Cosima Wagner: Ein widersprüchliches Leben. Mit einem Nachwort von Monika Beer [1 ed.] 9783205215035, 9783205215011

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Cosima Wagner: Ein widersprüchliches Leben. Mit einem Nachwort von Monika Beer [1 ed.]
 9783205215035, 9783205215011

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Sabine Zurmühl

C OS I M A WAG NER Ein widersprüchliches Leben

Sabine Zurmühl



Cosima Wagner Ein widersprüchliches Leben

Mit einem Nachwort von Monika Beer



Böhlau Verlag wien köln

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abruf bar. Umschlagabbildung  : Franz von Lenbach, Cosima Wagner, 1870, © Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth, N1247_CW-Lenbach1870 © 2022 Böhlau Verlag, Zeltgasse 1, A-1080 Wien, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande  ; Brill USA Inc., Boston MA, USA  ; Brill Asia Pte Ltd, Singapore  ; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland  ; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Korrektorat  : Constanze Lehmann, Berlin Einbandgestaltung  : Bernhard Kollmann, Wien Satz  : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISBN 978-3-205-21503-5

Inhalt Ouvertüre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eine Erscheinung. . . . . . . . . . . . . 3. Widersprüchliche Herkunft. . . . . . . 4. Die Tochter ihres Vaters . . . . . . . . . 5. Der Glaube . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Hans von Bülow.. . . . . . . . . . . . . 7. Frauenfrau . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Geschwister-Tod . . . . . . . . . . . . . 9. Das Dreieck . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Das Königswunder . . . . . . . . . . . . 11. Ehrenerklärungen. . . . . . . . . . . . . 12. Sprache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Charakteristisches Außen . . . . . . . . 14. Weiblich – männlich . . . . . . . . . . . 15. Gesundheit.. . . . . . . . . . . . . . . . 16. Schreiben.. . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Emanzipation . . . . . . . . . . . . . . . 18. Liebe / Abhängigkeit . . . . . . . . . . . 19. Die Ikone . . . . . . . . . . . . . . . . . 20. Wagners Träume . . . . . . . . . . . . . 21. Das andere Dreieck. . . . . . . . . . . . 22. Soziale Unterschiede . . . . . . . . . . . 23. Fricka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24. Inszenierungen des Paares. . . . . . . . 25. Kindersorge . . . . . . . . . . . . . . . . 26. Chauvinismus . . . . . . . . . . . . . . . 27. Jüdische Fragen . . . . . . . . . . . . . . 28. Arme Leute und Dienstboten.. . . . . 29. Die Festspiele . . . . . . . . . . . . . . . 30. Die letzte gemeinsame Zeit . . . . . . . 31. Das Drama Levi . . . . . . . . . . . . . 32. Festspielleiterin – die Transformation . 33. Langer Abschied von der Welt . . . . .

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Inhalt

Anhang Stammbaum der Familie Cosimas.. . . . . Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmerkungen nach Kapiteln.. . . . . . . . Kinderbriefstellen in der Originalsprache . Bibliografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsnachweis. . . . . . . . . . . . . . Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Danksagung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Autorin.. . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . .

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Ouvertüre

O Kosel, O Kosel, mein holdes Getosel  !  ; gutes Mirakel  ; meine schöne Nachbarin  ; ewiges Preislied meines Lebens  ; Elisabeth, Elsa, Isolde, Brünnhilde, Eva in einer Person  ; Cosima Helferica Wagner  ; Schwester des Königs von Bayern  ; Zentralsonne  ; mein Stölzchen  ; Kapellmeisterin meines Lebens  ; meine Melodie  ; liebe Unentbehrlichkeit  ; gute Glucke  ; mein Urta-Quell  ; causa efficiens und finalis, Grund und Ursache des Lebens  ; Cosima, la Dieudonnée  ; mein gutes Bewußtsein  ; Salamander  ; mein Kothurn, meine Krücke, mein Stolzchen  ; Mater Gloriosa, Mater Amorosa  ; mein englischer Kupferstich  ; Neoterpe  ; Waldweibchen  ; meine gute Hälfte  ; Fons amoris  ; Lebensspen­ derin  ; Melusine  ; meine Kaiserkrone  ; Justitia, Sapienzia, Poesia  ; meine Lotos-Blume  ; Gazelle  ; meine Sonne zu allen Tageszeiten  ; mein Allah und Alles  ; mein schlankes Glück  ; römische Patrizierin  ; das ganze Wahnfried  ; mein Barometer  ; Paradeta  ; Webia, Urlögtrygia, Allerseelen-Weib  ; mein Bel âge, Belgiojoso  ; herrlicher Kerl  ; Schönheits-Müllerin  ; Napoleon  ; mein Alles’chen. Liebesnamen Richard Wagners für Cosima

1. Vorstellung

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osima Wagner. Ein merkwürdiges Leben. Ein atemloses Leben. Ein seltsam abgeschottetes und öffentliches Leben zugleich. Im Echo der musikalischen und politischen Welt polarisierend zwischen verehrender Anerkennung und gröbster Verachtung. Was Richard Wagner als Musiker im Urteil der Welt begegnete, hat Cosima Wagner, fokussiert auf ihre Person als Ehefrau und spätere Festspielleiterin, ebenso erfahren. Was wäre aus ihr geworden, wenn sie nicht geheiratet hätte  ? Eine Mischung aus Elly Ney, Clara Haskil und Martha Argerich  ? Eine anerkannte, wenn auch lebenslang im Schatten des Vaters beurteilte überragende Pianistin  ? Männer muss man selten fragen, was aus ihnen geworden wäre, wenn sie nicht geheiratet hätten. Sie wären das geworden, was aus ihnen geworden ist, vielleicht weniger umhegt. Aber irgendeine Hegerin hätte sich immer gefunden. Kann eine Frau ein selbstbestimmtes Leben führen, indem sie in der Unter­ stützung, der Mit-Arbeit, dem ordnenden Zuhören und der umfassendsten Fürsorge für einen Menschen lebt  ? Cosima Wagner hat sich für eben dieses Leben entschieden, voller lebenslang beharrlicher Skrupel, auch voller Freude, mit geradezu euphorischer Energie. Es war ihre Lebenswahl, die Realisierung ihrer in Kindheit und Jugend ausgeprägten Wünsche, nämlich wahrgenommen zu werden im Andern, in Unbedingtheit und im Risiko. Wäre sie nicht letztlich diese innerlich unabhängige und klarsichtige und entschlossene und stolze Frau geblieben, provokant bis zu ihrem letzten Lebenstag, gäbe es kein so widersprüchliches und bislang nicht beruhigtes Interesse an ihrer Person. Wagner war ein Genie, so anmaßend wie zutraulich, er konnte herzlich und schroff abweisend sein, kreativ und witzig, aber ebenso wehleidig und wankelmütig, er hatte es mit dem Leben schwer und mit sich, und gleichzeitig bereicherten und veränderten seine Kompositionen die Musikwelt für immer. Nur jemand wie Cosima, die in persönlicher Stärke, selbstausbeuterischer Kraft und Beharrlichkeit, mit viel Selbstzweifel und selbstironischem Blick ihr Leben immer sehr bewusst wahrnahm, konnte Wagner darin die Stirn bieten, ein Gegengewicht bilden. Sie behielt bei aller Nähe zu Wagners Plänen und Sorgen, zu seiner alltäglichen Lebensführung, ihren Reiseverpflichtungen und dem finanziellen Chaos immer doch eine innere Unabhängigkeit im Handeln. Diese Klarsicht bedeutete nicht, dass sie sich frei gemacht hätte von den Wertvorstellungen ihrer Zeit, insbesondere von dem rüden Antisemitismus, der nicht nur

Vorstellung 

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Wagner und sie verband. Auch Hans von Bülow, ihr erster Mann, steht beiden in verächtlichen Äußerungen über jüdische Musiker, Kritiker und Sänger in nichts nach. Dieser von ihnen gelebte Antisemitismus ist abstoßend und unverzeihlich und bleibt eine nicht zu heilende Wunde. Bayreuth war stets auch eine Welt der starken Frauen, zunächst im Hintergrund, dann mit Cosimas Festspielleitung offensichtlich. Weder Cosima (noch später Winifred Wagner) passten in das patriarchale Weltbild. Und bis heute werden Spitzen an Cosima ausgeteilt, die bei Männern nicht genannt würden, bei gleichen Fähig- und Unfähigkeiten. Ja, sie war sehr antisemitisch. Ja, sie war besessen von diesem Mann. Und ja, sie war nicht weiblich hübsch. Sie war in religiösen Fragen oft uneinsichtig, manchmal verlogen, aber sie war auch noch vieles andere. In diesen b ­ iografischen Skizzen soll den vielseitigen Eigenschaften, Verknüpfungen, Stärken und Schwächen, Leistungen und Versäumnissen dieser Frau nachgegangen werden, die mehr als andere die unterschiedlichen Entwicklungen, sozialen Differenzen, die Möglich­ keiten und Bestrafungen für weiblichen Ungehorsam in sich vereinte. Cosima Wagners Name scheint alles zu umfassen, was an Frauen verachtenswert schien, vor allem für eifersüchtige Wagnerianer, aber gern auch für Autoren, die selbstständige, nachdenkliche, talentierte, leidenschaftliche Frauen für zu anstren­gend halten. Im Lichte des Genies Wagner, mit ihm als »eigentliche« Figur, orientiert an seiner Biografie, wird Cosima Wagner fast selbstverständlich zu einer negativen, ja lächerlichen Figur. Man habe keinen Brief mehr an Wagner direkt schicken können, denn Cosima, ob nur neugierig oder gar unbefugt, habe sie einfach alle geöffnet. Sie hat Ehebruch gegenüber Hans von Bülow begangen, mit Wagner – ein Ehebruch, den man Wagner verzeiht und ihr übelnimmt. Sie sei unmusikalisch gewesen und es sei geradezu lächerlich, von ihren pianistischen Talenten zu sprechen, Vater Franz Liszt hin oder her. Geldgierig sei sie gewesen  ! Die Finanzen der Wagnerei habe sie an sich gezogen und von Verlegern, Intendanten oder selbst dem König Tantiemen oder Unterstützung im Namen Wagners verlangt. Zudem ist sie noch groß von Gestalt gewesen, überragte Wagner um mehr als einen Kopf, wies damit also irgendwie auf die kleine Statur des Genies hin. Es schwingt gern ein Hauch von Vorwurf mit, Wagner irgendwie eingesperrt, ihn ferngehalten zu haben von anderen Kontakten, ihm also vielleicht doch nicht im Sinne »unserer Sache« wirklich gedient zu haben. Umgekehrt ist gerade dieses Dienen negativ vermerkt. So fixiert auf ihn, so unterwürfig, allein schon das

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Vorstellung

Foto, das ihn stehend und sie sitzend und zu ihm aufblickend zeigt, das sagt doch schon alles. Für eine männliche Perspektive scheint diese Liste von abstoßenden Eigenschaften völlig ausreichend, um sich über Cosima Wagner zu erheben, ihre eigene Biografie nicht wichtig zu finden und dem Impuls nachzugeben, Wagner und Wagners Musik vor dieser schrecklichen Frau zu schützen. Bleiben zusätzlich die Vorwürfe der Judenfeindlichkeit und der Verknöcherung der Bayreuther Festspiele nach Wagners Tod. Ihr klar und konstant vorhandener Antisemitismus wird ihr als Frau mehr übelgenommen als ihren beiden Männern – sowohl was Wagner selbst betrifft als auch ihren ersten Gatten Hans von Bülow, dessen sehr aggressiver Judenhass lange überhaupt kein Thema war. Und ihre Leitung der Festspiele, die diese Institution nach dem unerwarteten Tod Wagners überhaupt erst festigte, wird nur unwillig zugestanden. Das »Ja, aber …« ihres zunächst praktizierten Festhaltens an den ästhetischen Vorstellungen Wagners scheint sehr lange ihre Verdienste überdeckt zu haben. Insbesondere ihre Leistungen als Regisseurin und Intendantin der Festspiele harren noch einer umfassenden forschenden Entdeckungs- und Bewertungsfreude. Es mag hinzukommen, dass Cosima Wagner eine soziale Stellung bekleidete, die sie, obwohl mit dem Makel der unehelichen Geburt versehen, so doch mit Erziehung, Bildung und privilegiertem Verhaltenskodex versehen hatte. Zweifellos war sie Wagner in der Sicherheit der Gesprächsführung, der gesellschaftlichen Usancen, der Mehrsprachigkeit und der Erfahrung familiärer Vermögensverwaltung überlegen. Sie stellte also eine Ehefrau »an der Seite von« dar, die auch die Unsicherheiten und Ängste des »Meisters« zu Tage treten ließ. Das mochten und mögen Wagnerianer nicht. Und wie bei einem Mobile, das alle Teile in Bewegung setzt, wenn nur eines lebhafter wird, verändert sich das Bild Wagners, wenn sich das Bild Cosimas klärt und zum angemessenen und auch würdigenden Blick verändert. Wie abhängig Wagner von seiner Frau war, von ihrer puren Gegenwart, zeigen die unzähligen Albträume seinerseits vom Verlust, von der Entfernung, selbst nur kurzzeitigen Abwendung Cosimas. Wie häufig erwähnt er fast klagend seine einfachere Herkunft – ohne Vermögen, ohne Sicherheit, das häufige Umziehen, die Unbehaustheit, die er in seinen Berufsjahren als Dirigent, polizeilich gesuchter politischer Aufständischer, als Schuldner erleben musste. Und wie glücklich ist er, dass Cosima in sein Leben Stetigkeit, Verlässlichkeit, in gewisser Weise Schutz zu bringen scheint. Sie ist mit seinem vollen Einverständnis, um nicht zu sagen seinem Auftrag, sein Schutzschild gegen die Überforderung durch all das, was in modernen Zeiten möglichst von »Kreativen« ferngehalten wird. Niemand be-

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schwert sich, wenn Karl Lagerfeld alles außer seinen Entwürfen seinem »Büro«, seiner Entourage überließ. Niemand spottet, wenn Ehefrauen als »Assistentinnen« ihre singenden, malenden, Theater spielenden, komponierenden, musizierenden Ehemänner in die Welt begleiten mit klaren Funktionen, sie zu bestimmten Terminen verbindlich dort zu haben oder eben auch von vielen Anfragen, Ärgerlichkeiten, möglichen Beunruhigungen des kreativen Flusses fernzuhalten. Cosima Wagner tat genau dies, zuverlässig, genau, bis hin zur Selbstausbeutung und Erschöpfung. Aber sie war darüber hinaus ein eigener Stern am gesellschaftlichen Himmel. Sie verstand es, Menschen mit Vermögen zur Unterstützung der Festspiele anzusprechen, die Wagner direkt nie hätte bitten können, weil er über den erforderlichen gesellschaftlichen Schliff nicht verfügte. Sie begleitete ihn auf seinen Reisen – möglichst nie wollte er getrennt sein von ihr –, sie wusste um alle seine körperlichen Probleme und arrangierte Arztbesuche und Kuren, sie kommunizierte auf dem damals höchsten technischen Niveau mithilfe unzähliger ausführlichster Telegramme, sie organisierte einen Hausstand mit fünf Kindern, entsprechendem Personal und pro Jahr mehreren halben Umzügen in die Schweiz oder nach Italien, ganz abgesehen von Arbeitsreisen, auf denen Wagner Konzerte gab oder bei Aufführungen seiner Werke zugegen sein sollte. Und er liebte es, sich mit ihr zu präsentieren, sich zu zeigen als erfolgreicher Komponist und erfolgreicher Mann. Hatte er doch seinem Freund und Förderer Liszt die Tochter und dem ihm ergebenen und bevorzugten Dirigenten Bülow die Frau abgeluchst, diese Frau, die nun – erst bei ihm – aufblühte, glücklich wurde, sich an dem rechten Platz im Leben fand und dies auch ausstrahlte. Die Widersprüche liegen auf der Hand und haben sie selbst immer neu beschäf­ tigt  : Cosima Wagner sah sich als dienende Frau, aber ebenso als fordernde, anspruchsvolle, leicht kränkbare Person. Viele der Ehekräche zwischen ihr und Wagner hatten die Stimmungsschwankungen und große emotionale Empfindlichkeit Cosimas zum Anlass. Häufig war Wagner über ihre Interessen, Einwände, Planungen zunächst hinweggegangen, mit schlechter Laune und Eifersucht – und entschuldigte sich meist danach einsichtsvoll. Dazu bedurfte es eines Gleichgewichts der Kräfte, das viele Cosima-Kritiker nicht sehen wollen  : Immer wieder betonte Wagner, wie gleichwertig und sich wechselseitig gewachsen sie beide seien und dass er nur eine solche Form von Ehe oder Verbindung führen könne. Ein weiterer Widerspruch liegt in der Betonung ihrer geradezu nonnenhaf­ ten körperlichen Zurückhaltung, die in ihrer vorgeblichen oder wirklichen Verschlossenheit für einige Menschen vielleicht sogar eine besondere erotische

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Ausstrahlung, ein gewisses Versprechen mit sich brachte. Ob aus Unerfahrenheit oder Kalkül verweigerte sie sich dem flirtenden Spiel in der Gesellschaft, es entsprach ihr nicht. Anders als ihre auffällig schöne Mutter Marie d’Agoult wurde Cosima früh als zu hager, verklemmt, ungeschickt, tolpatschig beschrieben, und sie selbst erinnert sich besonders aus ihren pubertären Jahren schmerzlich daran. Ihre »Liszt-Nase« wies zwar unübersehbar auf die Abkunft von ihrem berühmten Vater hin, wertete sie aber nicht auf. War sie doch irgendwie ein unerbetenes Kind, ein Anhängsel, nicht hübsch wie Schwester Blandine, kein Junge wie Bruder Daniel – verletzende, jedem Selbstbewusstsein abträgliche Beschreibungen von sich, die sie ertragen musste und die ihr wohl lebenslang zu schaffen machten. Noch in ihrer Ehe mit Bülow galt es als Aufwertung dieses ungelenken jungen Mädchens, dass der Herr Baron sie tatsächlich geheiratet hatte. Als müsse sie sich dafür bedanken, trotz all ihrer Negativpunkte, nämlich der unehelichen Geburt, der unklaren Lebensverhältnisse in Paris, von diesem so geschätzten Schüler des Vaters »erwählt« worden zu sein. Wie unfähig er war, Zuneigung zu leben, geht aus vielen Zeugnissen und Selbsteinschätzungen Bülows hervor. Spätestens aber mit der Erfahrung, von Wagner geliebt zu sein, entwickelte Cosima Selbstsicherheit, Charme und Souveränität. Und es ist kein Widerspruch, dass trotz dieser äußeren Geschliffenheit und Entschiedenheit die Erfahrungen der Herabsetzung in ihr bestehen blieben. Ihre Tagebücher sind voll davon. Die Beschreibung ihrer »Nonnenhaftigkeit« mag dabei sowohl eine deutliche körperliche Distanzhaltung bezeichnet haben als auch ihre fast fanatisch-konzentrierte Hinwendung zu den Zielen, die sie verfolgte und von denen sie kein männlicher Einwand und schon gar keine Galanterie abbringen konnten. Die verachteten »Blaustrümpfe« galten der damaligen Gesellschaft als diejenigen Frauen, die Bildung für Sex getauscht hätten, die Fräuleins blieben, weil sie berufstätig waren und weil kein Mann der gebildeten Stände eine berufstätige Frau haben wollte. Cosima Wagner war in gewisser Weise ein solcher »Blaustrumpf«, der den Kampf für die Wagner’sche Musik, für deren Aufführungen, für deren Tantiemen und vor allem für deren Fortsetzung durch weitere Kompositionen von Richard Wagner auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Heute würde man eine solche Tätigkeit die einer Musikagentin nennen. Dass sie aber diesem Musiker gleichzeitig in leidenschaftlicher Liebe verbunden war, in so leidenschaftlicher, dass drei Kinder geboren wurden, die sie im Einverständnis mit beiden Ehemännern gemeinsam erzog, fügte dem einfachen Bild des »Blaustrumpfs« den körperlichen Aspekt eines zumindest zeitweise aktiven sexuellen Lebens hinzu. Damit war für Cosima kein gängiges Bild der damaligen Gesellschaft passend.

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Ein Wort zur Namensnennung Cosima Wagners in diesen biografischen Skizzen. Es ist üblich geworden, Frauen in ihren Biografien mit ihrem Vornamen zu nennen, also »Cosima hatte …«, »Cosima wollte …«. In einer Biografie über Richard Wagner würde kein Biograf fortwährend von »Richard« schreiben. Mit Frauen aber wird gern verfahren wie mit Kindern, der Vorname genügt. Inzwischen empfinde ich eine solche Nennung als nicht mehr angemessen und hätte mich gern entschieden, Cosima Wagner immer bei ihrem vollen Namen zu nennen  : Cosima Liszt, Cosima von Bülow, Cosima Wagner  – Namen des Vaters, des ersten und des zweiten Mannes, patriarchale Zugehörigkeit. Inkonsequent habe ich mich letztlich doch für »Cosima« entschieden, weil sie mir im Laufe der Beschäftigung mit ihr näher gekommen ist.

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1  Cosima Wagner in ihrem kostbaren »Ma(ha)radscha«-Gewand. Die Sitzungen mit dem Maler Paul von Joukowsky für das Ö ­ lgemälde, das heute wieder im Wahnfried-Salon zu sehen ist, begannen im Februar 1880 in Neapel.

2. Eine Erscheinung

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osima ist eine auffällige Erscheinung gewesen. Sehr groß für eine Frau, schlank bis mager, gekleidet in handgefertigte Modellkleider, die aus Paris, London, Wien, Berlin, Mailand und Venedig geschickt wurden. »Das moderne Straßenkleid berührte an ihr nahezu fremd.« Das Haar, das lange Haar, das auf Fotografien mal hell, mal eher dunkel erscheint, trug sie mit einem Mittelscheitel, rechts und links aus den Schläfen nach hinten, leicht gelockt, und dann die Fülle als schweren Zopf kunstvoll im Nacken verschlungen. Das lässt die hohe Stirn frei und wird von ihr so getragen, solange Wagner lebt. 1881, auf dem Foto der Familie an der Gartenseite von Wahnfried, sind die Haare bereits ergraut. Wahrscheinlich hat, außer den Dienstboten, nur Wagner Cosima mit gelöstem Haar gekannt. Er liebt an ihr das aufgelöste Haar der Intimität, ihr »Genovefen-Haar«, das sie sich bei seinem Tod abschneiden und ihm ins Grab mitgeben wird. Die Sängerin Anna Bahr-Mildenburg beschreibt später ihr »seidiges, spinnwebfeines, lockiges Haar in dichter, schwerer Fülle über einer hohen, weißen, ungemein zart und reich durchzeichneten, fast männlichen Stirn.« Der vertraute Eindruck ist geblieben, das weiße, leicht gewellte Haar mit Mittelscheitel, das ihr Gesicht umrahmt. Judith Gautier, vermutlich eine Geliebte Wagners, hat Cosima bewundernd als »blond, groß und graziös, mit einem schönen Lächeln und blauen, süßen und träumerischen Augen« geschildert und ergänzte  : »Die Sympathie, die sie mir vom ersten Augenblick an einflößte, wurde nie Lügen gestraft. Unsre Freundschaft, die schon alt ist, hat nie Wolken gekannt.« Cosimas Stimme soll besonders reizvoll gewesen sein, auch wegen des beibe­ haltenen kleinen französischen Akzents. Über die Kraft, mit der sie sprach, berichtet der Schweizer Schriftsteller und Zeitgenosse Walther Siegfried  : »Bei der ersten Begegnung überraschend, immer aber neu eindringlich wirkte auf jedermann auch die eigenartige Gewalt ihrer Stimme, dieser ungewöhnlich tiefen, klangvollen Stimme, die im ruhigen Gespräche ganz weiblich, im steigenden Disput, vollends beim kraftvollen Behaupten und Verteidigen, eine männliche Energie annahm, wobei auf dem bedeutenden Munde oft plötzlich etwas von der berückenden Dämonie ihres Vaters Liszt erschien.« Ihr Enkel Franz Wilhelm Beidler wird sie später geradezu bewundernd schildern  : Man habe eine Gesamterscheinung gesehen, »die fast allgemein als harmonisch, als zierlich und beinahe zerbrechlich zart empfunden wurde. Einmal fehlte alle Schwere. Die

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Eine Erscheinung

Gestalt schien sich wie schwebend zu bewegen, bis ins höchste Alter hinein. Dann sind alle Betrachter vom Spiel der Gebärden bezaubert worden. […] Aber nicht nur in der Bewegung, sondern auch in vollster Ruhe verschwanden die Grundlinien der Körperlichkeit wie hinter Schleiern und wurden vergessen vor einer Haltung, die, in sich zwiegespalten, bald weiblich sanft und müde hinfließend, bald wie von mühsam verhaltener Über-Gespanntheit gestrafft und versteift erschien. […] Mit der halb nur geahnten Vorstellung, als triumphierten in dieser Gestalt geistig-seelische Formungsprinzipien auf eine geheimnisvoll-ungreifbare Weise über widerspenstige Materie, entstand im Betrachter ein gleichsam metaphysisch befriedigender, tief reizvoller Eindruck.« So war Cosima eine fordernde Erscheinung, die die unterschiedlichsten und sehr geteilten Reaktionen hervorrief. Und der Maler Franz von Lenbach, der mit dem Ehepaar Wagner befreundet war, hat gern den Gang der beiden nachgemacht  : »Wagner mit jedem Schritte Besitz von der Welt ergreifend, Frau Wagner den Boden kaum berührend.« Eine solche, gleichsam schwebende, offensichtlich sehr gleichmäßige und hoch aufgerichtete, stolze Form, sich zu zeigen – in den unterschiedlichsten sozialen Situationen, ebenso als »Chefin« wie als Begleiterin, als Gastgeberin in Wahnfried oder dem Festspielhaus wie als Verhandlerin mit Verlegern oder Intendanten. Cosima bewies eine große Erfahrung und Gelassenheit in ihrer Selbst-Präsen­ tation. Das braucht Übung, Selbst- und Fremdkorrekturen, eine Konstanz der Selbstkontrolle und die Phase, in der Anspruch in Selbstverständlichkeit über­ gehen kann. Die aristokratische Herkunft übersetzte sich in allen ihren Lebens­ phasen in ihre Bewegungen und ihre Weise, mit anderen in Kontakt zu kommen. Bahr-Mildenburg, die sehr genaue Beobachterin, beleuchtet einen Empfang in Wahnfried  : »An der Eingangstür der Halle empfing Frau Wagner ihre hohen Besuche, und wenn dann ihre stolze Gestalt in tiefer Verbeugung zusammensank, so schien es mir immer mehr ein Hinabneigen als ein Verneigen.« Nicht selten war die fast männliche, androgyne Seite Cosimas ebenso e­ ntdeckt worden  – wach, zupackend, energisch. Sie brauchte keinerlei Geste der Unterwerfung, auch nicht unter Wagner, um präsent zu sein. Noch im Alter, berichtete ein Zeitzeuge, »lehnte Frau Cosima sich bei Tische nie an die Rücklehne des Stuhles, sondern saß in prachtvoller Haltung da. Als man einmal davon sprach, erwiderte sie, an ihre prägende Erzieherin erinnernd  : ›Da würde Madame ­Patersi sich ja noch aus dem Grab erheben  !‹« Nochmals sei Anna Bahr-Mildenburg zitiert, eine gefeierte Wagner-Interpretin und Parsifal-Kundry in Bayreuth. Als sie 25-jährig, für ein Engagement 1897 zum ersten Mal nach Bayreuth kam, wurde sie von Cosima empfangen  :

Eine Erscheinung 

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»Aber nun öffnete sich zum Glück die Tür, und auf mich zu kam eine große schlanke Frau, in schwarzem, weich herabfallenden Kleide. Ihr Gang hatte etwas Unkörperliches, Gleitendes, aber dabei doch wieder etwas ganz Unnachgiebiges, Bestimmtes, Willendurchdrungenes, und das stand ebenso deutlich auch auf dem langen, schmalen, blassen Gesicht geschrieben, über dessen hoher Stirne sich prachtvolles ergrauendes Haar weich um den Kopf schmiegte und aus dem mich zwei unendlich gütige Augen grüßten, während es mir aber doch war, als ob sie meine ganze Seele absuchten und abschätzten und sich meines ganzen Wollens bemächtigten. Und so redete alles in diesem Gesicht mit, und wenn mich die strenge markante Nase kleinlaut und verzagt machen wollte, ließ mich doch der schmallippige, wunderschöne Mund mit seinem weichen Lächeln wieder mehr hoffen als fürchten, und als ich dann die Hand der schönen Frau in der meinen spürte, wurde mir heiß, und mein Herz neigte ich ihr zu.«

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3. Widersprüchliche Herkunft

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osimas Herkunft ist die einer Prinzessin und die eines Waisenkinds. Ihre Mutter Marie d’Agoult gehört zum Hochadel, der Vater Franz Liszt zur Musikerelite seiner Zeit. Beide Eltern sind abwesende Eltern. Cosimas Mutter ist die 1805 geborene Tochter des französischen Aristokraten Alexandre de Flavigny und der deutschen Bankierstochter Maria Elisabeth Bethmann. Bereits deren Ehe war gegen den Willen der Frankfurter Eltern geschlossen worden  – eine erste rebellierende Tochter, wie es später auch die Comtesse Marie d’Agoult und ebenso Cosima sein werden. Marie de Flavigny wächst mit guter Erziehung und zunächst relativ frei im Familienschloss Mortier bei Tours auf. Nach dem Tod des Vaters übersiedelt sie noch einmal mit der Mutter nach Frankfurt, sie bewegt sich also zwischen beiden Kulturen, in zwei Sprachen, so, wie es später auch für Tochter Cosima normal sein wird. Marie de Flavigny entscheidet sich 1827 für eine sozial »passende« Heirat mit dem Grafen Charles d’Agoult, Mitglied einer altadeligen Offiziersfamilie. Sie hat mit diesem Mann zwei Töchter, Claire und Louise, letztere stirbt im Alter von sechs Jahren. 1834, im Jahr dieses Verlustes lernt Marie d’Agoult den Klassik-Star Franz Liszt persönlich kennen, Hector Berlioz hatte ihn in den Salon der Gräfin eingeführt. Marie verliebt sich in diesen angesagtesten Virtuosen der Pariser Musikwelt – die gegenseitige Anziehung ist sofort da – und sie beschließt im Frühjahr 1835, ihren Mann zu verlassen. Es beginnt die euphorische, dramatische und zunehmend kompliziert werdende Beziehung dieser beiden so unterschiedlichen Menschen. Marie d’Agoult bekommt mit Liszt, mit dem eine Heirat nie Thema sein wird, drei illegitime Kinder. Cosima ist das mittlere, eines dieser Kinder, die um Aufmerksamkeit kämpfen müssen, weil die ältere schöne Schwester und der jüngere zarte Bruder offenbar attraktiver sind. Cosima klagte ihr Leben lang darüber, wie wenig sie Kontakt mit ihrer Mutter habe pflegen können, wie sehr sie ihr gefehlt hat. Dennoch war sie – wenn auch in Distanz – in das Milieu ihrer Eltern eingebunden. Sie wurde in deren Sinne erzogen, mit deutlichen Unterschieden bei Vater und Mutter, und in der Regel vermittelt über Dritte. Wie konnte die so ferne Mutter, der Cosima nur ab und an, dann aber im Glanz, begegnete, konkrete Orientierungsperson sein  ? Marie d’Agoult war ein lebhafter, mitteilsamer Mensch, eine mutige Frau, was ihre privaten Lebensentschlüsse betraf, sie publizierte gern über sich, war selbst Thema – nicht nur – der Pariser Gesellschaft. Allerdings empfand sie sich als jun-

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ges Mädchen durchaus als schüchtern  : »Und ich litt, was gar nicht so selten ist, wie man gemeinhin annimmt, bei aller Kühnheit, aller Beschwingtheit des Geistes und der Einbildungskraft, unter einer sehr großen Scheu.« Marie war privilegiert, aber auch gefangen in einer Adelsschicht, die die Französische Revolution verachtet hatte und den wieder errungenen, restaurativen Status genoss  : »Es ist überaus schwer, sich heute vorzustellen, was die Ansichten und was die Macht der aristokratischen Gesellschaft, in der ich aufgewachsen war, bedeuteten. Sie war stolz auf ihr Alter, exklusiv und verachtete alles andere. Der alte Adel des Hofes, der aus der Emigration mit seinen Fürsten zurückgekehrt war, hatte in jedem Lande nur seinesgleichen gesehen. In der Revolution erblickte er lediglich einen Angriff auf seine unverjährbaren Rechte. Den verlorenen Vorrechten setzte er doppelte Verachtung für neue Ideen, Sitten und Personen entgegen. […] Was vermochten die unbestimmten Triebe, die wirren Ahnungen, die Schwäche und die Unwissenheit eines jungen Mädchens gegen solche Beherrschung der öffentlichen Meinung  ?« Über ihre Entscheidung zu der standesgemäßen Ehe mit dem Grafen d’Agoult schrieb Marie  : »Vom Tage meiner Hochzeit an hatte ich keine glückliche Stunde. Das Gefühl einer völligen Vereinsamung meines Herzens und meines Verstandes inmitten der neuen Beziehungen meines Lebens als Frau, ein schmerzliches Erstaunen über das was ich getan, als ich mich einem Manne vermählte, der mir keine Liebe einflößte, hatten schon seit jenem ersten Tage Todestraurigkeit über mich geworfen.« D’Agoult schilderte damit eine Erfahrung, wie sie ihre Tochter Cosima ähnlich machen würde in ihrer ersten Ehe mit Hans von Bülow  : Cosima wird an der Kälte und dem Desinteresse ihres Mannes leiden, für den sie sich vermeintlich aus freien Stücken entscheidet – das mütterliche Muster. Marie d’Agoult wurde streng katholisch erzogen, was sie, selbst wenn sie später zum Teil anders darüber dachte, auch ihren Kindern als Richtschnur nahebrachte. Die katholische Erziehung war zudem von Seiten der väterlichen Familie gewünscht. Marie besucht für einige Zeit die Klosterschule Sacre Cœur de Marie de Paris und nimmt die Frömmigkeit an, bleibt gleichzeitig rege und neugierig und wird sich à la longue gern auf ihre protestantische Mutter beziehen, wenn sie ihre Kritik am Katholizismus formuliert. Auch Tochter Cosima, streng katholisch erzogen, wird zwischen den Religionen wechseln, sie wird Wagner zuliebe sogar zum Protestantismus übertreten. Marie d’Agoult sprach nachträglich von gewaltigen Zweifeln, die den ursprünglichen katholischen Gehorsam ablösten  : »Die Religion bot mir ihre Tröstungen an, und ich nahm auch zu ihnen Zuflucht. […] Wenn ich, die ich in Ehrfurcht vor der Heiligen Schrift erzogen war, ohne Hintergedanken und ohne Anmaßung die Deuter des Gotteswortes befragte, so geschah es in der Erwar-

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tung, mein Glaube werde sich dadurch befestigen. […] Genau das Gegenteil trat ein. Infolge der Aufmerksamkeit, die ich den Lehrbüchern der Kirche schenkte, durch das Studium der heiligen Texte und dank der Anlage zur Kritik, die mir vielleicht dunkel aus dem protestantischen Blut meiner Mutter zugeflossen war, und die ich mir nicht zugetraut hatte, weil ich sie niemals geübt, kam mir bei diesem ersten freien Verkehr mit mächtigen Geistern die erste Furcht vor dem Zweifel.« Der Freigeist, der Marie d’Agoult schließlich wurde, die Unvorsichtige und öffentlich Aufbegehrende  : Das wird für Cosima keine einfache Seite ihrer Mutter gewesen sein. Die erste Faszination, die Franz Liszt auf einer Soirée bei ihr auslöste, hat Marie wie folgt festgehalten  : »Hochgewachsen und überschlank, ein bleiches Antlitz, mit großen meergrünen Augen, in denen plötzlich Lichter aufblitzen konnten, als träfe ein Strahl die Welle  ; leidende und doch gebietende Züge, unsicherer Gang, der mehr dahinglitt als schritt  ; zerstreute, unruhige Miene, wie die eines Phantoms, das jeden Augenblick in die Finsternis abgerufen werden kann  : das war der Eindruck von dem jungen Genie, das vor mir stand«. Die Annäherung der beiden, von denen allgemein festgestellt wurde, sie sähen sich ähnlich wie Zwillinge, war sensationell und natürlich nicht standesgemäß. Ein adeliger Verwandter Maries, so später ihre Erinnerung, »warf einige Bemerkungen über die Exzentrizitäten der Künstler hin und über die Unschicklichkeit, die darin läge, ihnen Zutritt zu gewähren und sich mit ihnen auf einen Fuß zu stellen.« Diese soziale Unterschiedlichkeit wurde in der Verbindung von d’Agoult und Liszt zunächst überbrückt, dann aber nur zu deutlich und schmerzlich wahrgenommen. Und offenbar war d’Agoult sich dessen bei Liszt von Beginn an bewusst, wenn sie ihre erste Begegnung beschreibt  : »Ich hatte bei dem Künstler während unserer Unterhaltung etwas wie Argwohn wahrgenommen, wie eine Art Hast, an den Unterschied des Ranges zu erinnern, als ob er fürchte, daß man sonst ihn daran erinnern werde. Die Bemerkung des Verwandten hatte mich auf etwas gebracht, woran ich noch keine Gelegenheit gehabt hatte, zu denken  : an den Unterschied des Namens, des Blutes und des Vermögens, den wir dem Zufall verdanken, und der uns anderen Menschen überlegen macht. Jetzt fühlte ich mich durch diese anscheinende Überlegenheit im Verkehr mit einem Menschen befangen, dessen ungeheure Begabung, und wie ich nun schon zu wissen glaubte, dessen Charakter ich in meiner eigenen Wertschätzung hoch über mich stellte.« Sie etablierte damit in der Hierarchie die Höherstellung des Mannes, des genialen Mannes aus ihrer Sicht. Ihr »Überlegenheitsgefühl« war nach sozialer Herkunft gerechtfertigt, im Hinblick auf Begabung und Leistung aber blieb sie Liszt unterlegen. Nach Frauenweise hatte sie zwar eine gute Erziehung genießen

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können, doch  – aus dem Verständnis ihrer Klasse heraus  – keinen Beruf. Sie beschäftigte sich aus Neugierde und freien Stücken mit den politischen Zusammenhängen ihrer Zeit und schaffte es sogar, meist aber unter männlichem Pseudonym, Artikel und Bücher zu publizieren. Niemals ein Brotberuf. In ihrer eigenen Einschätzung ordnete sie sich deshalb dem talentierten und Vermögen erspielenden Liszt unter. Franz Liszt, 1811 in Raiding geboren, zugehörig zum Königreich Ungarn und Kaisertum Österreich, war der Sohn des Verwaltungsbeamten und Musiklehrers beim Fürsten Esterházy, Adam Liszt. Franz ist auffällig begabt und reist früh als Wunderkind zunächst noch mit den Eltern durch Europa. Er ist Objekt des Staunens, der Bewunderung und gute Einnahmequelle für die Familie. Er veranstaltet Privatkonzerte bei Adeligen, die für damalige Verhältnisse ungewöhnlich hohe Honorare einbringen, und große öffentliche Konzerte. Paris feiert den ­»Petit Litz«, ein Spitzname, der ihm in Variationen noch lange anhängt. In Paris entsteht früh der fast lebenslange Kontakt zum Klavierhersteller Érard, zunächst zu Sébastien Érard, dann zu dessen Neffen und Nachfolger Pierre Érard, der ihm später seine Konzertflügel zur Verfügung stellen wird. Liszt ist zwölf Jahre alt, als er von Paris weiter nach London reisen und verkraften muss, dass seine Mutter Anna nicht mehr mitreist. Liszt stammt aus eher kleinen Verhältnissen, die bürgerliche und adelige Usance, Kinder Erziehungspersonen zu überlassen, ist er nicht gewohnt. Das Verhältnis zur Mutter ist eng, es ist für ihn ein Verlassenwerden, als sie zurück nach Österreich geht, zu einer Schwester in der Steiermark. Der Vater begleitet ihn nach wie vor, Förderer und Forderer, streng und auch dankbar – und begeistert von diesem Kind. Bei einem Aufenthalt in Boulogne-sur-Mer infiziert sich der Vater tödlich, er stirbt am 28. August 1827, kurz vor Liszts 16. Geburtstag. Durch diesen Tod ändert sich die Haltung der Mutter. Sie steht ihrem halbwüchsigen Sohn jetzt bei, dessen Zukunft so offensichtlich in der Musik und im Virtuosentum liegen wird. Die zwei ziehen im September 1827 nach Paris. Was einfach klingt, war für beide ein großer Schritt. Der junge Liszt wird bis dahin leidlich Französisch gelernt haben, wichtigste Voraussetzung für das gesellschaftliche Leben, das neben die musikalische Anerkennung treten soll. Liszts Mutter wechselt mit Paris komplett ihr Milieu. Als »Jungfer Maria Anna Laager« war sie zunächst als »Stubenmagd bey der Frau von Kurzbeck, geb. von Krems« in Wien tätig gewesen. Sie spricht reinstes österreichisches Idiom, vielleicht ein wenig Ungarisch durch ihre Jahre mit Mann und Sohn in Raiding. Ihr Wechsel in die französische Hauptstadt lässt sie dort in erster Linie für den

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Sohn sorgen, später dann für die Enkelkinder. Eine treue, genaue, herzliche Frau, deren soziale Position einfach bleibt, selbst wenn der Sohn im Laufe der Jahre und Jahrzehnte sehr viel Geld verdient und in andere Kreise aufsteigt. Die Mutter wird seine Adresse bleiben für unzählige Aufträge praktischster Art, die der Sohn von seinen Reisen mitteilt. Sie selbst kann schreiben, wenn auch ungelenk. Ihre Enkel werden sie sehr lieben, eine eher unverstellte direkte Person – und damit ganz anders als der gehobene Adel, in den ihr Sohn spätestens durch die Beziehung zu Marie d’Agoult einbezogen ist. Liszt sieht seine eigene Position in der vornehmen Gesellschaft sehr kritisch. Er schreibt  : »[…]  nur mit Widerwillen ertrug ich die schlecht verhehlte Erniedrigung des Künstlers zum Bedientenstande. […] erniedrigt zum mehr oder minder einträglichen Handwerk, gestempelt zur Unterhaltungsquelle vornehmer Gesellschaft. Ich hätte alles in der Welt lieber sein mögen als Musiker im Solde großer Herren, patronisiert und bezahlt von ihnen wie ein Jongleur.« Ungeachtet der großen persönlichen Unterschiede lassen sich Franz Liszt und Marie d’Agoult aufeinander ein, vielleicht auch, weil Marie sich selbst eher der Bohème zuordnen möchte, gern ein »unordentliches« Leben führen will, immer mit einem Blick auf eine zu schockierende Öffentlichkeit. 1835 schließen sich beide in einem freien Bündnis zusammen. Da sind sie schon in der Schweiz, die auf vielerlei Weise ihr Fluchtort wird. Liszt ist materiell gut ausgestattet, er kommt für beider Lebensunterhalt auf, eine frühe Weichenstellung, die letztlich ihrem Verhältnis nicht gut tun wird. Nicht umsonst sind beide mit der Schriftstellerin und emanzipationsbegeisterten George Sand befreundet. Miteinander genießt man die Freiheit von Konventionen, Beziehungen und Geschlechterordnungen. Von einem gemeinsamen Aufenthalt in Chamonix wird über die drei berichtet  : »Die Haare trugen sie alle lang à la Liszt. Diese merkwürdige Schar, die oft für eine fahrende Kunstreitergesellschaft gehalten wurde und bei der man nicht unterscheiden konnte, wer Mann oder Weib, wer Herr oder Diener sei, setzte die Bewohner des Hotel Union in Chamonix in nicht gelinden Schrecken und veranlasste den Wirt, mehrmals täglich seine silbernen Löffel zu zählen. Liszt hatte sich im Fremdenbuch als ›Musicien-philosophe, né au Parnasse, venant du Doute, allant à la Verité‹ eingezeichnet.« Eine selbstverliebte Gesellschaft mit Lust an der Provokation. Ein demonstratives Leben, das nicht lange durchzuhalten ist. Am 18. Dezember 1835 bringt Marie das erste ihrer drei Kinder, die sie mit Liszt haben wird, zur Welt – ein Mädchen. Blandine wird zu einer Amme gegeben, wie üblich, die Beziehung der beiden ist auch ohne Kind aufregend und

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schwierig genug. Im Juli 1837 brechen beide nach Italien auf, Marie ist bereits mit dem zweiten Kind schwanger. Am Comer See lassen sie sich zunächst in Bellagio nieder, erst ist die Villa Melzi ein neues Zuhause auf Abruf, dann das Hôtel dell’Angelo in Como. Am 24. Dezember wird dort Cosima laut Geburtsschein als Francesca Gaetana Cosima Liszt geboren. Ihr dritter Vorname bezieht sich auf den heiligen Cosmas, den »Arzt« unter den katholischen Heiligen. Cosima feiert dessen Jahrestag, den 26. September später immer als ihren persönlichen Namenstag. Als Eltern der Neugeborenen sind eingetragen Francesco Liszt und Catarina de Flavigny – ein halbes Inkognito für die Mutter, die Kinder sind juristisch sowieso allein vom Vater zu vertreten. Die hochadelige, illegitime Herkunft der Kinder beschäftigt jetzt eher noch niemanden. Blandine ist zwei Jahre alt, die ältere und nach allgemeinem Urteil »schönere« Schwester. Bereits im Februar 1838, zwei Monate nach der Geburt Cosimas, reist Liszt nach Mailand, er gibt Konzerte, will Geld verdienen, lässt Marie mit den Kindern in der Schweiz zurück – ein verletzender Schmerz zunächst für die Comtesse, der lebensgeschichtlich aber genauso und noch tiefer für die Töchter bleiben wird  : Der Vater ist unterwegs. Er arbeitet, er schreibt ab und zu, er ist so wichtig, dass er nicht hier sein kann. Liszt macht sich einen wirklich großen Namen durch sein unglaubliches Talent, seine Schönheit, sein Virtuosentum, seinen Charme. Er gibt Konzerte in Wien, wo er ungarische Überschwemmungsopfer mit den Einnahmen seiner Konzerte unterstützt. Er reist als gewissermaßen alleinstehender Star. Robert Schumann, der ihn als Musiker sehr verehrt, schreibt über eine Begegnung mit Liszt in Leipzig  : »Liszt kam nämlich sehr aristokratisch verwöhnt hier an und klagte immer über die fehlenden Toiletten und Gräfinnen und Prinzessinnen, daß es mich verdroß und ich ihm sagte, wir hätten hier auch unsere Aristokratie, nämlich 150  Buchhandlungen, 50  Buchdruckereien und 30  Journale, er solle sich nur in acht nehmen.« Auch da stießen zwei Welten aufeinander, die des bürgerlich gebildeten und gut verankerten Schumann mit Liszt, der zeitlebens an seiner mangelnden Schulbildung litt und sich ab und an wie ein Hochstapler gefühlt haben mag. Es kommt weiter zu eher kurzen Begegnungen des Paares, das Pläne macht und die getrennten Lebenswelten als vorläufig ansieht. Am 9. Mai 1839 kommt das dritte Kind zur Welt, Daniel, der einzige Sohn. Daniel, der jüngste, der zarteste. Kein Grund zur Freude  ? Marie schreibt einen Monat später an George Sand  : »Leider ist Franz wieder einmal recht melancholisch. Der Gedanke, nun Vater dreier kleiner Kinder zu sein, scheint ihn zu verstimmen.« Eine symptomatische Situation  : Die dreifache Mutter bräuchte einen Monat nach der Niederkunft selbst dringend Fürsorge und Beistand. Ihr fehlt ein zuver-

