. 9. 101 Coing, Zur Geschichte, S. 6; Schräder, S. 8; Lühr, S. 13; Wieacker, 250 Jahre, S. 8. 102 Lühr, S. 17; zustimmend Miersch, S. 208. 103 Coing, Zur Geschichte, S. 6: sich selbst verwaltende Körperschaft; ebenso Schräder, S. 8; Lühr, S. 13: weisungsfreie richterliche Selbstverwaltung; ebenso Miersch, S. 205; Wieacker, 250 Jahre, S. 8: korporative Autonomie.



Ursachen und Bewertung

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richtsbarkeit der Frühen Neuzeit, das eine rechtsgeschichtliche Betrachtung zu zeichnen bemüht ist. Auch der Vergleich mit einer Ständeversammlung104 und die Annahme eigener Rechtspersönlichkeit105 sind nicht hilfreich. Für die Bewertung der Stellung des Oberappellationsgerichts und seiner Rechtsprechung im braunschweig-lüneburgischen Verfassungsgefüge ist die theoretische Rechtslage auf Grund normativer Rechtsquellen nicht allein entscheidend. Vielmehr ist in vormodernen Ordnungen, die – anders als der moderne Staat – nicht auf einer systematisch geschlossenen, weitgehend widerspruchsfreien normativen Verfassung beruhen, die theoretische Normativität der Verfassung nicht von der Verfassungswirklichkeit zu trennen. Normative Ordnungen standen nicht auf Grund geltender Rechtsquellen statisch fest, sondern konnten sich durch abweichende Praxis verändern.106 Grundlage für die Bewertung des Celler Gerichts und die Frage nach dem Grad der Unabhängigkeit seiner Rechtsprechung sind daher die Verfassungswirklichkeit und die Rechtspraxis im 18. Jahrhundert. Während die Oberappellationsgerichtsordnung dem Gericht keine vom Landesherrn unabhängige Stellung gab, lassen die tatsächlichen Verhältnisse des 18. Jahrhunderts, soweit sie überliefert sind, durchaus den Gedanken an eine unabhängige Rechtspflege aufkommen. Zwar hatten die Landesherren mannigfaltige Möglichkeiten, auf das Gericht und seine Rechtsprechung Einfluß zu nehmen. Neben dem Recht, jedem landschaftlich präsentierten Kandidaten die Bestätigung zu versagen sowie Mitglieder des Gerichts zu entlassen oder zu versetzen, gehörten dazu insbesondere das Rechtsinstitut der Visitation sowie die unmittelbare Einflußnahme auf die Rechtsprechung durch landesherrliche Kommissionen und Machtsprüche. Solche Eingriffsmöglichkeiten sind vor dem Hintergrund der landesherrlichen Justizhoheit zu sehen und bestätigen diese zugleich. Das höchste Gericht in Celle war keine selbständige Landeseinrichtung, sondern ein Gericht des Landesherrn, das von diesem personell, verfahrensrechtlich und inhaltlich weitgehend abhängig war. Von all diesen Instrumenten haben die Landesherren aber kaum jemals Gebrauch gemacht: Keinem Kandidaten wurde die Bestätigung versagt, kein Richter wurde versetzt oder entlassen. Visitationen fanden niemals statt. Landesherrliche Kommissionen wurden in den ersten Jahren vereinzelt eingesetzt, ohne daß es dabei offenbar zu willkürlichen Entscheidungen gekommen wäre. Machtsprüche sind nicht überliefert; vermutlich ist es zu persönlichen Eingriffen des Landesherrn in die Rechtsprechung nicht gekommen. Diese tatsächliche Zurückhaltung der Herrscher ist der Grund für 104 Von der Osten, S. 6 f. 105 Coing, Zur Geschichte, S. 6; Schräder, S. 8; Wieacker, 250 Jahre, S. 13. 106 Stollberg-Rilinger, ZRG GA 127 (2010), 11 f., 30 f.

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Rechtliche und politische Stellung im Kurstaat

die in ihrer Absolutheit nicht zutreffende Ansicht der bisherigen Literatur, das Oberappellationsgericht sei ein von den Kurfürsten weitgehend unabhängiges, mit Rechten der Selbstverwaltung ausgestattetes Tribunal und als solches eine Wiege richterlicher Unabhängigkeit gewesen. Auf rechtsstaatliche Erwägungen über das Ideal eines unabhängigen Richters ist diese Zurückhaltung der Landesherren ebensowenig zurückzuführen wie die Regelungen der Oberappellationsgerichtsordnung über die Gerichtsverfassung. Auch kann als Ursache nicht angeführt werden, in Braunschweig-Lüneburg habe sich der Absolutismus nicht durchsetzen können, denn die Regierung des Kurstaates im 18. Jahrhundert beruhte auf absolutistisch geprägtem Staatsdenken. Die Personalunion mit England mag dazu geführt haben, daß die Herrscher sich um ihre braunschweig-lüneburgischen Stammlande weniger intensiv gekümmert haben. Das weitgehende Unterbleiben von Eingriffen in die Praxis der ordentlichen Gerichte läßt sich dadurch aber allenfalls teilweise erklären, denn das Zusammenwirken der geheimen Räte in Hannover mit dem Landesherrn und seiner deutschen Kanzlei in London ermöglichte eine effektive Regierung und schloß persönliche Eingriffe des Kurfürsten nicht aus. Eine Bewertung der faktischen Unabhängigkeit des Gerichts muß an der Tatsache ansetzen, daß Eingriffe der Herrscher in die Justiz insbesondere durch Machtsprüche in der Regel nicht auf Willkür beruhten und kein Selbstzweck waren. Sie dienten vielmehr der als notwendig erkannten Verbesserung einer Justiz, die oftmals unzulänglich und durch Korruption, Unfähigkeit der Richter und ein ineffizientes Verfahren geprägt war. Letztlich haben sie auch wesentlich zur Verbesserung der Justiz beigetragen.107 Die Rechtsprechung des Celler Oberappellationsgerichts wies solche und andere Mißstände, soweit sich dies auf Grund der lückenhaften Quellenlage beurteilen läßt, indes nicht auf: Die Richter waren hoch qualifiziert, und ihr Selbstbewußtsein förderte ein Berufsethos, das Bestechlichkeit und Vernachlässigung der Arbeit verbot. Freilich mag es auch in Celle Ausnahmen gegeben haben. Aber die Anekdote eines braunschweig-lüneburgischen Ministers, er sei überzeugt, daß er am Oberappellationsgericht, wenn er einem Richter in öffentlicher Gesellschaft eine Ohrfeige gegeben habe, Recht bekomme, falls er Recht habe,108 ist sicherlich nicht ohne Grund entstanden. Auch läßt sich die Qualität der Rechtsprechung daran ablesen, daß im Laufe eines Jahrhunderts nur in wenigen Fällen gegen Erkenntnisse des Oberappellationsgerichts Rechtsmittel an die Reichsgerichte eingelegt worden sind.109 Daher bestand kein Anlaß für die Herrscher, persönlich in den Gang der Justiz einzugreifen. Gleiches 107 Ogris, De sententiis, S. 180 f. 108 Gunkel, S. 116 f. 109 Siehe oben S. 20 f. Vgl. Oestmann, ZRG GA 127 (2010), 128.



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gilt für die Visitationen, die ein Instrument der Justizaufsicht zur Behebung etwaiger Mißstände am Gericht waren: Es bedurfte ihrer nicht. Rechtsstaatliche Aspekte spielten bei dieser Entwicklung keine Rolle. Sie wären in der Territorialjustiz des 18. Jahrhunderts auch undenkbar gewesen. Gleichwohl förderten die Landesherren die Entwicklung zur Unabhängigkeit der Justiz indirekt, indem sie von ihren Rechten kaum Gebrauch machten. Denn dadurch entstand das Ideal eines selbstbewußten Richtertums, das um seine Unabhängigkeit zu kämpfen bereit war.110 Dieses Selbstbewußtsein kommt beispielhaft in der Rede Hagemanns zur Hundertjahrfeier des Gerichts im Jahre 1811 zum Ausdruck: „Der Geist, welcher dies höchste Landesgericht ununterbrochen belebte; die Ansichten, welche es über die Justizpflege und ihren Endzweck hatte; die Einsichten und Kenntnisse, welche es in seinen Entscheidungen, frei von aller Corruption in den Principien des Rechts, beurkundete, und die männliche Kraft, welche es mit wahrer Eifersucht handhabte und anwendete, um etwanige Versuche zu vereiteln und zu zerstöhren, eine Rechtssache von dem graden, ruhigen, bedächtigen und sichern Justizwege abzuleiten, verschafften ihm den großen Ruhm im Vaterlande und durch ganz Deutschland in den [sic!] Grade, dass jeder mit Achtung auf diesen höchsten Justizhof hinsahe und ihm mit vollem Vertrauen die Entscheidung seiner Rechtsangelegenheiten überliess. Jedermann hielt es für vergebene Mühe – und nie wagte Jemand den Versuch! – einen der Richter von seiner Pflicht zu verlocken, oder durch listige Mittel über ihn etwas zu gewinnen, und dadurch die hohe Achtung zu verletzen, die man der allgemein bekannten Rechtlichkeit schuldig war. Durch solche Mittel erwarb und sicherte sich das cellische Oberappellationsgericht seinen Ruhm, der selbst in einer Periode unangetastet blieb, wo man, mit Unrecht, oder gar absichtlicher Uebertreibung, manche andere Anstalt der damaligen Hannöverschen Provinzen laut tadelte und angriff.“111

Ein solches richterliches Berufsethos empfing seine Kraft aus der Zurückhaltung von Herrschern, die von Eingriffen in die Gerichtsbarkeit absahen, soweit sie nicht unumgänglich waren. So wurden die Grundlagen für eine unabhängige, aus der politischen Sphäre herausgelöste Justiz bereits in einer Zeit gelegt, in der die sachliche und persönliche Unabhängigkeit des Richters grundsätzlich noch undenkbar war.112 Diese Entwicklung brachte allmählich – freilich ohne daß dies sogleich offen zutage trat – das allgemeine Empfinden hervor, daß Eingriffe der Herrschenden in die Rechtsprechung dem Streben nach Gerechtigkeit zuwider liefen und damit illegitim seien. Der Beginn der Entwicklung zur richterlichen Unabhängigkeit in einer Zeit, mit deren Herrschaftsauffassung sie zunächst noch unvereinbar war, wird parallel anhand des gewandelten Gesetzesverständnisses in der zweiten 110 Ogris, De sententiis, S. 181. 111 Hagemann, Rede, S. 10 f. 112 Vgl. Ogorek, Aufklärung II, S. 13 f.; Sellert, Reichshofrat, S. 23 f.

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Hälfte des 18. Jahrhunderts deutlich: Da das Gesetz nicht mehr als Wille des Herrschers, sondern als vernunftbestimmte abstrakte Norm galt, traten Eingriffe des Landesherrn in die Justiz auf Grund seiner Machtvollkommenheit in Widerspruch zur richterlichen Entscheidung. Diese beruhte nicht mehr auf dem fürstlichen Willen, sondern war nur noch an das Recht als abstrakte Norm gebunden.113 Die Frage nach der Unabhängigkeit richterlicher Entscheidungen wurde damit unvermeidbar. Am Celler Oberappellationsgericht, das als oberstes Gericht im absolutistisch geprägten Fürstenstaat rechtstheoretisch noch uneingeschränkt vom Herrscher abhängig war, trat diese Entwicklung in der Rechtspraxis bereits frühzeitig zutage.

113 Müssig, Recht und Justizhoheit, S. 232; Schmon, S. 64 ff.

C. Gerichtliches Verfahren und Prozeßdauer Das Verfahren des Oberappellationsgerichts folgte in erster Linie den Bestimmungen der Oberappellationsgerichtsordnung. Diese war weitgehend von den Grundsätzen des gemeinen Prozeßrechts geprägt,1 das sich im Zuge der Rezeption des römischen Rechts und des Vordringens des gelehrten Richtertums vor allem durch das Reichskammergericht und dessen Gerichtsordnungen von 1495, 1521 und 1555 sowie schließlich den Jüngsten Reichsabschied von 1654 herausgebildet hatte. Der gemeine Prozeß beruhte auf einer Vereinigung des Kameralprozesses mit Elementen des sächsischen Prozesses und war prägend für die prozeßrechtliche Entwicklung in den Territorien;2 wiederholt, insbesondere im Jüngsten Reichsabschied, mahnten Reichsgesetze die Befolgung des gemeinen Prozeßrechts in der territorialen Gerichtspraxis an.3 Die Oberappellationsgerichtsordnung regelte das Verfahren jedoch nicht abschließend; zu Detailfragen äußerte sie sich oftmals nicht. Für Fälle, „darüber von Uns in dieser Ordnung nichts verordnet“, gebot sie, „daß nach gemeinen beschriebenen Käyserlichen Rechten, wie auch des heiligen ReichsSatzungen […] procediret und erkant […] werden solle.“4 Allerdings verwies sie nicht explizit auf die Verfahrensweise des Reichskammergerichts oder des Reichshofrats, so daß dem Gericht trotz der subsidiären Geltung des Reichsprozeßrechts gewisse Freiheiten verblieben. Etwaige Regelungslücken mußte das Gericht daher durch seinen in der Praxis entwickelten Gerichtsgebrauch (stilus curiae), den Jessen als prägend für das Verfahren vor dem Celler Gericht ansieht,5 und durch den Erlaß Gemeiner Bescheide ausfüllen. Der Gerichtsgebrauch war zudem insofern von Bedeutung, als die Geltung gesetzlicher Regelungen von ihrer tatsächlichen Befolgung in der Praxis (Observanz) abhing und Normen durch eine gegenläufige Observanz außer Kraft treten konnten.6 Auch der Gerichtsgebrauch ist aber im wesent1 Ahrens, S. 337; Jessen, Einfluß, S. 132 f.; Oesterley, Handbuch II, S. 91. 2 Vgl. Ahrens, S. 12 f.; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 456; Mitteis/Lieberich, S. 398; Nehlsen-von Stryk, Art. Gerichtsverfahren, HRG II, 2. Auflage, Sp. 186; Schlinker, Litis Contestatio, S. 447 f.; Sellert, Art. Prozeß des Reichskammergerichts, HRG IV, Sp. 29 ff.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 182 f. 3 § 137 JRA 1654 = Laufs, Der jüngste Reichsabschied, S. 67; Ahrens, S. 13; Sydow, Der Staat 41 (2002), 281. 4 Th. II Tit. 19 § 2 OAGO = CCCal. II, S. 171; vgl. Jessen, Einfluß, S. 168; Miersch, S. 108. 5 Jessen, Einfluß, S. 125; Miersch, S. 109; vgl. auch Ranieri, Art. Gerichtsgebrauch, HRG II, 2. Auflage, Sp. 155 ff. 6 Oestmann, ZRG GA 127 (2010), 138; vgl. Stollberg-Rilinger, ZRG GA 127 (2010), 12.

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lichen eine Ausprägung des gemeinen Prozeßrechts. Abweichungen von diesem gab es vorwiegend in Detailfragen. Tatsächlich hat das Oberappellationsgericht das Reichsprozeßrecht sowie die Literatur der zeitgenössischen Kameralistik häufig herangezogen.7

7 Jessen, Einfluß, S. 168.



Allgemeine Verfahrensgrundsätze

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I.  Allgemeine Verfahrensgrundsätze 1.  Der Grundsatz strenger Schriftlichkeit des Verfahrens Wie das gemeine Prozeßrecht war auch das Celler Verfahren vom Grundsatz der Schriftlichkeit bestimmt. Danach waren die Akten die alleinige Grundlage der Beurteilung des Falles durch das Gericht (quod non est in actis, non est in mundo).1 Die Oberappellationsgerichtsordnung übernahm dabei nicht das relative Schriftlichkeitsprinzip des Reichskammergerichtsverfahrens, das noch die Möglichkeit mündlichen Vorbringens der Parteien in gerichtlichen Audienzen bot,2 sondern weitgehend den Grundsatz absoluter Schriftlichkeit des Reichshofrats. Dort hatte es Audienzen, die den Prozeß durch weitschweifige Ausführungen der Parteien und ihrer Prozeßvertreter oftmals über Gebühr in die Länge zogen, schon seit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht mehr gegeben.3 So hatten die Parteien auch in Celle ihr Vorbringen ausschließlich in Form von Schriftsätzen dem Registrator zu übergeben; gerichtliche Audienzen waren nicht vorgesehen.4 Die Ursache für dieses strenge Schriftlichkeitsprinzip war wie am Reichshofrat das Bemühen um Beschleunigung des Verfahrens. Durch den weitgehenden Ausschluß der Mündlichkeit sollten überflüssige und prozeßverzögernde Vorträge der Parteien und ihrer Prozeßvertreter vermieden werden.5 Ausnahmen vom Grundsatz der Schriftlichkeit durch mündliche Termine vor dem Richterplenum gab es lediglich bei Vergleichsversuchen6, 1 Vgl. Ahrens, S. 15 ff.; Endemann, S. 358; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 184. 2 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 457; Dick, S. 119 ff., 123; Wesener, Art. Prozeßmaximen, HRG IV, Sp. 57 f. Instruktiv zu den nicht unerheblichen mündlichen Elementen im reichskammergerichtlichen Verfahren Diestelkamp, Beobachtungen, S. 105 ff. 3 Tit. III §§ 1–4, 16, 22–24 RHRO 1654 = Sellert, Ordnungen II, S. 131–135, 145 f., 152–154; ders., Prozeßgrundsätze, S. 132 ff., 135. 4 Jessen, Einfluß, S. 158. 5 Jessen, Einfluß, S. 161. Das Reichskammergericht hat während der drei Jahrhunderte seines Bestehens immer wieder durch Gemeine Bescheide versucht, zu ausführliche mündliche Vorträge der Prokuratoren zu verhindern; Diestelkamp, Beobachtungen, S. 107 ff. 6 Th. II Tit. 3 § 21 OAGO = CCCal. II, S. 83. Die Vorschrift Th. III Tit. 40 §  1 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 256 f. bezieht sich, anders als Jessen, Einfluß, S. 158 Note 11 impliziert, nur auf die Anzeige außergerichtlicher Vergleiche, nicht auf gerichtliche Vergleichsverhandlungen. Sie kann daher nicht als Vorbild für die Regelung der Oberappellationsgerichtsordnung angesehen werden.

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zur Beeidigung7 und beim Urkundsbeweis8. Auch sie wurden aber in der gerichtlichen Praxis restriktiv gehandhabt, indem insbesondere die vorgesehenen Gütetermine nur bei erheblichen Erfolgsaussichten stattfanden.9 Zwar eröffnete die Justizreform von 1733 den Parteien die Möglichkeit, mündliche Vorträge vor dem Gericht zu verlangen.10 Von dieser Möglichkeit dürfte aber nur sehr selten Gebrauch gemacht worden sein; in den untersuchten Prozeßakten fand sich jedenfalls kein Hinweis auf solche Parteivorträge. Auch ließ das Gericht mündliche Termine entgegen dem Justizreglement von 173311 nicht vor dem Senat abhalten, sondern übertrug sie regelmäßig allein dem Referenten12 oder, vor allem bei entfernt wohnenden Parteien, kommissarisch einem auswärtigen Angehörigen der landesherrlichen Verwaltung.13 Ein weiteres Element der Mündlichkeit, das dem reichskammergerichtlichen Vorbild14 folgte, war die vierteljährlich stattfindende öffentliche Verkündung der Urteile.15

2.  Verbot des Artikelprozesses und Eventualmaxime Weitere wesentliche Grundsätze des Verfahrens waren das Verbot der artikulierten Klageform und die Eventualmaxime. Im älteren Artikelverfahren mußten die Parteien Tatsachenvortrag und Rechtsgründe in einzelne Positionen (Artikel) gliedern, auf die die Gegenseite einzeln Punkt für Punkt zu antworten hatte. Dieses umständliche Artikulieren unterstützte zwar die logische Durchdringung des vorgetragenen Tatsachenstoffs, zerriß aber oftmals dessen 7 8 9 10 11 12 13

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Th. II Tit. 8 Sec. III §§ 1–6 OAGO = CCCal. II, S. 122–124. Th. II Tit. 8 Sec. II § 4 OAGO = CCCal. II, S. 117. Jessen, Einfluß, S. 158. § 4 des Reglements wegen verbesserter Einrichtung des Ober-Appellations-Gerichts vom 31. März 1733 = CCCal. II, S. 182, Original in NHStA Hann. 26a, Nr. 4788, S. 101 ff.; Ahrens, S. 338. § 4 des Reglements wegen verbesserter Einrichtung des Ober-Appellations-Gerichts vom 31. März 1733 = CCCal. II, S. 182, Original in NHStA Hann. 26a, Nr. 4788, S. 101 ff. Von Bülow II, S. 198. Von Bülow II, S. 199 f. Als Beispiele für solche Kommissionen seien die Verfahren LS Abt. 216, Nrn. 88 (Kommission zum Versuch der Güte und zur Zeugenvernehmung), 752 (Kommission zum Versuch der Güte), 907 (Kommission zur Abnahme eines Eides) und 946 (Besichtigungskommission zum Augenschein) genannt. Th. III Tit. 1 § 1 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 219; Dick, S. 123. Th. II Tit. 13 § 4 OAGO = CCCal. II, S. 145 f.; von Bülow II, S. 300 f.; Jessen, Einfluß, S. 160 f.



Allgemeine Verfahrensgrundsätze

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Zusammenhang und führte zur Verzögerung des Verfahrens.16 Der Jüngste Reichsabschied von 165417 hatte das Artikelverfahren weitgehend abgeschafft.18 Am Wismarer Tribunal wurde es in Prozessen mit Zeugenbeweis weiterhin praktiziert.19 Am Oberappellationsgericht hatten die Parteien ihr Vorbringen in den Schriftsätzen wie an den braunschweig-lüneburgischen Obergerichten20 nicht artikuliert, sondern zusammenhängend vorzutragen. Zugleich mußten sie im Sinne der Eventualmaxime alle denkbaren Einreden und Einwendungen bei Androhung der Präklusion auf einmal vorbringen.21 Lediglich im Beweisverfahren hatten sich entsprechend dem Jüngsten Reichsabschied22 noch Elemente des Artikelverfahrens erhalten, indem die beweisführende Partei sogenannte Beweisartikel (articuli probatoriales) – Behauptungen, die durch den Beweis erwiesen werden sollten – und die Gegenseite beim Zeugenbeweis an die Zeugen zu richtende Fragstücke (interrogatoria) vorzulegen hatten.23 Das Verbot des Artikelprozesses und die Eventualmaxime dienten der Prozeßkon16 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 457; Dick, S. 139 ff.; Oestmann, Art. Artikelprozeß, HRG I, 2. Auflage, Sp. 313 f.; ders., Rechtsvielfalt, S. 205 ff.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 185 ff. 17 §§ 34, 35, 37, 41, 49, 52, 64 JRA 1654 = Laufs, Der jüngste Reichsabschied, S. 23–29, 31–33. 18 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 459; Oestmann, Rechtsvielfalt, S. 163; ders., Art. Einlassung, HRG I, 2. Auflage, Sp. 1300; Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 146 ff. 19 Th. II Tit. 10 § 3 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 73; Jessen, Einfluß, S. 164; Modéer, Gerichtsbarkeiten, S. 366; ders., David Mevius, S. 67; Schwartz, S. 295 f. In diesem Punkt wich die Oberappellationsgerichtsordnung also von der Wismarer Tribunalsordnung, die sonst vielfach als Vorbild diente, ab. 20 In den braunschweig-lüneburgischen Mittelinstanzen war der Artikelprozeß bereits im 17. Jahrhundert abgeschafft worden: Art. XIII der Celleschen Kanzleiordnung von 1656 = CCCel. II, S. 305; Tit. 9 § 3 der Calenbergischen Kanzleiordnung von 1663 = CCCal. II, S. 268 f.; Th. II Tit. 2 § 1 der Celleschen Hofgerichtsordnung von 1685 = CCCel. II, S. 449 f.; Clar, S. 24. Gleiches gilt vermutlich für das Calenbergische Hofgericht Hannover; die Hofgerichtsordnung von 1639 kann hierfür freilich nicht einschlägig sein, da sie noch vor dem Jüngsten Reichsabschied erging. Kleinfeller, S. 291 ff., 302 ff. Nur am bremen-verdenschen Hofgericht, das bis 1715/1719 dem Wismarer Tribunal unterstand, war die artikulierte Klage auch im 18. Jahrhundert noch üblich; Jessen, Einfluß, S. 164 f.; Schwartz, S. 341, 343, 346. 21 Th. II Tit. 3 § 17 OAGO = CCCal. II, S. 82; Jessen, Einfluß, S. 163; vgl. allgemein Ahrens, S. 24 ff.; Schmid I, S. 276 ff.; Schubert, ZRG GA 85 (1968), 128 ff. 22 §§ 34, 41, 49, 52 JRA 1654 = Laufs, Der jüngste Reichsabschied, S. 23 f., 28, 31 ff.; Oestmann, Art. Artikelprozeß, HRG I, 2. Auflage, Sp. 314. 23 Th. II Tit. 8 Sec. I §§ 2 ff. OAGO = CCCal. II, S. 93 ff.; Jessen, Einfluß, S. 167. Im Beweisverfahren hielt sich die artikulierte Form noch bis ins 19. Jahrhundert; Buchda, Art. Artikelprozeß, HRG I, Sp. 234. Vgl. auch von Bülow/Hagemann II, S. 349 f.; Schmid II, S. 256 ff.

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zentration, die ein wichtiges Anliegen des Oberappellationsgerichts war,24 und damit der Beschleunigung des Verfahrens.25

3.  Die litis contestatio und ihre Bedeutung im Celler Prozeßrecht Von zentraler Bedeutung in der Theorie des gemeinen Prozeßrechts war die litis contestatio, die auch als Streit- oder Kriegsbefestigung bezeichnet wurde.26 Mit ihr entstand das Prozeßrechtsverhältnis zwischen den Parteien, und der Rechtsstreit trat in das Stadium der kontradiktorischen Verhandlung zur Sache ein.27 Sie war ursprünglich die Kundgabe der Streitabsicht, mit der die Parteien gleichsam durch Vertrag28 den Rechtsstreit der Entscheidungsmacht des Gerichts unterwarfen. Unterblieb sie, so konnte in den älteren Zeiten kein Prozeß stattfinden; auch konnte sie nicht unmittelbar erzwungen werden. Gegen den Beklagten wurde aber durch Verhängung der Acht oder Beschlagnahme des Vermögens mittelbarer Zwang ausgeübt.29 Dies änderte sich 1654 mit dem Jüngsten Reichsabschied. Nunmehr konnte das Gericht die litis contestatio fingieren, wenn sich der Beklagte nicht einließ, und gegen ihn im Kontumazialverfahren (Versäumnisverfahren) entscheiden.30 Die litis contestatio bestand schließlich regelmäßig nur noch in der Einlassung des Beklagten, ohne ausdrücklich erklärt zu werden. Ausdrückliche Erklärungen einer generellen litis contestatio gab es seit dem Jüngsten Reichsabschied jedenfalls an den Reichsgerichten nicht mehr.31 Die Beteiligung des Klägers an diesem ursprünglich von beiden Parteien vorgenommenen Rechtsinstitut trat in den Hintergrund.32 Gleichwohl hielt das Schrifttum noch im 18. Jahrhundert vielfach an dem hergebrachten Vertragsgedanken fest.33 Die 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

Jessen, Einfluß, S. 162 f. Jessen, Einfluß, S. 163; allgemein Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 146. Vgl. Braun, in: Bülow, Zivilprozeßrecht, S. 18 f. Schlinker, Die Litis Contestatio im Kameralprozeß, S. 151. Zur Vertragsnatur der litis contestatio Schlinker, Litis Contestatio, S. 103 f. Die mittelalterliche Rechtstheorie sah in dem Vertragscharakter keinen Widerspruch zur hoheitlichen Gewalt des Gerichts. § 22 RKGO 1495 = Sammlung der Reichs-Abschiede II, S. 9; Schlinker, Litis Contestatio, S. 245; ders., Die Litis Contestatio im Kameralprozeß, S. 155. Schlinker, Litis Contestatio, S. 497 ff.; ders., Die Litis Contestatio im Kameralprozeß, S. 157. Jessen, Einfluß, S. 180; vgl. Oestmann, Art. Einlassung, HRG I, 2. Auflage, Sp. 1300; Schlinker, Die Litis Contestatio im Kameralprozeß, S. 149 f. Schlinker, Litis Contestatio, S. 469 ff.; Sellert, Art. Litis contestatio, HRG II, Sp. 16; Sohm, S. 210 f. Schlinker, Litis Contestatio, S. 469 ff.



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Bedeutung der Streitbefestigung bestand nunmehr in erster Linie darin, daß sie den Streitgegenstand festlegte.34 Auch am Oberappellationsgericht gab es ausweislich der untersuchten Prozeßakten keine generelle Erklärung der Streitbefestigung mehr. Gleichwohl galt sie in gewandelter Gestalt bis ins 19. Jahrhundert als Kernstück des Zivilprozesses.35 In der Rechtsmittelinstanz konnten für die Streitbefestigung Besonderheiten gelten. Die Oberappellationsgerichtsordnung regelte die litis contestatio lediglich insofern, als der Rechtsmittelgegner innerhalb einer vierwöchigen Frist nach der Ladung (citatio) „seine dagegen habende Nothdurfft, litem contestando & excipiendo, ohnfehlbar einbringen“ mußte.36 Die litis contestatio wurde also dadurch herbeigeführt, daß der Rechtsmittelgegner sich in der Sache einließ und seine Einwendungen gegen das Rechtsmittel vorbrachte. Eine Einlassung des (Rechtsmittel-) Beklagten gab es indes nur, wenn das Gericht auf förmlichen Plenarprozeß erkannte und weitere Ausführungen der Parteien für erforderlich erachtete. In allen anderen Fällen entschied es, wie noch näher darzustellen sein wird,37 ohne Anhörung der Gegenseite nur auf Grund der Rechtsmittelbegründung, des angegriffenen Urteils und gegebenenfalls der Akten der Vorinstanz. Da in der Mehrzahl der Fälle kein Plenarprozeß durchgeführt wurde und das Gericht auch im förmlichen Prozeß Ausführungen der Parteien oftmals als entbehrlich ansah, kam es meist nicht zur Einlassung des Beklagten und damit auch nicht zur litis contestatio. Unter den 443 untersuchten Prozeßakten des Lauenburger Bestandes wurde in 41 Fällen der förmliche Plenarprozeß durchgeführt. Nur in zehn Verfahren kam es zu weiteren Ausführungen der Parteien und damit zur Einlassung des Beklagten und zur Streitbefestigung.38 Diese muß somit im Verfahren des Celler Gerichts als Ausnahme gelten. Insofern wich die Oberappellationsgerichtsordnung von der Praxis des Reichskammergerichts ab: Dieses sah die litis contestatio stets als erforderlich an,39 während sie nach römisch-kanonischem Prozeßrecht in der Rechtsmittelinstanz entbehrlich war, soweit sie bereits in der ersten Instanz vollzogen worden war.40 Letztere 34 35 36 37 38 39

Danz, S. 297; Schlinker, Litis Contestatio, S. 477 f. Sellert, Art. Litis Contestatio, HRG II, Sp. 16 ff. Th. II Tit. 3 § 16 OAGO = CCCal. II, S. 82. Siehe unten S. 163 f., 174. Vgl. Anh. Tab. 4. Schlinker, Die Litis Contestatio im Kameralprozeß, S. 140, 160 f. Am Ende des Alten Reiches sprachen die Parteien nicht mehr ausdrücklich von der litis contestatio. Inhaltlich gab es sie aber weiterhin, da sie in der Einlassung des Beklagten aufgegangen war; Wiggenhorn, S. 205. 40 Schlinker, Litis Contestatio, S. 368, 392; ders., Die Litis Contestatio im Kameralprozeß, S. 161; zum Reichskammergericht Obrecht, Kap. 4, Nr. 39: „At hodie aliud observatur. Nam in omnibus causis, quae per appellationem ad Camerale ju-

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Gerichtliches Verfahren und Prozeßdauer

Ansicht vertrat auch Mevius, der Autor der Wismarer Tribunalsordnung von 1657.41 Die geringe Bedeutung der litis contestatio in Celle geht somit vermutlich auf das Wismarer Vorbild zurück.

4.  Das weitgehende Verbot der Aktenversendung Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung in den Reichsterritorien der Frühen Neuzeit wurde maßgeblich durch das Rechtsinstitut der Aktenversendung an Juristenfakultäten geprägt. Die Aktenversendung trat im 16. Jahrhundert an die Stelle des mittelalterlichen Rechtszugs an einen Oberhof.42 Sie wurde erstmals 1532 in Art. 219 der Peinlichen Gerichtsordnung Karls  V. (Constitutio Criminalis Carolina)43 für Strafsachen vorgesehen und erfuhr eine allgemeine Regelung in § 16 des Speyerer Deputationsabschieds von 160044, die allerdings zunächst auf Fälle beschränkt war, in denen die Appellationssumme nicht erreicht war. Die verbindliche Wirkung von Rechtssprüchen der Juristenfakultäten ordnete erstmals § 85 des Speyerer Reichsabschieds von 157045 an. So entwickelte sich allmählich die Praxis, die Akten eines Rechtsstreits entweder von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei an eine Juristenfakultät zu verschicken. Diese arbeitete ein Gutachten und einen Urteilsvorschlag aus, den das Gericht regelmäßig als endgültiges Urteil über-

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dicium devolvuntur, necessaria est litiscontestatio: sive a sententia definitiva, sive interlocutoria fuerit appellatum: nec sufficit, eam in prima instantia factam fuisse […].“ So auch Schmid III, S. 480 f. Mevius II, S. 15 f. Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 464; Klugkist, JZ 1967, 155 ff.; Lück, Spruchtätigkeit, S. 17 ff. Schroeder, S. 127. Vgl. Lück, Spruchtätigkeit, S. 33. „Es soll aber den Unterthanen unbenommen seyn, sondern frey stehen, da sie unter benannter Summa der dreyhundert Reichs-Güldener, darvon nicht appellirt werden mag, sich beschwert zu seyn befinden, solche ihre Beschwerde und gravamina per viam supplicationis an ihre ordentliche Oberkeit und Herrschafften in gebührender Zeit Rechtens anzubringen, welche auch schuldig seyn sollen dieselbe anzunehmen, und per modum Revisionis ex eisdem actis […] endlich zu entscheiden oder aber nach Gelegenheit einer jeden Sachen, und da es von einer oder der andern Parthey begehrt wird, und erhebliche Ursachen vorhanden wären, auf einer Universität, oder aber zweyen oder dreyen Rechts-Gelehrten ad revidendum zu überschicken.“ = Sammlung der Reichs-Abschiede III, S. 476. Vgl. Lück, Spruchtätigkeit, S. 37. „[…] daß solche neun Räthe auch Macht haben sollen, die beschlossene Sach und Acten mit Bewilligung beyder Partheyen, auf ein unpartheyische Universität um Verfassung deß Urtheils, zu schicken, doch sollen sie das verfast Urtheil in ihrem selbst Namen eröffnen und außsprechen.“ = Sammlung der Reichs-Abschiede III, S. 299. Vgl. Lück, Spruchtätigkeit, S. 36.



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nahm.46 Durch diese Funktion der Juristenfakultäten erlangte die Rechtslehre starken Einfluß auf die Rechtsprechung.47 Im 17. Jahrhundert war die Aktenversendung Gegenstand sämtlicher Kanzlei- und Hofgerichtsordnungen.48 Noch im 18. Jahrhundert war sie ein fester Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens.49 Gleichwohl wurde sie in etlichen Territorien zurückgedrängt, da die Versendung insbesondere an ausländische Fakultäten der Festigung einer zentralisierten Territorialjustiz im Wege stand.50 Dem Vorbild des Wismarer Tribunals folgend, an dem das Verbot der Aktenversendung mit dem hohen Rang des Gerichts begründet wurde,51 schloß auch die Oberappellationsgerichtsordnung die Aktenversendung grundsätzlich aus:52 „Wie bey den höchsten Reichs-Gerichten nicht üblich, die Acta zu Abfassung einer Urthel ad Extraneos zu verschicken; also sollen auch regulariter bey diesem Unserm Ober-Appellations-Gericht, als welches allemahl mit tüchtigen, qualificirten erfahrnen Persohnen besetzet werden soll, und da diejenige, so einige Zeit in solchen Gericht gesessen, des Landes Sitten, Rechte und Gewohnheiten am besten wissen, keine Acta auf Universitäten verschicket, noch einen Theil solches zu bitten, verstattet werden.“

Eine Ausnahme gab es nur für den Fall von Stimmengleichheit im Plenum.53 Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, daß die einzige landeseigene Universität Georgia Augusta in Göttingen54 erst 1737 gegründet wurde und eine Aktenversendung innerhalb des Landes daher zunächst nicht möglich war.

46 Buchda, Art. Aktenversendung, HRG I, Sp. 85; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 463 f.; Oestmann, Art. Aktenversendung, HRG I, 2. Auflage, Sp. 128 ff.; Stölzel I, S. 225 ff.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 181. Ausführliche Darstellung des Verfahrens bei der Aktenversendung bei Lück, Spruchtätigkeit, S. 39 ff. 47 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 340; Gehrke, S. 18; Mitteis/Lieberich, S. 331; zur quantitativen Bedeutung der Aktenversendung Kroeschell, Rechtsgeschichte III, S. 51. 48 Schikora, S. 83. 49 Klugkist, Juristenfakultät, S. 13. 50 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 464; Mitteis/Lieberich, S. 331; Oestmann, Art. Aktenversendung, EdN I, Sp. 167. 51 Modéer, Gerichtsbarkeiten, S. 475. 52 Th. II Tit. 13 § 9 OAGO = CCCal. II, S. 148. 53 Th. II Tit. 12 § 14 OAGO = CCCal. II, S. 142 f., vgl. unten S. 173; ein solcher Fall hat sich nie ereignet: Gunkel, S. 153. 54 Auch die Göttinger Juristenfakultät erlangte Bedeutung als Spruchkollegium; dabei wurde sie meist von unteren braunschweig-lüneburgischen Gerichten im Wege der Aktenversendung angerufen; Klugkist, Juristenfakultät, S. 25; Oestmann, Rechtsvielfalt, S. 596.

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Gerichtliches Verfahren und Prozeßdauer

II.  Verfahrensart und sachliche Zuständigkeit Das Oberappellationsgericht war, wie schon sein Name ausdrückt, in erster Linie für Appellationen gegen Entscheidungen der Justizkanzleien, Hofgerichte und Konsistorien1 sowie besonderer landesherrlicher Kommissionen zuständig.2 Die Appellation war ein ordentliches Rechtsmittel mit suspensiver und devolutiver Wirkung und ermöglichte eine erneute Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits.3 Sie eröffnete damit im Grundsatz eine weitere Tatsacheninstanz. Appellationsverfahren bilden den Schwerpunkt in den 443 untersuchten Prozeßakten des Lauenburger Bestandes. In mehr als 80 Prozent der Verfahren bediente sich eine Partei dieses Rechtsmittels. In noch einmal knapp zehn Prozent der Fälle verband der Rechtsmittelführer die Appellation mit der Nichtigkeitsbeschwerde4 und in einem mit der Beschwerde wegen verweigerter oder verzögerter Justiz.5 In zehn Rechtsmittelverfahren war die Art des eingelegten Rechtsmittels nicht erkennbar. Darüber hinaus hatte das Gericht in der Rechtsmittelinstanz über die Nichtigkeitsbeschwerde (querela nullitatis)6 und die Beschwerde wegen Rechtsverweigerung und -verzögerung (querela denegatae vel protractae iustitiae)7 gegen Erkenntnisse jener Gerichte zu entscheiden. In der Mehrzahl der Fälle wurde die Nichtigkeitsbeschwerde mit der Appellation verbunden. Isoliert wurde sie sechsmal erhoben. Der Verbund mit der Appellation war bei der Nichtigkeitsbeschwerde somit die Regel, bei der Beschwerde wegen verweigerter oder verzögerter Justiz hingegen die Ausnahme, denn letztere wandte sich meist gegen ein Gericht, das noch keine appellationsfähige Entscheidung gefällt hatte. Von ihr wurde isoliert 13mal Gebrauch gemacht. Eine dieser insgesamt 14 Beschwerden gelangte im Jahre 1748 an das Gericht, eine 1767 und eine 1781. Die übrigen elf wurden ab 1788 eingelegt. Die Neigung, diesen Rechtsbehelf zu ergreifen, nahm offensichtlich am Ende des 18. Jahrhunderts zu. Das Oberappellationsgericht half solchen Beschwerden meistens ab, indem es ein rescriptum de administranda iustitia an das entsprechende Gericht erließ und dieses damit anwies, in der Sache

1 Zur Appellabilität von gerichtlichen Entscheidungen der Konsistorien vgl. oben S. 26; Jessen, Einfluß, S. 153–156. 2 Th. II Tit. 1 §§ 1, 3, 4 OAGO = CCCal. II, S. 61 ff. 3 Weitzel, Art. Appellation, HRG I, 2. Auflage, S. 268. 4 Zur Möglichkeit, die Nichtigkeitsbeschwerde mit der Appellation zu verbinden, P. Simon, S. 323 ff.; Skedl, S. 91 ff. 5 Vgl. Anh. Tab. 2. 6 Th. II Tit. 1 § 11 OAGO = CCCal. II, S. 68 ff.; Jessen, Einfluß, S. 149 f. 7 Th. II Tit. 1 § 10 OAGO = CCCal. II, S. 67 f.



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tätig zu werden.8 Diese Beschwerden gegen nachgeordnete Gerichte sind ein Beweis für das Vertrauen, das die Rechtsuchenden dem höchsten Gericht in Celle entgegenbrachten. Zugleich sind sie ein Indiz für die Unparteilichkeit der Celler Rechtsprechung, die nicht voreingenommen zugunsten der Landesbehörden war. Erstinstanzliche Zuständigkeiten hatte das Oberappellationsgericht in Fällen, die, vor allem wegen überörtlicher Bezüge, dem Kompetenzbereich nur eines untergeordneten Gerichts nicht zugeordnet werden konnten,9 sowie als privilegierter Gerichtsstand der Gerichtsangehörigen. Dieses privilegierten Gerichtsstandes genossen nach dem Wortlaut der Oberappellationsgerichtsordnung10 eigentlich nur die Richter sowie deren in Celle wohnhafte Witwen. Die gerichtliche Praxis dehnte diese Vorschrift aber dergestalt aus, daß der privilegierte Gerichtsstand allen Mitgliedern und Adjunkten des Gerichts sowie deren Frauen, Kindern und Hausangestellten zustand. Die Regelung beruhte auf dem Vorbild der Reichsgerichte und des Wismarer Tribunals. Sie diente der Wahrung der Würde des höchsten Gerichts.11 Im Lauenburger Aktenbestand hatten nur 15 Verfahren – gut drei Prozent – erstinstanzliche Klagen zum Gegenstand. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, daß der privilegierte Gerichtsstand der in Celle wohnhaften Gerichtsangehörigen im Herzogtum Lauenburg nicht einschlägig war. Hier kamen erstinstanzlich beim höchsten Gericht zu erhebende Klagen daher nur in wenigen Fällen in Betracht. In dieser Hinsicht kann die Auswertung der Prozeßakten also nicht für die gesamte Tätigkeit des Gerichts repräsentativ sein. Für Strafsachen war das Gericht nur in wenigen Fällen zuständig, da das Rechtsmittel der Appellation hier wie an den Reichsgerichten12 und dem

8 Th. II Tit. 1 § 10 OAGO = CCCal. II, S. 67 f.; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 295 f. Ein solches Reskript erließ das Gericht in zehn der 14 Fälle dieses Rechtsbehelfs. In drei Fällen war die Beschwerde erfolglos, in einem teilweise erfolgreich. 9 Th. II Tit. 1 §§ 8, 9 OAGO = CCCal. II, S. 67; Oesterley, Grundriß, S. 27 f.; ders., Handbuch II, S. 162 ff. 10 Th. II Tit. 1 § 7 OAGO = CCCal. II, S. 67. 11 Von Bülow II, S. 271 ff.; von Bülow/Hagemann III, S.  334–337; Gunkel, S. 103 ff.; Jessen, Einfluß, S. 150 f. 12 § 95 des Augsburger Reichsabschieds von 1530 = Sammlung der Reichs-Abschiede II, S. 321; Th. II Tit. 28 § 5 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 206; Szidzek, S. 29; Weitzel, Art. Appellation, HRG I, 2. Auflage, Sp. 270. Diese reichsrechtliche Regelung wurde generell auch in den Territorien angewandt, Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 432.

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Gerichtliches Verfahren und Prozeßdauer

Wismarer Tribunal13 nicht statthaft war.14 Mit dem Strafrecht kam es daher nur im Wege der Nichtigkeitsbeschwerde und kraft des nicht auf Zivilsachen beschränkten15 privilegierten Gerichtsstandes der Gerichtsangehörigen in Berührung. Darüber hinaus ließ die gerichtliche Praxis in Strafsachen Adliger die Revision an das Oberappellationsgericht zu, und in Fällen, in denen das Strafmaß nicht gesetzlich bestimmt war, konnte der Delinquent Appellation an das oberste Gericht einlegen.16 Zeitliche Entwicklungstendenzen hinsichtlich des Anteils der einzelnen Verfahrensarten konnten bei der Aktenauswertung – abgesehen von der Beschwerde wegen Rechtsverweigerung – nicht beobachtet werden. Als Ergebnis bleibt in erster Linie festzuhalten, daß das Oberappellationsgericht, anders als der Reichshofrat17 und ausgeprägter als das Reichskammergericht18, ganz überwiegend als Rechtsmittelinstanz fungierte und die Appellationsverfahren den Hauptteil seiner Tätigkeit ausmachten.

13 Th. II Tit. 1 § 14 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 53 f.; Modéer, Gerichtsbarkeiten, S. 366. 14 Th. II Tit. 1 § 2 OAGO = CCCal. II, S. 61 f.; Gunkel, S. 139; Hagemann, Ordnung, S. 71 f. Note 1. 15 Von Bülow II, S. 279. 16 Von Bülow/Hagemann III, S.  353–357; Jessen, Einfluß, S.  153; Krause, Strafrechtspflege, S. 163 ff. 17 Für den Reichshofrat geht von Gschliesser, S. 35 davon aus, daß nur ungefähr 25–33 Prozent der Streitigkeiten Appellationsverfahren waren. 18 Nach der Analyse von Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 203, II, S. 396 ff. waren am Reichskammergericht Ende des 16. Jahrhunderts ungefähr die Hälfte der Verfahren Appellationssachen. Dies hat die Untersuchung Baumanns für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts bestätigt; Baumann, Gesellschaft, S. 62, 140. Im Zeitraum 1790–1805 standen am Reichskammergericht 2131 Mandats- und 417 Citationsgesuchen 2629 Appellationen gegenüber; Härter, Rekurs, S. 256.



Der Ablauf des Verfahrens

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III.  Der Ablauf des Verfahrens Das Verfahren des Oberappellationsgerichts war wie das des Reichskammergerichts1 und des Wismarer Tribunals2 in ein Extrajudizialverfahren und ein Judizialverfahren unterteilt.3 Im Extrajudizialverfahren, das mit der Einführung der Sache beim Oberappellationsgericht begann, prüfte dieses, ob das Rechtsmittel beziehungsweise die Klage anzunehmen oder bereits wegen Unzulässigkeit oder offenbarer Unbegründetheit ohne weiteres Verfahren „abzuschlagen“ war.4 Gegenstand des Extrajudizialverfahrens war also die Frage, ob der Kläger mit seinem Begehren überhaupt Gehör finden sollte.5 In diesem Stadium bestand ein Prozeßrechtsverhältnis nur zwischen dem Kläger und dem Gericht. Die Gegenseite wurde nicht angehört und erfuhr oftmals nicht einmal von der Anrufung der höheren Instanz.6 Erst, wenn das Gericht den Eintritt in das Judizialverfahren beschloß, indem es die Durchführung des förmlichen Plenarprozesses anordnete,7 sprach es die Ladung der Gegenseite (citatio) aus. Die Begrifflichkeiten entstammten der reichskammergerichtlichen Praxis: Dort wurden ursprünglich nur die Audienzen vor dem Richterplenum als iudicium bezeichnet. Daher hieß die Vorprüfung, in der noch keine Audienzen stattfanden, Extrajudizialverfahren.8

1.  Einleitung des Verfahrens (Extrajudizialverfahren) Das Appellationsverfahren9 begann mit der Einlegung des Rechtsmittels. Diese mußte innerhalb von zehn Tagen nach Verkündung des angefochte1 Dick, S. 203; Diestelkamp, Von der Arbeit, S. 301; Mohl, S. 202; Nève, Rechtshistorisches Journal 5 (1986), 77; Seeger, S. 31; Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 180; Wiggenhorn, S. 98, 105. 2 Modéer, Gerichtsbarkeiten, S. 364. 3 Th. II Tit. 3 §§ 1–4 OAGO = CCCal. II, S. 76–78. 4 Th. II Tit. 3 §§ 2, 3 OAGO = CCCal. II, S. 77; vgl. Wiggenhorn, S. 98; von Zwierlein I, S. 113 f. Nach Mohl, S. 209 war Gegenstand des Extrajudizialverfahrens die Frage, ob die Gerichtsbarkeit des angegangenen Gerichts begründet war. 5 Von Almendingen, S. 241; Stein, S. 369. 6 Wiggenhorn, S. 103; von Zwierlein I, S. 114. 7 Th. II Tit. 3 § 4 OAGO = CCCal. II, S. 77 f. 8 Wiggenhorn, S. 99; von Zwierlein I, S. 112 f. 9 Die Darstellung beschränkt sich im folgenden weitgehend auf das Rechtsmittel der Appellation. Erstinstanzliche Verfahren bildeten nur einen geringen Anteil des Prozeßaufkommens, und die Nichtigkeitsbeschwerde wurde meist mit der Appellation verbunden, so daß auch in diesen Fällen die Formvorschriften des Appella-

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Gerichtliches Verfahren und Prozeßdauer

nen Urteils dem iudex a quo oder unter Zeugen einem Notar erklärt werden.10 Dabei genügte es, allgemein ein unbenanntes Rechtsmittel einzulegen; der Rechtsmittelführer mußte sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf ein bestimmtes Rechtsmittel festlegen. Binnen dreißig Tagen hatte er aber dem iudex a quo die Wahl des bestimmten Rechtsmittels anzuzeigen.11 Die gerichtliche Praxis ließ entgegen der Oberappellationsgerichtsordnung12 auch die unmittelbare Einlegung der Appellation beim Oberappellationsgericht zu, die dieses anfangs noch zu verhindern gesucht hatte.13 In diesem Falle war eine spätere Wahl des Rechtsmittels allerdings nicht möglich. Innerhalb weiterer dreißig Tage hatte der Appellant, wenn er das Rechtsmittel beim vorinstanzlichen Gericht eingelegt hatte, dort eine Bescheinigung hierüber, den sogenannten Apostelbrief, und die Herausgabe der Akten zu erwirken.14 Der Apostelbrief (documentum factae interpositionis appellationis et requisitionis actorum) bescheinigte die Einlegung des Rechtsmittels und die Requisition der Akten.15 Der iudex a quo bestätigte mit ihm den ordnungsgemäßen Abschluß des vorinstanzlichen Verfahrens. Auch konnte er seine eigene Auffassung von der Begründetheit des Rechtsmittels darlegen.16 Hielt der iudex a quo die Appellation bereits für unzulässig, so konnte er dies ebenfalls im Apostelbrief ausführen, der diesfalls als apostoli refutatorii bezeichnet wurde.17

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tionsverfahrens zu beobachten waren; vgl. von Bülow II, S. 111. Zum Anteil der einzelnen Verfahrensarten am Prozeßaufkommen vgl. Anh. Tab. 2. Th. II Tit. 2 § 3 OAGO = CCCal. II, S. 72 f.; vgl. allgemein Jordan, Appellation, S. 390 f. Von Bülow II, S. 65 f.; Oesterley, Handbuch II, S. 303. Th. II Tit. 2 § 3 OAGO = CCCal. II, S. 72 f. Danach sollte die Einlegung der Appellation unmittelbar beim Oberappellationsgericht nur zulässig sein, wenn sonst die Zehntagesfrist nicht eingehalten werden konnte. 50. Gemeiner Bescheid vom 17. Dezember 1738 = Hagemann, Ordnung, S. 259 f.; von Bülow II, S. 64 f.; von Bülow/Hagemann III, S. 362–364; Jessen, Einfluß, S. 171. Th. II Tit 2 § 5 OAGO = CCCal. II, S. 73 f. Diese Regelung folgte, wie schon die Einlegung der Appellation innerhalb von zehn Tagen beim iudex a quo oder Notar und Zeugen, dem Vorbild des Reichskammergerichts und des Wismarer Tribunals: Th. II Tit.  29 §§ 2, 5, Tit. 30 § 1 RKGO 1555 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 207–209; Jessen, Einfluß, S.  172; Th. II Tit. 2 §§ 2–4 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 56. Th. II Tit. 2 § 7 OAGO = CCCal. II, S. 74 f. Dick, S. 201 f.; Jordan, Appellation, S. 392 f.; Merzbacher, Art. Apostelbrief, HRG I, Sp. 195 f. Von Bülow II, S. 60 f.; Hagemann, Ordnung, S. 98 Note 5; von Pufendorf, Introductio, S. 609. Vgl. allgemein zum Bedeutungsverlust des Apostelbriefes Danz, S. 593; Endemann, S. 921.



Der Ablauf des Verfahrens

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Entsprechend der Praxis der Reichsgerichte18 und dem gemeinen Prozeßrecht19 entwickelte sich der Gerichtsgebrauch dahin, daß das vorinstanzliche Gericht trotz des entsprechenden Antrags des Rechtsmittelführers die Akten nicht sogleich nach Einlegung des Rechtsmittels an das Oberappellationsgericht abgab. Vielmehr forderte dieses die Akten der Vorinstanz nur ein, wenn es dies für nötig hielt.20 In von vornherein eindeutigen Fällen entschied es über die Relevanz des Rechtsmittels im Interesse der Verfahrensbeschleunigung ohne Akteneinsicht und ohne Anhörung des Rechtsmittelgegners nur auf Grundlage des angegriffenen Urteils und der Rechtsmittelbegründung.21 Diese Verfahrensweise wurde zum Regelfall: Nur in elf der 41 Plenarprozesse des Lauenburger Bestandes forderte das Gericht die Akten ein, bevor es auf Prozeß erkannte. Die Bedeutung dieser wohl auf das Vorbild des Wismarer Tribunals zurückgehenden Praxis wird auch anhand der Geschäftsübersichten des Oberappellationsgerichts sichtbar: In den Jahren 1780–1782 ergingen danach 113 Hauptbescheide (Bescheide, durch die das Gericht ein Rechtsmittel entweder förmlich annahm oder die Annahme ablehnte und sofort in der Sache entschied) nach Einsichtnahme in die Akten der Vorinstanz; 1541 Hauptbescheide erließ das Gericht ohne vorherige Akteneinsicht. Im Zeitraum zwischen dem 27. Oktober 1800 und dem 7. November 1801 standen 54 Hauptbescheiden mit Einsicht der vorinstanzlichen Prozeßakten 753 Hauptbescheide ohne Akteneinsicht gegenüber. Diese Verfahrensweise diente der Vereinfachung und Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens in eindeutig zu entscheidenden Fällen. Die ordnungsgemäß eingelegte Appellation mußte der Rechtsmittelführer in der nächsten oder, wenn bis dahin weniger als vier Wochen Zeit blieben, der übernächsten Sitzungsperiode22 beim Oberappellationsgericht

18 Vgl. die von Oestmann edierte Reichskammergerichtsakte in Sachen Spilcker c/a Dr. Krohn aus den Jahren 1749–1756, in der die Vorakten ebenso wie am Celler Gericht nicht unmittelbar nach der Einführung des Rechtsmittels im Extrajudizialverfahren, sondern erst mit der Eröffnung des förmlichen Appellationsprozesses (Beginn des Judizialverfahrens) eingefordert wurden; Oestmann, Zivilprozeß, S. 53. 19 Gönner III, S. 326; Jordan, Appellation, S. 394. 20 22. Gemeiner Bescheid vom 10. Juni 1717 = Hagemann, Ordnung, S.  240  f.; Oesterley, Handbuch II, S. 331. 21 Jessen, Einfluß, S. 172; vgl. Th. II Tit. 3 § 4 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 58 f. 22 Die Tätigkeit des Gerichts war in jährlich vier ordentliche und vier außerordentliche Sitzungsperioden (Diäten oder Juridiken) eingeteilt. Diese Einteilung beruhte darauf, daß das Gericht ursprünglich nicht ständig tagen, sondern nur zu diesen Sitzungsperioden zusammentreten sollte. Wegen des hohen Prozeßaufkommens begann das Gericht aber schon bald nach seiner Gründung, ständig zu tagen. Die

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einführen.23 Mit der Einführung begann das Extrajudizialverfahren.24 Sie bestand aus der Einreichung der Appellationsschrift mit dem angegriffenen Urteils und dem Apostelbrief sowie dem Antrag, die Akten der Vorinstanz einzufordern und der Appellation stattzugeben. Ursprünglich war der Antrag stets darauf gerichtet, auf die Durchführung des förmlichen Plenarprozesses zu erkennen. Als das Gericht aber ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts offensichtlich begründeten Appellationen häufig ohne förmlichen Prozeß durch ein Reskript an den Vorderrichter stattgab, wurde oftmals ausdrücklich der Erlaß eines solchen Reskripts beantragt.25 Grundsätzlich hatte der Rechtsmittelführer die Appellation im Interesse der Verfahrensbeschleunigung gleichzeitig mit ihrer Einführung zu rechtfertigen.26 Die Rechtfertigungsschrift, die als Appellationslibell bezeichnet wurde, bestand aus der Schilderung des Falles, der Begründung der Appellation und der Angabe der Beweismittel.27 Die Bezugnahme auf die Vorakten genügte nicht.28 Wurde die Appellation nicht sofort gerechtfertigt, so gewährte das Gericht aber auf Antrag großzügig Fristverlängerungen, die das Verfahren zuweilen erheblich in die Länge zogen.29

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Fristberechnungen richteten sich indes weiterhin nach den Sitzungsperioden; von Bülow I, S. 47. Th. II Tit. 2 § 7 OAGO = CCCal. II, S. 74 f.; Oesterley, Handbuch II, S. 341 f. Vgl. Wiggenhorn, S. 98. Vgl. von Bülow II, S. 82 Note 31. Solche Anträge finden sich beispielsweise – überprüft wurden alle Verfahren, in denen ein rescriptum de emendando erging – in den Verfahren LS Abt. 216, Nrn. 13, 60, 63, 77, 85, 90, 91, 92, 202, 203, 206, 230, 239, 269, 327, 374, 375, 387, 397, 399, 482, 577, 633, 650, 656, 661, 739, 745, 759, 839, 925, 933, 941, 944, 953, 984, 1141, 1152, 1155, 1210. Oesterley, Handbuch II, S. 333. Von Bülow II, S. 79 ff.; Jessen, Einfluß, S. 174. LS Abt. 216, Nr. 839; vgl. Th. II Tit. 3 § 13 OAGO = CCCal. II, S. 80. Ahrens, S. 340; Jessen, Einfluß, S. 174. Dieser großzügige Umgang mit Fristverlängerungen nicht nur bei der Appellationsrechtfertigung entsprach der reichskammergerichtlichen Praxis (Wiggenhorn, S. 254; vgl. § 50 des Visitationsabschieds von 1713 = Sammlung der Reichs-Abschiede IV, S. 271, der diese Praxis wohl vergeblich einzuschränken suchte, sowie den Gemeinen Bescheid vom 18. März 1785, die Verbesserung des Extrajudicialprocesses betreffend, abgedruckt bei Vahlkampf II/2, S. 189, 191). Er wurde auch bei der Auswertung der Prozeßakten im Landesarchiv Schleswig sichtbar. Von einer Detailuntersuchung dieser gerichtlichen Praxis wurde aber in Anbetracht des damit verbundenen Aufwandes abgesehen, da von einer solchen keine weiterführenden Erkenntnisse zu erwarten waren. Vgl. die unten S. 183 ff. dargestellte Appellationssache des Amts Ratzeburg gegen die Ritterund Landschaft des Herzogtums Lauenburg wegen Exemtion vom Brückengelde (LS Abt. 216, Nr.  800). Die Gerichtsreform von 1818 suchte die Verfahrensverzögerung durch häufige Fristverlängerungen einzuschränken, indem Abschnitt IV §  1 der Verordnung, die veränderte und verbesserte Einrichtung des Ober-Ap-



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Die ordnungsgemäß eingelegte, eingeführte und gerechtfertigte Appellation gelangte sodann an den Präsidenten, der zwei Richter zu Referenten und Korreferenten bestimmte. Diese bereiteten die Entscheidung vor, die in den ersten beiden Jahrzehnten das Plenum, nach der Einteilung der Richterschaft in zwei Senate durch die Gerichtsreform des Jahres 173330 der jeweilige Senat durch Stimmenmehrheit31 zu fällen hatte.32 Die Aufteilung der Sachen auf die Senate richtete sich nach dem Ort des Gerichts der Vorinstanz und war dadurch abstrakt festgelegt, während die Auswahl der Referenten und Korreferenten im freien Ermessen des Präsidenten lag. Die Senatsentscheidung mußte, anders als die Entscheidungen des Plenums, nicht durch ausführliche Relationen vorbereitet werden. In den meisten Fällen erging sie weniger als zwei Wochen nach Einreichung der Rechtfertigungsschrift.

2.  Entscheidung des Gerichts über den beantragten Prozeß a)  Allgemeines Erachtete der Senat vor einer Entscheidung über den Antrag des Appellanten, auf Prozeß zu erkennen, eine Einsichtnahme in die Akten der Vorinstanz für notwendig, so forderte er von dieser vorab die Akten ein.33 Dies geschah aber, wie gezeigt, nur selten. Andernfalls befand der Senat sogleich darüber, ob die Appellation zur Durchführung des Prozesses anzunehmen war oder sofort über sie entschieden werden konnte. Bei eindeutiger Sach- und Rechtslage konnte das Gericht über Klagen und Rechtsmittel bereits im Extrajudizialverfahren durch einfaches Dekret

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pellations-Gerichts betreffend, vom 31. Juli 1818 = Hagemann, Ordnung, S. 224, anordnete, daß stets nur noch eine Fristverlängerung gewährt werden und diese von einer hinlänglichen Begründung abhängig gemacht werden sollte. Hagemann, S. 224 Note 1 berichtet, daß diese Vorschrift streng befolgt worden sei. Anhand von Gerichtsakten läßt sich dies nicht mehr verifizieren, da der erhaltene Aktenbestand auf den Zeitraum 1747–1816 beschränkt ist. Reglement wegen verbesserter Einrichtung des Ober-Appellations-Gerichts vom 31. März 1733 = CCCal. II, S. 180–186, Original in NHStA Hann. 26a, Nr. 4788, S. 101 ff.; von Bülow I, S. 59 ff. Kam im Senat keine Stimmenmehrheit zustande, so hatte das Plenum zu entscheiden. Gleiches geschah, wenn ein Senatsmitglied wegen der Wichtigkeit der Sache „an das Plenum provozierte“; § 5 des Reglements wegen verbesserter Einrichtung des Ober-Appellations-Gerichts vom 31. März 1733 = CCCal. II, S. 182, Original in NHStA Hann. 26a, Nr. 4788, S. 101 ff.; von Bülow II, S. 208–210. Detaillierte Darstellung des Geschäftsganges in den Senaten bei von Bülow  II, S. 167 ff. Von Bülow II, S. 187.