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sichtlicher und stützender Partner, zumal sie sich gesundheitlich nur sehr schwer von der Geburt erholt. Liszt aber ist in seinem Musiker-Tunnel. Er braucht das Reisen, er braucht das Spielen und er braucht die Einnahmen. Im November 1839 geht Marie d’Agoult zurück nach Paris. Dort ist wenigstens Liszts Mutter Anna. Es beginnt eine lange Wartezeit auf Liszt, die Briefe füreinander, oft mehrere pro Tag und ebenso oft aneinander vorbei, weil verspätet ausgeliefert, zeigen das komplizierte Verhältnis, die Spannungen, die immer wieder neu entfachten Erwartungen. Die Kinder sind vier, zwei und ein halbes Jahr alt. Wie oft haben sie mitbekommen, dass die Mutter auf den Vater wartet  ! Dass der ausbleibt, wird ein prägendes Wissen. Immer wieder versucht das Paar, sich ein gemeinsames Nest zu bauen, so insgesamt drei Mal auf der Insel Nonnenwerth im Rhein mit Aufenthalten, die beide genießen und an die sie sich ungetrübt erinnern. Die Briefe späterer Jahre von d’Agoult an Liszt sprechen eine klare Sprache, sie fühlte sich nutzlos, passiv, missachtet von ihm und war nach eigenen Aussagen neidisch auf das Publikum, das seine Nähe erfuhr, während sie auf dem Land innerlich nach seinem Reisekalender mitlebte. Diese unangemessene Warteposi­ tion beendet Marie, sie zieht zurück nach Paris. Eine Zeitlang untersagt Liszt den Kontakt zu den ebenfalls in Paris lebenden Töchtern, schließlich aber kann sie die inzwischen halbwüchsigen Kinder treffen. Ihr Selbstwertgefühl aus alten Tagen kehrt wieder, der alte Stolz, das Temperament. Cosima und ihre Schwester erleben die Mutter dann auch entsprechend. Bei diesen späteren Begegnungen mit der Mutter ist davon auszugehen, dass die Töchter um ihre illegitime Herkunft wussten und sie bei jedem Besuch mit Verheimlichen, Stundenbegrenzung, möglichen Konsequenzen durch den häufig grollenden Liszt je neu erlebten. Das Beispiel der Bindung ihrer Mutter an ein musikalisches Genie, wie Liszt in seiner Jugendzeit durch seine großartige pianistische Fähigkeit genannt wurde, vermittelte Cosima eine klare Stufung, ein Beispiel weiblicher Passion für den geliebten Mann. Marie d’Agoult beschrieb ihre eigene Liebe so  : »Meine Leidenschaft für Franz […] grenzte an Fanatismus. Ich sah in ihm ein besonderes Wesen, das allen andern überlegen war. Bei meinem Hang zu einem Aberglauben des Herzens meinte ich in einer Art von mystischem Wahn, ich sei von Gott berufen, der Größe, dem Heil dieses Genies geopfert zu werden, das nichts gemein hatte mit den übrigen Menschen, und das nicht mit den üblichen Maßen gemessen werden durfte. In dieser Liebesekstase, die mir zweifellos aus dem germanischen Blut meiner Mutter kam, glaubte ich, alles, was ich an Wünschen, Willen, Zu-

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2  Ein musikalisch-literarisches Gesellschaftspanorama: Liszt spielt heißt dieses Ölgemälde von Josef Danhauser aus dem Jahr 1840. Wir sehen Franz Liszt am Flügel, links von ihm mit Zigarillo George Sand, zeitweise seine Freundin und Reisegefährtin, daneben der Romancier Alexandre Dumas sowie dahinter stehend von links der Schriftsteller Victor Hugo, der Geiger Niccolò Paganini und der Komponist Gioacchino Rossini. Vorne rechts und nur per Rückenansicht Marie d’Agoult. Die Comtesse sitzt zu Füßen des Geliebten, angelehnt an den Flügel. Es ist eine der raren gemeinsamen Abbildungen des rebellischen Liebespaares Liszt und d’Agoult.

neigungen, Pflichten und Gewissen hätte, für ihn opfern zu müssen.« Welch ein Lebensmodell  ! Gerade aus dem höheren sozialen Status heraus, gerade aus der der Vernunft huldigenden Haltung des französischen Adels und aus der traditionell national gesinnten Schicht Frankreichs heraus, rechtfertigt Marie d’Agoult hier ihren ganz anderen Weg  : den eines gewissen Mystizismus in ihrem Bild des geliebten Mannes. Nicht umsonst ist der Hinweis auf »germanische« Nähe sowie die Orientierung auf das Opfer, das zu bringen ist. Auch wenn das »Germanische« im Französischen nicht den in Deutschland abträglichen Klang hatte und hier in der Übersetzung erscheint, so bezieht sich Marie d’Agoult doch an vielen Stellen auf ihre eigene deutsche Mutter, betont damit das Bi-Nationale ihrer Existenz, das Cosima später genauso leben wird. Es dauert nur sechs Jahre, dass aus diesem außergewöhnlichen, sensiblen, leidenschaftlichen, mit Anerkennung und Vermögen gesegneten Paar Feinde wer-

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den. Marie d’Agoult, inzwischen journalistisch und schriftstellerisch tätig und mit genügend Zorn ausgestattet, veröffentlicht gegen den Rat aller ihren Enthüllungsroman Nelida, dessen Titel ein Anagramm des Sohnesnamens Daniel ist. Sie macht hier ihre Rechnung mit Liszt auf, beschreibt ihn enttäuscht und gehässig, stellt ihn bloß. Die beiden Töchter kommen zu diesem Zeitpunkt in das bekannte Pariser Erziehungsinstitut von Louise und Laure Bernard. Marie d’Agoult kann sich erfolgreich ihrer neuerlichen Integration in die Pariser Gesellschaft, gemäß ihrer Herkunft, widmen. Das Über-Euphorische, Überdrehte, Über-Begeisterte, das sich sogar noch in den schriftlichen Zeugnissen von Marie d’Agoult zeigt, ist für Cosima das Vorbild, sie kennt es nicht anders. Ein Vater, der grenzenlos verehrt wird und für den jedes Opfer der Mutter gerechtfertigt scheint, eine Mutter, die sich im Bunde mit höheren Mächten fühlt, wenn sie die Liebe zu diesem auserwählten Mann lebt. Es ist die Opferbereitschaft, die dabei überrascht, die Marie d’Agoult wahrlich nicht nötig hätte, die sie aber für sich mit Freude annimmt. Ihre Kräfte, ihre Talente bekommen eine Richtung, sie ist die Verdopplung, Verstärkung, die Stützung dieses Menschen, der sich wunderbarerweise für sie interessiert, der sie mitnimmt in seine Welt. Jedenfalls für die wenigen Jahre, in denen das Paar gemeinsam lebt. Marie d’Agoult setzt ihre gesellschaftliche Stellung aufs Spiel für diese Verbindung, aber sie bekommt dafür ein Glück der innigen Gemeinsamkeit, das ihr wichtiger ist. Dieser kurzen Zeit der Symbiose folgt für d’Agoult eine bittere Zeit erst der Ernüchterung, dann der Auflösung des Paares in zwei getrennte Existenzen, weil Liszt sich von ihr unaufhaltsam entfernt. Die Begeisterungsfähigkeit aber, die Über-Liebe als eigenes Erlebnis wird sie ihren Töchtern nicht verheimlicht haben können. Blandine, die Ältere, galt allgemein als entspannt, charmant und ausgeglichen, Cosima aber, die zweite und verschlossenere und gar nicht so hübsche, bei Cosima fiel dieses Vorbild der Mutter auf sehr viel fruchtbareren Boden. Opfer bringen  ! Nicht  : sich überflüssig machen, sondern  : sich einbringen, die eigenen Fähigkeiten in eine Richtung bringen, in der sie Früchte tragen dürfen. Das dargebrachte Opfer an Zeit, Energie, Ansehen, Verzicht, das Bestrafung und Belohnung gleichzeitig sein darf. Cosima kommt später immer wieder auf den fast religiösen Zusammenhang ihrer Haltung zurück. Sie will geben, sie will Fehler gutmachen, sie will Rückschläge willig hinnehmen und sieht für all dies einen inneren, auch religiösen Auftrag. Am Beispiel der Mutter hat sie gesehen, dass eine Frau klug und stark und belesen und mehrsprachig und begabt sein kann und gleichzeitig all dies nicht nur für sich, sondern für die Existenz ihrer Liebe einsetzen kann.

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Marie d’Agoult ist keine materiell abhängige Frau, sie muss niemandem »gefallen«, um ihr Leben nach ihren Wünschen zu führen. Dieses aristokratische freie Lebensmodell beobachtet Cosima, ohne sich zunächst selbst darin wiederzufinden. Das junge Mädchen wird noch, wie übrigens früher ihre Mutter in jungen Jahren, gegängelt, erzogen, eingeschüchtert, ermahnt, sie ist noch nicht frei. In ihrer Leidenschaft für Wagner aber wird sie sich genau diese Freiheit nehmen, die die gesellschaftliche Reputation nicht mehr beachtet. Sie wird nur, was den betrogenen ersten Ehemann Hans von Bülow betrifft, zeit ihres Lebens keine Lösung finden und sich mit hilflos schlechtem Gewissen quälen. Sie nimmt die Verantwortung für diesen Schritt voll an und schreibt sich alle Kränkungen, die sie auf ihrem Weg mit Wagner erfährt, ihrem eigenen Versagen zu. Sie ist auch damit ihrer Mutter ähnlich, die schrieb  : »Ich hatte immer den Hang, mehr bei mir, als außerhalb meiner selbst die Ursache meiner Leiden zu suchen. Und obwohl mein Glaube an die göttliche Gerechtigkeit durch die Vorgänge in der Natur und das Studium der Geschichte unaufhörlich erschüttert worden ist, hat er doch in meiner Seele den Sieg über den Zweifel und die Verzweiflung davongetragen.« D’Agoult liebt die Darstellung des Gespaltenen, Ambivalenten von sich, bleibt sich darin später als Journalistin und Autorin treu. Sie schreibt polemische Zeitungsartikel, historische Darstellungen, sie verhandelt mit Verlegern um gute Bedingungen für sich und bringt es im Laufe ihres Lebens zu einer beachtlichen Reihe von Werken. All dies aber in den ersten Jahren vorzugsweise unter einem männlichen Pseudonym. Das verheißt mehr Geduld durch die Leserschaft, jedenfalls so lange, bis sie sich eine eigene Anerkennung erschrieben haben wird. So berichtet sie aus einem Gespräch mit dem Zeitungsverleger Émile de Girardin über die Namensfindung von »Daniel Stern«, dem Autorennamen ihres Romans Nelida  : »Auf dem Tisch lagen Löschblatt und Bleifeder. Ich nahm den Stift mechanisch und schrieb Daniel. Das war der Name, den ich einem meiner Kinder gegeben hatte, der Name des Propheten und Traumdeuters, der aus der Löwengrube gerettet worden war. Diese Geschichte aus der Bibel gefiel mir ganz besonders. Wahrscheinlich dachte ich an mich selber, die ich, ach, allein mancher Gehässigkeit ausgesetzt war. Daniel … aber dann  ? Ich suchte einen deutschen Namen, denn ich fühlte mich deutsch … Daniel Wahr. Ich wollte vor allen Dingen wahr sein. Daniel Stern  ! Vielleicht würde mir ein Stern leuchten. ›Daniel Stern  !‹ Der Name war gefunden.« D’Agoult betont hier wieder ihre deutschen Wurzeln, sie gibt der Tochter mit, nicht nur eine französische Identität für sich zu suchen. Die Erwähnung des »Deutschen« bei d’Agoult mag auch gemeint gewesen sein als Spitze gegen den französisch sprechenden Liszt, ein Signal, sich an diese Sprache nicht allein ge-

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bunden zu fühlen. Ähnlich, wie Cosima später zu Zeiten des Deutsch-Französischen Krieges sich von ihrer Heimat abwendet und ihr neues Land, Deutschland, demonstrativ zum allein für sie wichtigen erklärt. D’Agoult ist immer wach für Fragen der unterschiedlich möglichen Frauen­ emanzipation in den einzelnen Nationen und lobt dafür die Schweiz  : »Aber in dem Lande Coppets, Madame de Staëls und der Madame Necker de Saussure, fand niemand etwas erstaunliches darin, daß eine Frau die Gesetze, die ihren eigenen Geist beherrschen, kennenlernen wollte. Hier bestritt man dem weiblichen Geschlechte nicht, wie bei uns damals, die Fähigkeit und infolgedessen das Recht und die Pflicht, den Urgrund der Dinge zu suchen und zu verstehen.« D’Agoult nutzte ihren scharfen Blick und ihren Mut, über Tabu-Themen zu schreiben, die etwa ihren geistlichen Freund, den Priester Félicité de Lamennais, empörten  : »Mein Essai ›Über die Freiheit‹, versetzte ihn in Zorn. Das Kapitel über die Scheidung empfand er als Ungeheuerlichkeit. Ein Kapitel, in dem ich den Schmerz des Gebärens und die Freuden der Entbindung ausmalte, als materialistisch. Ich erfuhr seinen Ausspruch  : ›Die Gräfin d’Agoult spricht von einer gebärenden Frau wie von einer kalbenden Kuh.‹« Immerhin hatte d’Agoult über die Mutterliebe sich folgendermaßen geäußert  : »Man macht viel Wesens von der Mutterliebe. Ich muß gestehen, daß ich nie die Stufenleiter der allgemeinen Bewunderung hinaufgestiegen bin. Einerseits bewundere ich die Liebe zu den Kleinen […] nicht, weil sie kein geistiges Gefühl, sondern nur ein blinder Instinkt ist, in dem jedes gewöhnliche Tier dem Menschen überlegen ist. Diese Liebe nimmt in der Regel mit dem zunehmenden Alter der Kinder ab und erlischt gänzlich, wenn sie unabhängig werden.« Diese gern provozierende Seite von Maries Schreiben hat Cosima, auch konkret bezogen auf ihre Kinder, nie geteilt, vielleicht sogar abgeschreckt. Cosima hatte an der persönlichen Provokation nie Interesse, im Gegenteil. Sie setzte sich in dieser Hinsicht deutlich von ihrer Mutter ab, indem sie das Verbindliche, Taktvolle, Höfliche des Umgangs zum Teil sogar überbetonte. In der Provokation des Handelns allerdings, des konkreten Tuns, der Lebensentschlüsse wurde sie durchaus die Tochter ihrer Mutter. In ihren frühen Jahren in Berlin, verlobt und verheiratet mit Hans von Bülow, hatte sich Cosima ebenfalls journalistisch betätigt, sie übersetzte Artikel aus dem Deutschen ins Französische, schrieb Konzertberichte und empfand es offenbar als gute und richtige Betätigung für eine junge Frau, publizistisch tätig zu sein. Und noch ein Lebensmuster sollte sich wiederholen. Die drei Liszt-Kinder waren illegitim, nicht ehelich, wechselnden rechtlichen Einordnungen unterworfen.

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Für Marie d’Agoult bedeutete dies mit der Trennung von Liszt den Verzicht  : »Meine Kinder wurden mir gewaltsam genommen, auch Blandine, die bei mir aufwuchs. Ich hatte versucht, mich dagegen zu wehren.« Und weiter  : »Ich wollte mich nicht von meinen Kindern trennen, denn ich hatte sie in einer Lebenslage geboren, in der ich ihnen nach französischem Gesetz nichts sein konnte. Ich durfte ihnen weder Namen noch mein Vermögen geben. Um so mehr hielt ich darauf, ihnen meine ganze Zärtlichkeit zu bewahren, und niemals hätte ich eine Mutterschaft verleugnet, gegen die sich die ganze Strenge des Gesetzes und die öffentliche Meinung verschworen hatten.« Auch als leibliche Mutter musste d’Agoult jeweils mit Liszt Übereinkommen herstellen, wenn sie die Kinder besuchen wollte oder andere Entscheidungen notwendig wurden wie die Auswahl eines Internats und so weiter. So war es für Cosima eine frühe Erfahrung, dass Aufenthaltsorte Streitpunkte sein konnten, dass die Mutter keine Entscheidungskompetenz hatte, dass je nach Streitgeschehen zwischen den Eltern die Dinge so und abrupt anders sein konnten. Besuche, Geldzuwendungen, Kontakte mit Dritten, bevor sie zustande kamen, alles konnte immer schnell dem ursprünglichen Plane entgegengesetzt entschieden werden. Cosima selbst bereitete ihren Kindern teilweise ebensolche Erfahrungen. Die beiden Bülow-Töchter Daniela und Blandine lebten zwischenzeitlich beim Vater, als die Scheidung zu verhandeln war, sie wurden als klassische Scheidungskinder nicht gefragt, welchen Lebensort sie gut fänden. Sie erlebten die angestrengte, um Höflichkeit bemühte Distanz der Eltern, genossen es, als die Spannungen mit den Jahren weniger wurden. Die beiden nächsten Töchter Isolde und Eva, Wagnerkinder, galten, da Cosima noch mit ihrem ersten Mann verheiratet war, als ehelich geborene Bülow-Kinder, obwohl sie im Bilde waren über ihren leiblichen Vater Wagner – und erst Siegfried wurde, nach vollendeter Scheidung von Bülow und Heirat mit Wagner, nachträglich und juristisch trickreich als eheliches Wagnerkind eingetragen. Die mütterliche Linie von Marie d’Agoult war da für Cosima und ihre Nachkommen nicht mehr im Blick.

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in Vater, dessen Liebe abfällt wie die Brosamen vom Tische des Herrn. Immer ist er fort, schon wieder dort, schon wieder zurück, er will umziehen, er bleibt, er reist, er zieht doch um, es wird ununterbrochen über ihn in den Gazetten berichtet  – ach, das tut er gerade  ! Und manchmal, sehr manchmal zumindest in den Kindheitsjahren der Tochter, sehr sehr manchmal ist er auch wahrhaftig anwesend, wenigstens da. Nicht zum Anfassen, kaum zum direkten Ansprechen, aber zum Anschauen, Bewundern, Blicke tauschen. Ich schau ihn an und er schaut zurück – und vielleicht spricht er mit mir. Dass eine Tochter zu einem solchen Vater in lebenslange Liebe fällt, unerfüllbar, immer neu umworben, wartend auf ein gutes Wort, ist nur zu naheliegend. Wer könnte sich emanzipieren von einem solchen Vatergespenst, das fortwährende Erwartung nährt und extrem seltene Erfüllung gewährt  ? Dessen Worte und Wünsche nie zu einem gemeinsamen Alltag werden können  ? Die kindlichen Briefe Cosimas an ihren Vater zeigen eine Jahre währende Einübung darin, Gehorsam zu zeigen und um Zuwendung zu werben. So formuliert sie, im Alter von acht Jahren, in ihrer französischen Muttersprache am 14. Juni 1846  : »Mein lieber Papa, ich danke Ihnen tausend Mal, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mir einen so zärtlichen Brief zu schreiben. Ich werde mich bemühen, Ihre guten Ratschläge zu befolgen. Mademoiselle Camille ist zufrieden mit mir, und wenn Sie nach Paris zurückkommen, werden Sie sehen, dass ich vom Unterricht und auch von den Klavierstunden profitiert habe. Adieu, mein guter und zärtlicher Vater, ich umarme Sie von ganzem Herzen. Die Tochter, die Sie liebt. Cosima Liszt« Anderthalb Jahre später, am 14. November 1847, deutet Cosima die Hoffnung an, vom Vater vielleicht im März des kommenden Jahres, also 1848, einen Besuch zu erhalten. »Das ist noch lange Zeit hin, denn wir wünschen uns sehr, Sie wiederzusehen und das wird eine große Freude für die ganze Familie, wenn Sie zurückkommen. […] Ich lerne die ›Aufforderung zum Tanz‹ zu zwei Händen von Weber, es ist ein ziemlich schweres Stück für mich, […] aber ich werde mich bemühen und versuchen, es ohne Fehler zu spielen.« Aus Anlass eines Klaviervorspiels der Schwestern schreibt Cosima an Anna Liszt  : »Meine liebe Großmama, ich schreibe Dir, um Dich zu bitten, dabei zu sein bei dem kleinen Konzert, das am Donnerstag um 13.30  Uhr stattfinden wird und bei dem ich und Blandine spielen werden. […] Ich ärgere mich, dass Daniel nicht kommen kann, aber ich weiß, dass er erst um 2 Uhr nachmittags

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das Haus verlässt. Adieu, meine liebe Großmama, ich umarme Dich von ganzem Herzen.« Als erwachsene Frau erinnert sich Cosima in ihrem Tagebuch an diese Situation und imaginiert  : […] »›le beau temps en j’étais si maleureuse‹, wie Frau von Staël sagt, meine traurige, vater- und mutterlose und doch selige Jugend  !« Cosima wechselt in den Sprachen, betont, dass sie das Deutsche studiere, und schreibt, ebenfalls als Übung, ihre Briefe manchmal auf Englisch. Zum Beispiel in dem hier vollständig wiedergegebenen Brief, der vermutlich nach 1850 entstand und typisch ist in seiner Mischung aus Leistungsbericht übers Lernen und Bravsein – und für die ungestillte Sehnsucht  : Mein lieber Vater, weil Großmama und Daniel Dir schreiben, sollte auch ich nicht die Gelegenheit versäumen, Ihnen einen Brief zu senden, weil es mir sehr große Freude bereitet, und ich hoffe, Sie werden mir antworten. Daniel hatte seine Erstkommunion am 16. Mai, er machte sich sehr gut und freundlich, und er ist sehr intelligent, was Mr. Harlez oft zu Großmutter sagt, er braucht sich keinen besseren Schüler zu suchen. Ich lerne viel Englisch, und ich mache Fortschritte, ich bin froh, mir vorzustellen, dass ich bald eine Sprache kennen werde, die jetzt so viel gesprochen wird. Ich widme mich auch ziemlich viel dem Studium der deutschen Sprache, aber im Moment verbringe ich viel Zeit mit den Übungen, die Sie uns gegeben haben. Ich habe Schiller gelesen, den Großmutter freundlicherweise für uns gekauft hat  ; ich finde bei diesem Dichter sehr große Schönheiten. ›Wilhelm Tell‹ gefällt mir außerordentlich, und ich glaube, dass dieser Dichter sehr gut das Unglück der Schweizer ausdrückt, gezwungen in die Knechtschaft. Mit einem Wort, es scheint mir, dass Schiller unvergleichliche Qualitäten hat. Ich bitte Sie, wenn Sie können, nach Paris zu kommen, ich werde so eine große Freude empfinden, Sie zu sehen  ; es ist schon eine so lange Zeit, die Sie getrennt sind von mir, dass ich sicher bin, Sie werden große Schwierigkeit haben, mich wiederzuerkennen. Diese Reise wird mich so glücklich machen, wenn es wahr würde, dass Sie eine ganze Woche bleiben, nur, um Ihre Kinder zu sehen, die Sie so zärtlich lieben. Ihre anhängliche Tochter Cosima Liszt. Ich hoffe, Sie werden meine Fehler in diesem Brief entschuldigen, denn ich habe ihn ganz allein geschrieben.

Zurück zum lange angekündigten Vater-Besuch im Jahr 1848, aus dem wieder einmal nichts wurde. Die Kinder in Paris warten. Ende Juni schreibt Cosima im Namen auch der Geschwister über Blandines Erstkommunion  : »Wir alle drei erwarteten Sie mit Ungeduld seit Beginn des Frühlings und es hat uns großen

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Schmerz bereitet zu erleben, dass Sie nicht kommen. Die Erstkommunion war am 8. Juni, Mademoiselle Laure Bernard hat mir gesagt, dass ich sie nächstes Jahr feiern kann, wenn ich immer brav bin, und ich werde mich sehr darum bemühen, nicht nur wegen der Erstkommunion im nächsten Jahr, sondern auch, um Ihnen ebenso wie der Großmutter Freude zu machen. […] Ich bete jeden Tag für Sie, und ich hoffe, dass Gott, der so gut ist, Ihnen ein langes Leben schenken möge. Kommen Sie doch nach Paris, schon so lange haben Sie uns nicht besucht, und es wäre uns eine große Freude, wenn Sie kämen. […] Von ganzen Herzen umarme ich Sie, denken Sie an Ihre Tochter, die Sie liebt. Cosima«. Und wahrhaftige anderthalb Jahre später wieder eine sehnsüchtige, schüchterne Anfrage  : »Mein lieber Papa, der Brief, den Sie mir geschrieben haben, hat mir die allergrößte Freude gemacht, aber ich denke immer mit Kummer daran, dass wir Sie so bald nicht wiedersehen werden. Ich hoffe, wenn Sie uns besuchen werden, dass ich dann schon Fortschritte gemacht habe.« Inzwischen ist Cosima zehn Jahre alt, wird bald elf, wie viele Tage, wie viele andere Menschen, wie viele Reisen, Ermahnungen der Erzieherinnen, wie viele Spiele mit den Geschwistern, wie viele Übungsstunden am Klavier, dem Instrument des Vaters, in dem Wunsch, wegen oder gerade trotz dessen Könnerschaft eigene Leistungen zu erarbeiten. Kinderalltag, jeder Tag möglich für die Phantasie, dass der Vater kommen möge. Es ist offensichtlich, dass seine Liebe nicht groß genug ist, um sie, seine Kinder, einfach aufzusuchen, wo er doch reist, umherstromert, hier und da, immer in Bewegung, aber nicht nach Paris zu seinen dreien. Dass Liszts Zeitplan nur zu gefüllt und anstrengend gewesen sein mag, dass er gute Gründe hatte, die Stadt Marie d’Agoults nicht aufzusuchen, möglich. Fakt ist, dass Liszt seine Kinder nicht sieht, nur per Brief ermahnt, tadelt und streng Regeln und Maßstäbe setzt. Als Cosima in diesem Jahr 1849 an den Weihnachtstagen ihren zwölften Geburtstag feiert, stellt sie, wenn er schon nicht anwesend ist, wenigstens durch ihren inneren Dialog mit ihm eine Tochter-Vater-Nähe her. An eben diesem Tag, der sie doch hätte erwarten lassen dürfen, dass sie Briefe des Vaters läse, schreibt sie ihm  : »Mein lieber Papa, ebenso, wie Sie mir an Ihrem Geburtstag geschrieben haben, schreibe ich auch für den meinen, der einem anderen Fest so nahe ist, dem Fest der Geburt unseres Herrn.« Sie schildert, wie wichtig ihr die Teilnahme an der Kommunion war und dass sie für den Vater um vieles gebetet habe. Cosima war bereits in diesen Jahren von großer Spiritualität und Nähe zum katholischen Glauben. Dass sie am Abendmahl teilnehmen durfte, hätte sie gern mit dem Vater geteilt. In diesem Brief bittet sie ein weiteres Mal um Begegnung  : »Ich bedaure sehr, die Ferien zum Jahreswechsel nicht mit Ihnen

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3  Die drei Liszt-Kinder  : die Schwestern Cosima (oben Mitte) und Blandine (darunter) und ihr kleiner Bruder Daniel (links), gemeinsam mit ihrer österreichischen Großmutter Anna Liszt (links) sowie Madame Patersi, der französischen Erzieherin. Um 1852.

verbringen zu können, aber weil ich nicht die Freude haben werde, Sie während dieser Zeit zu sehen, bitte ich Gott mit Inbrunst, Sie mit all seinem Segen zu überschütten, damit dieses Jahr für Sie ein Jahr der Freude und des Trostes sein möge. Großmama wird bald abreisen, um Sie zu treffen, sie wird Ihnen das mitbringen, was ich für Sie gemacht habe, um Ihnen mein bescheidenes Können zu zeigen und das wird Ihnen auch besser als meine Briefe sagen können, was mein Herz für Sie empfindet und wie sehr ich mir den glücklichen Augenblick herbeiwünsche, an dem ich Sie umarmen darf.« Vier Monate später, am 26.  März 1850, beglückwünscht sie ihn zu seinem Namenstag und berichtet  : »Ich übe jeden Tag Klavier, je mehr Fortschritte ich mache, umso mehr macht es mir Freude.« Die Briefe an den Vater müssen vielen Ansprüchen genügen  : Sie sollen feh­ ler­­­­ frei geschrieben sein, sie sollen Dankbarkeit bezeugen gegenüber einem geldlich großzügigen Vater, sie sollen der Gouvernante gefallen, die nicht zuletzt als Verantwortliche gesehen wird für die Erziehung der Mädchen, sie sollen Fortschritte, immer Fortschritte melden, insbesondere bei Cosima hinsichtlich des Instruments, das der Vater mit weltweiter Bewunderung beherrscht – welch

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eine Aufgabe, die ihr eigenes Scheitern birgt  ! Hier der komplette Wortlaut des Briefes vom 16. August 1850  : Mein lieber Papa, ich habe in der Gazette musicale gelesen, und ich habe von Monsieur Belloni erfahren, daß Sie sehr in Anspruch genommen waren durch Kompositionen, die Ihnen keinen Moment gelassen haben, mir zu schreiben, was ich bedauere. Aber ich hoffe, dass ich

bald Nachricht von Ihnen erhalten werde, die mein größtes Glück sind. An Mariä Himmelfahrt habe ich für Sie gebetet, und ich hoffe, dass Gott meine schwachen Gebete erhört. Ich habe bei diesem Fest das Abendmahl genommen, und ich hoffe, nachdem ich mich genährt habe mit dem Leib Jesu Christi, dass ich die Kraft haben werde, die Aufgaben zu erfüllen, die mir auferlegt sind. Ich arbeite stetig am Englischen, lese gerade ›Das Fräulein vom See‹ von Walter Scott  ; dieses Werk hat mir Spaß gemacht  ; ich lerne außerdem Verse auswendig, ich kenne schon folgende Gedichte von Byron  : sein ›Abschied von England‹ und den Abschied von seiner Frau. Und jetzt lerne ich neu aus einem Werk Shakespeares  : die Rede von Antonius nach dem Tod Cäsars. Ich werde es bald können und wenn ich es kann, weiss ich noch nicht, welches neue Gedicht ich dann auswendig lernen werde. Ich gebe mir Mühe, Ihnen Freude zu machen, wenn Sie mich wiedersehen, und damit Sie feststellen können, dass all die Fürsorge, die mir zuteil wurde, nicht umsonst gewesen ist. Ich kümmere mich außerdem sehr um das Französische. Racine ist dabei der Autor, den ich bevorzuge, deshalb lese ich viele seiner Werke, und habe angefangen das Stück ›Mitridat‹ auswendig zu lernen. Ich habe dieses Stück gewählt, weil ich immer schon diesen Prinzen bewundert habe, dessen militärische Talente es ermöglicht haben, den Römern zu widerstehen, ein Volk, dessen Wert den aller Nationen übertraf. Großmama hat mir den letzten Teil des Briefes vorgelesen, den Sie ihr geschrieben hatten, und meine Freude ist groß, wenn ich daran denke, dass ich im kommenden Jahr das Glück haben werde, Sie [zu] wiederzusehen, und ich warte mit Ungeduld auf den Moment, in dem ich Sie in meine Arme schließen kann. Adieu mein lieber Papa, ich umarme Sie von ganzem Herzen. Ihre Tochter, die Sie zärtlich liebt. Cosima Liszt. 16. August 1850

Der Vater ist unantastbar und riesig, eine Erscheinung, ein Mann, dessen Regeln nicht zu durchschauen sind, der die Türen des Kontaktes öffnet und schließt, wie es ihm entspricht. Warten, warten, hoffen. Überleben bis zur nächsten Begegnung, besser sein als das letzte Mal. Zitternd die Ergebnisse vorstellen und

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gewärtig sein, dass alles zerpflückt wird, ausgelöscht oder aber ein bisschen bestehen kann. Ein lächerliches Bisschen, bis zum nächsten Mal. Die Kinderbriefe Cosimas sind alles andere als selbstbewusst. Sie sind unterwerfend, bittend, hoffend, manchmal etwas altklug  – und vor allem  : werbend. Nimm mich wahr, lobe mich, glaube mir, sieh mich  ! Ängstlichkeit, Bereitschaft, der Herabsetzung ihrer Person und Leistung sofort rechtzugeben. Es reicht aber nicht  ! Liszt schreibt seinen drei Kindern zu einem Zeitpunkt, an dem Blandine mindestens zwölf Jahre alt ist, Cosima zehn und Daniel acht, auf Deutsch  : »Kinder  ! Ich bin müde, müde  ! Lasst mich an Euch denken, lasst mich Euch sagen dass in der reinsten Tiefe meines Herzens Euer Bild beyständig lebt – und ruht  ! – Ja, Dank sey Gott  ! Ein festes Zutrauen, eine kleine Zuversicht in Eure Zukunft verlässt mich nie  ! Ihr werdet lieb, gut, vernünftig handeln und wandeln  ! Ihr werdet mich einst lieben und verstehen . . . . . und wenn ich dann nicht mehr unter euch seyn kann, so wird Euer Gebeth noch Versöhnung und Ruhe zu meinem Grab bringen  !« Und auf der Rückseite der Abschiedsgruß  : »Seyet Ihr jetzt lieb und gut unter euch  ! Seyet Drei mit einem Herzen und einer Hoffnung  ! – – –« Eine Nachricht an die Kinder, aus der Depression und Schutzsuche sprechen, ein Appell, den er Hilfe suchend an seine fernen Kinder richtet, der sie, wenn sie auch nur annähernd empfindsam sind, in Angst und Schrecken versetzen muss. Euer Gebet wird Versöhnung und Ruhe in mein Grab bringen  ? Helft mir, tröstet mich, seid mir treu über mein Leben hinaus, bis in mein Grab. Liszt ist zu diesem Zeitpunkt 36 Jahre alt. Er kann seine Kinder nicht in sein reales Leben aufnehmen, aber er ist sich ihrer bewusst als solche, die Aufträge fürs Leben entgegennehmen können und müssen  : »Ihr werdet lieb, gut, vernünftig handeln und wandeln«  ? Besser kann man ein permanent schlechtes Gewissen für den gesamten weiteren Lebensweg nicht in Kinder einimpfen. Werden sie doch – wie Cosima – immer ihr konkretes Leben mit den Ansprüchen und Wünschen des Vaters abgleichen und als nicht genügend empfinden. Cosima ist inzwischen dreizehn Jahre alt, in der Pubertät. Sie lässt ihren Vater brieflich teilhaben an dem, was sie beschäftigt und lernt. Im Juli 1851 schreibt sie über eine Soirée, auf der sie und ihre Schwester einen Geistlichen getroffen haben  : »Abbé Gabriel […] hat über die Aufgaben der Frau gesprochen, er hat gesagt, dass ihr ganzes Leben nichts als ein Opfer und sie nichts als eine lebendige Hostie sein solle.« Cosima war gläubig, leidenschaftlich in ihrer Suche nach Führung und Gewissheit und sie betet und liest mit Inbrunst. Die Äußerungen eines Geistlichen werden von großer Bedeutung und Autorität für sie ­gewesen

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sein. Eine lebendige Hostie  ? Es ist leicht, im Abstand eines aufgeklärten 21. Jahrhunderts in Süffisanz einen solchen Auftrag, eine solche Rollenbestimmung als absurd, frauenfeindlich und keinesfalls zu befolgende Regel abzutun. Aber könnte ein solches Bild für eine Dreizehnjährige nicht sogar stärkend sein  ? Eine Richtung soll es doch geben für ein Mädchen, das die Erfahrung macht, dass ihr eigener Wille in der Welt der Eltern kein Gewicht hat. Gewünscht ist vor allem, nicht zu stören und keinen Sand ins Getriebe zu bringen. Man kann sich diesen väterlichen Anforderungen geradezu blind und unbedingt überlassen, den eigenen Willen nicht mehr befragen, eigene Wünsche ausschalten. Da ist das Bild des Opfers und der lebendigen Hostie – der weiblichen – gar nicht so seltsam. Es ist vielmehr eine Aufwertung und Salbung der eigenen Möglichkeiten, eine Aufladung mit Hoffnung und Zufriedenheit. Cosima zitiert dieses nicht mit Spott oder kritisch, es scheint ihr eine Metapher zu sein, mit der sie etwas anfangen kann. Sich auflösen, anverwandelt dem Leib Christi, das ist mehr, als jede Versenkung und spirituelle innere Reise versprechen kann. Sich ganz hinzugeben, abzugeben, zu überantworten. Als Erwachsene scheint sie dieses Gefühl immer wieder gesucht zu haben. Wenn Cosima dem Vater solche religiösen Überlegungen mitteilte, stieß diese Frömmigkeits- und Weiblichkeitserziehung bei Liszt wahrscheinlich auf nur zu wohlgefällige Zustimmung. Hatte Liszt doch selbst eine starke religiöse Bindung, er, der als junger Mensch lieber Priester als Pianist hatte werden wollen und der Literatur der Versenkung zeitlebens sehr zugetan blieb. Folgerichtig nahm er in späteren Jahren die niederen Weihen der katholischen Kirche, kleidete sich als Abbé und versuchte, den Regeln entsprechend zu leben. In demselben Brief vom Juli 1851 berichtet Cosima noch von einer zweiten Gelegenheit, sich ihres Vaters aus der Ferne zu erinnern. Bei gesellschaftlichen Anlässen wird in ihnen, den Kindern, eigentlich der berühmte Vater gelobt  : »[…] man hat uns mit Güte empfangen, und der Zuneigung, mit der man uns immer begegnet, und sie haben uns mit tausend Komplimenten überhäuft für Sie, mein lieber Vater. Ihre achtungsvolle und dankbare Tochter Cosima Liszt«. Dort, wo sie sich gesellschaftlich bewegen, sind die Mädchen die Töchter Liszts, sie erfahren Anerkennung und Interesse und Sympathiekundgebungen als Abkömmlinge des Meisters, des Virtuosen, des Womanizers, dieses erstaunlichen Mannes. Cosima und Blandine bedeuten sozusagen den inneren Kreis um den Meister, dichter kann man kaum sein, als dessen Kind zu sein  : Wärmen wir uns an den »tausend Komplimenten«, die nicht nur nicht uns gelten, sondern die wir auch kaum nachvollziehen können, weil wir den Vater nicht erleben. Wir sitzen nicht

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4  »Ich werde mich bemühen«, »ich ­umarme Sie von ganzem Herzen«  : einer der sehnsüchtigen Kinderbriefe von Cosima Liszt an den abwesenden Vater (vom 14. Juni 1848).

bei ihm im Konzert, er zeigt sich uns nicht, wir wissen nicht um sein Spiel und um seine Attraktivität. Wir erleben nur sein Echo. Er ist ein bisschen bei uns, wenn die Menschen von ihm berichten. Ein Lob verdienen junge Mädchen sowieso nicht, wofür  ? Das Lob, das sie hören, hat der Vater verdient, nicht sie. Drei Monate später stehen im Geburtstagsbrief Cosimas an den Vater zum 22. Oktober 1851 schon gar keine Appelle mehr, sie zu besuchen. Er führt sein anderes fernes Leben, zu dem jetzt gehört, dass er sich in Weimar mit »Madame la Princesse« zusammengetan hat, der Fürstin Carolyne zu Sayn-Wittgenstein. Cosima begrüßt in einem Brief höflich und im Namen von Blandine die neue Stiefmutter in spe  : »[…] ich hoffe, Gott wird meine Gebete erhören, dass wir Madame la Princesse bald unsere Mutter nennen können, die bereits einen Platz in unserem Herzen gefunden hat. Und damit würden Sie Freude und Trost in Ihren Kindern finden, deren größter Wunsch und deren größtes Glück es ist und immer sein wird, Sie stets zufrieden zu stellen.« Häufig ist dieser Unterwerfungsbrief Cosima sozusagen als charakterlose Anpassung übel genommen worden. Es wird von einer Dreizehnjährigen insgeheim verlangt, dass sie ohne Verstellung, in Aufrichtigkeit und Stärke sich behaupten könne gegenüber den Veränderungen, die die Eltern entscheiden, ohne die Kinder einzubeziehen. Der

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Streit der Eltern wird ohne sie ausgetragen. Liszt untersagt Marie d’Agoult, die Kinder zu sehen. Seine neue Liebe gilt wieder einer sozial weit über ihm stehenden, diesmal russischen Adeligen, die ihre mit Cosima fast gleichaltrige Tochter Marie in die Beziehung mit einbringt, sich als neue Ordnerin in Liszts Leben positioniert und damit auch auf die Erziehung seiner Kinder deutlich Einfluss nimmt. Es sind die Internatsregeln der Strenge und Einsamkeit, in denen das pubertierende Mädchen Cosima um Perspektive und Klarheit in den Werten sucht, nach denen es leben will. Am 25. Dezember 1851 schickt sie den erneuten Wunsch, »dass wir nächstes Jahr dieses Fest, gemeinsam mit unserer zweiten Mutter und unserer Schwester, mit Ihnen verbringen und dass wir Ihnen ganz direkt unsere Gefühle zeigen können, die unsere Seele erfüllen.« Wie vorsichtig muss ein Kind geworden sein, wenn es nach einer Unendlichkeit des vergeblichen Wartens einen Termin vorschlägt, der ein Jahr weiter liegt. Welch eine Missachtung, welch eine Igno­rierung ist da inzwischen vom Vater an die Tochter vermittelt. Ich, der ich ununterbrochen quer durch Europa reise, der ich die Musik, die Konzerte, das Zusammensein mit der Fürstin offenbar für wichtig genug halte, um mich zu bewegen. Zu Euch, zu Dir, bewege ich mich nicht. Vom folgenden Januar existiert ein auf Deutsch geschriebener Brief Cosimas an ihren Vater, der zeigt, wie holprig und ungenau ihre Sprachkenntnis noch ist – immerhin in der Muttersprache ihrer Mutter. Cosimas Brief bezieht sich auf den Neujahrstag 1851/52 und nimmt den bereits beim letzten Jahreswechsel geäußerten Wunsch eines Wiedersehens auf  : »Mein lieber Vater, Ich danke Sie vielmals für meine Geschwister und für mich, um die Neujahrsgeschenke, die Sie uns gegeben haben  ; […] wieviel ich in diesen kleinen Familienkreis an Sie, mein lieber Vater, an Mme la Princesse und an ihre Tochter gedacht habe  ; ich fragte mich ob nicht meine Wünsche von Gott erhört seyn werden, und wir nicht daß künftige Jahr mit den drei Personen die wir am meisten lieben, vereinigt seyn konnten. […] Adieu mein lieber Vater, ich küsse Sie, von meinen ganzen Herzen. Ihre erkenntliche und ehrerbietige Tochter Cosima Liszt.« Cosima weiß offensichtlich, dass sie an der neuen Lebensgefährtin ihres Vaters und der Stieftochter nicht vorbei bitten kann. Dies andere Mädchen, Marie, mit der sie später ein freundliches Verhältnis verbinden wird, ist jetzt die Tochter, die täglich mit dem Vater umgeht, die ihn bekommen hat, die einfach bei ihm sein kann, in Weimar. Sie, die drei unehelichen Kinder, müssen warten. Dass sie den Vater, der sich um sie nicht kümmert, dennoch nicht vergessen können, dafür sorgen schon die vielen Erwähnungen seiner Prominenz, die die Kinder in Paris erfahren, zum Beispiel wenn sie im Landhaus der Klavierbauer­

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familie Érard eingeladen sind. Darüber berichtet Cosima in noch holpriger deutscher Sprache  : »Mein lieber Vater, Wir waren Donnerstag in La Muette, wo wir uns sehr unterhalten haben, wir sahen da daß Piano, welches in der Exposition universelle war, und welches wunderschön ist, auch sagte die ganze Familie ›es müßten Liszt’s Finger darauf spielen.‹ Man war auserordentlich freundlich für uns, und wir werden wärend der Ferien noch einmal mit dem Daniel gehen.« Liszts Finger  ! Die Kinder werden als Nachwuchs des Starpianisten umworben. Cosima gegenüber müsste niemand betonen, wie schön es wäre, wenn der Vater auf diesem Flügel leibhaftig spielen würde. So wird sie über das Kompliment vielleicht nur schief gelächelt haben. Am 10.  Oktober 1853 wird die Sehnsucht der Kinder endlich gestillt. Liszt kommt nach Paris. Die Begegnung ist merkwürdig und aus heutiger Sicht für ihn als Vater eigentlich beschämend. Cosima ist inzwischen fast sechzehn Jahre alt. Liszt aber ist beschäftigt wie immer, nicht mit seinen wartenden Kindern, sondern beruflich, wichtig wichtig. Cosima berichtet später von diesen einerseits enttäuschenden, andererseits bedeutungsvollen Tagen  : »[…] wie nach 8 Jahren mein Vater auf 8 Tage uns wiedersah, wurden wir nirgends mitgenommen und fanden es ganz natürlich, dass er mit Caroline und Marie ausging.« Es scheint keinerlei, gar liebevolle Beschäftigung Liszts mit seinen Kindern gegeben zu haben. Hat er sie überhaupt erkannt  ? Haben sie miteinander sprechen können, allein und tastend, wie man sich findet  ? Es scheint für solche Feinheiten keine Gelegenheit gegeben zu haben. Wie sich die drei wohl gefühlt haben werden, wenn sie zu Hause saßen, am Nachmittag, und wussten, der Vater ist da, einige Straßen weiter, aber mit der neuen Familie  ? Immerhin dürfen die drei Kinder in ihrer Pariser Wohnung in der Rue Casimir-Périer dabei sein, wenn Vater Liszt sich als Hausherr Gäste einlädt  : Hector Berlioz, Fürstin Carolyne mit Tochter Marie und Richard Wagner produzieren sich in einer Soirée, bei der Blandine und Cosima als Zaungäste, Daniel als stummes Kind zugegen sind. »Es war viel auf einmal für drei nicht nur außerhalb der Welt, sondern auch außerhalb der Familie sich dünkende Kinder.« Bei diesem Aufenthalt trifft Cosima zum ersten Mal auf Richard Wagner, der aus dem dritten Akt der Götterdämmerung den Besuchern vorträgt. Drei befreundete und konkurrierende Musikermänner, der eine mit neuer Familie – es lässt sich vorstellen, dass den jungen Mädchen kaum Aufmerksamkeit galt. Cosima erinnerte sich später  : »Ich that damals nichts anderes als zu Boden zu blicken, schwache Augen und ein schüchternes Gemüth liessen mich alles nur gleichsam verstohlen erhaschen  ; was ich im eigentlichen Sinne nicht für mich da

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seiend, wusste  !« Und nochmal fast zwanzig Jahre darauf schrieb sie  : »Ich begann diese Zeilen gestern dem 10ten Oktober, an dem Tage, wo vor 40 Jahren mir der erste ahnungsvolle Einblick in unsere Kunst gewährt wurde. Es war in Paris, in beschränktem Raum, bei alten Damen, meine Gouvernanten aus der Vendée  ; meinen Vater sah ich nach achtjähriger Abwesenheit zum ersten Mal wieder  ; die ›Götterdämmerung‹, eben vollendet, hörte ich vorlesen  ; kaum verstand ich deutsch, und dennoch ist es mir, als ob dieser Tag den Grundstein meines Lebens gelegt hätte … Keine Wehmuth der Betrachtung beschleicht mich hierbei, vielmehr eine wahre tiefe Freude.« 1853 war die Gegenwart dieses jungen Mädchens für Wagner von keinerlei Interesse. Er trug vor, er wollte die Reaktion seiner Musikerfreunde. Auch Gastgeber Liszt war in seinem Musikerelement. Das Warten auf den Vater, das endlich stattfindende »Wiedersehens«-Treffen – und dann das Missachtet-Werden  : welche Schere zwischen den vielen vielen Briefen, dem Betonen des unbedingten väterlichen Interesses und der nun erlebten Marginalisierung  ! In die Lebens­ realität des Vaters waren die Kinder nicht integrierbar. Das blieb eigentlich so bis zu seinem Tod. Es ist nicht verwunderlich, dass ein Kind, das beiseitegeschoben, vertröstet, nicht beachtet wird, auf dessen innere Befindlichkeit keines der Elternteile einzugehen imstande ist, dass ein solches Menschenkind später der übergroßen Liebe eines Richard Wagner gern und glücklich nachgibt – eines älteren Mannes, der Cosima keinen Tag missen, sondern sie immer an seiner Seite wissen muss. Die Mädchen Blandine und Cosima werden selbstständiger, sie besuchen ihre ebenfalls in Paris lebende Mutter regelmäßiger, und Liszt fällt die Entscheidung, nachdem er die beiden bei einem Treffen in Brüssel erlebt hat, sie der Einflusssphäre ihrer Mutter ganz zu entziehen und sie von Paris nach Berlin zu schicken. Die Kinderzeit Cosimas ist damit beendet. Die späteren Erinnerungen Cosimas an ihre Kindheit zeigen sich deshalb insgesamt bitter. »Ich bin vom Leben so geschüttelt und gerüttelt worden, dass ich von Aussen immer wenig Gutes erwarte«, schreibt sie an Malwida von Meysenbug. Und präzisiert das später der deutlich älteren Freundin gegenüber  : »Was meiner Kindheit, ja meinem ganzen Leben schwer gefehlt hat, die mütterliche Liebe und Theilnahme, nehme ich von Dir dankend an, wäre diese mir immer gegönnt gewesen, so wäre Deine Tochter gewiß besser gerathen.« Sie kritisiert einen Ausspruch ihrer Freundin Marie von Schleinitz, »besonders, was sie vom Vater mir sagt  ; dieser behauptet nämlich, mir niemals im Leben Kummer verursacht zu haben  !  !« Und an Tochter Daniela schreibt sie später

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empört in Bezug auf Liszts Liaison mit Carolyne zu Sayn-Wittgenstein  : »Denke nur, um dieses Verhältnis sind wir Kinder, die wir ihn anbeteten, beständig und hart von ihm abgewiesen worden.« In einem Brief an Heinrich von Stein, den zeitweiligen Hauslehrer ihres Sohns, sieht Cosima den Vater in etwas milderem Licht und bezieht das in ihr Erziehungskonzept mit ein  : »Ich habe zuweilen meinen Vater mit gemeßner Wehmut sagen hören  : ›ich habe keine Kindheit gehabt‹, und begriff, wie wenig ein Leben von Ruhm, ja, von edlen Thaten selbst, das Mißgeschick aufwiegen kann, vom Paradiese der Kindheit ausgestoßen zu sein. Und indem ich meine Ohnmacht stets empfand, meinen Kindern irgend etwas zu geben, was sie feite, nahm ich mir vor, ihnen die Kindheit so vollständig, so heiter, so lang andauernd zu gönnen, als das Leben es mir gestattete.«

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osima erwarb sich in den Pariser Kindheitsjahren eine starke innere Glaubensbindung. Die katholische, auch mystische Erziehung, die sie durch Geistliche erfuhr, ist ihr lebenslang anzumerken gewesen. Sie erinnert sich später  : »Du hattest die Lehre Jesu, die genügte, wenn du nicht eben schwach und sündig warst, als mea culpa aus tiefster Seele, und die Akzeptation jedes Leidens als Buße des Daseins  !« Diese Haltung fand sich in ihrer jugendlichen Lieblingslektüre, der Imitatio Christi von Thomas a Kempis aus dem 14. Jahrhundert, einem Andachts- und Erbauungsbuch mit Empfehlungen und Lebensregeln. Immer wieder erwähnt Cosima diese innere Orientierung, insbesondere, wenn sie sich schwach und irgendwie falsch fühlte. »[…] mehrere Kapitel las ich daraus, und das Kloster-Leben, wie es meinem, wie wohl jedem jugendlichen Gemüte lockend einst vorgeschwebt, erschien mir jetzt als das Ersehnenswerte  !« Neben der Bibel soll dieses Erbauungsbuch das verbreitetste Buch unter Christen, katholischen wie evangelischen, gewesen sein, dessen Hauptmahnungen in einzelnen kurzen und einprägsam formulierten Kapiteln abgehandelt werden, die unter anderem übertitelt sind mit »Achte dich selbst gering«, »Lass keine eitle Hoffnung und keine stolze Einbildung in dein Herze einziehen«, »Sei duldsam gegen die Fehler anderer« und »Von der demütigen Unterwerfung«. Ludwig Marcuse sollte später in seinem Nachwort zu diesem Buch schreiben, das Einzige, das Thomas für wichtig hielt, sei die »Kunst, mit sich ins reine zu kommen.« Cosima nahm die Belehrungen, die Lektüre dieses und ähnlicher Autoren, tiefernst. Sie gehörten zu den grundlegendsten Eindrücken ihrer Kindheit, in der das Bedürfnis nach Lenkung und Rat insbesondere dadurch größer war, als Vater und Mutter fehlten. Priester, Religionslehrer, Geistliche übernahmen dafür zumindest in Teilen die Errichtung innerer Leitlinien. Cosima lässt später bei aller Anpassung an Wagners Vorstellungswelt diese innere Leitlinie bestehen, sie zweifelt nicht, sie empfindet den Glauben als etwas ihr Gehöriges, das sie mit sich selbst abmacht. Der leichte Spott Wagners trifft sie innerlich nicht. Und nicht zu übersehen sind die Neigungen, sich bei Schwierigkeiten abzukapseln, die Sache mit sich und dem Herrgott auszumachen, keine Erwartung, letztlich kein Vertrauen in die Menschen zu haben. Um sich dennoch in der Welt zu bewegen, überhaupt Lebensfähigkeit zu behalten, bedarf es einer Grundkraft, die sich je neu regenerieren lässt, auf die Verlass ist und die Cosima in großen Teilen im Glauben zu erhalten sucht.