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oder abänderndes Reskript (rescriptum de emendando) an den iudex a quo endgültig entscheiden, ohne auf Durchführung des langwierigen förmlichen Plenarprozesses zu erkennen. Diese zeitsparende Verfahrensweise war in der Oberappellationsgerichtsordnung nur teilweise geregelt. In der Praxis des Gerichts gelangte sie aber zu zentraler Bedeutung und wurde spätestens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Regelfall gerichtlicher Entscheidungen. Während ein Urteil (sententia) ein nach förmlichem Verfahren und vollständiger Durchdringung des Rechts- und Tatsachenstoffs gefälltes gerichtliches Erkenntnis war, war ein Bescheid (decretum) eine grundsätzlich nur prozeßleitende Entscheidung auf Antrag einer Partei ohne Anhörung der Gegenseite. Dekrete konnten aber als endgültige Entscheidung über ein Rechtsmittel und damit faktisch wie ein Urteil wirken, wenn das Gericht im Extrajudizialverfahren beschloß, ein zum Urteil führendes förmliches Verfahren nicht durchzuführen.34 Die Entscheidungen im Extrajudizialverfahren ergingen stets ohne Anhörung der Gegenseite. Denn vor deren Ladung, die nur ausgesprochen wurde, wenn es zum förmlichen Verfahren kam, bestand ein Prozeßrechtsverhältnis nur zwischen dem Rechtsmittelführer und dem Gericht.35 Diese Verfahrensweise war unproblematisch, wenn das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit oder offensichtlicher Unbegründetheit „abgeschlagen“ wurde. In diesen Fällen konnte der nicht gehörte Gegner durch eine solche Entscheidung nicht in seinen Rechten verletzt werden. Wurde dem Rechtsmittel hingegen ohne Anhörung der Gegenseite stattgegeben, so stellt sich die Frage nach dem rechtlichen Gehör. Diesem im gemeinen Zivilprozeß allgemein anerkannten Grundsatz36 wurde in solchen Fällen lediglich dadurch Rechnung getragen, daß der unterlegene Gegner nach Erlaß der Entscheidung gegen diese vorgehen konnte, indem er die Entscheidungsgründe in seinem Sinne entkräftete (emendatio libelli/elisio rationum decidendi).

34 Die Terminologie der Urteile, Bescheide und Dekrete im gemeinen Prozeßrecht war nicht einheitlich; vgl. zum Reichskammergericht Wiggenhorn, S. 103. Die für das Oberappellationsgericht Celle geltende Differenzierung kann daher nicht zwingend auf die Entscheidungen anderer Gerichte übertragen werden. Vgl. allgemein Endemann, S. 518 f., der zwischen Sentenzen als End- und Haupterkenntnissen, Interlokuten als Zwischenerkenntnissen und Dekreten als auf einseitigen Antrag einer Partei ohne Verhandlung ergangenen Bescheiden differenziert. 35 Vgl. Wiggenhorn, S. 103. 36 Vgl. Becker, Gehör, S. 67 ff.; Uhlhorn, Art. Rechtliches Gehör, HRG IV, Sp. 253 ff.; siehe auch Wassermann, S. 91 ff.



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b) Mögliche Entscheidungen im Extrajudizialverfahren Hatte der Rechtsmittelführer bereits die bei der Einlegung, Einführung und Rechtfertigung der Appellation zu beobachtenden Fristen und Formalien nicht eingehalten, so wies das Gericht das Rechtsmittel durch ein decretum desertorium als desert ab.37 Auch ein Mangel der Appellationssumme38 hatte ein sofortiges abweisendes Dekret zur Folge.39 Der Erfolg eines hiergegen eingelegten Wiedereinsetzungsantrags hing davon ab, ob das Gericht das Rechtsmittel als erheblich betrachtete.40 Waren zwar die Vorschriften über Fristen, Formalien und die Appellationssumme eingehalten, war das Rechtsmittel aber aus einem anderen Grunde unzulässig oder bereits unschlüssig, so schlug das Gericht es entweder sofort oder nach vorheriger Einsicht der Akten – ob das Gericht be37 Th. II Tit. 2 §§ 9, 10, Tit. 3 § 2 OAGO = CCCal. II, S. 75, 77; von Bülow II, S. 70 f., 79; Oesterley, Handbuch II, S. 355. Vgl. zum Reichskammergericht Dick, S. 207; Wiggenhorn, S. 158. Zum Wismarer Tribunal Th. II Tit. 2 § 6 WTO 1657 = Schw.dt. GO, S. 57. 38 Die Appellationssumme betrug nach Th. II Tit. 2 § 1 OAGO = CCCal. II, S. 72 grundsätzlich 500 Reichstaler. Für arme Parteien betrug sie nach Th. II Tit. 2 § 2 OAGO (ebenda) nur 200 Reichstaler. Für Appellationen aus Bremen-Verden betrug sie wie bereits zur Zeit der schwedischen Herrschaft und des Wismarer Tribunals generell 200 Reichstaler und für Stade, Buxtehude sowie das Herzogtum Lauenburg 400 Reichstaler; von Bülow II, S. 86 ff.; Hagemann, Ordnung, S. 94 Note 1; Oesterley, Handbuch II, S. 321 ff.; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 246 ff. Die Appellationssumme von 400 Reichstalern für das Herzogtum Lauenburg ergab sich aus dem Landesrezeß von 1702, dessen Privilegien durch die Zuständigkeit des Celler Gerichts nicht berührt werden sollten; Vorstellung der lauenburgischen Ritter- und Landschaft vom 11. September 1747, LS Abt. 210, Nr. 1451; königliches Reskript an die lauenburgische Ritter- und Landschaft vom 15. September 1748, LS Abt. 210, Nr. 1451, auch in LS Abt. 65.3, Nr. 53. I. 39 Die rechtstechnische Einordnung dieses abweisenden Dekrets ist unklar. Spangenberg, Oberappellationsgericht, S.  306 bezeichnet es als decretum denegatorium, wobei er sich auf die Verhältnisse nach der Gerichtsreform von 1818 bezieht; so auch Gunkel, S. 141. Von Bülow II, S. 85 f. äußert sich nicht zur Natur der Abweisung wegen Fehlens der Appellationssumme. Nach von Bülow II, S. 411 Note 28 war ein denegatorium lediglich ein Bescheid, durch den ein anderes Gesuch als die Appellations-Beschwerde verworfen wurde; demnach käme ein decretum denegatorium bei Fehlen der Appellationssumme nicht in Betracht. Entgegen Jessen, Einfluß, S. 175 – dessen Verweis auf Gunkel ist insofern unrichtig – dürfte es sich auch nicht um ein decretum desertorium gehandelt haben, denn ein solches erging nur bei Fehlen der sub poena desertionis vorgeschriebenen (Th. II Tit. 2 § 9 OAGO = CCCal. II, S. 75) Fristen und Formalien, zu denen die Appellationssumme nicht zählte. 40 Oesterley, Handbuch II, S. 355.

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reits außerhalb des förmlichen Plenarprozesses die Akten der Vorinstanz anforderte, lag in seinem Ermessen – ohne Anhörung der Gegenseite durch decretum reiectorium ab.41 Die Oberappellationsgerichtsordnung verfügte hierzu: „Wären aber die Formalia richtig, die narrata libelli hingegen angeführter massen notorie nicht so beschaffen, sondern erschiene daraus so viel, daß, wann schon die Sache denenselben nach sich verhielte, es doch bey der Sententia a qua sein Verbleiben haben müste, sind die AppellationsProcesse alsofort ex hoc capite abzuschlagen.“42 Seit 1733 mußte das Gericht diese Entscheidung in Abweichung von der Praxis der Reichsgerichte begründen.43 Einen etwaigen Mißbrauch des Rechtsmittels konnte es durch Geldstrafen gegenüber der Partei und ihrem Advokaten sowie die an diesen gerichtete Anordnung, jener in der Sache nichts in Rechnung zu stellen, ahnden.44 Da das Gericht unzulässige Rechtsmittel stets im Extrajudizialverfahren durch Dekret abwies, gab es – zumindest im Lauenburger Aktenbestand – keine im Judizialverfahren ergangenen förmlichen Prozeßurteile über die Unzulässigkeit.45 Damit ist freilich nicht zwingend ausgeschlossen, daß das Oberappellationsgericht in nicht überlieferten Fällen, möglicherweise vor allem in der Frühzeit seiner Tätigkeit, in der die Entscheidung durch einfaches Dekret wohl noch nicht so verbreitet war wie im Untersuchungszeitraum des Lauenburger Aktenbestandes, unzulässige Rechtsmittel durch förmliches Prozeßurteil im Judizialverfahren abgewiesen hat. Eine dem Rechtsmittel außerhalb des förmlichen Prozesses stattgebende Entscheidung sah die Oberappellationsgerichtsordnung nicht vor.46 Die 41 Von Bülow II, S. 178; Stodolkowitz, Gericht und Gesellschaft, S. 74 ff.; vgl. zur Parallele im reichskammergerichtlichen Verfahren Wiggenhorn, S. 184 f. Eine entsprechende Regelung galt am Wismarer Tribunal, Th. II Tit. 3 § 3 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 58. Vgl. allgemein Jordan, Appellation, S. 399. 42 Th. II Tit. 3 § 3 OAGO = CCCal. II, S. 77. 43 § 4 des Reglements wegen verbesserter Einrichtung des Ober-Appellations-Gerichts vom 31. März 1733 = CCCal. II, S. 182, Original in NHStA Hann. 26a, Nr. 4788, S. 101 ff.; von Bülow II, S. 179; Jessen, Einfluß, S. 175 f., der allerdings das decretum reiectorium mit dem decretum desertorium und der Abweisung wegen Fehlens der Appellationssumme vermengt. Vgl. zur Begründung gerichtlicher Erkenntnisse in der Frühen Neuzeit Coing, Handbuch II/2, S. 1347 ff.; Hocks, S. 16 ff.; H. Kirchner, Stufen der Öffentlichkeit, S. 49 ff. 44 Th. II Tit. 13 § 3 OAGO = CCCal. II, S. 145; siehe oben S. 79; Oesterley, Handbuch II, S. 351; vgl. zum Reichskammergericht Wiggenhorn, S. 185. 45 Vgl. zu den Prozeßurteilen des Reichskammergerichts Oestmann, Rekonstruktion, S. 372. 46 Anders von Almendingen, S. 236, der unzutreffend behauptet, die Oberappellationsgerichtsordnung habe das rescriptum de emendando bereits geregelt.



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Praxis (stilus curiae)47 entwickelte aber für Fälle, in denen ein Rechtsmittel eindeutig begründet war, das rescriptum de emendando48. Mit einem solchen Reskript hob das Gericht die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück, die nunmehr unter Zugrundelegung der Rechtsansicht des Oberappellationsgerichts weiter in der Sache zu verfahren hatte. Ob das Celler Gericht zuvor die Akten der Vorinstanz einforderte, lag auch hier in seinem Ermessen.49 Auf diese Weise konnte es dem Rechtsmittel auch ohne Anhörung der Gegenseite faktisch stattgeben, ohne den zeitraubenden förmlichen Prozeß durchzuführen. Rechtstechnisch war ein rescriptum de emendando gleichwohl eine teilweise ablehnende Entscheidung, da das Gericht den Antrag, auf förmlichen Prozeß zu erkennen, zurückwies. Vorteil dieser Verfahrensweise war die erhebliche Kosten- und Zeitersparnis.50 Dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs wurde dadurch Rechnung getragen, daß der vor Erlaß des Reskripts nicht gehörte unterlegene Rechtsmittelgegner das Reskript im Wege der elisio rationum decidendi anfechten konnte. Die Entscheidung durch rescriptum de emendando war im gemeinen Prozeß zumindest seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allgemein üblich51 und auch an den braunschweig-lüneburgischen Obergerichten gebräuchlich.52 Sie beruhte auf dem Vorbild der reichskammergerichtli-

47 Zur Bedeutung des Gerichtsgebrauchs (stilus curiae) am Oberappellationsgericht Jessen, Einfluß, S.  125; vgl. allgemein Ranieri, Art. Gerichtsgebrauch, HRG  II, 2. Auflage, Sp. 155 ff. 48 Während die Prozeßakten im Landesarchiv Schleswig stets nur den Begriff rescriptum de emendando enthalten, spricht Oesterley, Handbuch II, S. 352 von einem rescriptum de emendando sive tollendo gravamine und bezeichnet dieses – wie am Reichskammergericht üblich – auch als Ordination. In der Prozeßakte LS Abt. 216, Nr. 399 wird synonymisch der Begriff rescriptum reformatorium gebraucht. 49 Von Bülow II, S. 181 ff.; Gunkel, S.  141 f.; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 304 f.; die generelle Einforderung der Akten vor dem Erlaß eines rescriptum de emendando wurde erst durch die Gerichtsreform von 1818 verbindlich; Abschnitt IV § 2 der Verordnung, die veränderte und verbesserte Einrichtung des Ober-Appellations-Gerichts betreffend, vom 31. Juli 1818 = Hagemann, Ordnung, S. 225; vgl. auch ebenda, S. 105 Note 4. 50 Oesterley, Handbuch II, S. 353. 51 Von Almendingen, S. 189 ff.; Bergmann, S. 286; Claproth II, S. 587 f.; Danz, S. 601; Endemann, S. 925; Gönner III, S. 426; Jordan, Appellation, S. 399; Spangenberg, Appellation, S. 3a. 52 In der 1801 beim Oberappellationsgericht eingeführten Appellationssache LS Abt. 216, Nr. 88 hatte das Hofgericht Ratzeburg als Vorinstanz durch rescriptum de emendando entschieden.

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chen Ordinationen53, die sich vermutlich aus dem reichshofrätlichen Reskriptsprozeß entwickelt hatten.54 Auch die Ordinationen des Reichskammergerichts, die wie der Reskriptsprozeß des Reichshofrats bisher nur unzulänglich erforscht sind, waren gerichtliche Entscheidungen im Extrajudizialverfahren ohne vorherige Anhörung der Gegenseite.55 Die offensichtliche Begründetheit des Rechtsmittels war am Reichskammergericht indes nur einer von mehreren Anwendungsfällen der Ordinationen.56 Die Reskripte des Reichshofrats und die Ordinationen des Reichskammergerichts richteten sich, anders als die Celler rescripta de emendando, nicht an das Gericht der Vorinstanz, sondern waren an den zuvor nicht gehörten Beklagten gerichtete Befehle.57 Zudem waren die Ordinationen des Reichskammergerichts keine verbindlichen Entscheidungen, sondern eine Eröffnung des Appellationsprozesses unter der Bedingung, daß die Ordination nicht befolgt werde.58 Bei Nichtbeachtung zogen sie zumindest nicht zwingend Sanktionen nach sich.59 Verfahrenstechnisch erinnern sie an den Bescheid im heutigen finanzgerichtlichen Verfahren nach § 90a FGO und den Gerichtsbescheid nach § 84 VwGO, die im schriftlichen Verfahren ergehen und nur bei Einverständnis beider Parteien wirksam sind. Insofern unterschied sich das Verfahren am Oberappellationsgericht deutlich von der Praxis der Reichsgerichte. Diese Unterscheidung hat ihre Ursache in dem Charakter der Reichsgerichte, denen gegenüber die Gerichte der Vorinstanz, die als Territorialgerichte einem anderen Herrschaftsverband angehörten, nicht in einem Verhältnis der Subordination standen. Daher ist davon auszugehen, 53 Vgl. die Definition der reichskammergerichtlichen Ordinationen bei Dürr, S.  2: „Ordinationes esse decreta, quibus Camera Imperialis partibus litigantibus extra ordinam in cujusvis processus genere prospicit.“ Auch Bergmann, S. 286 sowie Schmid III, S. 470 betrachten das rescriptum de emendando als mit den Ordinationen wesensgleich. Anders von Almendingen, S. 232: Die Ordinationen des Reichskammergerichts seien aus der Entwicklung der Territorialgerichtsbarkeit hervorgegangen. 54 Gönner III, S. 422 f.; Wetzell, S. 760 Note 104. Vgl. Sellert, Pax Europae, S. 111. 55 Gönner III, S. 428 f. 56 Dürr, S. 24 ff., S. 26: „Quarto etiam pro Causa legitima habendum esse existimo, si per Ordinationem Processus aut omnino tolli, aut saltem abbreviari possit, quorsum & pertinet ista, si Gravamen ita evidens sit, ut Judicii illud brevi manu tollendum esse videatur.“ 57 Gönner III, S. 433; Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 185. 58 Von Almendingen, S. 243 f. 59 Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 186 Note 652; Mohl, S. 237 f.: Die Ordinationen des Reichskammergerichts seien weder vollstreckbar noch strafbewehrt und könnten bei Nichtbefolgung auch nicht verschärft werden. Von Zwierlein II, S. 139 unterscheidet hingegen Ordinationen mit Strafandrohung für den Fall der Nichtbefolgung und Ordinationen ohne solche.



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daß auch andere Territorialgerichte sich der Form eines verbindlichen Reskripts an das ihnen untergeordnete Gericht der Vorinstanz bedienten.60 Die Reskripte des Oberappellationsgerichts wurden ausweislich der untersuchten Prozeßakten stets befolgt.61 Bei Nichtbefolgung konnte das Oberappellationsgericht das vorinstanzliche Gericht mit Geldstrafe belegen.62 Auch dies ist auf das Subordinationsverhältnis zurückzuführen, das zwischen dem Oberappellationsgericht und den ihm nachgeordneten Gerichten wegen des gemeinsamen Herrschaftsverbandes stärker ausgeprägt war als zwischen den Reichsgerichten und der jeweiligen territorialen Vorinstanz. Auch über diese Abweichungen hinaus ist die pauschale Bezeichnung des Celler Verfahrens als Reskriptsprozeß63 irreführend. Zum einen birgt sie die Gefahr einer Verwechslung mit dem an den Reichsgerichten gebräuchlichen Schreiben um Bericht, das ebenfalls als Reskriptsprozeß bezeichnet wurde.64 Zum anderen erweckt die Bezeichnung als Reskriptsprozeß den Eindruck, es handele sich hierbei um eine spezielle Verfahrensart wie beispielsweise ein summarisches Verfahren.65 Dies ist nicht der Fall. Die summarischen Verfahren des gemeinen Prozeßrechts66 zeichneten sich durch abweichende Verfahrensmodalitäten wie kürzere Fristen, Reduzierung der gerichtlichen Termine und Verringerung des Schriftwechsels aus.67 Sie waren somit von Beginn an eigenständige Prozeßgattungen oder insgesamt in den Modalitäten abgekürzte Verfahren.68 Das rescriptum de emendando des Oberappellationsgerichts hingegen war nur eine Entscheidungsmöglichkeit im Rahmen des ordentlichen Rechtsmittelverfahrens, das hinsichtlich der Verfahrensmodalitäten, insbesondere der Fristen, nicht abgekürzt war. Auch das zeitgenössische Schrifttum ordnete die Entscheidungen durch Reskript nicht den

60 Vgl. Jordan, Appellation, S. 401. 61 Nur in dem Verfahren LS Abt. 216, Nr. 56 befolgte das Hofgericht Ratzeburg ein rescriptum de emendando des Oberappellationsgerichts vom 21. März 1781 zunächst nicht; daraufhin erging am 16. Juni 1781 ein erneutes Reskript, das offenbar anstandslos befolgt wurde. 62 Zur Kompetenz des Gerichts, an die Obergerichte gerichtete Anordnungen mittels Geldstrafe durchzusetzen, siehe oben S. 80. 63 Ahrens, S. 340; von Bülow II, S. 182; Gunkel, S. 141; Spangenberg, Oberappellationsgericht, S. 304. 64 Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 183–186. 65 So Jessen, Einfluß, S. 176. 66 Vgl. Oesterley, Handbuch II, S. 438 ff. 67 Sedatis, Art. Summarischer Prozeß, HRG V, Sp. 80. 68 Ahrens, S. 34; Sedatis, Art. Summarischer Prozeß, HRG V, Sp. 79 f.

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summarischen Verfahren zu.69 Anderes gilt allenfalls für die Reskripte des Reichshofrats, denn diese waren an den Beklagten gerichtete verbindliche Anordnungen und damit dem Mandatsprozeß als Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ähnlich, in dem der Beklagte ebenfalls grundsätzlich nicht gehört wurde.70 War das Rechtsmittel nicht offensichtlich unzulässig oder unschlüssig und kam auch eine Entscheidung durch Reskript nicht in Betracht, so erkannte der Senat auf den beantragten Prozeß71, indem er die Ladung des Gegners (citatio), die Einforderung der Vorakten (compulsoriales)72 und das Verbot an die Vorinstanz, weiter in der Sache tätig zu sein (inhibitio), aussprach. Damit ließ er die Appellation zum Judizialverfahren zu.73

c) Gerichtliche Praxis am Beispiel des Lauenburger Aktenbestandes Den förmlichen Plenarprozeß hat die Oberappellationsgerichtsordnung als Regelfall des gerichtlichen Verfahrens vorgesehen. Nur bei Nichteinhaltung von Formvorschriften oder offensichtlicher Unbegründetheit sollte das Gericht ausnahmsweise nicht auf Prozeß erkennen müssen.74 Die gerichtliche Praxis entwickelte sich aber anders. Die Mehrheit der Fälle wurde durch abschlägige Dekrete und abändernde Reskripte entschieden, und der förmliche Plenarprozeß wurde mehr und mehr zur Ausnahme. Insofern unterschied sich die Praxis des Oberappellationsgerichts von der des Reichskammergerichts: Dieses nahm im Zeitraum 1790–1805 von 6403 Verfahren immer69 Endemann, S. 1024 ff.; Oesterley, Handbuch II, S. 438 ff.; vgl. auch die S.  165 Note 51 zitierte Literatur. 70 Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 186 Note 654; Wiggenhorn, S. 82, 84. 71 Der Begriff processus bezeichnete in der Terminologie frühneuzeitlicher Gerichte ursprünglich nicht das förmliche Verfahren als solches, sondern die dieses einleitenden gerichtlichen Maßnahmen citatio, compulsoriales und inhibitio; von Pufendorf, Introductio, S. 2 f.; vgl. zum Reichskammergericht Oestmann, Zivilprozeß, S. 23 Note 13; Wiggenhorn, S. 98. Hier soll als Prozeß gleichwohl das gerichtliche Verfahren ab dem Zeitpunkt bezeichnet werden, in dem das Gericht processus erkannte. 72 Compulsoriales waren eigentlich Zwangsbriefe gegen einen mit der Herausgabe der Vorakten säumigen Unterrichter; Buchda, Art. Appellation, HRG I, Sp. 199; Dick, S. 202. Am Oberappellationsgericht bezeichneten sie – wie in der reichskammergerichtlichen Praxis des 18. Jahrhunderts (Oestmann, Zivilprozeß, S. 53) – ohne das Moment der Säumnis generell die Einforderung der Vorakten. 73 Th. II. Tit. 3 § 4 OAGO = CCCal. II, S 77 f.; von Bülow II, S. 186 ff.; insbesondere zur Ladung des Gegners Jessen, Einfluß, S. 176–178. Zum Reichskammergericht Seeger, S. 31; allgemein zur Praxis des gemeinen Prozesses Endemann, S. 926. 74 Th. II Tit. 3 § 4 OAGO = CCCal. II, S. 77 f.



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hin noch 1770 (27,6 Prozent) an, indem es auf Prozeß erkannte, während es 899 (14 Prozent) durch Ordinationen entschied, die dem rescriptum de emendando vergleichbar waren.75 Die wiedergegebenen Erkenntnisse zum Oberappellationsgericht sind freilich auf den Zeitraum 1747–1816 beschränkt, da sie nur auf die erhaltenen Prozeßakten aus dem Herzogtum Lauenburg gestützt werden können. Für die möglicherweise besonders aufschlußreiche Anfangszeit des Gerichts sind daher keine Angaben möglich. 35 der insgesamt 443 Verfahren des Lauenburger Aktenbestandes wurden durch decretum desertorium entschieden. Dies entspricht einem Anteil von 7,9 Prozent. Dabei ist quantitativ ein leichter Anstieg zu beobachten.76 Die Mehrzahl der an das Gericht gelangten Fälle wurde im Extrajudizialverfahren durch decretum reiectorium „abgeschlagen“.77 Eine solche Entscheidung erging in 262 Verfahren; dies entspricht einem Anteil von 59,1 Prozent. Der Anteil der Rejektorien schwankt in den einzelnen Fünfjahreszeiträumen zwischen knapp 50 und gut 70 Prozent; eine eindeutige zeitliche Entwicklung läßt sich aber nicht feststellen.78 Während des gesamten Untersuchungszeitraums war somit der Abschlag durch decretum reiectorium die quantitativ bedeutsamste Entscheidungsmöglichkeit des Gerichts. Durch diese Praxis schränkte das Gericht den Grundsatz, daß die Appellation eine weitere Tatsacheninstanz eröffnen sollte, erheblich ein: Nur wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers der Vorderrichter den Sachverhalt offenbar unvollständig aufgeklärt oder der Entscheidung eine falsche Rechtsanwendung zugrunde gelegt hatte, nahm das Gericht die Appellation zur erneuten Verhandlung an. Ein dem Rechtsmittel stattgebendes rescriptum de emendando an das Gericht der Vorinstanz erging in 74 der untersuchten Verfahren (16,7 Prozent).79 Dabei ist eine klare zeitliche Entwicklung zu beobachten: In den 75 Zahlen nach Härter, Rekurs, S. 256. 76 Vgl. Anh. Tab. 3. Während der Anteil der Desertorien in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraumes (1747–1781) bei 5,3 Prozent lag, betrug er in den zweiten 35 Jahren (1782–1816) 9,2 Prozent. Zwischen 1792 und 1811 lag er kontinuierlich über dem langjährigen Mittelwert von 7,9 Prozent. 77 Vgl. beispielhaft das bei Stodolkowitz, Gericht und Gesellschaft, S. 65 ff. dargestellte Appellationsverfahren Schmidt c/a Dorfschaft Grove, LS Abt. 216, Nr. 898 sowie die Prozesse der Nüssauer Bauern gegen ihren Gutsherrn von Bülow zu Gudow, Stodolkowitz, Celler Chronik 18 (2011), 108 ff. 78 Vgl. Anh. Tab. 3. In der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraumes betrug der Anteil 61,6 Prozent, in der zweiten Hälfte 57,2 Prozent. Dieser leichte Rückgang um weniger als ein Zehntel läßt keine fundierten Schlußfolgerungen zu, da er nicht deutlich genug ist, um das Zufallsmoment auszuschließen. 79 Vgl. beispielhaft das bei Stodolkowitz, Celler Chronik 18 (2011), 113 f. geschilderte Appellationsverfahren Nevecke c/a Stamer, LS Abt. 216, Nr. 739.

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ersten zehn Jahren des Untersuchungszeitraums wurde kein Fall durch Reskript entschieden, in den beiden folgenden Fünfjahreszeiträumen je einer. Erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts etablierte sich das rescriptum de emendando als reguläre Entscheidungsalternative des Gerichts. Dies ist auch daran zu erkennen, daß die Parteien gegen Ende des Jahrhunderts ihren Antrag zunehmend nicht mehr darauf richteten, auf Prozeß zu erkennen, sondern unmittelbar ein Reskript beantragten.80 Der Anteil dieser Entscheidungen lag in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraumes bei 7,9 Prozent; in der zweiten Hälfte betrug er 21,6 Prozent. An dieser Entwicklung wird sichtbar, daß das Oberappellationsgericht die Verfahrensweise durch abänderndes Reskript nicht von vornherein von der Praxis der Reichsgerichte übernahm, sondern dieses Institut des gemeinen Prozeßrechts erst allmählich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts rezipierte, schließlich aber zur eigenen regulären Verfahrenspraxis entwickelte. Die Ursache hierfür ist in der steigenden Inanspruchnahme des Gerichts zu sehen. Um zunehmender Überlastung entgegenzuwirken, mußte es sein Verfahren beschleunigen. Insofern trugen die Rechtsuchenden, die es in Anspruch nahmen, mittelbar zur Fortentwicklung des Verfahrens bei.81 Weitere 32 Verfahren (7,2 %) wurden im Extrajudizialverfahren auf andere Weise oder durch Bescheide erledigt, die sich keiner der soeben besprochenen drei Kategorien zuordnen lassen. Dies betrifft vor allem die Beschwerden wegen verzögerter oder verweigerter Justiz. Diese hatten, waren sie erfolgreich, ein sogenanntes rescriptum de administranda iustitia zur Folge, mit dem das nachgeordnete Gericht angewiesen wurde, in der Sache tätig zu werden. Aber auch durch Vergleich beendete Verfahren und Fälle, in denen der Ausgang des Verfahrens nicht eindeutig erkennbar war, fallen in diese Kategorie. In drei Verfahren82 begehrte der Antragsteller lediglich die Bestätigung, daß die Gegenseite, die beim Vorderrichter die Appellation eingelegt und damit den Eintritt der Rechtskraft einstweilen verhindert hatte, das Rechtsmittel nicht beim Oberappellationsgericht eingeführt habe (documentum non introductae appellationis). Eine solche Bescheinigung war erforderlich, um die Vollstreckung betreiben zu können. Dies bot dem unterlegenen Teil die Möglichkeit, durch Einlegung eines sodann nicht weiter verfolgten Rechtsmittels die Vollstreckung zu verzögern.83 80 81 82 83

Vgl. von Bülow II, S. 82 Note 31; siehe oben S. 160. Zu diesem Aspekt Westphal, Reichshofrat, S. 124 ff. LS Abt. 216, Nrn. 64, 644, 982. Diese Taktik war auch an den Reichsgerichten bekannt. So beschwerte sich der Magistrat der Stadt Bremen 1768 beim Reichshofrat, daß in vielen Fällen die Vollstreckung durch Einlegung eines Rechtsmittels verzögert werde, das sodann bei den Reichsgerichten nicht verfolgt werde. Dadurch werde der obsiegende Kläger



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In 41 der insgesamt 443 Verfahren aus dem Herzogtum Lauenburg erkannte das Gericht auf förmlichen Plenarprozeß.84 Dies entspricht einem Anteil von knapp zehn Prozent. Während sich der Anteil der Plenarprozesse bis 1781 meistens im Bereich von zehn bis 20 Prozent bewegte, nahm er ab 1782 stark ab: Im Zeitraum 1782–1816 lag er stets unter acht, meistens sogar unter vier Prozent. Auch bei einer Betrachtung nur der absoluten Zahlen nahm die Häufigkeit der Plenarprozesse trotz des Anstiegs der Verfahrenszahlen85 ab: In der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums erkannte das Gericht in 28 Fällen auf förmlichen Prozeß, in der zweiten nur in 13 Fällen. Seine Neigung, den förmlichen Plenarprozeß durchzuführen, ließ somit ab den 1780er Jahren sichtbar nach. Diese Entwicklung ist das Gegenstück zur zunehmenden Bedeutung des rescriptum de emendando. Sie folgte der Tendenz am Reichskammergericht, das bereits seit der Mitte des 18. Jahrhunderts Rechtsfälle besonders gründlich zu prüfen pflegte, bevor es auf Prozeß erkannte.86 Die Ursache für diese quantitativ geringe Bedeutung des Plenarprozesses ist nicht zuletzt, insbesondere angesichts der hohen Arbeitsbelastung des Gerichts, in dem langwierigen und schwerfälligen Verfahren zu sehen.

3.  Judizialverfahren Hatte das Gericht auf Prozeß erkannt, indem es die Ladung der Gegenseite (citatio) ausgesprochen, die Akten der Vorinstanz eingefordert (compulsoriales) und dieser jede weitere Tätigkeit in der Sache verboten (inhibitio) hatte, so war nunmehr der Rechtsmittelführer dafür verantwortlich, die Ladung der Gegenpartei und compulsoriales sowie inhibitio dem Vorderrichter zuzustellen.87 Die Zustellung hatte er anschließend dem Oberappellationsgericht nachzuweisen, indem er citatio, compulsoriales und inhibitio in der nächsten Sitzungsperiode zu den Akten zurückreichte und damit „die erkannten Prozesse reproduzierte“.88 Diese sogenannte Reproduktion, durch die der Rechtsmittelführer bewirkte, daß die Sache in das Judizial-

84 85 86 87 88

genötigt, bei beiden Reichsgerichten ein documentum non introductae appellationis zu erwirken, um die Vollstreckung betreiben zu können; Sydow, Der Staat 41 (2002), 269. Vgl. Anh. Tab. 4. Vgl. Anh. Tab. 1. Von Zwierlein II, S. 55. Gleichwohl nahm das Reichskammergericht im Zeitraum 1790–1805 noch gut ein Viertel der Fälle an, indem es auf Prozeß erkannte, vgl. die Zahlen bei Härter, Rekurs, S. 256. Oesterley, Handbuch II, S. 357 f. Von Bülow II, S. 190, 193 f.

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verfahren eintrat,89 war dem Verfahren des Reichskammergerichts nachgebildet. Sie wich von diesem aber insofern ab, als am Reichskammergericht der Rechtsmittelführer dem Gericht mit der Reproduktion alle Schriften des Extrajudizialverfahrens sowie die Akten der Vorinstanz zu übergeben hatte.90 Am Oberappellationsgericht war die Reproduktion hingegen zur bloßen Bescheinigung der Zustellung verkümmert. Unterblieb die Reproduktion, so hatte dies den Verlust des Rechtsmittels zur Folge.91 Mit der Reproduktion ging schließlich auch die Zuständigkeit für gerichtliche Entscheidungen vom Senat auf das Plenum über.92 Denn die Senate waren nur für die im Extrajudizialverfahren zu fällende Entscheidung zuständig, ob auf förmlichen Plenarprozeß zu erkennen war. War einmal auf Prozeß erkannt, so hatte im Judizialverfahren nunmehr das Plenum zu entscheiden.93 Judizialverfahren waren somit – auch nach der Einführung der Senate durch die Gerichtsreform des Jahres 1733 – stets Plenarsachen. Nur wenn das Gericht bereits auf Grund der Appellationsrechtfertigung zu dem Schluß kam, daß weitere Ausführungen der Parteien oder eine Beweisaufnahme erforderlich waren, oder wenn der Rechtsmittelführer in der Rechtsmittelinstanz neue Tatsachen vorbrachte (beneficium non probata probandi et non deducta deducendi) 94, stellte das Gericht der Gegenseite die Rechtfertigungsschrift schon jetzt zu und forderte sie zur Einlassung auf.95 In der Regel gab es ihr jedoch zunächst lediglich auf, einen Prokurator zu den Akten zu legitimieren. Ohne vorherigen Wechsel von Parteischriftsätzen teilte der Präsident die Akten sodann einem Referenten und einem Korreferenten zu. Diese hatten durch ausführliche Relationen das Urteil vorzubereiten. Während am Reichskammergericht nur in umfangreichen oder

89 Mohl, S. 205, 311; Wiggenhorn, S. 98, 199; von Zwierlein I, S. 114. 90 Wiggenhorn, S. 199. 91 Oesterley, Handbuch II, S. 358: Bei fehlender oder nicht fristgerechter Reproduktion wurden die „Processe cassirt“ und der Appellat „von der Instanz absolvirt“. 92 Von Bülow II, S. 332; Gunkel, S. 145. 93 Vgl. § 4 des Reglements wegen verbesserter Einrichtung des Ober-AppellationsGerichts vom 31. März 1733 = CCCal. II, S. 182, Original in NHStA Hann. 26a, Nr. 4788, S. 101 ff.; von Bülow II, S. 332; Gunkel, S. 145; unzutreffend Jessen, Einfluß, S. 205. 94 Von Almendingen, S. 101 ff.; Von Bülow/Hagemann/Spangenberg VIII/2, S. 84 ff.; Spangenberg, AcP 9 (1826), 52 ff. 95 Oesterley, Handbuch II, S. 356 f. Allgemein zur Einlassung im gemeinen Prozeß und ihrer Entwicklung Oestmann, Art. Einlassung, HRG I, 2. Auflage, Sp. 1300.



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rechtlich schwierigen Prozessen ein Korreferent eingesetzt wurde,96 stand ein solcher dem Referenten in Celle stets zur Seite. Die Relationen bestanden aus einem Bericht der Tatsachen (species facti), der allerdings später aus Gründen der Zeitersparnis meist in Wegfall kam, einem ausführlichen Aktenauszug (extractus actorum), einem Votum und dem Urteilsentwurf.97 Ebenfalls im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens war der Korreferent seit der Gerichtsreform von 1733 von der Ausarbeitung eines Aktenauszugs dispensiert.98 Während bekannt ist, daß die Relationstechnik an den Reichsgerichten umständlich und zeitraubend war,99 sind für das Oberappellationsgericht genauere Erkenntnisse über die Relationen nicht möglich. Denn diese wurden nicht zu den Akten genommen und sind auch nicht anderweitig erhalten.100 Nach Ausarbeitung der Relationen trugen die Referenten den Fall im Plenum vor, das schließlich mit Stimmenmehrheit ein Urteil fällte. Kam bei der Abstimmung im Plenum keine Mehrheit zustande, so sah die Oberappellationsgerichtsordnung ausnahmsweise die Aktenversendung vor.101 Ein solcher Fall ist aber nie eingetreten, da die Stimmengleichheit in der Praxis stets durch eine erneute Abstimmung unter Hinzuziehung zuvor abwesender Richter behoben werden konnte.102 Wäre das im Wege der Aktenversendung eingeholte Universitätsgutachten zu einem dritten, vom Gericht nicht vertretenen Ergebnis gekommen und die Stimmengleichheit bei erneuter Abstimmung gleichwohl bestehen geblieben, so hätte der Präsident das Recht des Stichentscheids gehabt. Er hätte die Akten aber auch zur Einholung eines weiteren Gutachtens an eine andere Juristenfakultät versenden können.103

96 Baumann, Relationen, S. 3. Die Reichskammergerichtsordnung von 1555 (Th. I Tit. 10 § 4 = Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 84) sah allerdings noch die Anfertigung von Relationen durch zwei Assessoren vor. 97 Th. II Tit. 12 §§ 10, 11 OAGO = CCCal. II, S. 139 ff. Zum Aufbau der Relationen am Reichskammergericht Ranieri, Entscheidungsfindung, S. 171 ff. 98 § 7 des Reglements wegen verbesserter Einrichtung des Ober-Appellations-Gerichts vom 31. März 1733 = CCCal. II, S. 183, Original in NHStA Hann. 26a, Nr. 4788, S. 101 ff.; von Bülow II, S. 288–297. 99 Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 341. Vgl. allgemein Baumann, Relationen, S. 1 ff.; Berger; Hartmann-Polomski, S. 122 ff.; Hülle/Sellert, Art. Relation, HRG IV, Sp. 859 ff.; Meyer-Pritzl, S. 52 f.; Mohl, S. 273 ff., 333 ff.; Sailer, Selbstverständnis, S. 8; Wiggenhorn, S. 128 ff. 100 Von Bülow II, S. 299 Note 59. 101 Th. II Tit. 12 § 14 OAGO = CCCal. II, S. 142 f. 102 Von Bülow II, S. 366; von Bülow/Hagemann II, S. 191 ff.; Gunkel, S. 153. 103 Vgl. Jessen, Einfluß, S. 206 f.

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In der Entscheidung des Plenums, dem sogenannten Relevanzurteil oder Relevanzbescheid,104 konnte das Gericht bereits endgültig über die Sache entscheiden, ohne daß die Parteien zuvor die Möglichkeit eines Schriftwechsels gehabt hätten oder Beweis erhoben worden wäre.105 War das Rechtsmittel erfolgreich, so urteilte das Gericht, daß „übel gesprochen und wohl appellirt“, wies es dagegen das Rechtsmittel ab, so sprach es umgekehrt aus, daß „wohl gesprochen und übel appellirt“ worden sei.106 Ein solches Verfahren ohne Schriftwechsel der Parteien scheint es am Reichskammergericht nicht gegeben zu haben.107 Dies ist ein Beispiel für das Bemühen der Oberappellationsgerichtsordnung um die Beschleunigung des Verfahrens und die Verhinderung unnötiger weitschweifiger Ausführungen der Parteien, freilich auf Kosten des rechtlichen Gehörs des Rechtsmittelgegners. Dieser konnte die Entscheidung lediglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens (restitutio in integrum) anfechten, wenn er neue Tatsachen vorbrachte. Hielt das Gericht die Sache hingegen noch nicht für entscheidungsreif, so ordnete es, ohne sich der Urteilsformel „übel gesprochen und wohl appelliret“ zu bedienen,108 im Relevanzurteil weiteren Schriftwechsel der Parteien an. Das Verfahren wurde in diesem Falle als processus cum actoria bezeichnet.109 Dazu kam es insbesondere in Fällen, in denen sich die Appellation auf außerhalb der Vorakten liegende Umstände bezog, die Parteien in der Vorinstanz nicht genügend gehört worden waren oder im Wege des beneficium non probata probandi et non deducta deducendi neue Tatsachen vorbrachten. Auch konnte das Gericht die Parteien im Relevanzurteil zum Beweisantritt auffordern; insofern war die Entscheidung ein Beweisinterlokut. In jedem Falle endete das Relevanzurteil wie alle Urteile des Gerichts mit den Worten „von Rechts wegen“.110 Diese Wendung, die noch auf mittelalterliche Wurzeln zurückgeht und ursprünglich vor allem an Schöffenstühlen 104 Das Oberappellationsgericht verwendete beide Begriffe; vgl. LS Abt. 216, Nrn. 50, 73; Oesterley, Handbuch II, S. 363 spricht vom Relevanzbescheid, ebenso Spangenberg, Appellation, S. 3a. Der Begriff des Relevanzbescheides wurde im gemeinen Prozeßrecht indes nicht einheitlich verwendet; teilweise bezeichnete er auch die Entscheidung, durch die das Gericht auf Prozeß erkannte oder dies durch ein abschlägiges Dekret oder eine Ordination ablehnte; vgl. Endemann, S. 925; Gönner III, S. 427; Jordan, Appellation, S. 398 mit Note 251; Schmid III, S. 470. 105 Th. II Tit. 3 §§ 7, 8 OAGO = CCCal. II, S. 78 f.; von Bülow II, S. 188–190; Oesterley, Handbuch II, S. 363 f. 106 Oesterley, Handbuch II, S. 363 Note 34. 107 Vgl. §§ 76–78 JRA 1654 = Laufs, Der jüngste Reichsabschied, S. 41 f.; Endemann, S. 927; Mohl, S 220; Wiggenhorn, S. 207. 108 Von Bülow II, S. 337. 109 Th. II Tit. 3 § 6 OAGO = CCCal. II, S. 78; von Bülow II, S. 190 f. 110 Von Bülow II, S. 300, 336.



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und Gerichten des sächsisch-magdeburgischen Rechtskreises verbreitet gewesen ist, war zwar an Reichskammergericht und Reichshofrat ungebräuchlich, aber an höheren Territorialgerichten im 18.  Jahrhundert üblich.111 In Urteilen des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts hat sie sich bis heute erhalten. Die Auswertung der Prozeßakten hat gezeigt, daß die Entscheidung ohne vorherigen Schriftwechsel der Parteien am Oberappellationsgericht der Regelfall war. Von den insgesamt 41 Plenarprozessen des untersuchten Aktenbestandes ließ das Gericht nur in zehn Verfahren processus cum actoria durchführen. Kam es zu processus cum actoria, so hatte sich die Gegenpartei jetzt zur Sache einzulassen. In ihrer Erwiderungsschrift hatte sie wegen der Eventualmaxime kumulativ alle denkbaren Einreden und Einwendungen vorzubringen.112 Der Rechtsmittelführer hatte daraufhin seinerseits die Möglichkeit zur Entgegnung in der Replik, ohne jedoch noch neue Tatsachen vortragen zu dürfen. Dem Beklagten war neues Vorbringen in der nun folgenden Duplik nur gestattet, wenn ihm dies vorher noch nicht möglich gewesen war.113 Alle Schriftsätze der Parteien wurden durch das Gericht der Gegenseite mitgeteilt („kommuniziert“); dieser wurde stets eine Frist bis zur jeweils nächsten Sitzungsperiode zur Einbringung ihrer jeweiligen Erwiderungsschrift gesetzt.114 Da Parteien und Gericht nicht in Audienzen zusammentrafen, war die Kommunikation durch das Gericht im rein schriftlichen Verfahren die einzige Möglichkeit zum gegenseitigen Austausch der Parteischriften. Am Reichskammergericht hingegen war diese Verfahrensweise wegen der regelmäßigen Abhaltung von Audienzen nicht üblich. Vom reichshofrätlichen Verfahren wiederum unterschied sich das des Oberappellationsgerichts insofern, als die Kommunikation von Parteischriften in Celle nicht die förmliche Ladung (citatio) der Gegenseite entbehrlich machte.115 Ein weiterer Austausch von Schriftsätzen über die Duplik hinaus war nach der Oberappellationsgerichtsordnung grundsätzlich nicht gestattet.116 111 Claproth II, S. 233 f.; Danz, S. 355; Estor, S. 78; H. Kirchner, Von Rechts wegen, S. 70 ff. 112 Th. II Tit. 3 § 17 OAGO = CCCal. II, S. 82; vgl. Oestmann, Art. Exceptio, HRG I, 2. Auflage, Sp. 1450 f.; Wiggenhorn, S. 203 ff. Zur Eventualmaxime siehe oben S. 148 f. 113 Th. II Tit. 3 § 18, Th. II Tit. 11 §§ 1, 2 OAGO = CCCal. II, S. 82, 134 f.; von Bülow II, S. 283 f.; Jessen, Einfluß, S. 185. 114 Von Bülow II, S. 191. 115 Zu diesem am Reichshofrat üblichen sogenannten Kommunikationsprozeß Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 191 ff. 116 Th. II Tit. 3 § 19 OAGO = CCCal. II, S. 82. Eine entsprechende Regelung traf für das Reichskammergericht am Ende des 18. Jahrhunderts der Gemeine Bescheid

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Auch diese Beschränkung des Schriftwechsels diente der Beschleunigung des Verfahrens und der Verhinderung unnötiger Weitschweifigkeiten seitens der Parteien. Nur ausnahmsweise, wenn die Duplik des Rechtsmittelgegners zulässiges neues Vorbringen enthielt, setzte sich der Schriftwechsel bis zur Quadruplik fort.117 Nach Beendigung des Schriftwechsels verfügte das Gericht den Aktenschluß, den zuvor beide Parteien in ihren Schriftsätzen beantragt haben mußten. Fehlte dieser Antrag auf Seiten einer Partei, und wurde er auf eine Aufforderung durch das Gericht auch nicht nachgeholt, so kam – ebenso wie wenn eine Schriftsatzfrist versäumt wurde – das Kontumazialverfahren118 als Säumnisverfahren in Betracht. Zusammen mit dem Aktenschluß ordnete das Gericht die Inrotulation der Akten an. Diese nahm ein Sekretär des Gerichts im Beisein der Parteien oder ihrer Prokuratoren vor, indem er die Akten auf Vollständigkeit überprüfte, verschnürte und versiegelte. Die Inrotulation – die solcherart verschnürten und versiegelten Akten wurden als rotulus bezeichnet – diente der Überprüfung der Akten auf Vollständigkeit. Sie war am Reichskammergericht unbekannt und entstammte dem reichshofrätlichen Verfahren.119 Zwischen der Einlassung des Rechtsmittelgegners und dem Aktenschluß erhob das Gericht Beweise, soweit dies erforderlich war. Die Parteien konnten bereits von sich aus Beweis antreten. Taten sie dies nicht, so forderte sie das Gericht, wenn es das für nötig erachtete, im Relevanzurteil als förmlichem Beweisinterlokut120 zum Beweisantritt auf.121 Zulässige Beweismittel

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vom 13. Mai 1785, die Verbesserung des Judicialprocesses betreffend, abgedruckt bei Vahlkampf II/2, S. 193 ff. Th. II Tit. 11 § 2, Tit. 12 § 7 OAGO = CCCal. II, S. 134 f., 138; von Bülow II, S. 284; Jessen, Einfluß, S. 185. War eine Partei mit einer ihr obliegenden Prozeßhandlung säumig, so konnte wegen Ungehorsams gegen eine prozeßleitende richterliche Anordnung das Kontumazialverfahren eingeleitet werden, das die säumige Partei mit verschiedenen Nachteilen traf. Vor allem konnte gegen sie ein Urteil in Abwesenheit gefällt werden; Ahrens, S. 27 ff.; Buchda, Art. Contumacia, HRG I, Sp. 636 f.; Bülow, Zivilprozeßrecht, S. 174 ff.; Schlinker, Litis Contestatio, S. 500; Wetzell, S. 605 ff., 979 ff.; Wiggenhorn, S. 228 ff. Das Kontumazialverfahren beruhte darauf, daß eine Partei den Ladungsbefehl des Gerichts nicht befolgte, und war daher weniger ein Säumnis- als ein Ungehorsamsverfahren; Diestelkamp, Von der Arbeit, S. 300. Zum Kontumazialverfahren am Reichskammergericht vgl. auch Bross, S. 44 ff. Jessen, Einfluß, S. 203; Mohl, S. 331; Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 327 f. Zur Bedeutung des Beweisinterlokuts im Prozeß des Oberappellationsgerichts und den diesbezüglichen Einflüssen des sächsischen und des Gemeinen Prozesses Ahrens, S. 341; Jessen, Einfluß, S. 186–194; vgl. allgemein Ahrens, S. 29 ff.; Buchda, Art. Beweisinterlokut, HRG I, Sp. 408 ff. sowie insbesondere Planck, S. 228 ff. Th. II Tit. 8 OAGO, Vorrede vor Sec. I = CCCal. II. S. 93.



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waren Zeugen, Urkunden, Parteieid, Augenschein und Sachverständige.122 Den Zeugenbeweis mußten die Parteien bereits in ihrem ersten Schriftsatz antreten.123 Diese Maßnahme der Prozeßkonzentration folgte dem Vorbild des Wismarer Tribunals.124 Die Beweisaufnahme geschah, insbesondere im Falle des Augenscheins- und des Zeugenbeweises, kommissarisch durch einen Richter oder, vor allem bei weiten Entfernungen, durch eine richterlich beauftragte Kommission.125 Im letzteren Falle war es üblich, daß das Gericht zwei Kommissare ernannte, von denen jede Partei einen vorschlug.126 Die Wertung der Beweise durch das Gericht beruhte im wesentlichen auf der von festen Beweisregeln geprägten formalen Beweislehre.127 Ansätze einer freien richterlichen Beweiswürdigung128 gab es bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen.129 Neben dem Beweis durch Zeugen und Urkunden war die Eideszuschiebung (delatio iuramenti) von besonderer Bedeutung.130 Daß, wie Jessen meint, dem Beweis durch Parteieid nur verminderter Wert beigemessen worden sei,131 läßt sich weder den Vorgaben der Oberappellationsgerichtsordnung132 noch den überlieferten Entscheidungen entnehmen und wäre mit den Grundsätzen der formalen Beweislehre kaum zu vereinbaren. In jedem Stadium des Verfahrens konnte das Gericht, wenn es dies für erfolgversprechend hielt, einen mündlichen Termin zum Versuch einer güt-

122 Th. II Tit. 8 OAGO = CCCal. II, S. 93–130. 123 Th. II Tit. 8 Sec. I § 2 OAGO = CCCal. II, S. 93 f. 124 Jessen, Einfluß, S. 167. Allgemein zum Zeugenbeweis des gemeinen Prozesses Schmid II, S. 256 ff. 125 Jessen, Einfluß, S. 195, 197; vgl. Oesterley, Handbuch II, S. 618 f.; Oestmann, Art. Beweis, EdN II, Sp. 125. 126 LS Abt. 216, Nr. 800; siehe die Darstellung dieses Verfahrens unten S. 183 ff. 127 Deutsch, Art. Beweis, HRG I, 2. Auflage, S. 563; Drosdeck, S. 120 ff. Anders Jessen, Einfluß, S. 201, der von weitgehender freier Beweiswürdigung ausgeht. Diese Ansicht findet aber weder in der Oberappellationsgerichtsordnung noch in der Überlieferung der gerichtlichen Praxis eine Stütze. 128 Zu den Reichsgerichten und vor allem der insofern freieren Praxis des Reichshofrats Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 318. Vgl. Oestmann, Art. Beweis, EdN II, Sp. 126; Walter, S. 75 f. 129 Drosdeck, S. 124 f.; vgl. eine bei von Bülow/Hagemann IV, S. 244 zitierte Entscheidung des Oberappellationsgerichts, nach der dem Richter bei der Beweiswürdigung Ermessen zustand, wenn es um die Glaubwürdigkeit von Geschwistern als Zeugen ging. 130 Vgl. Munzel-Everling, Art. Eid, HRG I, 2. Auflage, Sp. 1260. Allgemein zur Bedeutung des Parteieides im vormodernen Prozeß T. Meyer, S. 97 ff. 131 Jessen, Einfluß, S. 199. 132 Th. II Tit. 8 Sec. III § 1 OAGO = CCCal. II, S. 122 f.

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lichen Einigung anordnen.133 Entgegen dem Reglement von 1733134 wurden diese Termine nicht vor dem Plenum durchgeführt, sondern regelmäßig allein dem Referenten oder einer auswärtigen Kommission übertragen.135 In diesem Punkt folgte das Oberappellationsgericht der Praxis des Reichshofrats, der gerichtliche Vergleichsverhandlungen stets einer „Kommission zur Güte“ übertrug.136 Am Reichskammergericht hingegen war die Zulässigkeit des gerichtlichen Vergleichs lange Zeit umstritten; sie wurde erst seit der Mitte des 18. Jahrhunderts nach dem Vorbild des Reichshofrats anerkannt.137 Nach der Inrotulation teilte der Präsident die Akten erneut einem Referenten und einem Korreferenten zu, die nach reichskammergerichtlichem Vorbild von den beiden Erstreferenten, die das Relevanzurteil vorbereitet hatten, verschieden sein mußten.138 Im übrigen war der Präsident bei der Auswahl der Referenten frei. Diese hatten wiederum ausführliche Relationen auszuarbeiten und den Fall im Plenum vorzutragen, das schließlich mit Stimmenmehrheit ein Urteil fällte. Bis zur Verkündung eines Urteils vergingen wegen der umfangreichen Relationen und der Arbeitsbelastung des Gerichts nicht selten mehrere Jahre. Auf das Verfahren zwischen Aktenschluß und Urteilsverkündung hatten die Parteien, da die gerichtsinternen Vorgänge geheim gehalten wurden, keinen Einfluß. Sie versuchten aber regelmäßig wie an den Reichsgerichten,139 durch Sollizitieren den Abschluß ihres 133 Th. II Tit. 3 § 21 OAGO = CCCal. II, S. 83; von Bülow II, S. 197. Beispiele für solche Gütetermine finden sich in den Verfahren LS Abt. 216, Nrn. 73, 88, 229, 236, 627, 752, 753. 134 § 4 des Reglements wegen verbesserter Einrichtung des Ober-Appellations-Gerichts vom 31. März 1733 = CCCal. II, S. 182, Original in NHStA Hann. 26a, Nr. 4788, S. 101 ff. 135 Von Bülow II, S. 198. 136 Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 208–216. 137 Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 211; abweichend Wiggenhorn, S. 188. Die deputierten Assessoren des Reichskammergerichts waren nur für die „Entgegennahme von Erklärungen über […] schwebende Vergleichsverhandlungen“ zuständig; Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 46; anders Jessen, Einfluß, S. 158 f. 138 Die lüneburgische Landschaft hatte sich aus Gründen der Prozeßkonzentration bei der Ausarbeitung der Oberappellationsgerichtsordnung hingegen dafür ausgesprochen, die Sache den gleichen Referenten erneut zuzuteilen, da diese mit ihr bereits vertraut waren. Der Geheime Rat widersprach diesem Vorschlag jedoch. Die Redaktoren der Gerichtsordnung folgten daraufhin dem Vorbild des Reichskammergerichts, da eine Urteilsfindung durch andere Richter der Objektivität förderlich sei. Vgl. die monita der lüneburgischen Landschaft, Dep. 7 B, Nr. 880, S. 83 f. mit einschlägigen Randbemerkungen; Jessen, Einfluß, S. 204. 139 B. C. Fuchs, S. 18, 28 ff.; Nève, Sollicitatur, S. 251 ff.; speziell zum Reichshofrat Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 332 ff.



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Prozesses zu beschleunigen. Durch eine schriftliche petitio pro maturanda sententia baten sie das Gericht darum, bald ein Urteil zu fällen. Hierfür bedienten sich die Parteien der Prokuratoren, die „Bey den Sollicitationen der Ausfertigungen […] sich geziemender Bescheidenheit gegen die Bediente der Canzley gebrauchen“ sollten.140

4.  Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Oberappellationsgerichts a) Grundsätzliches Das Prozeßrecht der Frühen Neuzeit kannte den Grundsatz noch nicht, daß Urteile eines obersten Gerichts unanfechtbar sind.141 Den Parteien standen daher gegen die Entscheidungen des Oberappellationsgerichts verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung. Die Nichtigkeitsbeschwerde an die Reichsgerichte war dabei von vorwiegend verfassungstheoretischer Bedeutung. Denn sie brachte zwar die Abhängigkeit der Territorialgerichtsbarkeit vom Reich zum Ausdruck,142 spielte aber in der prozessualen Praxis kaum eine Rolle.143 Ebenfalls von nur untergeordneter Bedeutung war die Nichtigkeitsbeschwerde ohne Devolutiveffekt am Oberappellationsgericht selbst.144 Auch für sie hat sich im Lauenburger Aktenbestand kein Beispiel gefunden. Ihr Anwendungsbereich war von vornherein gering, da sie nur gegen förmliche Urteile, nicht aber gegen Dekrete und Reskripte im Extrajudizialverfahren statthaft war.145 Die an den Reichsgerichten146 und am Wismarer Tribunal147 gebräuchliche Revision gab es in Celle nicht. Sie war in der Oberappellationsgerichtsordnung nicht geregelt und kam in der gerichtlichen Praxis nicht vor.148 Die Ursache für die Ablehnung der Revision 140 Von Bülow II, S. 267. 141 Wiggenhorn, S. 233. 142 Siehe oben S. 134; Diestelkamp, Reichskammergericht im Rechtsleben, S. 221 ff.; vgl. Müssig, Gesetzlicher Richter ohne Rechtsstaat, S. 27. 143 Siehe oben S. 20 f. 144 Th. II Tit. 14 § 1 OAGO = CCCal. II, S. 149 f.; von Bülow II, S. 352 f.; Jessen, Einfluß, S. 210 f. zu der Frage, ob es sich hierbei um ein Rechtsmittel oder lediglich einen Rechtsbehelf handelte. 145 Von Bülow/Hagemann VI, S. 253 f. 146 Vgl. Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 373 ff.; Wiggenhorn, S. 237 ff. 147 Th. III Tit. 7 WTO 1657 = Schw.-dt. GO, S. 125–127; vgl. Modéer, Gerichtsbarkeiten, S. 369 ff. 148 Vgl. von Pufendorf, Introductio, S. 674: „in nostris terris remedium hoc in causis civilibus incognitum est.“ Eine Ausnahme bildet nur die Revision in Strafsachen gegen Adlige; siehe oben S. 156.

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durch die Oberappellationsgerichtsordnung ist in der mit ihr verbundenen Gefahr der Prozeßverzögerung zu sehen, denn „die tägliche Erfahrung bezeuget, wie die Indulgirung vieler Remediorum durch Schuld und Bosheit derer streitenden Partheyen so wohl, als ihrer Advocaten öffters nur zu Aufhaltung der Justitz, und des einen oder andern, oder auch beyder Theile Verderb und Nachtheil gereichet […].“149

b)  Die Restitutionsklage als Wiederaufnahme des Verfahrens Gegen Urteile, die im förmlichen Plenarprozeß ergangen waren, war des weiteren das Rechtsmittel der restitutio in integrum als Wiederaufnahme des Verfahrens (Restitutionsklage) statthaft.150 Dieses Rechtsmittel muß von der in der Bezeichnung ähnlichen restitutio in integrum contra lapsum fatalium (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnisses) unterschieden werden.151 Es setzte in Fällen, in denen das Urteil ohne vorherigen Schriftsatzwechsel der Partei ergangen war, voraus, daß die durch das Urteil beschwerte Partei neue Tatsachen vortrug, an deren Vorbringen sie vorher schuldlos gehindert gewesen war. Zudem mußte sie sich zum Malitieneid erbieten und schwören, „daß ihr dasjenige, was ihr vorbringet und begehret, nicht aus Gefährden und böser Meynung, noch zu Verlängerung der Sachen, sondern allein zur Nohtdurfft tuht.“ 152 In der gerichtlichen Praxis wurde 149 Th. II Tit. 14 § 1 OAGO = CCCal. II, S. 149 f.; Jessen, Einfluß, S. 208. 150 Vgl. zum Reichskammergericht Sellert, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 368 ff. 151 Im zeitgenössischen Schrifttum wurde zwischen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Restitutionsklage als Wiederaufnahmeverfahren nicht sauber unterschieden; beide wurden als restitutio in integrum bezeichnet, obwohl man sich der inhaltlichen Unterschiede durchaus bewußt war. Vgl. Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 289; ders., Art. Wiederaufnahme des Verfahrens, HRG V, Sp. 1364; Werkmüller, Art. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, HRG V, Sp. 1366; Wiggenhorn, S. 158, 233 ff. 152 Th. I Tit. 7 § 7 = CCCal. II, S. 92. Der Malitieneid war eine Erscheinungsform des Kalumnieneides, durch den eine Partei oder ihr Prozeßvertreter schwor, den Prozeß redlich führen zu wollen. Nach der Celler Oberappellationsgerichtsordnung bezog sich der Kalumnieneid (Th. I Tit. 7 § 3 = CCCal. II, S. 90) allgemein auf die redliche Prozeßführung, während der Malitieneid die Redlichkeit bestimmter Prozeßhandlungen zum Gegenstand hatte. Vgl. § 43 JRA 1654 = Laufs, Der jüngste Reichsabschied, S. 28 f.; Blesken/Gönnenwein/Reicke/Weizsäcker, Art. Kalumnieneid, Deutsches Rechtswörterbuch VI, Sp. 743; Bross, S. 59 ff.; Jessen, Einfluß, S. 184; Sellert, Art. Kalumnieneid, HRG II, Sp. 568; ders., Faires Verhalten, S. 494 ff.; Speer u. a., Art. Malitieneid, Deutsches Rechtswörterbuch IX, Sp. 84.