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5  Cosima Liszt als junges Mädchen, vermutlich vor Herbst 1855 in Paris, Aufnahme aus einem Foto-Etui.

Cosimas Talente, ihr Temperament, ihr Organisationsvermögen und ihre Fähigkeit, soziale Kontakte herzustellen und zu halten, brauchten ein Fundament. Bis sie Wagner traf, der ihr eben dieses Fundament geben konnte durch überschwänglichstes Zutrauen und andauernde Bestätigung ihrer Wichtigkeit für ihn, vermisste Cosima das Gefühl, geliebt zu werden. Sie konnte nicht in den Beziehungen zu Menschen, sondern eher in dem Wissen einer göttlichen Liebe für sich Halt finden. Ihre Neigung zu klösterlicher Abgeschiedenheit, die Strenge mit sich selbst, die Fähigkeit, von ihren eigenen Wünschen abzusehen und sich in den unbedingten Dienst einer Sache oder eines Menschen wie Wagner zu stellen, wurde oft als Masochismus und weibliche Unterwerfungslust missverstanden. Asketisch lebende Männer werden übrigens in der Regel einem psychologisierenden Verdacht dieser Art nicht unterzogen. Cosima traf diese Entscheidungen mit umso klarerem Geist, als sie sich ihrer inneren Entschlüsse und Bewegungen bewusst war, durch lebenslange geistliche Übung. Gern verwies Cosima auf eine andere, innere Führung suchende, junge Frau, die – wie sie – den jüngeren Bruder früh durch Tod verlor und sich sehr intensiv an der Imitatio Christi orientierte. Cosima schreibt dazu der Freundin Antonie

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Der Glaube

Petersen in Hamburg  : »Kennen Sie das Tagebuch von Eugénie de Guérin, diese Jungfrau würde ich heilig sprechen, und ihre Blätter sind mir die liebsten aus Frauenhänden entstanden.« Cosimas Religiosität wird später verstärkt durch ihre Lebensentscheidung, ihren ersten Ehemann Hans von Bülow zu verlassen. Sie empfindet dies als übergroße Schuld, die für sie gleichbedeutend ist mit sündigem Verhalten, Gebotsübertretung, Verletzung des Anderen, nicht zu entschuldigendem Fehlverhalten, also einem ethischen Verstoß weit jenseits der privaten Entscheidung. Sie habe nicht anders handeln können, doch »da einer darunter leiden mußte, so erkenne ich tief an mir diese Sünde des Gehorsams und will sie sühnen und büßen wie ich nur kann.« So entsteht die Vorstellung einer lebenslangen Abtragung dieser Schuld, die Idee des Dienens. »Verstummen möchte ich, verschwinden, nichts wissen, nichts hören, außer ihm dienen, ihm  !« und dreizehn Monate später  : »[…] ihn hüten, pflegen, tragen  –  – das möchte ich, ach  ! fühle ich wie ein Müssen  !« Die Ent-Schuldung möchte sie durch bedingungslosen Einsatz für ein neues Ziel erreichen  : für die Person Richard Wagner, für seine Produktivität und Unversehrtheit. Sie hat sich etwas gewählt, was sie bis in die letzten Kraftreserven fordern wird, das Uneigennützigkeit und Fürsorge mit der persönlichen Liebe verbindet – erfüllt von Gottesliebe, so, wie ein Mönch seinem Orden dient, so, wie die Nonne sich mit Disziplin und Selbstlosigkeit den Regeln des klösterlichen Zusammenlebens verschreibt. Das mag durchaus eine wütende Selbstaufgabe sein, die aber in Cosima bei allem erschöpfenden Einsatz eine hohe Befriedigung auslöst, wahrscheinlich das, was Wagner Cosimas »katholisches Gesicht« nennt  : »R. wirft mir vor, eine völlige Sucht zur Aufopferung, zur Unbequemlichkeit zu haben  – in mir lebt der Gedanke, nie genügend getan zu haben, die Sorge zu vernachlässigen  ; ich möchte wie Melusine nur noch warten und pflegen.« Und in der inneren Bereitschaft zu Askese oder Genuss sind Cosima und Wagner an diametral entfernten Polen zu verorten. So gibt es einen Streit, weil Cosima bemerkt, dass »die einzige Differenz zwischen R. und mir ausmacht, daß er Freude an Wohlsein und hübschen Dingen hat, während ich beinahe lieber entbehre als genieße.« Nun ist Cosimas Alltag nicht wirklich asketisch. Sie liebt wie Wagner die extra­ vagante Ausstattung, sie denkt sich teure Zimmereinrichtungen und Überraschungen aus, hält den Wagner’schen Kinder- und Künstlerhausstand, was Komfort und Zeitgeschmack angeht, auf höchstem Niveau. Und dennoch meint sie es ernst mit der Selbstkasteiung, der Sehnsucht nach Selbstauflösung, dem »Non

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sum« des Mystikers und Predigers Johannes Tauler. Es geht beides miteinander, das tätige Funktionieren und die innere Suche, diese »seltsame Wollust des Leidens«, wie sie selbst es bezeichnet, und der temperamentvolle und entspannte, häufig auch heitere Einsatz im Alltag, insbesondere mit den Kindern. Da stehen die fröhlichsten Feste und Wanderungen in der Natur, schöne Reisen und erlesene Geburtstagstafeln mit den Kindern ihrer grundsätzlichen Mahnung gegenüber, die sie als Person zu beherzigen sich zwingt  : »Es gibt kein Glück auf Erden als das Opfer. Nichts für sich selbst wollen, nichts suchen, sich hingeben und dem Kleinsten, Geringsten dienen, wohltun, das, meine Kinder, ist unsre Befreiung, o glaubt mir  !« Die frühen Ansprachen an die Kinder, die Cosima in ihren Tagebüchern festhielt, konnten von den kleinen Adressaten natürlich noch nicht wahrgenommen werden. Es ist aber davon auszugehen, dass die innere Einstellung, die Cosima damit in heiligem Ernst verband, auch ihren Weg zu den Kindern fand. Zumindest an den Mädchen werden die Mahnungen und Lobeshymnen auf die Freude des Dienens nicht spurlos vorbeigegangen sein. So, wie Cosima als Kind fromm die Lehren der Kirche und ihrer Priester aufnahm, brachte sie jetzt ihren Kindern diesen Aspekt der christlichen Überzeugung nahe. Cosima musste immer das Gefühl haben, es sei nichts, was sie den fernen Eltern, insbesondere dem Vater, bieten konnte. Sie musste früh lernen, keinen Stolz zu empfinden für das, was ihr vielleicht gelang. Immer gab es jemanden, ob der Vater selbst, ob die Erzieherinnen oder das Personal im Internat, die an die Notwendigkeit der Demut und der Aufgabe des eigenen Willens erinnerten. Sie ist erst 37, als sie schreibt  : »Ich altre gern, mit jedem grauen Haar erlöscht ein eigenwilliger Gedanke  !« Cosimas Suche nach innerem Frieden scheint eine Konstante in ihrem Leben geblieben zu sein, unabhängig davon, wie gut es die äußeren Lebensumstände mit ihr meinten. Sie phantasiert sich – halb als Strafe, halb als Entlastung – in andere Rollen hinein. In einem Brief an Marie von Schleinitz, ihre langjährige Freundin Mimi, schreibt sie  : »Ich glaube ich werde einmal als Bettlerin, oder als dienende Schwester den Kreis durchmachen müssen – die Augenblicke kommen wo man sich des Höchsten, (Liebe und Begeisterung), beinahe wie einer Schuld schämt.« Und selbst wenn Cosima eine erfolgreiche Bilanz ziehen kann, vermag sie nicht, ihre eigene Leistung darin positiv zu sehen. »Alles scheinbar Harte in meinem Leben hat zum Segen sich verwandelt, selbst wo ich widerstrebte, hat das Schicksal mich gnädig gewaltig geführt, so stehe ich bar jedes Wertes jedes Verdienstes entbehrend, von Gott beschützt und geliebt, staunend dankbar, unerschütterlich vertrauensvoll, vergehend vor Rührung vor diesem Geschicke, das

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mir gewährte, Gutes dem Höchsten tun zu dürfen – ich Unwerte  ! … So weiß ich nur Andacht und Arbeit und tiefste Demut in heiligem Glücke  !« Cosimas Zugehörigkeit zunächst zur katholischen Kirche ihrer Kindheit in Frankreich sowie der Wechsel zum Protestantismus aus Anlass ihrer Hochzeit mit Wagner in der Schweiz zeigt sich in einem nicht sehr häufigen, aber an hohen Feiertagen üblichen Gottesdienstbesuch mit den Kindern. Deren Hineinwachsen in die Traditionen und die kirchliche Gemeinschaft sind eher Teil der umfassend angelegten Erziehung und des Versuchs, die Familie in das jeweilige soziale Umfeld zu integrieren. Der christliche Glaubenshintergrund wird von Cosima gepflegt, weit mehr, als dies Wagner praktiziert. Die grübelnden Zweifel aber über das eigene Tun, über die Legitimität von Glück und Selbstwert, macht Cosima eher mit sich selbst aus – oder teilt sie ab und an mit guten Freundinnen. Vater Liszt hatte es in gewisser Weise vorgemacht, indem er seinem erfolgreichen und auch glanzvollen äußeren Leben demonstrativ eine neue Richtung gab, als er die niederen Priesterweihen wünschte und erhielt. Die häufig verspottete schwarze Soutane des Abbé Liszt als nunmehr deutliches Signal seines neuen Standes war ihm ein Bedürfnis und unübersehbares äußeres Zeichen seiner inneren Suche. Da ist es nicht weit zu Cosimas Tagebucheintragung  : »Ich möchte, meine Kinder wären so groß, ich könnte alles an sie abgeben, allen Besitz, und dienen gehen  !«

6. Hans von Bülow

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ie unversorgte Zeit »ohne Vater und Mutter«, die Pariser Kinderzeit wird durch Liszts Beschluss verändert, die beiden Töchter nach Berlin zu schicken. Ein zwar aus Sicht der Mädchen unfreiwilliger Ortswechsel. Aber aus einer Sphäre des Machtkampfs der Eltern, der Gereiztheiten, plötzlichen Verbote und Kontrollen kommt Cosima mit dem Umzug nach Berlin zunächst einmal in friedliches Gelände. Franziska von Bülow, die Mutter Hans von Bülows, des bevorzugten Schülers von Liszt, wird auf die jungen Mädchen aufpassen. Und ihr Sohn, der junge Baron Bülow, wird ihr Klavierunterricht geben.

Jetzt, in Berlin, besteht die Möglichkeit des Entdeckens. Blandine und Cosima versuchen, sich einzuleben. Ludmilla Assing, eine Nichte Gottfried Kellers und selbst Schriftstellerin, Übersetzerin und Journalistin, schreibt am 9. Mai 1856 an ihren Onkel  : »Auch zwei artige Töchter von Liszt sehen wir zuweilen, muntre, unbefangene Französinnen, die hier der Obhut der Frau von Bülow übergeben sind.« Die zwei artigen Töchter sind wieder umgezogen. Ihre Wirtin und Halb-Erzieherin, die geschiedene Baronin von Bülow, ist eine strenge Frau. Die Mädchen sind junge Frauen, in eine Umwelt mit fast neuer Sprache versetzt, mit unklarer Perspektive für die Zukunft. Es ist vorstellbar, dass dabei die Präsentation in der Berliner Gesellschaft vielleicht noch zu den vertrautesten Übungen gehört. »Bei den Klängen der Tannhäuser-Ouvertüre muß ich der ersten Aufführung derselben in Berlin unter Hans’ Leitung […] gedenken  ; es wurde stark gezischt, Hans wurde ohnmächtig.« Cosima erinnert sich damit an den Abend des 19.  Oktober 1855  – da war sie siebzehn Jahre alt. Gemeinsame Liebe zu etwas oder jemandem Dritten kann Liebe stiftend sein, zumindest Interesse stiftend. Cosima besucht eines der von Bülow dirigierten Konzerte, mit Musik von Wagner, den sie schon einmal gesehen hat und der ein weiteres Band der Gemeinsamkeit zwischen Bülow und ihr darstellt. In diesem Konzert entstehen Signale, die in Cosima Aktivität, Kraft und Entschlusskraft wecken  : Sie ist dabei, als Bülow ausgezischt und ohnmächtig wird. Eine Schmach sondergleichen. Ein ganzer Saal voller Verachtung. Und dieses Miterleben hat die Qualität, in Cosima gewissermaßen einen Urknall, eine Grundveränderung auszulösen. Sie zischt nicht mit, sie ist auf der Seite des Musikers und sie hat die Kraft, diesem geschundenen Mann ein anderes Signal zu senden. Sie berichtet  : »[…] ich kehrte heim zu seiner Mutter und blieb spät auf, bis er kam, damit er erführe, daß

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eine menschliche Seele für seine Mühen ihm danke. Dieser Dank war die Quelle unsrer Verbindung. – –« Wenn keiner es bemerkt, ich bemerke deinen Wert, ich spiegele dir deine Kostbarkeit. Das Rettungsmotiv. Die Krafterfahrung durch die Unterstützung eines Anderen. Meinen Wert spüre ich, wenn ich ihn für jemand anderen einsetzen kann. Ich gebe mich dir mit Haut und Haar. Ich verbinde mich an diesem missratenen Abend, der für dich eine einzige Niederlage war, mit dir. Wenigstens auf mich an deiner Seite kannst du zählen. An diesem Abend haben sich Bülow und Cosima tatsächlich verlobt. Die Konvention lässt eigentlich keinen anderen Weg. Unter einem Dach, in die Obhut seiner Mutter übergeben, damit den Mädchen Cosima und Blandine nichts Böses geschieht im großen Berlin, was sollte da andres draus entstehen  ? Ob dies Band reichen wird, soll sich erst herausstellen, und wir wissen, dass es das nicht tat. Bülow, der 25-jährige, von Liszt geförderte junge Pianist und Dirigent, hatte sich wie Liszt der Zukunftsmusik Wagners leidenschaftlich verschrieben. Als ein Lieblingsschüler Liszts war er für Cosima gewissermaßen eine dauernde Erinnerung und auch Inkarnation des väterlichen Beistands. War schon der Vater nie da, so gab es jetzt wenigstens diesen Menschen, der weit mehr als die Töchter in Kontakt mit ihm war und sozusagen dem Liszt’schen Dunstkreis angehörte. In einem Brief an seinen Lehrer verbindet Bülow sein Lob für Cosima mit eben dieser Verwobenheit  : »Wie ergriffen und tief berührt war ich, als ich Mademoiselle Cosima zum ersten Mal spielen hörte und darin den ›ipsissimum Lisztum‹ erkannte  !« Beide jungen Leute genossen also im Anderen die Nähe Liszts, mit töchterlicher Sehnsucht, mit bewundernder Schüler-Anhänglichkeit. Wenn man bedenkt, wieviel Leid und Komplikation die spätere Trennung dieses Paares mit sich brachte, ist dies umso trauriger, weil bereits in den Anfängen das wechselseitige Missverständnis, im anderen einen Dritten zu meinen, ausgeprägt war. Das »Ipsissimum-Lisztum« zu sein, dieses im Eigentlichsten Liszt zu sein, sollte zwar eine Anerkennung und geradezu Weihe der angehenden jungen Frau beschreiben, aber es ist gleichzeitig eine herabsetzende Ohrfeige und gerade eben Missachtung ihrer Person. Prominentenkinder der ganzen Welt können ein Lied davon singen, wie es ist, das eigene Angesicht als Erinnerung an den berühmten Elternteil missbraucht zu erleben. Die Magerkeit Cosimas, ihre große vorspringende Nase, der lange schmale Hals der Siebzehnjährigen, wurden einerseits verspottet  – la cigogne, der Storch –, gleichzeitig aber als deutliche Ähnlichkeit zum Vater Liszt gepriesen. Das Selbstbewusstsein einer jungen Frau wird dadurch nicht gefördert. Eher macht sie wieder einmal die Erfahrung, dass es auf sie nicht wirklich an-

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kommt, dass sie selbst gar nicht gemeint ist, sondern ihre Anwesenheit auf eine andere Person zielt, deren Bedeutung unterstreicht, immerhin. Was sie selbst will, wollen kann, interessiert ihre Umwelt nicht. Sie hat in den bisherigen Erziehungsjahren gelernt, dass ihr individueller Wille nicht viel gilt, kaum wahrgenommen wird, keine Folgen zeitigt. Wie bei jenem Empfang des Vaters in Paris, an dem die Fürstin von Sayn-Wittgenstein, deren Tochter sowie Wagner teilnehmen und wo sie – geduldet, nicht angesprochen – einfach dabei sein darf, ohne Interesse von irgendjemandem an ihr, aber eingesponnen in ein dichtes Netz an Verhaltensregeln und Mahnungen, mit welchen sie sich die Legitimität ihres Daseins erkaufen, erdienen kann. Dass Mädchen als Persönlichkeiten wahrgenommen werden, war in dieser Zeit und sehr lange Zeit später immer noch nur ihr Wunsch und ihr natürliches Recht, es entsprach aber nicht dem gesellschaftlichen Denken. Da half die halbaristokratische Herkunft, zumindest in diesen frühen Mädchenjahren, kaum. Und plötzlich tut sich für Cosima mit Hans von Bülow ein Seelenverwandter auf, einer, der auch Leidenschaft ausstrahlt, Unbedingtheit, Hingabe an die Sache der Musik und den Lehrer Liszt. Bülow erklärt Liszt seinen Heiratswunsch, der Vater der Braut muss gefragt werden, egal, wie gut oder nah oder ungut und fern die Beziehung zur Tochter ist, denn der Vater ist ihr Vormund. Bülow schreibt über Cosima an Liszt  : »Es ist mehr als Liebe, die ich für sie empfinde  ; der Gedanke, mich Ihnen, den ich als hauptsächlichen Stifter und Beweger (auteur et moteur) meines gegenwärtigen und zukünftigen Daseins betrachte, noch mehr zu nähern, faßt alles Glück zusammen, das ich hienieden erwarte. Cosima Liszt überragt für mich nicht nur als Trägerin Ihres Namens alle Frauen, sondern auch, weil sie Ihnen so gleicht, weil sie durch so viele Eigenschaften ein treuer Spiegel Ihrer Persönlichkeit ist.« Bülow liebte Liszt so leidenschaftlich und ergeben, dass der Gedanke sich aufdrängt, er habe Cosima letztlich gar nicht gemeint. Die Werbung um Cosima ist bei Lichte besehen eine Liebeserklärung an Liszt, indem sein Name die Tochter über alle Frauen stellt, und so ist sie ein Wesen, das, wenn schon nicht der Meister selbst, so doch wenigstens sein Abkömmling, sein Fleisch und Blut ist. Die Begründung für seinen Heiratsantrag ist in der Überhöhung des geliebten Lehrers und Vaters der Braut eine Erniedrigung eben dieser Tochter. Dass sie sein Wesen trage, ihm eine kleine Ausgabe des Originals schenkt, umschreibt seine Erwartungen beziehungsweise Nicht-Erwartungen, indem er nicht auf ein gemeinsames Leben mit eben dieser jungen Frau sich vorbereitet, sondern auf eine Aufwertung seiner Person, wenn er mit einem Mädchen dieses prestigeträchtigen Namens eine Ehe eingeht. »Es war ein großes Missverständnis, das uns ehelich verband«, schreibt Cosima später.

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Bei der Hochzeit am 18. August 1857 in Berlin in der Sankt Hedwigskirche ist neben Paul von Bülow, einem Cousin von Bülows Vater, Franz Liszt der Trauzeuge. Wie viele Jahre hat die Tochter auf diesen Vater verwartet, bis er – selten genug und eilig genug und abgelenkt genug – sie besuchte  ? Zur Hochzeit seines Lieblingsschülers ist er präsent, er unterstützt die Verbindung, die aus seiner Sicht die zweier seiner Kinder gewesen sein mag. Der sohnesähnlich vertraute Schüler, auf den er Hoffnungen setzt und den er fördert, die Tochter, die er so versorgt und in einen legitimen Status gebracht sieht. Mit dem Vater gemeinsam dieses Fest der Hochzeit zu begehen, gibt einen zusätzlichen Glanz und eine zusätzliche Bürde der Verbindlichkeit. Mit diesem Manne sollst du gehen, er ist aus meiner Sicht die beste Wahl. Eine indirekte neue verwandtschaftliche Bindung zum Vater tut sich auf, aber auch ein unausgesprochenes »Enttäusche mich nicht  !«. Mit dem Aufkündigen dieses gemeinsamen Lebens wird Cosima später nicht nur Bülow kränken, sondern ebenfalls, und vielleicht für sie bedeutender, den Vater. Der Mann, den Cosima heiratet, gilt bereits in jungen Jahren als schwieriger Mensch. Er hat als Kind mehrere Hirnhautentzündungen erleiden müssen, er ist außergewöhnlich nervös, cholerisch, schmerzempfindlich. Diese fast durchgehend ihn quälende Krankheitsgefährdung, die Migräne, die großen Stimmungsschwankungen, die sich später auch durch Drogengebrauch erklären lassen, die Hysterie, zu der er neigt, sind eine Riesenaufgabe für eine Lebensgefährtin. Cosimas Interesse scheint aber gleichzeitig gerade durch diese spezielle Situation geweckt worden zu sein. Seine Probleme im Konzertsaal, die Streitereien mit den Orchestermitgliedern, die sich immer weiter verstärken werden, die ungeheure Selbstbezogenheit und Unerfahrenheit im Hinblick auf Frauen mögen für Cosima in ihrem unentwickelten Selbstbewusstsein geradezu ein Glückszufall gewesen sein. Sie ist gefordert, von der ersten Minute an. Sie wird sich ihre Zweisamkeit verdienen müssen, indem sie für diesen komplizierten Mann eine Stütze sein will. Eigentlich hat sie ihn erwählt, nicht er sie. Sie hat ihn nach dem Vorfall und dem Misserfolg im Konzert ihres Beistandes versichert. Und es war wohl allen Beteiligten, einschließlich der Mutter Bülow, klar, dass dies nicht eine merkwürdige Panne gewesen war, sondern in diesem spannungsgetriebenen Mann ihre Ursache hatte. Durch Bülows weiteres Dirigentenleben ziehen sich Aussagen über seine »grenzenlose Schroffheit«. So wird später den Wagners aus Amerika berichtet, »Hans habe mit unerhörter Meisterschaft gespielt, jedoch sich durch sein persönliches Auftreten das Publikum befeindet, so daß der Besuch mäßig war.« Bülow selbst klagt per Briefpost »über seinen überreizten Zustand der Nerven,

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Gedächtnis und Kraft verließen ihn, seine Kur in Salzungen sei fehlgeschlagen, die traurigsten Äußerungen der Ermattung  !« Und der britische Wagnerfreund Edward Dannreuther vermeldet aus London, dass Bülow »wiederum in unbegreiflicher Weise die englischen Musiker angegriffen.« All diese Anmerkungen und Berichte belegen, dass Bülows Anlage zu psychisch-physischen Beeinträchtigungen ernst waren und bereits in der Zeit seiner Hochzeit mit Cosima als grundsätzliche Schwächungen und Alarmpunkte gesehen werden mussten. Wahrscheinlich hätte Cosima einen weniger komplizierten Mann gar nicht beachtet. Nehmen wir ihr Verlöbnis, ihr Vorhaben ernst, dass wenigstens sie als Einzige ihm gerecht werden könne, so ist von einem ehrlichen Willen auszugehen, diese Ehe zu wagen und zu leben. Cosima gewinnt mit dieser Verbindung die neue Rolle und unternimmt es erfolgreich, in der Berliner Gesellschaft Fuß zu fassen. Hans und Cosima sprechen französisch miteinander, sie werden sich später weiterhin ihre Briefe in dieser Sprache schreiben. Die Entwicklung zu einer Berliner Salonniere geht gut voran. Cosima hat gelernt aufzutreten, und sie ist für Berliner Augen mit ihrem Namen und ihrem französisch-aristokratischen, wenn auch illegitimen Hintergrund eine sehenswerte Erscheinung. Sie erinnert sich in einem Brief an ihre Freundin Mimi an diese Zeit  : »Die alte zur Kirche mit Scheinkuppeln verwandelte Orangerie versetzte mich recht in das frühere berliner Wesen (Gemisch von Pauvretät, Steifheit u. doch bei allem ›Man so thun‹ wirklich nicht leicht zu definierende Vornehmheit).« »Grüßen Sie mir doch die zierlichen Bülowsleute«, schreibt Gottfried Keller 1857 an seine Nichte Ludmilla Assing nach Berlin  : »Ihr Lob der Cosima hat sich glänzend bewährt, und diese vortreffliche und eigentümliche junge Frau hat mir so wohl und ungeteilt gefallen wie seit langer Zeit kein Frauenzimmer. Man muß ihr wirklich alles Gute wünschen, und möge sie bleiben, wie sie ist, in der renommistisch verschrobenen heutigen Welt.« Und ein Jahr später  : »Grüßen Sie Herrn und Frau von Bülow  ! Der Bülow ist ja ein Allerweltskerl von Polemiker.« Wagners Noch-Ehefrau Minna hingegen nahm dieses Paar ganz anders wahr. In einem Brief an Wagners Halbschwester Cäcilie beschwerte sie sich nicht nur über ihren Mann  : »[…] nur seine Creaturen liebt er anhaltend, z. B. auch diese Bülows, die sich so schlegt und gemein gegen mich benahmen, daß, wenn ich 100 Mal nach B.[erlin] käme, sie nie besuchen würde.« Die Bülows gelten als interessantes Paar. Cosima baut sich eine gesellschaftliche Position auf durch den Kontakt zu emanzipierten und politisch aktiven Frauen wie Hedwig Dohm, die kämpferische Feministin und Ehefrau des Kladderadatsch-

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6  Wahrscheinlich die einzige Aufnahme, die das Ehepaar Bülow gemeinsam abbildet  : Cosima von Bülow sitzend, neben ihr ein ungarischer Freund Liszts (vermutlich Baron Antál Augusz oder Graf Leo Festetics), am Klavier Cosimas Vater Franz Liszt, rechts außen stehend Hans von Bülow (Fotografie vom Spätsommer 1865 in Pest).

Redak­teurs Ernst Dohm, wie Emma Herwegh, ebenfalls Frauenrechtlerin und Ehefrau des Dichters und Revolutionärs Georg Herwegh – und vor allem zu der Schauspielerin Ellen Franz, die später als Helene von Heldburg in den Adelsstand erhoben, den Meininger »Theaterherzog« Georg II. heiraten wird und lebenslang mit Cosima befreundet bleibt. Ebenfalls zu dieser Zeit entsteht die innige Freundschaft zur Mimi genannten Marie von Buch, der späteren Gräfin Schleinitz beziehungsweise Wolkenstein-Trostburg. Mimi wird sowohl Wagners Werk, insbesondere das Unternehmen Bayreuth, vorbehaltlos unterstützen als auch bis zu ihrem Tod 1912 eine vertraute und Rat gebende Freundin Cosimas sein. Die junge Baronin von Bülow gibt in Berlin Abendgesellschaften und hat jeden Mittwoch und Samstag feste Besuchszeiten für ihre Gäste. Sie musiziert auch aktiv, sowohl als Flötistin als auch am Klavier, einige Male gemeinsam mit ihrem Mann  – das Klavierspiel ist ja ursächlich für ihre Verbindung. Cosima hatte eine solide musikalische Ausbildung genossen, kannte sich in Musiktheorie aus und war vielleicht in diesen frühen Jahren noch unbefangen genug, sich selbst bei den vielen gesellschaftlichen Gelegenheiten mit ihren musikalischen Fähigkeiten einzubringen. Sie stieß zuweilen auf geradezu begeistertes Echo  : So urteilte Ludmilla Assing 1857, sie spiele »noch schöner als Herr von Bülow.«

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Cosima pflegt – wie die Mutter auch – ein journalistisches Talent, sie schreibt für die Revue germanique Berichte über das kulturelle Berlin, über Konzerte und Bücher, sie fertigt Übersetzungen an und hat offensichtlich das Bedürfnis, über ihre Rolle als junge Ehefrau hinauszugehen. Zwei Jahre nach ihrer Eheschließung kann davon ausgegangen werden, dass Cosima innerlich etliche Pläne, Ideen, Neigungen hatte, die sie nicht mit Bülow teilen konnte und wollte. Von Seiten der Berliner Gesellschaft wurde die soziale Position der beiden Ehepartner durchaus ambivalent eingeschätzt. Es gab die herablassende Haltung gegenüber Cosima aufgrund ihrer unehelichen Geburt, wie sie der Liszt-Schüler und Wagner-Freund Peter Cornelius in seiner Sicht der Dinge formulierte  : »Bülow ist eine edle, bedeutende Natur, und ich bedaure mit wirklichem Schmerz, daß er der Märthyrer seiner Verhältnisse ist. Seine Heirat mit Cosima war ein Freundesopfer, das er seinem Meister Liszt brachte  ; dem natürlichen Kinde einen glänzenden, ehrenhaften Namen zu geben und damit dem Vater eine tiefe Befriedigung und Lebensberuhigung  ; darauf ging er aus, es war ein Akt der Dankbarkeit. Diese Hingebung wurde ihm durch Cosima schlecht gelohnt.« Cosima erhielt durch die Heirat die preußische Staatsangehörigkeit sowie den Titel einer Baronin, ihre illegitime Geburt war damit aus der Welt. Bleibt die Frage, ob Liszt wirklich die »Legalisierung« Cosimas wichtig war oder ob er sich nicht vielmehr darüber freute, dass sein Lieblingsschüler nun sein Schwiegersohn wurde. Aus den zeitgenössischen Berichten ist erkennbar, dass Cosima sich mit Eleganz und gesellschaftlicher Noblesse in den Berliner Salons und als Gastgeberin bewegte. Marie Fürstin zu Hohenlohe-Schillingsfürst, die Tochter Carolyne von Wittgensteins, berichtet in ihren Erinnerungen über Cosima aus deren frühen Zeit mit Bülow  : »Überdies war sie eine tüchtige Hausfrau, tätig auf jedem Gebiete, die krankhaften Launen, die stete Verdrossenheit ihres Mannes heiter ertragend. Milde und Sanftmut waren ihr zwar nicht als holde Feengaben in die Wiege gelegt worden. Im Gegenteil, durch ihr hohes Selbstgefühl wie durch angeborene Schärfe verletzte sie die meisten Frauen und viele deutsche Männer ihrer Umgebung, die sie unweiblich schalten.« Cosima fiel auf, war ungewöhnlich, fiel aus dem Rahmen weiblicher Konvention. Damit aber konnte sich ein Mann wie Bülow durchaus schmücken – vielleicht schmückte er sich einfach mit der Liszt-Tochter, dem Liszt-Schwiegersohn-Bonus. Das »Unweibliche« mag sich neben Cosimas Stimme auch auf die Größe bezogen haben. Unbestritten ist, dass Cosima, auch wenn manche ihrer Geschlechtsgenossinnen sie befremdlich gefunden haben mag, jahrzehntelange Freundschaften gerade mit Frauen pflegte – familiär enge, oft heitere Beziehungen, in denen sie Vertrauen und liebevolle Zuwendung von Frauen erlebte und erwiderte.

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uch Liebe im Kopf ist Liebe. Cosima hatte fast lebenslang enge Bindungen an Freundinnen, denen sie kluge und ehrliche Briefe schrieb. Eine Bindung allerdings, die in ihrer Heftigkeit nur wenige, aber wichtige Jahre währte, ist die an die Schauspielerin Ellen Franz, die dreieinhalb Jahre jünger war als sie. Die Briefe Cosimas an sie sind verdienstvollerweise inzwischen veröffentlicht. Cosima lernte Ellen als Klavierschülerin ihres ersten Mannes Hans von Bülow kennen. Sie befreunden sich, verbringen viel gemeinsame Zeit miteinander und korrespondieren heftig. Und merkwürdig genug, wie um einen eigenen Raum für sich zu schaffen, schreiben sie ihre Briefe in englischer Sprache. Ellen ist durch die Herkunft ihrer englischen Mutter zweisprachig. Die beiden jungen Frauen geben sich Rollennamen  : Ellen nennt sich »chick«, Cosima »queen« – in der deutschen Übersetzung heißt das dann »Täubchen« und »Königin«. Damit wird ein hierarchisches und auch altersmäßiges Verhältnis begründet, das beide annehmen und ausfüllen. Cosima, die »Königin«, ist zu dieser Zeit eine junge Ehefrau, sie wird bald ihr erstes Kind bekommen, aber das hindert sie nicht, sich in Helene, genannt Ellen, geradezu zu verlieben. »Ich sende Dir tausend Küsse, mein liebstes, bestes Kind, ich bin Dir keine Mutter, ich bin nicht einmal Deine älteste Freundin, aber ich weiß, dass ich Dich liebe und das macht unsere Verbindung und gemeinsame Zeit besonders. Ganz die Deine alte, traurige, dumme Königin.« Sie spricht mehrfach vom »Magnetismus«, den sie bei Ellen verspüre – und »jeder weiß, dass Du mich verhext hast.« Cosima nimmt die beginnende Schauspielkarriere von Ellen sehr ernst und versucht, ihre Ideen und Kontakte für sie einzusetzen. Sie mahnt und coacht sie sogar, hält immer die Augen offen für Chancen und Möglichkeiten der Freundin. Nach einem Besuch im Königsstädter Theater am Alexanderplatz schreibt sie  : »In der Königstadt habe ich wieder die Wiener gesehen, die nun abgereist sind, sie spielten Much ado about nothing und das ganz reizend, die Beatrice daraus wäre eine sehr schöne Rolle für Dich, Du tätest gut daran, sie einzustudieren.« Und wenig später mit Bezug auf Lessings Minna von Barnhelm findet sie, dass »Du Dein debùt in Minna geben musst, behandle die Rolle mit äußerster Sorgfalt  ; spiele sie so übermüthig, lebhaft und munter wie möglich, aber nicht gemacht, es muss ganz natürlich wirken«. Cosimas Leidenschaft für das Theater ist der emotional wichtige Hintergrund für ihre mit Ellen empfundene Gemeinsamkeit  : »Wenn Du jetzt an der Stelle

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angekommen bist, mich ernsthaft zu fragen, ob ich Dich liebe, so muss ich hoffen, dass Du Dir selbst die Antwort geben kannst. […] ich sperre Dich nicht in einen Käfig, Du bist frei wie ein Vöglein und kannst selbst entscheiden.« Beide teilen das brennende Interesse und die Verehrung für den Schauspieler Bogumil Dawison, verfolgen zusammen Vorstellungen mit ihm, an die Cosima sich erinnert und schreibt  : »Denk nur, ich war allein in Gotha, in denselben Räumen, in denen wir gemeinsam gewohnt haben, und alles nur, um Dawison im Hamlet zu sehen.« Und nachdem Ellen tatsächlich erfolgreich ihre Laufbahn begonnen hat, zieht Cosima ein Resümee  : »Was ich von Dir erwarte, Teil meiner Seele, ist, dass Du das Theater zu Ehren bringen und mich wieder mit dieser namenlosen Wirthschaft aussöhnen wirst, die den Namen der Kunst angenommen hat  ; meine Liebe, für dieses Vorhaben braucht man Talent, Tugend und Schönheit und Du besitzt alle drei, lasse sie so sehr wie nur möglich gedeihen und bleibe mit dem Geist in den edlen Regionen des Gefühls.« Ellen wird in Weimar Karriere machen. Cosima ermutigt sie deshalb, sich ruhig mit Franz Liszt, der dort lebt, in Verbindung zu setzen. Sie rät ihr  : »Wenn Du Zeit hast, dann gehe ohne irgendeine anmeldung nach Weimar, ohne etwas von mir zu sagen und frage meinen Vater um Rat, er weiß in allem immer den rechten Weg und gibt den besten Rat, denn das Wohl der anderen liegt ihm sehr am Herzen und er will für alle immer das Beste.« Ellens Briefe an Cosima sind bis auf eine späte Ausnahme leider nicht erhalten. Umso eindringlicher wirkt, was Cosima schreibt  : »Ich habe zwei schöne, lange Briefe von Dir zu beantworten, mein einziges  ! Ich weiß gar nicht, womit ich anfangen soll, denn ich möchte Dir auf alles antworten und so viel erzählen  ! Ich denke, ein schöner, langer Kuss ist immer der beste Anfang, und nun hast Du einen solchen auf Deinen hübschen Augen und Deinen lieben Wangen, und ich möchte Dir vor allem sagen, wie sehr ich über Dein Debüt erfreut bin.« Selbst kurz vor der Geburt ihrer ersten Tochter gibt Cosima Auskunft über ihren Zustand und schreibt Ellen nach Weimar, wo diese ein Engagement bekommen hat  : »Gesundheitlich geht es mir wirklich sehr gut, ich kann immer noch laufen, lesen und schreiben  ; […] ich kann Dir versichern, mein Einziges, dass ich mehr als zehn Mal am Tag das Bedürfnis verspüre, mit Dir zu sprechen, Dich zu sehen, Dich zu umarmen  ! Ich bitte Gott, dass Dir es ebenso geht, und dass die lange und entscheidende räumliche Trennung, die zwischen uns gekommen ist, der inneren Verbindung, die uns vereinigt hat, nichts anhaben wird. Wenn ich mich müde und schwach fühle, und genug habe vom Wachen und Träumen, lasse ich meine Gedanken auf der Zeit ruhen, die wir zusammen gelebt haben, und ich

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glaube fest daran, dass Du mich immer genauso lieben wirst, obwohl ich selbst so anders bin, so dem Schweigen zugeneigt, so hartherzig, um es mit einem Wort zu sagen.« Die Beschreibung Cosimas ihrer selbst scheint zu dem Medium zu passen, dessen sie sich in ihrem Verhältnis zu Ellen Franz bedient. Im Brief ist die Distanz gewahrt bei aller möglichen Begeisterung, ja Leidenschaft, Cosima darf ihr Brüten und Schweigen beibehalten und gleichzeitig glühen  : »Noch einmal adieu, ich sende Dir eine Million Küsse und Wünsche so zahllos und strahlend wie die Sterne am Himmel. […] Ganz die Deine in Herz und Seele«. Cosima berichtet der Freundin von einer »kleinen Feier« in ihrer Berliner Wohnung, von einem Empfang, den ihr Mann und sie gegeben haben  : »Es war nicht wirklich eine große Angelegenheit, doch bis man all die Gäste zusammen hat, die man sich wünscht, bis alles bestellt ist und bis man weiß, was man anziehen soll etc. etc. vergeht viel Zeit. Es war ein hübscher Erfolg, wir waren etwa 90, darunter Meyerbeer, der Maler Schmitson«, die Bildhauerin Ney und viele weitere Künstler, Schauspielerinnen und Adelige. Sie hätte die Freundin gern dabeigehabt und fährt fort  : »Wir hätten uns gemeinsam köstlich amüsiert  ; so fühlte ich mich jedoch sehr allein. Ich habe Dein hübsches Gesicht und Deine lieben Augen in allen Ecken vergeblich gesucht, und es war merkwürdig, Dich nicht dort zu sehen, wo Du gewöhnlich immer warst, wenn bei mir etwas stattfand. […] In Bezug auf uns beide solltest Du nichts Glauben schenken, das nicht direkt von mir kommt. Meine Liebe, tu mir den Gefallen und rede mit niemandem über mich  ; ich bin jetzt davon überzeugt, dass niemand die Zuneigung verstehen kann, die ich für Dich empfinde, und so vermeide ich es, von Dir zu sprechen und erwarte stattdessen Nachrichten nur auf direktem Wege von Dir.« Die Zuneigung, die Cosima für Ellen empfindet, ist wohl auch bemerkt und vielleicht kommentiert worden. Nicht umsonst möchte sie diese Beziehung wenn möglich für sich behalten und bittet die Freundin, dies ebenso zu tun. Es ist jetzt eine Fernbeziehung, und Cosima leidet  : »Ich umarme Dich, meine Allerliebste, wenn Du an mich nicht als Deine Anhänglichste und Ergebenste denkst, wird mein Geist Dich heimsuchen und Dir schlechte Träume bescheren, doch wenn Du es tust, dann wirst Du mich jede Nacht sehen und meine Küsse fühlen, wie ich sie Dir jetzt mit zärtlichsten Gedanken schicke.« Und wenn sie aneinander vorbeischreiben, mit Ungeduld auf Briefe warten, kommentiert Cosima früh  : »Wir haben Pech, ganz so, als ob wir ein Liebespaar wären, meine Allerbeste, mein liebes Täubchen  ! […] Immer und ewig die Deine«. Die Rollen der Kleinen und der Hohen werden auch schreibend gespielt  : »Leb wohl meine Liebe, ich küsse Dich auf Deine zarten Wangen und hoffe, dass du mich immer