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dieser Eid allerdings nicht abgenommen.153 Richtete sich die Restitutionsklage gegen ein erstinstanzliches Urteil des Oberappellationsgerichts oder in der Appellationsinstanz gegen ein nach Schriftsatzwechsel der Parteien (processus cum actoria) ergangenes Urteil, so waren der Vortrag neuer Tatsachen sowie das Erbieten zum Malitieneid hingegen entbehrlich. Abweichend von der Praxis der Reichsgerichte hatte das Rechtsmittel nur in diesem letzteren Falle Suspensiveffekt.154 Die Ursache für die Unterscheidung von Voraussetzungen und Wirkungen der Restitution in diesen beiden Fällen liegt darin, daß der Prozeßstoff im Verfahren ohne Schriftsatzwechsel bereits durch das vorinstanzliche Gericht gewürdigt worden war. In processus cum actoria dagegen konnten beide Parteien neue Tatsachen vortragen, so daß ein gesteigertes Interesse der unterlegenen Partei bestand, gegen die Entscheidung vorzugehen. Im Verfahren nach Schriftsatzwechsel der Parteien entsprach die Restitutionsklage weitgehend der an anderen Gerichten üblichen Supplikation oder Läuterung.155 Gleichwohl unterschied sie sich von der Läuterung insofern, als bei dieser der Vortrag neuer Tatsachen ausgeschlossen war,156 während er in Celle in diesem Falle zwar nicht erforderlich, wohl aber möglich war. Die Oberappellationsgerichtsordnung dehnte den Anwendungsbereich der restitutio in integrum deutlich über die reichsgerichtliche Praxis hinaus aus, die stets das Vorbringen neuer Tatsachen verlangte.157 Ursache für die großzügige Handhabung dieses Rechtsmittels mag gewesen sein, daß es am Oberappellationsgericht im Gegensatz zum Reichskammergericht und zum Wismarer Tribunal keine Revision gab. In Abweichung von der Praxis der Reichsgerichte konnte die Restitutionsklage aber nicht innerhalb von vier Jahren, sondern wie die Nichtigkeitsbeschwerde nur in der auf die Urteilsverkündung folgenden Sitzungsperiode eingelegt werden,158 und Suspensiv153 Th. II Tit. 14 § 2 OAGO = CCCal. II, S. 150 f.; von Bülow II, S. 350; von Bülow/ Hagemann I, S. 237 f. 154 Von Bülow II, S. 351 f.; von Bülow/Hagemann I, S. 239. Zu den reichsgerichtlichen Regelungen Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 393; ders., Art. Wiederaufnahme des Verfahrens, HRG V, Sp. 1365 f.; Wiggenhorn, S. 235 f. 155 Th. II Tit. 14 § 2 OAGO = CCCal. II, S. 150 f.; von Bülow II, S. 351 f.; von Bülow/Hagemann I, S. 240. Gegen eine Verwandtschaft der restitutio in integrum am Oberappellationsgericht mit der aus dem sächsischen Recht stammenden Läuterung Jessen, Einfluß, S. 209. Zur Läuterung vgl. allgemein Buchda, ZRG GA 75 (1958), 274 ff. 156 Buchda, Art. Läuterung, HRG II, Sp. 1649. 157 Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 391; ders., Art. Wiederaufnahme des Verfahrens, HRG V, Sp. 1365; Wiggenhorn, S. 234. Jessen, Einfluß, S. 209 f. übersieht diese Abweichung vom reichsgerichtlichen Vorbild. 158 Von Bülow II, S. 354; Jessen, Einfluß, S. 209.

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effekt hatte sie nur, wenn sie sich gegen ein Urteil richtete, das im Plenarprozeß mit Schriftsatzwechsel der Parteien ergangen war. Die Restitutionsklage gegen im Plenarprozeß ergangene Urteile war am Celler Gericht in quantitativer Hinsicht von großer Bedeutung. In 31 der 40159 Plenarprozesse des Lauenburger Aktenbestandes legte die unterlegene Partei gegen ein Urteil restitutio in integrum ein. Allerdings wurde das Rechtsmittel in sieben Fällen als desert und in 13 als unbegründet zurückgewiesen sowie in zehn Fällen zurückgenommen. Nur in einem Verfahren160 war es insofern erfolgreich, als es zu einem erneuten Gütetermin führte, in dem die Parteien schließlich einen Vergleich schlossen. Diese auffallend geringe Erfolgsquote legt nahe, daß die Parteien die Restitutionsklage oftmals weniger aus sachlichen Gesichtspunkten erhoben als vielmehr nur, um den Prozeß in die Länge zu ziehen.

c)  Die Widerlegung der Entscheidungsgründe bei Entscheidungen im Extrajudizialverfahren Hatte das Gericht eine Sache bereits im Extrajudizialverfahren durch Dekret oder Reskript entschieden, so konnte sich die beschwerte Partei gegen das Erkenntnis wenden, indem sie versuchte, die Entscheidungsgründe in ihrem Sinne zu widerlegen. Dieser Rechtsbehelf wurde als Verbesserung des Appellationslibells (emendatio libelli)161 oder Widerlegung der Entscheidungsgründe (elisio rationum decidendi) bezeichnet.162 In der gerichtlichen Praxis war aber auch hier die Bezeichnung als restitutio in integrum gebräuchlich, obwohl sich dieser Fall sowohl von der förmlichen Restitutionsklage als auch von der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unterschied.163 Der Rechtsbehelf mußte in der auf die Verkündung der angegriffenen Entschei159 Das Verfahren LS Abt. 216, Nr. 849 muß hier außer Betracht bleiben, da es 1817 vor Erlaß eines Urteils an das Obergericht Glückstadt abgegeben wurde. 160 LS Abt. 216, Nr. 753. 161 Von Bülow/Hagemann VI, S. 254 spricht vom „beneficium emendationis narratorum, vel ulterioris deductionis“. Vgl. allgemein zur Herkunft der emendatio libelli als Korrektur der Klageschrift Fleck, S. 19 ff.; Wiegand, S. 62 ff. 162 Von Bülow II, S. 212. 163 Siehe nur exemplarisch die Appellationssache Schmidt c/a Dorfschaft Grove von 1751/1752, LS Abt. 216, Nr. 898: Sowohl die durch decretum reiectorium abgewiesene Partei als auch das Gericht selbst sprachen von restitutio in integrum, obwohl inhaltlich die Widerlegung der Entscheidungsgründe gemeint war. Vgl. von Bülow II, S. 215 Note 82; von Bülow/Hagemann I, S. 241, VI, S. 254. Zur Appellationssache Eggert Schmidt siehe Stodolkowitz, Gericht und Gesellschaft, S. 65 ff.



Der Ablauf des Verfahrens

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dung folgenden Sitzungsperiode eingewandt werden. Für seine Begründung erteilte das Gericht auf Antrag Fristverlängerung. Zur Widerlegung der Entscheidungsgründe mußte die Partei weder neue Tatsachen vortragen noch sich zum Malitieneid164 erbieten. Der Rechtsbehelf hatte Suspensiveffekt.165 Die praktische Bedeutung der Widerlegung der Entscheidungsgründe wurde exemplarisch anhand derjenigen Verfahren untersucht, die das Oberappellationsgericht durch Reskript entschieden hat. In diesen 73 Verfahren machten 18 unterlegene Parteien von diesem Rechtsbehelf Gebrauch. Seine quantitative Bedeutung ist demnach nicht so groß wie diejenige der Restitutionsklage im Plenarprozeß, aber dennoch nicht unerheblich. In zwölf Verfahren wies ihn das Gericht als unbegründet zurück, in zwei als desert, und in einem wurde er zurückgenommen. In drei Fällen war er zumindest teilweise erfolgreich und führte jeweils zu einer Abänderung der Entscheidung durch ein erneutes Reskript.

5.  Darstellung eines Plenarprozesses Der praktische Ablauf eines Rechtsstreits vor dem Oberappellationsgericht soll im folgenden an Hand eines Falles, in dem der förmliche Plenarprozeß mit ausführlichen Parteischriftsätzen (processus cum actoria) durchgeführt wurde, beispielhaft dargestellt werden. Ausgewählt wurde die Appellationssache des Amts Ratzeburg gegen die Ritter- und Landschaft des Herzogtums Lauenburg wegen Exemtion vom Brückengelde166, die das Gericht von 1751 bis 1761 beschäftigte. Bei der Auswahl dieses Verfahrens spielte sein materiellrechtlicher Inhalt keine Rolle. Vielmehr war die Anschaulichkeit der gerichtlichen Praxis das einzige maßgebliche Kriterium. Da die Gerichtspraxis Zielsetzung und Schwerpunkt der folgenden Darstellung sein soll, läßt diese die materiellrechtliche Seite des Verfahrens weitgehend außer Betracht. Die Ritter- und Landschaft des Herzogtums Lauenburg hatte vor dem Hofgericht Ratzeburg in erster Instanz einen Prozeß gegen das Amt Ratzeburg geführt. Gegenstand war ein von dem verklagten Amt in Ratzeburg erhobenes Brückengeld, von dem die Ritter- und Landschaft auf Grund eines possessorischen Rechts befreit zu sein sich berühmte. Mit Urteil vom 11. November 1750 hatte das Hofgericht der Klage stattgegeben. Das Amt Ratzeburg legte gegen dieses Urteil am 28. November 1750 beim Hofgericht Appellation ein und verband diese mit der Nichtigkeits164 Vgl. oben S. 180 Note 152. 165 Von Bülow II, S. 215. 166 LS Abt. 216, Nr. 800.

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beschwerde. Die zehntägige Appellationseinlegungsfrist167 war gewahrt, weil das Amt zur Urteilsverkündung nicht geladen worden war und das angefochtene Erkenntnis erst am 21. November 1750 erhalten hatte. Da bis zur nächsten Sitzungsperiode des Oberappellationsgerichts weniger als vier Wochen Zeit blieben, mußte das Rechtsmittel erst in der übernächsten Sitzungsperiode eingeführt werden.168 Demgemäß führte der Anwalt des Amtes die Appellation am 18. Januar 1751 in Celle ein und reichte das angegriffene Urteil sowie den Apostelbrief zu den Akten. Zugleich bat er um Fristverlängerung für die Rechtfertigung. Dies begründete er damit, daß er in der Sache vom Amt noch nicht hinlänglich instruiert worden sei. Das Gericht bewilligte die erbetene Fristverlängerung am 22. Januar 1751. Einem weiteren Fristverlängerungsgesuch vom 22. März 1751 gab es am 15. April 1751 ebenfalls statt. Am 3. Mai 1751 reichte das Amt schließlich die Rechtfertigung seiner Appellation (Appellationslibell) ein. Gleichzeitig führte es eine weitere Appellation in derselben Sache ein. Das Hofgericht hatte nämlich einen Abänderungsantrag der Ritter- und Landschaft vom 17. Februar 1751 durch ein decretum inhaesivum169, das dem Amt am 26. Februar 1751 zugestellt worden war, abgelehnt und damit seine frühere Entscheidung bestätigt. Die zweite Appellation war erforderlich, damit diese erneute Entscheidung des Hofgerichts nicht in Rechtskraft erwachsen konnte. Sie war fristgerecht am 2. März 1751 beim Hofgericht eingelegt worden. Das solcherart angegriffene inhaesivum lag der Rechtfertigungsschrift, wiederum zusammen mit dem Apostelbrief, als Anlage bei. Gegenstand der Rechtfertigungsschrift war zunächst die ausführliche Darlegung der Einhaltung aller verfahrensrechtlichen Formalien und Fristen.170 Sodann führte das Amt die materiellrechtlichen Gesichtspunkte aus, auf die es das Rechtsmittel stützte. Schließlich beantragte es, auf Prozeß zu erkennen und die erstinstanzlichen Erkenntnisse des Hofgerichts aufzuheben. Daraufhin erkannte das Oberappellationsgericht am 13. Mai 1751, „nachdem formalia richtig, die gravamina auch nicht sonder Anschein befunden worden, die gebethene processus neml. citatio compulsoriales et inhibitio“. Weitere Ausführungen der Parteien durch wechselseitige Schriftsätze (processus cum actoria) hielt es zunächst nicht für erforderlich.171 So verfügte es, daß „acta demnächst in pto relevantiae gravaminis ad referendum außgestel-

167 168 169 170 171

Th. II Tit. 2 § 3 OAGO = CCCal. II, S. 72 f. Th. II Tit. 2 § 7 OAGO = CCCal. II, S. 74 f. Zur Terminologie von Bülow II, S. 411 Note 28; vgl. Endemann, S. 519. Vgl. von Bülow II, S. 80. Vgl. von Bülow II, S. 188.



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let werden“ sollten, „Gestalten dann die Partheyen nach sodann geschehener relation fernere rechtliche Verordnung zugewarten haben.“ Am 7. Juni 1751 legitimierte sich der Prokurator der Ritter- und Landschaft durch Einreichung der Prozeßvollmacht, deren Unvollständigkeit das Gericht am 17. Juni 1751 bemängelte: Entgegen dem 17. Gemeinen Bescheide vom 19. September 1716172 enthielt die Vollmacht nur den Nachnamen, nicht aber auch den Vornamen des Prokurators. Am 16. Juli 1751 reichte der Prokurator die vervollständigte Vollmacht zu den Akten. Am 8. Juni 1751 reproduzierte das Amt Ratzeburg die erkannten Prozesse, indem es citatio, compulsoriales und inhibitio zu den Akten zurückreichte. Damit bestätigte es deren ordnungsgemäße Zustellung an die gegnerische Partei beziehungsweise das vorinstanzliche Gericht.173 Mit der Reproduktion begann der förmliche Plenarprozeß als Judizialverfahren. Am 26. Juli 1751 gingen auch die Vorakten des Hofgerichts in Celle ein. Das weitere Verfahren bis zum Erlaß des Relevanzbescheides dokumentieren die Akten nicht, da die gerichtsinterne Bearbeitung der Sache, die Austeilung an die Referenten und die Beratung im Plenum nicht protokolliert und die Relationen der Referenten nicht zu den Akten genommen wurden. Am 7. September 1753 erließ das Gericht das Relevanzurteil. Es hatte die Sache „so beschaffen gefunden […], daß sie einer weitern Ausführung bedarf“, und ordnete daher processus cum actoria an. Der Ritter- und Landschaft kommunizierte es den Appellationslibell und forderte sie zur Replik sowie zum Beweisantritt auf. Insofern handelte es sich um ein Beweisinterlokut. Daß der Rechtsmittelgegner nicht zur Einbringung seiner Einwendungen, sondern gleich einem Kläger oder Rechtsmittelführer zur Replik aufgefordert wurde, ist dadurch begründet, daß die Ritter- und Landschaft die Brückengeldfreiheit für sich in Anspruch nahm und sich damit gleichsam in der Position des Klägers befand. Die beiden erstinstanzlichen Erkenntnisse hob das Gericht vorläufig auf und setzte die Kosten des Verfahrens bis zum Erlaß eines endgültigen Urteils aus. Am 10. September 1753 erließ es ein Reskript an das vorinstanzliche Hofgericht Ratzeburg, in dem es rügte, daß zwei als Angehörige der Ritter- und Landschaft in dem Verfahren befangene Mitglieder des Hofgerichts an den erstinstanzlichen Erkenntnissen mitgewirkt hatten. Für die Anfertigung der Replik und den Beweisantritt erbat sich der Prokurator der Ritter- und Landschaft zweimal (15. Oktober und 11. Dezember 1753) Fristverlängerung, denn zuvor seien Beratungen mit dem Landratskollegium und Nachforschungen zur Brückengeldfreiheit im Ratzeburger Stadtarchiv erforderlich. Die Fristverlängerungen gewährte das Gericht am 172 Hagemann, Ordnung, S. 237 f.; vgl. von Bülow I, S. 260. 173 Th. II Tit. 3 § 14 OAGO = CCCal. II, S. 80 f.

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18. Oktober und 13. Dezember 1753. Die Replikschrift ging schließlich am 20. Dezember 1753 ein und enthielt ausführliche historische Ausführungen zu der prätendierten Brückengeldfreiheit. Die Ritter- und Landschaft benannte in ihr 14 Zeugen, um zu beweisen, daß ihren Angehörigen das Brückengeld erst in jüngster Zeit entgegen ihrer Freiheit abgefordert worden sei. Zugleich legte sie für die Zeugenvernehmung zehn Beweisartikel (articuli probatoriales) vor und beantragte, die Zeugen wegen der großen Entfernung zwischen Celle und Ratzeburg durch eine Kommission im Herzogtum Lauenburg zu vernehmen, schließlich die erstinstanzlichen Erkenntnisse zu bestätigen und sie, die Ritter- und Landschaft, in ihrer Brückengeldfreiheit zu schützen. Das Gericht kommunizierte die Replik dem Amt Ratzeburg am 15. Januar 1754 und forderte es auf, die Duplik und gegebenenfalls Fragstücke zu den Beweisartikeln der Ritter- und Landschaft (interrogatoria) sowie seinerseits Artikel zum Antritt des Gegenbeweises (articuli reprobatoriales) einzubringen. Außerdem gab es beiden Parteien auf, für die Kommission zur Zeugenvernehmung Kommissare vorzuschlagen. Die Ritter- und Landschaft kam dieser Aufforderung nach, indem sie am 15. März 1754 einen lüneburgischen Stadtsyndikus vorschlug. Im nächsten Dreivierteljahr schritt der Prozeß jedoch nicht voran. Denn das Amt Ratzeburg beantragte zunächst sechsmal (27. März, 7. Mai, 19. Juni, 17. Juli, 4. September und 29. Oktober 1754) Fristverlängerung und erhielt diese auch jedesmal (gerichtliche Bescheide vom 29. März, 18. Mai, 8. Juli, 31. Juli, 5. Oktober und 30. Oktober 1754). Zur Begründung führte der Prokurator Krankheit und zuletzt den Tod des Amtsadvokaten an. Das Gericht ermahnte ihn zwar, die Sache nicht länger zu verzögern, und drohte in den beiden letzten Bescheiden, das Kontumazialverfahren174 einzuleiten. Letztlich unternahm es aber nichts gegen die Verzögerung. Auch ein Antrag der Ritter- und Landschaft vom 23. Oktober 1754 auf Einleitung des Kontumazialverfahrens blieb erfolglos. Am 9.  Dezember 1754 schlug das Amt Ratzeburg schließlich einen Oberamtmann aus Winsen an der Luhe für die Kommission vor, bat aber für die Duplik um weitere Fristverlängerung. Ebenfalls mit Schreiben vom 9. Dezember 1754 gab die Ritter- und Landschaft erneut ihrem Unmut über die Verzögerung Ausdruck und teilte mit, daß bereits einer ihrer Zeugen verstorben und andere sehr betagt seien, so daß ihre Beweisführung vereitelt werden könne. Durch Dekret vom 23. Dezember 1754 beauftragte das Gericht die beiden vorgeschlagenen Personen mit der Kommission und forderte sie auf, demnächst die Zeugen zu vernehmen. Dem Amt Ratzeburg gab es auf, seine Fragstücke einzubringen, und bewilligte erneut die für die Duplik beantragte Fristverlängerung. Der Prokurator des Amtes reichte am 30. Dezem174 Zum Kontumazialverfahren siehe oben S. 176 mit Note 118.



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ber 1754 die Fragstücke ein und bat für die Duplik und die Führung des Gegenbeweises wiederum um Fristverlängerung, da das Amt ihn diesbezüglich noch nicht hinreichend instruiert habe. Das Gericht gewährte die Frist am 14. Januar 1755. Einen weiteren Fristverlängerungsantrag stellte das Amt am 21. Januar 1755. Am 27. Januar 1755 trat es durch Vorlage der Beweisartikel den Gegenbeweis an, benannte den Ratzeburger Brückengeldeinnehmer sowie dessen Ehefrau als Zeugen und beantragte, deren Vernehmung ebenfalls der Kommission aufzutragen. Das Gericht lehnte diese Zeugen indes durch Dekret vom 3. Februar 1755 ab. Denn wegen verschiedener Beschwerden gegen sie, die es nicht näher ausführte, könne von ihnen kein gültiges Zeugnis erwartet werden. Dem Amt setzte es eine Frist zur Benennung anderer Zeugen. Von dieser Möglichkeit machte das Amt allerdings keinen Gebrauch. Am 18. März 1755 verzichtete es auf den Gegenbeweis, da es keine anderen Zeugen gefunden habe. Am 21. April 1755 teilte die Ritter- und Landschaft mit, daß inzwischen drei ihrer Zeugen verstorben seien, und benannte an deren Stelle zwei Ersatzzeugen175. Ihre „Höchstgedrungene Ungehohrsahms-Beschuldigung“ stellte daneben den Antrag, die Gegenseite wegen der Verzögerung mit dem Gegenbeweis zu präkludieren. Dieser Antrag ging freilich, wie das Gericht am 6. Mai 1755 feststellte, ins leere, da sich das Amt Ratzeburg des Gegenbeweises bereits begeben hatte. Der Bericht der Kommission über die Zeugenvernehmung, die vom 25. bis 27. Juni 1755 in Ratzeburg stattgefunden hatte, ging am 8. September 1755 beim Gericht ein. Dieses teilte das Protokoll den Parteien am 7. Oktober 1755 mit. Zugleich forderte es die Ritter- und Landschaft auf, entweder weitere Ausführungen zu den Aussagen der Zeugen einzubringen oder den Aktenschluß zu beantragen.176 Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 1755 verzichtete jene auf weitere Ausführungen und beantragte den Aktenschluß. Im übrigen wiederholte sie ihre Anträge aus der Replik. Am 16. Dezember 1755 forderte das Gericht auch das Amt auf, seine Stellungnahme zur Vernehmung der Zeugen einzubringen. Der Prokurator beantragte daraufhin wegen Krankheit des Amtsanwalts mehrfach (23. Januar, 29. März, 12. April und 10. Mai 1756) Fristverlängerung, die das Gericht zunächst ausdrücklich bewilligte (Bescheide vom 31. Januar und 2. April 1756). Die beiden letzten Gesuche ließ es hingegen unbeschieden, so daß von einer stillschweigenden Fristverlängerung auszugehen ist.177 Am 10. Mai 1756 beantragte die 175 Th. II Tit. 8 Sec. I § 15 OAGO = CCCal. II, S. 98 f. 176 Vgl. § 56 JRA 1654 = Laufs, Der jüngste Reichsabschied, S. 34. 177 Auch am Reichskammergericht war es üblich, über Fristverlängerungsgesuche nicht ausdrücklich zu entscheiden und die Frist auf diese Weise stillschweigend zu verlängern; Wiggenhorn, S. 155.

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Ritter- und Landschaft, wegen der Verzögerung im Kontumazialverfahren auf Aktenschluß zu erkennen. Auch hierauf reagierte das Gericht nicht. Die Duplik des Amtes Ratzeburg ging schließlich am 3. Juli 1756 ein. Selbigen Tages erkannte das Gericht auf Aktenschluß und ordnete an, die Akten nach Zustellung dieses Bescheides zu inrotulieren178. Dabei blieb es aber nicht. Die Ritter- und Landschaft stellte am 20. Juli 1756 den Antrag, den erkannten Aktenschluß wieder aufzuheben. Denn die Duplik der Gegenseite enthalte neues Vorbringen und mache eine Triplik erforderlich. Dem gab das Gericht am 17. August 1756 statt. Eine am 6. September 1756 von der Ritter- und Landschaft zur Beibringung der Triplik beantragte Fristverlängerung bewilligte es am 9. September 1756. Ein weiteres Fristverlängerungsgesuch vom 20. Oktober 1756 blieb unbeschieden. Am 25.  Oktober 1756 ging die Triplik ein. In ihr bemängelte die Ritter- und Landschaft die unerlaubte Beibringung neuer Tatsachen in der Duplik. Ohne auf diese Rüge einzugehen, forderte das Gericht das Amt Ratzeburg am 28. Oktober 1756 zur Einbringung der Quadruplik auf. Das Amt reagierte darauf nicht. Das Verfahren kam zum Stillstand. Am 3.  Juni 1757 beschwerte sich die Ritter- und Landschaft über die Verzögerung und beantragte, das Amt mit der Quadruplik zu präkludieren und im Kontumazialverfahren auf Aktenschluß zu erkennen. Dem folgte das Gericht aber nicht. Anträgen des Amtes auf Verlängerung der inzwischen eigentlich längst abgelaufenen Frist (13. Juni und 11. Juli 1757) gab es statt (23. Juni und 20. Juli 1757). Offenbar war erneut der Amtsadvokat gestorben, und dem Nachfolger war die rasche Einarbeitung in die Sache nicht möglich. Auch um dessen Gesundheitszustand war es nicht zum besten bestellt, denn er „erforderte den Gebrauch der Brunnen Cur“. Dies belegte ein ärztliches Attest. Am 5. September 1757 ging schließlich die Quadruplik ein, die die Aussagen der Zeugen zu entkräften suchte. Daraufhin erkannte das Gericht am 15. September 1757 – nunmehr endgültig – auf Aktenschluß und ordnete die Inrotulation an, die durch einen Sekretär im Beisein von Vertretern der Parteien am 17. Oktober 1757 vorgenommen wurde. Über das nun folgende Verfahren der Austeilung der Akten an die Referenten und die Ausarbeitung der Relationen sagen die Akten wie üblich nichts aus. Am 7. Februar 1759 sollizitierte die Ritter- und Landschaft und bat um baldigen Spruch eines Urteils (petitio pro maturanda sententia).179 Das Gericht erklärte daraufhin am 22. Februar 1759, daß die Akten demnächst ausgeteilt und „zur Urthel befördert werden“ sollten. Fast anderthalb Jahre nach Aktenschluß war die Sache demnach den Referenten noch nicht zugeteilt worden. Am 8. September beziehungsweise 6. November 1760 ba178 Siehe oben S. 176. 179 Zur Sollizitatur siehe oben S. 178 f.



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ten das Amt Ratzeburg sowie die Ritter- und Landschaft erneut um baldigen Spruch eines Urteils, ohne darauf eine Antwort zu erhalten. Das Endurteil erging am 12. September 1761, fast genau vier Jahre nach Aktenschluß. Das Gericht sah den Beweis der Brückengeldfreiheit durch die Ritter- und Landschaft als geführt an und stellte die erstinstanzlichen Erkenntnisse wieder her. Zugleich ließ es dem Amt Ratzeburg aber frei, die Brückengeldfreiheit in einem neuen petitorischen Verfahren zu widerlegen. Die Kosten des Verfahrens hob es gegeneinander auf.180 Das Amt Ratzeburg legte am 12. Oktober 1761 gegen das Urteil fristwahrend den Rechtsbehelf der restitutio in integrum (Wiederaufnahme des Verfahrens)181 ein und bat für dessen weitere Ausführung um Fristverlängerung, die das Gericht am 23. Oktober 1761 gewährte. Am 16. November 1761 teilte das Amt jedoch mit, es sei von der Rentkammer in Hannover als übergeordneter Stelle angewiesen worden, dieses Verfahren nicht weiter zu verfolgen, sondern den Weg eines neuen petitorischen Verfahrens zu beschreiten. Damit zog es das eingelegte Rechtsmittel zurück. Das Gericht teilte dies der Gegenseite am 30. November 1761 mit. Damit war das Verfahren beendet, das das Oberappellationsgericht über zehn Jahre lang beschäftigt hatte. Ob das Amt Ratzeburg nun den Weg eines petitorischen Verfahrens vor dem Hofgericht einschlug, ist den Akten des Oberappellationsgerichts nicht zu entnehmen.

6. Schlußfolgerungen aus dem dargestellten Verfahren Der dargestellte Plenarprozeß in der Appellationssache des Amtes Ratzeburg gegen die Ritter- und Landschaft des Herzogtums Lauenburg weist einige Besonderheiten auf, läßt aber im übrigen die charakteristischen Elemente des 180 Vgl. zur Kostentragung Th. II Tit. 13 § 1 OAGO = CCCal. II, S. 144: „Wenn in den Sachen, so per viam Appellationis an dieses Gericht kommen, die Urthel à qua pure confirmiret wird; soll regulariter Appellante condemniret werden, Appellaten allen Schaden, Kosten und Interesse zu erstatten. Hätte aber Appellante vorhin in dem Judicio à quo in solcher Sache vor sich eine Urthel erhalten, oder die im Streit seyende Materie wäre in Jure controvers; so wären die Unkosten in diesen beyden Fällen zu compensiren. Würde auch die Urthel à qua entweder überhaupt oder in gewissen Stücken reformiret; so sollen die Expensen, weil Appellate eine Urthel vor sich hat, compensiret werden: Es sey und wäre denn, daß die vorige Urthel gar keinen Grund in Rechten hätte, als auf welchen Fall, auch solcher ungeachtet, das Gericht dem Appellaten in expensas condemniren könte.“ Im vorliegenden Fall wurden die Kosten vermutlich deshalb gegeneinander aufgehoben, weil die Sache als in iure controvers gelten mußte. 181 Siehe oben S. 180 ff.

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Celler Verfahrens gut sichtbar werden. Nach Einführung und Rechtfertigung der Appellation erkannte das Gericht auf Prozeß. In einem ersten Urteil, dem Relevanzurteil, entschied es sodann, daß weitere Ausführungen der Parteien sowie Beweisantritt seitens der Ritter- und Landschaft erforderlich seien. Es ließ also processus cum actoria durchführen. Der Schriftwechsel der Parteien konnte in diesem Falle über die Duplik hinaus bis zur Quadruplik fortgesetzt werden, da die Duplik noch neues Vorbringen enthielt. Eine Besonderheit bestand darin, daß die Ritter- und Landschaft als Rechtsmittelgegnerin nicht, wie eigentlich üblich, ihre Einwendungen in der Einlassungsschrift vorzubringen hatte, worauf normalerweise der Appellant zur Replik schritt. Vielmehr gab das Gericht der Rechtsmittelgegnerin nach vorläufiger Aufhebung der erstinstanzlichen Erkenntnisse auf, ihre Brückengeldfreiheit in Replik und Beweisantritt nachzuweisen, und verwies sie damit gleichsam wieder in die Klägerrolle, die sie in erster Instanz innegehabt hatte. Die Vernehmung der Zeugen über die von der beweisführenden Ritter- und Landschaft vorgelegten Beweisstücke (articuli probatoriales) und die Fragstücke der Gegenseite (interrogatoria) übertrug es, wohl wegen der beträchtlichen Entfernung zwischen Celle und dem Herzogtum Lauenburg, einer auswärtigen Kommission. Diese fertigte ein ausführliches Protokoll an und reichte es zu den Akten. Dieses Verfahren stimmte mit dem des Reichskammergerichts und des Reichshofrates überein.182 Die beiden Kommissare ernannte das Gericht auf Vorschlag jeweils einer Partei. Die Zusammensetzung der Kommission erinnert insofern an ein Schiedsgericht. Das Verfahren ist davon geprägt, daß es sich, obwohl das Vorbringen der Parteien und die Beweisaufnahme inhaltlich übersichtlich waren, über mehr als zehn Jahre hinzog. Für diese lange Verfahrensdauer gibt es mehrere Gründe, für die erstens das umständliche schriftliche Verfahren, zweitens die Parteien und drittens das Gericht selbst verantwortlich waren. Das von wenigen Ausnahmen abgesehen ausschließlich schriftliche Verfahren sollte weitschweifige Vorträge der Parteien und ihrer Prozeßvertreter vermeiden.183 Es war aber in den nach den Sitzungsperioden des Gerichts bemessenen184 Fristen, die für alle Prozeßhandlungen galten, starr und unbeweglich und stand der raschen Erledigung unproblematischer Fragen im Wege.185 Dieser langwierige Verfahrensgang war auch für den Kameralprozeß charakteristisch.186 Insofern bewirkte die Oberappellationsgerichtsordnung das Gegenteil des mit der Schriftlichkeit angestrebten Erfolges (Pro182 183 184 185 186

Sellert, Prozeßgrundsätze, S. 308 ff.; Wiggenhorn, S. 212 ff. Jessen, Einfluß, S. 159, 161. Von Bülow I, S. 47. Vgl. Gunkel, S. 126. Oestmann, Art. Kameralprozeß, EdN VI, Sp. 300.



Der Ablauf des Verfahrens

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zeßbeschleunigung). Gleiches gilt für das stark formalisierte Beweisverfahren mit seinen Beweisartikeln und Fragstücken. Die Parteien konnten das Verfahren dadurch in die Länge ziehen, daß sie ihre Prozeßhandlungen nicht in der festgesetzten Zeit vornahmen, sondern um Fristverlängerung baten. Häufige Fristverlängerungen waren am Oberappellationsgericht wie am Reichskammergericht187 keine Ausnahme. Der dargestellte Fall ist in dieser Hinsicht jedoch ein Extrembeispiel. Die Ritter- und Landschaft stellte vier, das Amt Ratzeburg insgesamt 18 Anträge auf Fristverlängerung. Da die Fristen jeweils um eine Sitzungsperiode verlängert wurden und dies bei jährlich acht Perioden stets eine Verlängerung um etwa anderthalb Monate bedeutete, bewirkten die Fristverlängerungen insgesamt eine Verzögerung von ungefähr zweieinhalb Jahren. Hinzu kommen etliche Monate, in denen das Amt Ratzeburg eine Prozeßhandlung nicht vornahm, trotz eigentlich eingetretener Verfristung aber auch nicht um Fristverlängerung nachsuchte, ohne daß dieses Verhalten vom Gericht geahndet worden wäre. Die Verantwortlichkeit des Gerichts für die unnötig lange Verfahrensdauer lag zum einen in der großzügigen Gewährung jeder Fristverlängerung. Zwar drohte es wiederholt damit, bei weiterer Verzögerung das Kontumazialverfahren einzuleiten. Diese Drohung machte es aber trotz etlicher entsprechender Anträge der über die Verzögerung zu Recht erbosten Ritter- und Landschaft nicht wahr. Der Absicht der Oberappellationsgerichtsordnung, allzu häufige Fristverlängerungen zu vermeiden – auch bei besonders schwerwiegenden Gründen sollten höchstens drei Fristverlängerungen gewährt werden188 –, sprach es geradezu Hohn, indem es im Jahre 1754 hintereinander sechs Fristgesuchen des Amtes Ratzeburg stattgab und damit den Prozeß für fast neun Monate zum Erliegen brachte. Selbst in Monaten, in denen das Amt trotz fortdauernder Verzögerung nicht einmal Fristgesuche stellte, sprach es trotz eindeutig eingetretener Verfristung keine Präklusion aus, sondern verlängerte die Fristen stillschweigend. Zwar kann anhand der erhaltenen Akten nicht mehr nachgeprüft werden, ob die geltend gemachten Gründe für die Fristverlängerungsanträge ausnahmslos der Wahrheit entsprachen oder zumindest auch im Sinne einer Verzögerungstaktik vorgeschoben waren. Unabhängig davon aber war das Gericht durch

187 Wiggenhorn, S. 254. Bereits die Reichskammergerichtsordnung von 1517 bemängelte Verfahrensverzögerungen durch häufige Fristverlängerungen; Th. I §§ 4, 11 RKGO 1517 = Sammlung der Reichs-Abschiede II, S. 166 f.; Dick, S. 31. § 50 des Visitationsabschieds von 1713 = Sammlung der Reichs-Abschiede IV, S. 271 stellte am Anfang des 18. Jahrhunderts den gleichen Mißstand fest. 188 Th. II Tit. 2 § 8 OAGO = CCCal. II, S. 75.

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seinen außerordentlich milden Umgang mit Fristgesuchen für die Dauer des Verfahrens maßgeblich mitverantwortlich. Eine weitere Ursache der Verfahrensdauer, die in der Sphäre des Gerichts lag, war die lange Zeit, die das in den Akten nicht dokumentierte Verfahren vor der Verkündung eines Urteils in Anspruch nahm. Dieses Verfahren dauerte beim Relevanzurteil, das lediglich weitere Ausführungen der Parteien sowie den Beweisantritt anordnete und die erstinstanzlichen Erkenntnisse vorläufig aufhob, zwei Jahre. Vor dem Endurteil vergingen zwischen der Inrotulation der Akten und der Urteilsverkündung nahezu vier Jahre. Diese lange Dauer ist einerseits auf die umständliche Form der von den Referenten auszuarbeitenden Relationen189 und andererseits auch auf die Arbeitsüberlastung zurückzuführen, die das Celler Gericht wie auch die höchsten Reichsgerichte in seiner Tätigkeit stark beeinträchtigte.190 Das dargestellte Verfahren ist zwar hinsichtlich der übermäßig zahlreichen Fristverlängerungen eine Ausnahme, zeigt aber anschaulich, daß das Verfahren vor dem Oberappellationsgericht für Verzögerungen in verschiedener Hinsicht anfällig war.

189 Siehe oben S. 173. 190 Gunkel, S. 180; zur Arbeitsbelastung der Richter an den Reichsgerichten Sellert, Urlaub, S. 531 ff.



Verfahrensdauer

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IV.  Verfahrensdauer Die Effektivität und Autorität der Rechtsprechung sowie die Wirksamkeit der Gerichtsbarkeit für die Rechtsordnung und die Gesellschaft werden von der Dauer der Verfahren an einem Gericht beeinflußt. Dauern Verfahren übermäßig lang, kann die Rechtsprechung ihre Aufgaben nicht erfüllen. Diese Zusammenhänge und die von Verfahrensverzögerungen ausgehenden Gefahren für die Rechtsordnung waren in der Frühen Neuzeit bekannt. Dies wird an der Beschwerde wegen verweigerter oder verzögerter Justiz zu den Reichsgerichten sichtbar, die auch durch die Appellationsprivilegien nicht ausgeschlossen werden konnte. Auch in Celle und Hannover war man sich dessen bewußt, wie wichtig Verfahrensbeschleunigung für die Rechtsuchenden und den Rechtsfrieden ist. So begann die Verordnung Georgs II. zur Reform des Oberappellationsgerichts von 1733 mit der Feststellung, daß „männiglich bekandt ist, wie von schleuniger Administration der Justitz die Wohlfahrt eines gantzen Landes, der gemeine Credit und eines jeden Unterthanen Wohl und Wehe insbesondere abhange“, da „auch die beste und unpartheyischste Justitz, wann mit deren Ertheilung allzulange angestanden wird, einen grossen Theil ihres Wehrts verlieret, indem durch Verzögerungen und Zeit-Verlust öffters die Sachen in den Stand gesetzet werden, daß ihnen durch einen Rechts-Spruch nicht mehr gerahten ist, auch viele streitende Partheyen […] gar darüber hinsterben“.1 Der Kampf gegen Verfahrensverzögerungen durchzieht die gesamte Geschichte der Gerichtsbarkeit in der Frühen Neuzeit. So klagte Moser 1773, daß „die Rechtshändel an denen Teutschen Gerichten so unnöthig weitläufftig behandelt und offt unsterblich werden.“2 Angesichts des umständlichen und oftmals langwierigen schriftlichen Verfahrens und der durch dieses mitverursachten häufigen Arbeitsüberlastung ist es einerseits naheliegend, daß sich am Celler Gericht viele Verfahren übermäßig in die Länge zogen. Andererseits war die Prozeßbeschleunigung, die auch am Wismarer Tribunal eine besondere Rolle spielte,3 ein zentrales Anliegen der Oberappellationsgerichtsordnung und des Gerichts: Maßnahmen zur Beschleunigung des Verfahrens waren neben der dem Jüngsten Reichsabschied folgenden Abschaffung des Artikelprozesses die Einführung strenger Schriftlichkeit, die mündliches Vorbringen der Parteien und ihrer Prozeßvertreter ausschloß, die weitgehende Einschränkung auch des schriftlichen Parteivorbringens, 1 Reglement wegen verbesserter Einrichtung des Ober-Appellations-Gerichts vom 31. März 1733 = CCCal.  II, S.  180, Original in NHStA Hann. 26a, Nr. 4788, S. 101 ff. 2 Moser, Von der Landes-Hoheit in Justiz-Sachen, S. 207. 3 Jörn, Das Wismarer Tribunal. Geschichte und Arbeitsweise, S. 276.

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die dem Gericht zum einen die Entscheidung ohne vorherigen Austausch von Schriftsätzen ermöglichte und zum anderen einen Schriftwechsel über die Duplik hinaus grundsätzlich nicht zuließ, sowie die restriktive Handhabung des förmlichen Prozesses.4 Die Dauer der Verfahren konnte anhand des Lauenburger Aktenbestandes für die Zeit von 1747 bis 1816 untersucht werden. Zu differenzieren ist dabei zwischen den Verfahren, in denen das Rechtsmittel angenommen und der förmliche Plenarprozeß durchgeführt wurde, und denjenigen, in denen das Gericht bereits im Extrajudizialverfahren durch Dekret oder Reskript in der Hauptsache entschied.

1.  Verfahrensdauer der im Extrajudizialverfahren entschiedenen Fälle Für die Verfahrensdauer der bereits im Extrajudizialverfahren beendeten Fälle wurden bei der Auswertung der Akten jeweils zwei Werte ermittelt.5 Als Gesamtdauer des Verfahrens wurde die Zeit vom Beginn des Verfahrens – maßgeblicher Zeitpunkt für den Verfahrensbeginn ist die in den Akten mit Datum vermerkte Einführung in der Kanzlei – bis zur letzten in den Akten verzeichneten Prozeßhandlung berechnet.6 Dieser Wert ermöglicht eine Aussage über die Zeitdauer, während deren sich das Gericht mit einem Fall beschäftigte. Er ist aber insofern unscharf, als gelegentlich auch in sachlich abgeschlossenen Verfahren noch nach manchmal langer Zeit Parteischriften und Kostenrechnungen eingingen, so daß die auf diese Weise errechnete Verfahrensdauer zuweilen erheblich länger ist als die Zeit, die das Gericht zur Entscheidung des Falles benötigte. Daher wurde als zweiter Wert die Dauer vom Verfahrensbeginn bis zur ersten Hauptentscheidung des Gerichts – decretum desertorium, decretum reiectorium oder rescriptum de emendando – ermittelt, um zu untersuchen, wie lange das Gericht brauchte, um eine Entscheidung zu treffen. Erging, beispielsweise nach erfolgreicher Einlegung des Rechtsbehelfs der restitutio in integrum, eine weitere Hauptentscheidung, so wird diese hier nicht berücksichtigt. Im Interesse einer eindeutigen Unterscheidung soll im folgenden jener Wert als Verfahrensdauer, dieser hingegen als Entscheidungsdauer bezeichnet werden. Für beide Werte ist aus praktischen Gründen stets die Zahl der begonnenen Monate maßgeblich. Werden Werte in Jahren angegeben, so wurde die 4 Vgl. Stodolkowitz, Gericht und Gesellschaft, S. 74 ff. 5 Vgl. Anh. Tab. 5. 6 Vgl. zur Bestimmung der Prozeßdauer bei der Auswertung der Reichskammergerichtsakten Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 213.



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Zahl der Monate durch zwölf geteilt. Ein am 1. Februar eines Jahres eingeführtes und am 1. April desselben Jahres beendetes Verfahren wird daher mit drei Monaten oder 0,25 Jahren angegeben. Die mit dieser Methode verbundenen leichten Ungenauigkeiten wurden im Interesse der Praktikabilität der Auswertung bewußt in Kauf genommen. Mehr als die Hälfte der im Extrajudizialverfahren entschiedenen Verfahren waren in weniger als einem halben, 85 Prozent in weniger als einem Jahr beendet. Nur ein geringer Teil von ihnen – weniger als zehn Prozent – dauerte länger als zwei Jahre, wobei dies meistens durch nach der Entscheidung noch eingereichte Parteischriften und Anträge sowie den Rechtsbehelf der elisio rationum decidendi bedingt war. Noch kürzer war die Entscheidungsdauer: In gut der Hälfte der Verfahren benötigte das Gericht keine drei Monate, um zu einer Entscheidung in der Sache zu gelangen. Nur ein verschwindend geringer Anteil dauerte bis dahin länger als ein Jahr. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Parteien ihr Rechtsmittel meist erst nach Fristverlängerung begründeten. In den drei Verfahren, in denen nach zwei Jahren noch keine Entscheidung ergangen war, war nicht das Gericht für die lange Entscheidungsdauer verantwortlich: Zwei von ihnen wurden durch die Parteien verzögert, indem die Rechtfertigungsschrift nicht einging, und ein Verfahren ruhte über vier Jahre während der Zeit des Königreichs Westphalen.7 Berücksichtigt man, daß neun von zehn Fällen des Lauenburger Aktenbestandes das Stadium des Judizialverfahrens nicht erreichten, sondern bereits im Extrajudizialverfahren durch Dekret oder Reskript endgültig entschieden wurden, so wird sichtbar, daß die Parteien in der Regel mit einer raschen Entscheidung rechnen konnten. Die durchschnittliche Entscheidungsdauer beträgt in den untersuchten Fünfjahreszeiträumen, abgesehen von den ersten fünf Jahren, stets weniger als sechs, meistens drei bis vier Monate. Der Durchschnitt der Verfahrensdauer liegt, wiederum mit Ausnahme des ersten Fünfjahreszeitraumes, stets unter zwölf Monaten. Für die deutlich erhöhten Werte der ersten fünf Jahre sind keine Ursachen ersichtlich. Möglicherweise beruhten sie auf Zufall, der in Anbetracht der geringen Zahl der im Extra7 Die Appellationssache LS Abt. 216, Nr. 484 wurde am 4. September 1810 beim westphälischen Appellationshof, als welcher das Oberappellationsgericht zu dieser Zeit fungierte, eingeführt. Die Regierung zu Ratzeburg als Vorinstanz beschied die Parteien selbigen Tages dahingehend, daß die Appellation nach Celle unstatthaft sei; das Herzogtum Lauenburg gehörte nicht dem Königreich Westphalen an, sondern war unmittelbar von Frankreich annektiert worden und damit nicht mehr der Celler Gerichtsbarkeit unterworfen. Die Anfrage des Appellanten, welches Gericht statt dessen zuständig sei, wurde nicht verbeschieden. Die Sache ruhte daher und wurde erst am 3. Januar 1815 beim Oberappellationsgericht durch Einreichung der Rechtfertigungsschrift weiter betrieben. Eine Entscheidung in Gestalt eines decreti reiectorii erging am 21. Januar 1815.

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Gerichtliches Verfahren und Prozeßdauer

judizialverfahren entschiedenen Fälle dieses Zeitraumes nicht sicher auszuschließen ist. Der ebenfalls erhöhte Wert des Zeitraumes 1757–1761 könnte auf die Wirkungen des Siebenjährigen Krieges zurückzuführen sein. Auch hier kann aber der Zufall nicht ausgeschlossen werden. Ein deutlicher Anstieg der durchschnittlichen Verfahrensdauer ist in den Jahren um die Jahrhundertwende zu beobachten. Auch die Entscheidungsdauer stieg in dieser Zeit erkennbar an. Dieser Umstand kann mit der erheblichen Zunahme der Arbeitsbelastung des Gerichts8 erklärt werden.

2.  Verfahrensdauer bei Durchführung des förmlichen Plenarprozesses Auch bei der Untersuchung der Plenarprozesse wurden jeweils zwei Werte für die Prozeßdauer ermittelt. Neben der Zeit vom Beginn bis zum Ende des Verfahrens wurde die Zeit berechnet, die das Gericht zur Entscheidung des Falles durch ein Endurteil benötigte. Wurde ein Verfahren vor dem Erlaß eines Endurteils durch Vergleich abgeschlossen, konnte dieser Wert nicht bestimmt werden. Der erstgenannte Wert wird als Verfahrensdauer, der letztere hingegen als Endurteilsdauer bezeichnet. Die Werte beruhen wiederum auf der Zahl der begonnenen Monate. Zusätzlich wurde jeweils die Zeitdauer ermittelt, die das Gericht von dem Beschluß, durch den es auf Prozeß erkannte, bis zum Erlaß des Relevanzurteils benötigte. Auf diese Weise soll das in den Akten nicht dokumentierte gerichtsinterne Verfahren der Ausarbeitung der Relationen durch die Referenten und der Urteilsfindung im Plenum wenigstens in zeitlicher Hinsicht untersucht werden. Zudem erlaubt dieser zeitliche Wert insofern schärfere Aussagen über die Dauer gerichtsinterner Vorgänge, als er, anders als Verfahrens- und Endurteilsdauer, durch Verzögerungen seitens der Parteien kaum beeinflußt werden konnte, denn die einzige Prozeßhandlung der Parteien in diesem Abschnitt des Verfahrens war die Reproduktion der erkannten Prozesse. 9 Die Verfahrensdauer der Plenarprozesse schwankt sehr stark.10 Während zwölf dieser insgesamt 41 Verfahren in weniger als vier Jahren abgeschlossen werden konnten, dauerten 13 über zehn und vier über zwanzig Jahre. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sechs der zwölf erstgenannten Fälle durch Vergleich ein vorzeitiges Ende fanden. Bei den Plenarprozessen mit einer Dauer von bis zu zwei Jahren handelt es sich ausnahmslos um Verfahren, die 8 Vgl. Anh. Tab. 1. 9 Siehe oben S. 171. 10 Vgl. Anh. Tab. 7.



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durch eine gütliche Einigung der Parteien endeten. Die Mehrheit der Plenarprozesse, nämlich drei Viertel von ihnen, dauerte drei bis zehn Jahre. Eine besonders lange Verfahrensdauer war oftmals auch darauf zurückzuführen, daß die Parteien den Prozeß längere Zeit nicht betrieben. Wegen der geringen Anzahl der Plenarprozesse weisen auch die für die einzelnen Fünfjahreszeiträume berechneten Durchschnittswerte eine sehr hohe Schwankungsbreite auf und sind daher nur eingeschränkt aussagekräftig. Für die insgesamt 41 Plenarprozesse ergibt sich einschließlich der elf durch Vergleich abgeschlossenen eine durchschnittliche Verfahrensdauer von neuneinhalb Jahren, ohne sie eine Dauer von gut elf Jahren.11 Wegen des hohen Anteils der Verfahren, die durch Vergleich abgeschlossen wurden und dadurch vorzeitig endeten sowie wegen der geringen Gesamtzahl der Plenarprozesse kann der Zufallsfaktor nicht zuverlässig ausgeschlossen werden. Die Mehrheit der ermittelten Durchschnittswerte ist daher allenfalls bedingt verallgemeinerungsfähig. Deshalb kann nicht mit Sicherheit der angesichts der Zahlen an sich naheliegende Schluß gezogen werden, daß sich die Dauer der Plenarprozesse während des Untersuchungszeitraums verkürzt habe. In 31 Fällen erließ das Gericht ein Endurteil. In zwei davon kam es noch anschließend zum Vergleich. Durchschnittlich konnten die Parteien nach knapp fünf Jahren mit einem endgültigen Urteil rechnen. Diese Zeit erscheint auf den ersten Blick auffällig lang. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß am Reichskammergericht Ende des 16. Jahrhunderts fast die Hälfte der neu eingegangenen Rechtsfälle das Gericht sechs bis zwanzig Jahre in Anspruch nahm; elf Prozent dauerten zwanzig bis fünfzig und fünf Prozent sogar über fünfzig Jahre.12 Wenn dagegen in Celle nur in drei der 31 Verfahren, in denen ein Endurteil erging, bis dahin mehr als acht Jahre verstrichen, erhellt daraus, daß das schriftliche Verfahren zwar regelmäßig eine aus heutiger Sicht bemerkenswert lange Zeit in Anspruch nahm, aber nicht zwingend für eine übermäßig lange Verfahrensdauer prädestiniert war. Das gerichtsinterne Verfahren zwischen dem auf Prozeß erkennenden Beschluß und dem Relevanzurteil dauerte durchschnittlich knapp vier Jahre. Die zu beobachtenden Schwankungen sind wegen der vor allem in den letzten Jahrzehnten des Untersuchungszeitraumes niedrigen Verfahrenszahlen kaum repräsentativ. Insgesamt kann aber festgehalten werden, daß allein das für die Parteien nicht beeinflußbare Verfahren der Urteilsfindung durch das Gericht, insbesondere die Ausarbeitung der Relationen durch die Referenten, wesentlich zu der oftmals langen Verfahrensdauer beitrug. 11 Vgl. Anh. Tab. 6. 12 Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 216 f., II, S. 412.

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Gerichtliches Verfahren und Prozeßdauer

Die Anfälligkeit des Prozesses für eine lange Verfahrensdauer und für Verzögerungen durch die Parteien, zu denen auch das Gericht selbst beitrug, indem es nicht entschieden gegen Prozeßverschleppung vorging, teilte das Oberappellationsgericht mit dem Reichskammergericht13 und möglicherweise auch mit dem Wismarer Tribunal14. Anders als am Reichskammergericht und in der Anfangszeit des Wismarer Tribunals führten am Celler Gericht aber nicht mangelhafte personelle Besetzung und Finanzierungsprobleme zur Überlastung des Gerichts.15 Auch erreichte die Dauer der Verfahren nicht solch übermäßig hohe Werte wie am Reichskammergericht gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Die Gründe für Verfahrensverzögerungen liegen daher in Celle allein im umständlichen schriftlichen Plenarprozeß und in den Verzögerungen durch die Parteien.

13 Die Anzahl von Verfahren mit einer Dauer von über zehn Jahren nahm am Reichskammergericht seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu: Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 215; Vgl. auch Hörner, S. 76 ff.; Wiggenhorn, S. 254. 14 Mohnhaupt, Organisation, S. 232; anders jedoch Jörn, Das Wismarer Tribunal. Geschichte und Arbeitsweise, S. 277. 15 Siehe oben S. 60.

D. Prozeßtätigkeit des Oberappellationsgerichts am Beispiel des Herzogtums Lauenburg I.  Quantitative Entwicklung des Prozeßaufkommens Der Lauenburger Aktenbestand im Landesarchiv Schleswig erlaubt, da er für ein räumlich abgegrenztes Gebiet fast vollständig erhalten ist und sich zudem das Jahr des Verfahrensbeginns1 der verlorenen Akten dem Findbuch2 entnehmen läßt, eine Untersuchung der quantitativen Entwicklung des Prozeßaufkommens nach einzelnen Jahrgängen. Daten über die zeitliche Entwicklung des Geschäftsanfalls ermöglichen einfachste und zugleich doch konkrete Aussagen über die Tätigkeit eines Gerichts.3 Da die für eine statistische Untersuchung relativ niedrige Anzahl der Verfahren in den einzelnen Jahrgängen teilweise stark schwankt, wurde für jedes Jahr unter Hinzunahme der beiden vorhergehenden und der beiden folgenden Jahre ein gleitender Fünfjahresdurchschnitt4 errechnet, der wegen geringerer Schwankungen die zeitliche Entwicklung des Prozeßaufkommens deutlicher zutage treten läßt.5 Bis zum Ende der 1770er Jahre gingen – auf Grundlage des gleitenden Fünfjahresdurchschnitts – meist vier bis fünf neue lauenburgische Verfahren pro Jahr beim Oberappellationsgericht ein. Das Prozeßaufkommen war somit in den ersten dreißig Jahren der Zuständigkeit für Lauenburg relativ konstant. Unter der Prämisse, daß es sich im gesamten Kurfürstentum nicht wesentlich anders entwickelt hat als in Lauenburg, können diese Jahrzehnte für die Tätigkeit des Gerichts als ruhige Zeit gelten. Der leichte Rückgang der Verfahrenszahlen um 1760 könnte auf die Ereignisse des Siebenjährigen Krieges zurückzuführen sein. In Anbetracht der niedrigen Zahlen kann aber 1 Maßgeblich als Zeitpunkt des Verfahrensbeginns ist der Eingang des Rechtsmittels beziehungsweise der Klage in der Kanzlei des Gerichts; vgl. hinsichtlich der Reichskammergerichtsakten Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 213. 2 Prange, Findbuch, S. 45–47. Das Findbuch gibt zwar keine Auskunft darüber, welches Ereignis für den Prozeßbeginn maßgeblich ist. Die Sichtung der erhaltenen Akten ergab aber, daß der – im Findbuch nur der Jahreszahl nach angegebene – Prozeßbeginn stets mit dem Eingang in der Kanzlei übereinstimmt. Die auf alten Verzeichnissen beruhenden (ebenda, S. 6) Angaben zu den verlorenen Akten können daher ebenfalls als zuverlässig gelten. 3 Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 125. 4 Für 1748 und 1816 wurden Dreijahresdurchschnitte unter Zugrundelegung der Jahrgänge 1748–1750 beziehungsweise 1814–1816 errechnet, für 1749 und 1815 Vierjahresdurchschnitte auf Grund der Jahrgänge 1748–1751 beziehungsweise 1813–1816. 5 Vgl. Anh. Tab. 1.

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Prozeßtätigkeit am Beispiel des Herzogtums Lauenburg

das Zufallselement nicht ausgeschlossen werden, so daß in dieser Hinsicht keine eindeutigen Schlußfolgerungen möglich sind. Die Gleichmäßigkeit der Verfahrenszahlen endete 1780. Von 1780 bis 1783 stiegen die Zahlen auf zuvor nicht erreichte Werte. Nach einem Rückgang in der Mitte des Jahrzehnts ist in den Jahren um 1790 ein noch stärkerer Anstieg zu beobachten. Durchschnittlich gingen in dieser Zeit beim Gericht jährlich zehn bis zwölf neue Verfahren aus Lauenburg ein. In den 1790er Jahren sanken die Zahlen wieder auf Werte von durchschnittlich sieben bis acht Verfahren pro Jahr. Ein auffällig hohes Prozeßaufkommen ist erneut in den Jahren von 1804 bis 1809 zu beobachten. Daß sich das Herzogtum Lauenburg von April bis August 1806 in preußischem Besitz befand,6 hat den Rechtsweg zum Oberappellationsgericht offenbar nicht berührt, denn die Eingänge gingen in diesem Zeitraum nicht zurück.7 In den Jahren 1811 bis 1813 waren hingegen keine Neueingänge zu verzeichnen. Denn das Oberappellationsgericht fungierte vom 1. September 1810 bis zum 13. Dezember 1813 als Appellationshof des von Napoleon gegründeten Königreichs Westphalen.8 Lauenburg dagegen wurde unmittelbar von Frankreich annektiert und unterstand nicht mehr der Celler Gerichtsbarkeit.9 Von 1814 bis zum Ende der Zuständigkeit für Lauenburg im Jahre 1816 gingen jährlich neun bis zehn neue Verfahren ein.

6 Hundt, S. 105. 7 Im April 1806 ging am Gericht keine neue Sache ein, im Mai nur eine. Im Juni betrug die Zahl der Neueingänge indes sechs, im Juli fünf und im August drei. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß diese Schwankungen nicht zufällig wären. 8 NHStA Hann. 52, Nr. 3327; Gunkel, S. 196 ff.; Heile, S. 80 ff.; Landwehr, S. 30 f.; Lühr, S. 27  ff.; Mohnhaupt, Richter und Gerichtspraxis, S.  167  ff.; vgl. Hagemann, Rede, S. 1 ff. 9 Heile, S. 81. Von der im übrigen vollständigen Eingliederung des Kurfürstentums in das Königreich Westphalen im März 1810 war das Herzogtum Lauenburg ausgenommen; dieses wurde am 1. Januar 1811 dem französischen Kaiserreich einverleibt. Im Zuge der Befreiungskriege erlangte Hannover im März 1813 die Herrschaft über Lauenburg zurück, um sie im Juni erneut an Frankreich zu verlieren. Der Rechtsweg an das Oberappellationsgericht wurde in dieser kurzen Zeit offenbar nicht wiederhergestellt. Jedenfalls enthält der Lauenburger Aktenbestand keine in diesem Zeitraum eingegangenen Rechtssachen. Endgültig restituiert wurde die hannoversche Herrschaft im Dezember 1813. Allerdings folgte bereits im Mai 1815 die Übergabe an Preußen, die freilich die Zuständigkeit des Oberappellationsgerichts nicht berührte. Diese endete erst mit der Abtretung des Herzogtums Lauenburg an Dänemark im Juli 1816; Hundt, S. 105 ff.; Oberländer, Lauenburgische Heimat 156 (2000), 50 f.; Stubbe da Luz, S. 282 ff. Zur Franzosenzeit in den Kurlanden vgl. Blazek.



Quantitative Entwicklung des Prozeßaufkommens

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Es liegt nahe, daß das Gericht der erhöhten Arbeitsbelastung zu begegnen suchte, indem es Verstöße gegen Frist- und Formvorschriften strenger ahndete und weniger großzügig mit Fristverlängerungen umging. So könnte die Zunahme derjenigen Fälle zu erklären sein, die es durch decretum desertorium wegen Form- oder Fristverstoßes abwies.10 Besonders deutlich werden die Auswirkungen des starken Anstiegs der Verfahrenszahlen ab den 1780er Jahren aber am Rückgang der Bedeutung des förmlichen Plenarprozesses11 sichtbar. Zwar könnte dieser Rückgang teilweise auch darauf zurückzuführen sein, daß mit dem zu beobachtenden Anstieg der Verfahrenszahlen die eindeutig ohne förmlichen Prozeß zu entscheidenden Fälle überproportional zugenommen haben könnten. Dies kann aber nicht die einzige Ursache des Bedeutungsverlusts des förmlichen Verfahrens sein. Denn auch in absoluten Zahlen nahm die Häufigkeit der Plenarprozesse ab. Die dargestellte Entwicklung ist vielmehr so zu erklären, daß das Gericht den langwierigen und schwerfälligen förmlichen Prozeß mied, um der steigenden Arbeitsbelastung Herr zu werden. Trotz seiner erhöhten Inanspruchnahme ab den 1780er Jahren hat das Gericht die Zahl der rückständigen Sachen12 in dieser Zeit erheblich reduziert. Standen 1763, nach dem Siebenjährigen Krieg, 155 und 1790 102 Sachen zur Ausarbeitung der Relationen aus, so waren es 1803 nur noch 23.13 Das Gericht hat die Effizienz seiner Arbeit in diesen Jahrzehnten also deutlich erhöht. Auch hierzu hat der Bedeutungsverlust des Plenarprozesses beigetragen. In den ab ungefähr 1780 stark schwankenden Verfahrenszahlen spiegeln sich die politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen dieser Zeit wider. Die hohen Eingangszahlen um 1790 fallen zeitlich mit der französischen Revolution zusammen, und die erneuten Höchstwerte von 1804 bis 1809 ereigneten sich in der Zeit der französischen und preußischen Besetzungen. Insgesamt fiel das Verfahrensaufkommen nach 1780 nicht mehr auf den vergleichsweise niedrigen Stand der vorherigen Jahrzehnte zurück. Anhand der bloßen zahlenmäßigen Entwicklung kann hier nicht mehr gesagt werden, als daß das Oberappellationsgericht in den gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen des Revolutionszeitalters offenbar zumindest indirekt eine Rolle spielte. Mögliche Ursachen für die dargestellte Entwicklung zu finden, setzt eine Auswertung sowohl der sozialen Schichten, die das Gericht in An-

10 Vgl. Anh. Tab. 3. 11 Vgl. Anh. Tab. 4. 12 Erhebliche Rückstände waren ein allgemeines Problem der hohen Gerichtsbarkeit der Frühen Neuzeit. Vgl. zum Wismarer Tribunal Jörn, Gerichtstätigkeit, S. 233. 13 Von Bülow II, S. 414–416 Note 33.

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Prozeßtätigkeit am Beispiel des Herzogtums Lauenburg

spruch genommen haben, als auch der Streitgegenstände, die es beschäftigt haben, voraus. Hierauf wird an späterer Stelle noch näher einzugehen sein. Da das Oberappellationsgericht für Lauenburg 1747 als Appellationsinstanz an die Stelle der Reichsgerichte trat, ist ein Vergleich des Celler Prozeßaufkommens mit der Zahl der Rechtsfälle von Interesse, die vor 1747 aus Lauenburg an das Reichskammergericht gelangt sind. In welchem Umfang hingegen der Reichshofrat mit Verfahren aus dem Herzogtum Lauenburg beschäftigt war, konnte in Anbetracht der unübersichtlicheren Quellenlage14 nicht untersucht werden, denn die Findbücher der Reichshofratsakten im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv verzeichnen keine Angaben zum jeweiligen Gericht der Vorinstanz. Die Recherchen15 ergaben, daß in der Zeit von 1700 bis 1747 nur in acht Fällen16 gegen Entscheidungen lauenburgischer Gerichte – Vorinstanz war in allen diesen Fällen das Hofgericht in Ratzeburg – Rechtsmittel zum Reichskammergericht eingelegt worden ist. Aus dem 17. Jahrhundert sind im Landesarchiv Schleswig 25 solche Rechtsfälle überliefert.17 Anders als das Oberappellationsgericht Celle hat die Bevölkerung das Reichskammergericht somit kaum in Anspruch genommen. Als Ursache für diesen Umstand kommt neben der weiten räumlichen Entfernung von Lauenburg nach Wetzlar18 die Tatsache in Betracht, daß das Reichskammergericht als Gericht des Reiches einem anderen Herrschaftsverband angehörte als die territorialen Gerichte und infolgedessen als besonders fernstehend wahrgenommen wurde, während das Oberappellationsgericht Teil der Behördenstruktur des Kurfürstentums war. Dies erleichterte nicht nur den Kontakt zum Gericht, sondern auch die Akzeptanz und die Vollstreckung19 seiner Entscheidungen. Da das Reichskammergericht von der Bevölkerung des Herzogtums Lauen14 Vgl. zur derzeitigen Quellenlage und zur Inventarisierung der Akten des Reichshofrats Auer, S. 117 ff.; Ortlieb, Gerichtsakten, S. 106 f.; dies., Reichshofrat und Reichskammergericht, S. 205 ff. sowie das Vorwort von Sellert, in: ders. (Hrsg.), Akten I/1, S. 7 ff. 15 Die Nachforschungen wurden durch die Datenbank der Reichskammergerichtsakten von Professor Dr. Bernd Schildt, Bochum, wesentlich erleichtert. Vgl. Schildt, ZNR 25 (2003), 269 ff.; ders., Zusammenführung, S. 125 ff.; ders., Wandel, S. 35 ff. 16 LS Abt. 390 Nrn. 103, 111, 127, 157, 158, 515, vgl. Stein-Stegemann; NHStA Hann. 27 Hannover, Nr. 605; Hann. 27 Lüneburg, Nr. 778. 17 Stein-Stegemann II, S. 671 f. Einzelne Fälle, in denen gegen Entscheidungen lauenburgischer Gerichte appelliert worden ist, könnten sich zudem im Hauptstaatsarchiv Hannover befinden. Dies wurde für das 17. Jahrhundert nicht untersucht, dürfte das Ergebnis aber nicht grundsätzlich in Frage stellen. 18 Zu diesem Gesichtspunkt vgl. Schildt, Nähe und Ferne, S. 295 ff. 19 Zur Problematik der Vollstreckung von Reichskammergerichtsurteilen Sellert, Pax Europae, S. 107; ders., Vollstreckung, S. 827.