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täubchenhaft lieb behältst, während ich dich königinnenhaft, also zärtlich, sehr sehr lieb habe.« Bei dieser überschwänglichen und ungeschützt geäußerten Zuneigung der beiden jungen Frauen ließe sich heute im Debattenfeld um Diversität und queere Lebensformen schnell ein lesbisches Verhältnis assoziieren. Aber jede vermutete Zuschreibung kann da auch zu etikettierend und übergriffig sein. Eine solche Eindeutigkeit jedenfalls ist keineswegs zu erkennen. Dass Cosima in dieser Zeit als junge Frau mit ihrem ersten Kind – oft alleingelassen vom tätigen und vielleicht auch ganz gern abwesenden Musiker-Ehemann Hans von Bülow – nach einem Umzug innerhalb Berlins in einer fremden neuen Umgebung wohnt und sich letztlich aus eigenen Kräften das Leben, ihre Begegnungen und ihre Lebenspläne organisieren muss, führt zu einer Erschöpfung und Schwächung, die mit einer vermuteten Depression in Zusammenhang gebracht werden. Sie hat zwischendurch Ellen in Weimar besucht und schreibt ihr, zurück in Berlin  : »Ich hätte schon vor zwei Tagen geschrieben, wenn ich nicht so gelitten hätte unter meiner Niedergeschlagenheit  ; meine Liebe, wenn ich mich besser gefühlt hätte, so hätte ich Deine Anwesenheit ganz anders genießen können, und es ist so eine dumme Sache, wenn man fühlt, dass man immer mehr zum Tier wird und alle seine Fähigkeiten verliert, und das auf Grund eines Körpers, in den ich lieber nie hineingeboren worden wäre.« Sie teilt die Verzweiflung mit ihrer Freundin, von der sie sich ohne Einschränkung angenommen fühlen kann. Die Entfremdung zu Bülow war da, wahrscheinlich hatte es überhaupt nie eine wirkliche Nähe gegeben. Das auszusprechen ist gegenüber dem konventionellen Gesellschaftskreis mehr als heikel, zu Ellen kann Cosima aufrichtig sein. Daneben erlebt sie in den kurzen Jahren der innigen Verbindung mit Ellen in Berlin sehr viel Anderes, Gesellschaftliches, Anregendes, von dem sie der Freundin impulsiv und gern berichtet. Ein bisschen Klatsch ist auch dabei. Als sie anlässlich eines adeligen Kindergeburtstags zu einer Landpartie eingeladen wird, die sie aber wegen ihrer Schwangerschaft nicht wahrnehmen wird, schreibt sie gut gelaunt über Ludmilla Assing  : »Es wird reizend sein, ich frage mich, ob Ludmilla ihren Amazonenhut aufsetzen wird  ; ja meine Liebe, sie hat einen solchen, einen weißen mit schwarzem Samtrand, der mit zwei Federn geschmückt ist, einer schwarzen und einer _ _ _ roten  ! Extravagant  ! Wenn es irgendetwas gäbe, das mich von zu Hause weglocken könnte, wo ich doch zu denen zähle, die leidenschaftlich gerne zu Hause sind und nur dort Frieden, Ruhe und Erholung finden, so würde mich dieser Hut dazu verlocken, mit von der landpartie zu sein.« Die sechzehn Jahre ältere Ludmilla wird als Amazone, als männerlose

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Kämpferin gesehen, weil sie mutig und unbeirrt ihre politischen Publikationen verfolgt und für Cosima in dieser Hinsicht ein Vorbild ist. Als Ludmilla Assing den Briefwechsel von Alexander von Humboldt mit ihrem Onkel Varnhagen von Ense herausgibt, wird sie wegen Indiskretion zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt  ; sie flieht aus Berlin nach Italien und bleibt dort bis zum Ende ihres Lebens. Auf eine leichte und belustigte Weise berichtet Cosima über unzählige Konzert-, Opern- und Theaterbesuche, Das Käthchen von Heilbronn, französische Salonstücke, Shakespeare sowieso und Ferdinand Raimund. Vielleicht kann sie, die immer genau auf ihre gesellschaftliche Reputation und deren Vermehrung achten muss, gerade im englischen Schutzraum dieser Korrespondenz auch ein bisschen Albernheit ausleben, im Vertrauen auf sympathisierendes Zuhören. Sie berichtet  : »Gestern habe ich Kieselbach und seine Nichte gesehen, insgesamt sehr lustig und harmlos […]. Denk nur, wir haben keine Plätze bekommen und saßen in der Menge inmitten des pöbels, in diesem schrecklichen kleinen Theater, ich hatte einen famosen Lakai neben mir, und mein Mann das schrecklichste, alte, aufgeputzte Zimmermädchen, das Du Dir vorstellen kannst, sie haben miteinander über die Reihen kommuniziert und auf eine Art und Weise applaudiert und gelacht, die mich am liebsten hätte davonlaufen lassen  ; doch ich spiele in solchen Situationen nicht gern die grande dame, und so hatte ich sie bald vergessen und lachte selbst herzlich, wenn auch nicht so laut wie meine beiden Nachbarn.« Sie wirkt sogar selbst mit großem Vergnügen in kleinen Theateraufführungen mit, wenn sie dazu aufgefordert wird, halb gesellschaftliche Pflicht, halb komödiantische Freude. Es sei ein »albernes Stück« gewesen, »das alle reizend fanden, urteile selbst, ich war die larmoyante Wittwe  ! Dein rosa Kleid hatte ich mit weißem Tüll und schwarzer Spitze mit Rosen verziert, es sah wirklich hübsch aus.« Dem Verleih des rosa Kleides von Ellen an Cosima war eine umständliche Korrespondenz vorangegangen, eine ähnlich komplizierte dann für die Rückgabe. Mit Sicherheit hat Cosima über genügend eigene schöne Garderobe verfügt, aber es mag auch ein Teil des Spiels gewesen sein, ein Kleidungsstück der Anderen auf dem Leib zu haben. Sie wirkt noch in weiteren »Salon«-Aufführungen mit. Das Spielen macht ihr Freude, sie hat eine Begabung dazu, Engagement, Energie und bringt den notwendigen Körpereinsatz mit Stimme und Bewegung. Inzwischen weiß sie schon viel über das Theater, es ist ein Lebenselixier. Dies alles wird ihr später zugutekommen, wenn sie, wie jetzt nur mit der besten Freundin, mit den Sängerinnen und Sängern der Festspiele arbeiten wird. Die enge Freundschaft der beiden jungen Frauen wurde in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Cosima zitiert einen Bekannten von Ellen, einen Stabsarzt

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7  Cosima von Bülow, vor 1865.

namens Nießing  : »Er hat Dich sehr verändert gefunden, ›gar nicht zu ihrem nach­theil‹ sagte er und betonte dabei das gar nicht, und dann begann er, über Deine Abneigung gegen das männliche Geschlecht zu sprechen, ich lachte und erwiderte, dass Du gar nicht Unrecht hast obwohl ich mir früher gewünscht hatte, dass Du heiraten würdest.« Ähnliche Befürchtungen, dass Ellen sich zum männlichen Geschlecht nicht hingezogen fühlen könnte, hegte deren Mutter Sarah Franz, die in Berlin die Heftigkeit der Beziehung der beiden jungen Frauen sehr nah miterlebte. Cosima hatte sogar regeln wollen, dass Ellens Mutter, falls sie selbst bei der Geburt ihres Kindes stürbe, für dieses Kind da sein solle. Sie erinnerte sich sogar nach Jahrzehnten als alte Frau noch daran, dass diese sie davon sehr taktvoll habe abbringen wollen, diese Freundschaft in der gleichen Intensität fortzuführen  : »Ich weiß noch wie Deine freundliche Mutter, als ich Daniela erwartete, zu mir sprach, dass ich, wenn ich dann Mutter wäre, nicht mehr so viel Zeit und Interesse für eine jüngere Freundin haben würde & ich antwortete ›oh doch‹.« Ellens Mutter, die Lyrikerin war, meinte es mit ihrer Warnung ernst. Sie verfasste für die Tochter ein Gedicht, in dem sie sie vor Cosima warnte. Es heißt »Die Widerlegung«.

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So reich beschenkt ward Cosima Mit reinem Glanz und Schein, dass ihre Schwestern sonderbar vor Neid nur konnten schrein  : Als Göttin kam sie aus der Nacht, wir glaubten es fast nicht,

ein Menschenkind so reich bedacht – scheint’s nicht verschwenderisch  ?

Nimm fort, Natur, den Nymphenschein, des Lächelns holden Glanz, bescheiden lass ihr Antlitz sein, devot der Seele Tanz. […] Die Hände leuchten engelsgleich, die Harfe zupfend fein, für Sterbliche ist unerreicht das Leuchten ihres Seins. […] Kein Segen findt dies Erdenkind trotz aller Frömmigkeit, ihr Seelendurst wird nie gestellt – rastlose Ewigkeit. Des Lebens süßester Kelch Wein mein Liebling niemals findt, denn Kummer wird ihr Liebster sein, für Liebe ist sie blind.

Es ist evident, wie sehr sich Sarah Franz in die verliebte Perspektive ihrer Tochter Ellen hineinversetzt, so sehr, dass die Warnung am Schluss des Textes fast unwirksam scheint. Die Intensität der Freundschaft zwischen Cosima und Ellen verlor sich in den folgenden Jahren. Ellen spielte in Weimar erfolgreich Theater und wurde danach, durch ihre Heirat mit dem »Theaterherzog« von Sachsen-Meiningen, eine ge­ adelte und sehr einflussreiche Intendantenfrau. Cosima hatte eine dramatische

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Lebensstrecke vor sich mit der Trennung von Bülow, ihrem Abschied aus Berlin und dem Leben mit Wagner und fünf Kindern. Als Ellen und Cosima 1877 nach einer Pause von fünfzehn Jahren ihre Korrespondenz wieder aufnehmen, ist der Ton zunächst noch vertraut, am Ende siezen sie sich in den wenigen deutsch geschriebenen Briefen. Cosima ist später in erster Linie an einer professionellen Zusammenarbeit mit den Meiningern interessiert. 1896 schreibt sie der Freundin  : »Oh ja  ! Ich erinnere mich an […] alle meine überflüssigen Predigten, denn Du hattest unbewusst selbst schon ein Gefühl für Deine Kraft und dafür, wo Dein Leben hingehen würde. Doch die Gouvernante in mir liebt es noch immer, andere in den wenigen Dingen, die ich zu verstehen meine, zu belehren. Und es ist sehr gütig von Dir, dass Du meine Ungeduld und Strenge in so freundlicher Erinnerung bewahrt hast.« Cosima ist jetzt fast sechzig Jahre alt, sie ist Witwe, trägt große Verantwortung und hat vielseitige und herzliche Beziehungen zu anderen Freundinnen aufgebaut, etwa zu Mimi, die sich seit ihrer zweiten Ehe 1886 Gräfin Schleinitz-­ Wolkenstein nennt, und zu Malwida von Meysenbug, Frauen, mit denen sie sich über das Leben austauscht. Gerade diese beiden sind jahrzehntelang von großer Wichtigkeit für sie, ein Kontinuum, das sie braucht, ein Reich der Ehrlichkeit, das sie sonst nicht immer wahrnehmen kann. Die beiden Lebensfreundinnen teilen mit ihr die Leidenschaft für die Wagner’sche Musik, sie werden Teil des Wagner-Clans durch Aufenthalte in der Familie, Cosima hört auf die Ratschläge Mimis und Malwidas. Die Beziehung zu Ellen Franz dagegen hält Cosima in der Erinnerung hoch als etwas besonders Intensives  : »Wir waren Beide fremd in der preussischen Hauptstadt, waren uns dessen nicht bewusst, aber wir zauberten uns durch unser gegenseitiges Mitfühlen eine Heimath für sich. Etwas ausserhalb des uns Umgebenden, Beruhenden. Das kann nie zerstört werden und es ist mir eine Genugthuung des Unvergänglichen immer bewusster zu werden und der Täuschung durch Zeit und Raum mich zu entwinden. […] Finden Sie wirklich, dass man sich sehr verändert  ? Ich habe das Gefühl als ob ich meiner Jugend immer verwandter würde u. als ob Alles, was mit dem äusserlichen Leben zusam[m]enhing, in das Wesenlose schwände.« Nur ein einziger Brief von Helene von Heldburg an Cosima ist in einer Abschrift zugänglich. Er ist vom Mai 1912 und darin knüpft Helene an frühere Zeiten an  : »Sie werden wahrscheinlich lachen, das kleine hochmütige Lachen, das ich so gern hörte, und werden vielleicht (hoffentlich in zärtlichem Tone) sagen  : ›Aber Täubchen  !‹« Wahrscheinlich war die Beziehung der beiden jungen

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Frauen einmalig für beide – die Ausstrahlung Cosimas, ihre aparte Erscheinung und ihr Auftreten aber war für viele Frauen Thema. Cosima hat das bewundernde und manchmal irritierte Interesse von Frauen wecken können und muss es auf eine Weise beantwortet haben, die ihr Temperament, ihre Heftigkeit, aber auch ihren Humor und ihre Selbstironie zeigen konnte. So berichtet Anna von Helmholtz, die Cosima in deren Berliner Jahren immer wieder begegnete, später an eine Freundin  : »Sie ist eben ein ganz anderes Natur- und Culturprodukt als alle anderen Menschen. Das International-Europäische in Cosima ist so anheimelnd erfreulich. Sie ist so überall zu Hause und sicher  – und sie spricht so absolut schön, harmonisch und natürlich  – und sieht so wundervoll aus, groß, schlank mit den schneeweißen Haaren und dem geistreichen Gesicht und den merkwürdigen Augen, kurz, sie hat es mir angethan.« Für viele männliche Augen mögen Cosimas androgyne Züge wie ein Makel gewirkt haben, für Frauenaugen, nicht alle, aber doch etliche, war dies wohl eher ein Reiz und trug zu ihrer Attraktivität bei. Die Leidenschaft Cosimas für die Musik und das Theater blieben dabei ein Anlass, in Kontakt zu anderen zu treten, sich über die Möglichkeiten und Hürden des Lebens auf diese spezielle Weise auszutauschen.

8. Geschwister-Tod

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nde August 1859 war der Bruder Daniel zu Besuch in Berlin. Cosima freut sich über eine Möglichkeit, an ihr Kindheitsleben, an Paris, an die geschwisterliche Nähe anknüpfen zu können. Daniel, der hübsche, der sehr begabte, der Junge. Zwei große Mädchen, ein kleiner Bruder. Der »kleine Bruder« kommt aus Wien angereist, er ist gerade zwanzig Jahre alt geworden. In Berlin ist er Gast in der Wohnung des jungen Ehepaares Bülow, nicht im Hotel. Die Geschwister freuen sich auf Gemeinsamkeit und Austausch. Als die Erkältung sich bemerkbar macht bei Daniel, gehen alle noch von einer harmlosen Verkühlung aus, die sich dann aber deutlich zu einer Lungenentzündung entwickelt. Sehr spät erst wird das Lebensgefährliche seines Zustandes erkannt, das hohe Fieber, das sich nicht mehr senken lässt. Liszt wird benachrichtigt und reist hoch alarmiert an. Cosima versucht zu pflegen. In ihrer Wohnung diese Erkrankung, sie ist die Gastgeberin, was kann sie tun  ? Ab einem bestimmten Zeitpunkt kann sie nur hilflos erkennen, dass die Gefährdung Daniels zu groß ist. Am 13.  Dezember 1859 stirbt Daniel, Liszt soll ihn in seinen Armen gehalten haben, Cosima erlebt einen Schock. Sie darf jetzt nicht ausfallen und selbst bedürftig werden, sie muss als ältere Schwester und diejenige, in deren Haus dieser Tod sich ereignete, Disziplin zeigen, jetzt also das Begräbnis für den Bruder organisieren. Er wird in Berlin am 15. Dezember 1859 beigesetzt. »Heute habe ich ihn unter die Erde gebracht und werde ihn nie wieder sehen, mir ist es, als wäre meine ganze Jugend begraben worden«, schreibt sie der Freundin Ellen Franz. Von den Todesstunden Daniels berichtet sie später, er »sah Paulus und Petrus und sagte, er wolle unsre Plätze uns bereiten.« Sie habe an Tote gedacht, notiert sie im Tagebuch, »zuletzt an Daniel, und dies mit einem Gefühl des Vorwurfes  ; ist er dadurch geopfert worden, daß der Vater [ihn] auf Anraten der Fürstin Wittgenstein nach Wien geschickt, so beschuldige ich mich jetzt, ihn nicht dadurch gerettet zu haben, daß ich mit ihm nach Cairo ging, auch befürchte ich den rechten Arzt nicht befragt zu haben, wie er bei mir krank lag.« Cosima grübelte über den Tod ihres Bruders, suchte nach Lösungen, die ihm das Leben hätten retten können. Es war für sie unmöglich, die Ursache für den so schmerzlichen Verlust zu akzeptieren  : die Lungenerkrankung eines geschwächten jungen Mannes, dem kein Arzt mehr helfen konnte. Eine Zeitung zitiert Bülow über die Todesursache Daniels wie folgt  : »Seine Krankheit ließ sich nicht benennen  ; es war Abzehrung, allmähliches Erlöschen –

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seine Lebenskraft hatte eben nur für zwanzig Jahre ausgereicht. Seine letzten Tage sind ihm durch die liebevolle, einzige Pflege meiner starken Frau auf die edelste Weise erhellt worden.« Der in der Zeitung noch ungenannte Autor ist Richard Graf Du Moulin Eckart, der spätere erste Cosima-Biograf, der diese Zeitungs-Hommage 1918 auch als kleines Büchlein veröffentlicht. Er schreibt weiter  : »Und sie allein hat ihm die letzten Dienste getan. Keine fremde Hand hat ihn berührt  : sie hat ihm das Sterbekleid angelegt und ihn in ihrem Salon aufgebahrt, in sinnvoller Weise den Sarg mit künstlerischem Schmucke umgebend. Der Mutter aber meldet sie den Heimgang des Sohnes mit den schönen Worten  : ›Er hat sich in die Arme des Todes geschmiegt, wie in die eines Schutzengels, – als ob er ihn seit langem erwartet hätte. Er hat nicht mit ihm gerungen  : er war ohne Ueberdruß des Lebens, aber er hatte sich mit glühendem Herzen nach der Ewigkeit gesehnt.‹« Als die Eltern Daniels sich zwei Jahre später für einige Stunden treffen, verlieren sie über den gestorbenen Sohn keinen Ton. Liszt beschwert sich, dass Marie d’Agoult nicht von ihrem Jüngsten spricht, aber auch er selbst bringt die Rede nicht auf ihn und schreibt hinterher vorwurfsvoll  : »Als ich die Treppe hinabstieg, erschien vor mir im Geiste das Bild meines armen Daniel  ! Es war von ihm in keiner Weise die Rede gewesen während der drei oder vier Stunden, die ich mit seiner Mutter gesprochen hatte  !  !« Cosima pflegt Daniels Grab, besucht es nach Möglichkeit an den Todestagen oder lässt es entsprechend herrichten. Sie nimmt die Geschwisternähe zum Bruder in ihr Inneres und sie hält ihm die Treue, solange sie lebt. »Ich räume die Briefe und Rechnungen und, als erste Ausgabe dieses Jahres, die Grabessteuer für meinen Bruder in Berlin.« Und sie wendet sich später an ihre Kinder  : »Ich sorge um sein Grab. Kinder, Kinder, haltet an einander, Bruderliebe, Schwesterliebe, nichts ersetzt sie euch.« Jeweils an den Jahrestagen erinnert sie an ihn, auch an den Geburtstagen, die mit dem 9. Mai bei Daniel und Liszts Mutter Anna zusammenfallen. In Gedanken zählt sie die Geburtstage mit  : »Heute würde Daniel 32 Jahre  !« Eine Erinnerung an ihre Krankenwache verbindet Cosima mit Assoziationen zu Tristan und Isolde  : »Ich gedenke, daß ich Tristan kennenlernte, wie mein Bruder todkrank bei mir niederlag und mit mir die Klänge einatmete – – Liebe und Tod verschlungen  !« Erwähnungen von Orten genügen, um Cosima eine innere Verbindung zu Daniel ziehen zu lassen. So, als die Sage vom Trompeter-Schlösschen, einem Anwesen bei Dresden, von Tochter Eva vorgelesen wird und Cosima ergänzt, dass sie »mir auch dadurch wertvoll ist, daß mein Bruder im Trompeter-Schlößchen gewohnt.« Und immer wieder ist der verstorbene Bruder Thema in den Gesprächen von Cosima und Wagner. Im Hinblick auf Daniels Todestag äußert sich Wag-

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ner »heftig gegen diejenigen, welche er nicht mit Unrecht als Schuldige seines Todes erkennt, er wirft vor, daß man noch immer mit diesen verkehre  : die Gefühle seien schwach.« Das ist eine Anspielung auf die ihm verhasste Fürstin von Sayn-Wittgenstein, der er – wie Cosima – vorwirft, nicht verantwortungsvoll genug mit Daniel umgegangen zu sein und ihn mit der Reise nach Berlin überanstrengt zu haben. Cosima selbst sucht immer wieder nachträglich nach Anzeichen, die auf eine Gefährdung des Bruders hätten hinweisen können und die, so sie von familiären Beteiligten übersehen wurden, nun eine Schuldzuweisung erlaubten. Eine Erklärung wird sich nicht mehr finden. Und warme Worte Wagners sind gut gemeint, gleichzeitig hilflos  : »Er war zu gut, um zu leben, so habe ich bei seinem Tode Blandine getröstet.« Cosima kann sich Wagner sogar als stützenden Angehörigen für Daniel vorstellen, so ähnlich sieht sie ihn und sich  : »Gestern gedachte ich, wie Daniel aufgelebt wäre bei R., wie bei ihm auch alle Schranken gefallen wären und er in der Hingebung zu ihm auch den Quell eines neuen Lebens gefunden hätte.« Die Traumatisierung durch den plötzlichen Tod des Bruders wiederholt sich brutal. Zwei Jahre später, am 11.  September 1862, stirbt Cosimas Schwester Blandine im Kindbett. Es ist Blandines erstes Kind, und dem Fieber der jungen Mutter ist nicht beizukommen. Sie stirbt auf dem Landgut der Familie Ollivier in St. Tropez. Blandine hatte mit ihrer Verbindung zu dem französischen Diplomaten Émile Ollivier, der später Ministerpräsident von Frankreich werden sollte, eine sogenannte gute Partie gemacht. Blandine, die Älteste, die Hübschere, wie alle fanden. Die, die so gut scherzen konnte, mit Menschen sein, charmant, nicht so kompliziert oder verlegen und selbstbefragend. Sie sei zwar für die Wagner’sche Musik »durchaus nicht zu gewinnen« gewesen, aber nichtsdestotrotz, so berichtet Cosima, hätten sich Blandine, deren Mann und Wagner glänzend verstanden. Blandine habe immer Wagners Witze beendet, der sich ihrer wie folgt erinnerte  : »Sie hat mir sehr gefallen  : ich könnte ihr schnell Alles sagen. Sie ist tief und ruhig. Ihr Mann hat mich bevatert, bemuttert und bebrudert  ; ein glückliches, für seine Carriere selten begabtes Naturell, ungemein sympathisch, klar und vielverheissend. Bei ihnen befand ich mich sehr wohl.« Blandine und Cosima hatten als Mädchen zusammengesteckt, jeden Tag, gemeinsam gelernt, sich gemeinsam, wenn sie es für nötig befanden, über die strengen Regeln des abwesenden Vaters hinweggesetzt. Sie gingen den Schritt in eine Ehe mit nur einem Jahr Zeitabstand ein. Die frühen gemeinsamen Jahre werden später zu einem Erinnerungsschatz, nachdem Cosima beide Geschwister hatte zu Grabe tragen müssen und nur sie übrig war. Unmittelbar nach Blandines Tod fuhr Cosima nach Paris zur Groß-

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mutter, um ihr nahe zu sein und sie zu stützen. Es hat den Anschein, dass Cosima sich einer großen Selbstdisziplin unterwarf, sich zusammenriss, den Kummer hauptsächlich mit sich selbst ausmachte. Wagner sagt später, sie habe »merkwürdig schweigsam den Verlust der beiden getragen«. Als die Todesnachricht überraschend eingetroffen war, hatte Wagner an Bülow geschrieben und diesen Tod als Unglückszeichen für sich selbst gewertet  : »Der Todesfall Blandine’s ist gradesweges furchtbar  : […] Die unheimliche, gradesweges dämonische Bewandniss, die es mit dieser Nachricht bei mir hatte, ist grausam. Mir ist’s, als ob mich diess ganz persönlich hätte treffen sollen, und als ob es nur auf mich dabei abgezielt gewesen wäre. Gott weiss, zu was ich noch bestimmt bin  : aber es bildet sich bei mir ein starker Glaube an einen ganz absichtlich mir beschiedenen Unstern aus, in der Art, dass ich auch meinen Freunden Unglück bringe, – vielleicht um meine, für die Kunst mich rettende Neigung zur Heiterkeit mir gründlich zu zerstören. In diesem Sinne blicke ich mit wahrer Sorge gerade auf Euch, und verlange völlig mit Schicksalsbedeutung einmal ein Zeichen des Gegentheils. –« In Cosimas späteren Aufzeichnungen und Erinnerungen taucht Blandine sehr oft auf. Bereits im ersten Tagebuchmonat berichtet Cosima von Albträumen, »traurige Gedanken über die Mutter und Vater, schmerzlichen Blick in die Vergangenheit geworfen, und ängstliche Vorstellung über die Zukunft der Kinder. Der Zustand wächst bis zu lodernder Angst  : ›Ach, hätte ich nur eine Schwester‹, rief ich in der stummen Dunkelheit aus.« Vier Tage später  : »Von Blandine geträumt, meiner Schwester. Als ich aufwachte, suchte ich sie  : ›Ach  ! sie ist ja tot.‹« Oder  : »Nachts träumte mir, ich verriegelte mich mit Blandine im Kindersalon und sagte, trotzdem wird der Tod doch herein können, und dann zu ihr  : Ich werde dich rufen in meiner Todesstunde.« Und immer wieder notiert sie diese Träume von Blandine. Im Frühsommer 1869 dann  : »Die h. Blandine, früher ein Festtag für mich  !«, im Dezember 1872  : »Blandinen’s Geburtstag  !« und im Januar 1876  : »[…] heiter wehmütige Bilder der Vergangenheit tauchen auf, meiner Schwester Wesen webt zwischen uns  ! – Alles dahin  !« Cosimas spirituelle Seite wirkt gerade in Bezug auf die inneren Bindungen an die Geschwister immer neu. Cosima hat in ihrem Leben bereits viel gewagt, viel hinter sich gelassen. Sie ist eine mutige junge Frau, aber sie hätte gern einen weiblichen vertrauten Menschen an ihrer Seite gehabt, eine Frau, die zuhört und rät, bei der sie sich ausweinen kann oder Wunderbares berichten. Eine Frau, mit der sie nicht nur ihre Freuden teilen, sondern sich auch austauschen kann über verbotene Dinge, über innere Kämpfe  – eine Vertraute, eine Schwester. Blandine und sie waren fast

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8  Porträt der Geschwister  : (von links) Cosima, Blandine und Daniel Liszt, Bleistiftzeichnung von Friedrich Preller aus dem Jahr 1855.

gleich alt. Blandine hatte nicht einmal die Freude an dem von ihr geborenen Kind erleben dürfen, das der junge Witwer Émile Ollivier nach dem verstorbenen Bruder der beiden Schwestern Daniel taufen ließ. Cosima hält zu diesem Kind ihrer toten Schwester lange Verbindung, empfindet dies als eine Pflicht. »Auch dem kleinen Daniel schreibe ich, mir erscheint es wie eine Schuld gegen Blandine, wenn ich nicht suche mich diesem Kinde zu nähern und Einfluß über ihn zu gewinnen.« Was sie mit der Schwester verbindet, ist zudem die negative Zuschreibung, die sie ertragen müssen. »Fürstin W. hatte uns meinem Vater als unter einem Fluche geboren dargestellt, und in Folge dessen auch die Erhaltung unseres Lebens nicht von besonderem Werte.« Die Geschwister mit einem Makel, bei allen Privilegien materieller Art. Ihre Leistungen erfolgen »trotzdem«, denn sie sind trotzdem begabt, liebevoll und fleißig. Dass beide Geschwister ihr wegstarben, hat Cosima mit einer irritierenden Art von Auszeichnung versehen  : Sie immerhin gab es noch, sie hatte ihre erste Tochter Daniela bekommen dürfen, und als ihre Schwester im September 1862 stirbt, ist Cosima schwanger mit ihrem zweiten Kind, dem sie den Vornamen der Schwester geben wird – Blandine Elisabeth Veronica Theresia von Bülow, geboren am 20. März 1863.

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Übrig geblieben, allein gelassen, zu wenig gemeinsam gelebt. Ein früher Tod wird leicht als Strafe empfunden, warum durfte dieses Menschenkind kein längeres Leben haben  ? Auf eine gewisse Weise repräsentiert Cosima den Eltern gegenüber nun alle drei. Das bedeutet auch Verantwortung über die eigene Beziehung zu Mutter und Vater hinaus, eine Verpflichtung vielleicht, ihnen nicht noch mehr Kummer zu bereiten als den, den die Geschwister ihnen durch ihren Tod antaten. Unumstößlich hielt sie an der Entbehrung ihrer Kindheit fest, auch als beispielsweise die Mutter 1871 zu Besuch nach Tribschen kommt. »Der Tag geht in Vorbereitungen zum Empfang der Mutter vorbei. Ich ordne Papiere und lese alte Briefe vom Vater, die mir wiederum klar zeigen, daß ich weder Vater noch Mutter gehabt.« Die empfundene Verlassenheit, das Auf-sich-allein-gestelltSein, spätestens nachdem beide Geschwister so früh starben, bildete eines der wichtigsten Motive, später die Liebe Wagners als Geborgenheit anzunehmen, als unbedingte Zuwendung, für die sie dankbar war. »Alles ist mir R. gewesen, er einzig hat mich geliebt.«

9. Das Dreieck

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m 1. April 1857 lädt Wagner den bald mit Cosima verheirateten Hans von Bülow zu sich ins Züricher »Asyl«, wo er als Gast bei Otto und Mathilde Wesendonck wohnt und Unfrieden stiftet. »Kämst Du mit Cosima, so wäre das ganz famos. […] Grüsse Cosima, und bestimme sie, Dich zu bestimmen, mit dem Besuch Ernst zu machen.« Es ist der entspannte Briefkontakt zwischen angehenden Freunden. Wagner braucht ein ruhiges Wohnen zum Arbeiten, er braucht aber auch unbedingt den Kontakt, nicht nur mit Frauen, zu denen er ein erotisch-spannendes Verhältnis – aus seiner Sicht – aufbauen kann, wie mit Mathilde Wesendonck. Er braucht auch unbedingt Freunde, Besuche, Trubel, Verehrer. Im September dieses Jahres kommt es tatsächlich zum Besuch Bülows und der ihm frisch angetrauten Cosima an seiner Seite – es sind ihre Flitterwochen. Dass ein junges Paar seine Hochzeitsreise zu einem sehr fordernden und anstrengenden Freund des Mannes unternimmt, ist nicht gerade üblich. Diese Zeit sollte eigentlich den jungen Leuten allein gehören. Cosima ist erst neunzehn. Über den Besuch der beiden Bülows bei Wagner resümiert dieser an seinen »lieben Hans«  : »Zuvor aber muss ich Dir doch noch sagen, dass mich Cosima’s Zurückhaltung vor mir wirklich betrübt, seitdem ich sicher zu sein glaube, dass der Grund der Sprache für die Mittheilung nur ein vorgeschützter ist, und sie dagegen sich ernstlich von mir befangen gemacht fühlt. Sollte meine Art ihr zu fremdartig gewesen, hie und da eine schroffe Aeusserung, ein kleiner Hohn […] sie verletzt haben, so hätte ich recht zu bereuen, mich in meiner Zutraulichkeit etwas zu viel haben gehen zu lassen  : was ich dann jedesmal herzlich gern einsehe und bereue, wenn ich mir eine mir aufrichtig werthe Person dadurch entfremdet habe. […] Meine ganz rücksichtslose Zutraulichkeit zu mir sympathischen Personen hat mir schon manche Entfremdung zugezogen  : möge die Deiner lieben jungen Frau mir von keiner langen Dauer sein  ! –« Es ist ein Austausch zwischen zwei Männern über eine irgendwie merkwürdige Frau, wie über ein ungebärdiges Kind. Wagner kleidet dies in Reflektionen über sein eigenes Verhalten, aber eigentlich sucht er die Verständigung, dass Cosima sich anders ihm gegenüber verhalten sollte. Sein Schlussgruß gilt dann »meinem guten Cosimus« – Cosima in der männlichen Ansprechform  – und endet mit der Bitte »beruhige mich auch über ihr Befinden.« Man hat den Eindruck, als sei bereits zu diesem frühen Zeitpunkt das Dreieck entstanden, das die nahe Beziehung von Wagner und Bü-

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low um Cosima erweiterte. Die verehrende, eher weibliche weiche Seite Bülows hatte sich durch die offenbar scheue, aber von Wagner in ihrer Substanz schon erkannte zupackende männliche Seite Cosimas ergänzt. All dies mögen völlig unbewusste Vorgänge gewesen sein. Wagner nimmt Bülow ab da kontinuierlich an der Seite Cosimas wahr, und irgendwann wird sich die Kommunikation von ihm auf sie verlagern. Jedenfalls taucht Cosima sehr schnell als auch für die Belange der Karrieregestaltung zuständige Person auf. »Sogar Cosimus schreibt, ich sollte doch ja den ›Lohengrin‹ nicht für 1000 Thr. fortgeben wollen  ?« Wagner neigte zur Überschwänglichkeit, das ist bekannt. Unübersehbar in diesem Zusammenhang die Briefe an König Ludwig II. Dennoch liegt in seinen Mitteilungen eine Offenheit, mit der er versucht, seine inneren Befindlichkeiten und Gefühle darzulegen. Er wirbt für sich und um den Anderen mit Erklärungen seiner Zuneigung  : »Aber Dich, Hans, habe ich ungeheuer gern  : glaube mir das  ! Wenn ich die kargen Freuden meines Lebens zähle, kommst Du sogleich in die Hauptzahlen. […] Deine Schicksale liegen mir so nah, als ob es die meinigen wären.« Und es folgt die ironische Ankündigung eines Briefes direkt an Cosima, wieder in männlicher Form  : »An den vortrefflichen Cosimus, dessen Neigung zu Herwegh’s ich beneide, schreibe ich nun nächstens besonders, um mich der Auszeichnung, von ihm endlich doch auch einmal einen Brief erhalten zu haben, würdig zu erweisen. Ich finde, dass ich immer noch etwas im stillen Krieg mit ihr bin, weiss Gott, wie das kommt.« Schließlich bittet Wagner  : »Für heute grüsse Dein Mazeppaross herzlichst von mir  : sage ihr, ich erkenne sie und liebte sie gewiss.  –« Ein merkwürdiges Bild, das Wagner hier für Cosima findet und bei dem er davon ausgehen kann, dass Bülow ihn verstehen wird. Mazeppa als ukrainischer Kosake ist Namensgeber einer symphonischen Dichtung von Cosimas Vater. Die Geschichte erzählt von der Bestrafung für eine verbotene Liebe. Mazeppa wird rücklings auf sein Pferd gebunden und in die Steppe gejagt. Das Pferd stirbt nach langer, entbehrungsreicher Flucht. Wagner zitiert nun eben dieses – in den Tod treue – Ross. Halb verschmitzt, aber auch provokativ hinsichtlich Bülows, lässt er hier seine Charakterisierung der Beziehung von Bülow und Cosima erkennen. Und die Zusicherung an Cosima, dass Wagner »sie erkenne und liebte«, lässt aufhorchen. Was passiert da, was baut sich da auf  ? Als Mitte Juli 1858 der nächste gemeinsame Besuch des Bülow-Paares bei Wagner im Züricher »Asyl« zustande kommt, treffen Cosima und Hans auf eine komplizierte emotionale Gemenge-Lage  : Wagner und seine Frau Minna und das Mäzenatenpaar Mathilde und Otto Wesendonck in spannungsreichen Beziehungen. Vier Wochen später wird Wagner das Haus wegen der unmöglichen Beziehung zu Mathilde räumen müs-

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sen. Es ist davon auszugehen, dass bereits während des Besuchs der Bülows kaum die Möglichkeit einer normalen freundschaftlichen Unterhaltung bestand. Die Verehrung für Mathilde, die begründete Eifersucht von Wagners Ehefrau Minna, deren Widerstand gegen eine solche Annäherung gern als Spielverderbertum bagatellisiert wird, die Ummantelung der vielfältigen erotischen Schwingungen mit der neuen Tristan-Komposition – all dies wird für Cosima kaum Raum ermöglicht haben. Andererseits hat sie sich für die Stimmung im Hause, die Überreiztheit, den offensichtlichen Spannungszustand, das unterdrückte und unklare Begehren empfänglich gezeigt. Wagner berichtete später von dem überraschenden Verhalten Cosimas, »[…]  von krampfhaft heftigen Zärtlichkeiten gegen mich. Noch beim Abschied am folgenden Tage fiel sie mir zu Füßen, bedeckte meine Hände mit Tränen und Küssen, so daß ich erstaunt und erschrocken dem Rätsel nachblickte, ohne es mir deuten zu können.« Das ist eine geradezu befremdliche und fast hilflose Hinwendung Cosimas zu diesem Mann, der selbst mit kompliziertesten Beziehungskonflikten beschäftigt war und ihr Verhalten wahrscheinlich nur als unpassend empfinden konnte. Wagner entschuldigt sich später für Streitszenen zwischen ihm und Minna, die die beiden Bülows mit anhören mussten. Er geht in seinen Briefen an Bülow schnell zur Tagesordnung über, bedenkt aber Cosima immer mit, wenn er ihn über seine Arbeiten auf dem Laufenden hält. »Grüss Cosima  ! Und sag’ ihr Gutes von mir«, schreibt er nach dem Desaster in Zürich aus Venedig, wo er am Tristan arbeitet und diese Stadt einerseits als »glückliche Wahl« lobt, andrerseits aber noch seinem unrühmlichen Auszug nachhängt. Wie zwei Väter, die über eine ungehorsame Tochter sich austauschen, fragt er Bülow in diesem Zusammenhang  : »Wird Cosima nun wohl begreifen lernen, welches Elend im Dasein liegt, und wo einzig die Erlösung daraus zu treffen  ? Ein Tag, eine Stunde reift mehr, als Jahre – Was mich betrifft, so wundre ich mich einzig über die Beständigkeit meiner Haarfarbe  : es gab Augenblicke, wo ich glaubte, jetzt müsste ich ein Greis geworden sein  !« Wagner möchte, dass ausgerechnet Cosima aus seiner Situation und Lebens­ enttäuschung lernen möge. Ein inneres Erziehungsprogramm für Cosima – woher speist sich diese halb väterliche, halb in Richtung auf Bülow kumpelhafte Attitüde  ? Es scheint, als beziehe er Cosima, nachdem sie durch Bülow noch einmal neu in sein Leben getreten ist – als junges Mädchen war sie ihm in Paris bereits begegnet –, es scheint, als beziehe er Cosima als neue Konstante in sein Leben ein. Er schreibt ihr dabei nicht unbedingt selbst, sondern, vielleicht in dem Empfinden, dass eine direkte Korrespondenz von ihm etwas Unpassendes, einen fast flirtenden Beigeschmack hätte, über den Ehemann  : »Sag’ Cosima, wenn sie die Absendung solcher Briefe, wie ihres letzten an mich, bereue, so solle sie mir

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immer nur Briefe schicken, die sie zu bereuen habe. Dergleichen bereute Briefe sind die einzige Erfrischung für mich. Durch diese Ergiessungen werde ich auf einmal auch mit mir selbst genau bekannt  ; es tritt dann eine schöne Ruhe, und ein tiefes Bewusstsein des inneren Friedens in mir ein. Sage ihr das  ! Und grüsse sie herzlich  !« Wagner ist zu diesem Zeitpunkt weiter allein in Venedig. Was er an Reaktion auf Cosimas Briefe schildert, übersteigt eigentlich die angemessene Reaktion eines Freundes an dessen angetraute junge Frau. Gleichzeitig baut Wagner weiter an seiner direkten Freundschaft mit Bülow  : »So bleib mir treu und nimm mir nie etwas übel. Es ist durchaus das Thörigste was man mir thun kann. Ich bin viel zu weich und empfindsam, um je ernstlich jemand verletzen zu wollen. – Leb’ wohl  ! Tausend Grüsse an Cosima  !« Selbstverständlich ist jede Verehrung der Frau des Freundes auch ein Kompliment an den Freund selbst, eine Erhöhung, die gerade Bülow sehr brauchen konnte. Bülow sah Wagner als weit Überlegenen in einer unverrückbaren Hierarchie und sich selbst als dienenden Interpreten und Helfer. Umso mehr wird es ihn gefreut haben, wenn sich im Austausch über Cosima mit Wagner sozusagen eine gleiche Ebene anzubahnen schien, von Mann zu Mann. Wagner aber schmiedet Pläne zu dritt. Er lädt Bülow und Cosima ein, statt über Weimar mit ihm über Venedig nach Lyon zu reisen, er ermahnt Bülow, ja bei Gesundheit und Kräften zu bleiben  : »Meine bitte kannst Du als ganz egoistisch ansehen  : denn ich wünsche einmal noch mit Leutchen wie Dir und Cosima ein paar vernünftige Jahre zusammen verleben zu können, und was wär’s nun, wenn Du so abgemaracht wärest, dass Du einen dauertest  ?« Fit soll er sein, der Freund Bülow, nicht abgearbeitet, erschöpft. Dieser Wunsch nach einem gemeinsamen Zusammenleben konkretisiert sich, wenn Wagner »lockt«, mit einem Paris-Aufenthalt  : »Wie ungemein erfreulich wäre es mir nun, Euch hier zu haben  ! Ich habe noch keinen Umgang, und denke auch an keinen. Ueberlege Dir’s doch mit Cosimus recht ernst. Es ist gewiss zu Deinem Glück  : ich kann mir’s nicht anders denken.« Wagner verhandelt mit Bülow, er denkt seinen »Cosimus« mit, scheut aber offensichtlich die direkte Frage an sie. Ebenso ist die Richtung von Wagners Mitteilungen, nachdem am 12. Oktober 1860 Daniela Senta, die erste Tochter der Bülows, geboren wurde  : »Grüss’ Cosima, wünsch’ gute Besserung, und taufe hübsch mit Gefühl  !« Es ist der ziemlich gut gelaunte Austausch zwischen zwei Männern über eine junge Frau, die zwar wichtig, aber offensichtlich nicht direkt einzubeziehen ist. Nach einer besorgten Anfrage über Cosimas Gesundheit schreibt Wagner  : »Der übelste Feind der Gesundheit Cosima’s ist ihr Temperament  : Sie ist von gar zu ausserordentlicher Herkunft, und deshalb schwer zu hüten  ! […] Grüsse Cosima herzlichst  ;

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sage ihr, wie lieb ich sie habe, und wie sehr sie mich freuen würde, wenn ich hörte sie sei recht artig und verständig – was ihr hier und da schwer zu fallen scheint  !« Nach allem, was man weiß, war Bülow der bei weitem nervösere, seinen Launen und seinen unterschiedlichen Beeinträchtigungen wie Kopfschmerzen und neuralgischen Leiden ausgesetzt, aber in den Briefen dominiert das Bild des ungebärdigen Mädchens, über das sich beide Männer sozusagen lächelnd verständigen, eine Infantilisierung, die gleichzeitig aber Wagners Einschätzung gut verrät. Für ihn ist die »außerordentliche Herkunft« die Erklärung für ungemäßes Verhalten. Er spielt an auf ihre zwar illegitime, aber doch eindeutig höhere, weil mit dem Adel verbundene Herkunft, die ihn sich ihr sozial unterlegen fühlen lässt. In einem kurze Zeit später an Bülow geschriebenen Brief äußert sich Wagner enttäuscht darüber, dass Liszt ihn nicht besuchen wird beziehungsweise nicht bereit war, seine Reisepläne auch nur um ein Haar nach Wagners Reiseplänen hin zu ändern. »Ich möchte wirklich wissen, wie ich Liszt etwas sollte sein können  ! Der hat andere, tiefer liegende Normen für sein Thun und Lassen, als ich armer Plebejer ersehen kann. –« In der Polemik zu weit gegriffen, aber mit ernstem Kern zeigt Wagner sich enttäuscht und nicht genügend geachtet. Liszt ist durch seine jeweiligen Lebensgefährtinnen ebenso wie durch seinen großen, auch finanziellen Erfolg im Vergleich unerreichbar für ihn. Wagner kann sich außerdem, anders als Liszt, schlecht beherrschen und findet vermutlich, dass er sich als Künstler einer Zurückhaltung nicht befleißigen müsste. Sein Temperament, das er bei Cosima gewissermaßen tadelt, macht ihm selbst zu schaffen. Aber Wagner sieht sich im Verhältnis zu Bülow als der Frauenerfahrene, der in paternalistischer Weise eine Einschätzung von Cosima mit Erziehungstipps für das »wilde Kind« verbindet, nach einer gemeinsamen Begegnung in Reichenhall. Cosima bedurfte immer noch der Schonung, deshalb die Kur, fast ein Jahr nach Danielas Geburt. Wagner schrieb  : »Eine Nachricht von Dir und Cosima würde mich sehr gefreut haben  : über sie habe ich mich in Reichenhall sehr gefreut. Wenn sich das böse Kind nur recht schonen wollte  ! Ich höre, sie ist wieder bei ihrem Vater zum Besuch, wenn sie da nur nicht wieder zu den kleinen, ihr aber so schädlichen Excessen sich hinreissen läßt. S’ist ein wildes Kind, dabei bleibe ich  ! Aber sie hat grossen Adel. An diesen musst Du Dich halten, um sie zu jedem Opfer, auch dem kleiner schädlicher Angewohnheiten zu vermögen  : sie muss aus Stolz gleichmüthig und ruhig werden. Ihr Aussehen hat mich im Uebrigen sehr beruhigt  : gewiss wird es mit ihr gut und freundlich gehen  ! – Leb’ wohl, mein Hans  ! –« Wagner entwirft gewissermaßen ein »Zähmungsprogramm«  : Was ist zu tun mit einem so unvernünftigen, aber mit guten Anlagen versehenen M ­ ädchen, das

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doch eine gute Ehefrau werden und keine spontanen Pläne umsetzen soll  ? In den Bezeichnungen des »bösen« und »wilden Kindes« liegt eine kopfschüttelnde, halb väterliche, halb komplizenhafte Anerkennung, die im Subtext meinen könnte  : Du, Bülow, wirst sie sowieso nicht bändigen können  ! Wagner hält sich offenbar für kompetent, seinem Freund Hinweise und Ratschläge zur Behandlung von dessen Ehefrau zu geben, die er nur von einigen Besuchen her kennt, während Bülow täglich mit ihr lebt. Es wäre möglich, dass Wagner die Verbindung zunächst als treuer Freund unterstützen möchte, weil er deren Aussichtslosigkeit ahnt. Wagner versetzte sich offensichtlich gern in phantasierte neue Rollen, so auch bei der bereits erwähnten Begegnung der Schwestern Cosima und Blandine samt Ehemännern im August 1861 in Reichenhall. Er äußert »im Scherz« die Absicht, die beiden Schwestern, »da um beide ihr Vater sich nicht bekümmere, zu adoptieren  – was weniger mit Vertrauen als mit Heiterkeit aufgenommen wurde.« Diese beiden »Töchter« waren übrigens bereits Ehefrauen. Ging es hier um eine Rüge an die Adresse des gerade bei Wagner in Ungnade gefallenen Liszt, der kein guter Vater war  ? Ging es um das verdeckte Verlangen nach zwei jungen Frauen an seiner Seite, deren Status er kurzerhand verändern wollte  ? Ging es um die Sehnsucht Wagners, in einen nahen familiären Zusammenhang eingebunden zu werden  ? Die beiden jungen Paare, Cosima mit ihrem erstem Kind, waren in saturierten Verhältnissen – eine Situation, um die der umherreisende, verschuldete, in großer Anstrengung um seine Reputation bemühte Wagner mit großspurigen Phantasiebildern als »Adoptivvater« hineinscherzte, als gehörte er schon zur Familie. Hans von Bülow ist Wagner für den väterlich-männlichen Beistand dankbar. Zwar könnte er ihm Grenzen setzen und an ihn appellieren, seine private Sphäre zu respektieren. Aber wahrscheinlich nimmt er jede Hinwendung Wagners auch als Zuwendung und Aufwertung seiner selbst. Bülow war stolz auf Cosima und empfand die Verbindung mit ihr vielleicht als Stärkung seiner Position, auch wenn seine grundsätzliche Unsicherheit Wagner gegenüber erhalten blieb. Wagners Angebot jedenfalls, die Bülows dann in Berlin zu besuchen und dabei den Freund und »armen Patienten ein wenig [zu] pflegen«, wird nicht angenommen. Wagner zeigt sich darüber schwer enttäuscht. Monate später beschwert er sich  : »Selbst Cosmus ist ganz zahm bereits geworden. […] Aber Gott behüte  ! Nichts wie Vorsicht, Aengstlichkeit, Bedenken  ! – Ach  ! Ihr habt Recht  ! Aber ich dachte – hol’s sie der T–––  !« Cosima, die Gezähmte  ? Es klingt, als habe Cosima das Besuchsangebot verdorben, Bülow direkt wird nicht genannt.