Quantitative Entwicklung des Prozeßaufkommens

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burg vor 1747 kaum in Anspruch genommen wurde und die lauenburgischen Gerichte daher faktisch meist in letzter Instanz entschieden haben,20 wirkte die Ausdehnung der Zuständigkeit des Celler Gerichts auf Lauenburg für die Rechtsuchenden wie die Schaffung einer zusätzlichen obersten Instanz. Wegen der Vernichtung der Prozeßakten und Repertorien des Hauptstaatsarchivs Hannover im Zweiten Weltkrieg sind über den Lauenburger Aktenbestand hinaus Angaben über die Entwicklung der Arbeitsbelastung des Gerichts kaum möglich. Eindeutige Aussagen über den Gesamtumfang seiner Tätigkeit lassen sich auch auf Grund der ab 1730 veröffentlichten Geschäftsübersichten nicht machen, denn diese verzeichnen nicht die Zahl der neu eingegangenen Verfahren, sondern die ergangenen Urteile und Hauptbescheide. Deren Zahl läßt nicht ohne weiteres auf die Zahl der Verfahren schließen, da in einer Rechtssache nicht selten mehrere Urteile und Hauptbescheide ergangen sind. Eine Ermittlung ungefährer Verfahrenszahlen wäre zwar möglich, da zu jedem gerichtlichen Erkenntnis die beteiligten Parteien und der Streitgegenstand angegeben sind. Der damit verbundene Arbeitsaufwand stünde aber in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Erkenntnissen. Von einer solchen Auswertung, die auch nur für die Zeit ab 1730 und damit nicht für die möglicherweise besonders aufschlußreichen Anfangsjahre des Gerichts möglich wäre, wurde daher Abstand genommen. Quantitative Angaben über die Arbeitsbelastung des Gerichts in den beiden ersten Jahrzehnten sind im Werk von Bülows über das Oberappellationsgericht überliefert.21 Dabei handelt es sich aber nicht um die Zahl der Neueingänge, sondern um die Zahl der beim Gericht eingegangenen Schriftsätze und Anträge (Produkte). Ein Schluß auf die Verfahrenszahlen ist daher nicht möglich. Eine Zunahme der Produkte kann beispielsweise auch durch eine Häufung von Fristverlängerungsgesuchen bedingt sein. Von Bülows Feststellung, die Arbeitsbelastung des Gerichts habe bereits im ersten Jahrzehnt seiner Tätigkeit stark zugenommen, kann aber vor allem aus einem anderen Grunde nicht stimmen: Die Zahl der Produkte betrug im Geschäftsjahr 1711/1712 nur 348, in den folgenden Jahren lag sie bei 1213, 1350, 1127, 900, 1078, 1021, 1092, 1310 und 1349.22 Die niedrige Zahl im ersten Jahr kann als Ausnahme am Beginn der gerichtlichen Tätigkeit gelten. In den darauf folgenden Jahren ist ein Anstieg nicht erkennbar. Vielmehr ging die Zahl der Produkte um 1715 bis auf 900 zurück, um am Ende des Jahrzehnts, möglicherweise infolge der Vergrößerung des Gerichtsbezirks durch den Erwerb Bremen-Verdens, wieder zuzunehmen. Diese Entwicklung stützt von Bülows These, auf Grund starker Vermehrung der gerichtlichen Geschäfte 20 Vgl. Prange, Organisation, S. 15. 21 Von Bülow I, S. 46 Note 25, 58 Note 35. 22 Von Bülow I, S. 46 Note 25.

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Prozeßtätigkeit am Beispiel des Herzogtums Lauenburg

sei die Tätigkeit des Gerichts erheblich erschwert und verzögert worden, jedenfalls für das erste Jahrzehnt nicht. 1733/1734 betrug die Zahl der Produkte allerdings 1997.23 Auf eine Zunahme der Verfahrenszahlen im gleichen Umfange läßt dieser Anstieg aus den oben genannten Gründen indes nicht zwingend schließen. Zudem ist zu berücksichtigen, daß das richterliche Personal 1716/ 1717 um drei und 1733 erneut um zwei Räte vermehrt wurde. Das Gericht hatte daher genügend Kapazitäten, um einen Anstieg der Arbeitsbelastung zu bewältigen, zumal die 1733 eingeführte Senatsverfassung die Effizienz der gerichtlichen Tätigkeit erhöhte. Daß das Gericht die Verfahren offenbar nicht in der vorgesehenen Zeit zu bearbeiten vermochte,24 lag vielmehr an der umständlichen Verfahrensweise.25 Für die Jahre 1791–1800 gibt von Bülow26 die Zahlen der gesamten Neueingänge des Gerichts wieder: In diesen Jahren gingen beim Oberappellationsgericht 462, 430, 415, 349, 383, 366, 396, 445, 473 und 459 neue Sachen ein, von denen 41 Prozent auf die Landesteile Calenberg, Grubenhagen, Hoya und Diepholz, 56 Prozent auf Lüneburg, Bremen und Verden und drei Prozent auf Lauenburg entfielen. Diese Zahlen bestätigen die starke Häufung von Neueingängen um 1790. Die bei von Bülow für Lauenburg genannten Zahlen sind deutlich höher als die auf Grund des untersuchten Aktenbestandes oben dargestellten. Sie umfassen auch diejenigen Landesteile Lauenburgs, die 1816 bei Hannover verblieben und deren Akten daher nicht im Landesarchiv Schleswig erhalten sind.

23 Von Bülow I, S. 58 Note 35. 24 Von Bülow I, S. 46 f.: Das Gericht mußte wegen der Arbeitsbelastung die vorgesehenen Sitzungsperioden so weit ausdehnen, daß diese vollends ineinanderliefen. 25 Vgl. beispielhaft das oben S. 183 ff. dargestellte Verfahren. 26 Von Bülow II, S. 418.



Gerichte der Vorinstanz

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II. Gerichte der Vorinstanz 1.  Die lauenburgischen Obergerichte: Regierung, Hofgericht und Konsistorium Als vorinstanzliche Gerichte, gegen deren Erkenntnisse Rechtsmittel zum Oberappellationsgericht eingelegt werden konnten, kamen für das Herzogtum Lauenburg, von einigen Ausnahmen abgesehen, hauptsächlich die lauenburgischen Obergerichte, Regierung, Hofgericht und Konsistorium zu Ratzeburg, in Betracht. Die Zuständigkeiten dieser Gerichte waren eindeutig gegeneinander abgegrenzt. Eine Konkurrenz zwischen Regierung und Hofgericht gab es im Herzogtum Lauenburg – anders als in den übrigen Landesteilen Braunschweig-Lüneburgs1 – nicht. Das Hofgericht2 übte in Zivilsachen die ausschließliche erstinstanzliche Gerichtsbarkeit über die Angehörigen der Ritter- und Landschaft, also insbesondere den landsässigen Adel nebst Angehörigen und Bediensteten, sofern diese im Rahmen ihrer Dienstausübung belangt wurden, ferner über Gemeinden, Städte, Dörfer und Stadtmagistrate sowie über die im Rahmen ihrer Dienstausübung in Anspruch genommenen landesherrlichen Beamten3 aus. In zweiter Instanz war es für alle Sachen aus den adligen Gerichten –

1 Oesterley, Grundriß, S. 32–34; von Selchow, S. 494 f. 2 Art. III des Landesrezesses von 1702 = Lauenburgische Verordnungen-Sammlung I, S. 194–196; von Reden, S. 145 ff. Allgemein zur Entstehung der Hofgerichte aus der persönlichen Ausübung der oberen Gerichtsbarkeit durch den Landesherrn Blell, Art. Hofgericht, HRG II, Sp. 206 f.; Stölzel I, S. 246 ff. Zur Geschichte der Hofgerichte in den welfischen Territorien Kroeschell, recht unde unrecht der sassen, S. 213 f. 3 Der Begriff des Beamten bezeichnete den zur Verwaltung eines Amts eingesetzten Bediensteten des Landesherrn. Der frühneuzeitliche Beamte unterschied sich vom modernen Staatsdiener insofern grundlegend, als er nicht Diener eines als abstrakte Institution begriffenen Staates, sondern persönlicher Diener des Fürsten war, solange nicht zwischen dem Fürsten als natürlicher Person und dem Staat als von ihm losgelöster juristischer Person differenziert wurde. Das Beamtentum im modernen Sinne bildete sich erst mit der Entwicklung des vom Herrscher losgelöst gedachten modernen Staates heraus (vgl. oben S. 124 Note 2). Eckert, Art. Beamtentum, HRG I, 2. Auflage, Sp. 489 f.; vgl. Reinhard, Probleme, S. 95; Sieg, S. 75 ff.

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Prozeßtätigkeit am Beispiel des Herzogtums Lauenburg

als adlige Gerichte wurden im Herzogtum Lauenburg die adligen (Ritter-) Güter bezeichnet, die die Patrimonialgerichtsbarkeit ausübten4 – zuständig.5 Die Regierung war für Appellationen aus den Ämtern6 und den Stadtgerichten7 zuständig.8 Die Parteien konnten damit nicht frei zwischen Regierung und Hofgericht wählen. Ein Bedeutungsverlust eines dieser Gerichte, den von Meier für die Hofgerichte in Celle und Hannover annimmt,9 war daher im Herzogtum Lauenburg nicht zu beobachten. Das Konsistorium10 als landesherrliche Kirchenbehörde war schließlich als Gericht für Ehe- und Verlöbnissachen, Streitigkeiten um der Kirche zu leistende Dienste und Abgaben sowie Fälle, die Kirchenbedienstete betrafen, zuständig. Auf Grund der Kirchenordnung von 1585 war gegen seine Entscheidungen die Appellation an den Landesherrn vorgesehen.11 Nachdem das Celler Gericht 1747 infolge der Verleihung des unbeschränkten Appellationsprivilegs oberstes Gericht für das Herzogtum Lauenburg geworden war, weigerte sich das Ratzeburger Konsistorium zunächst, Appellationen nach Celle zuzulassen, denn auch am Reichskammergericht seien keine Appellationen gegen Entscheidungen des Konsistoriums zulässig gewesen, und die Kirchenordnung sehe nur Appellatio 4 Zur Entwicklung der adligen Gerichte im Herzogtum Lauenburg und ihrer Bedeutung Prange, Eigenwirtschaft, S. 167 ff.; ders., Rittersitz, S. 325 ff.; ders., Gülzow, S. 76 ff. Infolge der umfassenden Jurisdiktionsgewalt war die Eigenschaft als Gericht wesentliches Charakteristikum der Rittergüter im Herzogtum Lauenburg, die aus diesem Grunde als adlige Gerichte bezeichnet werden. Vgl. allgemein zur Patrimonialgerichtsbarkeit von Meier II, S. 377 ff.; Oesterley, Grundriß, S. 44 ff.; Roscher, S. 14 f. Ausführliche allgemeine Darstellung der hannöverschen Rittergüter bei Wittich, S. 75 ff. Zum Eindringen des gelehrten Richtertums in die Patrimonialgerichtsbarkeit Stölzel I, S. 345. 5 Susemihl, Kieler Blätter 4 (1817), 275 f. Note *). 6 Agena, S. 40 ff.; von Meier II, S. 319; Oesterley, Grundriß, S. 36 ff. Im Herzogtum Lauenburg wurde die Gerichtsbarkeit der Ämter im 18. Jahrhundert durch studierte Juristen ausgeübt; Prange, Organisation, S. 19; vgl. Stölzel I, S. 150 mit Note 30. 7 Ausführliche Darstellung der Verfassung der einzelnen Stadtgerichte bei Oesterley, Handbuch I, S. 262–292, 377–418, 438–467, 502–523. 8 Von Selchow, S. 496 f. Anders Prange, Organisation, S. 22, der keine deutliche Zuständigkeitsabgrenzung vornimmt. 9 Von Meier I, S. 293. 10 Zum Konsistorium im Herzogtum Lauenburg von Reden, S. 161 ff.; vgl. allgemein Erler, Art. Kirchenrecht, evangelisches, HRG II, Sp. 776; ders., Art. Konsistorium, HRG II, Sp. 1106; Göbell, Art. Landeskirche, -kirchentum, HRG II, Sp. 1397; Klee, S. 27 f. Ausführliche Darstellung der Gerichtsbarkeit des Konsistoriums bei Oesterley, Grundriß, S. 151–157; vgl. von Bülow II, S. 153 ff.; von Bülow/Hagemann VI, S. 247 ff. 11 Lauenburgische Kirchenordnung von 1585, in: Sehling V, S. 437.



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nen ad personam principis zu.12 Daher bestimmte der Landesherr durch Reskript vom 31. März 175013 ausdrücklich das Oberappellationsgericht Celle als Rechtsmittelinstanz.14 Der Grund des Appellationsverbots war gegenüber dem Reichskammergericht auch insofern entfallen, als das Celler Gericht – anders als jenes – ein landeseigenes, rein protestantisches Gericht war, das im Namen des Landesherrn Recht sprach.15 Insgesamt war in 169 der 443 untersuchten Verfahren (39,5 %) die Regierung Vorinstanz, in 195 Verfahren (45,6 %) das Hofgericht und in 59 (13,8  %) das Konsistorium.16 Der Rückgang der Verfahrenszahlen hinsichtlich des Konsistoriums in den letzten zwei Jahrzehnten des Untersuchungszeitraums beruht auf einer schwerpunktmäßigen Verschiebung der Streitgegenstände, von denen die Zuständigkeit abhing. Auf eine ähnliche Entwicklung ist der Anstieg der Verfahren, in denen das Hofgericht Vorinstanz war, zwischen 1782 und 1811 zurückzuführen: In diesem Zeitraum nahm der Anteil der Verfahren der den adligen Gerichten angehörenden Landbevölkerung gegen ihre Gutsherrschaft, für die das Hofgericht in erster Instanz zuständig war, überproportional zu.17 Hierauf wird noch im einzelnen einzugehen sein. In einigen Ausnahmefällen legten die Parteien Rechtsmittel gegen Erkenntnisse anderer Gerichte ein. Die Rechtssache des Tagelöhners Wenck, der gegen eine Entscheidung der Kammer in Hannover erfolglos die Beschwerde wegen Rechtsverweigerung zum Oberappellationsgericht einlegte,18 wurde bereits erwähnt.19 In einem Verfahren aus dem Jahre 179220 legte eine Frau gegen eine Entscheidung der Kriegsgerichtskommission wegen Alimentation eines unehelichen Kindes die Appellation verbunden mit der Nichtigkeitsbeschwerde ein; der Rechtsmittelgegner war Angehöriger des Militärs. Eine Appellationssache der Jahre 1805/180621 richtete sich gegen eine Ent-

12 Johann Friedrich Albrecht von Duve, Versuch einer Darstellung der Staatsverfassung des Herzogthums Lauenburg, nach archivalischen Nachrichten zusammengetragen, 1795–1806, handschriftlich, LS Abt. 400.2, Nr. 91. 13 Abt. 210, Nr. 1451, abgedruckt in: Lauenburgische Verordnungen-Sammlung III, S. 306. 14 Klee, S. 30. 15 Von Duve, Versuch einer Darstellung der Staatsverfassung des Herzogthums Lauenburg, LS Abt. 400.2, Nr. 91. 16 Vgl. Anh. Tab. 8. 17 Vgl. Anh. Tab. 23, 24. 18 LS Abt. 216, Nr. 1140. 19 Siehe oben S. 122. 20 LS Abt. 216, Nr. 1144. 21 LS Abt. 216, Nr. 970.

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scheidung des Hofgerichts Stade, wurde aber beim Oberappellationsgericht wegen der Wohnsitze beider Parteien als lauenburgisch behandelt.

2.  Die französischen Gerichte der napoleonischen Zeit In den Jahren zwischen 1814 und 1816 war das Celler Gericht mit zwei inhaltlich zusammenhängenden Verfahren22 befaßt, die eine Entscheidung des französischen Obergerichts (Cour Impériale)23 in Hamburg aus der Zeit der französischen Annexion des Herzogtums Lauenburg zwischen 1810 und 1813 zum Gegenstand hatten. Der Rechtsstreit hatte bereits zahlreiche Gerichte beschäftigt. Sein Verlauf spiegelt die politischen Verwerfungen dieser Jahre wider. Noch vor Beginn der französischen Herrschaft im Herzogtum Lauenburg, im Jahre 1809, war in dieser Sache gegen ein Urteil des Hofgerichts Ratzeburg Appellation eingelegt worden. Das Celler Gericht erkannte daraufhin auf Durchführung des förmlichen Plenarprozesses. In der Folge gab es die Sache jedoch an den französischen Gerichtshof (Cour Impériale) in Hamburg ab, der nach der Annexion durch Frankreich für das Herzogtum Lauenburg zuständig war. Die Akten des Oberappellationsgerichts aus der Zeit vor Beginn der französischen Herrschaft sind daher nicht erhalten. Die Cour Impériale fällte das Urteil, das den beiden Verfahren zugrunde lag. Im ersten dieser Verfahren begehrte der Antragssteller die Feststellung, daß gegen das Urteil der Cour Impériale das Rechtsmittel der Kassation nicht eingelegt worden und damit das Urteil rechtskräftig sei. Das Oberappellationsgericht lehnte eine solche Feststellung ab, da die Kassation ohnehin keinen Suspensiveffekt habe. Tatsächlich hatte die Gegenseite aber noch vor dem Ende der französischen Herrschaft die Kassation zum Kassationshof in Paris eingelegt. Nachdem die einheimische Herrschaft und damit die Celler Gerichtsbarkeit wiederhergestellt waren, verfolgte der Rechtsmittelführer die Kassation in Celle weiter. Bemerkenswert ist dabei, daß das Oberappellationsgericht nunmehr nahtlos an das französische Verfahren anknüpfte. Es wies die Kassation nicht etwa als nach der Oberappellationsgerichtsordnung unstatthaft ab und deutete sie auch nicht in ein Rechtsmittel des gemeinen Zivilprozesses um. Vielmehr verfuhr es nach den Grundsätzen des Kassationsverfahrens. Dieses Vorgehen begründete es damit, daß die Kassation nur eine eingeschränkte Überprüfung des angefochtenen Urteils zulasse und dieses damit gleichsam teilweise rechtskräftig sei. Jedes andere Verfahren sei somit ein Verstoß ge22 LS Abt. 216, Nrn. 986, 987. 23 Vgl. Kähler, S. 120 ff.



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gen die Rechtskraft. Damit folgte es einer königlichen Verordnung, nach der das einheimische Prozeßrecht nur insoweit wieder anzuwenden war, wie nicht die Rechtskraft von Urteilen der französischen Gerichte berührt war.24 Auch den Rechtsbehelf der restitutio in integrum verwarf es, da dieser im Rahmen der Kassation nicht statthaft sei. Noch ein weiteres Verfahren ist in diesem Zusammenhang zu nennen: der Untertanenprozeß der Eingesessenen der Dorfschaft Groß Zecher gegen ihren Gutsherrn, den von Witzendorff auf Zecher wegen unbefugten Aufwerfens eines Grabens in ihrer Weide.25 Verfahrenstechnisch richtete sich die Appellation zwar gegen eine Entscheidung des Hofgerichts. Inhaltlich betraf das Verfahren vor dem Oberappellationsgericht aber ausschließlich eine Frage der Rechtskraft eines Urteils des französischen Gerichts in Lübeck. Die Eingesessenen Groß Zechers hatten 1806 Klage beim Hofgericht in Ratzeburg erhoben. Das Hofgericht gab das Verfahren nach der Annexion Lauenburgs durch Frankreich an das zuständige erstinstanzliche Tribunal in Lübeck26 ab, das am 29. Dezember 1812 ein Zwischenurteil erließ. Dieses ordnete die Vermessung der streitgegenständlichen Weide durch einen Sachverständigen, die Erklärung über einen zugeschobenen Eid und die Eröffnung des Protokolls einer Zeugenvernehmung an. Das Urteil wurde dem Anwalt des Beklagten am 18. März 1813 zugestellt. Zwei Tage später, am 20. März 1813, endete die französische Herrschaft, und die lauenburgische Landes- und Justizverfassung wurde wiederhergestellt. Am 1. Mai 1813 wandten sich die Kläger an das nun wieder zuständige Hofgericht in Ratzeburg und beantragten, das Urteil vom 29. Dezember 1812 zu vollziehen und das Verfahren nach seinen Anordnungen fortzusetzen. Der Beklagte brachte dagegen vor, das Urteil sei noch nicht rechtskräftig. Denn da im Zeitpunkt der Urteilsverkündung noch das französische Zivilprozeßrecht des code de procédure civile gegolten habe, sei nicht die zehntägige Appellationseinlegungsfrist des Gemeinen Zivilprozeßrechts, sondern die dreimonatige Frist des französischen Rechts maßgeblich. Diese habe überdies noch nicht einmal zu laufen begonnen, da das Urteil nach französischem Prozeßrecht – anders als im Gemeinen Prozeß – auch der Partei selbst, nicht nur ihrem Anwalt, hätte zugestellt werden müssen. Das Hofgericht folgte dieser Argumentation und wies den Antrag am 7. Mai 1814 wegen fehlender Rechtskraft des zu vollziehenden Urteils zurück. Gegen diese Entscheidung legten die Kläger Appellation zum Oberappellationsgericht ein. Zunächst brachten sie vor, die Rüge der fehlenden Zustellung beruhe auf Verschleppungsabsicht, da das Urteil dem Beklagten 24 Verordnung vom 23. August 1814, LS Abt. 65.3, Nr. 53. II. 25 LS Abt. 216, Nr. 1210. 26 Vgl. Kähler, S. 108 ff., 112.

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über seinen Anwalt zugestandenermaßen längst bekannt gewesen sei. Das Urteil sei des weiteren schon deshalb rechtskräftig, weil das französische Recht durch das einheimische verdrängt worden sei und daher die längst verstrichene zehntägige Frist gelte. Aber auch bei Anwendung des französischen Prozeßrechts sei das Urteil rechtskräftig. Denn da es kein Endurteil, sondern ein präparatorisches Urteil sei, könne es nicht isoliert mit Rechtsmitteln angefochten werden. Da es keinen verurteilenden Inhalt habe, habe es auch nach den Vorschriften des code de procédure civile nicht der Partei selbst zugestellt werden müssen. Schließlich löse nach französischem Recht nur die – hier nicht geschehene – tatsächliche Einlegung der Appellation den Suspensiveffekt aus. Wenn allein die Frist noch nicht abgelaufen sei, stehe dies der Vollstreckung nicht entgegen. Das Oberappellationsgericht traf am 28. September 1814 eine differenzierende Entscheidung. Soweit das fragliche Urteil die Erklärung über den zugeschobenen Eid betreffe, sei es für den Beklagten so wesentlich, daß er nach französischem Recht eine isolierte Appellation nicht nur hätte einlegen können, sondern auch müssen, um nicht im Prozeß unwiederbringliche Nachteile zu erleiden. Daher hätte es nach französischem Prozeßrecht auch dem Beklagten selbst zugestellt werden müssen. Die Wiedereinführung des Gemeinen Zivilprozesses habe aber nicht den Beginn einer Frist bewirken können, die zuvor noch nicht lief. Die Appellationsfrist beginne erst, wenn das Urteil erneut zugestellt werde, und zwar – nunmehr nach den Vorschriften des Gemeinen Prozeßrechts – entweder dem Beklagten selbst oder seinem Prokurator. In diesem Punkt wurde die Appellation also verworfen. Die Vermessung der Weide und die Eröffnung des Zeugenprotokolls seien hingegen vom Beklagten selbst beantragt worden. Insofern sei daher „eine Verfolgung etwaniger Rechtsmittel durchaus unerfindlich“. In dieser Hinsicht gab das Celler Gericht der Appellation somit statt und erließ ein entsprechendes rescriptum de emendando an das Hofgericht.



Strukturanalyse der Prozeßparteien

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III. Strukturanalyse der Prozeßparteien 1.  Allgemeines Zu allen Zeiten waren Gerechtigkeit und Unparteilichkeit höchste Ideale der Justiz.1 Der Richter hat allen Menschen, die ihn im Rahmen seiner Zuständigkeit anrufen, Armen und Reichen gleichermaßen, ohne Ansehen des Standes und der Person zu ihrem Recht zu verhelfen. Aber er hat keinen Einfluß auf die Auswahl der Personen, die seinen Rechtsspruch suchen. Übertragen auf die Institution der Rechtspflege als ganze führt der Grundsatz gerechter Unparteilichkeit zu der Frage, ob die Justizgewähr allen sozialen Gruppen und Schichten gleichermaßen zugute kommt. Hierbei handelt es sich weniger um ein rechtliches als ein tatsächliches Problem, denn der Umstand, wer den Rechtsweg zur Lösung von Konflikten in Anspruch nimmt, ist staatlichen Regelungen sowie dem Einfluß der Gerichte weitgehend entzogen.2 Diese Frage ist für die faktische Wirksamkeit der Justiz in Staat und Gesellschaft bedeutsam. Darüber hinaus erlaubt eine Untersuchung der Inanspruchnahme der Gerichtsbarkeit in den unterschiedlichen Schichten Aussagen über die tatsächliche Bedeutung der Rechtsordnung, also darüber, „welche Schichten das ius commune in der Zeit des Ancien Régime erreicht hat, wieweit es etwa noch für die gutsabhängige bäuerliche Bevölkerung bedeutsam war.“3 Dabei können sowohl der Anteil natürlicher Personen und Obrigkeiten an der Gesamtzahl der Prozeßparteien sowie die Herkunft der Rechtsuchenden – Anteil von Stadt- und Landbevölkerung, Inanspruchnahme durch Angehörige anderer Territorien – als auch ihre soziale Schichtung aufschlußreich sein. Einen Problembereich von besonderer Relevanz bilden die Untertanenprozesse, die schon seit dem 16. Jahrhundert als eigenständige Kategorie begriffen wurden.4 Da sich die quantitative Auswertung der gerichtlichen Tätigkeit auf eine repräsentative Quellengrundlage stützt, ist sie besser als die beispielhafte Untersuchung einzelner Rechtsfälle geeignet, die sozialen Strukturen der Schichten darzustellen, die das Gericht in Anspruch genommen haben.5 Bei der Untersuchung der Herkunft der Prozeßparteien sowie ihrer sozialen Schichtung sind die örtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingun1 Vgl. oben S. 37. 2 Wollschläger, Justizgewähr, S. 435. 3 Coing, ZRG RA 92 (1975), 21; Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 220; vgl. Wollschläger, ZNR 3 (1981), 16. 4 Sailer, Untertanenprozesse, S. 13. Vgl. insbesondere die Sonderregelungen der §§ 105, 106 JRA 1654 = Laufs, Der jüngste Reichsabschied, S. 53 f. 5 Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 223.

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gen im Herzogtum Lauenburg zu berücksichtigen. Von Bedeutung ist insbesondere die Einteilung des Landes und der Bevölkerung in Städte, Ämter und adlige Gerichte. In den drei Städten Ratzeburg, Lauenburg und Mölln lebten im Jahre 1817 zusammen 5973 Einwohner. Dies entspricht 14,5 Prozent der Gesamtbevölkerung des Herzogtums von 41.142 Einwohnern. In den Ämtern lebten 25.766 Einwohner (62,6  %), in den adligen Gerichten 9403 (22,9  %). Nach Abzug derjenigen Gebiete, die auch nach 1816 zum Königreich Hannover gehörten und deren beim Oberappellationsgericht entstandene Prozeßakten daher nicht im Lauenburger Aktenbestand erhalten sind,6 verbleibt eine Gesamtbevölkerung des Untersuchungsgebietes von 31.971 Einwohnern, von denen 5973 (18,7 %) den drei Städten, 17.901 (56,0 %) den Ämtern und 8097 (25,3 %) den adligen Gerichten angehörten.7

2.  Rechtsnatur der Parteien Gegenstand der Untersuchung war zunächst die Rechtsnatur der Parteien.8 Unterschieden wurde zwischen Privatparteien, kirchlichen und obrigkeitlichen Institutionen, sonstigen Einrichtungen wie insbesondere Zünften und Gilden, die meist als Ämter bezeichnet wurden, sowie Städten, Dörfern und Bauernschaften. Als Obrigkeit wurden dabei nur die landesherrlichen Behörden und Ämter sowie die Ritter- und Landschaft gewertet. War hingegen ein adliges Gericht an einem Verfahren beteiligt, so trat der Besitzer des Ritterguts als Privatpartei in Erscheinung. In acht Verfahren des untersuchten Bestandes war keine zweite Partei beteiligt. Hierbei handelte es sich meist um atypische Anträge einer Partei oder Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.9 Die Mehrzahl der Parteien waren Privatparteien, traten also allein oder in Prozeßgemeinschaft als natürliche Personen auf. Ihr Anteil nahm im Laufe des Untersuchungszeitraums zu. Dies gilt für Kläger und Beklagte gleichermaßen. Der Anteil der Privatparteien an den (Rechtsmittel-) Beklagten war allerdings meist etwas geringer. Der hohe Anteil der Privatparteien verdeutlicht, daß das Gericht in erster Linie eine Instanz zur Schlichtung privater Streitigkeiten war. Diese Bedeutung teilt es mit dem Reichskammergericht, das – zumindest im 18. Jahrhundert – ebenfalls mehrheitlich von Privatpar6 Siehe oben S. 5. 7 Zahlen nach Susemihl, Kieler Blätter 4 (1817), 286–288. Diese Einwohnerzahlen aus dem Jahre 1817 sind die ältesten erhaltenen für das Herzogtum Lauenburg. Vgl. G. Meyer, S. 132–134. 8 Vgl. Anh. Tab. 9–12. 9 LS Abt. 216, Nrn. 72, 228, 358, 399, 400, 662, 1126, 1149.



Strukturanalyse der Prozeßparteien

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teien in Anspruch genommen wurde. In Celle machten Privatparteien einen noch höheren Anteil aus als in Wetzlar.10 Mehr als drei Viertel der Privatparteien waren erwachsene Männer. Daß allerdings Frauen, wie noch im 16. Jahrhundert,11 im Rechtsleben kaum eine aktive Rolle spielten, konnte nicht bestätigt werden. Immerhin waren über zehn Prozent der Privatparteien erwachsene Frauen.12 Vor allem Witwen traten allein in den Prozessen in Erscheinung. Damit war die quantitative Bedeutung der Frauen vor Gericht noch etwas größer, als Baumann13 dies für das Reichskammergericht des 17. und 18. Jahrhunderts feststellen konnte. Die im Vergleich zum Beginn der Frühen Neuzeit gestiegene Bedeutung von Frauen im Rechtsleben ist damit über den Bereich des Oberappellationsgerichts hinaus verallgemeinerbar. In einigen Fällen wurden Privatparteien wegen Minderjährigkeit durch einen Vormund vertreten. Dabei fiel auf, daß solche Streitigkeiten erst in der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums vermehrt auftraten und auch erst dann die einfachen Schichten der Bevölkerung erreichten. So standen zwischen 1747 und 1781 nur drei Kläger unter Vormundschaft, von denen zwei dem Adel angehörten. Ein Verfahren14 davon hatte eine Erbschaftsauseinandersetzung, das andere15 eine Frage der Grund- und Bodenwirtschaft zum Gegenstand. In einem weiteren Verfahren16 klagte die durch ihren Vater vertretene Tochter eines Ratzeburger Bau- und Proviantverwalters gegen einen adligen Offizier auf Eingehung der Ehe aus einem Eheversprechen. Zwischen 1782 und 1816 klagten hingegen neun Privatparteien, die unter Vormundschaft standen, davon vier aus der Landbevölkerung17. Jeweils zwei gehörten dem landsässigen Adel18 sowie der niederen Mittelschicht19 und eine der städtischen Mittelschicht20 an. In den meisten dieser Verfahren21 waren Forderungen und ähnliche Schuldverhältnisse aus dem Bereich der Geldwirtschaft streitgegenständlich, die mit der Vormundschaft als solcher 10 Vgl. Baumann, Gesellschaft, S. 76, 145. 11 Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 227. 12 Zur Stellung von Frauen in der Gerichtsbarkeit des Alten Reichs Baumann, Frauen, S. 93 ff.; Westphal, Eigentums- und Besitzstreitigkeiten, S. 425 ff.; dies., Frauen, S. 1 ff. sowie die weiteren Aufsätze in: dies., In eigener Sache. 13 Baumann, Gesellschaft, S. 80. 14 LS Abt. 216, Nr. 229 (1767–1773). 15 LS Abt. 216, Nr. 368 (1774–1777). 16 LS Abt. 216, Nr. 320 (1772/1773). 17 LS Abt. 216, Nrn. 77 (1794/1795), 839 (1800/1801), 295 (1806), 1154 (1808–1810). 18 LS Abt. 216, Nrn. 377 (1791), 90 (1804). 19 LS Abt. 216, Nrn. 967 (1805/1806), 760 (1804/1805). 20 LS Abt. 216, Nr. 578 (1791). 21 LS Abt. 216, Nrn. 77, 295, 378, 760, 839, 1154.

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in keinem Zusammenhang standen. Auf der Beklagtenseite waren an 14 Verfahren Parteien unter Vormundschaft beteiligt, wobei in sieben Verfahren22 zwischen 1804 und 1807 der minderjährige Graf von Bernstorff auf Wotersen in Angelegenheiten seiner Güter Beklagter war. Während einerseits dieser Verfahrenskomplex noch beispielhaft ist für die feudale Prägung der Gesellschaft, ist andererseits die Zunahme der Prozesse Unmündiger in den einfacheren Bevölkerungsschichten ein Zeichen für die Verrechtlichung der gesellschaftlichen Verhältnisse am Ende der Frühen Neuzeit. Der verbleibende Rest der Privatparteien bestand aus heterogenen, nicht einer der aufgeführten Gruppen zuzuordnenden Personengemeinschaften sowie einigen Ehepaaren. Zeitliche Entwicklungslinien hinsichtlich der Aufteilung der Privatparteien, insbesondere in Männer und Frauen, also eine Zu- oder Abnahme dieser Gruppen während des Untersuchungszeitraums, waren nicht zu beobachten. Der Anteil der obrigkeitlichen Parteien nahm sowohl hinsichtlich der jeweils ersten als auch der zweiten Partei ab. Diese Entwicklung korrespondiert mit der Zunahme des Anteils der Privatparteien. Den Hauptteil an den obrigkeitlichen Gewalten als erster Partei stellen die Ämter, die in 17 Fällen den Rechtsweg zum Oberappellationsgericht beschritten. Als zweite Partei waren die Ämter in 33 Fällen beteiligt. Diese Beobachtung legt die Vermutung nahe, die Gerichte der Vorinstanz könnten dazu geneigt haben, zugunsten der Ämter zu entscheiden, so daß diese am Oberappellationsgericht in der Mehrzahl der Fälle als Rechtsmittelbeklagte auftraten. Die Ritter- und Landschaft des Herzogtums Lauenburg trat als erste Partei in zwei, als zweite in drei Verfahren in Erscheinung. Die lauenburgischen Zentralbehörden Regierung, Konsistorium und Hofgericht waren niemals erste, aber in 32 der 72 Fälle mit Beteiligung der Obrigkeit zweite Partei. Denn in diesen Verfahren gab es keine gerichtliche vorinstanzliche Entscheidung. Vielmehr legte die beschwerte Partei gegen einen Bescheid dieser Behörden im Wege der Extrajudizialappellation23 unmittelbar Rechtsmittel zum Oberappellationsgericht ein. So erklärt sich auch, daß obrigkeitliche Parteien insgesamt viel häufiger als zweite denn als erste Partei auftraten. Kirchliche Einrichtungen spielten als Prozeßparteien nur eine untergeordnete Rolle. Als erste Partei waren sie an drei und als zweite in acht Verfahren beteiligt. In zwei dieser acht Fälle traten Kirchen selbst in Erscheinung, in den übrigen sechs die Kirchenjuraten als Gemeindegremium. Als erste 22 LS Abt. 216, Nrn. 295, 763, 962, 963, 969, 970, 971. 23 Die Extrajudizialappellation war ein Rechtsmittel gegen Akte der Obrigkeit. Sie darf nicht mit dem gerichtlichen Extrajudizialverfahren verwechselt werden, mit dem sie nicht im Zusammenhang steht. Vgl. Endemann, S. 932 ff.; Oestmann, Art. Extrajudizialappellation, HRG I, 2. Auflage, Sp. 1457 f.; Seeger, S. 34 ff.



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Partei traten die Kirchenjuraten einmal, Kirchen zweimal auf. Der Stellenwert der Gemeinde in Gestalt der Kirchenjuraten ist charakteristisch für die protestantische Kirchenverfassung. Die geringe Bedeutung kirchlicher Einrichtungen ist zum einen vor dem politischen Hintergrund zu sehen, daß die Verwaltung der Kirchen und daher auch die Mehrheit der sie betreffenden Rechtsstreitigkeiten in der Hand des Konsistoriums als staatlicher Kirchenbehörde lagen. Zum anderen belegt sie die Säkularisierung der Gesellschaft, die mit der Konzentration der Staatsgewalt einherging. Mittelbar war die Kirche allerdings noch in 16 weiteren Verfahren vor dem Oberappellationsgericht berührt, nämlich in solchen, in denen Landbevölkerung und Gutsherrschaft um kirchliche Abgaben und Dienste stritten. Diese Streitigkeiten betrafen indes nicht die Kirche als solche, sondern in erster Linie die Pflichten der Landbevölkerung gegenüber dem Gutsherrn als Kirchenpatron. Städte, Dörfer und Bauernschaften traten über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg mit ziemlicher Kontinuität als Parteien auf. Eindeutige zeitliche Entwicklungstendenzen sind dabei nicht zu beobachten. Die Schwankungen sind wegen der geringen Zahlen und des daher nicht auszuschließenden Zufallsmoments nicht repräsentativ. Auffallend ist, daß sowohl die Städte als auch die Dörfer und Bauernschaften häufiger als erste denn als zweite Partei in Erscheinung traten. Diese Beobachtung legt nahe, daß diese Parteiengruppen entweder ihre Prozesse in der Vorinstanz mehrheitlich verloren haben oder eine höhere Neigung hatten, den Rechtsweg nach Celle zu beschreiten. Einige Parteien ließen sich keiner dieser Kategorien sicher zuordnen. Dabei handelte es sich vor allem um Zünfte und Gilden. Einmal, im Jahre 1795, trat ein Lauenburger Armenhaus als Rechtsmittelgegner auf, gegen das eine offenbar verarmte Witwe auf Aufnahme klagte.24

3. Herkunft Hinsichtlich der Herkunft der Prozeßparteien wurde zunächst deren Zugehörigkeit zu den Städten, den Ämtern und den adligen Gerichten des Herzogtums Lauenburg untersucht.25 Obrigkeitliche Einrichtungen und Behörden blieben unberücksichtigt, da sich ihr Wirken unabhängig von ihrem Sitz auf das ganze Herzogtum erstreckte. Für die jeweils erste Partei konnte in 414 der insgesamt 443 Verfahren die Herkunft ermittelt werden, 24 LS Abt. 216, Nr. 1148. 25 Vgl. Anh. Tab. 13. Die Werte wurden stets separat für die erste und zweite Partei erhoben, so daß jeweils zwei Werte angegeben werden.

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Prozeßtätigkeit am Beispiel des Herzogtums Lauenburg

für die zweite nur in 356 Fällen. Diese deutliche Abweichung ist durch den Umstand begründet, daß Obrigkeiten häufiger als zweite Partei auftraten. In nahezu allen untersuchten Fünfjahreszeiträumen waren Stadtbewohner an den Verfahren vor dem Oberappellationsgericht überproportional beteiligt. Während ihr Anteil an der Bevölkerung 18,7 Prozent betrug, traten sie in rund 30 Prozent der Verfahren als Partei auf. Diese starke Repräsentation vor Gericht beruht auf der Konzentration des Wirtschaftslebens in den Städten, das – unabhängig von Zeit und Ort der Untersuchungen – regelmäßig mehr Rechtsstreitigkeiten hervorbringt als das Landleben.26 Besonders ausgeprägt zeigt sich dies in den ersten zwei Jahrzehnten des Untersuchungszeitraums. In ihnen waren an fast der Hälfte der Verfahren städtische Parteien beteiligt. Während die Bedeutung der Stadtbevölkerung in absoluten Zahlen gemessen in der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums leicht anstieg, nahm ihr Anteil an der Gesamtzahl der Verfahren ab. Auf einen Rückgang der wirtschaftlichen Bedeutung der Städte läßt dies aber nicht schließen, sondern ist auf den durch die Zunahme der Rechtsstreitigkeiten aus den adligen Gerichten bedingten Anstieg der Verfahrenszahlen zurückzuführen. Der Anteil der den Ämtern angehörenden Landbevölkerung blieb – abgesehen von nicht verallgemeinerungsfähigen temporären Schwankungen – weitgehend konstant. Er betrug insgesamt rund 20 Prozent. Damit war die amtssässige Bevölkerung, die mehr als die Hälfte (56 %) der Gesamtbevölkerung ausmachte, deutlich unterrepräsentiert. Hierbei ist allerdings auch zu berücksichtigen, daß für Untertanenprozesse gegen die Amtsobrigkeit vielfach nicht die ordentlichen Gerichte, sondern die Kammer zuständig war.27 Ein nicht unbedeutender Teil der Rechtsstreitigkeiten der Amtsangehörigen fiel daher aus dem Zuständigkeitsbereich des Gerichts heraus. Über die Rolle der amtssässigen Bevölkerung im Rechtsleben lassen sich daher kaum zuverlässige Aussagen treffen. Auch die Landbevölkerung der adligen Gerichte war in der Anfangszeit unterrepräsentiert, wenngleich nicht so ausgeprägt wie diejenige der Ämter. Ihr Anteil lag in den ersten 25 Jahren des Untersuchungszeitraums stets unter 25 Prozent, während sie gut ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachte. In den folgenden Jahrzehnten ist hier ein starker Anstieg zu beobachten: In den 1770er Jahren war sie an über 30 Prozent, zwischen 1782 und 1811 sogar meist an fast der Hälfte der Verfahren beteiligt. Auch die starke Zunahme der Verfahrenszahlen in diesem Zeitraum ist in erster Linie auf den Anstieg der Prozesse der Landbevölkerung aus den adligen Gerichten zurückzuführen. Eine Deutung dieser Beobachtung ist allerdings erst unter 26 Wollschläger, Justizgewähr, S. 445; ders., ZNR 1981, 25. 27 Siehe oben S. 118 ff.



Strukturanalyse der Prozeßparteien

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Berücksichtigung der sozialen Schichtung der Parteien und des Anteils der Untertanenprozesse möglich. Bei Parteien, die nicht dem Herzogtum Lauenburg entstammten, wurde zwischen solchen unterschieden, die anderen Gebieten Braunschweig-Lüneburgs (auswärtigen), und solchen, die anderen Territorien (ausländischen) angehörten.28 Die Zahlen sind jeweils gering und daher nur eingeschränkt aussagekräftig. Eindeutige Entwicklungslinien sind, abgesehen von einer Zunahme in der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums, die mit dem Anstieg der Verfahrenszahlen korrespondiert, nicht zu beobachten. Von den 49 Parteien, die aus anderen Territorien stammten, kamen 15 aus Lübeck und zu Lübeck gehörenden ländlichen Gebieten, ebenfalls 15 aus Mecklenburg, fünf aus Hamburg, vier aus Braunschweig, drei aus Brandenburg, zwei aus Holstein und je eine aus Bremen und Anhalt. Ebenfalls jeweils eine Partei kam aus Waldeck, aus der Umgebung von Düsseldorf und aus Amsterdam. Die Häufung von Prozessen mit Parteien aus Lübeck und Mecklenburg läßt darauf schließen, daß zwischen der Bevölkerung dieser Gebiete und der des Herzogtums Lauenburg, auch in Anbetracht der geographischen Nähe, rege wirtschaftliche Beziehungen bestanden, die Rechtsstreitigkeiten hervorriefen. Die jahrhundertelangen Verbindungslinien zwischen Lauenburg einerseits und Lübeck sowie Mecklenburg andererseits werden an den Enklaven im Lauenburgischen sichtbar, die zu Lübeck und Mecklenburg gehörten,29 und sind auch durch die wirtschaftlich günstige Lage Lauenburgs zwischen Hamburg und Lübeck begründbar.30 Vergleichbare Beziehungen zu Schleswig und Holstein, die zu Dänemark gehörten, scheinen kaum bestanden zu haben.31 Jedenfalls traten in Celle lediglich vereinzelt Parteien aus diesen Gebieten in Erscheinung. Auch überregionaler Handel hatte im Herzogtum Lauenburg offensichtlich nur geringe Bedeutung, da andernfalls vermutlich mehr Parteien aus entfernter gelegenen Territorien vor dem Oberappellationsgericht aufgetreten sein müßten. Bei den Parteien, die aus anderen Gebieten Braunschweig-Lüneburgs stammten, sind vergleichbare geographische Schwerpunkte nicht auszumachen. Sieben von ihnen kamen aus Hannover und vier aus Lüneburg. Im übrigen stammten etliche aus den vom Herzogtum Lauenburg nicht weit entfernten nördlichen Landstrichen des Fürstentums Lüneburg, ohne daß hier indes eine auffällige Häufung zu beobachten wäre. Die Herkunft der Prozeßparteien zeigt, daß wirtschaftliche Verbindungslinien sich nicht innerhalb der territorialen Grenzen hielten. Das Herzogtum 28 29 30 31

Vgl. Anh. Tab. 14. Jürgensen, in: ders. (Hrsg.), Geschichtliche Beiträge, S. 9; Stoldt, S. 19 ff., 25 ff. Vgl. G. Meyer, S. 5, 10. So auch Kaack, S. 13; vgl. jedoch Stoldt, S. 21 ff.

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Prozeßtätigkeit am Beispiel des Herzogtums Lauenburg

Lauenburg nahm eine Sonderstellung innerhalb des Kurstaates ein und war in diesen nicht vollständig integriert.32 Verbindungen zu anderen Gebieten Braunschweig-Lüneburgs konnten die alten Beziehungen zu Lübeck und Mecklenburg nicht an Bedeutung übertreffen. Zugleich wird an der geographischen Aufteilung der Prozeßparteien die Sonderstellung sichtbar, die Lauenburg seit alters her in dem Raum einnimmt, den heute das Bundesland Schleswig-Holstein umfaßt. Verbindungen zu den dänischen Landesteilen Schleswig und Holstein haben trotz der geographischen Nähe offensichtlich kaum bestanden.

4. Soziale Schichtung a) Methodische Vorbemerkungen Für die Untersuchung der sozialen Schichtung der Personen, die das Gericht in Anspruch nahmen, war es erforderlich, zuvor die Gesellschaft in Gruppen einzuteilen, denen alle Parteien nach objektiven Gesichtspunkten zuzuordnen sind.33 Nur so können verallgemeinerungsfähige Aussagen über die Schichtenzugehörigkeit getroffen werden. Bei der Gruppenbildung stellt sich die Frage, ob in erster Linie rechts- und berufshistorische oder aber sozialgeschichtliche Merkmale maßgeblich sein sollen. Dabei sind folgende Überlegungen entscheidend: Die soziale Gliederung frühneuzeitlicher Gesellschaften läßt sich an objektivierbaren Maßstäben wie Vermögen und Berufszugehörigkeit nur unzureichend ablesen. Vielmehr ist auch die soziale Wertschätzung ausschlaggebend, wenn es darum geht, die Gesellschaft in Schichten einzuteilen.34 Hier ergibt sich allerdings das Problem, daß sich die historischen Wertvorstellungen, an denen Personen von ihren Zeitgenossen gemessen wurden, den Prozeßakten nicht konkret entnehmen lassen. Ihre Angaben zu den Parteien gehen oftmals über eine Berufsbezeichnung nicht hinaus. Daher mußten die Kriterien der Untersuchung und die Zuordnung zu bestimmten Gesellschaftsschichten in erster Linie an Berufsgruppen ausgerichtet werden, obwohl bei dieser Methode die sozialhistorische Wirklichkeit nur unzureichend berücksichtigt werden kann. Auf Grund dieser Herangehensweise konnten die Parteien in nahezu allen Verfahren mit ziemlicher Genauigkeit einer sozialen Schicht zugeordnet

32 G. Meyer, S. 12; Opitz, S. 249. 33 Zur Schichtung der vormodernen Gesellschaft sowie zum Verhältnis zwischen Schicht und Stand vgl. Battenberg, Reichsacht, S. 162 ff. 34 Mitterauer, S. 16 f.; Ranieri, Recht und Gesellschaft II, S. 266 f.



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werden.35 Dieser Umstand erleichterte die Untersuchung erheblich. Die erste und die zweite Partei der Verfahren wurden jeweils gesondert untersucht.36 Bei Prozeßparteien, die keine natürlichen Personen waren, fehlt die soziale Zuordnung. Daß der Anteil dieser Fälle hinsichtlich der jeweils zweiten Partei deutlich höher ist, liegt an dem vermehrten Auftreten obrigkeitlicher Einrichtungen auf der Seite des (Rechtsmittel-) Beklagten. Die Auswertung ergab, daß am Oberappellationsgericht schwerpunktmäßig vor allem der Adel, die Mittelschichten der Städte und die Landbevölkerung auftraten. Geistliche, die Oberschicht sowie die Unterschicht sind quantitativ von geringerer Bedeutung, während die bürgerlichen Besitzer adliger Gerichte auf Grund ihrer Ausnahmestellung zwischen Adel und Bürgerlichkeit und ihrer zahlenmäßigen Seltenheit eine besondere Betrachtung verdienen.

b)  Adel, bürgerliche Rittergutsbesitzer und Geistlichkeit Die Zuordnung von Prozeßparteien zum Adel war bei der Auswertung der Akten naturgemäß unkompliziert. Im Herzogtum Lauenburg ging der Adelsstand kaum über den landsässigen Adel der adligen Gerichte hinaus. Weiterhin war zu berücksichtigen, ob adlige Prozeßparteien der Landesverwaltung eines Fürsten angehörten oder militärische Ränge bekleideten. Adlige, die nicht im Herzogtum Lauenburg begütert waren, wurden als eigene Gruppe geführt. Zudem müssen bürgerliche Gutsbesitzer adliger Gerichte, die ab dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts in Erscheinung traten, für diese Untersuchung dem Adel zugerechnet werden. Denn sie gehörten zwar nicht dem Adel an, standen ihm aber als Rittergutsbesitzer funktionell nahe. Der Adel war an jedem fünften Verfahren als erste und an gut jedem vierten als zweite Partei beteiligt.37 Diese auffällige Differenz legt nahe, daß der Adel, für dessen Rechtsstreitigkeiten in erster Instanz das Hofgericht

35 Für die erste Partei wurde in 382, für die zweite in 329 Fällen die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht ermittelt. Nur bei vier ersten und vier zweiten Privatparteien konnte sie nicht festgestellt werden. 36 Daher sind in den Übersichten (Anh. Tab. 15–22) stets zwei Werte eingetragen. Der Anteil der einzelnen gesellschaftlichen Gruppen in Prozent ergibt sich für Tab. 16 aus dem Verhältnis der absoluten Zahlen zu der Anzahl derjenigen Verfahren, in denen – jeweils für die erste und die zweite Partei getrennt – die soziale Schichtzugehörigkeit ermittelt wurde. Für Tab. 17–22 hingegen wurde der Anteil an der Gesamtzahl aller Verfahren beziehungsweise der Verfahren ermittelt, an denen eine zweite Partei beteiligt war. 37 Vgl. Anh. Tab. 17.

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zuständig war,38 aus den erstinstanzlichen Verfahren mehrheitlich obsiegend hervorging. Die vorliegenden Zahlen sind aber zu gering, um hierüber sichere Aussagen treffen zu können. Auch im übrigen sind keine deutlichen Entwicklungslinien erkennbar, da die Werte der Beteiligung des Adels in den einzelnen Fünfjahreszeiträumen eine zu große Schwankungsbreite aufweisen. Von den 76 als erste Partei beteiligten Adligen gehörten 67, also die überwiegende Mehrheit, zum landsässigen Adel des Herzogtums Lauenburg. Von diesen übten viele zugleich politische Funktionen im Kurstaat oder in den Diensten anderer Fürsten aus. Einen militärischen Rang hatten hingegen nur vier inne. Diese Verteilung ist beispielhaft für die – vor allem im Gegensatz zu Preußen – geringe Bedeutung des Militärs in Braunschweig-Lüneburg und das hohe Ansehen der vor allem dem Adel zukommenden Funktionen in der Landesverwaltung.39 Hierfür ist ein Bonmot des preußischen Staatskanzlers von Hardenberg aus dem Jahre 1780 charakteristisch: Wenn man in der Zeitung unter der Rubrik „Preußen“ lese, es sei ein neues Regiment aufgestellt worden, so stehe unter „Hannover“, man habe zehn Mann pro Kompanie eingespart, aber eine neue Kammerherrenstelle geschaffen.40 Diejenigen Angehörigen des landsässigen Adels, die weder eine öffentliche Funktion noch einen militärischen Rang bekleideten, traten weitgehend erst in der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums auf. In dessen erster Hälfte beschränkte sich die Prozeßtätigkeit somit weitgehend auf die Teile des Adels, die erkennbar über öffentlichen Einfluß verfügten. Die Aufteilung der Adligen, die als zweite Partei auftraten, zeigt ein entsprechendes Bild: Von diesen 86 gehörten 78 dem landsässigen Adel an, von denen wiederum die Hälfte eine öffentliche Funktion und neun einen militärischen Rang innehatten. Adlige ohne öffentliche Funktion oder militärischen Rang traten auch hier fast ausschließlich in den letzten drei Jahrzehnten des Untersuchungszeitraums auf. Die Ursachen für diese bei ersten und zweiten Parteien gleichermaßen auffällige Beobachtung sind unklar. Eindeutige Schlüsse lassen sich aus ihr nicht ziehen. Es ist auch denkbar, daß in den Gerichtsakten staatliche Funktionen und militärische Ränge der Adligen in den späteren Jahren nicht mehr deutlich kenntlich gemacht wurden. Die adligen Gutsbesitzer, die in fürstlichen Diensten standen, waren in der Regel selten auf ihren Gütern anwesend. Meistens hatten sie diese ganz oder teilweise verpachtet. Ihre Besitzungen waren für sie in erster Linie Kapitalanlage und Einnahmequelle. Mit Land und Leuten waren sie kaum noch 38 Susemihl, Kieler Blätter 4 (1817), 275 f. Note *). 39 Vgl. von Meier I, S. 314. 40 Zitiert nach Coing, Zur Geschichte, S. 10.



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vertraut.41 Damit wandelten sich die adligen Gerichte in ihrer Bedeutung zu Wirtschaftsobjekten, und die Herrschaftsrechte des Adels traten in den Hintergrund. In diesem Zusammenhang ist es nur konsequent, daß in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Herzogtum Lauenburg Bürgerliche begannen, durch den Erwerb von Rittergütern in den bis dahin faktisch dem Adel vorbehaltenen Großgrundbesitz einzudringen. Die adligen Güter wurden vielfach zu Spekulationsobjekten und wechselten häufig den Besitzer.42 Etliche der 26 adligen Gerichte des Herzogtums Lauenburg kamen auf diese Weise in den Besitz Bürgerlicher.43 Solche bürgerlichen Besitzer adliger Gerichte waren an 22 Verfahren als erste und an 14 Verfahren als zweite Partei beteiligt. Dabei ist eine Konzentration auf einige wenige Personen im Rahmen größerer Verfahrenskomplexe zu beobachten: So war Partei aller 15 zwischen 1780 und 1794 am Oberappellationsgericht anhängig gemachten Verfahren bürgerlicher Rittergutsbesitzer der Gutsbesitzer Schuldt des adligen Gerichts Niendorf am Schaalsee. Die meisten Verfahren dieses Komplexes betrafen eine langjährige Auseinandersetzung zwischen Schuldt und dem Amt Ratzeburg wegen eines Abflusses des Kittlitzer Sees. An 18 zwischen 1805 und 1815 in Celle anhängig gemachten Verfahren war der in Konkurs gefallene Gutsbesitzer Schickedanz des adligen Gerichts Dalldorf beteiligt und an einem Verfahren aus den Jahren 1804 bis 1806 wegen eines Kaufvertrages der Gutsbesitzer Berckemeyer des adligen Gerichts Thurow. In zwei Verfahren der Jahre 1804–1808 trat der Domherr Doktor Lamprecht als Gutsherr des adligen Gerichts Niendorf an der Stecknitz auf.44 Kirchliche Würdenträger wurden wegen ihrer Sonderstellung in der Gesellschaft als eigene soziale Kategorie behandelt. Hier kamen – anders als in der Untersuchung Ranieris zum Reichskammergericht45 – in einer rein protestantisch geprägten Gesellschaft lediglich Superintendenten, Pfarrer, Dia41 G. Meyer, S. 23. 42 G. Meyer, S. 23; vgl. allgemein Wehler I, S. 150 f. 43 In bürgerlicher Hand waren Niendorf am Schaalsee seit 1763, Dalldorf seit etwa 1775, Thurow seit 1786, Niendorf an der Stecknitz seit 1800, Rondeshagen zwischen 1788 und 1798 und Grinau zwischen 1770 und 1790. Angaben nach von Kobbe III, S. 331 ff.; vgl. Susemihl, Kieler Blätter 4 (1817), 292. 44 Die Appellationssache der Ritter- und Landschaft gegen den Domherrn Dr. Lamprecht aus den Jahren 1804–1806, LS Abt. 216, Nr. 576 hatte das von der Rechtsmittelführerin bestrittene Recht des nichtadligen Gutsherrn zu Sitz und Stimmrecht auf den Versammlungen der Ritterschaft und Städte zum Gegenstand. Das Oberappellationsgericht entschied zugunsten des Gutsherrn; Susemihl, Kieler Blätter 4 (1817), 292 ff.; vgl. G. Meyer, S. 23. Auch die entsprechenden Akten des Hofgerichts sind erhalten: LS Abt. 217, Nr. 8. 45 Ranieri, Recht und Gesellschaft II, S. 288.

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kone und Dechanten in Betracht. In untergeordneten Positionen sind ihnen Küster und Kantoren zuzuordnen. In den Prozessen trat die Geistlichkeit nur selten in Erscheinung.46 Ihre Beteiligung ging im Laufe der untersuchten siebzig Jahre zahlenmäßig zurück. Wegen der niedrigen Zahlen kann aber nicht auf eine verallgemeinerungsfähige Entwicklung geschlossen werden. Die deutliche Mehrheit der als Partei auftretenden Kirchenbediensteten waren Pfarrer (in neun Fällen als erste, in acht als zweite Partei). Superintendenten traten in zwei Verfahren als zweite Partei auf. Nur ganz vereinzelt sind Diakone, Dechanten, Küster und Kantoren anzutreffen (zusammengerechnet in zwei Verfahren als erste, in drei als zweite Partei).

c)  Die bürgerlichen Ober- und Mittelschichten Bei den bürgerlichen Ober- und Mittelschichten stützt sich die Zuordnung zu sozialen Schichten in erster Linie auf den Berufsstand sowie gegebenenfalls Ränge in der Hof- und Landesverwaltung oder dem Militär, da den Akten andere aussagekräftige und zugleich objektivierbare Kriterien in der Regel nicht mit zuverlässiger Sicherheit zu entnehmen waren.47 Der Oberschicht zugeordnet wurden Angehörige der obersten Hof- und Landesverwaltung (insbesondere Kanzleidirektoren und Räte), Inhaber hoher militärischer Ränge (General, Feldmarschall, Oberst) und städtische Honoratioren (Bürgermeister, Stadträte und Großkaufleute). Die obere und niedere Mittelschicht ließ sich in ähnlicher Weise klassifizieren: Bei der oberen Mittelschicht wurde wiederum zwischen Hof- und Landesverwaltung (Kanzleibeamte, Registratoren und Sekretäre), Militär (mittlere Offiziersgrade) und städtischem Bürgertum unterschieden. Eine eigene Kategorie bildeten hier zudem die Akademiker (Ärzte, Doktoren und Advokaten). Die niedere Mittelschicht wurde in niederes Personal der Hof- und Landesverwaltung, untere militärische Ränge (Unteroffiziere und Mannschaftsdienstgrade), niederes städtisches Bürgertum (kleine Handwerker, Gesellen, kleine Gewerbetreibende) sowie bürgerliche Gutsbesitzer, Pächter und Verwalter eingeteilt. Bürgerliche Besitzer von Rittergütern wurden indes, wie bereits erwähnt, wegen ihrer funktionalen Nähe zum landsässigen Adel nicht hier, sondern im Zusammenhang mit dem Adel berücksichtigt. Während der Schwerpunkt der Prozeßtätigkeit des Reichskammergerichts und anderer europäischer Gerichtshöfe im 16. Jahrhundert auf der städtischen Oberschicht lag,48 spielte diese in den lauenburgischen Prozes46 Vgl. Anh. Tab. 18. 47 Vgl. die Gruppenbildung bei Ranieri, Recht und Gesellschaft II, S. 288–290. 48 Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 232 f.