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Im Juli dieses Jahres 1862 kommt es auch zu einer gemeinsamen Zeit der drei, so wie Wagner es immer wieder einforderte. Bülows besuchen ihn in Biebrich am Rhein, mit Konzertbesuchen, Lesungen, Ausflügen. Wagner erinnert neben den entspannten Situationen »die zunehmende, oft exzessive Mißlaunigkeit des armen, wie es schien immer sich gequält fühlenden Hans«, und er setzt diese Beobachtung deutlich ab gegen die Zutraulichkeit ihm gegenüber, die er bei Cosima auszumachen glaubt  : »An Cosima schien sich dagegen die bei meinem Besuch in Reichenhall vor einem Jahre von mir wahrgenommene Scheu in freundlichstem Sinne verloren zu haben.« Wie immer nutzt Wagner die Anwesenheit seiner Freunde, um seine Arbeiten zu präsentieren, so »Wotans Abschied« aus der Walküre, gesungen von ihm. Er beschreibt später, er habe dabei »in Cosimas Mienen denselben Ausdruck [gewahrt], den sie mir damals zu meinem Erstaunen bei jenem Abschied in Zürich gezeigt hatte  : nur war diesmal das Ekstatische desselben in eine heitere Verklärung aufgelöst.« Mit dieser Beschreibung entsteht ein weiteres Stück der Legende ihrer Liebe, wie sie Wagner und Cosima im Rückblick stricken. Aus dem unklaren, für Wagner damals nur befremdlichen Abschied Cosimas in Zürich wird nun ein wichtiger Baustein, der im Nachhinein seine Bestimmung erhält. Auch dreht sich langsam die zunächst als mädchenhaft und wortlos beschriebene Verehrung Cosimas im neuen Bedeutungsraster zu einem beidseitigen »erwachsenen« Interesse. Wagner schildert weiter, wie beide in Frankfurt voller Übermut beschließen, dass er Cosima in einem Handkarren zum Hotel fahren wird  : »[…] augenblicklich war sie hierzu bereit, während ich, vor Erstaunen wiederum hierüber, den Mut zur Ausführung meines tollen Vorhabens verlor. Bülow hatte, uns nachkommend, den Vorgang angesehen  ; Cosima erklärte ihm sehr unbefangen, was er zu bedeuten gehabt hätte, und leider durfte ich nicht annehmen, daß seine Laune auf der Höhe der unsrigen stände, da er sich seiner Frau mit Bedenken darüber äußerte.« Bülow hatte den Vorgang gesehen. Das ist eine sehr hellsichtige Beschreibung dessen, was auf den eigentlich schon jetzt betrogenen Ehemann noch an Herausforderungen und Demütigungen zukommen würde. Im Gewand scheinbar kindlich guter Laune und spontaner Späße nähern sich Wagner und Cosima einander an, führen sich vor, probieren ihre Wirkung und erste Schritte von Zweisamkeit. Bülow darf die Rolle des zuschauenden Dritten einüben, die er bald einnehmen wird. Aber noch werden beide Bülows als Einheit behauptet – und in eben diesen Wochen wird ihr zweites Kind gezeugt. Als das Trio im Oktober desselben Jahres wieder zueinander findet, ist inzwischen das Drama um Cosimas Schwester Blandine geschehen, die im Kindbett gestorben ist. Wagner trifft Cosima als trauernde stille Person an, einer Probe

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zuhörend im Gewandhaus Leipzig für ein Konzert, in dem er eigene Werke dirigieren und Bülow ein Klavierkonzert von Liszt präsentieren wird. Beide Männer in ihrer Profession, in der sie überragend sind, als Kollegen tätig, konzentriert aufs Probengeschehen, das Wagner später dennoch nur im Hinblick auf Cosima als gemeinsames und letztlich beglückendes Erlebnis beschreibt  : »Alles, was uns erfüllte, war so ernst und tief, daß nur die unbedingte Hingebung an den Genuß unseres Wiedersehens über jene Abgründe uns hinweghelfen konnte. Alle Vorgänge der Proben wurden uns zu einem sonderbar erheiternden Schattenspiel, dem wir wie lachende Kinder zusahen.« Die Erinnerungen zeigen eine Grundlage des gegenseitigen Interesses, das der Erzählung nach erst im November des nächsten Jahres 1863 in Berlin zu einer Klarheit der Empfindungen füreinander geführt haben soll. Die Briefe Wagners an Bülow und Cosima ähneln denen unter Liebesleuten, die Wagner mal an sie, mal an beide, meist an ihn schreibt  : »Grüss Koss, empfiel mich Deiner Tochter und sei versichert  !« Das führt zu Missverständnissen. »Dass meine harmlosen Briefe an Cosima Dir aber Veranlassung wurden, mir Mistrauen in die Wahrhaftigkeit Deiner Aussagen […] unterzulegen, überhaupt irgend einen Vorwurf irgend welcher Art gegen Dich in mir zu finden, – Gott weiss, wie Du dazu kamst  !« Überschwänglich bezieht sich Wagner auf ein Treffen mit Hans und Cosima im Oktober 1862  : »Kinder  ! Wie ich Euch beide in Leipzig wieder sah, ging mir’s Herz auf  ! Gewiss, ich liebe Euch sehr  ! O Himmel, Vertrautsein, Sichangehören  ! das ist doch das Einzige  ; ach  ! und’s ist so schwer  ! Da ist mit dem Herzen nichts allein gethan  : gescheidt muss man dazu sein  !  – Einen innigen, tiefvertrauten Gruss Euch Beiden  !« Und eine Woche später noch die gesundheitliche Mahnung an beide  : »Schone Dich  ! Auch Cosima soll sich schonen  : sie bedarf ’s  !« Die Empfehlung an Bülow wird sich wahrscheinlich auf dessen häufige nervöse Zustände bezogen haben, die Empfehlung an Cosima aber galt ihrem schwangeren Zustand. Sie erwartete ihre zweite Tochter von Bülow, die sie dann nach der gerade verstorbenen Schwester Blandine nennen sollte. Wagner reist im Frühjahr 1863 nach Petersburg und erkundigt sich von dort nach der bevorstehenden Geburt  – bei Bülow, nicht bei Cosima  : »Und wie steht’s mit Cosmus  ? Herrje  ! Am End’ komm’ ich zur Kindtaufe – jedoch, Du wirst nur französische Gevatter nehmen  ! – Herzliche, innige Glückwünsche  !« Seine Gratulation kommt zwei Wochen zu früh, denn Blandine wird erst am 20. März 1863 geboren werden. Die »französischen Gevatter« als Paten können

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sich dabei auf die Umgangssprache der beiden Bülows miteinander beziehen – und auf Cosimas Herkunft. Bülow ist Wagners Gefolgsmann, aber auch konkreter Mitarbeiter. Im Mai 1863, Wagner wohnt in Penzing, damals noch Vorort von Wien, schreibt er an Bülow, dass Cosima wunderbar in die gemeinsamen Projekte einbezogen werden könne. Er entwirft den Plan, einen festen Kreis von regelmäßigen Geldgebern für ihn einzuwerben, mit der adeligen Pianistin und Mäzenin Marie Kalergis als Multiplikatorin. »Ich kenne zu dieser Initiative noch Niemand geeigneter als die Kalergis, und am Besten wäre es, wenn ihr Cosima schriebe und sie ernstlich aufforderte. Die K. bringt jedenfalls diesen Sommer in deutschen Bädern zu  : sie hätte da volle Gelegenheit für mich zu wirken. […] Die Idee ist, daß eine kleinere Anzahl discreter u. vermögender Freunde meiner Kunst sich finde, welche durch Zeichnung eines jährlichen Beitrages  – nach Verhältniss  – mir die genügenden Mittel zu einem unabhängigen, anständigen Auskommen sichert. […] Es kostete doch am Ende nur einmal den Versuch  : und ich meine, Cosima eröffnete ihn durch einen Brief an die Kalergis.« Der Blick auf das Ehepaar Bülow hat sich in neuer Weise gespalten. Diese Bitte, dieser Appell, den Wagner hier an Bülow vorträgt, zielt allein auf die soziale Stellung Cosimas, auf ihre gute Vernetzung mit adeligen Häusern, auf ihre Fähigkeit, die Sprache der Oberschicht zu treffen. Bülow fällt ihm als Beschaffer von Geld für ihn nicht ein. Auch Cosimas Vater Liszt würde er höchstens um ein direktes Darlehen und nicht um einen solchen Dienst bitten. Er hat offenbar beobachtet, wie Cosima sich sicher auf dem gesellschaftlichen Parkett bewegt, des Deutschen wie des Französischen mächtig. Er schätzt sie als so hochstehend ein, dass sie mit einer Korrespondenz an hochadelige Gönnerinnen und Gönner zu seiner akzeptierten Fürsprecherin werden könnte. Außerdem hat sie für diese Art von Unterstützung einfach das richtige Geschlecht. Kompetent und weiblich ist unschlagbar für derlei Aufgaben. Sie würde im Auge der Öffentlichkeit immer der konventionellen Hierarchie entsprechen. Die eigenen Fähigkeiten nicht für ihren Namen einsetzen, sondern »uneigennützig« die Erfolge für ihn erwirken. Der weibliche Dunstkreis, der Mann im Zentrum des weiblichen Zirkels. Wagner hatte sich diese Idee zur finanziellen Unterstützung von sich entworfen. Als szenischer Topos wird dieses Bild mit Parsifal, umringt von den Blumenmädchen, ebenso auftauchen wie mit Siegfried, umringt von den Rheintöchtern in der Götterdämmerung. Weibliche Wesen, die den Einzigen umgeben und seine Einzigartigkeit unterstreichen. Aus dem Plan wird nichts, noch nicht. Später wird Cosima in der finanziellen Ordnung und Einwerbung von Geldern Wagner gut zu entlasten wissen. Im Juni

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Das Dreieck 9  Cosima von Bülow mit ihrer Tochter Daniela, dem ersten ihrer fünf Kinder, aufgenommen im Atelier Heinrich Graf in Berlin um 1863.

1863 aber – Cosimas Antwort auf Wagners Idee kennen wir nicht – verhindert Vater Liszt, dass Cosima für Wagner ihre gesellschaftliche Reputation in die Waagschale wirft, um andere engagierte Frauen um sich, um Wagner zu scharen. Wagner beschwert sich bei Bülow, dass Cosima die Finanzierungsidee offenbar ihrem Vater, der in Rom lebt, mitgeteilt habe  : »Dass Cosima erst nach Rom berichten zu müssen glaubte, hat mich sehr niedergeschlagen.« Er zitiert aus einem Brief Liszts an ihn die Begründung, warum Liszt seine Idee und vor allem Cosimas Einsatz darin nicht gutheißt  : »›Weil Cosima mit Mad. Kalergis nicht vertraut genug sei  ?‹« – »Aber«, wendet Wagner ein, »bin ich denn nicht der Gegenstand, der Beide sogleich vertraut machen müsste  ? […] Es muss nur Jemand sein, der das Project an Mad. Kalergis bestimmt mittheilt, und weil ich das nicht thun kann, sollte dies eine Freundin thun, deren Theilnahme für mich so leicht begreiflich sein würde. Lieber Hans, – das war nicht gut.« Cosimas Einsatz wird zwischen den Männern verhandelt, sie wägen das Für und Wider ab, das Wider Liszts gewinnt, der Ärger Wagners geht an Bülow. Kurz vor der Geburt der zweiten Bülow-Tochter Blandine kommt ­Wagner nach Berlin. Cosima und er besuchen Hans von Bülow auf einer Probe in der Musikschule, beide machen hinterher allein eine Kutschfahrt und alles scheint

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der Freundschaft und der Schwangerschaft Cosimas geschuldet. Wagner schreibt  : »Bülow hatte Sorge gehabt, mir seine Frau in gesegnetem Zustande vorzustellen, da ich ihm einmal mit Beziehung auf eine andere Frau unserer Bekanntschaft meine damals empfundene Abneigung davon zu erkennen gegeben hatte. Es verursachte uns gute Laune, ihn in dem jetzigen Falle vollkommen beruhigen zu können, da mich an Cosima gar nichts zu stören imstande wäre.« Eine Liebeserklärung, die aber im Schein einfachen Freundschaftsgebarens notiert wird. Ende April ist Wagner, von Moskau und Petersburg kommend nach einer erfolgreichen Konzertreise, schon wieder da in Berlin und erkundigt sich nach dem »Stand der Dinge und eilte freudig, Cosima zu begrüßen, welche, seit länger bereits von ihrer Tochter Blandine entbunden, jetzt in voller Genesung begriffen war […]. Alles schien gut zu stehen, auch Hans war heiter […].« Wagner befand sich – noch – in einer ziemlich chaotischen persönlichen Lage, was seinen zu wählenden Wohnort, seine einzutreibenden Gelder, seine geplanten Konzerte betrifft. Überall Unklarheit. Die Bülow’sche Adresse in Berlin war da ein Halt, ein erhofftes Zuhause und zunehmend ein Hort von Freude und Lüge. Hans von Bülow hat Wagner zu einem Konzert unter seinem Dirigat gebeten, der Freund und Kollege soll dabei sein, und es gibt einen Austausch der Männer über Wagners Situation  : »Bei kalter, rauher und trüber Witterung unterhielten wir uns, so gut gelaunt wie möglich, über meine widerwärtige Lage.« Bülows Rat, zumindest sein Mitgefühl sind gefragt, im Gegenzug erhofft er sich als Dirigent und Bearbeiter von Wagners Werken ein kollegiales Urteil. An diesem Konzerttag, am 28.  November 1863, einem Sonnabend, so die gemeinsame und später immer wieder gepflegte Legende, kommt es zu dem Bekenntnis von Cosima und Wagner füreinander. Wagners »Erinnerung«, die er Jahre später Cosima für seine Autobiografie diktieren wird  : »Da Bülow Vorbereitungen zu seinem Konzerte zu treffen hatte, fuhr ich mit Cosima allein noch einmal in einem schönen Wagen auf die Promenade. Diesmal ging uns schweigend der Scherz aus  : wir blickten uns stumm in die Augen, und ein heftiges Verlangen nach eingestandener Wahrheit übermannte uns zu dem keiner Worte bedürfenden Bekenntnisse eines grenzenlosen Unglückes, das uns belastete. Unter Tränen und Schluchzen besiegelten wir das Bekenntnis, uns einzig gegenseitig anzugehören.« So ist es gekommen. Sich einzig anzugehören. Wagner ist noch mit Minna verheiratet, Cosima kaum in ihrem neuen Leben als Baronin Bülow in Berlin angekommen, mit zwei kleinen Töchtern. Ein »grenzenloses Unglück« ist es für die gegenwärtige Situation, die mit dem Bekenntnis den Zwang zu Veränderungen

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fundamentaler Art aufzeigt. Aber gleichzeitig ist die gegenseitige Attraktion, die sich über lange Monate aufgebaut hat, zu Klarheit gelangt. Das entlastet. Wagner schreibt weiter über den Verlauf des Abends  : »Eine tiefe Beruhigung gab uns die Heiterkeit, ohne Beklemmung dem Konzerte beizuwohnen, in welchem sogar eine vollendet feine und schwungvolle Aufführung der kleineren Beethovenschen Konzert-Ouvertüre (C-dur) sowie die ebenfalls von Hans sehr sinnig bearbeitete Glucksche Ouvertüre zu ›Paris und Helena‹ sogar deutlich meine Aufmerksamkeit fesseln konnten.« Das Dreieck hat sich verschoben, aber es ist noch da. Cosima, Bülow, Wagner. Liebesbeziehung und Musikerbeziehung, wechselseitige Förderung der Männer, die Frau in je eigener Beziehung mit beiden. Ab da mischen sich bei Bülow Ahnungslosigkeit, Nicht-Hinschauen-Wollen und Verleugnung seinerseits, um weiterhin Teil dieses Dreiecks bleiben zu dürfen. Um die Ehefrau zu halten, um den so sehr verehrten Freund zu halten. Im Briefwechsel zwischen Wagner und Bülow wird weiterhin ein Ton gepflegt, der den Anschein der Bülow’schen Ehe wahrt und der es erlaubt, Bülow als Musiker, als Kopierer der Wagner’schen Partituren und als bravourösen Dirigenten und Pianisten in der Freundesnähe zu halten. Der Grad der Verleugnung gleicht einer inneren Aufspaltung Wagners in einen Liebenden, der immer mehr versucht, Cosima an sich heranzuziehen, und den Komponisten und Unternehmer Wagner, der sich mit Bülow über Honorare, ausbleibendes Geld, Arbeitspläne und Verlagsgeschäfte beraten und dessen tadellose Dienste weiter in Anspruch nehmen möchte. Bülow liebt den Dienst an Wagner. Es gibt seinem Leben einen außerordentlichen Halt, er ist Teil des Werbens um die Musik der Zukunft in Opernhäusern und Konzertsälen mit seinem Tun. Ab November 1863 muss auch Cosima sich aufspalten, in die Person, die sie nach außen seit einigen Jahren darstellt. Daneben ist die Dynamik mit Wagner entstanden, ein inneres Erleben, das höchste Aufregung, Besorgnis, zugleich aber Euphorie mit sich gebracht haben wird. Anders als andere Ehepartner, die betrügen, muss Cosima keine Anlässe erfinden  : Sie ist als Teil des Paares Bülow auch Teil der Zuarbeit zu Wagner – im Gegenteil, der zu dieser Zeit noch Ahnungslosigkeit vorgebende Bülow wollte vielleicht den »Vorteil« sehen, die gemeinsame Bindung an Wagner auf diese Weise zu stärken.

10. Das Königswunder

I

m Mai 1864 geschieht das Königswunder. Der frisch inthronisierte Ludwig II. von Bayern sagt Wagner die materielle Versorgung zu und diese Nachricht lässt einen glücklichen Wagner seine Zelte in Wien abbrechen. Wagner teilt Bülow das »unerhörte Wunder« mit. »Ein junger König ist mein treuester Jünger  : er übernimmt die Sendung, all meine Werke der Welt in der von mir gewollten Weise vorzuführen, und mich selbst gegen jede Sorge zu schützen. –« Schon im nächsten Brief schreibt er, wie er sich im Haus Pellet in Kempfenhausen am Starnberger See einrichtet  : »1/4 Stunde von Berg, einem kleinen Lustschloss des jungen Königs.« Er drängt Bülow, »wenn Du wenigstens mir einmal eine Woche schenken wolltest  ; ich muss Dich sogar darum bitten, wenn Du kannst, mir etwas zu helfen, meinem wundervollen jungen Könige einen Begriff von meiner Nibelungen-Musik zu verschaffen.« Wagner braucht ihn als Musiker. Und mit »Tausend schöne Grüße an Cosima« bittet er den gehörnten Ehemann sogar noch, den Kontakt zur Liebsten zu pflegen. Als Bülow sich nicht schnell genug meldet, kommt Wagners irritierte Nachfrage  : »Hans  ! Mein Hans  ! Bist Du mir böse  ? hast Du mir ’was übel genommen  ?« Er braucht ihn zum »nibeln u. tristeln«, fragt beharrlich »Seh’ ich Dich bald bei mir  ?« und zeigt sich für alle Stimmungsschwankungen Bülows sowohl kontrollierend als auch sensibel. Er gestaltet seine Beziehung zu Bülow unabhängig von der zu Cosima. Seine Nachfragen sind glaubwürdig, er möchte sein Glück der Königsunterstützung mit dem Freund teilen, bittet in einem eine Woche später geschickten Brief  : »Auch soll mir doch Cosmus einmal schreiben«, und er stellt nach präziser Projektplanung in Aussicht  : »Nächstes Jahr, nach der Vollendung der Meistersinger u. der Aufführung des Tristan machen wir all’ zusammen etwas Schönes zur Freude u. Erholung  !« Aus der Idee, nächstes Jahr gemeinsam etwas zu unternehmen, wird bereits im Juni 1864 eine sehr konkrete und bedeutungsbeladene Einladung. »Was ich Dir jetzt sagen, und um was ich Dich bitten werde, nimm das nicht als einen schnellen Einfall augenblicklicher Laune, sondern – wie einen wichtigen Paragraph des letzten Willens eines Sterbenden auf. – Ich lade Dich ein, mit Weib, Kind und Magd für diesen Sommer bis so lange wie möglich Dein Quartier bei mir zu nehmen.  – Diess das Resultat langer Berathung mit mir. –« Ein kleiner Anklang an Luthers Formulierung des Zehnten Gebotes  : »Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was sein ist.« Wagner schreibt zunächst an Bülow, er möchte mit ihm die Zeiten aus-

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handeln, in denen das Paar vielleicht zu ihm kommen wird, dann direkt an Cosima. Es geht ihm darum, auch Bülow an seiner Seite zu haben, er hat ihn aufgefordert, bei ihm und mit ihm zu leben und zu arbeiten. Es mag Selbstironie sein, wenn Wagner den »letzten Willen eines Sterbenden« bemüht, um sich durchzusetzen. Wurde doch gerade seine Existenz durch den König gesichert, richtet er sich in Starnberg doch gerade ein neues Domizil mit Dienerfamilie und Hund ein, das Paradies ist zu ihm gekommen. Er malt Bülow die Bequemlichkeit aus, die dessen Familie bei ihm hätte  : »Eine ganze Etage steht für Dich und Deine liebe Familie bereit  : Cosima kommt mit den beiden Kindern und Kindermädchen (wie wohl es auch sonst an Bedienung nicht fehlt.) Salon mit Balkon und herrlicher Aussicht  : zwei Schlafzimmer, 1 Kinderzimmer, ein Dienstmädchenzimmer. (Musikzimmer mit Flügel für Dich extra.) […] Die Kinder werden hier herrlich gedeihen  : grosser, grosser Garten. Seefahrten, Gebirgsausflüge.« Und zu allem Überfluss noch die Formel  : »Vertraue mir  ! […] Nur Ihr fehlt noch zu meinem Glück  !« – eine Liebesund Wohngemeinschaft nach Wagners Regeln. Am Ende des Monats kommt nicht das Ehepaar zum Starnberger See, sondern allein Cosima, mit beiden Töchtern, erst eine Woche später schließlich Bülow. Er wird von Wagner dringend gebraucht für das Vorspiel beim König in München. Bülows Gesundheit ist angeschlagen, er begibt sich zur Behandlung nach München, während Cosima den Vater in Karlsruhe aufsucht. Es brodelt. Wie erklärt sich Bülow, dass Cosima danach allein zu Wagner fährt  ? Er ist verhindert gewesen, es kann also alles im Rahmen einer freundschaftlichen Plausibilität geschehen sein. Aber wieviel Heimlichtuerei, dezentes Extra-Verabreden, schlechtes Gewissen in der Dreisamkeit  ! Cosima offenbart sich dem Vater, der sich von der Tochter, vor allem aber von Wagner so schwer hintergangen fühlt, dass dieser Zorn bis zum Ende seines Lebens spürbar bleiben wird. Wagner, der geniale Kollege, ist nur zwei Jahre jünger als er. Liszt hat ihn gefördert, für dessen Musik geworben und immer mal wieder mit Geld ausgeholfen und sich um die Aufführung von Wagners Werken bemüht. Die Verbindung zur Familie Bülow war für Liszt passend und beruhigend, da sie die neue Familie seiner Tochter geworden war. Mit Bülow kam ein talentierter Musiker mehr in die Familie. Zwei Enkelkinder gibt es schon, und mit Cosimas und Wagners Liebesbeziehung gerät all dies in heftige, unwillkommene Dynamik. Liszt macht seiner Tochter schwere Vorwürfe und schließlich auch Wagner selbst, wenn er mit Cosima zu ihm an den Starnberger See reist. Es gibt einen Bruch, der erst etliche Jahre später, unter anderem durch Wagners Einladung an Liszt zur Grundsteinlegung des Festspielhauses, sich langsam wieder auflöst und eine familiär höfliche Annäherung erlaubt.

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Zunächst war Bülow ein Freund, besser  : Schüler von Liszt gewesen. Im August 1848 bereits, mit achtzehn Jahren, hatte er beim Goethefest in Weimar bei Liszt gewohnt, hatte den Feierlichkeiten zugehört und wurde zu Liszts Lieblingsschüler. Bülow blieb von 1851 bis 1853 in Liszts Nähe, um von ihm Unterricht erhalten zu können. Und noch 1865 spielte er im ungarischen Szekszárd mit Liszt vierhändig bei einem Konzert vor großem Publikum. Da war es schon zu dem nicht mehr wirklich zu kittenden Bruch mit Wagner gekommen, zu einer inneren Abwendung Liszts und zu einer nur mehr eingeschränkten Kommunikation. Liszt wird dadurch, dass seine Tochter ihn eingeweiht hat in die neue Beziehung, unfreiwillig zum Komplizen und Mitwisser, er war in der Frage des Ehebruchs auf Seiten des betrogenen Ehemannes und gleichzeitig als Vater Cosimas und Förderer Wagners beiden verbunden. Cosima lebt zwischen drei heftigen Beziehungen – der neuen Liebe zu Wagner, der komplizierten Ehe mit Bülow, den sie mit schlechtestem Gewissen betrügt, und der töchterlichen Werbung um den gekränkten Vater. Alle drei Elemente bleiben lebenslang für Cosima existenziell bedeutsam  : die Beziehung zu Wagner im Glück, die Beziehungen zu Bülow und Liszt quälend und kompliziert. Bülow zieht sich auf die Rolle des Ahnungslosen und Beschäftigten zurück, das hält ihn leistungsfähig und  – solange es durchzuhalten ist  – in gewissem Stolz jenseits der nahezu offensichtlichen Kränkung. Er arbeitet als Dirigent, er meidet die Öffentlichkeit nicht, er erhält, so gut es geht, seine Würde aufrecht und erklärt sich einverstanden, Cosima mit den Kindern bei Wagner, dem Freund, zu wissen. Anfang September 1864 entschließt Bülow sich, mit Cosima von Berlin nach München zu ziehen, er hat das Angebot von Ludwig II., »Vorspieler des Königs« zu werden, angenommen. Wagner, eben noch mit langfristiger Planung für das Haus Pellet beschäftigt, disponiert sofort um und wird ebenfalls nach München ziehen. Er empfiehlt, ganz hilfreicher Freund, mit einer Skizze der Zimmeraufteilung den Bülows eine Wohnung in der Ludwigstraße 6. Cosima soll mitziehende Ehefrau und zuziehende Geliebte sein. Beide Männer haben ihre Pläne. Ende September ist Cosimas neuerliche Schwangerschaft Thema eines Briefes Wagners an Bülow. Es ist sein Kind, die Tochter Isolde, die im April des nächsten Jahres zur Welt kommen wird. Der Schein aber wird streng gewahrt. Wagner schreibt ihm am 30.  September 1864  : »Cosima’s leidender Zustand ängstigt auch mich. Alles was sie betrifft, ist ausserordentlich u. ungewöhnlich  : ihr gebührt Freiheit im edelsten Sinne. Sie ist kindlich u. tief – die Gesetze ihres Wesens werden sie immer nur auf das Erhabene leiten. Niemand wird ihr auch

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helfen, als sie sich selbst  ! Sie gehört einer besonderen Weltordnung an, die wir aus ihr begreifen lernen müssen.« Und dann folgt die merkwürdige Mahnung, sich nun, wo Bülow eine feste Stellung beim König hat, mehr um Cosima zu kümmern  : »Du wirst in Zukunft günstigere Musse und eigene Freiheit in besserer Genüge haben, um diess zu beachten, und Deinen edlen Platz an ihrer Seite zu finden. Auch das gereicht mir zum Trost  !  –« Wagner stellt hier eine nicht offengelegte Allianz der sorgenden Männer um Cosima auf. Indem er Cosima als außerordentlich und ungewöhnlich beschreibt, möchte Wagner die normalen Gesetze des Umgangs und der Gesellschaft, gerade in ihren einschränkenden, disziplinierenden Regeln, für sie nicht angewendet wissen. Er geht davon aus, dass sie aus sich heraus das Höhere, »Erhabene« anstreben und erreichen wird. Sie sei damit gewissermaßen eine Lehrerin des Lebens für die beiden Männer  : Eine andere, »besondere Weltordnung« sollen sie durch sie »begreifen müssen«. Damit nimmt Wagner, adressiert an ihren Mann, eine Mystifizierung und Erhöhung Cosimas vor. Er  – in seiner Besonderheit  – macht dadurch sie – in ihrer Besonderheit – ihm ähnlich. Die Nähe zu dieser besonderen Frau wird, so Wagner, beide Männer adeln und erhöhen. Wagner signalisiert, dass er und Bülow gleichermaßen von diesem wundervollen Geschöpf profitieren werden, er appelliert an ihn, den »edlen Platz an ihrer Seite« auch zu finden. Damit bringt er zum Ausdruck, dass er Bülow dort noch nicht angekommen sieht. Eine umso dreistere Ermutigung an den Freund, als er ihn mit seinem Tun gerade um diese Chance bringt. Und dass dieser edle Platz Bülows an Cosimas Seite ihm, Wagner, zum Trost gereichte, zeigt die Aufspaltung Wagners in ein altes Freundes- und ein neues Liebhaber-Ich, die unverbunden gelebt werden. Es ist zu vermuten, dass Bülow diese liebende Überhöhung seiner Frau durch Wagner erstens nicht teilte, sonst hätte er sich anders ihr gegenüber verhalten, und zweitens wahrscheinlich nicht als Liebeserklärung durchschaute. Bülow zieht mit Cosima nach München in die Luitpoldstraße 15. Er kommentiert den Umzug und die Einrichtung der Wohnung peinlich heiter und in gewohnter Weise ironisch  : »Das Provisorium ist im Absterben, und das Definitivum kann ganz hübsch werden.« Das Definitivum wird sein, dass ab jetzt die Beziehung zwischen Cosima und Wagner sich festigt und zu einer Arbeitsbeziehung komplettiert. Es ist die schwangere Cosima, die diese Veränderungen, die nicht sie entschieden hat, mit trägt und letztlich zu ihrem Guten entwickelt. Bülow hat nun zwei »Herren«, den König und Wagner, zu denen beiden er in einem Abhängigkeitsverhältnis steht. Und die Wege des Ehepaars in München trennen sich schnell im Praktischen. Cosima geht, sooft sie kann, von der Bülow-Wohnung in die Brienner Straße 21 zu Wagner, Bülow gibt im Dezember

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sein erstes Konzert für den König und verschwindet dann auf eine lange Tournee. Cosimas Mann ist Virtuose wie Cosimas Vater und fast immer auf Reisen. Bülow sieht sich aber weiterhin der Wagner’schen Zuarbeit verpflichtet. Wagner hat beide Bülows an sich gebunden. Am 2. April 1865 kehrt Bülow von seiner Auslandstournee zurück. Cosima steht kurz vor der Niederkunft mit dem dritten Kind, das Bülow für seines halten muss. Isolde, das erste gemeinsame Kind Cosimas und Wagners, ehelich als Bülow geboren, kommt am 10. April 1865 zur Welt. Bülow kümmert sich kaum. Unklare Stimmungen, keine offenen Gespräche, Festhalten an der Konvention. Das angebliche dritte Bülow-Kind wird mit Wagner als Paten in der Bülow-Wohnung auf die Namen Isolde Josepha Ludovika getauft. Seine Tochter, sein erstes Kind. Eine Zeremonie, die Glück bringen soll dem neuen Kind, und bei der sich alle verstellen. Wagner besucht Cosima andauernd, weicht gewissermaßen nicht von ihrem Wochenbett. Wie mag Bülow, dem eine solche Fürsorge gar nicht in den Sinn kam, diese Anwesenheit Wagners für sich eingeordnet haben  ? Vielleicht war er sogar dankbar, verband ihn doch auf diese Weise die Zuneigung des »Meisters« noch enger auch mit seinem eigenen Haus. Liszt empfängt zu eben dieser Zeit, belastet und vielleicht bedrängt vom Wissen um den Ehebruch, in Rom die niederen Weihen, wird zum Abbé Liszt. Es ist gut möglich, dass ihm durch seine aufgezwungene Komplizenschaft und die Verurteilung des Tuns von Cosima und Wagner die geistige Klärung und persönliche Weihung noch wichtiger geworden war. Bülow dirigiert am 10.  Juni 1865  – das Baby Isolde ist auf den Tag zwei Monate alt – die Uraufführung von Wagners Tristan und Isolde in München vor dem König. Wie kann das sein  ? Es kann sein, weil Wagner und Bülow das Werk vor alle persönlichen Gegebenheiten stellen und weil Bülow nicht für möglich gehalten haben wird, dass dieses neue Kind bereits dem Ehebetrug Cosimas entsprang, dass er mehr oder weniger täglich, vor seinen Augen und in seiner Wohnung, hintergangen wurde. Gleichzeitig ist kaum davon auszugehen, dass es nicht genügend deutliche Hinweise zu entdecken gegeben hätte. Die Hebamme spricht davon, die Bediensteten sehen, was sie sehen, und Bülow wollte wohl keinen Gedanken in diese Richtung eines Misstrauens schicken. Er ist Wagner nicht nur ergeben in dessen Werk, sondern auch mit dem Wunsch, ihn nicht durch »Unterstellungen« zu entthronen. Für die »Entthronung« Wagners sorgt ein anderer. Der König, der die unklaren Gerüchte über seinen prominenten und umstrittenen Schützling Wagner und Frau von Bülow nicht mehr ignorieren kann, verfügt am 6. Dezember 1865, dass

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Wagner Bayern zu verlassen habe. Zum Glück bedeutet das nicht, dass Ludwig II. damit seine finanzielle Unterstützung einstellt. Als Wagner nach einiger Suche im April 1866 in der Schweiz, mit dem Landhaus Tribschen bei Luzern am Vierwaldstätter See, sein neues Refugium findet, übernimmt der König die Mietkosten. Wagner verlangt schnell erneut nach den Bülows und schreibt dem betrogenen Freund  : »Mein Haus hat 3  Stockwerke. Der unterste, mit Salon u.s.w. gehört Euer – der mittlere mir – der obere den Kindern und Leuten. So können wir zusammenleben, ohne uns im mindesten zu stören. Meine Einkünfte reichen – namentlich nach dem Tode meiner Frau – vollständig aus, eine grössere Familie leicht und mit gutem Anstand mit Allem Nöthigen zu versorgen. Du bist mit Weib, Kind und Dienervolk daher ernstlichst und innigst freundschaftlich von mir eingeladen, das Landhaus mit mir zu bewohnen und meine schlichte Bewirthung Euch gütigst gefallen zu lassen. Erfüllst Du meine Bitte, so trägst Du das Grösste, ja Einzige zu meinem Gedeihen, zum Gedeihen meines Werkes – meines einstigen Wirkens bei. […] Hans  ! Du erfüllst mir meine Bitte  ? – Gewiss  ! Denn Du weisst, dass ich Dich liebe und dass – ausser dem schwindelerregenden wunderbaren Verhältnisse zu diesem jungen Könige – nichts, nichts, mich an das Leben fesselt, als Du mit den Deinigen. Das – weisst Du  ! –« Das ist eine verführerische Verknüpfung von Liebesbezeugung und Aufforderung, sich damit um Wagners Werk verdient zu machen. Es ist eine Einladung an Bülow, allerdings mit Tross aus Weib und Kind. Offensichtlich wollte er nicht nur Cosima, er will auch den Adlatus, begabten Mitarbeiter und seit der Bindung an den König den dort zu Stand und Würden gebrachten Freund. Cosima folgt der Einladung. Die Lage spitzt sich zu, indem sie mit ihren drei Kindern den Schritt zu Wagner tut. Selbst da noch, so scheint es, erhebt Bülow keine Einwände. Erst als ihm ein an Cosima adressierter Brief Wagners in die Hände fällt und er den Betrug lesen muss, ist zwischen den beiden ungleichen Männern ein neues Feld der Klärung eröffnet. Wagner geht in die Offensive, indem er Bülow tatsächlich zu sich einlädt, ihn weiter an sich heranzieht und den Schulterschluss sucht  : »Lieber Hans  ! Hör mich, schließ ab, und komm vorerst zu mir  ! Von hier aus ruhig das Weitere, ich bin nicht minder entschieden wie Du  : Hiermit genug. Du weißt über welche bisher unbenutzte Waffe gegen Beleidigungen unserer Ehre wir verfügen  : Einfache Darstellung der wahren Thatbestände. Zunächst fassen wir uns dem Hundegebell gegenüber als Männer.« Wie lange hatte Bülow, um der Freundschaft und Wertschätzung Wagners willen, nicht hingeschaut  ? Sich nicht gewehrt  ? Sich nicht um seine Würde bemüht  ? Wagner spielt weiter die Freundschaftskarte  : »Du begreifst, mein theurer

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10  Zeitgenössische Karikatur des skandalösen Trios  : Wagner und Cosima als hohes Paar vorneweg, Hans von Bülow, der Ehemann Cosimas und Tristan-Dirigent, ergeben hinterher. Die handschriftliche Notiz oben rechts »An der Maximilians-Straße nach der Probe zu Tristan und Isolde. Nach der Natur gezeichnet 1864 von M. Schultze.« irrt in der Jahreszahl. Die Proben zur Münchner Uraufführung fanden erst ab April 1865 statt.

Hans, dass in der furchtbaren Lage, in welcher Du Dich befindest, ich Dir keinen Rath geben, sondern nur das Einzige kann, mich in jeder Hinsicht solidarisch mit Dir erklären. Diess genüge  ! […] Ich muss Alles gut heissen, was Du thust, denn Dir fiel das Härteste zu, und – ich durfte Dir nicht helfen.« Am 11. Juni 1866 unterzeichnet der König die Ehrenerklärung für Bülow und seine Frau – von Wagner und Cosima dem König wider besseren Wissens abgepresst. Da weiß Bülow endgültig Bescheid, und wir wissen nicht, wie sehr er sich für Wagner geschämt haben mag. Dennoch verbringt er weitere zweieinhalb Monate in Tribschen. Die Verbindung zu Wagner könnte ihm lebenswichtiger gewesen sein als die längst zerbrochene Ehe mit Cosima. Bülow hat die Tristan-Uraufführung 1865 mit Erfolg musikalisch geleitet. Er wird 1867 auch die Meistersinger von Nürnberg mit großem Erfolg aus der Taufe heben. Seine Identität als Wagner-Dirigent hatte sich aufgebaut, blieb gewahrt und wurde gefestigt. Diese kollegiale, gleichwohl hierarchisch abgestufte, aber

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in ihrer Arbeitsaufteilung blendend funktionierende Männerfreundschaft siegte bei allen Verstimmungen letztlich über den Betrug, die Lügen, die Demütigungen aus Anlass der Beziehung Cosimas zu Wagner. Die Briefe, die Wagner an Bülow schrieb, haben einen freundschaftlich-geschäftigen Ton. Die Verständigungen untereinander geschehen fast täglich, das innere Chaos aller Beteiligten ist vorstellbar. Cosima ist zunächst im Frühjahr 1867 in Tribschen, dort hat sie am 17. Februar ihr viertes Kind, ihre zweite Wagner-Tochter Eva Maria, geboren. Gleichzeitig ist geplant, dass beide Bülows in München eine neue Wohnung beziehen, als Ehepaar  – Bülow wird Hofkapellmeister in München. Wagner schreibt  : »Ich antworte Dir sogleich einiges Nöthige, was ich sonst Cosima übertragen haben würde, die mich aber soeben bittet, ihr lieber für heute auch noch das Ihrige abzunehmen, da sie sich – wenn auch sonst nach Wunsch und ruhig – aber noch recht müde fühlt. […] Cosima ist in Betreff Deiner Dispositionen ganz mit Dir übereinverstanden  : ganz wie Du es wünschest, wird sie auch zu dem Dir genehmen Zeitpunkt die Münchener Uebersiedelung mit besorgen. Wegen der Wohnung, die ich ihr sehr genau beschreiben und selbst aufzeichnen konnte, wird sie, da sie sie ebenfalls für geeignet hält, dieser Tage an Röckel die nöthigen Aufträge geben.« Da ist viel abzulesen. Wagner berichtet dem Ehemann über den Gesundheitszustand seiner Frau nach der Entbindung, Wagner gibt eine Unterwerfungsgeste Cosimas an Bülow weiter – »ganz übereinverstanden« –, worin gleichzeitig eine Korrektur verborgen ist, dass es Cosima doch mit der Übereinstimmung nicht übertreiben solle. Wagner ist besser informiert als Cosima und Bülow, was die von den beiden zu beziehende Wohnung betrifft. Wie ein Makler. Er schreibt als gleichberechtigter, vielleicht übergleichberechtigter Dritter im Bunde, in einer Mischung aus Dienstfertigkeit und Herablassung. Auch für die Vorbereitung der Meistersinger-Uraufführung wendet sich Wagner an Bülow, der diese Produktion dirigieren soll und will, und Wagner bezieht ihn einerseits ein, bittet ihn aber in zwei Punkten darum, dass Cosima sich mit ihm, Wagner, in Verbindung setze. Es sind jeweils Aufträge »um die Ecke«, mehr an Cosima, denn an Bülow  : »Ich schrieb heute bereits an Deine Frau um sie zu bitten, mit Dir die Angelegenheit der Meistersinger-Aufführung zu berathen […].« Die professionelle Schiene ist eingezogen, und Wagner nimmt Cosima als gänzlich Gleichberechtigte mit ins Boot – eine Position, die Bülow ihr nie zugestanden hatte. Wagner fährt fort, ganz Mitglied der Dreier-Familie  : »Bis Ende dieses August hoffe ich ganz bestimmt mit der Partitur fertig zu sein, und ich wünsche diesen ersehnten Tag mit Euch gemeinschaftlich auf Triebschen zu feiern […].« Er legt diesem Brief ein Schreiben seiner Schwester Luise bei,

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in dem diese ihm ein Aquarell Bonaventura Genellis anbietet, und formuliert folgende Bitte an Bülow  : »Gieb doch auch Cosima den Brief  ; sie möchte mir in Betreff des angebotenen ›Genelli‹ rathen, sie besitzt in so etwas einen vortrefflichen Takt. –« Wird es Bülow aufgefallen sein, dass Wagner seine Frau erstens über den grünen Klee lobt und zweitens einen sehr familiären Auftrag an ihm vorbei direkt an sie formuliert  ? Der Genelli jedenfalls wird später in Tribschen und dann in Wahnfried hängen. Ein Projekt, eigentlich für die berufliche Zukunft von Bülow vorgesehen, setzen Bülow und Wagner einträchtig und beharrlich im Herbst desselben Jahres 1867 beim König durch, die Gründung der »Königlichen Musikschule«, für die Bülow als künstlerischer Direktor vorgesehen ist. Diese Stabilisierung der Freundschaft der beiden Männer bei gleichzeitig hochgereizter komplizierter privater Situation hielt letztlich gerade noch ein Jahr, bis zum Oktober des nächsten Jahres 1868. Bülow wusste längst um die notwendige Trennung, kämpfte aber um seine Reputation. Es hätte Wagners Unterstützung nicht bedurft, um ihn, Bülow, als Musiker durchzusetzen, das zeigten schnell die nächsten Jahre, nachdem die beiden Bülows sich getrennt, dann geschieden hatten und Cosima vor aller Welt die Frau an der Seite Wagners geworden war. Aber sowohl die musikalische Verbindung als auch die private Nähe wurde noch parallel eine Weile aufrechterhalten. Wagner feierte mit den Bülows in München das Weihnachtsfest 1867, fortwährend hatte er Wünsche geäußert, im Bunde der Dritte sein zu dürfen. Wie kann man sich eine solche Situation vorstellen  ? Cosima als Baronin Bülow, die mit Wagner bereits zwei Kinder hatte, eingesperrt in die gemeinsame Münchner Wohnung in der Arcostraße mit Bülow, die Kinder und Personal immer dabei. Wagner, der als Logiergast sich gerne Raum nahm. Nur die kollegiale Verständigung hinsichtlich der geplanten Meistersinger-Uraufführung, der Musikschule, der aktuellen Notwendigkeiten konnte da eine neutralisierende Brücke darstellen zwischen den beiden Männern. Im Oktober 1868 kommt es zur klaren Trennung der Bülows, die beiden Bülow-Töchter bleiben zunächst beim Vater, dann die offizielle Bestätigung der unklar abgestrittenen Gerüchte  : Cosima zieht im November endgültig zu Wagner nach Tribschen. Die mit der Offenlegung der veränderten Beziehungen verbundene Erleichterung wird für alle drei Beteiligten groß gewesen sein, allerdings ist die notwendige Scheidung noch ungeklärt. Und Bülows Kränkung ist durch nichts zu mildern. Im April 1869, Cosima ist mit Siegfried, ihrem dritten Wagner-Kind schwanger, schreibt Wagner, dessen Meistersinger von Bülow mit großem Erfolg erst-

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mals zur Aufführung gebracht worden waren, einen seiner seltenen, eher kleinlauten Briefe an Hans  : »Jedenfalls, wenn Du mich zu sprechen wünschest, hast Du keinerlei Versuche zu irgend welcher Ueberredung zu befürchten. Wir sind Alle unglücklich genug um uns über nichts mehr zu täuschen, da wir uns nicht mehr helfen können.« Das war für längere Zeit der letzte Brief an Bülow. In ihm kommt die Bedrückung Wagners zum Ausdruck, dem Freund diese Kränkung angetan zu haben. Eine Gleichzeitigkeit des Glücks mit Cosima und des Unglücks des Betrugs. Vielleicht hat Wagner auf eine glimpflichere Regelung gehofft, irgendwie besser herauszukommen aus dem Dilemma, nicht so wirklich schlecht und mies dazustehen. Bülow hat ihm da keine Erleichterung, kein Pardon gegeben. In diesem Verhältnis, das zwei Männer im Musikalischen engstens verband, spielte Cosima letztlich die Rolle einer für Bülow verlorenen Trophäe. Die Kränkung lag nicht in der Abwendung der Liebe – die war zwischen Cosima und Bülow längst nicht mehr anzunehmen –, die Kränkung lag im Wegnehmen, darin, auch noch in der Liebe von Wagner überflügelt zu werden.