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sen eine deutlich geringere Rolle. Angehörige der Oberschicht waren an 19 Verfahren (5,0 %) als erste und an 26 Verfahren (7,9 %) als zweite Partei beteiligt.49 Die Zahl der Prozesse, die von dieser Gesellschaftsschicht ausgingen, blieb relativ konstant und nahm nur prozentual betrachtet wegen des allgemeinen Anstiegs der Verfahrenszahlen ab.50 In Ermangelung einer Residenz- oder Universitätsstadt entbehrte das Herzogtum Lauenburg kultureller, wirtschaftlicher und sozialer Zentren.51 Angehörige der obersten Hof- und Landesverwaltung sowie die militärische Führungsschicht waren daher schwächer vertreten als dies von den geistigen und politischen Zentren des Landes in Celle, Hannover und Göttingen anzunehmen ist. Daher verwundert es nicht, daß nur vier Privatparteien auf Klägerseite der obersten Hof- und Landesverwaltung angehörten, von denen drei nicht im Herzogtum Lauenburg ansässig waren. Auf Beklagtenseite waren es elf, davon vier nicht aus Lauenburg stammend. Sie waren Landdroste sowie in einem Fall eine Oberpostdirektorin. Außerdem wurden die Erben einer Hofrätin und eines Regierungsrats dieser Gruppe zugeordnet. Auffällig ist die ungleiche Verteilung zwischen Kläger- und Beklagtenseite. Sie erlaubt zwar wegen der geringen Zahl der Verfahren, an denen die Oberschicht beteiligt war, keine eindeutigen Schlüsse. Immerhin legt sie aber, korrespondierend mit der oben zum Adel geäußerten Vermutung, nahe, daß Regierung und Hofgericht als Gerichte der Vorinstanz dazu neigten, zugunsten der höchsten Staatsdiener des Landes zu entscheiden, so daß diese in Celle vornehmlich als Rechtsmittelbeklagte in Erscheinung traten. Angehörige der militärischen Oberschicht traten nicht in Erscheinung. Allerdings wurden Adlige, die im Herzogtum Lauenburg begütert waren und zugleich der Hof- und Landesverwaltung oder dem Militär angehörten, hier nicht berücksichtigt, da der landsässige Adel als eigene Kategorie bildet. Städtische Honoratioren und Großkaufleute traten in jeweils 15 Fällen als Kläger und Beklagte auf. Mit Ausnahme eines Bürgermeisters und zweier Senatoren aus Lübeck sowie eines Bankiers aus Hamburg gehörten sie den drei lauenburgischen Städten Lauenburg, Ratzeburg und Mölln52 an. Sie waren vorwiegend Bürgermeister und Ratmänner. Der hamburgische Bankier war der einzige Angehörige einer Handelselite. War das Herzogtum Lau49 Vgl. Anh. Tab. 19. 50 Die Verteilung stellt sich in zeitlicher Hinsicht dergestalt dar, daß in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums (1747–1781) elf (9,1 %) Angehörige der Oberschicht als erste und zehn (9,9 %) als zweite Partei in Erscheinung traten. In den zweiten 35 Jahren (1782–1816) traten acht (3,1 %) von ihnen als erste und 16 (7,0 %) als zweite Partei auf. 51 Opitz, S. 274 ff. 52 Zur Ratsverfassung der lauenburgischen Städte vgl. von Kobbe III, S. 364 ff.

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enburg auch in wirtschaftlicher Hinsicht vor allem als Transportweg zwischen Hamburg und Lübeck bedeutsam, so waren Großkaufleute in seinen drei Städten offensichtlich kaum ansässig. Der überregionale Handel war vielmehr in den großen Hansestädten, vor allem in Hamburg und Lübeck, beheimatet. Die lauenburgischen Städte waren dagegen weitgehend bedeutungslos. Dies deckt sich mit den Angaben Kobbes aus dem Jahre 1837, in Ratzeburg sei der Handel von geringer Bedeutung,53 und in Mölln habe er sich erst „in neueren Zeiten sehr gehoben“.54 Lauenburg profitiere zwar von Schiffahrt und Fischerei. Dabei handele es sich aber in erster Linie um die Güterumladung im Hafen.55 Ein überregional bedeutsamer Handelsstützpunkt war auch Lauenburg nicht. 64 Parteien auf Klägerseite (16,8 %) und 49 auf Beklagtenseite (14,9 %) wurden der oberen Mittelschicht zugeordnet. In absoluten Zahlen stieg die Bedeutung dieser Schicht an. Gleichwohl nahm ihr Anteil aber prozentual ab, denn der Anstieg der Beteiligung der oberen Mittelschicht hielt nicht mit der Zunahme der Verfahrenszahlen Schritt.56 Am stärksten war das städtische Bürgertum vertreten. Mittlere Offiziersgrade nahmen das Oberappellationsgericht hingegen nur selten in Anspruch. In acht Verfahren traten mittlere Angehörige der Hof- und Landesverwaltung als erste Partei und in elf als zweite auf. Die an sich nahe liegende Vermutung, daß sie aus der Vorinstanz mehrheitlich siegreich hervorgingen, kann hier in Anbetracht der geringen Zahlen nicht zuverlässig erhärtet werden. Akademiker, Ärzte und Advokaten spielten in den Akten nur eine untergeordnete Rolle. Dies ist auf die geringe Bedeutung zurückzuführen, die diese Kreise im Herzogtum Lauenburg hatten, das weit von den Zentren des akademischen Lebens abgelegen war. Sie dürften hauptsächlich in Celle und Hannover als den Mittelpunkten der Territorialverwaltung und Göttingen als Universitätsstadt anzutreffen gewesen sein. Angehörige der niederen Mittelschicht waren sowohl als erste wie auch als zweite Partei an gut jedem zehnten Verfahren beteiligt. Dabei ist während des Untersuchungszeitraums eine eindeutig steigende Tendenz zu beobachten, die sich nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch im Anteil an den stark steigenden Verfahrenszahlen ablesen läßt.57 Während die Bedeutung 53 54 55 56

Von Kobbe III, S. 377. Von Kobbe III, S. 384. Von Kobbe III, S. 389. Vgl. Anh. Tab. 20. In der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums traten 24 (19,8 %) Angehörige der oberen Mittelschicht als erste und 22 (21,8 %) als zweite Partei auf, in der zweiten Hälfte 38 (14,6 %) als erste und 27 (11,8 %) als zweite Partei. 57 Vgl. Anh. Tab. 21. In den ersten 35 Jahren waren Angehörige der niederen Mittelschicht an nur sechs Verfahren (5,0 %) als erste und an neun (8,9 %) als zweite



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niederer Staatsdiener und unterer Militärangehöriger vergleichsweise gering war, lagen die Schwerpunkte hier auf dem städtischen Kleinbürgertum und bürgerlichen Gutsbesitzern, Pächtern und Verwaltern.

d) Landbevölkerung und Unterschicht Innerhalb der weitgehend, aber nicht ausschließlich bäuerlich geprägten Landbevölkerung war zwischen Bauervögten – der Bauervogt oder Bauermeister, der in anderen Gegenden als Schulze oder Schultheiß bezeichnet wurde, war das genossenschaftliche Haupt der Dorfbevölkerung58 –, Vollbauern, minderbesitzenden Bauern, die meist auf Nebenerwerb angewiesen waren, und ländlichen Handwerkern zu unterscheiden.59 Außerdem wurden die vor allem in Untertanenprozessen häufig anzutreffenden Gesamtheiten der Landbevölkerung (Bauernschaften, Dorfschaften, Gemeinschaft der Vollbauern eines Dorfes u. ä.)60 als eigene Kategorie berücksichtigt, da auch sie für die soziale Struktur der Prozeßparteien aussagekräftig sind. Angehörige der vorwiegend bäuerlichen Landbevölkerung waren an 133 Verfahren (34,8 %) als erste und an 94 (28,6 %) als zweite Partei beteiligt. Sie bilden somit einen Schwerpunkt der in Celle auftretenden Prozeßparteien.61 Der Anteil der Landbevölkerung nahm während des Untersuchungszeitraums zu. Wie bei der niederen Mittelschicht läßt sich auch hier ein Anstieg nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch im Anteil an allen Verfahren ablesen.62 Auffällig ist, daß die ländlichen Handwerker und die Dorf- und Bauernschaften häufiger als erste denn als zweite Partei auftraten. Diese Beobachtung spricht dafür, daß die Obergerichte als Vorinstanz tendenziell eher zuungunsten dieser Gruppen entschieden, und korreliert mit der oben hinsichtlich des Adels und der Angehörigen der Hof- und Landesverwaltung geäußerten gegenläufigen Vermutung. Sie kann allerdings auch ledig-

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Partei beteiligt. In der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraumes traten sie hingegen in 36 (13,8 %) beziehungsweise 29 (12,7 %) Verfahren auf. G. Meyer, S. 39; Oberländer, Lauenburgische Heimat 156 (2000), 40, 46 f.; Stoldt, S. 142 ff. Zu den verschiedenen Klassen der bäuerlichen Dorfbevölkerung im Herzogtum Lauenburg G. Meyer, S. 32 ff.; vgl. allgemein Wehler I, S. 159 ff. Vgl. zur Bedeutung der Bauernschaft Stoldt, S. 139. Siehe auch Stodolkowitz, Celler Chronik 18 (2011), 105 ff. Vgl. Anh. Tab. 22. In den ersten 35 Jahren trat die Landbevölkerung in 37 Verfahren (30,6 %) als erste und in 24 (23,8 %) als zweite Partei auf. In der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums war sie an 96 (36,8 %) beziehungsweise 70 (30,7 %) Verfahren beteiligt.

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lich durch eine erhöhte Neigung zum Querulantentum bedingt sein. Sichere Aussagen sind insofern nicht möglich. In den ersten Jahrzehnten des Untersuchungszeitraums traten einzelne Personen der Landbevölkerung als Privatparteien nur ganz vereinzelt in Erscheinung. Meistens waren Dorf- und Bauernschaften Beteiligte der Verfahren. Diese Beobachtung stimmt mit den Verhältnissen am Reichskammergericht im 16. Jahrhundert überein.63 Sie ist typisch für die ländlichen Gesellschaftsstrukturen der Frühen Neuzeit, die von der genossenschaftlichen Ordnung geprägt waren. Der Bauer trat regelmäßig nicht als Individuum in Erscheinung, sondern als Teil der Dorfgemeinschaft.64 Ab dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts vollzog sich dagegen ein grundlegender Wandel in der genossenschaftlichen Struktur der ländlichen Gesellschaft. Im Zusammenhang mit den beginnenden Agrarreformen, der Auflösung hergebrachter Herrschaftsstrukturen und der Verbreitung aufklärerischen Gedankenguts65 verlor die genossenschaftliche Ordnung an Bedeutung, und der Bauer trat als Individuum in den Vordergrund des gesellschaftlichen Geschehens.66 Diese Entwicklung spiegelt sich im Lauenburger Aktenbestand wider: Ab den 1770er Jahren nahm der Anteil der genossenschaftlich prozessierenden Dorf- und Bauernschaften kaum zu, während vermehrt Bauern und ländliche Handwerker als Privatparteien auftraten. Hinsichtlich der verschiedenen sozialen Gruppen der Landbevölkerung sind dabei keine großen Unterschiede festzustellen. Auch minderbesitzende Bauern traten nunmehr in nicht geringem Umfang als Prozeßparteien in Erscheinung. Tagelöhner und unterstes Dienstpersonal wurden der Unterschicht zugeordnet. Sie waren in den Akten nur vereinzelt anzutreffen. Eine relative Anhäufung von Verfahren, an denen sie beteiligt waren, war für den Zeitraum zwischen 1797 und 1811 festzustellen. In Anbetracht der geringen Zahlen sind diese Aussagen aber allenfalls bedingt verallgemeinerungsfähig. Unehrliche Leute, Zigeuner, Bettler und Kriminelle, die in Ranieris Untersuchung zum Reichskammergericht eine eigene Kategorie der Unterschicht bildeten,67 traten im Lauenburger Aktenbestand nicht auf.

63 Diestelkamp, Reichskammergericht im Rechtsleben, S. 248; zum 18. Jahrhundert Trossbach, Einbeziehung, S. 65. 64 Vgl. G. Meyer, S. 37 ff.; Zückert, S. 282. 65 Zur Ausbreitung aufklärerischen Gedankenguts im Herzogtum Lauenburg Opitz, S. 274. 66 Conze, Art. Bauer, Geschichtliche Grundbegriffe I, S. 414 ff.; G. Meyer, S. 107; Zückert, S. 295 ff. 67 Ranieri, Recht und Gesellschaft II, S. 290.



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e)  Juden Juden nahmen in der Gesellschaft seit jeher eine Außenseiterstellung ein.68 Sie wurden daher als eigene Gruppe betrachtet. In den Prozessen waren sie allerdings so selten anzutreffen, daß die Bildung detaillierter Kategorien nicht als sinnvoll erschien. Nur in wenigen Einzelfällen waren Juden in den untersuchten Akten anzutreffen. Als erste Partei traten sie in drei Fällen, als zweite nur in einem Fall in Erscheinung.69 Alle diese Fälle beschäftigten das Celler Gericht zwischen 1807 und 1809. Zwei dieser Verfahren standen in engem inhaltlichem Zusammenhang, und in einem weiteren waren beide Parteien Juden. Faktisch waren daher nur an zwei Rechtsfällen Juden beteiligt. In den Reichskammergerichtsakten traten in ungefähr anderthalb Prozent der Fälle Juden als Kläger auf. Vor dem Hintergrund des geringen Anteils der Juden an der Gesamtbevölkerung des Reiches, der im 18. Jahrhundert bei etwa einem Prozent lag, scheinen die Juden im Alten Reich prozeßfreudiger gewesen zu sein als die christliche Bevölkerung.70 Im Lauenburger Aktenbestand traten in weniger als einem Prozent der Fälle Juden als Prozeßparteien in Erscheinung. Da der Anteil der Juden an der Gesamtbevölkerung des Herzogtums Lauenburg nicht ermittelt werden konnte, sind eindeutige Aussagen über die Prozeßfreudigkeit der Juden aber nicht möglich. Jedenfalls spielten sie für die Gerichtstätigkeit des Oberappellationsgerichts keine nennenswerte Rolle.

5. Untertanenprozesse Eine eigens zu betrachtende Gruppe von Verfahren bilden wegen ihrer gesellschaftlichen und politischen Bedeutung die Untertanenprozesse. In der reichsrechtlichen Praxis wurden diese als Prozesse der mittelbaren Reichsuntertanen gegen ihre reichsunmittelbare Landesobrigkeit schon im 16. Jahrhundert als besondere Kategorie erkannt.71 68 Zur Stellung der Juden in der Gesellschaft Braunschweig-Lüneburgs zu Beginn des 18. Jahrhunderts Schnath III, S. 537 ff. Vgl. allgemein zur gesellschaftlichen Stellung der Juden in der Frühen Neuzeit Battenberg, Grenzen, S. 87 ff.; Grefe I, S. 317 ff.; Rauscher, S. 140 ff. 69 LS Abt. 216, Nrn. 390, 656, 657. 70 Vgl. Battenberg, Das Reichskammergericht und die Juden, S. 5 f. 71 Bereits das Visitationsmemorial von 1568 ordnete an, daß das Reichskammergericht in Untertanenprozessen zunächst ein an die betreffende Obrigkeit gerichtetes Schreiben um Bericht erlassen sollte; Diestelkamp, Reichskammergericht im Rechtsleben, S. 228. Entsprechende Regelungen enthalten §§ 105, 106 JRA 1654 =

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a)  Allgemeines In der rechtshistorischen Forschung sind die Untertanenprozesse an den Reichsgerichten aus unterschiedlichen Blickwinkeln untersucht worden: Zum einen wurde ihre Bedeutung für die politische Stellung des „Gemeinen Mannes“ nach dem Bauernkrieg von 1524/1525 hinterfragt. Dabei konnte die Beobachtung gemacht werden, daß sich die sozialen Konflikte des Spätmittelalters in der Frühen Neuzeit vielfach fortsetzten, im späten 16. und 17. Jahrhundert aber weitgehend nicht mehr gewaltsam, sondern im Rechtsweg vor den Reichsgerichten, insbesondere dem Reichskammergericht, ausgetragen wurden.72 Mit Winfried Schulze kann daher im Übergang zur Frühen Neuzeit nach dem Bauernkrieg von einer „Verrechtlichung sozialer Konflikte“73 gesprochen werden. Diese These konnte durch Ranieris quantitative Auswertung der Reichskammergerichtsakten erhärtet werden: Am Ende des 16. Jahrhunderts häuften sich am Reichskammergericht Prozesse aus ländlichen Gegenden.74 Dieser Verrechtlichungsprozeß ist ein Aspekt der friedenstiftenden Tätigkeit des Reichskammergerichts in der Gesellschaft der Frühen Neuzeit.75 Einen erhöhten politischen Stellenwert erlangte das Reichskammergericht schließlich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und im Zusammenhang mit der französischen Revolution als Schranke gegen die Landeshoheit der Territorialherren sowie deren Willkür und Machtmißbrauch.76 So hob Johann Jakob Moser bereits 1769 hervor: „Probire es ein solcher Fürst, Prälat, oder Graf, schreibe Steuren aus, so vil er will, halte Soldaten nach Gefallen, usw. und lasse es zur Klage an einem höchsten

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76

Laufs, Der jüngste Reichsabschied, S. 53 f.; Sailer, Untertanenprozesse, S. 13; vgl. Schulze, Widerstand, S. 78. Zur Beachtung der Untertanenprozesse in der Kameralliteratur Trossbach, Einbeziehung, S. 71 ff. Vgl. Blickle, Unruhen, S. 38. Schulze, Veränderte Bedeutung, S. 282; ders., Widerstand, S. 76 ff., 141; zum Forschungsstand Blickle, Unruhen, S. 78 ff.; zur Bedeutung des Reichskammergerichts in diesem Prozeß Ortlieb/Westphal, ZRG GA 123 (2006), 299; Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 248; vgl. zu Klagen der Bauern gegen ihre Herrschaft Trossbach, Audigenz, S. 95 ff.; Westphal, Reichshofrat, S. 120 f. Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 193, 234, II, S. 326 f. Gabel, Untertanen, S. 273 ff.; Sellert, Gewalt, Macht oder Recht, S. 48 ff.; Weitzel, Die Rolle des Reichskammergerichts, S. 45 ff. Zur Funktion des Reichskammergerichts als Landfriedensgericht Diestelkamp, Reichskammergericht im Rechtsleben, S. 220. Vgl. auch Heckel, S. 9 ff. Vgl. Stollberg-Rilinger, Vormünder, S. 26 f.; Trossbach, Reichsgerichte, S. 142; ders., Bewegung, S. 174 f.



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Reichs-Gerichte kommen, man wird ihme bald nachdrücklich zeigen, daß und wie eingeschränckt seine Landes-Hoheit seye.“77

Unruhen im Fürstentum Lüttich qualifizierte das Reichskammergericht um 1790 als Landfriedensbruch. Selbsthilfe der Bevölkerung gegen die Herrschaft sei unzulässig, „wo ein Oberrichter ist, der Hülfe verschafft“.78 Das Gericht in Wetzlar betonte also kurz vor seinem Ende noch einmal das zentrale Motiv seiner Rechtsprechung, das es – seit seiner Gründung und dem Ewigen Landfrieden 1495 – in der Bekämpfung von Selbstjustiz durch Recht und Verfahren sah.79 So erschien auch den Zeitgenossen die von der jeweiligen Territorialherrschaft unabhängige Reichsgerichtsbarkeit als ein friedenssicherndes Element der Reichsverfassung, das soziale Konflikte auf rechtlichem Wege beilegen und dadurch gewaltsame Auseinandersetzungen sowie eine revolutionäre Entwicklung wie in Frankreich verhindern konnte.80 Die Aussicht auf eine friedliche Streitbeilegung vor einem unparteiischen und in seiner Autorität anerkannten Gericht konnte die Parteien dazu bewegen, auf gewaltsame Selbsthilfe zu verzichten.81 Die politische Bedeutung der Reichsgerichtsbarkeit in Untertanenprozessen wird auch an dem 1790 in der Wahlkapitulation Leopolds II. unternommenen Versuch der Reichsstände sichtbar, die Jurisdiktionsgewalt der Reichsgerichte in Untertanenprozessen zu beschränken: Die Reichsstände konnten sich damit nicht durchsetzen, da das Reichskammergericht nicht bereit war, die Wahlkapitulation zu befolgen.82 Auffällig ist, daß sich die Beschwerden der Bauern in den vermehrt auftretenden Untertanenprozessen dieser Zeit inhaltlich kaum von den in früheren

77 Moser, Von der teutschen Reichs-Stände Landen, S. 1147; siehe auch ders., Von der Landeshoheit in Regierungssachen, S. 9: „Wann hingegen ein Landesherr die seiner Regierung gesezte rechtmäßige Schrancken übertritt; so seynd die Reichsgerichte allerdings befugt, ihme darinn Einhalt zu thun, und sich derer Unterthanen anzunehmen […].“ Vgl. Gneist, S. 37. 78 Hoscher (1790), Vorrede S. 46 f.; Neugebauer-Wölk, S. 56 ff.; Sellert, Pax Europae, S. 106 f. 79 Sellert, Pax Europae, S. 99, 101 f. Vgl. allgemein zum untrennbaren Zusammenhang zwischen Frieden und Recht Wadle, S. 549 ff. 80 Von Berg (1795), S. 61; Danz (1795), S. 3; Hoscher (1790), Vorrede S.  46 f.; Schlettwein (1791), S. 61 ff. Die erste systematische Abhandlung über Untertanenprozesse vor den höchsten Reichsgerichten erschien 1795: von Schelhass, insbesondere S. 1 f. Vgl. von Aretin, Heiliges Römisches Reich I, S. 102; Diestelkamp, Reichskammergericht und deutsche Rechtsstaatskonzeption, S. 134; Gabel, S. 273; Härter, Unruhen, S. 45; Schulze, Kommentar, S. 200. 81 Trossbach, Bewegung, S. 177. 82 Sailer, Untertanenprozesse, S. 2 f.

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Zeiten erhobenen unterschieden. Insbesondere wurden keine eigentlich revolutionären Forderungen an die Gerichte des Reiches herangetragen.83 Neben dem sozialhistorischen Ansatz wurden Untertanenprozesse zum anderen aus rechtsgeschichtlicher Sicht als Vorformen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes betrachtet.84 Dies führte zu der Erkenntnis, daß es bereits vor der Errichtung der institutionell verselbständigten Verwaltungsund Verfassungsgerichtsbarkeit und noch vor der Vollendung moderner Staatlichkeit Rechtsschutz gegen Maßnahmen der hoheitlichen Gewalt gegeben hat, der in Gestalt der Reichsgerichtsbarkeit vom Einfluß der jeweiligen Territorialherrschaft unabhängig war.85 Im Zentrum der Untersuchung von Untertanenprozessen stand in der bisherigen Forschung die Reichsgerichtsbarkeit. Aber auch die Territorialjustiz konnte einen wesentlichen Beitrag zur Kanalisierung und Verrechtlichung sozialer Konflikte erbringen.86 Dabei muß freilich ein erweiterter Blickwinkel zum Ausgangspunkt genommen werden. Während für die friedenssichernde Wirkung der Reichsgerichte in Untertanenprozessen Klagen der mittelbaren Reichsuntertanen gegen deren reichsunmittelbare Landesobrigkeit im Mittelpunkt stehen, sind im Rahmen der Territorialgerichtsbarkeit alle Verfahren zwischen den Untertanen und ihrer Obrigkeit von Interesse. Obrigkeit war für die Untertanen nicht nur die Landesherrschaft, die in der Person des Landesherrn verkörpert und durch dessen Zentralverwaltung vertreten war, sondern vor allem die unmittelbare Herrschaftsausübung der landesherrlichen Ämter und der adligen Gerichte. Daher wurden nicht nur die Verfahren gegen die lauenburgischen Zentralbehörden Regierung, Hofgericht und Konsistorium zu Ratzeburg, sondern auch Streitigkeiten mit den landesherrlichen Ämtern, der Obrigkeit der Städte sowie den Gutsherren der adligen Gerichte betrachtet. Dabei wurden, wie bei reichsgerichtlichen Untertanenprozessen üblich,87 auch Passivprozesse in die Untersuchungen einbezogen, da auch sie Auseinandersetzungen zwischen Untertanen und Obrigkeit widerspiegeln.

83 Sailer, Untertanenprozesse, S. 96. Eine umfassende Auswertung der Untertanenprozesse im zu Ende gehenden 18. Jahrhundert und ihres Anteils an der Gesamttätigkeit der Reichsgerichte existiert bislang allerdings nicht. 84 Diestelkamp, Reichskammergericht im Rechtsleben, S. 226 f.; Seeger. 85 Sailer, Untertanenprozesse, S. 10 f. 86 Schulze, Widerstand, S. 141; vgl. Stodolkowitz, Gericht und Gesellschaft, S. 70 ff. 87 Von Schelhass, S. 13.



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b)  Verfahren zwischen der Landbevölkerung adliger Gerichte und ihrer Gutsherrschaft aa)  Quantitative Auswertung 71 der 443 untersuchten Verfahren waren Untertanenprozesse zwischen der Landbevölkerung adliger Gerichte und ihrer jeweiligen Gutsherrschaft.88 Damit ist jeder sechste in Celle geführte Rechtsstreit dieser Kategorie zuzuordnen. Diese Verfahren hatten somit – jedenfalls hinsichtlich des Herzogtums Lauenburg – einen erheblichen Anteil an der Tätigkeit des Oberappellationsgerichts. In zeitlicher Hinsicht fällt auf, daß solche Verfahren in den ersten Jahrzehnten des Untersuchungszeitraums nur vereinzelt auftraten. Ein signifikanter Anstieg ist ab den 1770er Jahren zu beobachten. Zwischen 1772 und 1811 betrug der Anteil dieser Verfahren gut zwanzig Prozent. Im letzten Fünfjahreszeitraum hingegen beschäftigte nur noch ein solcher Untertanenprozeß das Gericht. Von wenigen Ausnahmen abgesehen gingen fast alle diese Verfahren in erster Instanz auf Klagen der Landbevölkerung gegen ihre Gutsherrschaft zurück. Von dieser ging der Rechtsstreit in erster Instanz nur in drei der 70  Verfahren aus. In 43 Verfahren (60,6 %) legte die aus der Landbevölkerung stammende Partei Rechtsmittel gegen eine ihr ungünstige Entscheidung der Vorinstanz ein. Diese Beobachtung könnte die These stützen, daß das für diese Prozesse in erster Instanz zuständige Hofgericht mehrheitlich zugunsten des landsässigen Adels zu entscheiden pflegte. In 31 der 71 Verfahren (43,7 %) entschied das Oberappellationsgericht zumindest teilweise zugunsten der Landbevölkerung. Der sich daraus ergebende Anteil der verlorenen Prozesse zeigt einerseits, daß die Landbewohner das Celler Gericht nicht nur in für sie eindeutigen Fällen anriefen. Andererseits räumt die relativ hohe Erfolgsquote – insgesamt entschied das Oberappellationsgericht nur in knapp einem Viertel der untersuchten Verfahren zumindest teilweise zugunsten des Klägers oder Rechtsmittelführers89 – aber auch den Verdacht unbegründeten Querulantentums aus. Zudem beweist sie, daß die Landbevölkerung vor dem Oberappellationsgericht in Untertanenprozessen reelle Chancen hatte und das Celler Gericht nicht einseitig als voreingenommenes Tribunal der herrschenden Gesellschaftsschichten angesehen werden kann. Für das Verhältnis zwischen der Landbevölkerung und ihrer adligen Gutsherrschaft ist auch die Aufteilung der Untertanenprozesse auf die 22 ad88 Vgl. Anh. Tab. 23; siehe auch Stodolkowitz, Gericht und Gesellschaft, S. 70 ff.; ders., Celler Chronik 18 (2011), 105 ff. 89 107 der insgesamt 443 Verfahren (24,2 %).

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ligen Gerichte aufschlußreich.90 Sie ist auffallend ungleich: Während es auf acht Gütern überhaupt nicht zu Prozessen gegen die Herrschaft kam und sich in weiteren acht während der untersuchten siebzig Jahre nur ein oder zwei solche Verfahren ereigneten, häuften sich die Untertanenprozesse in wenigen adligen Gerichten. Dies betrifft insbesondere Kastorf und Wotersen, aber auch Stintenburg und Gudow. Dabei mag eine Rolle spielen, daß jedenfalls die drei letztgenannten zu den vier größten adligen Gerichten zählten.91 Die Größe vermag aber die extremen Abweichungen allein nicht zu begründen. Wolfgang Prange hat die Untertanenprozesse des im Besitz von Andreas Peter von Bernstorff92 stehenden Gutes Stintenburg aus den Jahren 1780 bis 1790 eingehend untersucht und den engen Zusammenhang geschildert, in dem die fünf Verfahren dieses Zeitraums standen.93 Zusammen bildeten sie einen Komplex von Auseinandersetzungen über die von den Untertanen zu leistenden Hofdienste. Vier der Prozesse aus dem adligen Gericht Gudow betreffen Beschwerden der Gutsuntertanen des Dorfes Göttin wegen des Rechts zum Torfstechen. Anzunehmen ist, daß auch von den Prozessen der adligen Gerichte Kastorf und Wotersen jeweils etliche zwar nicht in rechtlichem, aber in engem tatsächlichen Zusammenhang standen. Somit scheint die Neigung bestanden zu haben, vermehrt Untertanenprozesse zu führen und bis vor das Oberappellationsgericht zu tragen, wenn das Verhältnis zwischen den Untertanen und ihrer Herrschaft durch tatsächliche und rechtliche Auseinandersetzungen bereits belastet war. Zu beobachten ist des weiteren, daß es in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums außer in Wotersen mit der dortigen Häufung der Verfahren nur in Gülzow und Dalldorf zu zwei vereinzelten Untertanenprozessen kam. In den übrigen adligen Gerichten wurden erst in den zweiten 35 Jahren Untertanenprozesse geführt. Anhand der Lauenburger Akten kann somit die Zunahme der Bedeutung auf rechtlichem Wege ausgetragener Auseinandersetzungen zwischen der Landbevölkerung und ihrer adligen Herrschaft in signifikanter Weise belegt werden. Um der Bedeutung der Untertanenprozesse gerecht zu werden und eine breitere Grundlage für Schlußfolgerungen zu schaffen, sollen zusätzlich zur

90 Vgl. Anh. Tab. 24. 91 Wotersen hatte im Jahre 1817 636, Stintenburg 743 und Gudow 759 Einwohner. Diese drei adligen Gerichte wurden nur noch von Gülzow mit 991 Einwohnern an Größe übertroffen. Kastorf hingegen hatte nur 315 Einwohner. Der Durchschnitt der 22 adligen Gerichte lag bei 368 Einwohnern. Zahlen nach Susemihl, Kieler Blätter 4 (1817), 287 f.; vgl. G. Meyer, S. 133 f. 92 1735–1797; geheimer Rat und dänischer Staatsminister. 93 Prange, Stintenburg, S. 105 ff.



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quantitativen Auswertung einige Verfahrenskomplexe mit dem Inhalt ihrer jeweiligen Auseinandersetzungen dargestellt und ausgewertet werden.

bb)  Die Untertanenprozesse der Dorfschaften Elmenhorst, Groß Pampau und Sahms aus den Jahren 1751 und 1755 Zwei Untertanenprozesse zwischen den Dorfschaften Elmenhorst, Groß Pampau und Sahms sowie dem Elmenhorster Bauervogt Heymann einerseits und Johann Hartwig Ernst von Bernstorff andererseits beschäftigten das Oberappellationsgericht in den Jahren 1751 und 1755. Sie sind die ältesten erhaltenen Akten von Celler Untertanenprozessen. Sie sollen daher beispielhaft für diese frühe Zeit dargestellt und bewertet werden.

(1)  Darstellung Die drei Dörfer Sahms, Elmenhorst und Groß Pampau liegen einige Kilometer nördlich und östlich von Schwarzenbek im Herzogtum Lauenburg. Sie gehörten lange Zeit zu Holstein, bis sie im Jahre 1736 an BraunschweigLüneburg abgetreten wurden.94 Die Herrschaft über sie lag in der Hand von Bernstorffs als Gutsherrn des adligen Gerichts Wotersen. Die Dorfschaften beschwerten sich wiederholt bei der Regierung in Ratzeburg und dem Geheimen Rat in Hannover über ihre Herrschaft. Sie wurden aber mit der Begründung abgewiesen, der Rechtsstreit sei bereits am Reichshofrat anhängig. Dieser habe in den Jahren 1729 und 1730 „Patente“ in der Sache erlassen. Die Kläger hätten selbst eingestanden, daß die Sache in Wien rechtshängig sei. Das 1747 erteilte unbeschränkte Appellationsprivileg für Lauenburg berührte die Zuständigkeit des Reichshofrats in diesem Fall nicht. Denn es galt nur für Appellationen, die nach dem Erlaß des Privilegs eingelegt wurden.95 Gegen den abweisenden Bescheid der Regierung richteten sich die Dorfschaften mit der am 20. Oktober 1751 eingeführten Appellation nach Celle.96 Der Streitgegenstand wird aus den Akten des Oberappellationsgerichts nur ungefähr sichtbar, da die Rechtsmittelführer die Appellation nicht begründeten und das Verfahren nicht weiter betrieben. Insbesondere sind ihnen keine Einzelheiten über das reichshofrätliche Verfahren zu entnehmen. In den Akten des Parallelverfahrens,97 auf das sogleich einzugehen sein wird, 94 Akten des Hofgerichts zur Überlassung der drei Dörfer an Braunschweig-Lüneburg, LS Abt. 217, Nr. 2. 95 Dies entsprach auch der Haltung des Geheimen Rats und des Oberappellationsgerichts; vgl. LS Abt. 216, Nr. 797. 96 LS Abt. 216, Nr. 16. 97 LS Abt. 216, Nr. 359.

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sind allerdings zwei Entscheidungen des Reichshofrats in Abschrift enthalten, die etwas Licht auf das Verfahren in Wien werfen. Am 17. Dezember 1728 hatte der Reichshofrat nämlich zugunsten der drei Dorfschaften entschieden: „Wird Appellans [= von Bernstorff] denen Unterthanen Wiedersetzung sowohl als den an den Herrn Hertzogen genommenen Recours nicht entgelten zu lassen, noch deshalben einige Ahndung oder Straf gegen selbe vorzunehmen hiemit angewiesen, damit in wiedrigen Fall nicht nöthig seyn anderwertige Kayserl. Verordnung ergehen zulassen.“ Auch eine Entscheidung vom 5. Juni 1730 war für sie günstig ausgefallen: „Obwohlen aus denen Actis zuersehen, daß Er Appellant einige Unterthanen zwar nicht in Ansehung des zwischen ihnen und ihm anhängigen Rechtsstreits, sondern wegen derer geweigerten Diensten und Contributionen in Verhaft zu bringen gesucht, so wird dannoch hiemit deßen gewaltthätiges auf frembden Grund und mit Beyhülf frembder Miliz vollzogenes Unternehmen mißbilliget, und ihme vewiesen.“ Da sich die Kläger nun erneut gegen Übergriffe ihres Gutsherrn wandten, scheint dieser die Anordnungen aus Wien nicht dauerhaft befolgt zu haben. Hier wird das Problem sichtbar, daß Entscheidungen des Reichshofrats wegen der Zugehörigkeit zu einem anderen Herrschaftsverband nur sehr schwer vollstreckt werden konnten.98 Diesen Nachteil hatten die Territorialgerichte nicht. Vermutlich deshalb und auch wegen des für die Dorfschaften schwer überwindbaren Aufwands, der mit einem Verfahren in Wien verbunden war, hatten sie sich nun an die einheimischen Gerichte gewandt. In Celle warfen die klagenden Dorfschaften ihrem Gutsherrn vor, er habe sie „an Leib und Gut äußerst gekränket, den größten Theil unsrer Ländereyen, Wiesen, Weiden und Weich-Holtzung gewaltsahmer Weise abgenommen, aus solchen gantze Pacht-Höefe errichtet, unsre Abgifften erhöhet, und sich unser Vieh zugeeignet.“ Der Zeitablauf gefährde nun die Beweissituation. Wie weit das Verfahren am Reichshofrat gediehen sei, wüßten sie nicht. Sie verlangten daher, von Bernstorff möge die von ihm erhobene Einrede der Rechtshängigkeit beweisen. Hinsichtlich des reichshofrätlichen Verfahrens beriefen sie sich schließlich auf ihre prozessuale Unerfahrenheit: „Indeßen haben wir keine Acta, die bey dem Reichs-Hoff-Rath solten ergangen seyn, und keinen Procuratorem in Wien. Wir verstehen nicht die Apices Juris und Processus.“ Für die Rechtfertigung ihrer Appellation baten die Kläger um Fristverlängerung. Diese gewährte das Gericht auch, wies aber deutlich auf die geringen Erfolgsaussichten hin, indem es in seinem Bescheid vom 22. Oktober 1751 – nur zwei Tage nach Einführung der Appellation – mitteilte, daß „wegen der in dem Decreto a quo enthaltenen rationum nicht abzusehen, wie Imploranten mit ihrer appellation fortkommen mögten.“ 98 Vgl. Sellert, Vollstreckung, S. 817 ff.



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Wegen dieser deutlichen Worte verfolgten die klagenden Dorfschaften ihr Rechtsmittel in Celle nicht weiter und ließen es damit desert werden. Einige Jahre später wandte sich von Bernstorff noch einmal an das Oberappellationsgericht und bat um eine Abschrift des angefochtenen Bescheids der Regierung. Dabei teilte er mit, daß sich die Dorfschaften gegen ihn wieder an den Reichshofrat gewandt hätten. Näheres erfährt der Leser der Akten aber nicht mehr. Die entsprechenden Akten des Reichshofrats konnten wegen der noch unübersichtlichen Quellenlage nicht ausfindig gemacht werden. Mit diesem Verfahren steht das bereits erwähnte Parallelverfahren im Zusammenhang.99 Am 20. Januar 1755 führte der Bauervogt Heymann aus Elmenhorst in Celle gegen von Bernstorff die Appellation gegen eine Entscheidung des Ratzeburger Hofgerichts ein. Streitgegenstand war die Bauervogtei, deren Recht von Bernstorff dem Rechtsmittelführer bestritt. Dafür hatte von Bernstorff einen Zeugenbeweis angetreten. Das Hofgericht hatte die Vernehmung der Zeugen angeordnet und die Beschwerde Heymanns, der eine präjudizierliche Wirkung der Zeugenvernehmung befürchtete, zurückgewiesen. Heymann begründete seine Appellation damit, von Bernstorff müsse mit der Vernehmung der Zeugen an den Reichshofrat nach Wien verwiesen werden. Denn der bereits erwähnte dort rechtshängige Rechtsstreit betreffe die Güter, Rechte und das Vermögen aller Einwohner von Sahms, Elmenhorst und Groß Pampau und damit auch sein Recht auf die Bauervogtei. Zudem habe es den Anschein, der Gutsherr wolle durch die Zeugenvernehmung nicht die Wahrheit dieser Sache, sondern Stoff für eine künftige Klage erforschen. Mit seinem Antrag auf Zeugenvernehmung habe er gegen die Anordnungen des Reichshofrats von 1728 und 1730 verstoßen. Schließlich wies Heymann darauf hin, daß das Oberappellationsgericht den Einwand der entgegenstehenden Rechtshängigkeit auch in jenem anderen, oben geschilderten Verfahren als begründet erachtet habe. Er beantragte, den förmlichen Prozeß anzuordnen und der Appellation stattzugeben, indem er bat, „Ew. Königl. Mayestät […] geruheten consuetos appellationis processus, nemlich: Citation, Inhibitionem und Compulsoriales, sodann aber auch in Rechten allergnädigst zu erkennen: daß übel gesprochen und wohl appelliret“. Das Oberappellationsgericht erließ zunächst am 21. April 1755 ein „Rescriptum um Bericht“ an das Hofgericht. Dieses teilte am 5. Juni 1755 mit, es halte die Einrede der Rechtshängigkeit nicht für erwiesen, da der sachliche Zusammenhang mit dem Verfahren in Wien nicht dargetan sei. Zudem sei der Rechtsmittelführer nicht beschwert, denn er könne seine Einwendungen auch noch nach der Zeugenvernehmung vorbringen. Diese müsse nur auf Grund des hohen Alters der Zeugen wegen Gefahr im Verzug schon jetzt 99 LS Abt. 216, Nr. 359.

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durchgeführt werden. Das Oberappellationsgericht „communicirte“ diesen Bericht dem Rechtsmittelführer, der am 15. Oktober 1755 Stellung nahm, den Zusammenhang mit dem Verfahren in Wien aber nicht fundiert darlegte. Das Gericht schlug die Appellation daher am 12. November 1755 durch ein decretum reiectorium ab.

(2)  Bewertung Diese beiden Verfahren aus den ersten Jahren der Zuständigkeit des Oberappellationsgerichts für Lauenburg zeigen die Bedeutung, die die landeseigenen Gerichte für die Bevölkerung im Vergleich mit den Gerichten des Reichs hatten. Während das Verfahren in Wien ebenso wie in Wetzlar schon in Anbetracht der Entfernungen vor allem für die Landbevölkerung schwer überwindbare Hindernisse mit sich brachte, hatten die lauenburgischen Gerichte, zu denen als oberste Instanz das Oberappellationsgericht in Celle gehörte, den Vorteil, daß sie leicht zu erreichen waren und die Parteien in absehbarer Zeit mit einer Entscheidung rechnen konnten. Dazu kam in Ansehung der Reichsgerichte das Problem der Vollstreckbarkeit. Deshalb verwundert es nicht, daß die drei Dorfschaften sich bemühten, in Ratzeburg und Celle mit ihren Beschwerden Gehör zu finden anstatt sich an den Reichshofrat zu wenden. Umgekehrt mag das Bemühen Heymanns in dem zweiten Fall, die Zuständigkeit des Reichshofrats zu begründen, auf der Hoffnung beruhen, von Bernstorff werde in Wien weniger schnell und leicht eine vollstreckbare Entscheidung gegen ihn erhalten. Inhaltlich läßt sich zu den beiden Verfahren nur wenig sagen, da die wesentlichen Streitpunkte nur kurz und unscharf wiedergegeben werden. Die Beschwerde der drei Dorfschaften, von Bernstorff habe ihnen Ländereien genommen und aus diesen Pachthöfe errichtet sowie die Abgaben erhöht, deutet auf Bemühungen des Gutsherrn hin, die Wirtschaftlichkeit seiner Güter zu erhöhen. Dabei er scheint gegenüber seinen Gutsuntertanen rücksichtslos vorgegangen zu sein. Was schließlich dem Streit mit Heymann um die Bauervogtei zugrunde lag, wird aus den Akten nicht sichtbar.

cc)  Die Untertanenprozesse der Eingesessenen zu Göttin 1786–1792 Vom adligen Gericht Gudow, das im Besitz derer von Bülow stand, gelangten in den Jahren um 1790 mehrere Untertanenprozesse nach Celle.100 Vier Appellationsverfahren101 betrafen denselben Rechtsstreit und sind charakteristisch für die Gegensätze zwischen den Bauern und ihrer Gutsherrschaft 100 Vgl. Stodolkowitz, Celler Chronik 18 (2011), 108 ff. 101 LS Abt. 216, Nrn. 70, 325, 326, 327.



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am Ende des 18. Jahrhunderts. Sie sollen daher zusammenhängend dargestellt und bewertet werden.

(1)  Darstellung Gegenstand dieser Auseinandersetzungen war ein Verbot des Gutsherrn gegenüber den Bauern des Dorfes Göttin, Torf zu stechen. Die Bauern hingegen nahmen dieses Recht mit der Begründung für sich in Anspruch, in Göttin hätten die Bauern seit fünfzig Jahren ungehindert Torf gestochen und verkauft. Der Torfplatz sei eine Weide der Bauern, so daß die Vermutung für ihr Eigentum spreche. Auch wenn weiterhin in Maßen Torf gestochen werde, bestehe kein Mangel daran. Wachse der Torf hingegen weiter an, so behindere dies die Viehfütterung. Schließlich hätten die Bauern nur sehr wenig Korn. Der Ertrag der sandigen Felder reiche oft gerade zur Deckung des Eigenbedarfs. Für ihren Lebensunterhalt und für die Bestreitung der herrschaftlichen Abgaben seien sie daher auf den Torfverkauf angewiesen. Auch in anderen Gegenden des Herzogtums Lauenburg wie in Wotersen sowie den Ämtern Lauenburg und Ratzeburg sei der freie Torfstich der Bauern üblich. Schließlich genügten die 18.000 Soden Torf nicht, die sie zum eigenen Verbrauch stechen dürften. Da die Bauern kein freies Holz erhielten, keines besäßen und teures Holz auch nicht kaufen könnten, seien sie gezwungen, Torf zu kaufen, da sie sonst, „um nur das nothwendigste kochen zu können, frieren müßten.“ Vor Beginn des Rechtsstreits schlossen die Bauern mit der Gutsherrschaft am 14. April 1785102 einen Vergleich, in dem sie sich zur Zahlung einer Geldabgabe von vier Reichstalern verpflichteten, wenn ihnen der freie Torfstich zugesichert werde. Obwohl sie die Abgabe zahlten, erhielten sie keinen Freiheitsbrief über ihr Recht. Vielmehr verbot von Bülow ihnen den Torfstich am 23. Mai 1786 erneut und erhöhte zugleich die Dienstgelder, die die Bauern anstelle der Naturaldienste zahlten. Nun erhoben die Bauern Klage beim Hofgericht, das zunächst vom Gutsherrn einen Bericht einforderte und vorläufig alle weiteren Schritte verbot. Die Gutsherrschaft aber griff zu Eigenmächtigkeiten, die die Bauern in ihrer Appellationsrechtfertigung103 schilderten: „Es kam nemlich der Sohn H. Imploraten der Lieutenant von Bülow in Gesellschaft des imploratischen Justitiarii Furchtnicht und des Försters Kratz am 10ten July Morgens 3 Uhr in mein des Burmesters104 Haus, schalt meine Frau für eine alte105 Hexe, und drohte ihr, sie zu prügeln, das sie doll 102 103 104 105

Als Anlage zur Appellationsrechtfertigung enthalten im Akt LS Abt. 216, Nr. 70. LS Abt. 216, Nr. 325. Burmester war Bauervogt von Göttin. Hervorhebungen so im Original.

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werden sollte, wenn sie nur immindesten was reden, oder Torff verkaufen würde. Hierauf kam er mit seiner Begleitung zu mir Johann Bruns, begegnete meiner Frau sehr ungestühm, und drohte ihr, sie ins loch stecken zu lassen, wenn sie nur das geringste erwiedern würde.“ Auch gegen dieses Vorgehen richteten sich die Bauern „gehörigen Orts“, also am Hofgericht. Sie fanden dort aber kein Gehör. Vielmehr wurden sie, nachdem von Bülow seinen Bericht erstattet hatte, ohne Gelegenheit zur Stellungnahme durch Bescheid vom 15.  Juli 1786 „zur Ruhe verwiesen“, denn das Hofgericht sah „einberichteten Umständen nach nicht ab, wie sich Imploranten zu beschweren Ursach haben.“ Damit folgte es im wesentlichen dem Bericht von Bülows. Dieser war der „recht zudringlichen Klage“ entgegengetreten und hatte ausgeführt, daß die Bauern immer schon für den Torfverkauf bestraft worden seien. Das Verbot sei erforderlich, um den Ruin der Torfmoore zu verhüten. Nur für den Eigengebrauch dürften sie Torf stechen. Wegen der Entfernung zwischen Gudow und Göttin sei die Aufsicht aber schwierig, so daß Übertretungen oftmals ungeahndet blieben. Dies begründe aber noch kein Recht. Auch habe das Verbot vom 23. Mai 1786 „längst die erforderliche Rechtskraft“. Die „ungereimte und wahrheitswiedrige Klage dieser Leute“ sei daher abzuweisen. Zudem teilt der Bericht mit, daß zuvor schon die Einwohner von Müssen wegen des Torfstechens gegen von Bülow Klage erhoben hatten und die Göttiner nun „diesem aufrührerischen bösen Beyspiel schon gefolget.“ Zur Erhöhung der Dienstgelder sei von Bülow als Gutsherr berechtigt, denn eigentlich seien die Bauern zu Naturaldiensten verpflichtet. Diese seien ihnen nur auf Grund gutsherrlicher Willkür gegen Geldabgaben erlassen. Im übrigen sei die Erhöhung auch sachlich gerechtfertigt, da die Bauern stets mehr Land bewirteten, als ihnen zustehe. Schließlich führte von Bülow grundsätzliche Erwägungen ins Feld, indem er erklärte: „Die wahre und eigent- liche Bestimmung ihres Daseyns, ist der Acker-Bau.“ Wenn die Bauern nur fleißig das Land bestellten, statt Torf zu verkaufen, hätten sie gutes Auskommen, wie das Beispiel einiger weniger von ihnen beweise. Gegen die Abweisung der Klage durch das Hofgericht wandten sich die Bauern mit ihrer Appellation, die sie am 28. August 1786 in der Kanzlei des Oberappellationsgericht einführten.106 Sie legten zwar ausführlich dar, daß sie zum Torfverkauf berechtigt und auf ihn angewiesen seien. Zugleich erklärten sie aber, dies stehe nicht im Vordergrund. Es ging ihnen um mehr, nämlich um das grundsätzliche Verhältnis zur Gutsherrschaft. Die Appellation stützten sie zunächst darauf, daß der Bericht von Bülows falsch sei, da er den vorgerichtlichen Vergleich nicht erwähne. Das Protokoll des Vergleichs sei unvollständig und enthalte nur das für den Gutsherrn Günstige. Daher 106 LS Abt. 216, Nr. 325.



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trat man den Beweis durch Eideszuschiebung an. Weiterhin sei die Hausstörung vom Hofgericht übergangen worden, und dieses habe sich drittens auch nicht mit der Dienstgelderhöhung befaßt und den Klägern keine Gelegenheit zur Stellungnahme zum Bericht eingeräumt. Schließlich beschwerten sie sich über einen weiteren Übergriff des Gutsherrn, denn als sie – nach Appellationseinlegung – wieder einmal vom verbotenen Torfverkauf zurückkehrten, ereignete es sich, „daß uns H. Appellat, der uns auflauren lassen, einen Schimmel mit Gewalt ausspannen, und nach seinem Hof bringen lassen.“ Erst nachdem sie sich hierüber beim Hofgericht beschwert hätten, habe der Gutsherr das Pferd zurückgegeben. Auch mit ihrer Appellation in Celle waren die Bauern nicht erfolgreich. Zur Begründung seines decreti reiectorii vom 19. Dezember 1786 führte das Gericht aus: „Demnach Imploranten selbstgeständigermaaßen, das Wesentlichste von dem, was sie zu Begründung ihrer aufgestellten Beschwerden allhie vorgetragen, beym Judicio a quo bislang nicht vorstellig gemacht haben, als kann dem Suchen nicht deferiret werden; vielmehr haben sie sich mit ihren Ausführung bey dem Hofgerichte zu Ratzeburg, welches sie damit zu enthören keinesweges die Absicht geäußert, sondern nur auf die einberichteten Umstände erkannt hat, zu melden, und daselbst fernere rechtliche Verfügung zu gewärtigen.“ Mit dieser Entscheidung war zwar dieses Appellationsverfahren, nicht aber der Rechtsstreit beendet. Ihn setzten die Parteien vor dem Hofgericht fort. Auf die Eideszuschiebung erklärte sich von Bülow nicht, da der Eid irrelevant sei. Der von den Göttinern geltend gemachte Vergleich sei nicht bindend, sondern widerruflich abgeschlossen worden. Auch tadelte er das Verhalten der Untertanen gegenüber ihrer Gutsherrschaft, indem er ausführte, daß „ferner es sich nicht gezieme, daß Guths-Unterthanen ihrer Guthsherrschaft über Dinge die zwischen selbigen zumal extra protocollum geredet worden, zur Verbindlichkeit ziehen, und jedes Wort der Guthsherrschaft selbiger nachher zur Aideshand legen könnte“. Das Hofgericht entschied am 9. Februar 1788, die Gutsherrschaft dürfe den Torfstich nicht willkürlich verbieten. Ein Verbot könne aber gerechtfertigt sein, um den Ruin des Moores zu verhindern. Daher solle eine Kommission unter Hinzuziehung Sachverständiger das Moor begutachten. Daneben stellte es fest, daß die Bauern auf Anfordern verpflichtet seien, Naturaldienste zu leisten. Im Wege der Läuterung107 bot von Bülow nun den Zeugenbeweis 107 Anders als in den übrigen Teilen Braunschweig-Lüneburgs schloß im Herzogtum Lauenburg das Rechtsmittel der Läuterung eine anschließende Appellation nicht aus; Oesterley, Handbuch II, S. 387. Vgl. diesbezügliche Anfrage des Oberappellationsgerichts an die Regierung in Hannover vom 13. April 1750, Resolution der hannoverschen Regierung vom 24. April 1750 mit dem Inhalt, die Regierung

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an. Ein Bauer sollte bezeugen, daß stets nur heimlich verbotenerweise Torf verkauft worden sei. Diesem Zeugenbeweis traten die Göttiner entgegen, indem sie die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Frage stellten. Auch er habe nämlich jahrelang Torf gestochen und erst, als seine Tochter den gutsherrlichen Förster geheiratet habe, die Seite gewechselt. Gleichwohl ordnete das Hofgericht durch Urteil vom 14. Februar 1789 die Vernehmung des Zeugen an. Hiergegen richteten sich die Göttiner mit ihrer erneuten Appellation am 23. März 1789 nach Celle108 und stützten das Rechtsmittel auf die Begründung, der Zeugenbeweis sei unerheblich. Sie teilten mit, daß sich ihre wirtschaftliche Lage verschlechtert habe, denn durch den Torfzuwachs auf den Weiden erhielten sie nicht mehr, wie früher, 16, sondern nur noch sechs Fuder Heu. Darüber hinaus begründeten sie ihr Recht zum freien Torfstechen mit allgemeinen Ausführungen über ihre Rechtsstellung und versuchten so das Recht des Gutsherrn zu entkräften: „Wir haben uns zudem theils selbst angebauet, theils unsere Wohnungen und was dazu gehörig mit baarem Gelde erkauft, eo ipso muß uns also auch, da wir zu nichts als zu gewissen Abgaben der Guthsherrschaft verbunden sind, die freie willkührliche Benutzung des Unsrigen überlassen werden.“ Sie unterlagen aber erneut, denn das Oberappellationsgericht entschied durch decretum reiectorium vom 2. Juli 1789, „daß, nachdemmahlen der zugelaßene Beweiß für irrelevant nicht zu achten, den Imploranten auch im wesentlichen noch nichts aberkannt worden, dem Suchen nicht zu deferiren sey.“ Aber auch der Gutsherr hatte gegen das hofgerichtliche Erkenntnis vom 14. Februar 1789 den Rechtsweg nach Celle beschritten und dort am 27. März 1789 seine Appellation eingeführt.109 Denn das Hofgericht hatte ihm den Eid auferlegt, daß er seit über dreißig Jahren keine Naturaldienste gefordert habe. Dagegen wehrte er sich mit der Begründung, indem er den Bauern die Naturaldienste gegen Geldleistungen erlassen habe, habe er sich und seine Nachkommenschaft des Rechts, jederzeit nach Willkür wieder Naturaldienste zu fordern, nicht begeben. Dem folgte das Oberappellationsgericht teilweise, nachdem es die vorinstanzlichen Akten des Hofgerichts eingesehen hatte, und erließ am 11. Februar 1790 ein rescriptum de emendando. Zwei Bauern hatten im Laufe des Verfahrens erklärt, bei dem streitigen Vergleichsschluß zugesichert zu haben, sie wollten, solange sie anstelle der Naturaldienste Geld zahlten, einen höheren Betrag, nämlich 29 Reichsin Ratzeburg solle zu dieser Frage ein Gutachten der lauenburgischen Ritterund Landschaft erholen, sowie deren Gutachten vom 23. Mai 1750, jeweils in LS Abt. 210, Nr. 1451. 108 LS Abt. 216, Nr. 326. 109 LS Abt. 216, Nr. 70.



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taler, zahlen. Darin sah das Gericht ein Geständnis der Naturaldienstpflicht. Diese beiden Bauern habe das Hofgericht daher der Naturalleistung schuldig zu sprechen. Für die anderen aber sei von Bülow der Eid aufzuerlegen, die Bauern hätten nie behauptet, die Dienste nicht zu schulden, und sich auch nie geweigert, in natura zu dienen. Das Hofgericht vernahm in der Folge den zum Beweis des Torfstichverbots vorgeschlagenen Zeugen und entschied, wenn von Bülow schwöre, daß das Torfstechen zum Verkauf stets verboten gewesen und bestraft worden sei, seien die Göttiner schuldig, sich des Torfverkaufs zu enthalten. Die Kosten hob es gegeneinander auf. Hiergegen führten die klagenden Bauern, nachdem sie mit der Läuterung am Hofgericht erfolglos geblieben waren, am 5. Dezember 1791 wiederum die Appellation am Oberappellationsgericht ein.110 Sie beantragten, den Wortlaut der Eidesformel dahingehend zu gänzen, daß die Bauern „ohne Unterschied“ bestraft worden seien und man sich nicht verglichen habe, denn der Vergleich stehe einem rechtskräftigen Urteil gleich. Hierfür führten sie Zitate unter anderem von Carpzow, Mevius und Mynsinger an. Ferner rügten sie die Kostenentscheidung, denn diese hätte bis zum Ergebnis des Eidesbeweises ausgesetzt werden müssen. Am 27. Januar 1792 wies das Oberappellationsgericht das Rechtsmittel der Bauern in der Hauptsache zurück, erließ aber hinsichtlich der Kostenentscheidung ein rescriptum de emendando an das Hofgericht, indem es entschied, „daß zwar ad gravamen primum, da es der nachgesuchten Extension der Eydesformel nicht bedarf, ad gravamen secundum aber die exceptio transactionis theils rechtskräftig verworfen, theils die zu deren Erweis vorhin angeführte Umstände keinen rechtsverbindlichen Vergleich involviren, dem Suchen nicht zu deferiren, ad gravamen tertium aber Rescriptum an das iudicium a quo erkannt sey.“ Wie sich der Rechtsstreit fortsetzte und welches Ende er schließlich nahm, ist den Akten nicht zu entnehmen. Das Oberappellationsgericht wurde mit dieser Sache nicht noch einmal befaßt. Die Akten des Hofgerichts sind nicht erhalten. Aber auch ohne die Kenntnis von seinem endgültigen Ausgang ist dieses Verfahren ein aufschlußreiches Beispiel einer rechtlichen Auseinandersetzung zwischen Gutsuntertanen und ihrer Herrschaft im ausgehenden 18. Jahrhundert.

(2)  Bewertung Verfahrenstechnisch wird der komplizierte Ablauf eines Rechtsstreits mit seinen vielen Zwischenentscheidungen, vor allem über Beweiserhebungen, sichtbar, der die Parteien in die Gefahr brachte, entweder eine Entscheidung 110 LS Abt. 216, Nr. 327.

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mit einem Rechtsmittel anzugreifen und damit vom Gericht abgewiesen zu werden, weil sie nicht beschwert sei, oder aber ein Erkenntnis nicht anzufechten und damit bestimmte Verfahrensschritte in Rechtskraft treten zu lassen und später nicht mehr rügen zu können. So wies das Oberappellationsgericht die beiden ersten Rechtsmittel der Bauern zurück, weil es ihnen unbenommen sei, ihre Beschwerden vor dem Hofgericht vorzubringen. Die dritte Appellation der Göttiner hatte nur die Formulierung des Eides zum Gegenstand, den das Hofgericht dem Gutsherrn auferlegt hatte. Angesichts dieses umständlichen Verfahrensablaufs ist es aber doch beachtlich, daß zwischen dem gutsherrlichen Verbot vom 23. Mai 1786, das den Rechtsstreit auslöste, und der letzten Entscheidung des Oberappellationsgerichts in dieser Sache keine sechs Jahre vergingen. Über die vier Appellationen entschied das Gericht jeweils in weniger als einem Jahr, über diejenigen der Göttiner Bauern sogar in nur wenigen Monaten. Dies war dadurch möglich, daß das Gericht stets vom Plenarprozeß absah und jeweils durch abweisendes Dekret oder Reskript an das Hofgericht entschied. Inhaltlich zeigt der Rechtsstreit, wie Auseinandersetzungen zwischen den Bauern und ihrer Gutsherrschaft entstehen und sich entwickeln konnten. Ausgangspunkt des Konflikts war das Recht zum Torfstechen. Dabei folgten die Göttiner mit ihrer Klage dem Vorbild der Bauern des Dorfes Müssen, die ebenfalls in dieser Angelegenheit Klage gegen von Bülow erhoben hatten. Welche Seite in diesem Punkt objektiv Recht hatte, läßt sich im Rückblick kaum beurteilen. Hierüber mußte das Oberappellationsgericht auch nicht entscheiden, da es jeweils nur vorläufige Regelungen über das weitere Verfahren vor dem Hofgericht traf. Für die Bauern ging es jedenfalls um ihre Existenz. Vielleicht haben sie die Bedeutung des Torfstichs für ihr Überleben noch etwas drastischer dargestellt, als sie in Wirklichkeit war. Sie hätten aber wohl kaum einen aufwendigen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang auf sich genommen, wenn sie nicht ein elementares Interesse am Torfverkauf gehabt hätten. Daß lauenburgische Bauern – vor allem auf den Gütern der adligen Gerichte – wegen ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage auf Nebenerwerbsquellen angewiesen waren, war keine Seltenheit, sondern der Regelfall nicht nur für Kleinstelleninhaber, sondern auch für Vollbauern.111 Die Stellung der Bauern gegenüber dem Gutsherrn in dem Rechtsstreit war durch eine gewisse strategische Unterlegenheit gekennzeichnet. Sie mußten, wollten sie vor Gericht obsiegen, beweisen, daß ihnen das Recht zum Torfstich zustand und sie es nicht nur, wie von Bülow behauptete, verbotenerweise für sich in Anspruch nahmen. Einen schriftlichen Nachweis hatte schon bei dem Vergleichsschluß vom 14. April 1785 nur einer von ihnen in 111 G. Meyer, S. 50 f.



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Form eines Hausbriefes vorweisen können, und auch nach dem Vergleich hatte der Gutsherr wohlweislich keine solche schriftliche Bestätigung erteilt. Als einzige Möglichkeit, den Vortrag der Gegenseite zu widerlegen, blieb ihnen daher der Beweis durch Eideszuschiebung, der so eine entscheidende Bedeutung erhielt. Diese Bedeutung erklärt, daß die Göttiner ihre letzte Appellation in erster Linie auf Formulierungsfragen dieses Eides stützten. Eine gewisse Widersetzlichkeit der Bauern, die auf die erhitzten Zeitumstände zurückzuführen sein mag, spricht aus dem Umstand, daß sie das Torfstichverbot offenbar einfach nicht befolgten, sondern weiterhin Torf zum Verkauf stachen. Dies zeigt der Vorfall, bei dem der Gutsherr einem Bauern das Pferd nahm. Aber auch die Herrschaft beschränkte sich nicht darauf, die Entscheidung des Gerichts abzuwarten, sondern legte, insbesondere in der geschilderten nächtlichen Szene gegenüber den beiden Bauersfrauen, ein recht rüdes Verhalten an den Tag. Hier werden die Spannung und das Konfliktpotential sichtbar, die eine solche Auseinandersetzung gerade in dieser unruhigen Zeit barg. Aufschlußreich ist, wie sich der Streit, der anfangs mit dem Torfverkauf einen eng umgrenzten Gegenstand hatte, auf die Pflicht zu Naturaldiensten und allgemeine Fragen ausweitete und sich zugleich die Positionen verhärteten. Diese Ausweitung der Streitpunkte hin zum Grundsätzlichen teilt die Auseinandersetzung mit der Entwicklung des Stintenburg-Prozesses der 1780er Jahre.112 Der Standpunkt der Göttiner Bauern gegenüber von Bülow war insofern verständlich, als sie schon seit Jahren keine Naturaldienste mehr hatten leisten müssen, sondern statt dessen Geldzahlungen erbrachten. Ein Verzicht seitens des Gutsherrn lag hierin allerdings zunächst nicht. Daß dieser, nachdem sich der Streit erst einmal in diese Richtung ausgedehnt hatte, mit solcher Vehemenz um den Erhalt seines Rechts auf Naturaldienste kämpfte, hat vermutlich in erster Linie prinzipielle Gründe. An der Dienstleistung als solcher dürfte ihm in Anbetracht der Abgelegenheit Göttins und der Tatsache, daß die Bauern ob ihrer hohen Belastung oftmals nur schlechte Dienste erbrachten,113 kaum gelegen gewesen sein. Ihm ging es vielmehr darum, einem Hinschwinden seiner herrschaftlichen Rechte von Anfang an entschieden entgegenzutreten. Hier wird wiederum eine Parallele zur Haltung von Bernstorffs im Stintenburg-Prozeß sichtbar, in dem er sich gegen das von seinen Untertanen veranlaßte Verfahren des Hofgerichts wandte, durch das er seine Guts- und Gerichtsherrschaft gefährdet sah.114 112 Prange, Stintenburg, S. 105 ff. 113 G. Meyer, S. 48. 114 Prange, Stintenburg, S. 112.

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Daß die Bauern seit Jahren nur noch Geldzahlungen statt der Dienstleistungen erbrachten, ist ein Zeichen für die fortschreitende Materialisierung des Verhältnisses zwischen den Untertanen und ihrer Gutsherrschaft. Damit ging ein Verlust des Gespürs für die wechselseitigen Bindungen beider Seiten in diesem Herrschaftsverhältnis einher. So erklärt es sich, daß sich die Bauern wegen ihres Besitzes am Torfmoor auf die Eigentumsvermutung beriefen und gegen den Gutsherrn ins Feld führten, da sie ihre Wohnungen selbst gebaut oder gekauft hätten und nur zu Geldabgaben verpflichtet seien, müsse ihnen die freie Nutzung des Bodens zustehen. Ein solches Selbstverständnis entsprach möglicherweise der aufkeimenden freiheitlichen Zeitstimmung, aber noch lange nicht den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten, nach denen dem Gutsherrn das Eigentum, den Bauern aber ein erblicher Nießbrauch an Grund und Boden zustand.115 Hier zeigt sich die schwindende Akzeptanz der geltenden Herrschaftsverhältnisse. Dieser Wandel kam auch im selbstbewußten Tonfall und den Formulierungen der Bauern zum Ausdruck, die deutlich von denjenigen des zuvor dargestellten Verfahrens gegen von Bernstorff aus den Jahren nach 1750 abwichen. Den sich so ankündigenden Umbruch konnte auch von Bülow nicht hinwegleugnen, indem er die Bauern auf den Ackerbau als ihre eigentliche naturgemäße Bestimmung zu verweisen suchte und ihr Verhalten in das Licht des Ungehörigen stellte.

dd)  Die Entsetzung des Bauervogts Brüggemann von seiner Hofstelle in Bliestorf im Jahre 1807 Im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts war das Oberappellationsgericht mit mehreren Untertanenprozessen befaßt, die eine Bauervogtstelle in Bliestorf betrafen. Der Rechtsstreit wirft vor allem in tatsächlicher Hinsicht Fragen auf, die nur unzureichend beantwortet werden können. Er soll als Beispiel für das frühe 19. Jahrhundert dargestellt werden.

(1)  Darstellung Der Hufner Jochim Christian Brüggemann, geboren um 1760, war seit 1803 „Interimswirt“, also vorübergehender Inhaber, einer Bauervogtstelle in Bliestorf. 1806 besaß er zwei Wagen und acht Pferde. Sein 1803 verstorbener Vorgänger Johann Christoph Haack war der erste Mann seiner Ehefrau. Brüggemann hatte also in die Bauervogtstelle eingeheiratet. Möglicherweise hatte die Herrschaft von der Witwe, was vielfach üblich war,116 eine erneute Verheiratung erwartet, damit sie die Hofstelle weiterführen dürfte. 115 Vgl. von Bülow/Hagemann VI, S. 115 f.; Stoldt, S. 56. 116 Vgl. Hartwig, Nordelbingen 15 (1939), 241 f.



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Die Funktion als Bauervogt haftete im lauenburgischen an einer bestimmten Bauernstelle und war mit dieser vererblich.117 Bereits die Nachfolge hatte zu Streitigkeiten geführt: 1804 war am Oberappellationsgericht ein Rechtsstreit der Witwe Haack gegen ihren Stiefsohn Johann Friedrich Haack anhängig, der der ersten Ehe ihres verstorbenen Mannes entstammte.118 Gegenstand dieses Appellationsverfahrens war die Erbpachtstelle des Verstorbenen. Dieser Rechtsstreit verlief aber im Sande; die Witwe betrieb das Appellationsverfahren nicht weiter. So wurde Brüggemann Interimswirt der Bauervogtstelle. Wegen Pachtrückstandes und schlechter Wirtschaft wurde er nach wenigen Jahren durch das adlige Gericht Bliestorf, dessen Gutsherr Henning Heinrich von Rumohr war, von seiner Hofstelle entsetzt.119 Nunmehr erhielt der Stiefsohn seiner Frau, Johann Friedrich Haack, die Stelle. Am 7. September 1807 legten Brüggemann und seine Ehefrau deshalb Appellation gegen ein Urteil des Hofgerichts ein.120 Was genau der Gegenstand dieses hofgerichtlichen Rechtsstreits war, ergibt sich aus den Akten nicht. Der Appellationseinführungsschrift ist nur zu entnehmen, daß die Rechtsmittelführer nach Erlaß des hofgerichtlichen Erkenntnisses und nach Einlegung der Appellation, „also durante lite, aus dem Besitz der innegehabten Hofstelle geworfen und auf eine äußerst harte und, wie sie glauben, völlig illegale Weise behandelt [wurden].“ In der Folge baten die Rechtsmittelführer dreimal um Fristverlängerung. Das dritte Gesuch lehnte das Oberappellationsgericht ab und entschied darüber am 17. Dezember 1807 durch ein decretum desertorium. Das Appellationsverfahren endete also, ohne daß die Appellation gerechtfertigt worden wäre. Daher sind den Akten keine Einzelheiten zum Streitgegenstand zu entnehmen. Der Streit mit dem adligen Gericht Bliestorf setzte sich aber fort. Brüggemann bezog mit Frau und Kindern die Altenteilswohnung des Gehöfts. Von nun an tritt in den Gerichtsakten – ohne erkennbaren Grund – nur noch seine Frau in Erscheinung. Das adlige Gericht nahm ihr, so die Rechtfertigung ihrer Appellation121, die Altenteilswohnung und wies ihr eine Wohnung außerhalb des Dorfes zu, die sie für viel zu klein hielt. Diese Wohnung habe insbesondere keinen Platz zum Korndreschen und für das Futter der 117 Stoldt, S. 143. 118 LS Abt. 216, Nr. 383. 119 Die Bliestorfer Registratur führt ein Verfahren aus dem Jahre 1807 zur „Abmeierung und Convocation der Gläubiger des Brüggemann zu Bliestorf“ auf: Kreisarchiv Ratzeburg, Gutsarchiv Rondeshagen, Nr. 172, unter XII. 20. Vgl. zum Recht des Gutsherrn, Bauern von ihrer Stelle zu entsetzen, Stoldt, S. 77 f. 120 LS Abt. 216, Nr. 94. 121 LS Abt. 216, Nr. 95.

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Kuh, die einer Altenteilerin zustehe. Ihre dagegen gerichtete Klage wies das Hofgericht am 13. Dezember 1808 durch decretum reiectorium ab. Nach Einlegung der Läuterung wurde sie am 1. Februar 1809 gegen ihren Willen in die kleinere Kate umquartiert. Ihr Antrag an das Hofgericht vom 2. Februar, das adlige Gericht solle das Verfahren bis zur Entscheidung des Rechtsstreits ruhen lassen und ihr bis dahin die bisherige Wohnung lassen, blieb erfolglos; am 3. Februar erließ das Hofgericht erneut ein decretum reiectorium. Dieses griff sie mit der Appellation an. Ihre Begründung ist dürftig und geht über die wiedergegebene Sachverhaltsschilderung kaum hinaus. Das Oberappellationsgericht wies das Rechtsmittel seinerseits durch decretum reiectorium vom 24. April 1809 als unzulässig zurück und entschied: „Da die Beschwerde, durch unterlaßene Beybringung des protocolls und Berichts des Gerichts Blystorf unvollständig gerechtfertigt ist; so findet das Gesuch keine Statt, und wird der Consulent […] ob non adposita adponenda, in Einen Rtlr: Strafe damit genommen, welchen er intra proximam, bey Vermeidung der Execution, auf der Ober-Appellations-Gerichts-Canzley zu erlegen hat.“

(2)  Bewertung Der Rechtsstreit des Bauervogts Brüggemann und seiner Ehefrau gibt Rätsel auf. Weshalb in den Gerichtsakten nach der Entsetzung von der Hofstelle nur noch die Frau in Erscheinung tritt, während das Ehepaar den ersten Rechtsstreit gemeinsam in Prozeßgemeinschaft geführt hatte, bleibt dunkel. In der Regel traten Frauen nur als unverheiratete oder als Witwen allein vor Gericht auf. Daher ist anzunehmen, daß Brüggemann von einem außergewöhnlichen Ereignis getroffen worden ist. Von seinem Tod ist nicht auszugehen, denn im Rubrum des zweiten Appellationsverfahrens wird seine Frau nicht wie andernfalls üblich als Witwe, sondern als Ehefrau bezeichnet. Eine mögliche Erklärung ist, daß Brüggemann straffällig geworden oder durch anderes mißbilligtes Verhalten in der Dorfgemeinschaft in Ungnade gefallen ist. Über Spekulation gehen solche Erklärungsversuche aber nicht hinaus. Unklar bleibt auch, ob die Umquartierung nur noch die Ehefrau betraf oder auch Brüggemann und die Kinder, die offenbar aus der ersten Ehe der Frau mit Johann Christoph Haack stammten. Die Akten des zweiten Appellationsverfahrens legen ersteres nahe, da sie den früheren Bauervogt ebensowenig erwähnen wie die Kinder. Auch über die Ursache der Umquartierung bleibt der Leser der Akten ob der oberflächlichen Sachverhaltsschilderung im ungewissen. Vermutlich hängt sie mit dem oben angenommenen außergewöhnlichen Ereignis zusammen. Denn ein anderer Grund ist nicht ersichtlich, warum der Ehefrau des Bauervogts, die schließlich auch die Ehefrau des vorigen Bauervogts Johann Christoph Haack und Stiefmutter des



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nunmehrigen Bauervogts Johann Friedrich Haack war, die ihr zustehende Altenteilswohnung hätte genommen werden sollen. Die Zuweisung einer ärmlichen kleinen Kate außerhalb des Dorfes spricht vielmehr dafür, daß das Ehepaar Brüggemann aus der Gemeinschaft der Dorfbewohner ausgeschlossen worden ist. Einige Jahre später, 1815, taucht Jochim Christian Brüggemann in der Registratur des Bliestorfer Gutsarchivs als Arbeitsmann in Rondeshagen auf. Zwischen 1822 und 1824 führte er vor dem adligen Gericht Bliestorf Prozesse gegen die dortigen Kätner und die Dorfschaft Bliestorf wegen Entschädigung für geleistete Dienste (Kriegerfuhren).122 Da es in Bliestorf keinen anderen Brüggemann gab, muß er mit dem früheren Interimswirt des Celler Verfahrens identisch sein. Offenbar hat er das Dorf Bliestorf verlassen. Er hatte nicht einmal mehr eine bäuerliche Kleinstelle – dann wäre er als Kätner bezeichnet worden –, sondern mußte sich seinen Lebensunterhalt als Tagelöhner verdienen. Verarmung und sozialer Abstieg war dies im Vergleich zur Bauervogtstelle mit zwei Wagen und acht Pferden. Von seiner Ehefrau – ob sie noch lebte, ob sie immer noch verarmt in der Kate vor dem Dorf Bliestorf lebte – wissen wir nichts mehr. Aufständischer Geist, der in den Auseinandersetzungen zwischen von Bülow und den Göttiner Bauern zum Ausdruck gekommen war, ist hier nicht zu erkennen. Auch wird nicht der besondere Stellenwert bäuerlicher Rechte gegenüber der Gutsherrschaft betont. Auf die Vermutung bäuerlichen Eigentums hatten sich selbstbewußt die Göttiner gestützt. Fast bescheiden mutet es dagegen an, wenn Brüggemanns Ehefrau Platz zum Korndreschen und für das Futter einer Kuh in Anspruch nimmt, die der Altenteilerin zustehe. Sie beschritt zwar den Rechtsweg gegen ihre Gutsherrschaft, erscheint aber mit ihrem Begehren gleichwohl als demütige Bittstellerin. Der stürmische, freiheitsliebende Geist der Revolutionsjahre hat sich in diesem Verfahren gelegt.

ee)  Zusammenfassung und Resümee Die auffällige Zunahme von Untertanenprozessen gegen die Gutsherrschaft der adligen Gerichte erlaubt den Schluß, daß die steigende Bedeutung rechtlicher Auseinandersetzungen zwischen der Landbevölkerung und ihrer Obrigkeit gegen Ende des 18. Jahrhunderts nicht nur ein Phänomen der Reichsgerichte war. Auch dem Celler Oberappellationsgericht kam eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung bei der Austragung sozialer Konflikte am Ende der Frühen Neuzeit zu. Die Zunahme der Untertanenprozesse setzte 122 Kreisarchiv Ratzeburg, Gutsarchiv Rondeshagen, Nr. 172, unter IX. 60, 91, 96, 101.

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aber nicht erst mit der französischen Revolution ein, sondern bereits in den 1770er Jahren. In ihr lediglich eine Fernwirkung der Ereignisse in Frankreich zu sehen, greift daher zu kurz.123 Vielmehr ist diese Entwicklung Zeugnis der gesellschaftlichen Verwerfungen, die am Ende des Ancien Régime und des Ständestaates im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts auftraten und in Frankreich schließlich ihren Kulminationspunkt in der Revolution erreichten. Diese gesellschaftlichen Brüche waren die Auswirkungen eines Prozesses, der beispielhaft in den Agrarreformen124 und der Aufhebung der Naturaldienste125 zum Ausdruck kam: Das Verhältnis zwischen den Untertanen und ihrer Patrimonialherrschaft wurde zunehmend nicht mehr als gott- oder naturgegebene Konstante, sondern als rechtliche Beziehung begriffen, die rationaler Veränderung zugänglich und gerichtlich nachprüfbar war. Die personelle Abhängigkeit trat in den Hintergrund und wandelte sich in sachen- und schuldrechtliche Beziehungen, die nunmehr wirtschaftliche Abhängigkeit hervorbrachten.126 Das ursprüngliche Gleichgewicht von Rechten und Pflichten zwischen dem Bauern und seinem Gutsherrn wich im Zuge der Materialisierung der Beziehung einer einseitigen Leistungspflicht des Bauern.127 Die Besitzer adliger Güter standen oftmals in Landesverwaltung und Militär in Fürstendiensten und hielten sich nur selten auf ihren Gütern auf. Sie betrachteten ihre ländlichen Besitzungen nur noch als Erwerbsquelle und hatten keine enge Bindung mehr an ihr Land und seine Bevölkerung.128 Die Güter waren verpachtet, und die Pächter und Verwalter suchten den größtmöglichen Profit aus ihnen zu erwirtschaften. Dies ging nicht selten zu Lasten der Bauern.129 Auch die Kapitalisierung und Intensivierung der Landwirtschaft verschärfte den Interessengegensatz zwischen der adligen Herrschaft und der bäuerli123 Vgl. Hauptmeyer, S. 231 f. 124 Vgl. allgemein Becker, Allmendegerechtigkeiten, S. 141. Zu den Agrarreformen im Herzogtum Lauenburg G. Meyer, S. 1; Opitz, S. 268 ff. In den Ämtern wurde die Verkoppelung, die Neuverteilung von Ländereien unter rationelleren Gesichtspunkten, weitgehend noch im 18. Jahrhundert durchgeführt. In den adligen Gerichten gab es hingegen vor der Jahrhundertwende nur vereinzelte Verkoppelungsmaßnahmen; G. Meyer, S. 82, 90 f. Zu Verkoppelungsmaßnahmen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Grefe II, S. 355 ff. 125 Allgemein zur Umgestaltung der bäuerlichen Verhältnisse durch die sogenannte Bauernbefreiung Winterberg/Eckert, Art. Bauernbefreiung, HRG I, 2. Auflage, Sp. 466 ff.; zur Aufhebung der Naturaldienste im Herzogtum Lauenburg von Bülow/Hagemann VI, S. 119. 126 Lütge, S. 268. 127 Schulze, Widerstand, S. 63; vgl. G. Meyer, S. 40 f. 128 G. Meyer, S. 23; zu den von Bernstorffs vgl. Prange, Stintenburg, S. 106 f. 129 Vgl. Jörn, Blutsauger, S. 240.



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chen Bevölkerung.130 Die sich rechtlich und wirtschaftlich verschärfenden Unterordnungsverhältnisse lösten soziale Bewegungen und Konflikte aus.131 Solche Spannungen kommen beispielhaft im Stintenburg-Prozeß sowie in dem Rechtsstreit zwischen den Göttiner Bauern und von Bülow zum Ausdruck. Allerdings wurden diese sozialen Konflikte im Herzogtum Lauenburg offenbar nicht durch Gewalt ausgetragen; bäuerliche Unruhen sind für das Ende des 18. Jahrhunderts ebensowenig wie für frühere Zeiten überliefert. Vielmehr beschritten die Konfliktparteien den Weg rechtlicher Auseinandersetzung. Die zunehmende Inanspruchnahme des Oberappellationsgerichts durch die Landbevölkerung in Prozessen gegen die gutsherrliche Obrigkeit beweist das Vertrauen, das jene in das Justizwesen und insbesondere die Celler Rechtsprechung und ihre Unparteilichkeit, auch im Verhältnis zu obrigkeitlichen Gewalten, setzte.132 Celle war für die Bevölkerung ein Ort, „wo ein Oberrichter ist, der Hülfe verschafft“.133 Das Gericht trug damit dazu bei, Unruhen zu vermeiden sowie Staat und Gesellschaft zu stabilisieren. Das Vertrauen der Bevölkerung kommt beispielhaft im Stintenburg-Prozeß zum Ausdruck: Als der Pächter einem Knecht gegenüber handgreiflich wurde und ihn in Arrest nahm, rief der Knecht, sein Vater „solle ein Pferd ausspannen und gleich nach Ratzeburg reiten, er wisse ja wohl wohin“.134 Damit meinte er das Hofgericht. Diese Reaktion in einem von hitzigem Grimm geprägten Augenblick erstaunt und beeindruckt zugleich. Daß für die einfache Landbevölkerung der Weg zum Gericht so naheliegend war, mag auch auf die für gutsherrschaftliche Verhältnisse relativ günstige Stellung der Lauenburger Bauern135 zurückzuführen sein: Für leibeigene und unterdrückte Bauern wäre die Distanz zu hohen Gerichten möglicherweise zu groß gewesen. Die Gerichte rechtfertigten das in sie gesetzte Vertrauen aber auch. Davon zeugt wiederum der Stintenburg-Prozeß, in dem sich das Hofgericht einer sehr bauernfreundlichen Haltung befleißigte und darin vom Oberappellationsgericht bestätigt wurde.136 Daß zumindest in einigen anderen Reichsterritorien eine vergleichbare Entwicklung stattgefunden hat, ist zu vermuten. Auch dem Wismarer Tri130 Hauptmeyer, S. 226. 131 Schulze, Widerstand, S. 62. 132 Zum Aspekt der Inanspruchnahme des Gerichts als Vertrauensbeweis hinsichtlich des Reichskammergerichts Diestelkamp, Reichskammergericht im Rechtsleben, S. 242; ders., Reichskammergericht und deutsche Rechtsstaatskonzeption, S. 135; vgl. auch Ogorek, Selbstverständnis, S. 76. 133 Vgl. die Nachweise oben S. 229 Note 78. 134 Zitiert nach Prange, Stintenburg, S. 106. 135 Vgl. G. Meyer, S. 42. 136 Prange, Stintenburg, S. 107 ff., 111, 113.

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bunal kann eine solche friedenstiftende Wirkung zugeschrieben werden.137 Wegen der sehr unterschiedlichen Ausgestaltung der Patrimonialherrschaft und der bäuerlichen Verhältnisse sind allerdings gleichwohl erhebliche regionale Unterschiede naheliegend. Die Zunahme rechtlicher Auseinandersetzung anstelle gewaltsamer Konfliktlösung entspricht jedenfalls der dargestellten Bedeutung des Reichskammergerichts in diesen Jahrzehnten und ihrer Bewertung durch die Zeitgenossen. Angesichts der zunehmenden Beschäftigung des Oberappellationsgerichts mit dem Verhältnis zwischen den Untertanen und ihrer adligen Herrschaft kann von einem zweiten Prozeß der Verrechtlichung sozialer Konflikte am Ende der Frühen Neuzeit gesprochen werden,138 der mit der Verrechtlichung der staatlichen Verhältnisse im Zuge der Entwicklung moderner Staatlichkeit139 einherging. Dieser Prozeß ist losgelöst von der bereits in früheren Jahrhunderten zu beobachtenden Verrechtlichung sozialer Konflikte zu betrachten und auf eigene, spezifisch in der gesellschaftlichen Situation des späten 18. Jahrhunderts wurzelnde Impulse zurückzuführen.

c)  Verfahren zwischen der amtssässigen Bevölkerung und den Ämtern Rechtsstreitigkeiten zwischen der amtssässigen Bevölkerung und den Ämtern bilden im Rahmen der Untertanenprozesse gleichsam das Gegenstück zu den Verfahren zwischen der Bevölkerung der adligen Gerichte und ihrer Gutsherrschaft, da jene ebenso wie diese die unmittelbare Obrigkeit über die ihnen unterworfenen Bevölkerungsschichten auf dem Lande ausübten. Eine vollständige Untersuchung der Untertanenprozesse, die konkrete Aussagen ermöglichen würde, ist hinsichtlich der Ämter aber nicht möglich, da ein großer Teil der sie betreffenden Rechtsstreitigkeiten den ordentlichen Gerichten und damit auch dem Oberappellationsgericht entzogen und der Kammer zugewiesen war. Diese alleinige Zuständigkeit der Kammer auf Grund der Göhrder Konstitution vom 19. Oktober 1719140 betraf alle Streitigkeiten über die Administration und Ökonomie der Domänen. Dazu gehörten vor allem die Verhältnisse der Bediensteten der Ämter, die Besetzung landesherrlicher Höfe und Streitigkeiten um den Umfang der Dienstpflichten. Die 137 Vgl. Jörn, Blutsauger, S. 246. 138 Vgl. Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 23 II 4; zur Gerichtsbarkeit des Reiches Trossbach, Bewegung, S. 176. 139 Hierzu Grimm, Art. Verfassung II, Geschichtliche Grundbegriffe VI, S. 863; Müssig, Verfassungsdiskussion, S. 3. 140 CCCal. II, S. 588 ff.; abgedruckt bei von Meier II, S. 244 ff.; siehe oben S. 118 ff.



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Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte bestand in diesem Bereich lediglich in Fällen, in denen streitig war, ob die Grundherrschaft der Kammer oder Dienstpflichten überhaupt bestanden. Diese Frage war aber in der Regel weniger konfliktträchtig als der Umfang der Dienste im Einzelfall. Außerdem waren die ordentlichen Gerichte für Streitigkeiten über Nutzungsrechte an landwirtschaftlichen Flächen, das Allmendewesen und ähnliches zuständig; diese Streitgegenstände erfaßte die Göhrder Konstitution nicht. Die Verfahren zwischen der amtssässigen Bevölkerung und den Ämtern sind quantitativ von weitaus geringerer Bedeutung als die Untertanenprozesse der adligen Gerichte, obwohl in den Ämtern des Herzogtums Lauenburg mehr als doppelt so viele Einwohner lebten als in den adligen Gerichten. Insgesamt war das Oberappellationsgericht nur mit 19 solchen Verfahren beschäftigt. Dabei ist – umgekehrt proportional zu den adligen Gerichten – eine abnehmende Tendenz festzustellen.141 17 der 19 Verfahren gingen in erster Instanz von der amtssässigen Bevölkerung aus. Nur in einem Fall klagte das Amt gegen die Amtsuntertanen,142 während ein Verfahren insofern aus der Reihe fällt, als das Amt sich erst in der Appellationsinstanz als Intervenient an dem Rechtsstreit beteiligte.143 Die Ämter waren offenbar ebenso wie die adligen Gerichte kaum geneigt, in Konflikten mit ihren Untertanen den Rechtsweg der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu beschreiten. Sie ergriffen in Konfliktsituationen in der Regel obrigkeitliche Maßnahmen, gegen die sich die Untertanen rechtlich zur Wehr setzten. Nur in vier Fällen legte das Amt gegen eine zugunsten der Untertanen ergangene vorinstanzliche Entscheidung Rechtsmittel ein.144 In den anderen Fällen wurde das Celler Gericht im Rechtsmittelweg oder (in zwei Fällen145) in erster Instanz von den Untertanen angerufen. Offenbar unterlagen die Untertanen in der Vorinstanz mehrheitlich und wandten sich deshalb an das Oberappellationsgericht. In fünf der 19 Fälle entschied das Gericht zugunsten der Bevölkerung, während es in 13 dem Amt Recht gab. In einem Fall schlossen die Parteien einen Vergleich. Die Erfolgsquote zugunsten der Landbevölkerung liegt hier mit 26,3 Prozent deutlich niedriger als in den Untertanenprozessen der adli-

141 Vgl. Anh. Tab. 25. Zwölf der Verfahren wurden in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums anhängig gemacht; dies entspricht einem Anteil von 9,9 Prozent. In den zweiten 35 Jahren gab es hingegen trotz der insgesamt zu beobachtenden Zunahme der Verfahrenszahlen nur sieben (2,4 %) solche Prozesse. 142 LS Abt. 216, Nr. 266. 143 LS Abt. 216, Nr. 822. 144 LS Abt. 216, Nrn. 802, 804, 810, 945. 145 LS Abt. 216, Nrn. 62, 922.

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Prozeßtätigkeit am Beispiel des Herzogtums Lauenburg

gen Gerichte (42,9 %). Eine Begründung für diese Feststellung, die auch auf Zufall zurückzuführen sein kann, ist nicht ersichtlich.

d)  Verfahren zwischen der Bevölkerung und den Städten Mit Rechtsstreitigkeiten zwischen den drei lauenburgischen Städten und ihren Bürgern war das Oberappellationsgericht nur in 13 Fällen befaßt; dies entspricht einem Anteil von 2,9 Prozent. Eine deutliche zeitliche Entwicklung ist hier nicht erkennbar. Sechs dieser Verfahren gingen erstinstanzlich von Angehörigen der Bevölkerung aus, fünf von den Städten; in zwei Verfahren konnte den Akten nicht entnommen werden, wer Kläger in erster Instanz war. In sieben Verfahren ergriffen Bürger Rechtsmittel zum Oberappellationsgericht. In fünf Fällen ging das Rechtsmittel von den Städten aus, während in einem Fall das Celler Gericht in erster Instanz angerufen wurde. Neun der 13 Verfahren entschied das Oberappellationsgericht zumindest teilweise zugunsten der aus der Bevölkerung stammenden Partei. Diese erstaunlich hohe Erfolgsquote von 69,2 Prozent kann aber angesichts der geringen Anzahl solcher Verfahren nicht verallgemeinert werden. Festzustellen bleibt lediglich, daß die Untertanenprozesse in den drei lauenburgischen Städten offenbar nicht von großer Bedeutung waren.

e)  Verfahren zwischen der Bevölkerung und den lauenburgischen Zentralbehörden Die lauenburgischen Zentralbehörden in Ratzeburg vertraten die braunschweig-lüneburgische Landesherrschaft im Herzogtum Lauenburg. Dessen Bevölkerung hatte daher keinen unmittelbaren Kontakt zu den Behörden in Hannover.146 Nur in Ausnahmefällen147 traten diese in lauenburgischen Prozessen in Erscheinung. Aber auch zu den lauenburgischen Zentralbehörden hatte die Bevölkerung insofern nur wenig Kontakt, als sie der Obrigkeit der Ämter oder der adligen Gerichte unterstand. Auseinandersetzungen zwischen der Landbevölkerung und der Obrigkeit hatten in der Regel Untertanenprozesse gegen die Ämter oder adligen Gerichte zur Folge. Von diesen typischen Konfliktlagen waren die Zentralbehörden daher kaum

146 Von Meier II, S. 18. 147 Die Verfahren LS Abt. 216, Nrn. 914 und 291 haben jeweils Beschwerden gegen die Kammer in Hannover zum Gegenstand. Vgl. auch das oben S. 122 geschilderte Verfahren LS Abt. 216, Nrn. 1139, 1140.



Strukturanalyse der Prozeßparteien

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betroffen. Dies spiegelt sich in der Untersuchung der gegen sie geführten Verfahren am Oberappellationsgericht wider. Die Behörden in Ratzeburg traten in Celle nur als zweite Partei in Erscheinung, indem von ihnen erlassene Bescheide mit der Extrajudizialappellation angegriffen wurden. Dieses Rechtsmittel entstammte dem kanonischen Recht und wandte sich gegen Beschwernisse durch die Obrigkeit außerhalb gerichtlicher Verfahren.148 Obwohl es nicht gegen gerichtliche Erkenntnisse in einem kontradiktorischen Verfahren, sondern gegen einseitige Anordnungen der Behörden gerichtet war, galt es in der Dogmatik des gemeinen Prozesses nicht als erstinstanzliche Klage, sondern als Appellation. Hier zeigt sich, daß zwischen Justiz und Verwaltung nicht nur institutionell, sondern auch rechtstheoretisch nicht scharf unterschieden wurde. Voraussetzung für die Justitiabilität war gleichwohl, daß das angegriffene behördliche Handeln nicht der „Policeygewalt“, sondern der Gerichtsbarkeit (iurisdictio) zuzuordnen war. Der Begriff der iurisdictio wurde dabei seiner hergebrachten Bedeutung als Hoheitsrecht gemäß weit ausgelegt und erheblich über die Entscheidung kontradiktorischer Verfahren hinaus ausgedehnt.149 Insgesamt führten natürliche Personen aus der Bevölkerung zehn Prozesse gegen die Regierung und vier gegen das Konsistorium. Acht weitere Verfahren, in denen das Hofgericht als verklagte Partei auftritt, betrafen die freiwillige Gerichtsbarkeit. Auch sie waren Extrajudizialappellationen, da das Hofgericht nicht im streitigen Verfahren entschieden hatte.150 Zusammengenommen betrug der Anteil dieser 22 Extrajudizialappellationen an den untersuchten Verfahren fünf Prozent. Eine auffällige zeitliche Entwicklung ist nicht festzustellen.151 Die acht Extrajudizialappellationen gegen das Hofgericht gingen von Angehörigen des landsässigen Adels aus. Für die breiten Bevölkerungsschichten war auch für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht das Hofgericht, sondern das jeweilige Amt oder adlige Gericht zuständig. Gegen Regierung und Konsistorium klagte der Adel in vier Fällen, das städtische Bürgertum und die Landbevölkerung in jeweils fünf. 148 Endemann, S. 932 ff.; Oestmann, Art. Extrajudizialappellation, HRG I, 2. Auflage, Sp. 1457 f.; Seeger, S. 34 ff. 149 Oestmann, Art. Extrajudizialappellation, HRG I, 2. Auflage, Sp. 1458; Seeger, S. 34 ff. 150 Vgl. Seeger, S. 78. 151 Ein Anstieg in der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums entspricht dem allgemeinen Anstieg der Verfahrenszahlen. Der Anteil dieser Verfahren betrug in den ersten 35 Jahren 5,3 Prozent, in den zweiten 4,8 Prozent, blieb also nahezu konstant.

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Prozeßtätigkeit am Beispiel des Herzogtums Lauenburg

Die Gegenstände dieser Extrajudizialappellationen sind sehr unterschiedlich und lassen sich kaum bestimmten Kategorien zuordnen. Streitgegenstände der Verfahren gegen die Regierung waren beispielsweise die Zulassung eines Advokaten, eine Injuriensache, die Kosten einer Begnadigung, für einen Deich zu entrichtende Abgaben, die Erteilung eines Hausbriefes, die für die Veräußerung eines adligen Gerichts erforderliche Genehmigung, die Dienstentlassung eines städtischen Sekretärs, eine Forderung aus einem Kaufvertrag, ein Frachtfahrweg auf einem adligen Gericht sowie ein Beholzungsrecht (ius lignandi). Während die ersten beiden genannten Angelegenheiten Gegenstände der Justizverwaltung und der Zuständigkeit der Regierung in Strafsachen sind, sind einige der erwähnten Streitgegenstände beispielhaft für die Etablierung eines Rechtsschutzes gegen staatliches Verwaltungshandeln in Gestalt der Untertanenprozesse.



Streitgegenstand

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IV. Streitgegenstand 1.  Vorbemerkungen. Methodik und herangezogene Quellen Für eine Untersuchung der Rechtsstreitigkeiten, die das Oberappellationsgericht beschäftigten, ist neben einer Strukturanalyse der Prozeßparteien, die die Inanspruchnahme des Gerichts durch die verschiedenen Schichten der Gesellschaft beleuchten konnte, in sachlicher Hinsicht ein Blick auf die Streitgegenstände von Interesse.1 Auch diese geben ein Bild der Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wieder. Denn sie stellen diejenigen Themenkomplexe dar, die in der Bevölkerung zu Auseinandersetzungen führten und als so wichtig erachtet wurden, daß sie rechtlich ausgetragen und bis vor die letzte Instanz des Celler Gerichts gebracht wurden. Eine quantitative Auswertung der Streitgegenstände setzt wiederum – wie schon die Analyse der Sozialstrukturen – die Bildung von Kategorien voraus, denen alle Verfahren nach objektiven Kriterien zugeordnet werden können. Die Kategorienbildung ist dabei insofern problematisch, als der sachlichen Beurteilung von Rechtsstreitigkeiten einerseits formaljuristische und dogmengeschichtliche Kriterien zugrunde gelegt werden können. Andererseits darf dabei die wirtschafts- und sozialhistorische Dimension der jeweiligen Auseinandersetzungen nicht übergangen werden. Um beide Gesichtspunkte miteinander zu vereinbaren, wurden die Verfahren zunächst wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Problemkreisen zugeordnet. Die Streitgegenstände wurden in die Bereiche hoheitliche Rechte, Jurisdiktion, Lehnswesen, Grundherrschaft, Kriminalität, Familienverband, Grund- und Bodenwirtschaft, Geldwirtschaft sowie Handel und Gewerbe eingeteilt. Innerhalb dieser Bereiche wurden sodann genauere juristische Kategorien gebildet. Damit entspricht die Herangehensweise weitgehend derjenigen Ranieris bei der Auswertung der Reichskammergerichtsakten.2 Da Ranieris Untersuchung von Baumann3 für das 17. und 18. Jahrhunderts fortgesetzt worden ist und die von ihm entwickelten Kategorien darüber hinaus den Untersuchungen zum Wismarer Tribunal zugrunde gelegt werden,4 bestehen insoweit aufschlußreiche Vergleichsmöglichkeiten. 1 Vgl. zum Reichskammergericht Diestelkamp, Reichskammergericht im Rechtsleben, S. 244 f. 2 Ranieri, Recht und Gesellschaft II, S. 282–284. Zum Problem der Verbindung einer wirtschaftlichen und sozialhistorischen Perspektive einerseits und juristischer Gesichtspunkte andererseits ebenda, S. 269 f. 3 Baumann, Gesellschaft. 4 Jörn, Stand und Aufgaben, S. 242.

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Prozeßtätigkeit am Beispiel des Herzogtums Lauenburg

Neben dem Lauenburger Aktenbestand standen für die Untersuchung die „Urtheile und Hauptbescheide“ zur Verfügung. Dabei handelt es sich um die Geschäftsübersichten des Oberappellationsgerichts. Diese Quelle ermöglicht zwar wegen ihrer Knappheit5 nur einen relativ ungenauen Überblick. Wegen des Verlusts der Prozeßakten im Hauptstaatsarchiv Hannover und aller dazugehörigen Findmittel bietet sie aber die einzige Möglichkeit, über den Lauenburger Aktenbestand hinaus einen – wenn auch schwachen – Lichtstrahl auf die Gesamttätigkeit des Gerichts zu werfen. Untersucht wurden die Geschäftsübersichten dreier Zeitabschnitte.6 Die Streitgegenstände konnten hier nur den Hauptkategorien zugeordnet werden. Eine exakte Untergliederung war wegen der Ungenauigkeit der Angaben nicht möglich. Diese Untersuchung der Geschäftsübersichten soll einen Vergleich mit den Ergebnissen für Lauenburg ermöglichen, um diese entweder zu bestätigen oder Unterschiede zum übrigen Zuständigkeitsbereich des Gerichts aufzuzeigen. Während bei der Aktenauswertung in fast allen der 443 Verfahren7 der Streitgegenstand festgestellt werden konnte, war er bei den Geschäftsübersichten oftmals nicht klar erkennbar, da er dort nur in kurzen Stichworten angegeben ist. Auch ist bei der Auswertung der Geschäftsübersichten eine gewisse Fehlerquote in Rechnung zu stellen: Manche Rechtsstreitigkeiten konnten nur mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit einem Bereich zugeordnet werden. Wären aber nur diejenigen Fälle berücksichtigt worden, die eine Bestimmung des Streitgegenstandes mit Sicherheit zuließen, so wäre der Anteil derjenigen, in denen der Streitgegenstand nicht feststellbar war, so stark gestiegen, daß die Aussagekraft der Auswertung abgenommen hätte. Denn es ist zumindest denkbar, daß der Streitgegenstand vor allem in bestimmten Gruppen von Fällen in den Geschäftsübersichten nicht zureichend kenntlich gemacht worden ist. Zudem ist zu berücksichtigen, daß Grundlage der Geschäftsübersichten nicht die Zahl der Verfahren, sondern die Zahl der Bescheide und Urteile ist. Neben den Urteilen führen die Geschäftsübersichten alle abweisenden Bescheide (decretum reiectorium, decretum desertorium), Entscheidungen durch Reskript (rescriptum de emendando) und Bescheide, durch die auf Prozeß erkannt wurde, sowie solche Bescheide auf, die ein vorhergehendes derartiges Erkenntnis nach einem Abänderungsantrag einer Partei bestätigten (decretum inhaesivum). Auf Verfahrenszahlen kann von diesen Angaben 5 Vgl. oben S. 6 mit Note 21. 6 Zu den Geschäftsübersichten des Oberappellationsgerichts im allgemeinen sowie zur Auswahl der untersuchten Zeiträume siehe oben S. 6 f. 7 Vgl. Anh. Tab. 26, 27. Nur in drei Verfahren konnte der Streitgegenstand keiner Kategorie eindeutig zugeordnet werden.



Streitgegenstand

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nicht ohne weiteres geschlossen werden. Denn vor allem in größeren Verfahren ergingen oft mehrere solcher Bescheide und Urteile. Um die vor allem für das Herzogtum Lauenburg gewonnenen Ergebnisse in einem größeren Zusammenhang höchstrichterlicher Rechtsprechung im Reich zu bewerten, bietet es sich an, die Rechtsprechung des Oberappellationsgerichts mit derjenigen des Wismarer Tribunals und des Reichskammergerichts zu vergleichen. Hierfür stehen zunächst die Ergebnisse Ranieris und Baumanns zum Reichskammergericht zur Verfügung. Dabei sind freilich Unterschiede im Hinblick auf den abweichenden verfassungsrechtlichen Rahmen in die Bewertung einzubeziehen. Auch ist in Rechnung zu stellen, daß „nur ein schmaler, privilegierter Bereich der Rechtsstreitigkeiten“ vor die höchste Instanz des Reiches gebracht wurde. Daher kann die Rechtsprechung in Wetzlar nicht als uneingeschränkt repräsentativ für den Rechtszustand im Reich gelten.8 Trotz dieser Differenzen erscheint ein Vergleich aber sinnvoll, da die der Rechtsprechung zugrunde liegenden gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in der Frühen Neuzeit in vielerlei Hinsicht konstant waren. Weiters lassen sich für einen Vergleich der Celler Rechtsprechung mit der Tätigkeit des Wismarer Tribunals in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Erkenntnisse nutzbar machen, die im Rahmen des Forschungsprojekts „Die Integration des südlichen Ostseeraumes in das Alte Reich“ auf Grund einer vorläufigen Auswertung der Streitgegenstände gewonnen worden sind.9

2. Hoheitliche Rechte, Jurisdiktionsrechte, Lehnswesen und Grundherrschaft Im Lauenburger Aktenbestand betrafen 46 Verfahren hoheitliche Rechte.10 Der Anteil dieser Verfahren betrug gut zehn Prozent und lag damit leicht über demjenigen am Wismarer Tribunal11. Dabei ist sowohl in absoluten Zahlen als auch in prozentualen Werten ein Rückgang während des unter 8 Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 236. Zur geringen Zahl von Rechtsstreitigkeiten, die vor 1747 aus dem Herzogtum Lauenburg an das Reichskammergericht getragen wurden, siehe oben S. 202. 9 Jörn, Stand und Aufgaben, S. 243 f.; vgl. zu diesem Forschungsprojekt das Vorwort in Jörn/North (Hrsg.), S. VII f.; allgemein zur Erschließung der Prozeßakten des Wismarer Tribunals auch Jörn, Chancen, S. 295 ff.; zum aktuellen Stand ders., Blutsauger, S. 233. 10 Vgl. Anh. Tab. 26, 27; Einzelauswertung des Bereichs „staatliche/hoheitliche Rechte“ Tab. 28. 11 8,3 % im Zeitraum 1759–1815; Jörn, Stand und Aufgaben, S. 244.

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Prozeßtätigkeit am Beispiel des Herzogtums Lauenburg

suchten siebzigjährigen Zeitraums zu beobachten.12 Die Bedeutung solcher Verfahren nahm somit ab. Auffällig ist, daß zwischen 1802 und 1816 nur noch drei Verfahren (2,2 %) hoheitliche Rechte betrafen. Dieser Rückgang spiegelt sich auch in der Zunahme des Anteils der Privatparteien13 wider, die mit einem Bedeutungsverlust institutioneller und vor allem obrigkeitlicher Parteien – ausgenommen die Patrimonialherrschaft der adligen Gerichte – einhergeht, unter denen Streitigkeiten um hoheitliche Rechte vorzugsweise aufzutreten pflegten. Die Geschäftsübersichten bestätigen diesen Rückgang hingegen nicht. Hier spielten hoheitliche Rechte in der Rechtsprechung konstant eine geringere Rolle als im Herzogtum Lauenburg.14 Einen Schwerpunkt im Bereich der hoheitlichen Rechte bilden kirchliche Patronatsrechte und das Recht zur Ernennung von Pfarrern mit zusammen 14  Verfahren. Auch Jagd-, Fischerei-, Forst- und Holzungsrechte15 (neun Verfahren) sowie die Steuerhoheit (elf Verfahren) beschäftigten das Gericht regelmäßig. Streitigkeiten über Steuerpflichten, also die Freiheit und Aufteilung von Steuern und Kontributionsgeldern, sind nur in der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums in sechs Fällen zu beobachten. Nahezu unbedeutend erscheinen Streitigkeiten über die Landeshoheit und die innerstädtische Verfassung mit je einem sowie kirchliche Amtshandlungen mit zwei Fällen. Am Beispiel der staatlich-hoheitlichen Rechte wird der Unterschied zwischen einem hohen Territorialgericht und einem Gericht des Reiches sichtbar. Am Reichskammergericht spielten solche Streitgegenstände in der Regel eine größere Rolle als in Celle. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war dort meist jedes sechste Verfahren diesem Bereich zuzuordnen.16 Dabei stand oftmals die Landeshoheit im Mittelpunkt von Streitigkeiten.17 Hier kommt zum Tragen, daß hoheitliche Rechte oftmals Angelegenheiten mit politischem Einschlag waren, die vor allem das Verhältnis zwischen dem Reich und den Territorien betrafen.18 An solchen auch verfassungsrechtlich spannungsgeladenen Auseinandersetzungen war das Oberappellationsgericht naturgemäß nicht beteiligt.

12 In den ersten 35 Jahren hatten 25 Verfahren (16,6 %) hoheitliche Rechte zum Gegenstand, in den zweiten 35 Jahren 21 (7,2 %). 13 Vgl. Anh. Tab. 9. 14 Vgl. im einzelnen Anh. Tab. 35–40. 15 Zur Bedeutung von Nutzungsrechten am Wald in der Rechtsprechung des Reichskammergerichts am Ende des 18. Jahrhunderts vgl. Baumann, Gesellschaft, S. 96 f. 16 Baumann, Gesellschaft, S. 171. 17 Baumann, Gesellschaft, S. 94. 18 Vgl. zum 16. Jahrhundert Ranieri, Recht und Gesellschaft I, S. 243 ff.



Streitgegenstand

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Von nur untergeordneter Bedeutung waren Streitigkeiten um Jurisdiktionsrechte.19 Allerdings gab es hier einige Verfahren, denen überdurchschnittliche Bedeutung beizumessen ist, da sie den Bestand der Gerichtsbarkeit als Herrschaftsrecht betrafen. Der Schloßhauptmann von Werpup zu Dermin führte gegen das Amt Ratzeburg zwischen 1760 und 1785 fünf Prozesse in Celle.20 Dermin war ein zum Amt Ratzeburg gehörendes Gut.21 Von Werpup nahm aber für sich als Gutsherrn hinsichtlich der Dienstpflichtigkeit des Hofes und der Gerichtsbarkeit22 die Rechte eines adligen Gerichts in Anspruch. Das Oberappellationsgericht gab dem Amt Ratzeburg recht, da Dermin kein adliges Gericht, sondern dem Amt zugehörig sei. Hier war also die Reichweite adliger Hoheitsrechte streitgegenständlich. In diesem Zusammenhang sind auch zwei Verfahren23 aus den Jahren 1807 und 1808 zu nennen, in denen der Gutsherr des adligen Gerichts Kastorf, von Hammerstein, gegenüber dem bürgerlichen Besitzer des Dorfes Weeden die adlige Gerichtsbarkeit über dieses Dorf in Anspruch nahm. Solche Streitigkeiten waren Einzelfälle, zeigen aber, daß Bestand und Umfang der Gerichtsbarkeit nicht nur im Zusammenhang mit der Ausbildung der Landeshoheit durch den hohen Adel des Reiches, sondern auch am Ende der Frühen Neuzeit vom Landadel der Territorien als wesentliche Herrschaftsrechte betrachtet wurden. Die geringe quantitative Bedeutung von Jurisdiktionsrechten in der Rechtsprechung wird durch die Geschäftsübersichten bestätigt. Auch ist insofern eine Übereinstimmung mit dem Wismarer Tribunal festzustellen.24 Das Ergebnis und seine signifikante Abweichung vom Reichskammergericht25 können daher als verallgemeinerungsfähig gelten. Vor allem im Reichsverband waren Jurisdiktionsrechte bedeutsame Herrschaftsrechte und als solche ein zentraler Bestandteil der Landeshoheit.26 Dieser Bereich 19 12 Verfahren/2,7 %. Vgl. Anh. Tab. 26, 27; Einzelauswertung des Bereichs „Jurisdiktion“ Tab. 29. 20 LS Abt. 216, Nrn. 808, 811, 1130, 1131, 1132. 21 Von Kobbe III, S. 374 ff. 22 Die Gerichtsbarkeit betraf nur das Verfahren LS Abt. 216, Nr. 1130. Die anderen Verfahren hatten die Stellung des Gutes im übrigen und insbesondere die Dienstpflichten zum Gegenstand. Vgl. die Kammerakten zum Verfahren bezüglich der Ziviljurisdiktion, LS Abt. 212c, Nr. 961. 23 LS Abt. 216, Nrn. 389, 655. 24 2,7 % im Zeitraum 1759–1815; Jörn, Stand und Aufgaben bei der Erforschung der Geschichte des Wismarer Tribunals, S. 244. 25 Am Reichskammergericht betrafen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts regelmäßig 15–20 Prozent der Verfahren Jurisdiktionsstreitigkeiten; Baumann, Gesellschaft, S. 168 f. 26 Eisenhardt, Die kaiserlichen privilegia, S. 3 ff.; Schmelz, S. 239.

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betrifft wiederum das Verfassungsgefüge von Reich und Territorien und beschäftigte daher das Reichskammergericht in höherem Maße als die Territorialgerichte. Eine noch geringere Rolle in der Celler Rechtsprechung spielte – wie am Wismarer Tribunal27 – das Lehnswesen.28 Auch hier ist der Anteil infolge der oftmals überregional politischen Bedeutung niedriger als in Wetzlar.29 Einen Schwerpunkt der Tätigkeit des Oberappellationsgerichts bildeten – zumindest im Herzogtum Lauenburg – Fragen der Grundherrschaft. Diesem Bereich war jedes sechste Verfahren zuzuordnen.30 Eindeutige zeitliche Entwicklungslinien waren trotz teilweise heftiger Schwankungen nicht festzustellen.31 Von besonderer Bedeutung waren dabei die Ausübung und der Umfang der Dienstpflichten, die in 31 Verfahren streitgegenständlich waren. Um die Freiheit von ihnen, also die Frage, ob Dienstpflichten überhaupt bestanden, wurde hingegen nur selten gestritten. Abgaben und Gefälle gegenüber der Gutsherrschaft waren nur in zwei Fällen streitgegenständlich und damit – anders als am Reichskammergericht32 – in Lauenburg offensichtlich ebensowenig streitanfällig wie Fragen der Ab- und Bemeierung (status personarum). Zwölf Verfahren hatten die Erbfolge bei bäuerlichen Hofstellen zum Gegenstand. Auch Streitigkeiten über kirchliche Abgaben (zehn Fälle) und der Kirche zu leistende Dienste (sechs Fälle) waren keine Seltenheit. Bezogen auf die gesamten Kurlande spielten Fragen der Grundherrschaft in der Celler Rechtsprechung ausweislich der Geschäftsübersichten eine etwas geringere Rolle, waren aber auch insofern stark vertreten. Der Unterschied läßt sich auf die große Bedeutung der adligen Gerichte im Herzogtum Lauenburg und die dort noch stärkere ländliche Prägung33 zurückführen. Er legt nahe, daß Untertanenprozesse auf den Rittergütern im Bereich der übrigen Kurlande das Gericht nicht in gleichem Umfang beschäftigt haben. Denn Auseinandersetzungen über die Grundherrschaft waren meist Untertanenprozesse, die die adligen Güter betrafen: 42 der 76 Verfahren dieser 27 0,8 % im Zeitraum 1759–1815; Jörn, Stand und Aufgaben, S. 244. 28 4 Verfahren/0,9 %. Vgl. Anh. Tab. 26, 27; Einzelauswertung des Bereichs „Lehnswesen“ Tab. 29. 29 Der Anteil lehnsrechtlicher Streitigkeiten betrug am Reichskammergericht meist drei bis vier Prozent; Baumann, Gesellschaft, S. 175; zum 16. Jahrhundert vgl. Ranieri, Recht und Gesellschaft II, S. 483 ff. 30 76 Verfahren/17,2  %. Vgl. Anh. Tab. 26, 27; Einzelauswertung des Bereichs „Grundherrschaft“ Tab. 30. 31 In der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums betrug der Anteil dieser Verfahren 17,2 und in der zweiten 17,1 Prozent. 32 Baumann, Gesellschaft, S. 98. 33 Vgl. G. Meyer, S. 24.



Streitgegenstand

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Streitgegenstandskategorie im Lauenburger Aktenbestand und damit mehr als die Hälfte von ihnen waren solche Untertanenprozesse. Daher kann hinsichtlich der Ursachen für das starke Aufkommen derartiger Streitigkeiten sowie das Überwiegen der adligen Gerichte gegenüber den Ämtern in den Prozessen auf die Ausführungen zu den Untertanenprozessen34 verwiesen werden. Auch das Reichskammergericht war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts regelmäßig mit Auseinandersetzungen um die Grundherrschaft beschäftigt, nachdem solche Fragen in den zweieinhalb Jahrhunderten zuvor nur von geringer Bedeutung gewesen waren. In den Jahrzehnten ab 1750 machten sie regelmäßig einen Anteil von rund zehn Prozent an seiner Gesamttätigkeit aus.35 Eine auffällige Abweichung ergibt jedoch der Vergleich mit dem Wismarer Tribunal: Fragen der Grundherrschaft waren dort zwischen 1759 und 1815 nur in knapp drei Prozent der Verfahren streitgegenständlich36 und damit weitgehend bedeutungslos. Die Vermutung, die Rechtsprechung des Celler Oberappellationsgerichts habe ähnliche Strukturen aufgewiesen wie diejenige des Wismarer Tribunals, bestätigt sich insofern nicht. Dieses Ergebnis zeigt, daß die große Zahl der Streitigkeiten über die Grundherrschaft und insbesondere die Untertanenprozesse auf den adligen Gerichten, die für die Celler Rechtsprechung charakteristisch sind, auf andere Reichsterritorien nicht ohne weiteres übertragen werden können. Im übrigen sind die aufgezeigten Differenzen zwischen Celle und Wismar durch die starke ländliche Prägung Braunschweig-Lüneburgs und vor allem des Herzogtums Lauenburg mitverursacht, die der Zuständigkeitsbereich des Wismarer Tribunals – Stadt und Herrschaft Wismar, Vorpommern mit Stettin, das Fürstentum Rügen sowie das Domkapitel Hamburg – mit seinen Hansestädten nicht in gleichem Maße aufweist. Dieser Umstand kann allerdings die extreme Abweichung allenfalls teilweise erklären. Eine darüber hinausgehende mögliche Erklärung ist die relativ starke Stellung der lauenburgischen Bauern, die ihnen das Selbstbewußtsein gab, dessen sie zum Beschreiten des Rechtsweges bedurften. Für eine abschließende Bewertung müssen indes endgültige Forschungsergebnisse über die Rechtsprechung des Wismarer Tribunals abgewartet werden.

34 Oben S. 247 ff. 35 Baumann, Gesellschaft, S. 97, 173; zum 16. Jahrhundert Ranieri, Recht und Gesellschaft II, S. 483 f. 36 Jörn, Stand und Aufgaben, S. 244.

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Prozeßtätigkeit am Beispiel des Herzogtums Lauenburg

3. Streitigkeiten im Rahmen des Familienverbandes Auch familien- und erbrechtliche Streitigkeiten, beschäftigten das Celler Gericht – ebenso wie das Reichskammergericht37 – in nicht unbeträchtlichem Umfang. Diesem Bereich ist jedes sechste Verfahren zuzuordnen.38 Damit kommt ihm in Celle eine größere Bedeutung zu als am Wismarer Tribunal.39 40 der untersuchten Verfahren des Oberappellationsgerichts betrafen das Familienrecht, 34 das Erbrecht. Dabei ist eine gegenläufige Entwicklung zu beobachten: Während die Bedeutung des Erbrechts nachließ,40 nahm diejenige des Familienrechts zu.41 Eine unmittelbare Erklärung für diese Entwicklung, für die das Reichskammergericht keine Parallele bietet,42 ist nicht ersichtlich. Infolge der Zunahme der gesamten Verfahrenszahlen ist prozentual eine abnehmende Tendenz des gesamten Bereichs „Familienverband“ zu beobachten, während die absoluten Werte leicht ansteigen.43 Diese abnehmende Tendenz bestätigen die Geschäftsübersichten nicht. Bezogen auf den gesamten Zuständigkeitsbereich des Gerichts lag der Anteil von Streitigkeiten im Familienverband ziemlich konstant bei rund 15 Prozent und damit nur leicht unter dem für das Herzogtum Lauenburg gewonnenen Ergebnis. Die relativ große Bedeutung von Streitigkeiten im Rahmen des Familienverbandes am Ende der Frühen Neuzeit ist auch am Reichskammergericht zu beobachten. Zu erklären ist sie mit den oftmals unübersichtlichen Familienverhältnissen, die durch die üblichen Mehrfachheiraten entstanden,44 so37 Baumann, Gesellschaft, S. 165. 38 74 Verfahren/16,7 %. Vgl. Anh. Tab. 26, 27; Einzelauswertung des Bereichs „Familienverband“ Tab. 31. 39 Am Wismarer Tribunal betrafen im Zeitraum 1759–1815 11,7 Prozent der Verfahren Auseinandersetzungen im Rahmen des Familienverbandes; Jörn, Stand und Aufgaben, S. 244. 40 In der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums betrafen 21 Verfahren (13,9 %) Fragen des Erbrechts, in der zweiten nur 13 (4,5 %). 41 Zwölf Verfahren (7,9 %) in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums, 28 (9,6 %) in der zweiten. 42 Vgl. Baumann, Gesellschaft, S.  165: Danach betrafen zwischen 1750 und 1769 20 der von Baumann ausgewerteten Verfahren das Familienrecht und 63 das Erbrecht. Im Zeitraum 1780–1806 sind das Familienrecht mit zehn und das Erbrecht mit 53 Verfahren vertreten. Ein Vergleich mit dem Wismarer Tribunal ist insofern nicht möglich, da hierzu noch keine detaillierten Auswertungsergebnisse vorliegen; vgl. Jörn, Stand und Aufgaben, S. 242 f. 43 In der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums wurden 33 solche Prozesse (21,9 % aller Verfahren in diesem Zeitraum) vor dem Celler Gericht geführt, in der zweiten Hälfte 41 (14,0 %). 44 Baumann, Gesellschaft, S. 91; Münch, S. 227.



Streitgegenstand

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wie mit der hohen sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung der Ehe und des Familienverbandes.45 Da der letztere Gesichtspunkt insbesondere die Landbevölkerung und die niederen Gesellschaftsschichten traf, beschritten gerade diese bei familien- und erbrechtlichen Auseinandersetzungen nicht selten den Rechtsweg. Beispielhaft sind hier die Verfahren zu nennen, in denen aus einem Eheversprechen auf Eingehung der Ehe geklagt wurde.46 Mit einem solchen Streitgegenstand war das Oberappellationsgericht, bezogen auf das Herzogtum Lauenburg, zwischen 1747 und 1816 in zehn Fällen beschäftigt.47 Dabei entstammten die Parteien in drei Verfahren der Unterschicht (niederes Dienstpersonal) und in weiteren drei der Landbevölkerung. In den verbleibenden vier48 Verfahren gehörten die Parteien der städtischen Mittelschicht an. Klagen aus einem Eheversprechen beruhten auf der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung der Ehe für die Parteien, die der Kern der sozialen und wirtschaftlichen Ordnung war.49 In erster Instanz gingen diese Rechtsstreitigkeiten mehrheitlich, aber nicht ausschließlich von den Frauen aus.50 Die wirtschaftliche Bedeutung solcher Sachverhalte für die Beteiligten wird auch an dem Umstand sichtbar, daß sechs dieser zehn Verfahren das Gericht zwischen 1799 und 1810 beschäftigten, also in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche und politischer sowie wirtschaftlicher Bedrängnis. Auch Fragen über Alimente und das Ehegüterrecht traten erst ab 1780 beziehungsweise 1790, also ab Beginn der Umbruchszeit, als Streitgegenstand auf.

4. Geldwirtschaft, Handel und Gewerbe sowie Grund- und Bodenwirtschaft Ein weiterer Schwerpunkt der gerichtlichen Tätigkeit lag in Auseinandersetzungen aus der Geldwirtschaft sowie aus Handel und Gewerbe. Stets bringt das in den Städten konzentrierte Wirtschaftsleben mehr Streitigkei45 Vgl. Hartwig, Nordelbingen 15 (1939), 241 ff.; Klein, Art. Ehe, EdN III, Sp. 42; Münch, S. 210 ff. Zum Wandel der Ehe im 18. und 19. Jahrhundert, der auch ihre wirtschaftliche Bedeutung berührte, Stollberg-Rilinger, Liebe, Ehe, Partnerschaft, S. 241 ff. 46 Vgl. Stodolkowitz, Celler Chronik 18 (2011), 111 ff. 47 LS Abt. 216, Nrn. 207, 238, 320, 384, 633, 739, 745, 907, 964, 1142. 48 Zwei davon (LS Abt. 216, Nrn. 238 und 384) betrafen inhaltlich den gleichen Fall und die gleichen Parteien. 49 Vgl. Stollberg-Rilinger, Liebe, Ehe, Partnerschaft, S. 242. 50 Die Frau war in sechs Verfahren Klägerin erster Instanz, der Mann in vier, von welch letzteren zwei inhaltlich den gleichen Fall betrafen (LS Abt. 216, Nrn. 238 und 384).

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Prozeßtätigkeit am Beispiel des Herzogtums Lauenburg

ten hervor als andere Bereiche des Lebens.51 Gleichwohl war die Geldwirtschaft am Celler Gericht weniger stark vertreten als am Reichskammergericht und am Wismarer Tribunal: Während in Wetzlar in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts fast jedes dritte Verfahren52 und in Wismar sogar nahezu jedes zweite53 diesem Bereich zuzuordnen war, war es in Celle nur jedes fünfte.54 Dabei nahm die Bedeutung der Geldwirtschaft zwischen 1747 und 1816 zu.55 Auch die Untersuchung der Geschäftsübersichten ergab einen Anteil der Geldwirtschaft von ungefähr zwanzig Prozent; eine steigende Tendenz ließ sich hier jedoch nicht beobachten. Wie am Reichskammergericht56 stritten die Parteien besonders häufig um Schuldforderungen aus Geldgeschäften, insbesondere Darlehen. Auch andere vertragliche Schuldverhältnisse wie Kaufverträge, Miet- und Pachtverhältnisse sowie Dienst- und Arbeitsverhältnisse waren streitanfällig. Schadensersatzforderungen aus Verträgen und Honorarforderungen von Advokaten und Ärzten waren hingegen ebenso von untergeordneter Bedeutung wie Grundpfandrechte. Der Bereich von Handel und Gewerbe machte einen Anteil von rund zehn Prozent aus.57 Auch hier ist – wie schon bei der Geldwirtschaft – ein Anstieg zu beobachten,58 den die Geschäftsübersichten wiederum nicht bestätigen. 17 Verfahren des Lauenburger Bestandes betrafen Zwangsvollstreckung und Konkurs. Diese Streitgegenstände traten ausschließlich in der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums auf. Daran läßt sich die wirtschaftliche Unsicherheit der Umbruchsjahrzehnte um die Jahrhundertwende ablesen. Auch Auseinandersetzungen innerhalb des Zunftwesens, die Gewerbe- und Handelsfreiheit sowie die Sicherung privater Handelsforderungen waren nicht selten streitgegenständlich. Dies bestätigt die schon anhand der Reichskammergerichtsakten belegte59 Tatsache, daß 51 52 53 54 55 56 57 58 59

Wollschläger, Justizgewähr, S. 445; ders., ZNR 3 (1981), 25. Baumann, Gesellschaft, S. 159. Jörn, Stand und Aufgaben, S. 244. 88 Verfahren/19,9 %. Vgl. Anh. Tab. 26, 27; Einzelauswertung des Bereichs „Geldwirtschaft“ Tab. 33. Von den 88 Verfahren dieses Bereichs fallen 21 (13,9 % aller Verfahren in diesem Zeitraum) in die ersten 35 Jahre des Untersuchungszeitraums und 67 (22,9 %) in die zweiten 35 Jahre. Baumann, Gesellschaft, S. 85, 159. 45 Verfahren/10,2 %. Vgl. Anh. Tab. 26, 27; Einzelauswertung des Bereichs „Handel und Gewerbe“ Tab. 34. Handel und Gewerbe betrafen in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums nur zwölf Verfahren (7,9 % aller Verfahren in diesem Zeitraum), in der zweiten 33 (11,3 %). Baumann, Gesellschaft, S. 87.