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as ist das mit den Ehrenerklärungen  ? Es geht darum, die behauptete Innigkeit der Dreierbeziehung zwischen den beiden Bülows und Wagner unter diesem Gesichtspunkt noch einmal genauer anzusehen. Im Januar 1866 hatte Wagners Frau Minna eine Ehrenerklärung für ihren bereits wieder einmal im Exil lebenden Mann abgegeben. Wagner war in der Presse als schlechter Versorger seiner getrennt von ihm lebenden Frau bezeichnet worden. Cosima verfasste eine Gegendarstellung und ließ sie über die gemeinsame Freundin und Uraufführungs-Isolde Malvina Schnorr von Carolsfeld an Minna übermitteln. Dass Cosima mehr bezweckte, als den Familienfreund zu entlasten, wusste die Sängerin nicht. Dass Cosima den Text formuliert hatte, wusste Minna nicht. Minna war bereit, gegen den Vorwurf ein Zeichen zu setzen. Und so soll diese erste »Ehrenrettung« dem Entwurf Cosimas gefolgt sein, der da lautete  : »so eben erfahre ich die Verleumdung die betreffs meiner, gegen meinen Mann in einem Münchener Blatte gerichtet worden ist und ich erachte es als meine heiligste Pflicht zu erklären dass in den schlechtesten wie in den besseren Zeiten mein Mann stets für mich reichlich gesorgt hat.« Minna, die von Wagner verlassene und kranke Frau, erwies damit ihrem Mann einen letzten Liebesdienst. Sie starb noch im selben Monat. Wie viele von den Texten, die Cosima verfasst hat, wurde dieser Brief gern mit Häme kommentiert. Bei Lichte besehen enthält er keine Unwahrheit, allerdings fällt er, verglichen mit einer heutzutage üblichen »Gegendarstellung«, insbesondere durch seinen hohen Ton aus dem Rahmen. Es wird kolportiert, Cosima sei am Tag der Beisetzung Minnas in einem weißen Kleid im Theater erschienen. Dies scheint eine erfundene Sottise zu sein, die aber zeigt, wie die Öffentlichkeit die beiden Frauen gegeneinander ausspielte. Dabei hatte Cosima von Beginn an den miesen Part. Ihre neue Rolle machte es ihr unmöglich, nicht sichtbar zu sein  : Sie war inzwischen die Ansprechpartnerin, wenn es um Wagners musikalisch-finanzielle Belange ging. Bei Verhandlungen war sie den Beamten des Königs rhetorisch gewachsen, wenn nicht deutlich überlegen, und sie verstärkte Wagners Position im Spannungsfeld zwischen unzufriedenen Finanzbeamten und gewährendem König ganz eindeutig. Die Stadt, die Öffentlichkeit, die Karikaturisten machen das merkwürdige Dreiecksverhältnis zu ihrem Thema. Cosima war zur repräsentativen Begleite­ rin Wagners im öffentlichen Leben Münchens geworden. Sie managte die

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notwendigen Veröffentlichungen und engagierte sich leidenschaftlich in dem Desaster um Wagners ungeschickte politische Einmischungen in die bayerische Landespolitik. Gleichzeitig wurde auf der gesellschaftlichen Ebene die Position Cosimas bereits neu definiert. Wagner hatte Franz von Pfistermeister, den Kabinettssekretär von König Ludwig  II., gebeten, alle künftige Korre­ spon­denz mit ihm über Cosima laufen zu lassen. Der Beamte hielt sich daran. Heinrich Porges, der Freund, spätere Mitarbeiter und Bayreuth-Chronist, der Wagner in schwierigen Zeiten auch finanziell beigesprungen war, erlebte Cosima unterstützend an Wagners Seite und darin diejenige Position einnehmend, die Wagner ursprünglich ihm selbst mit folgenden Worten angeboten hatte  : »Mein junger König will, daß ich Alles habe was ich brauche. Ich brauche einen Sekretär, und zwar Einen, wie eben ich ihn brauche. Er muß mir meine geschäftliche Correspondenz abnehmen, meine Manuskripte in Ordnung halten, literarische wie musikalische Reinschriften, Einrichtungen meiner Partituren u. s. w. machen können, – kurz, er muß ein ganzer Kerl sein. Wollen Sie sich damit befassen  ?« Porges hatte abgelehnt, und Wagner hatte in Cosima diesen »ganzen Kerl« gefunden, allerdings, wie Zeitzeuge Peter Cornelius später festhielt, in stilvollem Gewande  : »Wagner im Frack. Cosima in einem grauseidnen Staatskleid mit Rosabesatz.« Das öffentliche Auftreten Wagners mit Cosima als zumindest repräsentatives Paar war derart eindeutig und letztlich in seiner noch möglichen reinen Arbeitsbeziehung so anerkannt, dass Pfistermeister in einem Brief an Cosima schrieb  : »Ihr erleuchteter, klarer und ruhiger Geist, hochverehrte gnädige Frau, ist der beste Spiegel für Wagners gewiß geniale Anschauungen.« Dies ist der Kotau eines staatlichen Beamten vor einer zwar in total unklarem und vermutbar ehebrecherischem Verhältnis lebenden Frau, die aber durch ihre selbstgewählte und von Wagner zufrieden bestätigte Position der Mitarbeiterin gesellschaftlich relevant war  ! Die Akzeptanz Cosimas kommt darin erstaunlich klar zum Ausdruck. Illegitime Geliebte berühmter Männer wurden in der Öffentlichkeit normalerweise negiert, vielleicht noch schmallippig begrüßt, aber nicht in Briefen von Politikern mit Komplimenten bedacht. Zumal mit Komplimenten, die eine Wahrheit beschrieben, dass nämlich Cosima eine wirkliche Stärkung auch der gesellschaftlichen Reputation Wagners bewirkte, dass sie eloquent seine Musik, seine Pläne, seine Wünsche nach Honorierungen, Drucklegungen, Aufführungsdetails zu vertreten wusste. Viele Kollegen und Beobachter hat das gewurmt, ihre Bosheit geweckt, ihren Spott. Cosimas wichtige und offensichtlich hilfreiche Position schien und scheint vielen Wagner-Verehrern einer Frau nicht angemessen. Zeigt die Stärkung durch Cosima doch auch, dass Wagner durchaus einer Unter-

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stützung bedurfte. Die Nachwelt wünscht sich ihren Helden gern unabhängiger und stärker, als er wohl war. Am 6.  Dezember 1865 hatte Ludwig  II. auf den Unmut seiner politischen Entourage und vieler Bürger reagiert und Wagner gebeten, Bayern zu verlassen, was dieser am 10.  Dezember notgedrungen tat. Wagner wurde von Freunden und Cosima zum Zug gebracht, Peter Cornelius schrieb darüber in einem privaten Brief  : »Zwischen Wagner und Cosima besteht ein völliges Verhältnis. Es ist sogar zu vermuten, daß sie ihm mit den Kindern folgt. Sie ging, nachdem wir von Wagner Abschied genommen, nicht in ihr Haus, sondern in das seinige zurück. Dort wird nun der Tapezier den Gral im ersten Stock entheiligen, die Tapeten von den unnahbaren Wänden herabnehmen. Aber was das mit Bülow wird  ? Ob er überhaupt Wagner seine Frau gänzlich überlassen hat in einem hochromantischen Einverständnis  ? Ob jene Umarmung Wagners an der Eisenbahn ein Dank dafür war  ? Die wirkliche Ehe zwischen Hans und Cosima war wohl schon längere Zeit nur eine Scheinehe.« Offener geht es eigentlich nicht. Die Mischung aus Liebesverhältnis und gemeinsamer Arbeit machte es aber schwer, die Situation eindeutig zuzuordnen. Es war beides. Es war anders als beispielsweise bei den »unsichtbaren« Autorenfrauen, die klaglos und leise eine verlässliche und notwendige, von den Machern ungeliebte Zuarbeit leisten und dann im Buch ihres Gatten im Frontispiz einen ehemännlichen Dank erhalten. Oder, um in der Familie zu bleiben, wie bei Gertrud Wagner, Wieland Wagners Ehefrau, die als »mitarbeitende« Choreografin spöttisch entwertet und niemals ernst genommen wurde in ihren Verdiensten. Das öffentliche Echo ließ und lässt häufig eine kreative Beteiligung von Frauen an den künstlerischen Werken ihrer Männer geradezu hämisch verschwinden. Jedes Beharren der Frauen auf Erwähnung galt und gilt als eher peinlich. Es ist immer noch die Ausnahme, wenn eine Frau wie Jeanne-Claude bei der Nennung ihres Namens neben dem ihres Ehemannes Christo bestehen konnte. Dagegen wurde Cosimas Position schnell unübersehbar. Sie war offenbar so auffällig und besonders, allein durch ihre Größe nicht zu verstecken, durch ihren Habitus auch nicht, dass in dem gemeinsamen Sich-Zeigen Wagners mit ihr, Cosimas mit ihm, ein deutliches Bekenntnis möglich wurde. Eine doppelte Bindung in der Liebe und in der Arbeit. So soll sogar Ludwig von der Pfordten, damals Vorsitzender des bayerischen Ministerrats, Cosima in einem Gespräch, das sie in Wagners Angelegenheiten führte, gesagt haben  : »[…] jetzt sind Sie sein Schutzgeist, oder was  ?« Diese Perspektive ist interessant. Sie lässt deutlich werden, dass Cosima bereits in dieser

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unklaren Situation durchsetzungsfähig und sozial stark genug war, um vom Ministerpräsidenten des Landes empfangen zu werden. Und sein Vergleich macht bei aller Ironie, die darin gelegen haben mag, deutlich, dass Cosima den umstrittenen Komponisten und Königsliebling Wagner zu schützen imstande schien. Bülow blieb in München, arbeitete, verlor aber an Selbstvertrauen und öffentlichem Renommee. Vermutlich am 5. Juni 1866 bat er, hilflos und wütend, den König um seine Entlassung, nachdem in der Presse über »Madame Dr. Hanns de Bülow« als Wagners »Brieftaube« und über ihn selbst sehr kritisch berichtet worden war. Cosima war inzwischen mit ihrem zweiten Wagner-Kind schwanger, hatte drei Kinder von zwei Männern um sich, erwartete nun das vierte. Wagner in der Schweiz, Bülow der Ehemann in Distanz. Ein Blick sei gestattet auf diese auch verzweifelte Situation, die sie zwang, allein sich zu organisieren, durchzuboxen, eine Perspektive zu entwickeln, die vielleicht durchaus noch nicht so klar und hehr sich abzeichnete, wie sie aus der Rückschau und der geglückten Beziehung mit Wagner scheinen könnte. Wagner war sicher nicht nur wegen seines Verhältnisses zu Cosima aus Bayern ausgewiesen worden, sondern unter anderem wegen seiner innenpolitischen Einmischungen, bei denen er kein Fettnäpfchen ausließ  – er, der gleichzeitig Summen vom König bekam, die die Öffentlichkeit in der Regel für überzogen hielt und für die sie wenigstens eine gewisse Bescheidenheit des Beschenkten erwartete, die Wagner nicht lieferte. Bülow war in seinem Ansehen beschädigt, er war als Musiker und Dirigent unangefochten, machte aber in der unklaren Dreierkonstellation aus Sicht der Öffentlichkeit eine unentschlossene und zu weiche Figur. Cosima wollte in dieser prekären Lage dennoch retten, was nicht zu retten war. In ihrem Brief an den König vom 7. Juni 1866 versuchte sie noch einmal, nicht nur die Reputation Bülows wiederherzustellen, sondern die Reputation von allen drei Beteiligten. Sie beschwerte sich in diesem Brief gewissermaßen über die üble Nachrede, die sie, Cosima, treffen würde, womit aber ihr Mann, Bülow, entehrt würde  – er, der schließlich noch in Diensten des Königs stehe. Cosima bittet den König deshalb um ein entlastendes Schreiben für die Öffentlichkeit  : »Wie könnte mein Mann in einer Stadt zu wirken vermögen in der die Ehre seiner Frau angetastet wurde  ?  …. Mein königlicher Herr, mein Freund, ich habe drei Kinder denen ich es schulde Ihnen den ehrenwerthen Namen ihres Vaters fleckenlos zu übertragen, für diese Kinder, damit die nicht einst meine Liebe zu dem Freunde [= Wagner] schmähen, bitte ich Sie mein höchster Freund, ›schreiben Sie den Brief‹.« Diese Bitte ist rhetorisch äußerst geschickt, weil Cosima sich über eine dritte Seite beklagt, die die »Ehre seiner [= Bülows]

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Frau angetastet« habe. Sie erbittet eine Ehrenbezeugung für Bülow, habe er doch keine Unredlichkeit auf sich geladen und verdiene jede Art von Respekt. Damit rügt Cosima die Überbringer der schlechten Nachricht und kann deren Anlass geschickt umgehen. Nicht ausgesprochen wird, ob das, was schlecht über sie geredet wird, denn wahr sei. Weiterhin ist der Appell im Namen der persönlichen Freundschaft formuliert  : Wir, die wir als Freunde sozusagen auf gleicher Stufe stehen, vertrauen Dir, König, unseren Kummer an, der uns ungerechterweise trifft und den Du durch ein Machtwort von uns allen nehmen könntest. Cosima spricht hier von ihren momentan drei Kindern demonstrativ als Bülow-Kindern, obwohl Isolde Richard Wagner zum Vater hat. Es kann sein, dass es unter anderem diese Festlegung gegenüber dem König war, die sie später so beharrlich wie verleugnend daran festhalten ließ, dass Isolde, ihr drittes Kind, nicht von Wagner sei. Der Duktus des Schreibens Cosimas wurde allen diplomatischen Anforderungen gerecht. Sie versteht sich auf die hohe Sprache, mischt Persönliches – »ich habe drei Kinder« – mit Staatsmännischem – »schreiben Sie den Brief«. Nicht nur sie, auch Wagner bedrängte aus der Ferne den König und formulierte sogar einen entsprechend entlastenden Text für ihn. Ludwig  II. unterschrieb tatsächlich am 11.  Juni 1866 diese vorgefertigte offizielle Ehrenerklärung für Bülow, in der es unter anderem heißt  : »[…] da Ich ferner die genaueste Kenntniss des edlen und hochherzigen Charakters Ihrer geehrten Gemahlin, welche dem Freunde [=  Wagner] ihres Vaters [=  Liszt] , dem Vorbilde [=  Wagner] ihres Gatten [=  Bülow] mit theilnahmsvollster Sorge tröstend zur Seite stand, Mir verschaffen konnte, so bleibt Mir das Unerklärliche jener verbrecherischen öffent­lichen Verunglimpfungen zu erforschen übrig, um, zur klaren Einsicht des schmachvollen Treibens gelangt, mit schonungslosester Strenge gegen die Uebel­thäter Gerechtigkeit üben zu lassen.« Geschlagen werden sollen da die Kolporteure der Gerüchte, diejenigen, die »Böses« verbreiten. Nicht eingegangen wird darauf, was an den »Verleumdungen« richtig oder falsch wäre  : Es wird unterstellt, dass es Lügen seien, Wagner und Cosima also sich anders verhalten hätten, als die Gerüchte besagen. Das »schmachvolle Treiben«, mit dem ihr eigenes Verhalten durchaus nach der Moral dieser Zeit bezeichnet hätte werden können, nutzen sie als Bezeichnung des Tuns der »Gegner« und reichen die »öffentlichen Verunglimpfungen« sozusagen weiter an diejenigen, die »Schlechtes« behaupten. Ein rhetorisch ziemlich geschicktes Stück, das aber trotz Unterzeichnung des Königs natürlich an der schrecklich verfahrenen Situation der drei Beteiligten nichts bessern kann.

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Das ist ein bisschen wie Bonny und Clyde. Wagner und Cosima waren nicht nur ein leidenschaftliches heimliches Liebespaar und damit in der Übertretung der gesellschaftlichen Eheregeln verbunden. Sie fanden auch Wege, dieses ihr Verhältnis mit abgesprochenen Lügen zumindest eine Zeit lang zu verleugnen. Beide, zusammen. Zu einer solchen Gemeinsamkeit gehört viel Vertrauen von beiden Seiten, eine innere Auslieferung an die andere, den anderen, Komplizenschaft im wörtlichen Sinne. Wo bei anderen Lebensbereichen vielleicht doch Verbindungen zu Dritten aufrechterhalten werden konnten, war hier die absolute und nach außen völlig abgeschlossene Zweisamkeit notwendig. Sich ausprobieren im Lügen vor den anderen. Nur Wagner wusste, wann Cosima da log. Nur Cosima wusste, wann Wagner da log. Das Verschworen-Sein, das beim Scheitern gemeinsam in den Abgrund schauen. Diese existenzielle Verbindung traf Wagner noch direkter als Cosima. Für ihn hing an dem Schwindel scheinbar die materielle Absicherung. Für Cosima war dieser Punkt nicht wirklich eine Gefährdung. Geldmangel war nicht ihr Problem. Sie hatte allerdings die Hoffnung, durch die Täuschung ihren Mann Bülow unbeschadet von öffentlicher Häme belassen zu können und durch die Lüge Wagners Reputation zu wahren. Ausgerechnet die Sängerin der ersten Isolde, Malvina Schnorr von Carolsfeld, die Cosima bei der Unterzeichnung der Minna-Erklärung noch behilflich gewesen war, bringt die Wahrheit auch für den König ans Licht, weil sie in Tribschen bei einem Besuch das eheähnliche Leben zwischen Wagner und der hochschwangeren Cosima versteht und öffentlich macht. Der Knoten ist geplatzt. Endlich. Für die beiden Männer bringt dies noch keine berufliche Einbuße mit sich. Die beiden »Kollegen« arbeiten miteinander, so schwer es ihnen gefallen sein mag, privat aber ist der Bruch vollzogen, nachdem Cosima am 17. Februar 1867 in Tribschen die Wagner-Tochter Eva zur Welt gebracht hat. Noch einmal beziehen die Bülows in München eine große Wohnung, Wagner – inzwischen ist der Streit mit dem König so weit bereinigt, dass er wieder nach Bayern kommen kann  – zieht gleich mit ein in die Arcostraße, um mit Bülow die Meistersinger vorzubereiten. Gemeinsam mit anderen Musikern wie Peter Cornelius arbeiten die beiden Männer außerdem an der Gründung der »Königlichen Musikschule« in München. Wie mag das gewesen sein, mit dem täglichen gemeinsamen Leben dieser drei, einschließlich der inzwischen vier Kinder, zwei von jedem Mann, Cosima in der Mitten  ? Den ganzen Mai 1868 leben alle Beteiligten so in München. Am 21. Juni 1868 werden Die Meistersinger von Nürnberg im Königlichen Hoftheater uraufgeführt, unter dem Dirigat Bülows, ein Riesenerfolg. Ein Bedauern sollte diesen drei erwachsenen Menschen

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gelten, die nur, weil die Öffentlichkeit auf sie schaut, nicht unbedingt klüger sein dürften in der Lösung ihrer Probleme, klarer in ihrer Haltung, weniger zögernd, unentschieden, hin- und hergerissen als andere Menschen in dieser Situation. Wenn man die Reisen und das Umherziehen Cosimas anschaut, den hektischen Ortwechsel zum Teil im Wochentakt, mit vier Kindern bei sich, mit zwei beleidigten, erwartungsvollen, drängenden, schweigenden, ihre eigenen beruflichen Pläne brüderlich ausübenden und konkurrierenden Männern, dann lässt sich eine Verzweiflung ahnen, ein Getrieben-Sein. Die Ehre Bülows scheint dabei das Ausschlaggebende. Er wird betrachtet als der Betrogene, dem Mitgefühl gilt, dem eigentlich nur darin Recht widerführe, wenn Cosima sich nicht von ihm abwendete. Dabei gerät aus dem Blick, dass die Ehe der beiden Bülows schlecht war, nicht von Liebe getragen, von Seiten Hansens mehr der Konvention geschuldet, gleichzeitig aber durchaus in Dankbarkeit für die Stützung und das gesellschaftliche Ansehen, das Cosima ihm verschaffen konnte. Die Liebe war nicht der Kern des Konflikts, im Gegenteil  : Auch Bülow liebte Wagner auf seine Weise, konnte nichts besser verstehen, als dass sich Cosima für diesen Ausnahmemenschen entschieden hatte. Gleichzeitig erinnerte aber nichts bitterer an seine Zweitrangigkeit, dass er sich als Dienender und Stützender dem Wagner’schen Werk zuordnete und sehen musste, wie Cosima in der Liebe Wagners gedieh und glücklich war.

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ie kann man sich vorstellen, hat wohl die Sprache und Stimme ­Cosima Wagners geklungen  ? Beide Eltern waren nicht verankert in einer ausschließlichen Muttersprache. Das Nebeneinander mehrerer Idiome und Sprachmelodien, mehrerer Vokabelschätze und Scherzwörter, das in Sekunden­schnelle vor sich gehende Wechseln zwischen mehreren Sprachsystemen. ­Cosima beherrschte diese Wechsel ohne Zweifel als alltägliche Normalität, diese Fähigkeit brachte ihr aber auch – zumindest mit Wagner – Spannungen und Konflikte ein. Cosimas Mutter Marie d’Agoult war als Kind einer Frankfurter Bankiers­ tochter und eines französischen Adeligen zweisprachig aufgewachsen – »von der Mutter lernte sie deutsch, vom Vater französisch.« Und Cosimas Vater war, je nach Stimmung und Sicht, beschenkt oder belastet mit der ungarischen und deutschen Herkunft. So lässt der elfjährige Franz Liszt vor einem Konzert in Budapest verkünden, er sei Ungar. Die Wahrheit aber war  : »Da seine Eltern stets deutsch sprachen, hat er das Ungarische nie gelernt, auch später nicht gesprochen und nur wenig verstanden.« Liszt erwarb später das Französische als Umgangs- und Schriftsprache, seine Korrespondenz mit Cosima blieb lebenslang fast ausschließlich französisch. Die Mehrsprachigkeit als ein Geschenk der Fülle und Vielfalt, das andererseits die fortwährende Möglichkeit enthält, Defizite zu empfinden, Fehler zu machen, anderen Menschen, ob aus dem näheren oder weiteren Umfeld, freiwillig oder unfreiwillig zu verstehen zu geben, dass man nicht ganz dazugehört. Die Sprache gilt hier als Indikator des viel größeren Feldes der sozialen Geborgenheit ebenso wie der Besonderheit  : Ich gehöre nicht dazu, weil ich so außergewöhnlich begabt und über den anderen stehend bin – Ich gehöre nicht dazu, weil ich nicht mithalten kann mit der polyglotten Eloquenz und den sprachlichen Vertrautheiten der anderen. Zeitgenossen berichten über Cosima  : »Erstaunlich war die Sicherheit, mit der sie die Terminologie der verschiedenen Gebiete beherrschte […] – im Deutschen, das doch eine von ihr erst erlernte Sprache war, die sie aber mit vollkommener Freiheit, wenn auch mit einem leichten, reizvollen französischen Akzent sprach.« Noch als alte Frau betonte Cosima die Richtigkeit ihres Sprachwechsels  : »… Je älter ich bin, umso stärker empfinde ich die Schönheit der deutschen Sprache, ihren Reichtum, ihre Zartheit, ihre Kraft, ihren Wohllaut. Meine Mutter sagte

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11  Comtesse Marie d’Agoult, die französische Mutter von Cosima, in einem Ölgemälde von Henri Lehmann 1839.

von [der] französischen  : cette langue sans hardiesse, sans naiveté et sans mystère. Das besitzt das Deutsche […].« Das Denken lernen, das Werten, den Humor, den Streit, die Ausdrücke der Freude, der Spontaneität, auch der Abwehr und des Schmerzes, diese Dimensionen bilden sich in der ersten Sprache. Nicht zufällig ist Cosima in ihrer Beziehung zu Hans von Bülow als Umgangssprache beim Französischen geblieben, selbst im preußischen Berlin. So ist es immer wieder von ihnen selbst beschrieben worden. Nicht zu übersehen war Wagners Eifersucht auf Situationen, in denen Cosima sich in ihrer Muttersprache und, wie vorzustellen ist, in der ganzen Umfänglichkeit und Geschliffenheit ihres Wortschatzes mit Dritten unterhielt. So zum Beispiel, wenn Cosima mit Édouard Schuré in Erwartung weiterer Gäste zunächst auf Französisch sprach, »das hatte ihn auch gereizt.« Oder wenn Wagner sich erinnert, dass sich Liszt und Georg Herwegh auf einer mit ihm gemeinsam unternommenen Reise ständig auf Französisch unterhalten hätten und er, Wagner, sich »fremd dabei befunden« habe. Cosima beeilt sich, ihre Parteilichkeit für Wagner zu betonen, sie fände das auch rücksichtslos. Dennoch klagt er, »er

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käme sich da immer fremd vor, alles, was er hasse, werde in dieser Sprache ausgedrückt  ; alles Nichtige, der eigentliche Klatsch.« Cosima sah sich während ihrer Jahre mit Wagner regelmäßig dieser Gereiztheit ausgesetzt. »R. wirft mir vor, daß ich die deutsche Sprache verlerne, er sei mächtig eifersüchtig darauf, daß ich so viele französische Briefe empfing und schriebe. Trauriger Eindruck.« Das ist ein umso infamerer Vorwurf, als er den Anspruch betont, sie möge sich von ihrer Muttersprache ganz grundsätzlich lösen und damit auf eine Fähigkeit und Fertigkeit verzichten, die sie mit ihrer Kindheitsidentität verbindet und sie in sozialer Hinsicht ihrer Seite als Kosmopolitin berauben würde. Wagners eigene Unterlegenheitsgefühle aber dürften dafür vielleicht den Ausschlag gegeben haben. So großzügig, oft witzig und uneingeschränkt bewundernd er im Zweiergespräch und gegenüber Dritten Cosima loben konnte, so sehr neidete er ihr wohl diesen offensichtlichen kulturellen Vorsprung. Das, wofür er sie zweifelsohne bewunderte, was ihn mit Stolz erfüllt haben mag, eben diese gesellschaftlich souveräne Frau für sich gewonnen zu haben, das ließ sich ihr auch vorhalten, vorwerfen. Cosima ihr Französisch-Sein vorzuwerfen, war wie eine Aufforderung zur Selbstamputation, zum Verzicht auf den Einfluss und die Sphäre ihrer Kindheit, letztlich auf sich selbst. Vielleicht eine doppelte Demütigung. Er war gedemütigt, weil er gewahr wurde, nicht mithalten zu können. Sie war gedemütigt, weil sie wegen ihrer französischen Herkunft eine Abwertung erfuhr und sogar zur Verleugnung aufgefordert wurde. Wenn beide Glück hatten, ließ sich diese Spannung in ein Lachen auflösen. »Abends necken wir uns, R. und ich, mit dem Französischen, und so ist denn ein Punkt, der mich tief zu betrüben drohte, zu einem Scherz geworden.« Noch klarer stellte sich die von beiden gewünschte Hierarchie wieder her, wenn es um ihre »unverbesserlichen Dative und Akkusative« ging und ihre Überlegenheit sich wenden konnte in eine herzhaft belachte Tollpatschigkeit. Natürlich will sie ihre Kinder mit dem Französischen vertraut machen. Insbesondere für die älteren, die zwei Bülow-Kinder Daniela und Blandine, ist davon auszugehen, dass diese den Klang der französischen Sprache durch die Eltern als Sprache ihrer ersten Tage auf dieser Welt kannten. Sie unterrichtet die Großen und notiert regelmäßig die Fortschritte, etwa von Blandine, die ihr auf Französisch ein Märchen erzählen kann. Auf Anraten Wagners sowie der Freundin Malwida von Meysenbug lässt sie sich bei den Wagner-Kindern Isolde, Eva und Siegfried Zeit damit. Als sie später die Kleinen doch unterrichtet, sei es eine »harte Nuss für sie wie für mich« gewesen. Zu möglichen Erfolgen, etwa einem französischen Brief von Daniela, äußert sich Wagner dann aber doch gern destruktiv. Er nimmt in Kauf, dass er mit der Kritik der Tochter seine Frau not-

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wendig mit verletzt  : »Nach Tisch einen Brief von Loulou, seine französische gedrechselte Art mißfällt R., dieser sagt es mir, was mich sehr wehmütig stimmt.« Wie so viele innere Konflikte scheint Cosima diese Zerrissenheit eher verborgen zu haben, mit sich selbst oder Freundinnen besprochen, aber die Kränkung möglichst nicht gezeigt. Wie soll da eine Lösung zu denken sein  ? Die Herkunft, die Kindheit, der zu allererst vertraute Ton, das Französische, das noch dazu im gesellschaftlichen Rahmen auch in der Gegenwart von großem Nutzen ist – wird am liebsten, sooft es als Konflikt auftaucht, weggelacht. Cosima notiert in Tribschen  : »Wilde Nacht für R. und mich, er träumt von seiner Frau, die frech und böse gegen uns gewesen und gegen welche er sich nur wehren konnte, indem er ihr zuschrie, du bist ja tot  ; mit diesem Schrei wachte er auf  ; ich hörte ihn auch, doch noch in einem Traum befangen, welcher mir die deutsche Sprache versagte, und französisch schrie ich ihm zu  : j’ai bien dormi, indem ich ihn nur fragen wollte, was ist dir  ? Er bereits erwacht  : Warum sprichst du französisch  ? Ich halb erwacht  : Du hast ja französisch geschrien. Sein Traum aber wiederholt sich die ganze Nacht durch. Am Morgen mußten wir viel lachen.« Gerade in angespannten Situationen mag ihr das Französische herausgerutscht sein, und gerade in angespannten Situationen zählt jede Silbe. Hinzu kommt, dass Cosima mit aller Energie ihre Zugehörigkeit zu ihrem deutschen Mann beweisen möchte. Auch vor sich selbst. So spricht ihr der kritisierende Wagner sogar einerseits aus der eigenen Seele, die das Französische ablegen möchte, gleichzeitig aber kann dies nur über den Verlust, die Verleugnung der eigenen Herkunft und Geschichte geschehen. Steht das Französische doch für ihre Beziehung zur Mutter und vor allem zum Vater Liszt, mit dem sie in der Regel französisch korrespondiert und auch bei seinen Besuchen ins Französische fällt, was Wagner als Affront, als Ausschluss beklagt. Bezeichnend ist ihr Brief vom 21. Mai 1871 aus Tribschen an Marie von Schleinitz, in der sie diesen Kummer sehr ehrlich ausbreitet  : »Die französische Sprache hat ganz aufgehört für mich die Sprache des Herzens zu sein  ; französisch klang alles was mich verwundet, deutsch, was mich geheilt hat  ; deutsch sprach zu mir meine alte gute Grossmutter die meine Kindheit liebte, französisch dagegen die Gouvernanten und Adoptiv-Mütter die sich meiner annahmen, deutsch war die Zuflucht die meine Geschwister und ich vor dieser Pflege suchten  ; das Elend unsrer Ehe bestreuten wir, Herr von Bülow und ich, mit dem Pfeffer des französischen Witzes. Mit dem ersten deutschen Brief den ich Wagner – und auch überhaupt – schrieb, hat der ewige Augenblick meiner Erlösung geschlagen, deutsch ist mein Glauben, meine Liebe, mein Hoffen, und nichts Herzliches fällt mir auf Französisch ein  ; meinem Vater kann ich aber nicht plötzlich deutsch schreiben, ohne

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dass er sich mit Recht verwundre.« Sehr deutlich wird hier, dass die scheinbar nationalistischen Zuordnungen des Deutschen und Französischen von Cosima ihren unterschiedlichen Lebensphasen geschuldet sind. Auch hier wieder die ihr eigene Rigorosität, das Absolute, das sie für ihr Denken und Empfinden wünscht und das auch etwas Selbstverletzendes bedeuten kann. Da kommt ihr die politische Auseinandersetzung des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 gerade recht, unterstützen die Gespräche und Parteinahmen darüber doch ihre innerlich gewünschte Ablösung von allem, was französisch ist. Sie findet es einerseits im familiären Zusammenhang schrecklich, dass ihr Schwager Émile Ollivier seinen einzigen Sohn, ihren Neffen Daniel, »mir ganz entfremdet als Preußenhasser erzogen« habe. Gleichzeitig aber drängt sie Wagner, ihr ihre »neue« Identität zu bestätigen  : »Das Gespräch über spanische Tänze bringt uns auf Nationen überhaupt zu sprechen, und ich fordre von ihm das Zeugnis, daß ich eine Deutsche bin.« Was spricht aus einem solchen Satz  ! Wie deutlich ist da noch das Schwanken nachzufühlen, die Not, dazugehören zu wollen. Cosima hat mit ihrem Entschluss, ihr Schicksal an das von Wagner zu binden, dem Bedürfnis entsprechen können, endlich verlässlich und unumkehrbar zu jemandem zu gehören. Und sie ist gegenüber Wagner auch bereit, die Trennung von ihren französischen Wurzeln rigoroser zu behaupten, als es ihr innerlich möglich ist. So bekennt sie zum Beispiel, als sie sich wieder einmal ihre alte Lieblingslektüre von Eugénie de Guérin vornimmt, kein Wesen sei ihr »so innig Freund als diese bretonische Jungfrau, und in diesem Buch liebe ich das Französische sehr.« Und so scheint das Bekenntnis der Trennung vom Französischen nicht nur die Zusicherung an Wagner gewesen zu sein, Vater und ersten Ehemann genauso hinter sich gelassen zu haben wie eben diese Sprache. Sondern auch eine wiederholte Bestätigung an Wagner, immer und immer wieder neu, fast täglich in den Jahren ihres Zusammenseins, dass sie ihre soziale Herkunft nicht über seine stellt, dass sie ihr Wissen und ihre Performance nicht gegen ihn wenden wird, dass sie seine Person und sein Werk zu ihrem Primat erhebt. Wirklich erfüllen lassen sich solche Vorsätze nicht, behaupten und anstreben schon. Ihre Vergangenheit mit Bülow kann sie nicht ungeschehen machen, zumal Wagner in geradezu sadistischer Weise an diesem als Mitarbeiter noch über Jahre festhält. Und die Tochter Liszt ist die Tochter Liszt und bleibt die Tochter Liszt, wie beschwörend auch immer das Signal an Wagner ergeht, dass er ihr unbedingt wichtiger sei als der Vater. Der Vater aber ist natürlich in ihrem Herzen, lebenslang, immer nur der fordernde Vater, dem sie nicht genügen wird und um dessen Liebe und Anerkennung sie kämpft.

13. Charakteristisches Außen

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eitgenossen schilderten Cosima als ebenso temperamentvollen und zugewandten wie versponnenen, hochmütigen wie mitfühlenden, eloquenten, genau beobachtenden und kräftigen wie zarten Menschen. Durch ihre gesellschaftliche Stellung, ihre große Familie, ihre wirtschaftliche Verantwortung und natürlich durch die öffentlich zelebrierte Zweisamkeit mit Wagner gab es unendliche Varianten von Begegnungen und kommunikativen Situationen, in denen Cosima agierte und beobachtet wurde. Sie habe »dagestanden wie die Sage, so ernst und groß  !«, beschreibt Wagner selbst ihre Erscheinung. Eine Unnahbarkeit, die vielleicht in der Konzentration ihren Ursprung hatte, bei allem Kontakt in die Welt doch für sich zu bleiben. Dieser sehr beherrschte und eher matriarchale Charakter, der mit dem Alter immer deutlicher zu Tage trat, aber bereits in der Jugend ausgebildet war, hinderte Cosima nicht, auch unbeherrscht und jähzornig zu werden. Wagner habe sich erinnert, schreibt sie, »wie in traurigen Zeiten ich so außer mir geraten konnte, daß ich Sachen zerschlug, ja Ohrfeigen verteilte.« Diese Seite wird Wagner vertrauter gewesen sein als die stille Zurückgenommenheit Cosimas, in der sie unklar war für ihr Gegenüber, was Wagner offenbar immer wieder zum Anlass eines gewissen Spottes nahm, indem er ihre »Aspiration zur Heiligkeit« ironisierte oder ihre »kleine latente Philistrosität  !« Der Bezug Wagners auf ein philisterhaftes Verhalten Cosimas gegenüber Dritten, ihm aus eigener Praxis geläufig, beschwor eher gutmütig eine Gemeinsamkeit, die eine lässliche Sünde darstellte. Die »Heiligkeit« Cosimas aber umschrieb einen charakterlichen Zug, der Wagner provozierte und verunsicherte. Cosimas innere Auseinandersetzung mit Schuld und Bestimmung des Menschen, mit eigenem Versagen, mit Demut und der geistlichen Übung, keine Widerworte zu geben, wenn sie durch Wagner eine Ungerechtigkeit traf – dieser Teil ihrer aufrichtigen Suche blieb Wagner wahrscheinlich für immer fremd. Vielleicht auch fühlte er eine Unterlegenheit, vor allem aber fühlte er, dass er Cosima in diesen Bereichen nicht folgen konnte, sie sich ihm entzog. Ihre innere Beschäftigung mit den religiösen Fragen, ihren Pflichten, ihrem Versagen blieb so ein unerreichbares Feld für Wagner – und war damit einer der wenigen Bereiche, in denen sie unabhängig von ihm blieb. Der Ärger, die Spitzen, das Nachhaken und Spotten Wagners mag in erster L ­ inie daraus gespeist sein, dass er spürte, wie sie sich ihm damit entziehen konnte. In einer der letzten großen Streitigkeiten zwischen den beiden, ­bereits in Venedig,

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nur einige Monate vor seinem Tod, warf Wagner ihr vor, »ich glaubte, ich sei die Tugend selbst.« Angriff ist die beste Verteidigung. Sie versuchte, die Regeln, die sie sich gegeben hatten, einzuhalten, keine neuerliche »Schuld« auf sich zu laden – während Wagner, krank und pflegebedürftig wie er war, umso lebenshungriger und durch den Besuch einer jungen Sängerin vielleicht fast an der Schwelle der Untreue oder einfach Überanstrengung angekommen war. Cosima konnte einerseits sogar Vorbild für Wagner sein, gleichzeitig aber in eben dieser Vorbildfunktion anstrengend für Wagner, der – wie sie, darin waren sich beide ähnlich – die Freiheit brauchte. So versammelt und beherrscht Cosima im Kontakt nach außen bleiben konnte, so messerscharf und genau beobachteten die zwei Eheleute sich gegenseitig in ihren Reaktionen – und Cosima, anders als Wagner, versuchte destruktive Impulse möglichst nicht auszusprechen oder in Vorwürfe zu verwandeln. Dieses »Tugendhafte« hat nicht nur Wagners Spott gelegentlich herausgefordert, sondern es hat auch die wagnerianische Nachwelt in der Einschätzung Cosimas häufig voller Häme sein lassen. Gewissermaßen in Übereinstimmung mit dem Meister konnte so die Kritik an Cosima formuliert werden. Die Außen-Präsentation Cosimas war ein ihr geradezu natürliches Bedürfnis, sie war darüber hinaus der unbedingte Wunsch ihres Gatten, der einen gewissen Luxus einfach brauchte. Elisabeth Förster-Nietzsche berichtet von einem Spaziergang in Tribschen, bei dem Friedrich Nietzsche, ihr Bruder und damals Freund der Wagners, mit der Gastgeberin vorauswandelte  : »Frau Cosima […] in einem rosa Kaschmir-Gewand mit breiten echten Spitzenaufschlägen, die bis zum Saum des Kleides hinabgingen  ; am Arm hing ihr ein großer Florentinerhut mit einem Kranz aus rosa Rosen.« Ihre Kleider, Hüte, ihre Haartracht sind häufig Anlass zu Liebeserklärungen, Dank und Belustigung. »Ein älteres, von R. mir geschenktes Gesellschaftskleid, welches ich als Abendschlafrock mir hergerichtet, macht R. viel Vergnügen, es ist eine solche Freude, sich für ihn zu schmücken, wie lohnt er es mir durch heitren Dank.« Er schenkt ihr »einen hübschen Sommerhut  ; er hat ihn bestellt nach seinem Geschmack, eine große schöne Rose schmückt ihn.« Von einer Weihnachtsfeier berichtet sie ihrer Freundin Helene von Heldburg  : »– unser Fest war ein fröhliches, die Kinder strahlten vor Glück und ich wünschte, Du hättest meinen Gabentisch gesehen. Er war fantastisch und voller origineller Dinge  ! Ein japanisches Morgenkleid ist eine ganz besondere Schönheit  !« Die Fotos mit Cosima zeigen sie grundsätzlich edel gekleidet, untadelig, herrschaftsbewusst und nahezu zeitlos. Bewundernd und sachkundig schildert Walther Siegfried ihre Bekleidung  : »In Gesellschaft Schleppkleider, oft an eine

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12  Cosima von Bülow in einer Aufnahme des Wiener Fotografen Josef Löwy, vermutlich im Herbst 1865.

Vittoria Colonna gemahnend  ; bei großen Anlässen auch eine Robe mit Watteaufalte, die Linie des Kopfes von einer edeln schwarzen Spitze nachgezeichnet, die zum Rücken hinabfloß, die schönen Hände und Arme von einem langen Halbfingerhandschuh aus gleicher Spitze bedeckt. Wie eine der großen Herzoginnen des Dix-huitième siècle«, des 18. Jahrhunderts. Für ihr Erscheinungsbild stand sozusagen die ganze Kostümgeschichte Europas Pate, sie machte sich unabhängig von jedem – wie sie es empfunden hätte – Modernismus, schon gar von solchen Anmutungen wie den Reformkleidern der progressiven Frauen und Künstlerinnen. Es sei nicht vergessen, dass Wagner ein Theatermann war. Verkleidung und Kostümierung waren einfach ein Teil des Alltags für das Paar, ein Spiel. Etliche Kleider erhalten Namen, mit denen das Paar sich verständigt, Codeworte von vielleicht auch erotischen Situationen  : »Mein Parsifal-Kleid macht ihm Vergnügen  ; er meint, ich habe nie so gut ausgesehen […].« Ein paar Tage später  : »Ernste Stimmung, Sorge vor Gesichtsrose  ; um ein wenig Heiterkeit ihm zu verursachen, ziehe ich Scheherazade an, was ihn auch gut stimmt.« Was schon neun Monate zuvor geklappt hat  : »Die ›Scheherazade‹, die ich anhabe, macht R. Vergnügen […].« Wagner hatte das »Scheherazade«-Kleid bestellt und Cosima im Februar 1879 damit überrascht.

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Andere Gewänder heißen »Schwan« und »Maradscha«. »Du stehst da wie Walther von Stolzing«, kommentiert Wagner am 28. Januar 1879, als Cosima ihn unten an der Treppe im Ma(ha)radscha-Gewand erwartet  : »Du hast ganz meine Stimmung erraten.« Und einige Monate später, am 7. Mai 1879, notiert Cosima  : »Heute war wiederum Schwan-Tag  ; das schöne Gewand erfreut R., und mir bringt es die hehrsten Erinnerungen mit seinen Falten zurück  !« Wagner »hat es überaus gern, wenn ich neue Kleider anhabe«, und es ist anzunehmen, dass beide sich in der Begeisterung und der kenntnisreichen Einschätzung guter Stoffe und Schnitte fanden. An anderer Stelle schreibt sie über »viel Toilettennöte, R. findet, daß ich nicht genügend versehen bin  !« In Briefen an ihre Hamburger Freundin Toni Petersen erwähnt Cosima ihre »sehr schöne türkische Jacke, schwarz sammt mit Silber, was immer mutheingebend« und führt später aus  : »Meine Jacke ist in schwarzem Sammt mit Silber gestickt, weissem Pelz, und rothes Futter, und eine Weihnachtsgabe, sammt einem sehr europäischen chinesischen Schlafrock. Ich will alles recht schonen, um es Ihnen vorführen zu können.« Wagner lässt für sie einen »alten Fuchs-Pelz« mit schwarzem Samt überziehen und »schilt mich darüber, daß ich alles ableugnete, Kälte und alles«. Ein anderes Mal kommt es zu einer tiefen Verstimmung Wagners, weil ein Kleid, das er ihr zu Weihnachten gegeben, nach seiner Meinung Cosimas Gang, den er liebt, »verunstaltet«. Oder er schimpft, weil sie sich zu alt, »à la vieille«, angezogen habe. Er »will nicht zugeben, daß ich alt bin  !« Diese Selbsteinschätzung schreibt sie im Januar 1881, also mit 44 Jahren – während er schon 67 ist. Ihre Schwiegertochter Winifred Wagner berichtet aus dem Jahr 1914, als sie Cosima in Bayreuth kennenlernte, damals noch als begleitende Tochter von Adop­tivvater Karl Klindworth  : »Sie [war] mit ihren 77 Jahren immer noch eine hoheitsvolle und ehrfurchtgebietende Gestalt. Mit ihrer wohltönenden, etwas tiefen Stimme richtete sie bei Begrüßung und Verabschiedung immer noch einige freundliche Worte an mich.« Anzunehmen ist, dass Cosima im Umgang mit Garderobe und Selbstrepräsentanz Wagner weit überlegen gewesen ist. Was er lernen musste, sich an übrigens als unmännlich geltenden Kenntnissen über Garderoben aneignen musste, unterlag häufig dem Druck, »der Welt« einen anspruchsvollen, stolzen Künstler zu präsentieren. Seine Vorliebe für Anachronismen – wie die Renaissance-Samtkappe  – konnten ihn epochenübergreifend zeigen. Und ähnlich kann die Vorliebe Cosimas für feine, einmalige, hochwertige, ihr persönlich angepasste Kleider eine Unabhängigkeit von Alltag und Mühe kennzeichnen. Ihre Funktion als Künstlerfrau und Verwalterin der »Werkstatt Wagner« rechtfertigte eine solche

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Stilisierung und Präsentation als Schatz und Wert. Nicht die Besonderheit des Sonntagsstaats galt hier, wie sonst im Bürgertum gepflegt und üblich, sondern der Alltag der Besonderheit – Signal an alle, mit denen Cosima in der Arbeit und Planung verbunden war, aber eben auch als wechselseitiges Zeichen der Liebe und erotischen Hochschätzung beider Eheleute. Die Einzigartigkeit, die Feier der Außerordentlichkeit, niemand sonst wird ihnen darin gleichen. Und es ist anzunehmen, dass beide sich in ihrem Faible für schöne Stoffe, Spitzen, gut gemachte Faltenflüsse, in ausländischen Werkstätten eigens georderte feine Stickereien ähnlich und nah waren. So berichtet Cosima, »R. läßt sich eine Jacke ähnlich wie mein Négligé machen, was mich freut, er frug, ›ob es schicklich sei‹.« Die Kleidung Cosimas ist immer wieder zwischen beiden ein Thema, etwa, wenn Cosima den Preisvorschlag der Schneiderin zu hoch findet und Wagner dennoch gern bestellt. Cosima kommentiert  : »Ich muß dann sehr lachen und R. sagen, daß, da ich sein Genie nicht hätte, ich nicht seine Kühnheit haben dürfte  !« Und ebenso erinnert Wagner schon aus dem Jahre 1857 von einem gemeinsamen Bekannten die Charakterisierung Cosimas mit »Die hat Race.« Unfraglich war die Kleidung, das Sich-Schmücken ein häufiges Thema zwischen Cosima und Wagner. Mehr als vielleicht nach alten Rollenbildern üblich, mischte sich Wagner als Mann in die Kleiderfragen seiner Frau mit Wünschen ein. Er liebte es, kostbare und aufwendig gestaltete Gewänder zu ordern und Cosima damit zu überraschen. Sie probiert Kleider »unter R.’s Oberaufsicht.« Er bestellt für sie eine Friseurin »und will mein blondes Haar nach vorne kommen lassen  ; ich wollte gern bis dahin mein graues tragen, nun er aber es so will, so macht es mir auch Freude  ; er will einen Apollon-Knoten mir machen, will vorher Kupferstiche nach der Antike sich ansehen  !« Ein gemeinsames Zeremoniell, ein Spiel. Auffällig dabei die große, begeisterte Anteilnahme, zum Teil sogar Regie von Wagner. Was Cosima zu welchem Anlass trägt, beschäftigt beide immer wieder. Häufig lässt er Gewänder, Festliches direkt für Cosima anfertigen und überrascht sie damit, bringt aber eben auch seinen Geschmack, seinen Wunsch nach Schönheit zum Ausdruck. Auf einer dem Tagebuch beiliegenden Aquarellzeichnung vermerkt Cosima  : »Japanisches Negligé von Richard mir geschenkt/ Weihnachten 1877«. Und über ihren 41. Geburtstag schreibt sie  : »Die Gaben, welche R. in meiner Stube aufgebaut  : der Maradscha – der Schwanen-Anzug – die Roxane – der Schmelzanzug, die Jardinière, fünf an der Zahl, eines schöner als das andere. Einen Fächer aus Adlerflaum […] – seidene Strümpfe – Schuhe zu jedem Anzug, alles von ihm bestellt, bedacht, besorgt  !« Im Jahr darauf, wie-

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Charakteristisches Außen

derum am Ende ihres Geburtstags und der Festgesellschaft  : »Das weiße Kleid, welches R. mir gegeben, um welches er eine völlige Korrespondenz geführt, macht ihm Freude …« Sie wählt gezielt von Wagner geliebte Kleidung aus, um ihn – in verschiedenster Form – in gute Laune zu versetzen  : »[…] und wie ich zu ihm komme, um ihn zu befragen, ob er heiter und wohl genug sei, daß ich mein Parsifal-Kleid anzöge, bejaht er es und wünscht es.« So schön, wie sie nur könne, habe sie das Scheherazade-Gewand angezogen, und wieder einen Geburtstag weiter findet sie »den herrlichen Granat-Samt-Anzug, den R. seit Monaten, wie ich erfahre, [vor]bereitet  !« Die kostbaren Kleidungsstücke, um nicht zu sagen Verkleidungen, waren ein Teil der ehelichen Intimität, des jeweils neuen Ringens um Cosima. Sie wird geschmückt und damit geehrt, das ehrt aber ebenso denjenigen, der schmückt. Dass Wagner mit Cosima eine außerordentlich elegante, geschmackssichere und in ihren Roben selbstbewusst auftretende Frau an seiner Seite hatte, machte ihn stolz. Über einen Besuch der Walküre in Berlin, mit der Wagner nicht zufrieden war, kann Cosima aber vermerken  : »R. war mit meinem Aussehen zufrieden, fand das Haar recht gemacht.«

13  Cosima und Richard Wagner, am 1. Februar 1874 fotografiert von ihrem Bayreuther Freund und Mitarbeiter Adolf von Groß  : Das Festspielhaus wird gebaut, sie sind jetzt ein Ehe- und Unternehmerpaar.

14. Weiblich – männlich

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n etlichen Notizen zu Gesprächen lässt sich ablesen, dass Cosima und Wagner durchaus jenseits des damaligen Mainstreams über das Männliche und Weibliche nachdachten. Er gäbe grundsätzlich dem Weiblichen gegenüber dem Männlichen den Vorzug, äußert Wagner im November 1882, »der Mann muß sich immer so stellen, als empfände er nichts, muß die Wärme vermeiden, und da ist es nichts.« Und Cosima liebt an ihrem Mann auch das weibliche Element  : »Ich denke, wie bei R. sein Wesen wie seine Werke aus größter Stärke und Zartheit bestehen  ; Mund, Ohr, Haut so fein und zart wie die einer Frau, Knochen-Gerüst stämmig, ja knorrig.« Zwischen dem zum Teil sehr strengen und konventionellen Bild nach außen wussten beide gut zu unterscheiden in ihrem privaten und weitaus spielerischeren Umgang mit der Geschlechterzuordnung. Bei seinem Aufenthalt in Paris, wo er Cosima 1853 zum ersten Mal gesehen hatte, sei Cosima »eigentlich der Tristan gewesen« und, wie er in der Rückschau noch hinzufügt, der Tristan, »der nichts gemerkt hatte.« Er spielt damit auf die Eigenschaften seines Helden an, der – anders als die wissende Isolde – nicht von seiner Geschichte weiß. Cosima hatte bei dieser Begegnung, bei der sie erst fünfzehn Jahre alt war, nach allgemeinem Eindruck still, sehr beeindruckt, aber unbeachtet der Musikerrunde von Liszt und Wagner beigewohnt. Wagner zieht mit seinem Tristan-Vergleich nun eine Entwicklungslinie eines frühen und unwissenden Begehrens von Seiten Cosimas. Immer wieder wählte Wagner im Scherz männliche Bilder für seine Frau. »Bei Rollwenzel eingekehrt, R. mußte lachen, mich da zu sehen, und rief immer  : ›Der verwunschene Prinz, der verwunschene Prinz.‹« Erstaunlich ist, wie offen und vertrauensvoll sie in Gesprächen Selbstbeobachtungen austauschen. Cosima berichtet  : »Er sagte neulich, daß seine Heftigkeit ihm gegeben worden sei, um seine Weichheit zu kompensieren. Bis zur Feigheit scheue er davor zurück, jemandem etwas Hartes zu sagen.« Es scheint, als sei sich Wagner sehr klar darüber gewesen, dass die soziale Rolle den Männern viel Verstellung und Scheingebaren abverlangt  : »[…] die Männer sind elende Soldaten, die Frauen repräsentieren noch das einzige, woran man sich wenden kann in idealen Sachen  ; wenn man da nur auf Leder trifft, ist es entsetzlich«, umschreibt er sein Verständnis für Männer. Sich zusammennehmen, der Weisung folgen, ent-individualisiert im engeren Verständnis durch die Uniform, im weiteren Verständnis durch die Rolle, das gesellschaftliche Muss, das zu Defiziten führt.

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Wichtig und vielleicht einer der Schlüssel zum Glück dieser Verbindung war auch das Gefühl, jenseits der konventionellen Geschlechtergrenzen zueinander zu gehören. Dazu zählen beide besonders die »Gleichheit der Intelligenz« zur Bedingung »einer guten »Ehe«, »ja überhaupt zum Verkehr, viel eher als die Gleichheit der Charaktere, die selbst gar nicht gut sei.« Und in Bezug auf andere, mit ihnen befreundete und sehr gemochte Frauen wie Marie Muchanoff-Kalergis zum Beispiel äußert Wagner  : »Ich kann eigentlich mit keiner Frau sprechen, jetzt könnte man sagen, du habest mich verwöhnt […].« Will heißen  : Du bist die Einzige, die zu mir passt, die Einzige, die mir gewachsen ist – und auch das, die Einzige, der ich mich gewachsen fühle. Konstituens der Möglichkeit für Cosima, mit diesem Mann eine Verbindung einzugehen, war die Akzeptanz, die sie – endlich – erfuhr, die vielen phantasievollen, gut gelaunten bis übermütigen, aber auch hilfesuchenden Signale von Wagner, dass er sich beschenkt fühlt mit ihrer Gegenwart, die große Herausforderung, mit einem so schwierigen Menschen den Alltag zu leben und gleichzeitig zu beobachten, dass auch Wagner mit seiner Rolle rang. Dass Frauen- und Männerrollen nicht fixiert sein müssten oder sollten, gehörte zum Erfahrungswissen von Cosima und Wagner, aber eher zum stillen, in der Intimität der Zweisamkeit gelassenen Austausch. Jedes offene Aufbegehren wurde sozial sofort bestraft, derlei hatten beide genug erfahren und erfuhren sie noch in der breiten Ablehnung ihrer Verbindung und in dem Spott über ihre wirklich ungewöhnlichen Erscheinungen und ihr Tun. Da konnte der Stolz ein wenig heilen. Dass sie nach außen eher der Konvention als der Rebellion verbunden schien, mag an den Mahnungen ihrer Eltern gelegen haben. Wahrscheinlich kannte sie nicht einmal den Übermut und die spielerische Provokation, mit der ihre Eltern in deren jungen Jahren ihre Unabhängigkeit und vielleicht auch Arroganz und Überlegenheit gelebt hatten. Man fühlt sich erinnert an die Beschreibung der so bunten Reisegesellschaft von Marie d’Agoult, Liszt, George Sand und anderen, die im Jahre 1838 in Chamonix ein Hotel aufsuchte und bei der kaum mehr auszumachen gewesen sein soll, wer Frau oder Mann. In ihrem Urteil über das Gemälde Franz von Lenbachs von Wagner schreibt Cosima, in der Darstellung sei »alles scharf und schneidig, unbeugsam«, das gefalle ihr durchaus, »obgleich ich wohl weiß, daß man R. ganz anders noch geben könnte, wie ich ihn z. B. in Mannheim am Bahnhof wiedersah, leuchtend, verklärt und so süßen Ausdrucks  ; daß die Züge klein und zart erschienen  […].« Durchlässig die Grenzen der Geschlechterzuweisung, ganz selbstverständlich für beide, sich eher zu erkunden als zu fixieren. Entgegen der gängigen Zuweisung empfindet Wagner das meist männlich, rational, verhalten konnotierte Apollini-

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sche als Cosima zugehörig, während er der genießende, weichere, rauschhaftere Teil sei. Im selben Tagebucheintrag vom 3. Januar 1872 zitiert sie ihn  : »Mich nennt er seine Priesterin des Apollon, ich sei das apollinische, er das dionysische Element […].« Beide Prinzipien – Friedrich Nietzsches Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik erschien im gleichen Frühjahr 1872 – sieht Wagner als Ergänzung und sich bedingende Ganzheit. Laut Cosima ergänzt er  : »[…] wir hätten aber unseren Bund geschlossen, unseren Vertrag, daraus sei Fidi entsprungen  !« Dieser Sohn, der in seiner homosexuellen Existenz das angedeutete Weibliche dann mehr verstecken musste, als es seiner Neigung entsprach.

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hre Auffälligkeit, ihre Ausstrahlung wurde häufig mit Cosimas Blick in Verbindung gebracht, dem geraden Schauen auf ihr Gegenüber in den Gesprächen, dem plötzlichen Strahlen. Dieser Eindruck muss sich auch erhalten haben, obwohl Cosima fast ihr ganzes Leben lang mit ihren schlechten Augen zu kämpfen hatte. Schon in ihrer Kindheit musste sie zuweilen einen grünen Augenschirm tragen. Eine klare Diagnose gibt es nicht, es kann sich nicht nur um Kurzsichtigkeit und damit verbundene Überanstrengung gehandelt haben. Immer wieder berichtet sie darüber  : »Der Augenarzt war da meinetwegen, meine Augen sind so schwach«, schreibt sie am 12. November 1869. Da ist ihr fünftes und letztes Kind, der in Tribschen geborene Siegfried, schon fast sechs Monate alt. Sie selbst ist erst knapp 32. Im übernächsten Jahr, 1871, häufen sich ihre gesundheitlichen Sorgen, sie solle die geschwächten Augen schonen. Und drei Tage darauf  : »Meine Augen sind schwach, ich darf nicht lesen, noch schreiben, noch nähen.« Was heißt das konkret für den Alltag  ? Cosima erledigte normalerweise einen guten Teil der Post, ihr Mann verließ sich auf diese Entlastung, um den Kopf frei zu haben für die musikalische Arbeit  ; sie ist die Lehrerin ihrer Kinder, die Planerin der Reisen, die Zählerin des Geldes. Am 13. April 1871 schreibt sie  : »Mein Augenübel beschwert mich so sehr, daß ich ernstlich an Blindheit denke  ; wie diese zu tragen sei, nicht nur zu tragen, sondern lieb zu gewinnen als Buße, beschäftigt mich die Nacht über.« Und da ist sie wieder, die Denkfigur der Demut, das selbst Ermahnen zur Annahme dessen, was geschieht. Die Buße für die gewählte Liebe, für das Verlassen des ersten Mannes, für das Glück, das sie erlebt. Nach einem Besuch bei dem Augenarzt Dr. Ceccius in Leipzig nennt sie folgende Diagnose  : »[…] er findet, das Übel sei nervöser Art.« Sie kommentiert es nicht weiter. Nervöser Art  ? Wie gut wäre das vorstellbar, ein psychosomatischer Hintergrund, eine Schwachstelle des Körpers, die sich zu einem veritablen Hindernis im Tun steigert, sich selbst das Bein zu stellen, über das man stolpert. Wir wissen es nicht. War doch im 19. Jahrhundert und gern noch zumindest in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch Ärzte bei weiblichen Patienten die »Nervosität« die erste Wahl. Von der Hysterie gar nicht zu sprechen. Erkrankungen, Schmerzen, Leiden von Frauen wurden gern als nervöse Spannungen abgetan und damit aus der notwendigen Diagnose herausgenommen. Im Sommer 1871 jedenfalls kauft Cosima sich eine blaue Brille, »weiß aber nicht, ob ich sie gebrauchen werde.« In späteren Jahren werden viele Besucher sie an ihr erleben.

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Im Alter war dann immer wieder vom Augenschirm die Rede, der sie gegen zu helles Licht schützen sollte. Wer sich die Tagesabläufe in der Wagner-Familie vor Augen hält, trifft auf einen durchorganisierten Haushalt, in dem Cosima alle Fäden in ihrer Hand bündelte. Gleichzeitig hilft sie ihrem Mann ganz praktisch mit dem »Überziehen«, dem nachträglichen Ausschreiben der Kompositionsskizzen und Partituren mit Tinte – wenn, ja wenn die Augen es erlauben. »Ich muss leider meiner Augen wegen das Überziehen der Bleistift-Skizzen unterbrechen.« Wagner arbeitet am Parsifal. Die schmerzenden Augen, das Sehen, Beteiligtsein, Verantwortung täglich verlässlich tragen, die Verbindung zur allgemeinen Einschränkung bis zur Blockade wird von ihr beschrieben. »Meine kranken Augen zwingen mich zur Untätigkeit, immer mehr wende ich mich nach innen – und es ist mir zuweilen, als ob ich bald gar nicht mehr würde sprechen können.« Die Augen sind die Kontakte zur Welt, die Vorboten der Sprache. Mit dem nicht oder kaum sehen können geht eine Bedrohung einher, auch eine mögliche Vereinsamung, eine Isolation, deren Folge dann ein Verstummen sein mag. Cosima hat sich körperlich nicht geschont, hat in ihrer Sicht auf den genialen Mann, dessen Unterstützung sie als ihre Aufgabe und Buße sieht, nicht der eigenen Anstrengung Rechnung getragen. Beziehungsweise hat diese vielleicht gar nicht wahrgenommen in ihrem fast immer unbedingten Einsatz – in Zeiten der Übermüdung, der Schwangerschaften, der Reiseaufenthalte und unendlich vielen Soupers, Treffen, Ausflügen und dem Besuch von Opern- und Konzertaufführungen. Am 5. Mai 1871 notiert sie in Berlin  : »Übermüdung überfällt mich, ich werde zu Bett gebracht, Schwindel, Ohnmacht, weiß Gott was alles verhindern mich, mich anzukleiden  ; eine viertel Stunde vor dem Konzert, als R. absagen will, meinetwegen, raffe ich mich auf, werfe das Kleid über und fahre mit R. ins Konzert.« Wagner dirigierte das Konzert, das Kaiserpaar war anwesend. Ein solcher Einsatz als vorgeführte Begleiterin bedarf der ganzen Person, der ganzen Kraft. Es wird allgemein berichtet, wie souverän, wortgewandt und charmant Cosima dann diese Kontakte pflegen konnte, aber auch, mit all ihrer diplomatischen Erfahrung, differenzierte nach Stand und Sympathie. In einem Gespräch über diesen Abend äußerte Wagner gegenüber einer Freundin seiner Frau, wenn Cosima krank bliebe, »so dächte er nicht daran, das Konzert zu dirigieren.« Die Beunruhigung bei Wagner war, wenn Cosima gesundheitlich beeinträchtigt war, immer groß. Es ist nicht möglich zu wissen, wie oft Cosima Schwangerschaftsvermutungen anstellte. Sehr sparsam und dezent ist in ihren Tagebüchern immer wieder von »Un-

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14  Die Reisen Cosima Wagners waren auch Zeitungsberichte wert, wie ein Schnappschuss mit Tochter Eva aus dem italienischen Rapallo dokumentiert. Auffallend die große, ihre chronisch schwachen und kranken Augen schützende Brille (Die Woche 12/1912).

wohlsein und Besorgnissen« die Rede. Im Dezember 1870, Siegfried, ihr fünftes Kind, ist inzwischen anderthalb Jahre alt, vermutet sie eine Schwangerschaft und spricht am 6. Dezember mit Wagner darüber. »[…] er lächelt und empfindet keine Sorge für sich darüber, ich will gern alle Mühsale tragen und ohne Furcht in die rätselhafte Zukunft blicken.« Als sich am nächsten Tag herausstellt, dass sie sich geirrt hat, »ergreift ihn [das] zu Tränen, er hatte sich gefreut und meinte, das Schicksal wolle noch, daß ich einmal ohne Bangigkeit und mit ganzer Liebesfreude ein Kindchen zur Welt brächte.« Und ein weiteres Mal gibt es diese »Besorgnis« ein halbes Jahr später. »Ich teile Richard meinen üblen Zustand mit  ; er ist gut und himmlisch wie immer.« Müßig, über den Fortgang zu spekulieren. Ein weiteres Kind hat Cosima Wagner nicht bekommen. Ob sie regulierend in irgendeiner Form eingegriffen hat oder vielleicht sogar eine dann verschwiegene Fehlgeburt erleiden musste, ist spekulativ. Ihre Wertung als »üblen Zustand« kann dabei sowohl eine generelle Ablehnung signalisiert haben als auch die frühen Zeichen von Beeinträchtigung, die nichts über ihr Verhältnis zu einer Zukunft mit einem weiteren Kind aussagen müsste. Verhütung war zumindest in katholischem Verständnis verboten, zudem ein Risiko, kaum zugänglich, geflüstertes »Frauenwissen«. An Abtreibungen oder im Kindbett zu sterben, war Alltag und für Frauen so verängstigend wie real.

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Wir wissen wenig über die Geburten der beiden Bülow-Kinder. Die erste Niederkunft jedenfalls – Daniela, geboren am 12. Oktober 1860, eine Hausgeburt – hat die damals 22-jährige Cosima fast das Leben gekostet. Sie erkrankte schwer, ohne dass ihre Krankheit konkret benannt wurde. Ein »Ausbruch der Schwindsucht« sei befürchtet worden, und offenbar war mit männlicher Übermacht entschieden worden, was sie selbst anders wünschte  : »Sie wollte das Kind selbst stillen. Arzt, Gatte und Vater mußten es verbieten.« Was sich hinter einer solchen lapidaren und scheinbar nur sorgenden, nach eigener Einschätzung nicht übergriffigen Entscheidung als Kampf vorher abgespielt haben mag  ? Die Männerkonferenz zum Frauenwohl war üblich, und keiner der beteiligten Männer mag dies als falsche Bevormundung angesehen haben. Sie kann einem leidtun, die junge, geschwächte Frau im Kindbett, bestimmt nicht mit den besten Klarheiten über Schwangerschaft und Geburt versehen. Den Wunsch geäußert, die angebliche Sachkompetenz siegt. Was sollte sie schon tun dagegen  ? Der Tod ihres Bruders Daniel vor noch nicht einmal einem Jahr mag ein Übriges getan haben, warum um Cosimas Leben gebangt wurde. Am 24. November 1860, der Säugling ist sechs Wochen alt, wurde Daniela Senta nach Cosimas verstorbenem Bruder getauft. Großvater Liszt ist in Berlin anwesend und entscheidet deshalb mit  – sicherlich aus Sorge  –, dass Cosima ihre Tochter nicht stillen soll. Im nächsten Jahr wird sie zur Stärkung eine Kur in Reichenhall antreten. Auch auf Reisen berichtet sie immer wieder von gesundheitlichen Einschränkungen, zum Teil durch Menstruationsbeschwerden, die sie so gut als möglich zu kaschieren versucht. In London zeichnet sie am 19. Mai 1877 auf  : »Heute bin ich leidend und muß mir Gewalt antun, um das Konzert besuchen zu können.« In Bayreuth, am 13. Februar 1877, beim abendlichen Lesen  : »[…] ich muß aber bald mit der Lektüre anhalten, meines Kopfes wegen.« Und in Venedig, am 23.  Oktober 1880  : »Meine Neuralgien beginnen wieder, die dunkle, kalte Stube ungünstig, wir übersiedeln nach hinten über, und ich muß das Bett hüten.« Weitere Unpässlichkeiten, immer und überall  : »Nachmittags muß ich liegen«, »Ich bin leidend und kann nicht ausgehen«, »[…] mußte am Tag mich zu Bett legen, das gab R. Gelegenheit, seine ganze sorgliche Güte mir zu zeigen.« Wagner ist in der Regel voller Mitgefühl und guter Ratschläge. Gleichzeitig bringt ihn eine Krankheit oder Schwächung Cosimas so in Unruhe, dass meist nicht mehr an Arbeit zu denken ist. Cosima ist sich dessen sehr bewusst und versucht, den Fortgang ihres gemeinsamen Lebens und ihre Aufgaben darin so lang wie möglich aufrechtzuerhalten. Es ist aber nicht zu übersehen, dass sie häufig und in unterschiedlichster Weise Rücksichtnahme braucht. Anders hingegen, wie eine angenehme Ehe-Intimität, schreibt sie  : »Ich liebe die Tage des Unwohlseins  ; wir

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speisen zu zweit, und es ist dann wie ein kleines Fest immer – wir tranken gestern auf den 2ten Akt [Parsifal]  !« Immer wieder zweifelt sie an ihrem Verstand. »Ich hatte eine ganz schlimme Nacht, in welcher ich glaubte, es sei um meinen Kopf geschehen  ; die Gedanken verwirrten sich mir in der Schlaflosigkeit, und es war mir, als ob ich durchaus in eine Anstalt gebracht werden müßte. Seltsamer Zustand  !« Und an anderer Stelle  : »Bange Nacht  ; deren Not sich so steigert, daß ich beinahe den Wahnsinn befürchte.« Cosimas Mutter, die Comtesse d’Agoult, litt zeitweise unter großen Verwirrtheitszuständen und wurde in entsprechende Hospitäler eingeliefert. Cosima war häufig in besorgten Korrespondenzen darüber – immer aus der Ferne, aber sich ängstigend. Weiterhin zeugen solche Selbstbeobachtungen auch von großer Einsamkeit. Davon, sich nicht spontan an einen vertrauten Menschen wenden zu können, der den Ausnahmezustand mit trägt und tröstet. Es scheint, als habe Cosima zunächst immer die Dinge mit sich allein ausmachen wollen, als habe sie sich abverlangt, diese Leistung erbringen zu müssen, um Wagner nicht zu behelligen. Wahrscheinlich hat Wagner dies so nie verlangt, aber auf Störungen generell so nervös reagiert, dass sich Cosimas grundsätzlich angelegte Neigung, niemanden beunruhigen zu wollen, sich als nicht lästig zu zeigen, also sich die Liebe nicht zu verscherzen, mit dieser Erfahrung von Wagners Empfindlichkeit bestens vertrug. Und selbstverständlich sind ihre fünf Geburten alle Hausgeburten. Es kommen Pflegerinnen, sie plant das Wochenbett. Die letzte Schwangerschaft mit dem Sohn Siegfried ist von ihr ziemlich genau beschrieben, in all ihrer Ambivalenz. Sie ist auf dem Papier noch verheiratet mit Hans von Bülow und hat ihn um Scheidung gebeten. Sie wird hier in Tribschen aber ihr nun drittes Wagner-­ Kind zur Welt bringen. Alle drei gelten juristisch zunächst als Bülow-Kinder, denn ihre erste Ehe wird erst ein Jahr nach Siegfrieds Geburt geschieden. Eine beschämende Situation. So durchlebt sie die Schwangerschaft voller Unruhe, mit vielen Ängsten. Im Januar 1869 beginnt sie ihr Tagebuch, schwanger im dritten Monat. Die beiden Bülow-Töchter Daniela und Blandine musste sie bei deren Vater in München lassen. Es ist vorzustellen, wie groß die seelische und körperliche Belastung war. Sie überlegt, ob sie überhaupt fortzieht und »nur euch, Kinder, noch leben wollte und könnte.« Und sie denkt voller Sorge an Bülow, »sein Leben aber, sein Schicksal stellte sich mir vor, ohnmächtig fiel ich zusammen.« Tags darauf  : »Sehr leidend, vor Schwäche weinend, muß ich mich mit Gewalt zusammennehmen, um nur zu Tisch gehen zu können.« Sie wird »plötzlich unwohl und muß ihm

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Sorge machen«, sie ist »leidend und muß mit Fieber bald zu Bett gehen«, sie ist »sehr leidend und muß liegen. […] Ich bin ganz hinfällig.« Und zwei Tage später  : »R. ist sehr besorgt um mich und ich muß ihm erzählen, wie schlimm sich andre Frauen in meinem Zustand häufig befinden, damit er sich beruhige.« Wenig später besprechen beide ihre Lage und ihren Zustand und beschließen, eine »Wärterin von auswärts« zu berufen. Cosima – sie ist erst 32 Jahre alt  ! – erschrickt bisweilen über ihr Aussehen, sieht fast schon ihr Ende nahen und findet sich schließlich gealtert. Fast einen Monat später schreibt sie  : »Vom vielen Weinen ist mir ein Ohrensausen geblieben, das mich peinigt und auch etwas beängstigt.« Drei Tage vor der Entbindung schließlich scheint ihr Zustand sehr bedenklich gewesen zu sein. »R. kommt an mein Bett und frägt mich, ob ich denn leben, ob ich zugrunde gehen werde  ; er ginge mir nach, das müßte ich wissen.« Wagner ist, ganz anders als Bülow, vor und nach der Geburt seiner Kinder unentwegt um Cosima, umsorgt sie, liest ihr vor, versucht, ihr Geborgenheit zu vermitteln. Als der junge Freund Friedrich Nietzsche sich ausgerechnet jetzt in Tribschen zum Besuch ansagt, möchte Wagner ihn wegschicken. Der eher gehemmte Jungprofessor aus Basel ist Wagner und insbesondere Cosima glücklich ergeben und unterstützt, wo er kann. Die wechselseitige Freundschaft, die später in Feindschaft und Distanzierung seitens Nietzsches umschlagen wird, ist da gerade im Entstehen. Und Cosima wünscht, dass er bleibt. Da ist es einen Tag vor der Geburt. »Aus dem Zustand der Betäubung komme ich immer noch nicht heraus, wie ein weites fernes Echo vernehme ich alles, und wie im Nebel zerfließen mir die Dinge.« Die Vorfreude der Schwangerschaft auf das gemeinsame Kind ist überschattet und kann nicht in Unbefangenheit und Entspanntheit von Cosima und Wagner durchlebt werden. Nebeneinander sind bei Cosima zu erkennen der Wunsch, die wichtigen äußeren Ereignisse im Tagebuch festzuhalten – zum Beispiel  : »Heute ist Meistersinger-Tag  ; sie werden in Dresden aufgeführt und Richard weckt mich auch mit den Themen aus dem himmlischen Werk« –, und die gleichzeitige Sorge, was mit den beiden großen Kindern werden wird. Sie weiß nicht, ob Bülow sie je wieder zu ihr und Wagner lassen wird. »Noch immer weiß ich nicht, ob ich die Kinder wiedersehe  !« Sie ist gleichermaßen in Glück und Unglück. Sie weiß um ihren schlechten Zustand  : »Ich bin immer unwohl, und ob ich es mir auch mit Gewalt verbergen will, ich muß nachgeben.« Als beide großen Mädchen endlich doch in Tribschen angekommen sind, wünscht Cosima mit Rücksicht auf deren Erleben und mit Rücksicht »auf Hans«, dass sie das Kind außerhalb des Tribschener Hauses bekommt. Ihr Wochenbett will sie »fern von hier und geheim halten, der älteren Kinder wegen« und löst bei Wagner großen Widerstand aus – »er sieht darin eine Demütigung für sich und ist sehr

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erbittert.« Noch im Mai besteht Cosima darauf, das Kind an einem anderen, »neutraleren« und damit Bülow nicht so kränkenden Ort zur Welt zu bringen. Letztlich aber wird alles in Tribschen geschehen. Und Wagner verfolgt mit einer Art ingrimmiger Sorge den geschwächten Zustand seiner Lebensgefährtin  : »R. sagte mir auch am Morgen, es sähe aus, als ob ich meinen Tod erwarte und nun mich nur nach allen Seiten hinopfern wollte.« Eine kleine Aggression klingt da durch, eine Enttäuschung, dass sie nicht – wie er es vielleicht könnte – auch innerlich alle Fäden zur Vergangenheit schon gekappt hat. Welch ein Anliegen  ! Nach der Geburt Siegfrieds vermerkt Wagner, der die Tagebuch-Einträge schon zuvor zeitweilig übernommen hatte, in Ich-Form für Cosima  : »Ich litt an diesem Tage sehr viel  : die Schmerzen der Nachwehen waren bedeutend stärker als bei Eva’s Geburt.« Es ist eine geschwächte Cosima, die hier beschrieben wird, sie ist ungeduldig mit sich und ihrem Körper. Sie versucht, die selbst auferlegten Pflichten wahrzunehmen  : »Immer zu Bett und schwach, doch mit den Kindern gearbeitet.« Und stets schaut sie mehr auf Wagners Wohlergehen als auf sich  : »Wollte früh aufstehen, da kam wieder eine starke Blutung, ich mußte liegen zur großen Bestürzung R.’s, der, wohlgemut aufgestanden, sich bald elend befand.« Wagner findet sich gern und eifrig in seine Vater-Rolle hinein, er möchte der einzige Tröster – und Bestimmer  ? – im Leben Cosimas sein. Für Cosima ist diese Zeit von einer großen Zerrissenheit gekennzeichnet, die sie ihr Leben lang nicht wirklich verlassen wird. Sie fürchtet, sich in der Schuld gegenüber Bülow und ihrer Aufgabe gegenüber Wagner zu verlieren  : Alle ihre Handlungen erscheinen ihr »zweifelhaft, ich frage mich, ob ich nicht das Unmögliche gewollt und dadurch und dafür das Unrechte getan, und Tränen sind mein einziger Trost, da ich nicht tätig sein kann.« Bleibt anzumerken, dass Cosima immer wieder Erkrankungen beziehungsweise vorübergehende körperliche Übel erwähnt, die mit Überforderung in Verbindung gebracht werden könnten  : »ungemeine Müdigkeit«, »Stimme verloren«, einen »Rückfall gehabt, die Mandeln sind entzündet«, »ich wollte gern zum Abendmahl gehen, allein mein Fuß verhindert mich daran«. All dies sehr ungern und immer mit dem Versuch, das Familienprogramm dennoch aufrechtzuerhalten, also Bescherung eines Geburtstags-Kindes vom Bett aus, also Gesellschaften erst spät abgesagt oder Wagner immer dazu ermuntert, Termine ohne sie wahrzunehmen, was dieser ausgesprochen ungern tat. An der Bereitschaft, ständig über die eigenen Kräfte zu gehen und, wo es sich dann einschränkend zeigt, dies auch am liebsten nicht wahrzuhaben oder nur dem Tagebuch anzuvertrauen, ist ein Eigenanspruch erkennbar, unbedingt leistungsfähig zu bleiben, die Fürsorge anderer keinesfalls durch eigene Schwäche heranzuziehen.

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osima war eine Schreiberin. Ihr ganzes Leben lang. Vielleicht durch die Eltern in der Ferne, aber auch als Teil ihrer Erziehung wurde erstmal nur das Briefeschreiben zur ersten selbstverständlichen Möglichkeit, sich mitzuteilen. Die Vorgaben waren zunächst eng und konventionell, aber diese Form der notierten Gedankenfindung bot doch früh die Chance, die Phantasie und die Wünsche immerhin zu formulieren, manchmal im Geheimen. Das Briefe-Schreiben ist, wie später das Tagebuch-Schreiben, vor allem die Literatur der Frauen. Die eher »private« Äußerung, das Persönliche, das keinen Anspruch auf Deutungsmacht und Allgemeingültigkeit erheben soll. Das sprachliche und literarische Talent der Frauen blieb häufig verbannt im sogenannten Dilettantismus. Ein Herabsetzungs-Wort, das später auch gern Cosima entgegengeschmettert wurde, ein Verachtungs-Wort, entmutigend, ausschließend, von der Männerwelt der Professionalität oft leichtfertig, zuweilen aggressiv in Richtung Frauen über ihre Literatur, ihre künstlerische Produktion ausgesprochen – ein Wort, das das Eigenbild der Frauen selbst vergiften konnte. Den Erzieherinnen fiel früh Cosimas bunte Phantasie auf, die sie nicht unbedingt förderungswürdig fanden für ein junges Mädchen. So hat Cosima 1855 eine komische Theaterszene verfasst, die einen Konflikt zwischen ihrer strengen Gouvernante Madame Patersi, deren älteren Schwester Madame de SaintMars und einem Polizisten unter Beteiligung der Concierge des Hauses aufgreift. Beide Mädchen, Cosima und Blandine, sind ebenfalls als »Rollen« dabei, dazu Regieanweisungen für dieses kleine Stück mit dem Titel Scène de la Vie intime. Hier ein Auszug  : Die Portiersfrau tritt ab, während Cosima und Blandine sich in ihrem Zimmer ankleiden  : Cosima  : Das ist ein Scherz  ; was wirft man uns vor  ? […] Blandine  : So warte doch  ! […] Das Gespräch wird durch das Erscheinen des Polizisten unterbrochen  : Mme des StMars (huldvoll zum Polizisten)  : Welcher Teufel hat Sie geritten, uns einen morgendlichen Besuch abzustatten  ? Der Polizist (ruhig)  : Ich bin gekommen, weil ein nasser Lappen aus dem vierten Stock gefallen ist.

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Mme de StMars  : Sie irren sich. Wer, meinen Sie, hätte ihn fallen lassen  ? Das Dienstmädchen ist fort, und die Demoiselles kleiden sich in ihrem Zimmer an. […] Mme Patersi  : Monsieur, ich besitze keinen nassen Lappen, da ich zum Waschen einen Schwamm benutze. Der Polizist (ganz ruhig)  : Ich weiß nicht, zu welchem Zweck der Lappen verwendet wurde, ich weiß nur, dass er heruntergefallen ist. Mme Patersi  : Ich schwöre Ihnen bei Gott, beim Evangelium, Monsieur, bei allem, was heilig ist, Monsieur, ich habe den Lappen nicht fallen lassen. Der Polizist  : Sie können schwören, soviel Sie wollen.

Ob diese Szene sich tatsächlich so oder ähnlich zugetragen haben könnte, spielt keine Rolle. Interessant daran ist, wie Cosima sich hier in der literarischen Form übt, nämlich ein Vorkommnis aus insgesamt sechs unterschiedlichen Perspektiven zu schildern, in wörtlicher Rede und nicht ohne Witz. Als sie dies schreibt, ist sie immerhin schon siebzehn Jahre alt und im September desselben Jahres wird sie nach Berlin geschickt werden, in den Haushalt der Bülows, um, nach Liszts Willen, von der Pariser Mutter entfernt zu werden und außerdem eine erweiterte Erziehung zu genießen. Das Szenische, die lebhafte Sprache, das Dramatische wird spätestens in Berlin zu Cosimas Leidenschaft. Sie wird mit ihrem Mann, mit Freundinnen, mit ihrem Vater, wo immer sich die Gelegenheit bietet, ins Theater gehen. Sie liest, sie beobachtet, sie teilt in Briefen ihre Eindrücke mit. Sie reist, um den berühmten Schauspieler Bogumil Dawison in seinen Shakespeare-Interpretationen zu bewundern – sogar nach Prag, nach Weimar und Gotha. Über einen seiner Hamlet-Abende schreibt sie zunächst enttäuscht, findet ihn erst manieriert und übertrieben spielend. »Danach war seine Mimik hervorragend, als er aus dem Mund seines Vaters vom Verbrechen seiner Mutter erfuhr, auf die Knie gesunken, und sein Schwert wie ein Crucifix haltend, schluchzte er so herzzerreißend, dass mir war, als wäre ich für seine Pein mitverantwortlich gewesen. Man spürte, wie seine Jugend zerstört, getödtet wurde und niemals zurückkehren würde  […].« Sie schildert genau die Wandlungen und Stilmittel des Spiels und reflektiert deren Wirkung auf sich, unabhängig von der allgemeinen Reaktion  : »Manchmal schimmerte durch seine Handlungen eine traurige Einsamkeit, und ich weinte drei- oder viermal, während das ganze Publikum lachte.« Es fällt der 22-jährigen Cosima leicht, die Details des Bühnengeschehens minutiös zu schildern und zu werten. Sie ist gleichermaßen ernsthaft und begeistert dabei. Es hätte in anderen Zeiten wohl auch eine versierte Kritikerin aus ihr werden können.

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Cosima hat zudem den Vorteil, die Literatur, die sie in deutscher Sprache auf den Bühnen erlebt, ins Französische übersetzen zu können. Das wird für sie zunehmend zu einer nahezu tagesfüllenden schriftstellerischen Tätigkeit. Cosima hat ja auch eine Mutter, deren Bekanntheit, Ruhm und Wehe zu guten Teilen auf der eigenen publizistischen Arbeit beruhen. Es ist für sie nichts Anstößiges, gar Verbotenes oder Lächerliches, als Frau schreibend tätig zu sein und dies so wert zu befinden, dass das Geschriebene veröffentlicht und gedruckt werden soll. So sucht sie den Kontakt mit französischen Zeitschriften, die über Wissenschaft, Geschichte, Politik und Kultur Deutschlands berichten und wird für einige Jahre zu einer sehr aktiven Mitarbeiterin. Für die Revue germanique übersetzt sie 1858 zum Beispiel das sehr erfolgreiche Stück Maria Magdalena von Friedrich Hebbel. Es wären sicher viele Theaterstücke in Frage gekommen. Sie wählt die naturalistische Tragödie über eine schwangere, ledige, junge Frau, die keinerlei Unterstützung durch ihre Umwelt erfährt und sich das Leben nimmt. Die Stücke Hebbels enthielten immer eine soziale Anklage und beunruhigten durch ihre Genauigkeit und ihr Verständnis für das Schicksal der Frauen. Cosima übernimmt in den Jahren 1860 bis 1862 zeitweise redaktionelle Verantwortung für verschiedene Ausgaben der Revue germanique, für den Courrier litteraire et scientifique, den Courrier de Berlin und den Courrier d’Allemagne. Sie übersetzt das später auch vertonte Theaterstück Die Fabier von Gustav Freytag, in dem ihre Freundin Ellen Franz eine Hauptrolle spielt. Nicht alle von ihr eingesandten französischen Texte werden gedruckt, Cosima kümmert sich weniger um die konkrete Publizierung als darum, das, was ihr wichtig und kostbar scheint, ins Französische zu übertragen. So empfiehlt sie den noch unveröffentlichten Text »Fichte’s politisches Vermächtnis und die neueste Gegenwart« von Ferdinand Lassalle zur Übersetzung. Es ist eher auszuschließen, dass Cosima Lassalles politische Ziele teilte, offenbar aber hielt sie sie für diskussionswürdig und wollte zu diesem Austausch beitragen. Die Kontakte des jungen Bülow-Paars zum literarischen und politischen Berlin wurden fast väterlich begleitet von Karl August Varnhagen von Ense, Witwer von Rahel Varnhagen, der bekannten Salonniere. Varnhagen von Ense war wegen seines scharfen Blicks und seiner Erfahrungen als Diplomat geschätzt und gefürchtet. Cosima veröffentlichte nach seinem Tod 1858 in der Revue germanique etliche Briefe von ihm, und schließlich in drei Teilen eine zusammenfassende Darstellung seiner umstrittenen Tagebücher. Mit ihren journalistisch-literarischen Arbeiten befand sich Cosima inmitten der gesellschaftlichen Debatten.

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Ein fast herzliches Verhältnis entwickelte sie zu dem damals sehr bekannten Arzt, Schriftsteller und Romancier Alfred Meißner, der ihr privat über den Tod seiner Mutter schrieb und den sie in langen Briefen zu trösten versuchte. Meißners Jesuiten-Roman Zur Ehre Gottes übersetzt sie ebenfalls für die Revue germanique, wobei ihre lateinische Titelfindung Ad majorem Dei Gloriam bei Verleger Charles Dollfus zunächst auf Ablehnung stößt. Sie schreibt 1860 an Meißner  : »Ich habe ein Vergnügen daran, mich mit Ihrem Werke, das ich scharmant finde, vertraut zu machen. Ich habe ferner das Vergnügen, mich sowohl im Deutschen wie im Französischen zu üben. Das erscheint mir das wichtigste. Die Publikation ist mir gleichgültig, ausgenommen das eine, daß ich bestrebt bin, die Franzosen so gut wie möglich auf dem Laufenden zu halten über alles, was diesseits des Rheines geschieht.« Und wegen des Umfangs merkt sie fast kokett an  : »Sechs Bände von einem Roman, das ist für uns Frauen, die doch nur kleine Einfälle haben, gewissermaßen erschreckend.« Cosima beteiligt sich mit diesen französisch-deutschen Beiträgen bis 1862 redaktionell. Sie hat inzwischen ihre erste Tochter Daniela bekommen, führt ein sehr anregendes, aber auch anstrengendes Leben. Neben diesen Texten entstehen viele engagierte, erzählende private Briefe, die in ihrer Gesamtheit ein sehr plastisches und genaues Bild ihrer Berliner Gegenwart zeichnen. Cosima ist damit das Beispiel einer begabten und gebildeten, mit ihren Themen auch mutigen Frau, die die schreibende Tätigkeit als Korrespondentin und Übersetzerin selbstbewusst wahrnahm – und so lange ausübte, wie es die gesellschaftliche Reputation und ihre private Lage zuließen. Zu Beginn des Jahres 1861 hatte Cosima sogar das Nibelungen-Manuskript von Hebbel einsehen können. Zu einer Übersetzung ist es allerdings nicht mehr gekommen. Das wäre eine schöne Koinzidenz geworden mit den Plänen ihres späteren Mannes Wagner  ! Letzteren wird sie ein halbes Jahr später in Reichenhall wiedersehen. In ihrem weiteren Leben verzichtet Cosima auf eigene gedruckte, für die Öffentlichkeit bestimmte Beiträge ganz. Sie tritt nicht in Konkurrenz zu ihrem schreibenden Gefährten Wagner, zu den Musik- und Theaterrezensenten, die reichlich und kritisch die Arbeit Wagners und Liszts begleiten. Sie befindet sich in ihrer privaten Situation jetzt auf der anderen Seite, nämlich auf der Helferinnenseite, bekommt die politischen Texte und Memoiren des Mannes nun diktiert und schreibt sie auf, liest seine Briefe gegen, führt die Verhandlungen mit Verlagen über seine Publikationen  – die unterstützende und in der Sache kundige Ehefrau. Aber Cosima hat dennoch auf ihre private Weise geradezu besessen weiter geschrieben. Hat ganze Bände mit ihrer Korrespondenz gefüllt, realisiert täglich

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15  Insgesamt 21 Hefte umfassen die Tagebuch-Notizen Cosimas, die sie ab 1. Januar 1869 als Lebensbericht für ihre Kinder aufschrieb und mit Wagners Tod im Februar 1883 beendete. Hier die allererste Seite.

ein uns heute unvorstellbares Pensum an ausführlichsten Alltagsbeschreibungen, praktischen Bitten, Lektüreeindrücken, Reiseberichten, Kinderbeobachtungen, Gesprächsprotokollen, Erwägungen zu ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit sowie zu philosophischen Lebensfragen. Sie hat dabei darauf verzichtet, diese Leistung als solche zu betonen. Schreiben war aber ein essentieller Be-

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standteil ihres Lebens, in dem sie sich anderen zeigen und gleichzeitig im Selbstgespräch bleiben konnte. Ihre Tagebücher über das Leben mit Wagner sind nach ihrem Tod die bekannteste Veröffentlichung Cosimas geworden. Sie habe diese Texte für ihre Kinder geschrieben, betonte sie immer, und wir wissen nicht, ob ihr die so breit aufgenommene Rezeption der Tagebücher peinlich gewesen wäre oder ob sie nicht doch ein bisschen Genugtuung über diesen ihren Erfolg empfinden würde.