Streitgegenstand

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Konflikte im Bereich des Zunftwesens wegen der beginnenden wirtschaftlichen Veränderungen, denen die Zünfte oftmals ablehnend gegenüberstanden, charakteristisch für die Wirtschaftsverfassung der ausgehenden Frühen Neuzeit waren. Überraschend ist angesichts der starken ländlichen Prägung Braunschweig- Lüneburgs und insbesondere des Herzogtums Lauenburg, daß handels- und gewerberechtliche Streitigkeiten das Celler Gericht in größerem Umfange beschäftigten als das Wismarer Tribunal60 und das Reichskammergericht61. Eine Erklärung dieser Beobachtung würde jedoch eine genauere inhaltliche Auswertung der entsprechenden Verfahren voraussetzen, die hier nicht geleistet werden kann. Gut jedes sechste Verfahren betraf die Grund- und Bodenwirtschaft.62 Der Anteil solcher Auseinandersetzungen stieg an.63 Die Geschäftsübersichten bestätigen diesen Anstieg ebenso wie den hohen Anteil an der gesamten Rechtsprechungstätigkeit, der das Celler Gericht vom Wismarer Tribunal64 unterscheidet. Einen Höhepunkt erreichten die Rechtstreitigkeiten der Grund- und Bodenwirtschaft in den Jahren kurz vor und kurz nach der französischen Revolution. Darin spiegelt sich das Konfliktpotential auf dem Lande wider, das mit den Unruhen in Frankreich einherging, aber nicht allein auf diese zurückzuführen ist, sondern in den sich abzeichnenden sozialen, politischen und wirtschaftlichen Umbrüchen angelegt war. Insofern stimmen die Ergebnisse mit den zum Reichskammergericht gewonnenen Erkenntnissen überein, denn auch in Wetzlar nahmen Streitigkeiten der Grund- und Bodenwirtschaft in diesen Jahren sprunghaft zu.65

60 6,9 % im Zeitraum 1759–1815; Jörn, Stand und Aufgaben, S. 244. 61 Am Reichskammergericht schwankte der Anteil handels- und gewerberechtlicher Streitigkeiten zwischen 1750 und 1806 meist zwischen vier und sieben Prozent; Baumann, Gesellschaft, S. 161. 62 79 Verfahren/17,8 %. Vgl. Anh. Tab. 26, 27; Einzelauswertung des Bereichs „Grund- und Bodenwirtschaft“ Tab. 32. Vgl. beispielhaft das bei Stodolkowitz, Gericht und Gesellschaft, S. 65 ff. dargestellte Appellationsverfahren Schmidt c/a Dorfschaft Grove, LS Abt. 216, Nr. 898. 63 Im Zeitraum 1747–1781 betrug der Anteil 14,6 Prozent, zwischen 1782 und 1816 19,5 Prozent. 64 Am Wismarer Tribunal betrafen zwischen 1759 und 1815 nach der vorläufigen Untersuchung 9,4 Prozent der Verfahren die Grund- und Bodenwirtschaft; Jörn, Stand und Aufgaben, S. 244. 65 Baumann, Gesellschaft, S. 88, 163.

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Prozeßtätigkeit am Beispiel des Herzogtums Lauenburg

5.  Kriminalität und Injurien Mit einiger Regelmäßigkeit, wenn auch in geringer Häufung, wurde das Oberappellationsgericht wegen Injurien in Anspruch genommen. Die Injurienklage (actio iniuriarum aestimatoria) war ein auf Entschädigung wegen Verletzungen der Ehre gerichteter Rechtsbehelf. Sie ist im Grenzbereich zwischen Zivil- und Strafrecht zu verorten. Nur bei besonders schwerwiegenden Ehrenkränkungen wurde sie als actio criminalis dem Strafrecht zugeordnet; im Regelfall war sie zivilrechtlicher Natur (actio civilis).66 Daher galt hier auch das strafrechtliche Appellationsverbot nicht. In erster Linie hatte die Injurienklage eine Genugtuungsfunktion.67 Der Kläger stellte die Beleidigung und ihre Tragweite unter Beweis, indem er schwor, er wolle lieber eine bestimmte Geldsumme verlieren als die Ehrverletzung dulden.68 Rechtsfolge war die Verurteilung zu einer an den Kläger zu zahlenden Geldbuße, deren Höhe im Ermessen des Gerichts lag.69 Die Bedeutung der Injurienklage erklärt sich vor dem Hintergrund des hohen Stellenwerts der Ehre in der frühneuzeitlichen Gesellschaft und der nicht nur sozialen Konsequenzen, die allein der Verdacht der Unehre mit sich bringen konnte.70 Die Rechtfertigung der Injurienklage war im 18. Jahrhundert in der rechtswissenschaftlichen Literatur umstritten.71 Dies spiegelt sich auch in der Gesetzgebung. In Braunschweig-Lüneburg suchte eine Verordnung vom 3. Mai 175372 Injurienklagen in Bagatellfällen einzuschränken, indem sie bestimmte, „daß wegen Schlägerey und Schelten unter den Unterthanen auf dem Lande keine weitläuftige Prozesse zu verstatten“ seien. In solchen Fällen sollten sich die Gerichte auf eine summarische Untersuchung beschränken. Die Appellation sollte ausgeschlossen sein. Dieser restriktiven Regelung lag die Absicht zugrunde, möglichen Mißbrauch der Injurienklage in Bagatellsachen zu unterbinden.73 Die Injurienklage trat im Lauenburger Bestand mit einem Anteil von gut drei Prozent74 deutlich häufiger auf als am Reichskammergericht, an dem 66 R.-P. Fuchs, S. 51. 67 Balthasar, S. 31 m. w. N.; Moosheimer, S. 1 ff.; vgl. Baumann, Gesellschaft, S. 99 f. 68 Vgl. die Klageformel bei R.-P. Fuchs, S. 52. 69 Balthasar, S. 31; Baumann, Gesellschaft, S. 100; R.-P. Fuchs, S. 53. 70 Baumann, Gesellschaft, S.  99; Gersmann, S. 242. Vgl. zur Bedeutung der Ehre und ihrer Entwicklung in der Frühen Neuzeit Burkhart, S. 28 ff.; R.-P. Fuchs, S. 194 ff.; Reinhard, Lebensformen, S. 518 ff. 71 Moosheimer, S. 91 ff. 72 Spangenberg, Sammlung I, S. 341 f. 73 Moosheimer, S. 42 f. 74 14 Verfahren/3,2 %. Vgl. Anh. Tab. 26, 27.



Streitgegenstand

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sie zwischen 1750 und 1806 in ein bis anderthalb Prozent der Verfahren streitgegenständlich war. In absoluten Zahlen gemessen blieb ihre quantitative Bedeutung am Oberappellationsgericht konstant. In beiden Hälften des Untersuchungszeitraums traten jeweils sieben Injurienklagen auf. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Verfahren nahm infolge des Anstiegs der Verfahrenszahlen aber ab.75 Anhand der Geschäftsübersichten konnte dieser Rückgang allerdings nicht als verallgemeinerungsfähig bestätigt werden. Ein Vergleich mit dem Wismarer Tribunal ist hinsichtlich der Injurienklagen nicht möglich, da dort die vorläufige Auswertung nicht zwischen Injurien und Strafsachen unterscheidet.76 Mit dem Strafrecht konnte das Oberappellationsgericht nur in Ausnahmefällen in Berührung kommen, da die Appellation in Strafsachen ausgeschlossen war.77 Zu diesen Ausnahmen zählte vor allem der privilegierte Gerichtsstand der Gerichtsangehörigen, der nicht auf Zivilsachen beschränkt war. Da diese Zuständigkeit im Herzogtum Lauenburg nicht in Betracht kam, ist die Auswertung insofern nicht repräsentativ. Gleichwohl gelangten aus dem Herzogtum Lauenburg zwei Sachen an das Celler Gericht, die dem Bereich Kriminalität zugeordnet werden können. Sie sind keine Strafsachen im eigentlichen Sinne, sondern haben jeweils atypische Anträge zum Gegenstand, die inhaltlich mit Strafsachen im Zusammenhang stehen. Im ersten der beiden Fälle stellte ein Kesselhändler im Jahre 1779 einen Antrag in der Strafsache gegen seinen inhaftierten früheren Dienstknecht.78 Seine Appellation an das Oberappellationsgericht wies dieses sofort nach der Einlegung ohne nähere Begründung als unstatthaft zurück. Da das Rechtsmittel noch nicht begründet worden war, sind den Akten keine Einzelheiten zu entnehmen. Insbesondere wird weder der Gegenstand des Strafverfahrens noch das Begehren des Rechtsmittelführers deutlich; möglicherweise ging es um eine zugunsten des Delinquenten geleistete Kaution. In dem zweiten Fall aus dem Jahre 1787 richtete sich der dänische Staatsminister Graf von Bernstorff als Gutsherr des adligen Gerichts Stintenburg gegen die Kosten einer landesherrlichen Begnadigung.79 Mehrere Pferdediebe waren zunächst vom adligen Gericht „zum Strange verdammet“, schließlich aber von der Regierung zu lebenslanger Karrenstrafe begnadigt worden. Die 75 In der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums betrug der Anteil der Injurienklagen 5,3 Prozent, in der zweiten 2,7 Prozent. 76 Jörn, Stand und Aufgaben, S. 244. Danach sind im Zeitraum 1759–1815 7,5 Prozent der Verfahren dem Bereich der Kriminalität zuzuordnen, zu dem auch die Injurienklagen gerechnet werden. 77 Siehe oben S. 155 f. 78 LS Abt. 216, Nr. 370. 79 LS Abt. 216, Nr. 65.

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Prozeßtätigkeit am Beispiel des Herzogtums Lauenburg

in der Haft anfallenden Kosten für Kleidung und Arznei hatte die Regierung dem adligen Gericht Stintenburg auferlegt. Diesen Regierungsbescheid focht von Bernstorff mit der Appellation an. Das Rechtsmittel blieb erfolglos. Das Gericht stellte zunächst seine Unzuständigkeit fest, denn der Rechtsmittelführer habe den Bescheid der Regierung vor dem Hofgericht anfechten müssen. Zudem wies es das Rechtsmittel aber auch wegen Unbegründetheit ab und entschied mit deutlichen Worten: „alldieweilen überdem aber auch die von Imploranten sich angemaaßte Befugnis von allem rechtlichen Anscheine völlig entblößt ist; So kan dem geschehenen bodenlosen Suchen nicht deferirt werden.“

E.  Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlußbetrachtung Die Untersuchung stand unter der Prämisse, daß Geschichte und Bedeutung des Celler Oberappellationsgerichts nur vor dem Hintergrund übergeordneter Zusammenhänge hinreichend gewürdigt werden können. Als solche waren die verfassungsgeschichtlichen Rahmenbedingungen des Alten Reiches sowie die Gerichtsbarkeit im Reich, die differenzierten Herrschaftsverhältnisse im Territorialstaat der Frühen Neuzeit sowie schließlich die Besonderheiten des braunschweig-lüneburgischen Kurstaates im 18. Jahrhundert zu berücksichtigen. Die Berechtigung und Notwendigkeit dieser Prämisse wurde durch die Untersuchung bestätigt. In die Verfassungsstrukturen des Reiches war das Oberappellationsgericht vor allem durch das 1718 vom Kaiser gewährte unbeschränkte Appellationsprivileg eingebunden, auf dem seine oberstrichterliche Entscheidungsgewalt beruhte. Einerseits befreite das Privileg das Gericht weitgehend von der Gerichtsbarkeit des Reiches, indem es Appellationen an die Reichsgerichte unabhängig vom Streitwert ausschloß, und verlieh seinen Entscheidungen damit eine hohe Autorität. Andererseits blieb aber eine gewisse Abhängigkeit bestehen. Denn weiterhin konnten gegen Erkenntnisse des Oberappellationsgerichts die Nichtigkeitsbeschwerde und die Beschwerde wegen verweigerter oder verzögerter Justiz an eines der Reichsgerichte eingelegt werden. Diese Rechtsmittel spielten zwar in der gerichtlichen Praxis kaum eine Rolle. Ihre Bedeutung lag indes darin, daß sie den Landesherrn dazu anhielten, eine Justiz zu gewährleisten, die den Anforderungen der Reichsgerichte qualitativ entsprach. Ein Indiz für die tatsächlich hohe Qualität der Celler Rechtsprechung ist der Umstand, daß nach Erteilung des Appellationsprivilegs mit Ausnahme des Falles von Berlepsch und einer erfolglosen Nichtigkeitsbeschwerde an den Reichshofrat gegen Erkenntnisse des Celler Gerichts keine Rechtsmittel an die Reichsgerichte eingelegt worden sind. Insofern trugen die weiterhin möglichen Rechtsmittel an Reichskammergericht und Reichshofrat zur Sicherung eines hohen Qualitätsstandards der Territorialjustiz bei. So konnte diese sich in der Praxis aus der Vormundschaft der Reichsgerichte weitgehend befreien. Der Kontrolle durch sie bedurfte es schließlich nicht mehr. Die Gerichtsverfassung des Oberappellationsgerichts beruhte weitgehend auf den Vorbildern des Reichskammergerichts und des Wismarer Tribunals. Dies gilt für die personelle Besetzung, an der das Gericht selbst durch die charakterliche und fachliche Prüfung der Kandidaten beteiligt war, ebenso wie für die Verhältnisse der Advokaten und Prokuratoren, das Institut der Gemeinen Bescheide sowie für die finanzielle Unterhaltung. Da auch

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Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlußbetrachtung

das Wismarer Tribunal im wesentlichen dem Reichskammergericht nachgebildet war, muß letzteres als das eigentliche Vorbild des Celler Gerichts gelten. Dies bestätigt die Tatsache, daß die obersten Gerichte der sich damals zu eigenständigen Staaten verfestigenden Reichsterritorien weitgehend auf ihre Verhältnisse projizierte Abbilder des Reichskammergerichts waren. Auch hierin kommt die Einbindung der Territorialjustiz in die Gerichtsbarkeit des Reiches zum Ausdruck. Gestalt und politische Bedeutung des Gerichts wurden durch die differenzierten Herrschaftsverhältnisse im frühneuzeitlichen Territorialstaat bestimmt. Auf der einen Seite war das Gericht in die landesherrliche Zentralverwaltung eingebunden, die für die Gestalt des frühneuzeitlichen Fürstenstaates und die Entstehung moderner Staatlichkeit eine wichtige Rolle spielte. Auf der anderen Seite war es durch die Präsentationsrechte der Landschaften zu den Richterstellen mit den hergebrachten ständischen Gewalten verbunden. Da aber auch die ständischen Gewalten seit dem Ende des 17.  Jahrhunderts nicht mehr eigenständig neben der Landesherrschaft standen, sondern in das entstehende Staatswesen eingebunden waren, war das ständische Element der Gerichtsverfassung kein Fremdkörper im absolutistisch geprägten Behördenaufbau. Dies gilt um so mehr, als die Landstände in Braunschweig-Lüneburg infolge der Personalunion mit England in besonders hohem Maße an der Regierung beteiligt waren. Die ständischen Präsentationsrechte zu den Richterstellen können daher nur eingeschränkt als ein Überbleibsel altständischer Freiheiten angesehen werden. Dem Herrschaftsverständnis des frühneuzeitlichen Fürstenstaates entsprechend war das Gericht dem Landesherrn unterworfen und von diesem sachlich und persönlich abhängig. Der Landesherr war nicht nur der alleinige Inhaber der Justizaufsicht, die er durch gesetzliche Regelungen der Justizverwaltung und durch das Institut der Visitationen ausüben konnte, das ihm weitgehende Einflußnahme auf den Gang der Justiz ermöglichte. Er konnte auch willkürlich in die Besetzung des Gerichts eingreifen sowie einzelne Rechtsfälle der ordentlichen Gerichtsbarkeit entziehen und durch Machtsprüche und besondere Kommissionen entscheiden. Diese Rechte waren Ausdruck der Machtvollkommenheit des Landesherrn und seiner uneingeschränkten Justizhoheit. Sie wurden auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht als ungerechtfertigt angesehen. Die Formulierungen in der Oberappellationsgerichtsordnung, die Eingriffe des Landesherrn auszuschließen suchten, waren Zugeständnisse an die Landstände, die die Möglichkeit solcher Einflußnahme aus machtpolitischen Gründen als nicht opportun betrachteten. Der Gedanke, daß Eingriffe des Landesherrn in die Gerichtsbarkeit dem Ideal der Gerechtigkeit abträglich und damit illegitim



Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlußbetrachtung

271

sein könnten, war mit ihnen nicht verbunden. Wesentliches Merkmal der landesherrlichen Machtvollkommenheit war gerade, daß sie nicht wirksam eingeschränkt werden konnte. Die scheinbaren Einschränkungen in der Gerichtsordnung waren daher rechtstheoretisch wirkungslos und können, anders als in der bisherigen Literatur zum Oberappellationsgericht vielfach angenommen, nicht als verfassungsrechtliche Garantie einer sachlichen Unabhängigkeit des Gerichts vom Landesherrn angesehen werden. Eine solche wäre mit den Herrschaftsauffassungen des frühneuzeitlichen Fürstenstaates nicht vereinbar gewesen. Auch die dem Gericht zustehende weitgehende Selbstverwaltung seiner Angelegenheiten vor allem in personeller und finanzieller Hinsicht ist nicht Ausdruck einer vom Landesherrn unabhängigen Rechtsstellung. Sie war dem Gericht, meist dem Vorbild des Reichskammergerichts folgend, lediglich aus Zweckmäßigkeitserwägungen vom Landesherrn übertragen worden und berührte die grundsätzliche Unterordnung unter dessen Justizhoheit nicht. Die Bezeichnung des Gerichts als Selbstverwaltungskörperschaft ist aus diesem Grunde nicht haltbar. Die Landesherren haben von ihren Rechten aber kaum Gebrauch gemacht. Die in zehnjährigem Rhythmus vorgesehenen Visitationen wurden nie durchgeführt. Besondere Kommissionen für bestimmte Rechtsfälle gab es nur ganz vereinzelt. Nie scheint ein Landesherr eine Rechtssache durch Machtspruch selbst entschieden zu haben. Auch haben die Herrscher nicht in die personelle Besetzung des Gerichts eingegriffen. Als Ursache für diese Zurückhaltung mögen auch die durch die Personalunion mit England bestimmten besonderen Regierungsverhältnisse in Braunschweig-Lüneburg in Betracht kommen. Da der König in London aber gleichwohl die Herrschaft über die Kurlande ausübte und mit der Regierung in Hannover in regelmäßigem Kontakt stand, mußte ihn dieser Umstand nicht zwingend an Eingriffen in die Gerichtsbarkeit hindern. Maßgeblicher Grund für die Zurückhaltung war vielmehr die hohe Qualität der Celler Rechtsprechung, die Eingriffe durch Machtsprüche oder Visitationen, die in erster Linie der Verbesserung der Rechtspflege dienten, entbehrlich machte. Auch wenn die Eingriffsrechte des Landesherrn grundsätzlich unbestritten bestanden, kann infolge ihres dauernden Nichtgebrauchs von einer faktischen Unabhängigkeit gesprochen werden, die am Beginn der Entwicklung zu einer sachlich und persönlich vom Herrscher unabhängigen Rechtspflege stand. Das selbstbewußte und hochqualifizierte Richtertum, das auf diese Weise in Celle entstand und den überregionalen Ruf des Oberappellationsgerichts begründete, war Voraussetzung für eine spätere verfassungsrechtlich anerkannte richterliche Unabhängigkeit. In diesem Sinne kann dem eingangs zitierten Ausspruch Döhrings, der die „Unabhängigkeit dieses

272

Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlußbetrachtung

Gerichtshofes“ hervorhob und ihn als „eine Zierde der Justiz in deutschen Landen“ bezeichnete,1 zugestimmt werden. Die Autorität des Gerichts und die Akzeptanz seiner Entscheidungen beruhten auch auf der Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Rechtspflege kann auf Dauer nur wirksam sein, wenn sie bei Gruppen liegt, die in der Gesellschaft als maßgeblich anerkannt sind. Insofern bedarf sie der Legitimation, von der jede Herrschaft abhängt. Auf diese Legitimation konnte sich das Oberappellationsgericht stützen. Denn es setze sich vorwiegend aus dem Adel und den bürgerlichen Oberschichten zusammen, die Staat und Gesellschaft in Kur-Braunschweig-Lüneburg im 18. Jahrhundert prägten. Auch war es – wie das ganze Land – rein protestantisch, so daß seine Autorität nicht unter Konfessionskonflikten leiden konnte. Schließlich war für das Ansehen des Gerichts bedeutsam, daß es stets vollständig besetzt und seine Finanzierung gesichert war. Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen in den Jahrzehnten um 1700 wird die verfassungsgeschichtliche Bedeutung des Oberappellationsgerichts sichtbar. Seine Gründung ist in engem Zusammenhang mit dem Erwerb der Kurwürde und der Verleihung des unbeschränkten Appellationsprivilegs zu sehen, die Braunschweig-Lüneburg eine stärkere und unabhängigere Stellung im Reichsverband gaben. Hinzu kommt die Personalunion mit England ab 1714, die das Welfenhaus zu überregionalem Rang führte und die politischen Verhältnisse im entstehenden Staatswesen auf Dauer prägte. Dieser Aufstieg der welfischen Territorien wurde durch die Festigung der fürstlichen Herrschaft vorbereitet und vorangetrieben, an der das Oberappellationsgericht als Element der landesherrlichen Zentralverwaltung und durch seine Unterordnung unter die Justizhoheit des Landesherrn Anteil hatte. Die Gründung des Celler Gerichts und die mit dem Appellationsprivileg verbundene Freiheit von der Reichsgerichtsbarkeit waren ein wegbereitendes Element bei der Entstehung und Festigung der territorialen Herrschaft in den Kurlanden. Das gerichtliche Verfahren, das anhand der im Landesarchiv Schleswig erhaltenen Prozeßakten aus dem Herzogtum Lauenburg untersucht wurde, folgte den Grundsätzen des gemeinen Zivilprozesses. Als wesentliche Abweichung vom Prozeß des Reichskammergerichts ist die dem reichshofrätlichen Verfahren nachgebildete strenge Schriftlichkeit des Verfahrens hervorzuheben, die keine Audienzen des Gerichts kannte. Sie diente der Beschleunigung des Verfahrens. Abänderungen des gemeinen Prozeßrechts durch den Celler Gerichtsgebrauch (stilus tribunalis) gab es vorwiegend in Detailfragen. 1 Döhring, Geschichte, S. 27 f.; vgl. das Zitat oben S. 1.



Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlußbetrachtung

273

Von der Praxis des Reichskammergerichts wich der Gerichtsgebrauch des Oberappellationsgerichts insofern ab, als mit zunehmender Tendenz die Mehrzahl der Fälle bereits im Extrajudizialverfahren durch einfaches Dekret oder Reskript endgültig entschieden wurde. Der ursprünglich als Regelfall vorgesehene förmliche Plenarprozeß kam in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nur noch selten zur Anwendung. Die Verfahrensweise durch Entscheidungen im Extrajudizialverfahren beruhte zwar an sich auch auf dem Vorbild der Reichsgerichte. Bei diesen drängte sie aber den förmlichen Prozeß nicht in gleichem Maße zurück. Ob auch andere Territorialgerichte von dieser Verfahrensweise in solch großem Umfang Gebrauch gemacht haben, ist noch nicht untersucht worden. Die Entscheidung durch Dekret oder Reskript ermöglichte eine rasche Erledigung eindeutiger Rechtsfälle. Auf diese Weise traf das Gericht in der Regel in weniger als einem, in der Mehrheit der Fälle sogar in weniger als einem halben Jahr eine endgültige Entscheidung. So führte es sein Streben nach Verfahrensbeschleunigung effektiv zum Erfolg. Folge dieses Verfahrens war im Falle der Entscheidung durch Reskript die Verkürzung des rechtlichen Gehörs des Rechtsmittelgegners, der seine Einwendungen nur im Rechtsbehelfswege erheben konnte. Eine eingehende Beschäftigung mit der Frage, ob unter dieser Verfahrensweise auch die Qualität der Entscheidungen gelitten hat, hätte den Rahmen der Untersuchung gesprengt. Anzunehmen ist dies nicht, da das Gericht stets den Ruf hatte, eine gute Rechtsprechung zu praktizieren, und, soweit erkennbar, keine entsprechenden Beschwerden erhoben worden sind. In auffälligem Gegensatz zur raschen Erledigung der meisten Rechtsfälle im Extrajudizialverfahren stand die oft außerordentlich lange Dauer des Judizialverfahrens. Durch starre Fristen, die auf Antrag der Parteien häufig verlängert wurden, sowie durch die umständliche Relationstechnik bei der Vorbereitung der Plenarentscheidungen, die im Durchschnitt fast vier Jahre in Anspruch nahm, uferte die Prozeßdauer so weit aus, daß die Parteien in der Regel kaum vor Ablauf von zehn Jahren mit einem endgültigen Abschluß des Verfahrens rechnen konnten. Folge dieses langwierigen Verfahrens war die durch den Anstieg der Verfahrenszahlen noch verstärkte notorische Arbeitsüberlastung des Gerichts, durch die es zu Gegenmaßnahmen geradezu gezwungen war. Die vermehrte Hinwendung zu der Möglichkeit, bereits im Extrajudizialverfahren durch Dekret oder Reskript ohne Durchführung des förmlichen Plenarprozesses eine endgültige Entscheidung zu treffen, war eine Reaktion des Gerichts auf diese Entwicklung. In der Gesellschaft der letzten beiden Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts traten vermehrt Auseinandersetzungen auf, die auf rechtlichem Wege ausgetragen wurden. Hierdurch stiegen die Verfahrenszahlen des Oberappellationsgerichts stark an. Besonders deutlich zeigte sich diese Entwicklung anhand derjenigen Verfahren, die die Landbevölkerung der adligen Gerichte

274

Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlußbetrachtung

gegen ihre jeweilige Gutsherrschaft führte. Solche Untertanenprozesse beschäftigten das Celler Gericht vor 1780 nur vereinzelt. In den späteren Jahren traten sie hingegen stark vermehrt auf. Dabei fiel eine Konzentration auf einige wenige adlige Gerichte auf. Offenbar war dort das Verhältnis zwischen der Bevölkerung und ihrer Herrschaft besonderes angespannt. Das hier zutage tretende Konfliktpotential beruhte auf den gesellschaftlichen Umbrüchen am Ende der Frühen Neuzeit, die sich insbesondere in der französischen Revolution gewaltsam entluden, im Herzogtum Lauenburg aber rechtlich kanalisiert werden konnten. Insofern trug das Celler Gericht zur Vermeidung gewaltsamer Auseinandersetzungen bei und erlangte in Braunschweig-Lüneburg am Ende des 18. Jahrhunderts eine ähnlich friedenswahrende Bedeutung, wie sie von den Zeitgenossen dem Reichskammergericht zugesprochen wurde. Voraussetzung für diese gesellschaftliche Funktion des Oberappellationsgerichts war ein grundlegendes Vertrauen, das offenbar auch die unteren Bevölkerungsschichten in das Gericht setzten. Seine Rechtsprechung erreichte somit nicht nur die politisch und wirtschaftlich einflußreichen Schichten der Gesellschaft, sondern auch die einfache Bevölkerung auf dem Lande. Das Vertrauen ist auch ein Indiz für die Unparteilichkeit der Celler Rechtsprechung, die nicht zugunsten der herrschenden Schichten voreingenommen war. Die große Bedeutung von Rechtsstreitigkeiten, die Fragen der Grundherrschaft betrafen, konnte anhand der Geschäftsübersichten des Gerichts für dessen gesamten Zuständigkeitsbereich weitgehend bestätigt werden, wenngleich ihr Anteil im Bereich des gesamten Kurstaates etwas geringer war. Hier wurde eine deutliche Abweichung vom Wismarer Tribunal sichtbar, das mit Rechtsfällen im Bereich der Grundherrschaft kaum befaßt war. Die hohe Zahl von Untertanenprozessen auf den adligen Gerichten des Herzogtums Lauenburg, die fast ausnahmslos die Grundherrschaft betrafen, kann daher nicht ohne weiteres auf andere Reichsterritorien übertragen werden. Ob das Oberappellationsgericht seine gesellschaftliche Bedeutung bei der Austragung sozialer Konflikte am Ende der Frühen Neuzeit mit anderen territorialen Höchstgerichten teilte, ist eine Frage, deren Beantwortung späteren Untersuchungen überlassen bleiben muß. Daß das Celler Gericht nicht nur von den wirtschaftlichen und politischen Eliten des Landes in Anspruch genommen wurde, bestimmte auch die Struktur der Streitgegenstände, die das Gericht beschäftigten. An der großen Bedeutung der Grundherrschaft sowie der Grund- und Bodenwirtschaft im untersuchten Aktenbestand wird die überwiegend ländliche Prägung des Herzogtums Lauenburg sichtbar. Die Schwerpunkte der gerichtlichen Tätigkeit in den Bereichen der Geldwirtschaft, der Grund- und Bodenwirtschaft, der Grundherrschaft sowie des Familien- und Erbrechts, die das Gericht jeweils etwa in einem Sechstel der Fälle beschäftigten, konnten anhand



Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlußbetrachtung

275

der Geschäftsübersichten für den gesamten Zuständigkeitsbereich – wenn auch mit gewissen Abweichungen – grundsätzlich bestätigt werden. Hinsichtlich der Gerichtsverfassung und des Verfahrens war das Oberappellationsgericht ein typisches territoriales Obergericht der Frühen Neuzeit. Weitgehend folgte es dem Vorbild des Reichskammergerichts. Eigenständige verfassungsgeschichtliche Bedeutung hat es im Zusammenhang mit der Entstehung staatlicher Herrschaft in Braunschweig-Lüneburg. Von allgemeingültiger Bedeutung war die Ausprägung einer faktischen Unabhängigkeit des Gerichts, die ein ebenso selbstbewußtes wie hochqualifiziertes Richtertum hervorbrachte, das in späteren Zeiten für seine Unabhängigkeit zu kämpfen bereit war. So wurden die Grundlagen für eine spätere sachliche und persönliche Unabhängigkeit des Richters im modernen Rechtsstaat gelegt. Durch die zahlreichen Untertanenprozesse zwischen der Landbevölkerung und ihrer Patrimonialherrschaft der adligen Gerichte übte das Celler Gericht zudem eine friedenssichernde Funktion in den gesellschaftlichen Umbrüchen am Ende des 18. Jahrhunderts aus.

Anhang: Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts Vorbemerkung: Prozentuale Werte wurden auf eine Nachkommastelle gerundet. Darauf ist es zurückzuführen, daß die Summe der einzelnen Werte nicht immer genau hundert Prozent ergibt. Tab. 1: Quantitative Entwicklung des Prozeßaufkommens Jahr 1748 1749 1750 1751 1752 1753 1754 1755 1756 1757 1758 1759 1760 1761 1762 1763 1764 1765 1766 1767 1768 1769 1770

Verf.*) 4 1 3 9 5 5 3 7 2 5 4 3 4 3 6 1 7 5 3 5 6 4 7

Ø 5 J.**) 2,7 4,3 4,4 4,6 5,0 5,8 4,4 4,4 4,2 4,2 3,6 3,8 4,0 3,4 4,2 4,4 4,4 4,2 5,2 4,6 5,0 5,0 4,6

Jahr 1771 1772 1773 1774 1775 1776 1777 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792 1793

Verf.*) 3 3 9 6 4 2 4 3 4 9 6 10 9 3 4 5 7 9 10 19 12 12 7

Ø 5 J.**) 5,2 5,6 5,0 4,8 5,0 3,8 3,4 4,4 5,2 6,4 7,6 7,4 6,4 6,2 5,6 5,6 7,0 10,0 11,4 12,4 12,0 10,8 9,2

Jahr 1794 1795 1796 1797 1798 1799 1800 1801 1802 1803 1804 1805 1806 1807 1808 1809 1810 1811 1812 1813 1814 1815 1816

Verf.*) 4 11 8 3 8 10 8 7 4 5 19 12 22 15 7 20 6 – – – 10 10 9

Ø 5 J.**) 8,4 6,6 6,8 8,0 7,4 7,2 7,4 6,8 8,6 9,4 12,4 14,6 15,0 15,2 14,0 9,6 6,6 5,2 3,2 4,0 5,8 7,3 9,7

*) Anzahl der am Oberappellationsgericht anhängig gemachten Verfahren pro Jahr. **) Gleitender Fünfjahresdurchschnitt; zur Berechnung dieses Wertes vgl. oben S. 199 mit Note 4.

278 Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts Tab. 2: Verfahrensart Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Verfahren insgesamt 17 21 18 22 25 22 26 26 56 41 34 60 46 29 443

ErstAppellation instanzlich – 12 (70,6 %) 3 (14,3 %) 15 (71,4 %) – 18 (100 %) 1 (4,5 %) 20 (90,9 %) 3 (12,0 %) 18 (72,0 %) – 20 (90,9 %) 1 (3,8 %) 21 (80,8 %) 4 (15,4 %) 20 (76,9 %) 1 (1,8 %) 46 (82,1 %) – 35 (85,4 %) 1 (2,9 %) 28 (82,4 %) – 54 (90,0 %) – 32 (69,6 %) 1 (3,4 %) 20 (69,0 %) 15 (3,4 %) 359 (81,0 %)

App. + qu. nullitatis *) 4 (23,5 %) 3 (14,3 %) – 1 (4,5 %) 2 (8,0 %) 2 (9,1 %) 2 (7,7 %) 2 (7,7 %) 3 (5,4 %) 5 (12,2 %) 3 (8,8 %) 3 (5,0 %) 7 (15,2 %) 2 (6,9 %) 39 (8,8 %)

App. + iust. den.*) – – – – – – – – 1 (1,8 %) – – – – – 1 (0,2 %)

querela nullitatis – – – – 1 (4,0 %) – – – 2 (3,6 %) – – – 3 (6,5 %) – 6 (1,4 %)

iustitia Sonstige denegata 1 (5,9 %) – – – – – – – 1 (4,0 %) – – – 1 (3,8 %) 1 (3,8 %) – – 3 (5,4 %) – 1 (2,4 %) – 1 (2,9 %) 1 (2,9 %) 2 (3,3 %) 1 (1,7 %) – 4 (8,7 %) 3 (10,3 %) 3 (10,3 %) 13 (2,9 %) 10 (2,3 %)

*) Verbindung der Appellation mit der Nichtigkeitsbeschwerde (querela nullitatis) beziehungsweise der Beschwerde wegen verweigerter oder verzögerter Justiz (querela denegatae vel protractae iustitiae).

Tab. 3: Entscheidungen außerhalb des förmlichen Plenarprozesses Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Verfahren insgesamt 17 21 18 22 25 22 26 26 56 41 34 60 46 29 443

Desertorium

Anteil in %

Reiectorium

Anteil in %

1 – 2 1 – 3 1 4 1 4 5 6 6 1 35

5,9 – 11,1 4,5 – 13,6 3,8 15,4 1,8 9,8 14,7 10,0 13,0 3,4 7,9

12 16 11 12 13 13 18 16 34 20 17 35 25 20 262

70,6 76,2 61,1 54,5 52,0 59,1 69,2 61,5 60,7 48,8 50,0 58,3 54,3 69,0 59,1

Rescr. de emendando – – 1 1 5 2 2 5 13 7 9 13 10 5 73

Anteil in %

Sonstige

– – 5,6 4,5 20,0 9,1 7,7 19,2 23,2 17,1 26,5 21,7 21,7 17,2 16,5

1 2 2 1 2 – 1 – 4 7 2 4 4 2 32



Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts 279

Tab. 4: Häufigkeit und Anteil des Plenarprozesses Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Verfahren insgesamt 17 21 18 22 25 22 26 26 56 41 34 60 46 29 443

Plenarprozeß 3 3 2 7 5 4 4 1 4 3 1 2 1 1 41

Anteil in % 17,6 14,3 11,1 31,8 20,0 18,2 15,4 3,8 7,1 7,3 2,9 3,3 2,2 3,4 9,3

processus cum actoria 2 – – 1 1 – 1 – 2 1 1 – – 1 10

Tab. 5: Durchschnittliche Verfahrensdauer der im Extrajudizialverfahren entschiedenen Fälle Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Anzahl der Verfahren*) 14 18 16 15 20 18 22 25 52 38 33 58 45 28 402

Ø Entscheidungsdauer 8,1 4,7 4,9 3,2 4,2 3,8 5,0 3,2 3,3 4,4 4,6 5,4 5,0 2,6 4,4

Ø Verfahrensdauer 15,2 8,3**) 10,1 6,9 8,0 7,3 6,6 5,3 6,5 8,8 10,8 9,1 7,8 4,8 8,1

*) Zahl der im Extrajudizialverfahren entschiedenen Fälle. **) Das Verfahren Nr. 629 wurde für die Bestimmung der durchschnittlichen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt, da es mit einer Verfahrensdauer von 157 Monaten diesen Wert um mehr als 50 Prozent erhöhen und damit seine Repräsentativität übermäßig verzerren würde.

280 Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts Tab. 6: Durchschnittliche Verfahrensdauer der Plenarprozesse Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Anzahl der Plenarprozesse 3 3**) 2 7 5**) 4 4***) 1 4+) 3**) 1**) 2**) 1**) 1++) 41

Durchschn. Verfahrensdauer*) 8,0 8,1 4,0 22,1 8,3 11,6 7,7 3,6 4,4 6,8 1,4 2,8 2,3 – 9,5

Ohne durch Vergl. abgeschl. Verf. 8,0 10,1 4,0 22,1 7,4 11,6 6,3 3,6 7,3 8,2 – 4,3 – – 11,3

Verfahrensdauer bis Endurteil 6,9 6,3 3,3 5,0 6,2 2,6 5,7 3,3 6,6 3,5 – 2,7 – – 4,9

Zeit zw. Prozeßbeschluß und Rel.-urteil 2,9 4,9 3,0 4,1 5,4 2,1 5,3 2,8 4,1 1,9 – 2,5 – – 3,8

*) Durchschnittliche Verfahrensdauer in Jahren. Der Wert wurde ermittelt, indem die Zahl der zwischen dem Anfangsdatum (Einführung in der Kanzlei) und dem Schlußdatum (letzte Prozeßhandlung) liegenden begonnenen Monate durch zwölf geteilt wurde. **) In diesen Fünfjahreszeiträumen wurde jeweils ein Verfahren durch Vergleich abgeschlossen. ***) In diesem Fünfjahreszeitraum wurden zwei Verfahren durch Vergleich abgeschlossen. + ) In diesem Fünfjahreszeitraum wurden drei Verfahren durch Vergleich abgeschlossen. ++ ) Zeitliche Angaben sind nicht möglich, da das Verfahren, nachdem auf Prozeß erkannt worden war, vor seinem Abschluß und vor Erlaß des Relevanzurteils 1817 an das Obergericht Glückstadt abgegeben wurde.

Tab. 7: Verfahrensdauer der Plenarprozesse Verfahrensdauer Unter 1 Jahr 1–2 Jahre 3–5 Jahre 6–10 Jahre 11–15 Jahre 16–20 Jahre 21–30 Jahre Über 30 Jahre

Anzahl*) 1 3 14 9 7 2 2 2

%*) 2,5 7,5 35,0 22,5 17,5 5,0 5,0 5,0

Anzahl**) – – 11 8 5 2 2 2

%**) – – 36,7 26,7 16,7 6,7 6,7 6,7

*) Einschließlich der durch Vergleich beendeten Verfahren. Das 1817 an das Oberappellationsgericht Glückstadt abgegebene Verfahren (siehe oben Note ++ zu Tab. 6) wurde nicht berücksichtigt. **) Ohne Berücksichtigung der durch Vergleich beendeten Verfahren.



Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts 281

Tab. 8: Gerichte der Vorinstanz Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Regierung 8 9 9 8 6 10 11 9 16 13 14 20 21 15 169

%* 47,1 50,0 50,0 38,1 27,3 45,5 44,0 40,9 29,1 31,7 42,4 33,3 45,7 53,6 39,5

Hofgericht 6 6 5 10 7 8 7 13 31 21 15 34 23 9 195

%* 35,3 33,3 27,8 47,6 31,8 36,4 28,0 59,1 56,4 51,2 45,5 56,7 50,0 32,1 45,6

Konsistorium 3 3 4 3 9 4 6 – 8 6 4 5 2 2 59

%* 17,6 16,7 22,2 14,3 40,9 18,2 24,0 – 14,5 14,6 12,1 8,3 4,3 7,1 13,8

Sonstige – – – – – – 1 (4,0 %) – – 1 (2,4 %) – 1 (1,7 %) – 2 (7,1 %) 5 (1,2 %)

*) Anteil an der jeweiligen Gesamtzahl der Rechtsmittelverfahren; erstinstanzliche Verfahren bleiben hier unberücksichtigt.

Tab. 9: Rechtsnatur der Parteien: Privatparteien, Obrigkeiten und Kirchen Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Verf.*) 17/16 21/20 18/18 22/21 25/25 22/22 26/26 26/26 56/55 41/41 34/33 60/60 46/46 29/26 443/435

Privatpartei**) 9/10 14/12 12/12 14/6 17/16 19/17 20/20 23/18 48/32 31/30 26/23 49/56 43/42 23/21 348/315

%**) 52,9/62,5 66,7/60,0 66,7/66,7 63,6/28,6 68,0/64,0 86,4/77,3 76,9/76,9 88,5/69,2 85,7/58,2 75,6/73,2 76,5/69,7 81,7/93,3 93,5/91,3 79,3/80,8 78,6/72,4

Obrigkeit**) 2/4 2/5 5/4 4/8 –/4 1/1 –/4 1/5 1/15 2/6 2/6 1/3 –/4 –/3 21/72

%**) 11,8/25,0 9,5/25,0 27,8/22,2 18,2/38,1 –/16,0 4,5/4,5 –/15,4 3,8/19,2 1,8/27,3 4,9/14,6 5,9/18,2 1,7/5,0 –/8,7 –/11,5 4,7/16,6

Kirchen**) –/– –/– –/1 –/1 –/3 –/1 –/– 1/– 1/2 1/– –/– –/– –/– –/– 3/8

%**) –/– –/– –/5,6 –/4,8 –/12,0 –/4,5 –/– 3,8/– 1,8/3,6 2,4/– –/– –/– –/– –/– 0,7/1,8

*) Der erste Wert bezeichnet die Gesamtzahl, der zweite die Zahl derjenigen Verfahren, an denen eine zweite Partei beteiligt war. **) Der erste Wert betrifft die erste Partei (Kläger/Rechtsmittelführer), der zweite Wert die zweite Partei (Beklagter/Rechtsmittelgegner).

282 Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts Tab. 10: Rechtsnatur der Parteien: Städte, Dörfer und Bauernschaften Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Verf.*) 17/16 21/20 18/18 22/21 25/25 22/22 26/26 26/26 56/55 41/41 34/33 60/60 46/46 29/26 443/435

Stadt**) 2/1 1/1 –/– 1/3 1/1 1/1 2/– –/1 3/1 3/– 1/1 1/1 1/– 2/2 19/13

%**) 11,8/6,3 4,8/5,0 –/– 4,5/14,3 4,0/4,0 4,5/4,5 7,7/– –/3,8 5,4/1,8 7,3/– 2,9/3,0 1,7/1,7 2,2/– 6,9/7,7 4,3/3,0

Dorf**) 1/1 2/1 –/– –/1 2/– 1/– 1/– –/– –/2 1/2 1/– 2/– 1/– –/– 12/7

%**) 5,9/6,3 9,5/5,0 –/– –/4,8 8,0/– 4,5/– 3,8/– –/– –/3,6 2,4/4,9 2,9/– 3,3/– 2,2/– –/– 2,7/1,6

Bauernsch. **) 1/– 1/1 1/1 3/2 5/1 –/2 –/1 1/2 3/2 –/1 4/2 6/– 1/– 3/– 29/15

%**) 5,9/– 4,8/5,0 5,6/5,6 13,6/9,5 20,0/4,0 –/9,1 –/3,8 3,8/7,7 5,4/3,6 –/2,4 11,8/6,1 10,0/– 2,2/– 10,3/– 6,5/3,4

Sonstige**) 2/– 1/– –/– –/– –/– –/– 3/1 –/– –/1 3/2 –/1 1/– –/– 1/– 11/5

%**) 11,8/– 4,8/– –/– –/– –/– –/– 11,5/3,8 –/– –/1,8 7,3/4,9 –/3,0 1,7/– –/– 3,4/– 2,5/1,1

*) Der erste Wert bezeichnet die Gesamtzahl, der zweite die Zahl derjenigen Verfahren, an denen eine zweite Partei beteiligt war. **) Der erste Wert betrifft die erste Partei (Kläger/Rechtsmittelführer), der zweite Wert die zweite Partei (Beklagter/Rechtsmittelgegner).

Tab. 11: Auswertung der Privatparteien, erste Partei Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Privatpartei 9 14 12 14 17 19 20 23 48 31 26 49 43 23 348

Mann*) 6 (66,7 %) 10 (71,4 %) 10 (83,3 %) 9 (64,3 %) 11 (64,7 %) 13 (68,4 %) 17 (85,0 %) 19 (82,6 %) 39 (81,3 %) 27 (87,1 %) 19 (73,1 %) 37 (75,5 %) 32 (74,4 %) 17 (73,9 %) 266 (76,4 %)

Frau*) 2 (22,2 %) 1 (7,1 %) 1 (8,3 %) 3 (21,4 %) 4 (23,5 %) 3 (15,8 %) 2 (10,0 %) 2 (8,7 %) 4 (8,3 %) 3 (9,7 %) 5 (19,2 %) 7 (14,3 %) 3 (7,0 %) 3 (13,0 %) 43 (12,4 %)

Vormundschaft*) – – – – 1 (5,9 %) 2 (10,5 %) – – 2 (4,2 %) 1 (3,2 %) 1 (3,8 %) 4 (8,2 %) 1 (2,3 %) – 12 (3,4 %)

*) In Klammern: Anteil an der Gesamtzahl der Privatparteien.

Ehepaar*) – – – – – – 1 (5,0 %) 1 (4,3 %) 1 (2,1 %) – – – 3 (7,0 %) – 6 (1,7 %)

Sonstige*) 1 (11,1 %) 3 (21,4 %) 1 (8,3 %) 2 (14,3 %) 1 (5,9 %) 1 (5,3 %) – 1 (4,3 %) 2 (4,2 %) – 1 (3,8 %) 1 (2,0 %) 4 (9,3 %) 3 (13,0 %) 21 (6,0 %)



Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts 283

Tab. 12: Auswertung der Privatparteien, zweite Partei Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Privatpartei Mann*) Frau*) 10 9 (90,0 %) 1 (10,0 %) 12 8 (66,7 %) 2 (16,7 %) 12 8 (66,7 %) 3 (25,0 %) 6 4 (66,7 %) 1 (16,7 %) 16 11 (68,8 %) 2 (12,5 %) 17 17 (100 %) – 20 11 (55,0 %) 8 (40,0 %) 18 14 (77,8 %) 2 (11,1 %) 32 25 (78,1 %) 5 (15,6 %) 30 25 (83,3 %) 4 (13,3 %) 23 18 (78,3 %) 2 (8,7 %) 56 44 (78,6 %) 2 (3,6 %) 42 36 (85,7 %) – 21 20 (95,2 %) 1 (4,8 %) 315 250 (79,4 %) 33 (10,5 %)

Vormundschaft*) – – – – – – – 1 (5,6 %) 1 (3,1 %) 1 (3,3 %) 1 (4,3 %) 9 (16,1 %) 1 (2,4 %) – 14 (4,4 %)

Ehepaar*) – – – – – – – – – – 2 (8,7 %) – 1 (2,4 %) – 3 (1,0 %)

Sonstige*) – 2 (16,7 %) 1 (8,3 %) 1 (16,7 %) 3 (18,8 %) – 1 (5,0 %) 1 (5,6 %) 1 (3,1 %) – – 1 (1,8 %) 4 (9,5 %) – 15 (4,8 %)

*) In Klammern: Anteil an der Gesamtzahl der Privatparteien.

Tab. 13: Herkunft der Prozeßparteien im Herzogtum Lauenburg Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Verf.*) 15/12 18/15 12/13 18/13 25/20 21/21 26/20 23/21 54/39 39/33 33/28 57/56 46/42 27/23 414/356

Stadt 7/5 8/5 6/7 5/7 9/7 6/9 7/7 6/6 14/11 12/10 5/6 11/10 10/11 13/12 119/113

%**) 46,7/41,7 44,4/33,3 50,0/53,8 27,8/53,8 36,0/35,0 28,6/42,9 26,9/35,0 26,1/28,6 25,9/28,2 30,8/30,3 15,2/21,4 19,3/17,9 21,7/26,2 48,1/52,2 28,7/31,7

Amt 4/3 4/3 3/3 8/4 8/4 3/5 8/6 5/3 6/6 9/7 9/8 9/6 10/9 5/3 91/70

%**) 26,7/25,0 22,2/20,0 25,0/23,1 44,4/30,8 32,0/20,0 14,3/23,8 30,8/30,0 21,7/14,3 11,1/15,4 23,1/21,2 27,3/28,6 15,8/10,7 21,7/21,4 18,5/13,0 22,0/19,7

*) Zahl der Verfahren, in denen die Herkunft ermittelt wurde. **) Anteil an dieser Verfahrenszahl.

Adl. Ger. 2/4 2/2 2/3 4/2 6/6 8/6 8/6 12/10 30/19 13/14 15/12 29/31 19/19 6/7 156/141

%**) 13,3/33,3 11,1/13,3 16,7/23,1 22,2/15,4 24,0/30,0 38,1/28,6 30,8/30,0 52,2/47,6 55,6/48,7 33,3/42,4 45,5/42,9 50,9/55,4 41,3/45,2 22,2/30,4 37,7/39,6

284 Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts Tab. 14: Herkunft nicht dem Herzogtum Lauenburg angehörender Prozeßparteien Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Verf.*) 15/12 18/15 12/13 18/13 25/20 21/21 26/20 23/21 54/39 39/33 33/28 57/56 46/42 27/23 414/356

Ausw.**) –/– 2/3 –/– –/– 2/– 3/1 2/– –/1 –/– 1/1 2/2 2/3 6/– –/– 20/11

%***) –/– 11,1/20,0 –/– –/– 8,0/– 14,3/4,8 7,7/– –/4,8 –/– 2,6/3,0 6,1/7,1 3,5/5,4 13,0/– –/– 4,8/3,1

Ausl.+) 2/– 2/2 1/– 1/– –/3 1/– 1/1 –/1 4/3 4/1 2/– 6/6 1/3 3/1 28/21

%***) 13,3/– 11,1/13,3 8,3/– 5,6/– –/15,0 4,8/– 3,8/5,0 –/4,8 7,4/7,7 10,3/3,0 6,1/– 10,5/10,7 2,2/7,1 11,1/4,3 6,8/5,9

*)

Zahl der Verfahren, in denen die Herkunft der ersten beziehungsweise zweiten Partei ermittelt wurde. **) Angehörige anderer Gebiete Braunschweig-Lüneburgs. ***) Anteil an der genannten *) Verfahrenszahl. +) Angehörige anderer Territorialstaaten.

Tab. 15: Soziale Schichtung der Prozeßparteien Zeitraum

Adel

1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

1/4 3/4 5/5 7/2 3/4 5/4 5/3 7/4 13/9 6/9 6/4 5/20 8/10 2/4 76/86

Bürg. Bes. adl. Ger. –/– –/– –/– –/– –/– –/– 2/– –/– 8/1 3/1 –/– 2/5 5/4 2/3 22/14

Geistliche 2/1 1/3 1/1 –/– 2/1 –/1 –/1 –/– 2/2 1/2 2/– –/1 –/– –/– 11/13

Oberschicht 2/– 1/3 4/2 2/1 –/3 2/1 –/– 2/2 3/5 –/1 –/1 3/1 –/5 –/1 19/26

Ob. Mittelschicht 2/2 6/1 2/3 1/2 6/2 5/6 4/6 4/4 5/1 3/4 4/2 8/7 5/4 9/5 64/49

Nied. Mittelschicht –/3 1/– –/1 1/1 1/1 1/1 2/2 4/1 5/8 8/6 2/2 7/4 8/4 2/4 42/38

Juden –/– –/– –/– –/– –/– –/– –/– –/– –/– –/– –/– –/– 3/1 –/– 3/1

Landbevölkerung 3/1 4/1 1/1 6/3 10/4 7/6 6/8 7/9 15/9 11/6 13/15 28/15 15/12 7/4 133/94

Unterschicht 1/– –/– –/– –/– 1/1 –/– 2/1 –/– –/– –/1 3/1 3/2 1/2 1/– 12/8



Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts 285

Tab. 16: Soziale Schichtung der Prozeßparteien, Angaben in Prozent*) Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Verf.**) 11/11 16/12 13/13 17/9 23/16 20/19 21/21 24/20 51/35 32/30 30/25 56/55 45/42 23/21 382/329

Adel 9,1/36,4 18,8/33,3 38,5/38,5 41,2/22,2 13,0/25,0 25,0/21,1 23,8/14,3 29,2/20,0 25,5/25,7 18,8/30,0 20,0/16,0 8,9/36,4 17,8/23,8 8,7/19,0 19,9/26,1

Bürg. Bes. Geistliche OberOb. Mit- Nied. Mit- Landbeadl. Ger. schicht telschicht telschicht völkerung –/– 18,2/9,1 18,2/– 18,2/18,2 –/27,3 27,3/9,1 –/– 6,3/25,0 6,3/25,0 37,5/8,3 6,3/– 25,0/8,3 –/– 7,7/7,7 30,8/15,4 15,4/23,1 –/7,7 7,7/7,7 –/– –/– 11,8/11,1 5,9/22,2 5,9/11,1 35,3/33,3 –/– 8,7/6,3 –/18,8 26,1/12,5 4,3/6,3 43,5/25,0 –/– –/5,3 10,0/5,3 25,0/31,6 5,0/5,3 35,0/31,6 9,5/– –/4,8 –/– 19,0/28,6 9,5/9,5 28,6/38,1 –/– –/– 8,3/10,0 16,7/20,0 16,7/5,0 29,2/45,0 15,7/2,9 3,9/5,7 5,9/14,3 9,8/2,9 9,8/22,9 29,4/25,7 9,4/3,3 3,1/6,7 –/3,3 9,4/13,3 25,0/20,0 34,4/20,0 –/– 6,7/– –/4,0 13,3/8,0 6,7/8,0 43,3/60,0 3,6/9,1 –/1,8 5,4/1,8 14,3/12,7 12,5/7,3 50,0/27,3 11,1/9,5 –/– –/11,9 11,1/9,5 17,8/9,5 33,3/28,6 8,7/14,3 –/– –/4,8 39,1/23,8 8,7/19,0 30,4/19,0 5,8/4,3 2,9/4,0 5,0/7,9 16,8/14,9 11,0/11,6 34,8/28,6

Unterschicht 9,1/– –/– –/– –/– 4,3/6,3 –/– 9,5/4,8 –/– –/– –/3,3 10,0/4,0 5,4/3,6 2,2/4,8 4,3/– 3,1/2,4

*) Anteil an der Zahl der Verfahren, in denen für die erste beziehungsweise die zweite Partei die Sozialzugehörigkeit ermittelt wurde. **) Zahl der Verfahren, in denen für die erste beziehungsweise die zweite Partei die Sozialzugehörigkeit ermittelt wurde.

Tab. 17: Soziale Schichtung der Prozeßparteien: Adel Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Verf.*)**) 17/16 21/20 18/18 22/21 25/25 22/22 26/26 26/26 56/55 41/41 34/33 60/60 46/46 29/26 443/435

Adel gesamt 1/4 3/4 5/5 7/2 3/4 5/4 5/3 7/4 13/9 6/9 6/4 5/20 8/10 2/4 76/86

%*)***) 5,9/25,0 14,3/20,0 27,8/27,8 31,8/9,5 12,0/16,0 22,7/18,2 19,2/11,5 26,9/15,4 23,2/16,4 14,6/22,0 17,6/12,1 8,3/33,3 17,4/21,7 6,9/15,4 17,2/19,8

Lands. Adel Lands. Adel Lands. Adel Auswärtige Bürg. Bes. Adlige adl. Ger. ohne erkennb. in Landes- mit militäristaatl. Funktion verwaltung schem Rang –/1 1/3 –/– –/– –/– 1/1 1/1 –/– 1/2 –/– 1/– 1/3 –/– 3/2 –/– –/– 3/– 1/– 3/2 –/– –/– 3/2 –/1 –/1 –/– 1/– 4/2 –/1 –/1 –/– –/– 5/2 –/1 –/– 2/– 3/– 4/3 –/1 –/– –/– 6/2 7/6 –/1 –/– 8/1 2/1 4/8 –/– –/– 3/1 2/– 3/4 –/– 1/– –/– 4/14 –/2 1/4 –/– 2/5 4/8 1/– 2/2 1/– 5/4 2/4 –/– –/– –/– 2/3 26/31 37/36 4/11 9/8 22/14

*) Ohne bürgerliche Besitzer adliger Gerichte. **) Zahl aller Verfahren beziehungsweise aller, an denen eine zweite Partei beteiligt war. ***) Anteil an dieser Verfahrenszahl.

286 Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts Tab. 18: Soziale Schichtung der Prozeßparteien: Geistlichkeit Zeitraum

Verf.*)

1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

17/16 21/20 18/18 22/21 25/25 22/22 26/26 26/26 56/55 41/41 34/33 60/60 46/46 29/26 443/435

Geistlichkeit gesamt 2/1 1/3 1/1 –/– 2/1 –/1 –/1 –/– 2/2 1/2 2/– –/1 –/– –/– 11/13

%**)

Superintendenten –/– –/– –/– –/– –/1 –/– –/– –/– –/– –/1 –/– –/– –/– –/– –/2

11,8/6,2 4,8/15,0 5,6/5,6 –/– 8,0/4,0 –/4,5 –/3,8 –/– 3,6/3,6 2,4/4,9 5,9/– –/1,7 –/– –/– 2,5/3,0

Pastoren

Sonstige

2/1 1/3 1/1 –/– 2/– –/– –/– –/– –/2 1/1 2/– –/– –/– –/– 9/8

–/– –/– –/– –/– –/– –/1 –/1 –/– 2/– –/– –/– –/1 –/– –/– 2/3

*) Zahl aller Verfahren beziehungsweise aller, an denen eine zweite Partei beteiligt war. **) Anteil an dieser Verfahrenszahl.

Tab. 19: Soziale Schichtung der Prozeßparteien: Oberschicht Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Verf.*) 17/16 21/20 18/18 22/21 25/25 22/22 26/26 26/26 56/55 41/41 34/33 60/60 46/46 29/26 443/435

Oberschicht gesamt 2/– 1/3 4/2 2/1 –/3 2/1 –/– 2/2 3/5 –/1 –/1 3/1 –/5 –/1 19/26

%**) 11,8/– 4,8/15,0 22,2/11,1 9,1/4,8 –/12,0 9,1/4,5 –/– 7,7/7,7 5,4/9,1 –/2,4 –/3,0 5,0/1,7 –/10,9 –/3,8 4,3/6,0

Oberste Hof- und Landesverwaltung 2/– –/2 –/– –/– –/2 1/– –/– –/– –/2 –/1 –/– 1/– –/4 –/– 4/11

Städtische Honoratioren –/– 1/1 4/2 2/1 –/1 1/1 –/– 2/2 3/3 –/– –/1 2/1 –/1 –/1 15/15

*) Zahl aller Verfahren beziehungsweise aller, an denen eine zweite Partei beteiligt war. **) Anteil an dieser Verfahrenszahl.



Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts 287

Tab. 20: Soziale Schichtung der Prozeßparteien: Obere Mittelschicht Zeitraum

Verf.*)

1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

17/16 21/20 18/18 22/21 25/25 22/22 26/26 26/26 56/55 41/41 34/33 60/60 46/46 29/26 443/435

Ob. Mittelschicht gesamt 2/2 6/1 2/3 1/2 6/2 5/6 4/6 4/4 5/1 3/4 4/2 8/7 5/4 9/5 64/49

%**) 11,8/12,5 28,6/5,0 11,1/16,7 4,5/9,5 24,0/8,0 22,7/27,3 15,4/23,1 15,4/15,4 8,9/1,8 7,3/9,8 11,8/6,1 13,3/11,7 10,9/8,7 31,0/19,2 14,4/11,3

Hof- und Landesverwaltung –/– 1/– –/2 –/– 1/– 2/1 1/1 1/2 1/1 –/– –/1 1/1 –/1 –/1 8/11

Mittlere Offiziere –/– –/– –/– 1/– –/– –/1 –/2 1/– –/– –/1 –/– 1/2 –/– –/– 3/6

Städtisches Bürgertum 1/1 2/1 2/1 –/2 5/2 3/4 2/3 2/2 4/– –/2 4/1 5/3 5/2 8/4 43/28

Akademiker 1/1 1/– –/– –/– –/– –/– 1/– –/– –/– 3/1 –/– 1/1 –/1 1/– 8/4

*) Zahl aller Verfahren beziehungsweise aller, an denen eine zweite Partei beteiligt war. **) Anteil an dieser Verfahrenszahl.

Tab. 21: Soziale Schichtung der Prozeßparteien: Niedere Mittelschicht Zeitraum

Verf.*)

1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

17/16 21/20 18/18 22/21 25/25 22/22 26/26 26/26 56/55 41/41 34/33 60/60 46/46 29/26 443/435

Nied. Mittelschicht gesamt –/3 1/– –/1 1/1 1/1 1/1 2/2 4/1 5/8 8/6 2/2 7/4 8/4 2/4 42/38

%**) –/18,8 4,8/– –/5,6 4,5/4,8 4,0/4,0 4,5/4,5 7,7/7,7 15,4/3,8 8,9/14,5 19,5/14,6 5,9/6,1 11,7/6,7 17,4/8,7 6,9/15,4 9,5/8,7

Hof- und Landesverwaltung –/1 –/– –/1 –/– –/– –/– –/– 1/1 –/1 –/– –/1 1/– 2/3 –/1 4/9

Militär –/– –/– –/– –/1 –/– –/– –/– 1/– –/– –/– –/– –/– –/– –/– 1/1

Nied. städtisches Bürgertum –/2 1/– –/– 1/– –/– 1/– 1/2 –/– 3/3 4/3 2/1 2/4 2/– 2/3 19/18

Gutsbesitzer, Pächter, Verwalter –/– –/– –/– –/– 1/1 –/1 1/– 2/– 2/4 4/3 –/– 4/– 4/1 –/– 18/10

*) Zahl aller Verfahren beziehungsweise aller, an denen eine zweite Partei beteiligt war. **) Anteil an dieser Verfahrenszahl.

288 Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts Tab. 22: Soziale Schichtung der Prozeßparteien: Landbevölkerung Zeitraum

Verf.*)

1747–1751

17/16

Landbev. gesamt 3/1

%**) 17,6/6,3

Bauervögte –/–

Vollbauern

1752–1756

21/20

4/1

19,0/5,0

1/–

1/–

–/–

–/–

2/1

1757–1761

18/18

1/1

5,6/5,6

–/–

–/–

–/–

–/–

1/1

–/–

Minderbesitzende 1/–

Ländliche Handw. –/–

Gesamtheiten 2/1

1762–1766

22/21

6/3

27,3/14,3

–/–

–/–

1/–

2/–

3/3

1767–1771

25/25

10/4

40,0/16,0

–/1

1/1

1/–

2/1

6/1

1772–1776

22/22

7/6

31,8/27,3

2/–

–/3

–/–

4/1

1/2

1777–1781

26/26

6/8

23,1/30,8

1/1

2/3

–/2

1/–

1/1

1782–1786

26/26

7/9

26,9/34,6

1/1

1/4

1/2

3/–

1/2

1787–1791

56/55

15/9

26,8/16,4

3/–

2/2

2/1

2/2

3/3

1792–1796

41/41

11/6

26,8/14,6

4/2

3/1

1/1

1/1

1/1

1797–1801

34/33

13/15

38,2/45,5

1/2

2/3

3/5

1/1

4/2

1802–1806

60/60

28/15

46,7/25,0

2/4

4/3

4/1

4/1

8/–

1807–1811

46/46

15/12

32,6/26,1

1/1

4/2

3/5

4/2

2/–

1812–1816

29/26

7/4

24,1/15,4

–/1

1/1

–/–

–/1

3/–

1747–1816

443/435

133/94

30,0/21,6

16/13

21/23

17/17

24/10

38/18

*) Zahl aller Verfahren beziehungsweise aller, an denen eine zweite Partei beteiligt war. **) Anteil an dieser Verfahrenszahl.

Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts 289



Tab. 23: Untertanenprozesse zwischen der Landbevölkerung adliger Gerichte und der Gutsherrschaft Zeitraum 1747–1751

Verfahren insgesamt 17

Anzahl/%*) 1/5,9 %

Landbev. Kl. in I. Instanz**) 1

Landbev. Appellant***) 1

Landbev. obsiegend+) –

1752–1756

21

1/4,8 %

1

1



1757–1761

18









1762–1766

22

2/9,1 %

1



2

1767–1771

25

2/8,0 %

2

1

1

1772–1776

22

6/27,3 %

6

3

1

1777–1781

26

3/11,5 %

3

1

2

1782–1786

26

6/23,1 %

5

2

4

1787–1791

56

11/19,6 %

11

6

4

1792–1796

41

4/9,8 %

4

3



1797–1801

34

6/17,6 %

6

3

3

1802–1806

60

19/31,7 %

18

16

8

1807–1811

46

9/19,6 %

8

5

5

1812–1816

29

1/3,4 %

1

1

1

1747–1816

443

71/16,0 %

67

43

31

*)

Anzahl der Untertanenprozesse zwischen der Landbevölkerung adliger Gerichte und der Gutsherrschaft sowie deren Anteil an der Gesamtzahl der Prozesse. **) Anzahl der Verfahren, die in erster Instanz von der Landbevölkerung ausgingen. ***) Anzahl der Verfahren, in denen die Landbevölkerung Rechtsmittel zum Oberappellationsgericht einlegte. +) Zumindest Teilobsiegen der Landbevölkerung vor dem Oberappellationsgericht. Eine Klagerücknahme seitens der Landbevölkerung wurde wie eine abweisende Entscheidung gewertet. Ein Vergleich gilt nicht als (Teil-) Erfolg, da er nicht auf einer Entscheidung des Gerichts beruht und hier nur untersucht werden soll, wie oft das Gericht zugunsten der Landbevölkerung entschied.

290 Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts

Dalldorf

Gülzow

Niendorf an der Stecknitz

Niendorf am Schaalsee

Müssen

Gudow

Wotersen

Rondeshagen Klein Berkenthin Kulpin Tüschenbek Kogel Thurow Zecher Seedorf Stintenburg Basthorst Lanken

Kastorf

Bliestorf

Grinau

Zeitraum 1747–1751

Schenkenberg

Tab. 24: Aufteilung der Untertanenprozesse auf die adligen Gerichte

1

1752–1756

1

1757–1761 1762–1766

1

1767–1771

2

1772–1776

5

1777–1781 1782–1786

2

1792–1796

3

1

2

4

2 2

1802–1806 1807–1811

1 1

2

5 7

1

1

1

1

1812–1816 1747–1816 3

1

3 2

1787–1791 3 1797–1801

1

1 1

1

1 1

6

2

1

9

1

1

1 4

2 16 2







1



2



1 23 7







2

1

1

1 Ein Verfahren aus den Jahren 1806/1807 betraf die adligen Gerichte Lanken und Wotersen, die beide im Besitz derer von Bernstorff standen. Dieses Verfahren wurde, um beide betroffenen adligen Gerichte berücksichtigen zu können, in dieser Übersicht zweimal vermerkt.



Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts 291

Tab. 25: Untertanenprozesse zwischen der amtssässigen Bevölkerung und den Ämtern Zeitraum 1747–1751

2

Verfahren insgesamt 17

Anzahl

%

1

5,9 14,3 5,6

1752–1756

21

3

1757–1761 1762–1766

18 22

12 42

18,2

1767–1771

25

2

8,0

1772–1776

22

1

4,5

1777–1781

26





1782–1786

26

2

7,7

1787–1791

56

1

1,8

1792–1796

41

2

4,9

1797–1801

34

1

2,9

1802–1806

60





1807–1811

46

1

2,2

1812–1816

29





1747–1816

443

19

4,3

2 Die fünf Verfahren zwischen dem Schloßhauptmann von Werpup zu Dermin und dem Amt Ratzeburg (LS Abt. 216, Nrn. 808, 811, 1130, 1131, 1132, siehe oben S. 259), bleiben hier wegen ihres Ausnahmecharakters unberücksichtigt.

292 Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts Tab. 26: Streitgegenstand Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Verfahren Hoh. insgesamt Rechte 17 5 21 4 18 5 22 3 25 3 22 1 26 4 26 2 56 4 7 41*) 34 5 60 1 46 1 1 29*) 46 443*)

Jurisdiktion – 1 1 – – – 1 1 – 1 1 2 3 1 12

Lehnswesen – – – – – – 1 1 – – – 2 – – 4

GrundKrim./ herrschaft Injurien 1 3 5 – 2 3 2 – 5 1 6 – 5 1 6 – 6 1 5 – 11 – 16 1 4 5 2 1 76 16

Familien- Grund-/ Geldwirt- Handel/ verband Bodenw. schaft Gewerbe 1 2 2 3 5 1 3 2 4 2 1 – 4 11 1 1 8 2 5 1 3 4 6 2 8 – 3 3 3 6 5 2 10 23 9 3 7 6 8 6 5 3 5 4 7 10 18 3 5 6 16 6 4 3 6 9 74 79 88 45

Tab. 27: Streitgegenstand, Angaben in Prozent Zeitraum 1747–1751 1752–1756 1757–1761 1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801 1802–1806 1807–1811 1812–1816 1747–1816

Verfahren Hoh. insgesamt Rechte 17 29,4 21 19,0 18 27,8 22 13,6 25 12,0 22 4,5 26 15,4 26 7,7 56 7,1 17,1 41*) 34 14,7 60 1,7 46 2,2 3,4 29*) 10,4 443*)

Jurisdiktion – 4,8 5,6 – – – 3,8 3,8 – 2,4 2,9 3,3 6,5 3,4 2,7

Lehnswesen – – – – – – 3,8 3,8 – – – 3,3 – – 0,9

GrundKrim./ herrschaft Injurien 5,9 17,6 23,8 – 11,1 16,7 9,1 – 20,0 4,0 27,3 – 19,2 3,8 23,1 – 10,7 1,8 12,2 – 32,4 – 26,7 1,7 8,7 10,9 6,9 3,4 17,2 3,6

Familien- Grund-/ Geldwirt- Handel/ verband Bodenw. schaft Gewerbe 5,9 11,8 11,8 17,6 23,8 4,8 14,3 9,5 22,2 11,1 5,6 – 18,2 50,0 4,5 4,5 32,0 8,0 20,0 4,0 13,6 18,2 27,3 9,1 30,8 – 11,5 11,5 11,5 23,1 19,2 7,7 17,9 41,1 16,1 5,4 17,1 14,6 19,5 14,6 14,7 8,8 14,7 11,8 11,7 16,7 30,0 5,0 10,9 13,0 34,8 13,0 13,8 10,3 20,7 31,0 16,7 17,8 19,9 10,2

*) Im Zeitraum 1792–1796 war ein Verfahren, im Zeitraum 1812–1816 waren zwei Verfahren keiner Kategorie eindeutig zuzuordnen; dies entspricht einem Anteil von 0,7 %.

Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts 293









1757–1761

5 27,8 %







1762–1766

3 13,6 %





1767–1771

3 12,0 %



1772–1776

1

1777–1781

4 15,4 %

1782–1786

2

1787–1791

4

Näheres nicht ersichtlich*)

4 19,0 %

Steuerpflichten (Freiheit und Aufteilung von Steuern) *)

1752–1756













1 (20,0 %)



3 (100 %)





















2 (50,0 %)











1 (50,0 %)







Wehr- und Steuerhoheit*)



Jagd-, Fischerei-, Forst- und Holzungsgerechtigkeit*)

Kirchliche Amtshandlungen*)



Ernennung von Pastoren, kirchl. Patronatsrecht*)

Innerstädtische Verfassung*)



Anteil am Gesamtaufkommen

5 29,4 %

Gesamt

1747–1751

Zeitraum

Landeshoheit, Grenzstreitigkeiten*)

Tab. 28: Streitgegenstand. Staatliche/hoheitliche Rechte

3 (60,0 %) 1 (25,0 %) 1 (20,0 %)

2 (50,0 %) 3 (60,0 %)







1 (33,3 %)







1 (25,0 %)





7,7 %







7,1 %



1 (25,0 %)



1792–1796

7 17,1 %





1 (14,3 %)

1797–1801

5 14,7 %







2 (66,7 %) 1 (100 %) 1 (25,0 %) 1 (50,0 %) 2 (50,0 %) 1 (14,3 %) 1 (20,0 %)

1802–1806

1

1,7 %













1807–1811

1

2,2 %









1 (100 %)



1812–1816

1

3,4 %











1 (2,2 %)

1 (2,2 %)

2 (4,3 %)

14 (30,4 %)

9 (19,6 %)

4,5 %

1747–1816 46 10,4 %



– 1 (14,3 %) –

2 (40,0 %) 1 (25,0 %)

1 (25,0 %) 2 (28,6 %) 1 (20,0 %)

1 (100 %) 11 (23,9 %)

2 (28,6 %) 2 (40,0 %) 1 (100 %)

1 (20,0 %)









6 (13,0 %)

2 (4,3 %)





*) In Klammern: Anteil an der Gesamtzahl der Verfahren im Bereich staatliche/hoheitliche Rechte.

294 Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts

Gerichtsbehinderung, Aktenversendung*)

Ausübung der landesherrlichen und städtischen weltlichen Gerichtsbarkeit*)

Ausübung der Patrimonialgerichtsbarkeit*)

Lehnswesen gesamt

Anteil am Gesamtaufkommen

Adelsprivilegien, Steuerfreiheit**)

Trennung von Lehns- und Allodialgütern**)

Lehnserbfolge**)

















1 4,8 %



1 (100 %)













1757–1761

1 5,6 %





1 (100 %)











1762–1766





















1767–1771





















1772–1776





















Jurisdiktion gesamt



Zeitraum

Anteil am Gesamtaufkommen

Tab. 29: Streitgegenstand. Jurisdiktion und Lehnswesen

1747–1751



1752–1756

1 (100 %) 1 (100 %)



1

3,8 %





1 (100 %)



1

3,8 %



1 (100 %)





















1 (100 %)











1 2,9 %



1 (100 %)













1802–1806

2 3,3 %

2 (100 %)





2

3,3 %

1 (50,0 %)

1 (50,0 %)



1807–1811

3 6,5 %



2 (66,7 %)











1812–1816

1 3,4 %



1 (33,3 %) 1 (100 %)













6 (50,0 %)

4 (33,3 %)

4

0,9 %

1 (25,0 %)

2 (50,0 %)

1 (25,0 %)

1777–1781

1 3,8 %



1782–1786

1 3,8 %



1787–1791





1792–1796

1 2,4 %

1797–1801



1747–1816 12 2,7 %

2 (16,7 %)

*) In Klammern: Anteil an der Gesamtzahl der Verfahren im Bereich Jurisdiktion. **) In Klammern: Anteil an der Gesamtzahl der Verfahren im Bereich Lehnswesen.

23,8 %

11,1 %

9,1 %

20,0 %

27,3 %

19,2 %

23,1 %

10,7 %

12,2 %

32,4 %

26,7 %

8,7 %

6,9 %

17,2 %

1757–1761

1762–1766

1767–1771

1772–1776

1777–1781

1782–1786

1787–1791

1792–1796

1797–1801

1802–1806

1807–1811

1812–1816

1747–1816

Zeitraum

1752–1756

Anteil am Gesamtaufkommen

5,9 %

76

2

4

16

3 (3,9 %)





1 (6,3 %)



3 (3,9 %)





1 (6,3 %)





6 (7,9 %)







1 (9,1 %)







2 (40,0 %)



2 (40,0 %)

– 6 (7,9 %)

10 (13,2 %)

2 (50,0 %)

2 (12,5 %)

2 (18,2 %)





















1 (6,3 %)



2 (40,0 %)

2 (33,3 %)







1 (20,0 %)

2 (100 %)



Allg. Rechte/Pflichten der bäuerl. Gemeindemitglieder*)

11





1 (16,7 %)









1 (50,0 %)





12 (15,8 %)

1 (50,0 %)



4 (25,0 %)

3 (27,3 %)

1 (20,0 %)



1 (16,7 %)



1 (16,7 %)







1 (20,0 %)



1 (1,3 %)























1 (50,0 %)





31 (40,8 %)

1 (50,0 %)

1 (25,0 %)

7 (43,8 %)

5 (45,5 %)



3 (50,0 %)

4 (66,7 %)

3 (60,0 %)

4 (66,7 %)

2 (40,0 %)







1 (100 %)



















2 (2,6 %)



1 (25,0 %)





1 (20,0 %)

Status personarum (Abmeierung, Bemeierung) *)

5







1 (16,7 %)







2 (40,0 %)



















2 (2,6 %)









1 (20,0 %)

1 (16,7 %)

Abgaben und Gefälle*)

6

6

5

6

5





Kirchliche Dienstpflichten*)

2

Näheres nicht ersichtlich*) –



Dienstfreiheit*)

2

Andere Gesichtspunkte der Grundherrschaft*) 1 (20,0 %)



Kirchliche Abgaben*)

1 (20,0 %)



Bäuerliches Erbe, Erbfolge bei Meiergütern*)

5

1

Ausübung und Umfang der Dienstpflichten*)

1747–1751

Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts 295

Tab. 30: Streitgegenstand. Grundherrschaft

Grundherrschaft insgesamt

*) In Klammern: Anteil an der Gesamtzahl der Verfahren im Bereich Grundherrschaft.

296 Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts

5,9 %







Gesetzliches Erbrecht, Pflichtteilsrecht*)

Majorate, Fideikommisse*)

Testamentarische Erbfolge*)

Vormundschaft*)

Alimente*)

Ehegüterrecht*)

1

Ehe, Eheversprechen, Eheschließung, Ehetrennung*)

Gesamt

1747–1751

Anteil am Gesamtaufkommen

Zeitraum

Tab. 31: Streitgegenstand. Familienverband

1 (100 %)







1752–1756

5 23,8 %









4 (80,0 %)



1 (20,0 %)

1757–1761

4 22,2 %

1 (25,0 %)





1 (25,0 %)

2 (50,0 %)





1762–1766

4 18,2 %







1 (25,0 %)

2 (50,0 %)



1 (25,0 %)

1767–1771

8 32,0 %

2 (25,0 %)





1 (12,5 %)

2 (25,0 %)

1 (12,5 %)

2 (25,0 %)

1772–1776

3 13,6 %

2 (66,7 %)







1 (33,3 %)





1777–1781

8 30,8 %





3 (37,5 %)



2 (25,0 %)



3 (37,5 %)

1782–1786

3

11,5 %







1 (33,3 %)

1 (33,3 %)



1 (33,3 %)

1787–1791 10 17,9 %

1 (10,0 %)

1 (10,0 %)

1 (10,0 %)

3 (30,0 %)

2 (20,0 %)

1 (10,0 %)

1 (10,0 %)

2 (28,6 %)

2 (28,6 %)



1 (14,3 %)

2 (28,6 %)



1792–1796

7 17,1 %



1797–1801

5 14,7 %

1 (20,0 %)





1 (20,0 %)



1 (20,0 %)

2 (40,0 %)

1802–1806

7

11,7 %

4 (57,1 %)

1 (14,3%)



2 (28,6 %)







1807–1811

5 10,9 %

2 (40,0 %)



2 (40,0 %)







1 (20,0 %)

1812–1816

4 13,8 %

2 (50,0 %)

1 (25,0 %)

1 (25,0 %)









1747–1816 74 16,7 % 15 (20,3 %)

5 (6,8 %)

9 (12,2 %) 11 (14,9 %) 17 (23,0 %)

5 (6,8 %) 12 (16,2 %)

*) In Klammern: Anteil an der Gesamtzahl der Verfahren im Bereich Familienverband.

Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts 297



1757–1761

2

11,1 %

1762–1766

11 50,0 %

– 3 (27,3 %)

1767–1771

2

8,0 %



1772–1776

4 18,2 %



1777–1781







3 (50,0 %) 4 1787–1791 23 41,1 % (17,4 %) 1 1792–1796 6 14,6 % (16,7 %) 1782–1786

1797–1801

6 23,1 %

3

8,8 %



3 (30,0 %) 1 6 13,0 % (16,7 %)

1802–1806 10 16,7 % 1807–1811 1812–1816

3 10,3 %

1747–1816 79 17,8 %

– 18 (22,8 %)

Näheres nicht ersichtlich*)

4,8 %

Andere Gesichtspunkte der Grund- und Bodenwirtschaft*)

1

Nutzungsrecht, Nießbrauch*)

1752–1756

2 (100 %) 1 (100 %)

Nachbarrecht*)

11,8 %

Servituten, Dienstbarkeiten, Wegerecht*)

Anteil am Gesamtaufkommen

2

Baurecht, Bausachen*)

Gesamt

1747–1751

Allmendewesen*)

Zeitraum

Eigentum- und Besitzschutz, Grenzstreitigkeiten*)

Tab. 32: Streitgegenstand. Grund- und Bodenwirtschaft





















































1 (50,0 %) 6 (54,5 %) 1 (50,0 %) 1 (25,0 %)







1 (25,0 %)

1 (25,0 %)





1 (25,0 %)

















1 (16,7 %) 2 (8,7%) 2 (33,3 %) 1 (33,3 %) 3 (30,0 %) 2 (33,3 %) 1 (33,3 %)

1 (16,7 %)











2 (8,7%)



















21 (26,6 %)

1 (50,0 %) 2 (18,2 %) 1 (50,0 %)

1 (16,7 %) 3 (13,0 %) 1 (16,7 %)

12 (52,2 %) 2 (33,3 %) 1 (33,3 %)

– –

1 (33,3 %) 1 (10,0 %)

3 (30,0 %)











3 (50,0 %)













2 (66,7 %)

2 (2,5 %)

3 (3,8 %)

2 (2,5 %)

12 (15,2 %)

19 (24,1 %)

2 (2,5 %)





*) In Klammern: Anteil an der Gesamtzahl der Verfahren im Bereich Grund- und Bodenwirtschaft.

298 Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts

Dienst- und Arbeitsverhältnis, Löhne, Gehaltszahlung*)

Honorarforderungen von Advokaten, Ärzten u.ä. *)





2 (66,7 %)



























1 (20,0 %)















1 (33,3 %)



















– 2 (25,0 %)

1752–1756

3 14,3 %

1757–1761

1

1762–1766 1767–1771 1772–1776 1777–1781 1782–1786 1787–1791 1792–1796 1797–1801

5,6 %

1 (100 %) 1 5 20,0 % (20,0 %) 1

4,5 %

6 27,3 %



2 (66,7 %) 2 5 19,2 % (40,0 %) 2 9 16,1 % (22,2 %) 3 8 19,5 % (37,5 %) 3

11,5 %

5 14,7 %



2 (11,1 %) 2 1807–1811 16 34,8 % (12,5 %) 1 1812–1816 6 20,7 % (16,7 %) 18 1747–1816 88 19,9 % (20,5 %) 1802–1806 18 30,0 %

6 (66,7 %) 1 (12,5 %) 1 (20,0 %) 2 (11,1 %) 4 (25,0 %)





1 (20,0 %) 1 (5,6 %) 2 (12,5 %)





16 (18,2 %)

4 (4,5 %)

1 (20,0 %) 4 (22,2 %) 3 (18,8 %) 1 (16,7 %) 9 (10,2 %)

– – – – 2 (2,3 %)

2 (100 %) 1 (33,3 %) 1 (100 %) – 3 (60,0 %) 6 (100 %) – 3 (60,0 %) 1 (11,1 %) 2 (25,0 %) 1 20,0 %) 9 (50,0 %) 4 (25,0 %) 1 (16,7 %) 34 (38,6 %)

Näheres nicht ersichtlich*)

Allgemeine Schadensersatzforderungen*) –

2

Grundpfandrechte*)

Miet- und Pachtverhältnis, Erbpacht*) –

1747–1751

Allgemeine Schuldforderungen aus Schuldscheinen, Obligationen, Vergleichen, Geldgeschäften, Darlehen, Bürgschaften*)

Kaufvertrag, Schenkung*) –

Gesamt

11,8 %

Zeitraum

Anteil am Gesamtaufkommen

Tab. 33: Streitgegenstand. Geldwirtschaft









































1 (20,0 %)







– – 1 (1,1 %)

1 (6,3 %) 3 (50,0 %) 4 (4,5 %)

*) In Klammern: Anteil an der Gesamtzahl der Verfahren im Bereich Geldwirtschaft.

Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts 299



Sicherung privater Handelsforderungen*)

Zwangsvollstreckung und Konkurs*) –







1 (50,0 %)















1 (100 %)













4,0 %











1 (100 %)



2

9,1 %

1 (50,0 %)







1 (50,0 %)





1777–1781

3

11,5 %



3 (100 %)











1782–1786

2

7,7 %

1 (50,0 %)











1787–1791

3

5,4 %











1792–1796

6 14,6 %



2 (33,3 %)



1 (16,7 %)



1797–1801

4

11,8 %









1802–1806

3

5,0 %

1 (33,3 %)

1 (33,3 %) 1 (16,7 %) 1 (25,0 %) 1 (33,3 %)







1807–1811

6 13,0 %











1812–1816

9 31,0 %

1 (11,1 %) 6 (13,3 %)

1 (11,1 %) 10 (22,2 %)









2 (4,4 %)

1 (2,2 %)

2 (4,4 %)

7 (15,6 %)

3 17,6 %

1752–1756

2

9,5 %



1757–1761







1762–1766

1

4,5 %

1767–1771

1

1772–1776

1747–1816 45 10,2 %

1 (33,3 %) 1 (50,0 %)

Assekuranzwesen*)



1 (33,3 %)

1747–1751

Zünfte (Aufnahme, Ausschluß u.ä.) *)



Anteil am Gesamtaufkommen

1 (33,3 %)

Gesamt



Zeitraum

Sonstige Handelsgeschäfte*)

Streitigkeiten innerhalb des Zunftwesens*)

Gewerbe- und Handelsfreiheit, Handelsprivilegien*)

Tab. 34: Streitgegenstand. Handel und Gewerbe

1 (25,0 %) 1 (33,3 %) 3 (50,0 %)

1 (50,0 %) 2 (66,7 %) 2 (33,3 %) 2 (50,0 %) – 3 (50,0 %) 7 (77,7 %) 17 (37,8 %)

*) In Klammern: Anteil an der Gesamtzahl der Verfahren im Bereich Handel und Gewerbe.

300 Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts Tab. 35: Streitgegenstand anhand der Geschäftsübersichten 1749–1752 Jahr 1749 1750

Bescheide Hoh. Juris- Lehns- Grund- Krim./ Familien- Grund-/ insgesamt Rechte diktion wesen herr- Injurien verband Bodenw. schaft 548 30 3 4 68 13 78 96 518

23

13

2

76

17

67

Geld- Handel/ Nicht wirt- Gewerbe festschaft stellbar 104 53 99

54

94

76

96

1751

578

46

9

6

85

18

86

73

122

57

76

1752

554

45

9

5

82

10

66

86

102

82

67

1749–1752

2198

144

34

17

311

58

297

309

422

268

338

Tab. 36: Streitgegenstand anhand der Geschäftsübersichten 1749–1752, Angaben in Prozent Jahr 1749

Bescheide Hoh. Juris- Lehns- Grund- Krim./ Familien- Grund-/ Geld- Handel/ Nicht insgesamt Rechte diktion wesen herr- Injurien verband Bodenw. wirt- Gewerbe festschaft schaft stellbar 548 5,5 0,5 0,7 12,4 2,4 14,2 17,5 19,0 9,7 18,1

1750

518

4,4

2,5

0,4

14,7

3,3

12,9

10,4

18,1

14,7

18,5

1751

578

8,0

1,6

1,0

14,7

3,1

14,9

12,6

21,1

9,9

13,1

1752 1747–1751*) 1747–1781*)

554 17**)

8,1 29,4

1,6 –

0,9 –

14,8 5,9

1,8 17,6

11,9 5,9

15,5 11,8

18,4 11,8

14,8 17,6

12,1 –

151**)

16,6

2,0

0,7

17,2

5,3

21,9

14,6

13,9

7,9



1749–1752

2198

6,6

1,5

0,8

14,1

2,6

13,5

14,1

19,2

12,2

15,4

*) Für das Herzogtum Lauenburg ermittelte Werte zum Vergleich. **) Anzahl der Verfahren.

Tab. 37: Streitgegenstand anhand der Geschäftsübersichten 1780–1782 Jahr 1780 1781

Bescheide Hoh. Juris- Lehns- Grund- Krim./ Familien- Grund-/ insgesamt Rechte diktion wesen herr- Injurien verband Bodenw. schaft 575 33 7 3 83 14 96 104 615

37

8

7

73

15

82

Geld- Handel/ Nicht wirt- Gewerbe festschaft stellbar 121 53 61

88

154

82

69

1782

599

34

15

5

74

30

101

78

133

77

52

1780–1782

1789

104

30

15

230

59

279

270

408

212

182

Tabellen zur Auswertung der Prozeßakten des Oberappellationsgerichts 301



Tab. 38: Streitgegenstand anhand der Geschäftsübersichten 1780–1782, Angaben in Prozent Jahr 1780

Bescheide Hoh. Juris- Lehns- Grund- Krim./ Familien- Grund-/ Geld- Handel/ Nicht insgesamt Rechte diktion wesen herr- Injurien verband Bodenw. wirt- Gewerbe festschaft schaft stellbar 575 5,7 1,2 0,5 14,4 2,4 16,7 18,1 21,0 9,2 10,6

1781

615

6,0

1,3

1,1

11,9

2,4

13,3

14,3

25,0

13,3

11,2

1782

599 52**)

5,7 11,5

2,5 3,8

0,8 3,8

12,4 21,2

5,0 1,9

16,9 21,2

13,0 11,5

22,2 15,4

12,9 9,6

8,7 –

5,8

1,7

0,8

12,9

3,3

15,6

15,1

22,8

11,9

10,2

1777–1786*) 1780–1782

1789

*) Für das Herzogtum Lauenburg ermittelte Werte zum Vergleich. **) Anzahl der Verfahren.

Tab. 39: Streitgegenstand anhand der Geschäftsübersichten 1800/1801 Jahr

Bescheide Hoh. Juris- Lehns- Grund- Krim./ Familien- Grund-/ Geld- Handel/ Nicht insgesamt Rechte diktion wesen herr- Injurien verband Bodenw. wirt- Gewerbe festschaft schaft stellbar 1800/1801 853 53 6 6 150 41 127 174 165 89 42

Tab. 40: Streitgegenstand anhand der Geschäftsübersichten 1800/1801, Angaben in Prozent Jahr 1800/1801 1797–1806*)

Bescheide Hoh. Juris- Lehns- Grund- Krim./ Familien- Grund-/ Geld- Handel/ Nicht insgesamt Rechte diktion wesen herr- Injurien verband Bodenw. wirt- Gewerbe festschaft schaft stellbar 853 6,2 0,7 0,7 17,6 4,8 14,9 20,4 19,3 10,4 4,9 94**)

6,4

3,2

2,1

28,7

1,1

12,8

13,8

*) Für das Herzogtum Lauenburg ermittelte Werte zum Vergleich. **) Anzahl der Verfahren.

24,5

7,4



Quellen- und Literaturverzeichnis A. Ungedruckte Quellen 1. Oberlandesgericht Celle Nr. 5361 IV (Abt. 1e).

2. Niedersächsisches Landesarchiv – Hauptstaatsarchiv Hannover Cal. Br. 23 b, Nr. 174. Cal. Or. Des. 1, Nr. 187. Celle Br. 47, Nr. 88/1. Dep. 7 B, Nrn. 237, 388, 389, 878 I, 880 I, 1028. Dep. 25 B, Nr. 1054. Dep. 106, Nrn. 1035, 1038 I–II, 1040, 1042, 1043, 1800, 1801. Hann. 26a, Nrn. 4765, 4785, 4788, 4796, 4811, 4812, 4813, 4814, 4934. Hann. 27 Hannover, Nrn. 605, 2316, 2934a. Hann. 27 Hildesheim, Nr. 206. Hann. 27 Lüneburg, Nr. 778. Hann. 52, Nr. 3327. Hann. 70, Nr. 3819. Hann. 92, Nrn. 428, 534.

3. Landesarchiv Schleswig-Holstein Abt. 65.3, Nrn 53. I., 53. II. Abt. 210, Nrn. 1451, 1453. Abt. 212c, Nr. 961. Abt. 216, Nrn. 11, 12, 13, 15, 34, 35, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 65, 66, 67, 68, 70, 71, 72, 73, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 194, 195, 196, 197, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 208, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 238, 239, 240, 266, 267, 268, 269, 270, 271, 288, 289, 290, 291, 292, 293, 294, 295, 320, 321, 324, 325, 326, 327, 328, 329, 358, 359, 360, 362, 363, 364, 365, 366, 367, 368, 369, 370, 371, 372, 373, 374, 375, 376, 377, 378, 379, 380, 381, 382, 383, 384, 385, 386, 387, 388, 389, 390, 391, 392, 393, 394, 395, 396, 397, 398, 399, 400, 476, 477, 478, 479, 480, 481, 482, 483, 484, 485, 547, 548, 549, 550, 551, 552, 553, 555, 556, 557, 558, 559, 560, 561, 562, 563, 564, 565, 566, 567, 568, 569, 570, 571, 572, 573, 574, 575, 576, 577, 578, 579, 580, 581, 623, 624, 627, 628, 629, 630, 631, 633, 634, 636, 637, 638, 639, 640, 641, 642, 643, 645, 646, 647, 648, 649, 650, 651, 652, 653, 654, 655, 656, 657, 658, 659, 660, 661, 662, 730, 731, 732, 733, 734, 735, 736, 737, 738, 739, 740, 745, 746, 750, 751, 752, 753, 756, 757, 758, 759, 760, 761, 762, 763, 764, 765, 766, 797, 798,

304

Quellen- und Literaturverzeichnis

799, 800, 802, 803, 804, 805, 806, 807, 808, 810, 811, 813, 815, 816, 817, 818, 820, 821, 822, 823, 824, 825, 826, 827, 828, 829, 830, 831, 832, 833, 834, 835, 836, 837, 838, 839, 840, 841, 842, 843, 844, 845, 846, 847, 848, 849, 896, 897, 898, 899, 900, 901, 902, 903, 904, 905, 906, 907, 909, 910, 913, 914, 915, 917, 919, 920, 921, 922, 923, 924, 925, 926, 927, 928, 929, 930, 931, 932, 933, 934, 935, 936, 938, 939, 940, 941, 942, 943, 944, 945, 946, 949, 950, 951, 952, 953, 954, 955, 956, 957, 958, 959, 960, 961, 962, 963, 964, 965, 966, 967, 968, 969, 970, 971, 972, 973, 974, 975, 976, 977, 978, 979, 980, 981, 983, 984, 985, 987, 988, 986, 1088, 1089, 1091, 1092, 1093, 1094, 1109, 1110, 1111, 1118, 1119, 1125, 1126, 1127, 1128, 1129, 1130, 1131, 1132, 1133, 1134, 1135, 1136, 1137, 1138, 1139, 1140, 1141, 1142, 1143, 1144, 1145, 1146, 1147, 1148, 1149, 1150, 1151, 1152, 1153, 1154, 1155, 1156, 1157, 1158, 1209, 1210. Abt. 217, Nrn. 2, 3, 8, 9. Abt. 400.2, Nr. 91.

4.  Kreisarchiv Ratzeburg Gutsarchiv Rondeshagen, Nr. 172.

B. Gedruckte Quellen Anonymus, Beschreibung des Actus Introductionis Des Königl. Hohen Tribunals in Wißmar. Geschehen den 17. Maji Anno 1653, hrsg. und kommentiert von Nils Jörn, in: Jörn, Nils/Diestelkamp, Bernhard/Modéer, Kjell Åke (Hrsg.), Integration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653–1806), Köln/Weimar/Wien 2003 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Band 47), S. 5–17. Bittschrift des Oberamtmanns Wedemeier zu Eldagsen, der seine Stelle resigniert hat, und auf seinen Gütern lebt, in: Annalen der leidenden Menschheit in zwanglosen Heften 2 (1796), Nachdruck Nendeln 1972, 1–16. Chur-Braunschweig-Lüneburgische Landes-Ordnungen und Gesetze. Zum Gebrauch der Fürstenthümer, Graf- und Herrschaften Calenbergischen Theils. – Band I, Göttingen 1739. – Band II, Göttingen 1740. Chur-Braunschweig-Lüneburgische Landes-Ordnungen und Gesetze. Zum Gebrauch des Fürstenthums Lüneburg, auch angehöriger Graf- und Herrschaften Zellischen Theils, Band II (Corporis constitutionum ducatus luneburgici et comitatus hoyensus volum. II), Lüneburg 1742. Chur-Fürstliche Braunschweig-Lüneburgische Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung, Celle 1713. Conrad, Hermann (Hrsg.), Recht und Verfassung des Reiches in der Zeit Maria Theresias. Die Vorträge zum Unterricht des Erzherzogs Joseph im Natur- und Völkerrecht sowie im Deutschen Staats- und Lehnrecht, Köln/Opladen 1964 (Wissenschaftliche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Band 28).



Gedruckte Quellen

305

Drögereit, Richard (Hrsg.), Quellen zur Geschichte Kurhannovers im Zeitalter der Personalunion mit England 1714–1803, Heft I, Hildesheim 1949 (Quellenhefte zur Niedersächsischen Geschichte, Heft 2). Ebel, Friedrich (Hrsg.), Sachsenspiegel. Landrecht und Lehnrecht, bearbeitet von Freiherr von Schwerin, Claudius (Landrecht) und Ebel, Friedrich (Lehnrecht), Stuttgart 1999. Ebel, Wilhelm (Hrsg.), Friedrich Esajas Pufendorfs Entwurf eines hannoverschen Landrechts (vom Jahre 1772), Hildesheim 1970 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Band 78). Ebhardt, Christian Hermann, Sammlungen der Verordnungen für das Königreich Hannover aus der Zeit vor dem Jahre 1813, Erster Band, Erste Abtheilung: RechtsSachen, Hannover 1854. Eisenhardt, Ulrich, Die kaiserlichen privilegia de non appellando, Köln/Wien 1980 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Band 7). Hagemann, Theodor, Die Ordnung des Königlichen Ober-Appellations-Gerichts zu Celle, Hannover 1819. Ihro Königl. Majest. und derer Reiche Schweden in Dero Teutschen Provincien Gerichts-Ordnungen, Nebst theils beygefügten, theils eingerückten VisitationsAbschieden, Greifswald/Stralsund 1739. Kannengiesser, Christoph Heinrich Gustav, Sammlung derer in den Churhannoverschen Gerichten üblichen Eidesformeln zum Gebrauch für Aemter, Stadtobrigkeiten, adeliche- auch Garnison- und Regiments-Gerichte, 2. Auflage, Hannover 1797. Lauenburgische Verordnungen-Sammlung. Eine chronologisch geordnete Zusammenstellung aller Gesetze, Verordnungen und sonstigen Verfügungen, welche von Anfang der Gesetzgebung an bis zum Jahre 1812 incl. für das Herzogthum Lauenburg erlassen worden sind. – Erster Band: 1254 bis 1732 incl., Ratzeburg 1866. – Dritter Band: 1733 bis 1753 incl., Ratzeburg 1866. Laufs, Adolf (Hrsg.), Der jüngste Reichsabschied von 1654. Abschied der Römisch Kaiserlichen Majestät und gemeiner Stände, welcher auf dem Reichstag zu Regensburg im Jahr Christi 1654 aufgerichtet ist, Bern 1975 (Quellen zur neueren Geschichte, Heft 32). Ders. (Hrsg.), Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Köln/Wien 1976 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Band 3). Müller, Konrad (Hrsg.), Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. 1356, 3. Auflage, Bern 1970 (Quellen zur neueren Geschichte, Heft 25). Ders. (Hrsg.), Instrumenta Pacis Westphalicae. Die Westfälischen Friedensverträge. Vollständiger lateinischer Text mit Übersetzung der wichtigeren Teile und Regesten, 3. Auflage, Bern/Frankfurt am Main 1975 (Quellen zur neueren Geschichte, Heft 12/13). Ober-Amtmann Wedemeyer, in: Annalen der leidenden Menschheit in zwanglosen Heften 3 (1797), Nachdruck Nendeln 1972, 183–213. Oberschelp, Reinhard, Rechtsquellen aus den hannoverschen Landen 1501–1803. Ein Verzeichnis als Beitrag zur Alltagsgeschichte. Nach den Beständen der Niedersächsischen Landesbibliothek, drei Teilbände, Hameln 1999 (Veröffentlichungen der Niedersächsischen Landesbibliothek, Band 17).

306

Quellen- und Literaturverzeichnis

Oestmann, Peter (Hrsg.), Ein Zivilprozeß am Reichskammergericht. Edition einer Gerichtsakte aus dem 18. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2009 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Band 55). Von Schlepegrell, Ludwig, Zellische Canzley- und Hofgerichts-Ordnung nebst Justiz-Reglement vom Jahre 1718, Lüneburg 1828. Schmauss, Johann Jacob/Senckenberg, Henrich Christian, Neue und vollständigere Sammlung der Reichs-Abschiede, Welche von den Zeiten Kayser Conrads des II. bis jetzo auf den Teutschen Reichs-Tägen abgefasset worden, sammt den wichtigsten Reichs-Schlüssen, so auf dem noch fürwährenden Reichs-Tage zur Richtigkeit gekommen sind, Nachdruck der Ausgabe Frankfurt 1747, Osnabrück 1967. Schroeder, Friedrich-Christian (Hrsg.), Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. und des Heiligen Römischen Reichs von 1532 (Carolina), Stuttgart 2000. Sehling, Emil (Hrsg.), Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, Fünfter Band, Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1913, Aalen 1970. Sellert, Wolfgang (Hrsg.), Die Ordnungen des Reichshofrates 1550–1766, 2. Halbband: 1626 bis 1766, Köln/Wien 1990 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Band 8/II). Ders. (Hrsg.), Die Akten des Kaiserlichen Reichshofrats. Serie I: Alte Prager Akten, Band 1: A–D, bearbeitet von Eva Ortlieb, Berlin 2009. Spangenberg, Ernst Peter Johann (Hrsg.), Sammlung der Verordnungen und Ausschreiben welche für sämmtliche Provinzen des Hannoverschen Staats, jedoch was den Calenbergischen, Lüneburgischen, und Bremen- und Verdenschen Theil betrifft, seit dem Schlusse der in denselben vorhandenen Gesetzsammlungen bis zur Zeit der feindlichen Usurpation ergangen sind, Erster Theil, die Jahre 1740 bis 1759 enthaltend, Hannover 1819. Urtheile und Haupt-Bescheide, welche beym Königl. Groß-Britannischen und Churfürstl. Braunschw. Lüneb. Ober-Appellations-Gericht […] abgefasset, und folgends […] publiciret worden. Meist quartalsweise erschienen, verwendet wurden die Jahrgänge 1748–1751, 1780–1782 sowie 27. Oktober 1800 bis 7. November 1801. Vahlkampf, Joseph Anton (Hrsg.), Reichskammergerichtliche Miscellen, Zweiten Bandes zweites Heft, Gießen und Wetzlar 1806. Willoweit, Dietmar/Seif, Ulrike, Europäische Verfassungsgeschichte, München 2003.

C. Literatur Agena, Carl-August, Der Amtmann im 17. und 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte des Richter- und Beamtentums, Göttingen 1972. Ahrens, Martin, Prozeßreform und einheitlicher Zivilprozeß. Einhundert Jahre legislative Reform des deutschen Zivilverfahrensrechts vom Ausgang des 18. Jahrhunderts bis zur Verabschiedung der Reichszivilprozeßordnung, Tübingen 2007 (Tübinger Rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Band 102). Von Almendingen, Ludwig Harscher, Metaphysik des Civil-Processes oder Darstellung der obersten Grundsätze des gerichtlichen Verfahrens in den bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Ein Handbuch für gebildete Geschäftsmänner, Gießen 1821.



Literatur

307

Freiherr von Aretin, Karl Otmar, Das Alte Reich 1648–1806. Band 2: Kaisertradition und österreichische Großmachtpolitik (1684–1745), Stuttgart 1997. Ders., Heiliges Römisches Reich 1776–1806. Reichsverfassung und Staatssouveränität. Teil I: Darstellung, Wiesbaden 1967 (Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz, Band 38). Ders., Kaiser Joseph II. und die Reichskammergerichtsvisitation 1766–1776, in: ZNR 13 (1991), 129–144. Ders., Reichshofrat und Reichskammergericht in den Reichsreformplänen Kaiser Josephs II., in: Diestelkamp, Bernhard/Scheurmann, Ingrid (Hrsg.), Friedenssicherung und Rechtsgewährung. Sechs Beiträge zur Geschichte des Reichskammergerichts und der obersten Gerichtsbarkeit im alten Europa, Bonn/Wetzlar 1997 (Vortragsreihe im Rahmen der Ausstellung „Frieden durch Recht – Das Reichskammergericht von 1495 bis 1806“), S. 51–81. Auer, Leopold, Das Archiv des Reichshofrats und seine Bedeutung für die historische Forschung, in: Diestelkamp, Bernhard/Scheurmann, Ingrid (Hrsg.), Friedenssicherung und Rechtsgewährung. Sechs Beiträge zur Geschichte des Reichskammergerichts und der obersten Gerichtsbarkeit im alten Europa, Bonn/Wetzlar 1997 (Vortragsreihe im Rahmen der Ausstellung „Frieden durch Recht – Das Reichskammergericht von 1495 bis 1806“), S. 117–130. Backhaus, Helmut, Pommern in der Schwedenzeit. Über die Rahmenbedingungen für das Wismarer Tribunal, in: Jörn, Nils/Diestelkamp, Bernhard/Modéer, Kjell Åke (Hrsg.), Integration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653–1806), Köln/ Weimar/Wien 2003 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Band 47), S. 43–50. Balthasar, Stephan, Der Schutz der Privatsphäre im Zivilrecht. Eine historischvergleichende Untersuchung zum deutschen, französischen und englischen Recht vom ius commune bis heute, Tübingen 2006 (Grundlagen der Rechtswissenschaft, Band 7). Battenberg, Friedrich, Grenzen und Möglichkeiten der Integration von Juden in der Gesellschaft des Ancien Régime, in: Beer, Mathias/Kintzinger, Martin/Krauss, Marita (Hrsg.), Migration und Integration. Aufnahme und Eingliederung im historischen Wandel, Stuttgart 1997 (Stuttgarter Beiträge zur historischen Migrationsforschung, Band 3), S. 87–110. Ders., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte der höchsten königlichen Gerichtsbarkeit im Alten Reich, besonders im 14. und 15.  Jahrhundert, Köln/Wien 1986 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Band 18). Ders., Reichskammergericht und Archivwesen. Zum Stand der Erschließung der Reichskammergerichtsakten, in: Diestelkamp, Bernhard (Hrsg.), Das Reichskammergericht in der deutschen Geschichte. Stand der Forschung, Forschungsperspektiven, Köln/Wien 1990 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Band 21), S. 173–194. Ders., Das Reichskammergericht und die Juden des Heiligen Römischen Reiches. Geistliche Herrschaft und korporative Verfassung der Judenschaft in Fürth im Widerspruch, Wetzlar 1992 (Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, Heft 13). Battenberg, Friedrich/Schildt, Bernd (Hrsg.), Das Reichskammergericht im Spiegel seiner Prozeßakten. Bilanz und Perspektiven der Forschung, Köln/Weimar/

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Personenverzeichnis Avemann, Daniel Heinrich von 65 Berlepsch, Friedrich Ludwig von 21, 81, 95 Bernstorff, Andreas Gottlieb von 23 f., 27 ff., 57, 105 Bernstorff, Andreas Peter von 232, 243, 267 f. Bernstorff, Johann Hartwig Ernst von 233 ff. Beulwitz, Ludwig Friedrich von 96 Beurhaus, Friedrich von 64, 72 Bodenhausen, Bodo Friedrich von 65 Bülow, Georg Ludwig von 27, 53 Bussche, von dem (Kammerpräsident) 137 Diede von Fürstenstein, Johann Wilhelm 96 Erffa, Eberhard Hartmann von 96 Ernst August von Braunschweig- Lüneburg 17, 23 Fabricius, Weipart Ludewig 3, 23 f., 29 f., 47, 136 Franz I. (Kaiser) 21 Friedrich Wilhelm I. von Preußen 100 Friedrich II. von Preußen 41 Georg Ludwig 18 f., 23 ff., 33 ff., 60, 63, 125, 127, 140 Georg Wilhelm 13, 18, 27, 118 ff. Georg II. 1, 51, 87 f., 110, 121 Georg III. 48, 70, 87 f., 113 Georg IV. 88 Goertz, Friedrich Wilhelm von 25, 53 Goethe, Johann Wolfgang 2 Gustedt, Ernst von 53 f. Hagemann, Theodor 137, 143 Hammerstein, von 259 Hardenberg, Carl Philipp von 49 Hedemann, Johann Christoph von 47

Huldenberg, von (Gesandter) 21 f. Jakob I. von England 125 Johann Friedrich von BraunschweigLüneburg 125 Julius Franz von Sachsen-Lauenburg 13 Justinian (Kaiser) 82 Karl V. (Kaiser) 152 Karl XI. von Schweden 108 Lautensack, von (Justizrat) 110 f. Lenthe, Albrecht Friedrich von 65 Leopold I. (Kaiser) 39 Leopold II. (Kaiser) 229 Maximilian I. (Kaiser) 78 Mevius, David 29 f., 134, 152, 241 Molanus, Gerhard Wolter 50 Montesquieu 98 f. Münchhausen, Gerlach Adolph von 96 Napoleon 200 Osten, Friedrich August Emil von der 92 f. Pufendorf, Friedrich Esajas von 7, 65, 85, 137 Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von 115 f. Rumohr, Henning Heinrich von 245 Schaeffer (mecklenburgischer Regierungsrat) 63 f. Schilling (Hofgerichtsassessor) 64 Schlepegrell, Otto Ludwig von 48 Sophie von der Pfalz 125 Strube, Anton Heinrich 63 Wedemeyer (Amtmann zu Eldagsen) 113 ff. Wrisberg, Rudolph Johann von 1, 58, 61, 64, 96, 108 Zesterfleth, Dietrich Christian Arnold von 116

Sachverzeichnis Abgaben 206, 215, 236 ff., 260 Absolutismus 42, 50, 94, 108 ff., 123 ff., 270 Abstimmung 44 f., 139, 173 Adel 44 ff., 128, 139, 205, 213, 219 ff., 272 Adjunkten 66 ff., 140, 155 Adlige Bank 44 ff., 139 Adliges Gericht 14, 137, 205 ff., 212 ff., 221 ff., 231 ff., 259 ff., 267, 273 ff. Advokat 74 ff., 100, 164, 222, 264 Agrarreformen 226, 248 Agrarverfassung 14 Aktenführung 9 Aktenschluß 176, 187 ff. Aktenversendung 111 f., 152 f., 173 Altenteil 245 ff. Amt 119 ff., 183 ff., 205, 216, 250 ff., 259 Amtsadvokat 78, 186 ff. Amtmann 14 Anwalt (siehe Advokat, Prokurator) Apostelbrief 158 ff., 184 Appellationssumme 133, 163 Appellationslibell 160, 182, 184 f. Artikelprozeß 148 f., 193 Askanier 13 Audienz 86, 147, 157, 175 Auslegung von Gesetzen 82 f. Austrägalinstanz 20, 37 Bauernbefreiung 248 Bauernkrieg 228 Bauernschaft 215, 225 f. Bauervogt 225, 233 ff., 244 ff. Beamter 205 Begründung gerichtlicher Erkenntnisse 164 beneficium non probata probandi 172, 174 Bescheid (siehe Dekret) Beschleunigung 147 f., 159 f., 173 ff., 193 Besoldung 25, 60 f., 70 ff., 138

Besoldungskasse 61, 71 ff., 138 Bestechung 61 Bevölkerungsstruktur 212 Beweiswürdigung 177 Beweisartikel 149, 186 Beweisinterlokut 174, 176, 185 Bote 61, 66 ff. Botenmeister 66 ff. Buchbinder 66 ff., 71 Bürgergeist 114 Bürgertum 222 ff. citatio (siehe Ladung) code de procédure civile 209 f. Codex Georgianus 137 compulsoriales 168, 171, 184 f. Constitutio Criminalis Carolina 152 Cour Impériale 5, 208 decretum desertorium 163 f., 169, 201, 245 decretum inhaesivum 184, 256 decretum reformatorium 165 decretum reiectorium 164, 169, 236, 240, 246 Dekret 161 ff., 168, 179, 182, 194 f. Deputationsabschied von 1600 152 Designation 9, 91 Devolutionsrecht 58 ff., 63 f., 139 Devolutiveffekt 154, 179 Dienstaufsicht 66, 68 ff. Disziplinargewalt 68 ff., 79, 91 documentum non introductae appellationis 170 f. Doktorgrad 76 f. Domänen 118 ff., 132, 251 Domänenkammer (siehe Kammer) Dreißigjähriger Krieg 60, 125, 131 Duplik 175 f., 186 ff. Ehe 213 f., 262 Ehre 266 Eid 27 ff., 38, 77, 90, 148 Eideszuschiebung 177, 209 f., 239 ff. Einführung eines Rechtsmittels 159 f. Einlager 80



Sachverzeichnis

Einlassung 150 f. 172, 190 Einlegung eines Rechtsmittels 157 f. elisio rationum decidendi 162, 165, 182, 195 emendatio libelli 162, 182 Entlassung von Richtern 94 ff. Erbpacht 245 Erbrecht 262 f. Eventualmaxime 148 f., 175 Ewiger Landfriede 229 Examen 56 ff., 62 ff., 76 ff., 81, 139 f. Extrajudizialappellation 214, 253 f. Extrajudizialverfahren 9, 157 ff., 182, 194 f. Familienrecht 262 Finanzierung 24 f., 51, 60, 71 f., 112, 138, 198 Frauen 155, 213 f., 244 ff. Freiwillige Gerichtsbarkeit 212, 253 Frieden 228 ff., 250, 274 Fristverlängerung 10, 160, 183 ff., 191, 195, 201, 245 Fürstenstaat 1 f., 82, 94 ff., 124 ff., 270  f. Geheimer Rat 19, 49 f., 52, 58, 64, 96, 111 ff., 126, 128, 142 Geldbuße 79 f., 266 Gelehrte Bank 44 ff., 139 Gemeiner Bescheid 77, 79, 83 f., 160, 185 Gemeiner Zivilprozeß 145 ff., 165 Gemeines Recht 85, 211 Gerichtsgebäude 86 f. Gerichtsgebrauch 145, 159 Gerichtsgebühren 25, 71, 73 f., 132 Gerichtsreform von 1733 49 ff., 73, 110 ff., 136, 148, 161, 164, 172 f., 193 Gerichtssiegel 88 Gesandtschaft 96 Geschäftsübersichten 6 f., 14, 79, 159, 203, 256 ff. Gesetzgebung 97, 130 f., 135, 137 Gewaltenteilung 2, 98 f. Gilde (siehe Zunft) Gnadenquartal 72 Göhrder Konstitution 91, 218 ff., 251 Goldene Bulle 17 f.

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Gottesgnadentum 88 Großer Nordischer Krieg 21, 50 Grund- und Bodenwirtschaft 255, 265 Grundherrschaft 14, 121, 251, 260 f. Gütetermin 10, 119, 148, 178, 182 Gutsherrschaft 14, 207, 215, 231 ff., 260 Handel 223 f., 263 ff. Handwerker 222, 225 f. Herkunft (der Prozeßparteien) 211, 215 ff. Herrscherportrait 86 f. Hinterbliebenenversorgung 71 ff. Hofgericht 44, 79, 81, 103, 119, 132, 137, 139, 153 Hofgericht Celle 24, 84, 87, 138 Hofgericht Hannover 24, 36, 83, 149 Hofgericht Ratzeburg 5, 13, 36, 67, 84, 165, 167, 183 ff., 202, 205 ff., 214, 219, 223, 231, 235 ff., 249, 253, 268 Hofgericht Stade 149, 208 Hofgerichtsordnung, calenbergische 75, 149 Hofgerichtsordnung, cellesche 23, 35, 38, 40, 149 Hofgerichtsordnung, hessische 36 Hofgerichtsordnung, hildesheimische 38 Huldigungseid 27 ff., 33, 90, 94 f. imperium 131 Injurienklage 266 ff. Inrotulation 176, 188, 192 inhibitio 168, 171, 184 f., 235 iurisdictio 34, 130 f., 253 ius commune (siehe Gemeines Recht) Juden 227 Judizialverfahren 9, 157, 168, 171 ff., 185 Jüngster Reichsabschied 23, 37, 39 f., 58, 108, 134, 145, 149 f., 174, 180, 187, 193, 211, 228 Justizaufsicht 39, 70, 80, 105 ff., 131 ff., 143 Justizhoheit 2, 32 ff., 49 f., 55, 58, 60, 65, 90 f., 94, 97 ff., 109 ff., 118, 129 ff. Justizkanzlei 79 ff., 103, 137, 139, 154

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Sachverzeichnis

Justizkanzlei Celle 23, 74, 84, 87 Justizkanzlei Hannover 18 f., 24, 83 Kabinettsjustiz 19, 97 ff., 102, 104 Kaiser 17 f., 21, 35, 49, 52, 54, 69, 109, 133 Kalumnieneid 180 Kameralistik 146 Kameralprozeß 84, 145, 190 Kammer 25, 38, 68, 75, 78, 91, 113, 118 ff., 132, 207, 216, 250 ff. Kammeradvokat 69 Kammergerichtsordnung, preußische 38 Kammerkonsulent 78 Kammerrichter 35, 44 Kammerzieler 53, 72 Kanzleiordnung, braunschweigische 36, 40 Kanzleiordnung, calenbergische 75, 149 Kanzleiordnung, cellesche 74, 149 Kanzleiordnung, hessische 36 Kanzlei des Reichskammergerichts 69 Kanzlist 61, 66 ff. Kassation 208 f. Kirche 26, 206, 214 f., 221 f., 260 Kirchengestühl 87 Kirchenordnung 206 Kirchenpatronat 215 Kommission 23 f., 101 ff., 118, 141, 148, 154, 177 f., 186 f., 190, 239 Kommunikation 175 Konfession 46, 56, 108, 272 Konkurs 221, 264 Konsistorium 26, 79, 137, 154 Konsistorium Ratzeburg 13, 205 ff., 214 f., 230, 253 Kontumazialverfahren 150, 176, 186, 188 Korreferent 10, 161, 172 f., 178 Kostenentscheidung 185, 189, 241 Kriegsgerichtskommission 207 Kriminalität (siehe Strafrecht) Kurwürde 17, 125, 135 f. Ladung 151, 157, 162, 168, 171, 175, 184 Läuterung 181, 239, 241, 246

Landbevölkerung 211 ff., 225 ff., 231 ff., 263 Landesherrschaft 127, 129 ff. Landeshoheit 19, 34, 55, 125, 129 ff., 228, 258 f. Landfriedensbruch 229 Landstände 23 ff., 32, 40 f., 43, 48 ff., 64, 71 f., 92 f., 106, 110 ff., 118 ff., 126 f. Landtag 93, 126 f. Lehnswesen 93, 260 litis contestatio 150 ff. Machtspruch 39 ff., 97 ff., 118, 141 f. Machtspruchkritik 98 f., 102 Malitieneid 180 f., 183 Mandatsprozeß 20, 168 Meierrecht 14, 120 ff., 244 ff. Militär 207, 219 f., 222 f., 248 Monarchie, absolute (siehe Absolutismus) Müller-Arnold-Fall 41 Naturaldienste 237 ff., 248, 260 Neglektenkasse 73 f. Nichtigkeitsbeschwerde 17, 20 f., 134, 154, 179, 183, 207 Notar 78 f., 158 Oberappellationsgericht Kassel 37, 40 Obergericht Glückstadt 4 f., 182 Observanz 105, 120, 145 Ordination 165 f., 169, 174 Ordnungsstrafe 89 Patrimonialgerichtsbarkeit (siehe auch adliges Gericht) 137, 206 Pedell 61, 66 ff. Personalunion mit Großbritannien 124 f., 127 f., 137, 142 Plenarprozeß 151, 157 ff., 171 ff., 183 ff., 196 ff., 201, 242 Plenarsaal 87 plenitudo potestatis 41, 91, 94, 97 Plenum 56 f., 66 f., 75, 81, 86, 112, 147, 153, 157, 161, 172 ff., 178, 185 Policey 91, 118, 122 f., 128, 253 Präjudiz 85 Präklusion 149, 187 f., 191 Präsentationsrecht 26, 48 ff., 63 ff., 69, 71, 93, 109, 113, 138



Sachverzeichnis

Präsident 43 ff., 46, 56, 61, 65, 68, 139, 161, 172 f., 178 princeps legibus solutus 39 privilegium de non appellando (siehe Appellationsprivileg) Proberelation 56 f., 81 processus cum actoria 174 f., 181, 183 ff. Prokurator 74 ff., 86, 100, 172, 176, 179, 185 ff. Proömium 31 ff., 95 Protonotar 61, 66 ff., 86 Prozeß, sächsischer 155 Prozeßkonzentration 177 f. Prozeßurteil 164 Prüfung (siehe Examen) Qualifikation der Richter 45 ff., 57, 139, 142 Quadruplik 176, 188 querela denegatae vel protractae iustitiae (siehe Rechtsverweigerung) querela nullitatis (siehe Nichtigkeitsbeschwerde) Rat (siehe auch Geheimer Rat) 55 Rechtliches Gehör 162, 165, 174 Rechtskraft 170, 184, 208 ff., 241 f. Rechtsmittelbegründung (siehe Appellationslibell) Rechtsverweigerung 17, 20 f., 103, 118, 122, 134, 154, 170, 193 référé législatif 82 f. Referent 148, 161, 172 f., 178, 188, 196 f. Regierung Ratzeburg 13, 79, 205 ff., 214, 223, 233 ff., 253 f. Registrator 61, 66 ff., 147 Reichsabschied von 1530 155 Reichsabschied von 1570 84 f., 152 Reichserzkanzler 52, 69 f., 107 Reichsgerichtsbarkeit 17 ff., 103, 118, 133 ff. Reichshofrat 17 f., 21, 44 f., 52, 70, 86, 147, 166 ff., 175 ff., 202, 233 ff. Reichshofratsordnung von 1654 44 f., 147 Reichskammergericht 8 ff., 17 ff., 39, 44 ff., 52, 56 ff., 69 ff., 83 ff., 105 ff., 123, 133, 138 f., 145 ff., 156 ff.,

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171 ff., 190 f., 197 f., 202, 206 f., 212 f., 224 ff., 250, 257 ff. Reichskammergerichtsordnung von 1495 145, 150 Reichskammergerichtsordnung von 1521 145 Reichskammergerichtsordnung von 1555 39, 46, 58, 69 ff., 84, 95, 105 ff., 147 ff., 155, 158, 191 Reichsstände 52 f., 72, 107 ff., 133, 229 Reichstag 86, 96, 133 Reichsvizekanzler 52 Relation 10, 161, 172 f., 178, 192, 196 f. Relevanzurteil 174 ff., 185, 196 f. Rentkammer (siehe Kammer) Replik 175, 185 ff. Reproduktion 171 f., 185, 196 rescriptum de administranda iustitia 154, 170 rescriptum de emendando 162 ff., 210, 240 f. Reskriptsprozeß 114, 166 f. restitutio in integrum (siehe auch Wiederaufnahme und Wiedereinsetzung) 174, 180 ff., 189, 209 Revision 107 ff., 114, 156, 179, 181 Revolution, französische 201, 228 ff., 247 f., 265 Richtertum, gelehrtes 43 ff., 139, 145 Rittergut (siehe auch adliges Gericht) 14, 206, 212, 221 f. Ritter- und Landschaft des Herzogtums Lauenburg 13, 51 f., 183 ff., 205, 212, 214 rotulus (siehe auch Inrotulation) 174 Sachsenspiegel 130 Schichtung, soziale 211, 218 ff. Schlüssigkeit 163, 168 Schöffe 43 Schreiben um Bericht 19, 167, 227, 235 Schriftlichkeit 70, 147, 175, 190, 193 Sekretär 61, 66 ff., 176 Senat 51, 110, 161, 168, 172, 204 Siebenjähriger Krieg 61, 71, 196, 199 Sitzungsperiode 159, 171, 175, 181 ff., 190 f., 204 Skrutinium 56 ff., 62, 139 f.

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Sachverzeichnis

Sollizitatur 178, 188 Souveränität 129, 132 f. Sporteln (siehe Gerichtsgebühren) Staat, moderner 2, 29, 124, 129, 134, 230, 250, 270 Stadt 205, 212 ff., 224, 252, 258 Stadtgericht 137, 206 Ständeversammlung 92 f. Steuern 24, 127, 258 stilus curiae (siehe Gerichtsgebrauch) Stimmengleichheit 44, 112, 139, 153, 173 Strafrecht 156, 266 Streitgegenstand 151, 207, 252 ff. Streitwert 12, 17 Sukzession, englische (siehe Personalunion) Summarisches Verfahren 119, 167 f. Supplik 99 f. Suspensiveffekt 154, 181 ff., 208, 210 Sustentationskasse 72 Symbolik 30, 86 ff. Syndikatsklage 106, 115 f. Triplik 176, 188 Unabhängigkeit, richterliche 1 f., 15, 30, 32 ff., 60, 83, 94, 99 ff., 117, 140 ff. Universität 13, 46, 50, 67, 76 ff., 154 f., 173, 223 f. Unparteilichkeit 33, 36 ff., 155, 211, 249 Untertanenprozesse 227 ff., 260 f. Urteil 34, 86, 162, 164, 172 ff., 179 ff., 196 f., 208 f. Urteiler 43 f., 139 Urteilsverkündung 86, 88, 148 Vakanz 58, 60 f., 72 Vereidigung der Richter (siehe auch Eid) 28 f.

Verfahrensart 154 ff., 167 Verfahrensdauer 190 ff. Vergleich 147, 178, 182, 196 f., 237 ff. Verkoppelung 248 Verlöbnis 206, 213, 263 Verrechtlichung 214, 228, 230, 250 Visitation 96, 105 ff., 131 f., 141 Visitationsabschied von 1713 37, 56, 74, 84, 160, 191 Vizepräsident 43 ff., 51, 56, 61, 65, 68, 77, 94 f., 140 Vormundschaft 213 f. votum decisivum 44, 139 Wahlkapitulation 39, 134, 229 Welfen 13, 21, 124 f., 135, 272 Westfälischer Frieden 20 f., 26, 60, 125, 129, 133 Westphalen, Königreich 195, 200 Wiederaufnahme (siehe auch restitutio in integrum) 174, 180 f., 189 Wiedereinsetzung (siehe auch restitutio in integrum) 163, 180, 182 Wirtschaft 13 f., 216 f., 223 ff., 263 ff. Wismarer Tribunal 3, 8 f., 21, 23 ff., 29, 36 ff., 44 f., 52 ff., 69 ff., 83, 96, 108 f., 138 f., 149, 152 f., 155 ff., 177, 183, 250, 257 ff. Wismarer Tribunalsordnung 26, 37, 44 f., 54 ff., 69, 72, 75 ff., 90, 108, 149, 156, 158 f., 163 f., 179 Würde des Gerichts 86 ff. Zeugenbeweis 122, 149, 177, 186 ff., 209, 235, 239 ff. Zurückverweisung 165 Zulässigkeit 157 f., 162 ff. Zunft 212, 215, 264 f. Zwangsvollstreckung 19, 80, 170, 202, 210, 234, 236, 264