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icht nur durch den Freigeist ihrer Mutter, sondern auch durch die Begegnungen mit Frauen ihrer Generation hatte Cosima Berührung mit frauenpolitischen Rebellinnen. Und es hat den Anschein, als ob sie in den Berliner Jahren zu einer selbstbewussten Eigenständigkeit gefunden hat, selbst wenn sie dies nie als emanzipatorischen Schritt empfunden und bezeichnet hätte. Den Begriff der »Frauenemanzipation« verwendet Cosima nie in Bezug auf sich selbst. Sie sieht sich, etwa durch das Wahlverbot für Frauen oder deren Ausschluss aus Akademien und Universitäten, nicht als gesellschaftlich benachteiligt oder zu politischen Befreiungsschritten genötigt. So faktisch selbstständig und unabhängig Cosima in den späteren Jahren ihres Lebens nach außen handelte, für die frühen Jahre gilt, dass sie noch von sehr vielen Seiten gemaßregelt, erzogen, behindert, ermahnt, eben domestiziert wurde und sich diesen Ansinnen mit ihren Mitteln widersetzte. Ihr Temperament war eben nicht ihr »Feind«, wie Wagner einmal vermutete, sondern eine Gabe, ein Ventil, das sie glücklicherweise besaß. Die klassische Bühne gebildeter Frauen, die ihr Wissen, so wie Cosima im Internat oder mit ihren Erzieherinnen, stets über private Ausbildungen erwarben, diese klassische Bühne weiblicher Selbstdarstellung war der bürgerliche Salon, wie ihn Cosima in Berlin gern besuchte und nutzte. »Frau von B.[ülow] sah aber in der That verführerisch hübsch aus in dem leichten, schneeweißen Kleide, das lose und nachlässig ihre sehr schlanke Gestalt sehr vorteilhaft mehr verhüllte als hervorhob, mit den üppigen blonden Flechten und den klaren tiefen, magnetischen Augen  ; sonderbar, wie verschieden die Frauen über sie urtheilen  ; während die Gräfin [Hatzfeld-Trachenberg] und Frau Friedland, nach ihrer eigenen Aussage betroffen waren von der Häßlichkeit ihrer Züge, konnte Frl. Tendering die Blicke nicht losmachen von dem fesselnden Reiz derselben.« So genau wird Cosimas Wirkung im Sommer 1859 protokolliert von Hedwig Dohm, berüchtigt und respektiert für ihre Frechheit und ihr eigenständiges Urteil als frühe Feministin. Sie war selbst eine sehr schöne und elegante Frau, wie viele eindrucksvolle Fotos der Schriftstellerin zeigen, die von 1831 bis 1919 lebte. Eine ihrer Töchter war die spätere Hedwig Pringsheim, Mutter von Katia Mann und Schwiegermutter von Thomas Mann. Hedwig Dohm schrieb und veröffentlichte energisch und ironisch zur Lage der Frauen  : »Man kommt sich auf dem Gebiete der Frauenfrage immer wie ein Wiederkäuer vor. Es gibt keine

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Freiheit der Männer, wenn es nicht eine Freiheit der Frauen gibt. Wenn eine Frau ihren Willen nicht zur Geltung bringen darf, warum soll es der Mann dürfen  ?« Es ist nicht davon auszugehen, dass Cosima diese Sicht auf die Situation der Frauen in der politischen Debatte teilte. Gleichwohl muss es eine Ebene des Einverständnisses gegeben haben, die den freundschaftlichen und interessierten Umgang miteinander erlaubte. Die organisierte Frauenbewegung, spätestens seit 1865 in Deutschland heftig auf dem Weg mit Gründungen von Vereinen, engagierten Publikationen und vielen vielen öffentlich zugänglichen Veranstaltungen, war für Cosima ganz außerhalb ihrer Wahrnehmung. Sich mit anderen zu einer politischen Gruppe zusammenzuschließen, demokratische Gleichheit für sich fordernd, lag jenseits ihres persönlichen Erfahrungsfeldes. Gleichzeitig waren Frauen nicht nur Cosimas Brief- und Gesprächsvertraute. Sie liebte die Gesellungsform der Frauentreffen und nutzte sie auch, wenn es zum Beispiel später um die Kontakte mit ihren einflussreichen adeligen Freundinnen zum Nutzen der Festspiele ging. All diese Frauen aber verstanden sich gewissermaßen als Einzelkämpferinnen, wenn sie für die Patronatsscheine in Bayreuth warben, Wagner-Aufführungen besuchten, an Festen oder Proben im Hause Wahnfried teilnahmen. Die meisten von ihnen verfügten über so viele soziale, materielle und Bildungsressourcen, dass ihnen die Forderungen einer »Frauenbewegung« gering galten. Eine Lebensfreundschaft mit einer sehr emanzipierten Frau war die zur 21  Jahre älteren Malwida von Meysenbug, hochgebildet, unverheiratet und in bescheidenen Verhältnissen lebend. Sie hielt mit Cosima über Jahrzehnte brieflich und persönlich Kontakt, sie kannte zunächst Wagner in Paris, liebte leidenschaftlich dessen Musik und lernte später Cosima kennen. Malwida fühlte sich Wagner auch durch die Revolution von 1848 verbunden, die sie mit großen Hoffnungen verfolgt hatte. Sie war als heimliche Zuschauerin im Vorparlament in der Frankfurter Paulskirche dabei gewesen, verborgen hinter der schwarz-rot-goldenen Fahne, eine mutige und entschlossene Frau, klar in ihren Forderungen für Frauenrechte und nicht korrumpierbar. Sie schrieb später in ihren Memoiren einer Idealistin  : »Wie könnte ein Volk sich selbst regenerieren und frei werden, wenn seine eine Hälfte ausgeschlossen wäre von der sorgfältigen, allseitigen Vorbereitung, die die wahre Freiheit für ein Volk ebensowohl wie für die Individuen verlangt  ?« Im September 1850 hatte Malwida von Meysenbug einen »Frauenschwur« im Mainzer Tageblatt veröffentlicht und mit anderen später eine Soziale Frauenschule gegründet, die sie zeitweilig selbst leitete. Wie Cosima war Malwida in mehreren Sprachen heimisch. Sie reiste viel, verbrachte aus gesundheitlichen Gründen die letzten Jahre ihres Lebens in

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Italien und wurde von allen Wagner-Kindern wegen ihrer Fürsorglichkeit und Herzlichkeit geliebt. In ihrer Haltung zur Mutterschaft war sie sich mit C ­ osima nahe. Sie wollte zwar Bildung für Frauen, dies unbedingt, aber gleichzeitig die Talente der Frauen betonen, Kinder zu erziehen, kulturelles Vorbild zu sein. Sie schrieb  : »Ich hatte ja im Gegenteil die Frauen würdiger machen wollen, Frauen und Mütter zu sein […]. Ich hatte gewollt, daß die Frau, anstatt des Mannes Brutalität nachzuahmen, so sehr ihm ebenbürtig werden sollte für die Kulturaufgabe der Menschheit, daß sie auch ihm helfen sollte, sich von allem Schlechten zu befreien.« Malwida »war nicht gegen die Ehe, aber sie forderte, die Frau solle die gleichberechtigte Partnerin sein, keine Puppe und keine ­Sklavin.« Damit sah Malwida die Frauenbildung als Vorbereitung auf die Ehe, in der eine geistige Partnerschaft existieren sollte. Cosima hatte ein ähnliches Bild von den Aufgaben der Frauen und den Voraussetzungen für ein Gelingen und eine glückliche Gemeinsamkeit  ; neben der offensichtlichen Sympathie war dies eine gemeinsame Einstellung, in der die beiden so unterschiedlichen Frauen sich trafen. Malwida konnte in ihrer Rat gebenden, ruhigen Weise für Cosima das mütterliche Element ein wenig ausfüllen, auf das Cosima außer in den Zeiten mit ihrer Großmutter Liszt hatte verzichten müssen. Aus den Briefen Cosimas spricht ein großes Zutrauen an die Freundin, gerade auch wegen ihrer immer wachen Zweifel, ob ihr die Wendung zum Glück, wie sie es mit Wagner erlebt, überhaupt zustehen kann, ob sie es verdient. Ende März 1878 schreibt sie  : »In Wahrheit theuerste Malwida, zuweilen dünke ich mich das einzige glückliche weibliche Geschöpf auf diesem Erdenboden, und beinahe empfinde ich Gewissensbisse es zu sein  ! […] Wie in der Luft schwebt dann die zu schwere prächtige Krone des Glückes über mir, während immer tiefer mein Haupt sich bückt, den Staub suchend, zu dem ich mich bekenne  ! Und in diesen übermächtigen Gefühlen gleitet mein Gedanke oft zu Dir über, und Du erscheinst mir dann auch glücklich, selig, aber durch den eignen Werth, durch Entbehren, Entsagen, wie durch Erfüllung. Möchte ich zuweilen persönlich ganz verschwinden, um dem Gefühl zu entfliehen  : das unsägliche Glück zu hoch zu gross für mich zu empfinden, und nur, Melusinen gleich, Nachts uns verstohlen das hüten und warten zu dürfen, was ich liebe, so gedenke ich Deiner, und Deiner aus Liebe gewordenen Einsamkeit, Deines Friedens, Deiner Güte, und ich rede zu Dir wie zu Niemandem, ganz wie ich fühle  !« Es gab eine tiefe Freundschaft zwischen Malwida und den Wagners, die übrigens gern wollten, dass sie zu ihnen zieht. Obwohl beide in Bezug auf Frauen eigentlich eine eher ablehnende Haltung zu dem Begriff »emanzipiert« ein-

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16  Malwida von Meysenbug, Schriftstellerin und überzeugte Demokratin, die für Frauen- und Menschenrechte eintrat und mit Cosima und Richard Wagner durch Korrespondenz und viele Familien-Besuche lebenslang verbunden war. Aufnahme von 1859/60 während eines Paris-Aufenthalts.

nahmen, bezeichnete Wagner Malwida anerkennend genau so. Wie so oft, gab es den Widerspruch auch hier, politisch sich zu distanzieren, im realen Leben aber fast ausschließlich mit sogenannt »emanzipierten« Frauen in Kontakt und Freundschaft zu sein. In der Korrespondenz mit ihrer Hamburger Freundin, der fast gleichaltrigen Senatorentochter Antonie Petersen, stellt Cosima zwar gut gelaunt fest  : »Wir haben beide einen schönen Vater  !« Die Gemeinsamkeit aber verliert sich schnell, wenn es um frauenpolitische Debatten geht. So äußert Cosima sich eher ablehnend zu den Befreiungskämpfen der Frauen. In einem Geburtstagsbrief an Toni, die sie scherzhaft stets ihre »theuerste Nichte« nennt, bezieht sie sich auf deren Namenspatron, den Heiligen Antonius, und die Liebe. »Aber nur in der Form der Heiligkeit und der Liebe ist die Schwärmerei scheu zu verehren  ; wie sie heutzutage auftritt, socialistisch, emancipationsgelüstig u.s.w., ist sie höchst verabscheuungswürdig, weil ihr alle Tugenden des Gehorsams, der Selbstaufopferung, der unbedingten Hingebung fehlen.« So setzt Cosima ihre Philosophie des Verzichts und Gehorsams gegen aktuelle Tendenzen der frauenpolitischen Forderungen ihrer Zeit.

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Sie schreibt Antonie über Malwidas Memoiren einer Idealistin  : »Nun muss ich Ihnen aber ein Frauenbuch empfehlen, dass ich besonders liebe, und dessen Autorin zu meinen besten Freundinnen ich zu zählen das Glück habe  : Memoires d’une Idéaliste, […] das ich die Bekenntnisse einer schönen Seele nenne. Es liest sich sehr leicht und angenehm und hinterlässt einen tiefen Eindruck, es ist aber ein Buch für Frauen.« Damit weist Cosima klar auf die eigene Distanz zu Malwidas frauenfreundlichen Ausführungen hin. Als einige Jahre später Malwidas neuestes Buch Stimmungsbilder aus dem Vermächtnis einer alten Frau erschienen ist, empfiehlt Cosima diese emanzipations­ orientierte Lektüre mit Abstrichen. Sie schreibt, »mir scheint, dass das Buch sein Publikum finden wird, und dass sie die treffende Antwort auf die Fragen gegeben hat, welche ihr gestellt wurden. Ob es nicht besser wäre, diese Fragen würden gar nicht gestellt, und die jungen Mädchen und Frauen erfüllten im nächsten Umkreis ihre Pflichten, die denen ja bestimmt bezeichnet sind, das ist ein Zweifel, der mich bei all dem Vortrefflichen beschleicht, weil ich die Frau gern im Schatten weiss als den geheimnisvollen Quell des Guten. Doch auch dieses ist eine menschliche Ansicht, und folglich, dem Irrthum unterworfen.« Cosima unterschätzt keinesfalls die Einflussfähigkeit und Stärke der Frauen, sie will sie aber, entsprechend ihrem Selbstbild der sekundär aktiven, nachfolgenden, ihre Potenz bescheiden verbergenden Frau, nicht in die politische Debatte einbringen. Sie erklärt, sie habe oft bemerkt, »dass die Frauen mehr moralischen Muth besitzen als die Männer, was wohl in ihrer grösseren Reinheit seinen Grund haben mag.« Und ähnlich in einem Brief an ihren späten Freund Fürst Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, der als Vorsitzender des Roten Kreuzes die Arbeit der Frauen gelobt hatte  : »Wie schön haben Sie das Wirken der Frauen dargestellt  ! Möchte es Mancher zu Herzen gehen, welche durch die jetzige üble Strömung zur Emanzipation mitgerissen wird, und sie wird es nun einsehen, daß die Macht der Frau in der Stille liegt, und daß sie da einzig, aber auch sicher, Wunder wirken kann.« Cosima gehört damit zu den nicht seltenen Frauen der Oberschicht, die tagespolitisches Engagement für Frauenfragen strikt ablehnten, in ihrer Lebensrealität aber das Rollenmodell selbst verkörperten, das die Frauenbewegung für die Masse der Frauen erst fordern musste  : Bildung, Recht auf Selbstständigkeit, materielle Unabhängigkeit. All dies war Cosima möglich und wurde von ihr auch gelebt, solange sie sich nicht aus inneren Zwängen zurückhielt. Sie bevorzugt die damals gängige Attitüde der gern zurückstehenden, die Vormundschaft der Männer keineswegs in Frage stellenden Ehefrau. Der fast devote, überhöfliche Ton im direkten Umgang mit den Männern in ihrem Umfeld, ausgenommen

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Wagner, der über allem stand, ist für Cosima immer wieder berichtet worden – ein Spiel, eine stillschweigende Verabredung, von der meist alle Beteiligten wussten, dass sich äußere Männer-Dominanz und innere Frauen-Unterwerfung im Machtverhältnis keineswegs immer entsprachen. Dies gehörte zum Frauenwissen, zur Erfahrung der Insiderinnen, zur einverständlichen Bestätigung, wenn Frauen unter sich waren und sind. Wenn es zwischen Cosima und Wagner um Frauenthemen ging, zeigte sich die Freude an der Debatte  : »Nach dem Mittagstisch kam das Gespräch auf die rauchenden Frauen, und nachdem R. lebhaft seine Abneigung dagegen ausgesprochen, sagt er, es käme aber von den Männern her, die neben einer Frau rauchten, und überhaupt von der unrichtigen Stellung der Frauen.« Und über eine befreundete Malerin kam bei Wagner eine Künstler-Eifersucht zum Vorschein  : »Eine Frau, die ein Atelier hat, ist etwas Schreckliches. Eine schriftstellernde ist schlimm genug, aber man spricht, man schreibt Briefe, daraus ergibt sich das übrige, wenn auch eine Frau mit eigener Arbeitsstube, Bibliothek, zu vergleichende Bücher auch schrecklich ist, aber das Malen, ein so spezifischer Beruf, mir greulich – –.« Unabhängig von Streitgesprächen oder auch Übereinstimmungen mit Wagner in solchen Fragen sah es Cosima als ihre Aufgabe an, ihre vier Töchter fürs Frauen-Männer-Leben zu unterrichten. Ihrer ältesten Tochter Daniela – »zehn Monate vor Deiner Geburt war mein Bruder gestorben, und ich begrüsste Deine Ankunft wie einen Gruss von ihm« –, dieser Ältesten gab Cosima etliche grundlegende Lebenseinschätzungen von Mutter zu Tochter mit. So beschreibt sie die Haltung, die sie selbst zu ihrem ersten Mann Hans von Bülow hatte und nun von Daniela als Tochter erbittet, wenn diese in Berlin ihren Vater treffen wird  : »da heisst es den Gleichmuth haben, der der Gleichgültigkeit so unähnlich ist wie der Stolz der Eitelkeit. Tief, tief, tief in den Andren blicken, ja seine Schwächen als Bedingungen seines Aushaltens erkennen, und Eines wünschen, dass unser Leiden wenigstens Dem zu Gute komme, der es uns zufügt.« Eine Lektion, die Schwächen des Mannes und Vaters zwar zu sehen, dieses Wissen aber nicht zu seinem Nachteil auszunutzen, im Gegenteil. Von Bayreuth aus schickt Cosima viele liebevolle aufklärerische und bemühte Briefe an die Tochter, die gerade in Berlin ihre selbstständigen gesellschaftlichen Erfahrungen machen und familiäre Bindungen erneuern soll. Die Frage, ob Daniela vielleicht bei ihren vielen Begegnungen auch einen »passenden« Mann finden könnte, wird von vielen beobachtenden Frauen, aber ebenso von Vater Bülow und Großvater Liszt erörtert. Cosima schreibt der Tochter ihre Einschätzung der Geschlechter  : »Merke Dir es, mein Kind – gränzenlos gepflegt muss seitens der Frau die Pflanze der Neigung

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werden, das Einzelne, Verletzende muss sie übersehen um das Ganze zu erhalten ja hervor zu bringen. Im Leben findet der Mann das Abrupt-Missverständliche, bei der Frau sucht er, was sie allein gewähren kann  : Ruhe, Stätigkeit, nachsichtiges Schaffen.« Also  : Nachsicht mit den Männern, Wissen um deren Schwäche, Großzügigkeit im Hinnehmen von Verletzungen, Bereitschaft, enttäuscht zu werden. Auch hier zeigt sich die soziale Stellung von Frauen, die überhaupt eine Wahl haben, die abwägen können, welche Gewichtung sie ihrer Beziehung zum Mann geben wollen, ob sie bleiben oder gehen. Cosimas Bild der besten Aufgabe der Frauen ist die, der Fels zu sein in der Brandung. Als Daniela ihre Hochzeit mit Henry Thode plant, rät Cosima der Tochter, der Unruhe der Männer, deren »tollen Tanz« etwas entgegenzusetzen  : »›Du bist die Ruhe‹ ist wohl das höchste Lob, welches einer Frau gesungen werden kann, das was der Mann vor Allem sucht, gegenüber der Unruhe der Welt, lass sie schön in Dir aufblühen, mein gutes Kind  ; machen wir Frauen den tollen Tanz nicht mit, und der Hast gegenüber stellen wir die Rast vor, an welcher die armen Gehetzten sich laben  !« Cosima beschreibt einen Appell, sich für diese Frauenrolle frei zu entscheiden, sie zum Teil der eigenen Persönlichkeit werden zu lassen. Sie lässt damit durchaus gelten, dass es inzwischen deutlich andere Lebensmodelle für Frauen gibt, die sie nicht für nützlich hält. Fünf Jahre zuvor hatte sie dazu sehr Grundsätzliches an Daniela geschrieben  : »Ein letztes Wort zum ersten um zu sagen, dass wie man jetzt die Frauen anleitet unabhängig zu sein, zu künstlern und zu schriftstellern oder zu mediziniren, ich Euren ganzen Fleiss auf Euch selbst lenken möchte und dann auf die leichte Erfüllung der nächsten Pflicht.« Es sei erinnert, dass sowohl die Mutter Cosimas – Marie d’Agoult, meist noch unter einem männlichen Pseudonym – als auch sie selbst »schriftstellerten« und publizierten. Cosima hat inzwischen diese Aktivität und die Lust, sich in Geschriebenem zu zeigen, auf ihre umfangreiche Korrespondenz reduziert. Im Brief vom August 1880 fuhr sie – mit einer Anspielung auf das Preislied aus den Meistersingern, in dem Parnass und Paradies erwähnt werden – zur Erfüllung der Pflicht fort  : »Und in ›Parnass und Paradies‹ zugleich dürften wir uns angelangt dünken, wenn das Werk uns gelänge  ! Und zwar nicht durch ­äussere Zucht, nicht durch Konvention, durch die freie Wahl unserer Natur, so dass jede Individualität ihren Ausdruck behielt’.« Sie beruft sich also nicht auf die Konvention für die Frauen, nicht auf die Traditionen der »äußeren Zucht«, sondern hat das Ideal vor Augen, dass, der Aufklärung gemäß, Pflicht und Neigung in Übereinstimmung gebracht und gelebt werden könnten unter gleichzeitiger Entwicklung und Betonung der eigenen Individualität.

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Cosimas erzieherische Briefe an die Tochter sind das Eine, ihr Alltag und ihre Erfahrung mit Wagner das ziemlich Andere. In den gemeinsamen Gesprächen kommt Wagners  – erwartbare  – Ablehnung und Verachtung der Frauenemanzipation klar zum Ausdruck, die er vor allem als modernistische Welle abtut. »Die Anbetung des Weibes dagegen ist ein ganz neues Moment und trennt uns durchaus von der antiken Welt. Die Germanen verehrten das Weib als etwas Geheimnisvolles, der Natur Näheres – wie ungefähr die Ägypter die Tiere vergötterten –, und um ihnen die ganze Heiligkeit zu lassen, wollten sie sie nicht berühren. Was aus diesem Kultus geworden ist heute, wo die Frauen seit Avignon und Bibi-Hut sie fordern und daraus den ganzen Emanzipationsunsinn herleiten – wissen wir.« Wagner, der Alt-48er, verrät mit seiner Einschätzung des »Emanzipationsunsinns« nicht nur die Frauen seiner Gegenwart. Er gefällt sich auch in abstoßender Weise als Gönner und Analytiker und müsste es eigentlich besser wissen  – mit dem Hintergrund der Erfahrung vieler starker, gebildeter, unabhängiger, eben »emanzipierter« Frauen in seinem Leben. Und zuallererst seiner Cosima, die nur zu gern in seine Modernitätsverachtung einstimmt und keineswegs zu den freiheitbegehrenden Frauen gerechnet werden möchte. So schreibt sie anlässlich einer Frühstücksdebatte über »die Frage der Frauen-Emanzipation, es ist schwer, da ein gerechtes Urteil zu fällen  ; da die Lage der Frauen eine derartige ist, daß sie sehr oft darauf angewiesen sind, ihre Familie zu ernähren und wie die Männer zu arbeiten, so ist es ihnen nicht zu verdenken, wenn sie auch Männerrechte fordern. Eines begreife ich nicht, daß eine Frau freiwillig, zu ihrem Vergnügen, in die Öffentlichkeit tritt. Es ist mir, als ob die Erfahrungen des Lebens sie immer stiller machen müßten und sie immer mehr auf ihre Hauptaufgabe zurückführen  : tüchtige Männer und gute Frauen zu erziehen.« Cosima sieht die sozialen Anlässe und Notwendigkeiten, bezieht die Frauenforderungen aber nie auf sich selbst und ihre Lage. Sie wird in den nächsten Jahrzehnten aber genau dies leben, nachdem die Kinder erwachsen geworden sind und sie als Wagners Witwe den Bayreuther Laden verantwortet. Das stille Muttersein, das sie so propagiert, hat sie selbst, wenn überhaupt, höchstens in Tribschen gelebt. Es gefällt ihr als ideeller traditioneller Rahmen, aber das konkrete Leben verlangt ihr viel mehr an Entscheidung, Verantwortung, Einflussnahme ab, sodass es einem »emanzipierten« Leben zum Verwechseln ähnlich sieht. Als alte Frau tauscht sie sich mit Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain über die antike griechische Kultur aus und schreibt  : »Den Sklaven gegenüber haben wir die Fabrikarbeiter, und wenn ich an das Gynäkeion denke, sehe ich die Frauen lieber darin als auf dem Rad. Ihre Tracht, die wundervollen, faltigen

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Gewänder könnte uns ein Hinweis sein auf ihre Keuschheit und Würde. Sappho, Diotima, Aspasia gefallen mir besser als G. Sand, Stael und Pompadour […].« Der Frauentrakt im Wohnhaus, das Gynäkeion, kam Cosima freier und richtiger vor als die neue Bewegungsfreiheit der Frauen, wie sie ihre Bekannte aus Jugendtagen, George Sand oder andere weibliche Ikonen des nachrevolutionären Frankreich verkörperten, wenn sie sich zum Beispiel das Fahrradfahren als neue Autonomie eroberten. Und die Gewänder, die Cosima sich anfertigen ließ, fließend, immer bodenlang, waren die hochwertige und ihrer Klasse angemessene Kleidung und Selbstdarstellung, die sie als Komponistenfrau und Adelige und Vermögende und fünffache Mutter und Festspielleiterin und Regisseurin ausdrückten und betont zeitlos scheinen ließen. Cosima befreundete sich eigentlich nur mit Frauen, die eine geistige Freiheit und Unabhängigkeit verkörperten, andere wären für sie uninteressant gewesen, aber sie hätte dies nicht in den Rahmen der frauenemanzipatorischen Bewegung ihrer Zeit einfügen wollen.

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agner war ein Meister der Umgarnung, auch bei Cosima. Er beschreibt mit Humor, Sensibilität und sehr viel Phantasie ihrer beider Verhältnis zueinander, ihrer beider Abhängigkeit voneinander. Sie als diejenige, die anwesend sein muss, damit ihm etwas einfällt, sie, die junge Frau, die Leben und gleichzeitig Kontinuität und Ruhe in sein Leben bringt. »Richard meint, ich habe Sinn in sein Leben gebracht und habe ihm Freude an wohlgeordnetem Zustande erweckt. Wie freut er mich durch solch ein Wort  ! Er spielt Klavier, die Kinder kommen herunter und tanzen mit mir.« Mit dem gemeinsamen Hausstand in Tribschen beginnt ihre Zeit als wirkliches Paar und des genaueren Kennenlernens. Er möchte – allein und nur er – die Person ihres Lebens sein. Für Bülow und Liszt soll sie möglichst keinerlei Energien, Gedanken, gar Zeit und Sympathie aufwenden. Gleichzeitig ist er lebenserfahren genug, um zu wissen, dass er damit unerfüllbare Ansprüche an Cosima stellt. Immer wieder spricht er an, wie belastend die Liebe für Cosima sein kann  : »Als mir R. gestern sagte, ich könne gar nicht wissen, wie er mich liebe, und als er heute bemerkte, er sei mir zu schwer und zu viele Opfer bürde mir meine Liebe zu ihm auf, dachte ich, mein Herz würde zerspringen.« Cosima ist offiziell zu Wagner gezogen, sie ist schwanger mit ihrem fünften Kind, Wagner und sie sind von der Last der Geheimhaltung ihrer Beziehung befreit, sie leben in Tribschen und haben viel auf sich genommen, um jetzt das gemeinsame Leben auszuprobieren. Es ist noch nicht alles geklärt, die Scheidung wird noch bis zum nächsten Sommer, das Scheidungsdokument bis 3.  August 1870 auf sich warten lassen. Bülow hat die beiden großen Töchter noch bei sich respektive seiner Mutter, er dirigiert weiter in München. Noch also gibt es viele Baustellen, aber es gibt auch das Haus, die wunderbare Nähe zum Vierwaldstättersee und zu Luzern. Cosima und Wagner können sich frei begegnen – und sie beginnt das Tagebuch. »Beim Frühstück sagt mir R., wenn irgendetwas zwischen uns vorfiele, so käme es uns daher, daß wir uns zu sehr liebten und zu sehr voneinander abhingen. Sein gutes Glück, nennt er mich  !« Es ist die Geschichte einer fast perfekt passenden, wechselseitigen Abhängigkeit, in der beide bereit sind, nach Konflikten sich zu entschuldigen, etwas zu investieren in die unbedingt gewünschte harmonische Zweisamkeit – eine Symbiose und auch ein Schritt in die Schutzlosigkeit gegenüber dem/der Anderen. »Wenn

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ich dich nicht hätte, ich wüßte gar nicht, wofür ich auf der Welt wäre, ich glaube, ich würde wahnsinnig, von der einen Seite nicht anders sein [zu] können als man ist, und von der andern Seite in keiner Weise der Welt recht zu sein«, zitiert Cosima eine Bemerkung Wagners. Sich öffnen auch mit der verletzten Seite, nicht mehr der großsprecherische, auf unbedingten Erfolg und Durchsetzung ausgerichtete Mann zu sein, sondern das Leiden daran anzudeuten und was es bedeuten kann, immer Außenseiter zu sein, einfach nie zu passen, unfreiwillig. Der charmierende, werbende, die Regie behaltende Sieger gerade in seinem Verhältnis zu Frauen erlebt die Beziehung zu Cosima offenbar in einer anderen, einzigartigen, für ihn neuen Qualität. Das ist noch die Zeit, in der die Scheidung eingereicht, aber nicht vollzogen ist, also eine Zeit der Unsicherheit und vielleicht noch eines Kampfes um die Frau. Unstreitig aber verändert die intensive und inzwischen durch drei gemeinsame Kinder gefestigte Verbindung das Lebensgefühl Wagners. Cosima erhält diese Signale auch aus seiner professionellen Umwelt  : »In der Einsiedelei bespreche ich einzelnes aus der Vergangenheit mit Heinrich Porges, dieser macht mich ganz glücklich, wie er mir sagt, daß er niemals R. so gesehen, wie er jetzt ist, so ruhig und so lebendig, und daß er überzeugt sei, sein Nibelungenwerk würde er niemals aufgenommen haben, wenn nicht der große Umschwung in sein Leben getreten wäre.« Ruhig und lebendig, eine Bestätigung, die Wagners Selbst-Akzeptanz signalisiert, die Wirkung Cosimas auf ihn beschreibt  : »[…] du bist das einzige komplette Wesen, das mir begegnet ist, du bist kompletter noch als ich«, sagt er ihr, im Vergleich zu all den anderen »fragmentarischen Wesen«. Wagner war ein unbarmherziger und sehr genauer Beobachter, er schonte auch sich selbst nicht in den Beschreibungen seiner Person gegenüber Cosima  – ein großer Reiz, Selbstbetrachtungen und kritische Einsichten im Hinblick auf die eigene Person offenlegen zu können, ohne Kritik fürchten zu müssen. Cosimas Einstellung war immer die, Wagner zu lassen, ihn zu stärken und zu ermutigen, ihn nicht zu beschweren. »Komplett« zu sein umschreibt dabei das Gefühl des Ankommens, der Entspannung, das Ende eines Kampfes. Diese Signale mussten für Cosima wichtige Bestätigungen und Beruhigung sein, immer in der Abwägung der Beunruhigung, die ihre Abkehr für Bülow mit sich gebracht hatte. Es ist viel die Rede gewesen von der dienenden Position Cosimas, die sie auch selbst betonte als Vorhaben, Wagner mit ihrer Liebe dienen zu wollen. Dieses Dienen aber war unbedingt mehr und anders, als es im verachtenden Blick vieler Biografen beschrieben wurde und wird. Das, was Cosima in die Waagschale werfen konnte, war offenbar ein Mitleben, ein ruhiges und kompetentes Begleiten. Eine Kräftigung und Klärung, die Wagner in seiner bisherigen Existenz

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hatte vermissen müssen, die ihm ein unbedingt gleichberechtigtes Gegenüber wurde. »Wie wir uns spät abends trennen, ruft R. mir zu  : ›Du bist der einzige Mensch, vor welchem ich Respekt habe.‹  – Gott im Himmel, und was wäre ich ohne seine Liebe  ?« Für Zeitgenossen Wagners war der Respekt gegenüber Frauen keine gängige Kategorie. Wenn Wagner, wie immer im emotionalen Überschwang, Cosima zum einzigen Menschen erklärt, dem gegenüber er Re­ spekt empfinde, so ist dies die größte Liebeserklärung und weit entfernt von der angeblich respektvollen Haltung, die Frauen als Höflichkeit entgegengebracht wurde in einem Zeitalter, das Frauenrechte verachtete. Cosima war offenbar imstande, Wagner ein Gegenüber im Gleichgewicht zu sein, eine Stärke auszustrahlen und zu geben, die ihrem wankelmütigen, ebenso schnell zornigen wie verzagten Mann guttat. Immer wieder spürt Wagner diesem Kräfteverhältnis nach und sieht Cosima dabei in der stärkeren Position. Nachdem Cosima sich mit den Kindern auf einen Spaziergang begibt, führt er ins Feld  : »Ich liebe dich doch mehr als du mich, ich sah dir lange nach, und du wendetest dich nach mir nicht um, du bist des Zusammenhanges nicht so bedürftig als ich.« Es scheint so, als sei Wagner unersättlich in seinem Wunsch nach Anwesenheit, Signalen der Zuneigung durch Cosima. Immer wieder schwingen Zweifel mit, ob er sie verdiene, ob ihre Liebe ablesbar ist an ihrem Tun, ob er auch in Zukunft ihrer sicher sein kann. Dabei sind seine Botschaften an sie häufig getränkt mit Selbstironie, die sich aber gern in Vorwürfen, Ansprüchen versteckt. »Am Morgen sagt mir R., ›wer dich hat, wird sehr arm, denn er verliert alles, er will nichts andres haben als dich  !‹« Liebes-Erklärungen, die gleichzeitig schmeicheln und fordern, eine nicht endende Reihung phantasievoller Bilder, die bei aller geschilderten Liebe auch etwas Erpresserisches haben kann. »R. ruft mir am Morgen zu  : ›Du weißt gar nichts  ; du weißt nicht, wie ich leide, wenn du nicht da bist  ; […] denn mit dir alles, ohne dich nichts, so steht es.‹« Wagner behauptet beziehungsweise schmeichelt, Cosima sei die Einzige, die ihn vervollständigt habe, sie sei seine Bewegung, ohne die er erstarren würde, sie sei ihm einzige Vertraute, die Einzige, mit der er »ganz wahrhaft« sein könne. Es ist leicht, eine solche Äußerung als weitere hingesagte Schmeichelei zu interpretieren, es ist aber auch der Weg denkbar, Wagner hier ebenso wie bei seinen politischen und musikalischen Äußerungen beim Wort zu nehmen. Ein vorbehaltloses Einverständnis soll es geben  : Egal, wie viel Unwahrheiten wir in die Welt da draußen setzen, miteinander sind wir aufrichtig, lügen nicht. Ein Pakt, eine Verschwörung, wie ein »Fleisch und Blut«, was Cosima konkret wie folgt beschreibt  : »Er geht nachmittags aus, abends ist er betrübt, daß ich noch spät Lulu auf einem Ball, wo sie mit Freunden ist, abholen zu müssen glaube  ; mich in irgendeiner anderen Abhängigkeit zu wissen als der

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seinen, kränkt ihn.« Cosima legt offen, dass sie gewohnt ist und damit einverstanden, von den Bedürfnissen anderer, in erster Linie Wagners, geführt und bestimmt zu werden. Da gibt es Anlässe genug, nicht nur durch Wagner, sondern durch die Führung des Hauswesens – mit Besuchen, Logiergästen, fünf Kindern, die lernen und spielen und ruhig sein und gut erzogen und aufgeweckt sein sollen, Management der Festspiele mit Anhörungen, Verträgen samt der gesamten Finanzverantwortung. »R. sagt, wir gehören zusammen und nur wir, alles andere sind Masken.« Auch hier wieder das Motiv der Verstellung, der Abgrenzung ihrer beider Einheit gegenüber der nicht verstehenden Umwelt, der Menschen, die es nicht verdienen, in ihrer beider Zirkel aufgenommen zu werden. Diese Tätigkeit der gemeinsamen Verantwortung ist als wesentlicher Bestandteil der Beziehung zu sehen. Beide erinnern sich immer wieder an die erste Zeit, in der Cosima zunehmend Aufgaben übernahm, die Beziehung aber noch geheim gehalten wurde. »Wir gedenken der Zeiten in München, wo er mich immer holen ließ, ich oft nicht konnte  !« und wie daraus eine eingespielte Teilung der Aufgaben in Gemeinsamkeit entstand  : »Gegen 5 Uhr Konferenz mit dem Verwaltungsrat  ; wie die Herrn eine Weile zusammen sind, kommt R., mich zu holen, er wisse nicht was er ihnen sagen solle. Wir besprechen den Bau der Loge für den König […]«, heißt es im selben Tagebucheintrag. Die gemeinsame Arbeit begann als Camouflage, als Alibi, als Schutzmantel, die bald zu einer festen und festigenden Größe wurde. »›Früher‹, sagt R., ›als wir uns entsagt hatten, waren wir auf große Kunsterfolge angewiesen  ; wir mußten das Opfer, das wir brachten, gleichsam in einer großen Tätigkeit ertränken […].‹« Gemeinsames Tun – die Außenwelt sieht Cosima im Schatten des »Meisters«, die Innenwelt der beiden ist ein Kosmos, der Arbeit und Liebe und Neugierde aufeinander und Aufmerksamkeit füreinander gleich stark verbindet. Das Genie des Komponisten bedeutete nicht, dass Wagner als Person nicht dringend der Stabilisierung durch einen anderen Menschen, der Kontinuität und Verlässlichkeit einer Bindung bedurfte. Wagner war abhängig von diesem Konstrukt der Gemeinsamkeit und stellte nie die Kraft Cosimas darin in Frage. An der zunächst heftigen erotischen Anziehung beider ist nicht zu zweifeln. Dass sich diese Ebene der körperlichen Beziehung aber im weiteren Verlauf ihrer Ehe erhalten haben soll, ist von Seiten Cosimas wohl nicht gegeben gewesen. In einigen Tagebuchnotizen wird deutlich, dass sie nach der Geburt ihrer fünf Kinder die sexuelle Begegnung mit Wagner kaum mehr leben konnte oder wollte. »Nachmittags einigen Kummer, daß R. sich in seinen Neigungen nicht einschränken läßt«, lautet eine Notiz von Cosima, die ein Thema zwischen beiden berührt  – die erotische Aktivität, auf die Wagner vermutlich angewiesen

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war. Wie viel davon reale Kontakte mit anderen Frauen gewesen sein mögen, wie viel doch eher einem Meister der Vorlust und der imaginierten Verführung zugerechnet werden mochten, gehört in das persönlichste Erleben der beiden. Bei Cosima zumindest deutet sich eher die Richtung eines Verzichtes an, mit dem sie im Gegensatz zu Wagner nicht hadert. »Könnten wir die Leidenschaft doch bezähmen  ; könnte sie aus dem Leben gebannt sein  ; mich betrübt jetzt ihre Annäherung, als wäre sie der Liebe Tod«, schreibt Cosima wenige Wochen vor dem ersten Geburtstag von Siegfried, ihrem jüngsten Kind, und ergänzt fünf Monate später  : »Von mir ist jede Leidenschaftlichkeit der Liebe gewichen, bei R. waltet sie noch.« Diese Einstellung wurde für Cosima als nicht angemessen und eigentlich als »Verweigerung« kritisiert. Eine Debatte um sexuelle Selbstbestimmung war noch undenkbar und Cosimas Hang zu Verzicht und Enthaltsamkeit erschien nur als ein Defizit, keineswegs als legitime persönliche Entscheidung. Welch eine Aufgabe für ein Paar, dennoch sich in Interesse und vielleicht anders gearteter Zuneigung und Leidenschaft verbunden zu bleiben. Die unbedingte Nähe Cosimas und Wagners miteinander war Bestandteil ihres Lebens – unabhängig von wirklichen oder nur gewünschten Eskapaden Wagners mit anderen Frauen. In unendlichen Variationen und liebevollen Assoziationen werden die alltäglichen Berührungen und Zärtlichkeiten beschrieben und kultiviert  : »R. schläft gut (er bemerkte neulich, daß die Berührung meiner Hand magnetisch auf ihn wirke, er sagte, in sehr inferiorem Grade habe die Berührung weicher Seide etwas ähnliches für ihn Wirkendes).« Diese Schilderungen körperlicher Erregungen oder Phantasien werden von Cosima in ihren schriftlichen Zeugnissen kaum angesprochen, sie bezieht sich manchmal auf Situationen, in denen beide offenbar miteinander schliefen, aber dezent und wortkarg. Wagners Fabulierfreude andererseits kennt da viele Möglichkeiten  : »R. schaut meine Finger an und sagt  : ›Das sind ja gar keine Finger, das sind Empfindungs-Staubfäden, es könnten ebenso gut Flügel daran sein, wie beim Schmetterling.‹« Und er stellt wie so häufig in Bezug auf die »wichtigen« Männer Cosimas im selben Atemzug klar, wie er seine Position sieht  : »Dein Vater ist doch ein guter Mann, das gescheitste, das er gemacht, das habe ich  !« Das Kompliment an den Kollegen enthält unüberhörbar eine Herablassung über Liszts Kompositionen und Lebensführung, eine scheinbar lustige Spitze gegen den kritischen Schwiegervater – und letztlich auch gegen Cosima. In einem anderen Zusammenhang nennt Wagner Cosimas Liebe einen Schlangenbiss. Sie schreibt  : »Am Nachmittag rief er mir zurück, daß der Vater mich einmal serpent genannt habe, ich frage nach der Erklärung des Zitats, er sagt  : ›Das, was es einem antut, was einem jäh in das Herz beißt und einen nicht

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mehr genesen läßt‹ […].« Da scheinen Tristan auf und Amfortas, die unheilbare Wunde als bei Wagner stolz getragene Verletzung der Liebe, die Cosima ihm angetan habe. Eine zärtliche Verkehrung, ein eher vergiftetes Kompliment – und nicht das einzige. »Nach Tisch, wie ich ihm die Hand reiche, sagt er mir, die leiseste meiner Berührung sei ihm wohltätig, es gebe kein so sympathisches Wesen, darum wolle aber auch keiner von mir lassen  !« Auch hier wieder in der Liebeserklärung verpackt der Seitenhieb – in diesem Fall auf Bülow. Mit dem Stachel musste sie für sich fertigwerden, die Spannungen zwischen Vater, Ehemann Nr. 1 und Ehemann Nr. 2 waren immer gegenwärtig und, wie ihre Aufzeichnungen zeigen, immer eintrübend. Die damit entstehenden Regungen schrieb sie nieder, in ihren Tagebüchern oder Briefen an die Freundinnen.

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ie viel Sorgfalt ist verwendet worden, bevor der Fotograf das Bild machen durfte  ? Es ist ein schwerer gefütterter Stoff, der das körpernahe Oberteil bildet, am Hals zusammengehalten von einem gefältelten Stehkragen, um den sich ein dunkles Samtband schließt (Abb. 17, S. 146). Der Stoff ist hell und weich, ein kleiner Schal aus weißen Federn bringt etwas Zartes, Bewegliches, Lebendiges hinein, schräg über die Brust gelegt, parallel zu einer ebenfalls schrägen Volant-Naht. Cosima ist von so großer und überschlanker Natur, dass sie über die ersten Stoffe noch die zweiten legen kann, die dritten, die vierten, und, wie auf diesem Foto, zu allerletzt noch ein dunkles Samtband und eine Perlenkette, die die Federn ein bisschen bändigt und, in einem länglichen Knoten auslaufend, der leichten Erscheinung eine Solidität verleiht. Das Haar trägt sie relativ offen und gewellt, der Mittelscheitel betont das Senkrechte und stellt eine Ebenmäßigkeit her, die im Gesicht nicht zu finden ist. Es ist nicht ebenmäßig, die Nase, Vaters Nase, Liszts Nase, ist zu lang, um irgendwann in ihrem Leben die Erwartung der Niedlichkeit zu erfüllen. Darunter ein eher breiter Mund mit schmalen Lippen, geschlossen, entschieden, bewusst, klar, klug. Die Augen haben einen Abwärtsschwung, sie blicken offen in die Kamera. Aufrecht sitzend, ihre Größe nicht versteckend, im Alter dann dadurch besonders imposant und respektheischend. Selbst der Kladderadatsch, der Jahrzehnte später über die »Gralshüterin« spottet, erfasst in dieser seiner Karikatur immer noch die klaren Züge unter dem inzwischen weiß gewordenen Mittelscheitel, die aufrechte, gebundene Haltung mit den ineinandergefügten Händen im Schoß, ein weißes Spitzencape über den Schultern, das sich nach vorn zu einem langen Jabot verjüngt (Abb. 32, S. 261). Das Kleid, eine schwere Samtrobe mit überschnittenen langen Ärmeln, das der Zeichner in Halbkreisen auslaufen lässt, wie sie der Jugendstil liebte. Und schließlich eines der letzten Fotos von ihr, die Augenlider sind schwerer geworden, zwei deutliche Falten führen von der Nase zu den Mundwinkeln, aber der Blick ist geblieben. Die schon so sehr getrübten Augen vermitteln ein geradliniges Stillehalten und immer noch ein klares Selbstbewusstsein. Die weißen Locken teilen die Stirn, der helle Kimono lässt Stickereien erkennen, und der Hals wird geschützt von einem zarten Schaltuch. Das Aufrechte ist noch da  ! Und nicht umsonst wurde von ihr berichtet, wie gerade sie sich hielt und dies auch, bitte, von anderen erwartete.

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Eine der wenigen Fotografien im Profil ist die häufig wiedergegebene und gern bespöttelte Aufnahme von Cosima im Sessel, wie sie zu ihrem stehenden Mann Richard blickt – das sogenannte »Hochzeitsbild« vom 9. Mai 1872 aus dem Atelier Fritz Luckhardt in Wien, das allerdings erst zwanzig Monate nach der Trauung in Luzern entstanden ist (Abb. 20, S. 182). Beide schauen sich an, fast verschwörerisch, sehr ruhig, sehr voller Liebe, verbunden. Die Welt darf sie so sehen, ihre linke Hand in seiner linken, ihre rechte Hand nach oben geöffnet auf ihrem Schoß. Ihre Züge sind entspannt, das Haar ist über den Hinterkopf geflochten, vom Gesicht weg nach hinten geführt. Das Gesicht zeigt sich. Sie lehnt sich nicht in den hohen Stuhl, sondern neigt den Oberkörper ein wenig zu Wagner. Ihr Kleid ist vielleicht aus Taft, dunkel, mit mehreren Volants, fußlang natürlich und der Zeit gemäß mit einem sogenannten Cul de Paris, einer bauschigen Betonung des unteren Rückens, versehen. Die Stofffülle ist drapiert. Um den Hals trägt Cosima einen weißen Kragen, um die Handgelenke weiße Manschetten. Das Kind ist so mager, schau mal der lange, schmale Hals, schau mal, die dünnen Ärmchen  ! Die Aufnahme mit Wagner legt das Missverständnis nahe, hier sei die dienende Frau neben, für den prominenten Ehemann entsprechend niedriger abgebildet. Die Sprache des Bilds vertritt aber etwas anderes  : Wagner wendet sich Cosima in seiner Körperdrehung zu, er umarmt sie fast, indem er die rechte Hand neben ihren Hals auf die Stuhllehne legt und mit der Linken ihre Hand hält. Cosima nimmt mit der sitzenden Position nach dem hierarchischen Kanon der Herrschaftsbilder die eigentlich höhere Position ein, die Person, die sitzen darf, ist privilegiert, die stehende entsprechend darunter gestuft zugeordnet. Dadurch, dass beide sich gegenseitig anschauen, schließen sie die Betrachter in gewisser Weise aus. Wir sind uns genug. Wenn ihr mögt, könnt ihr uns zuschauen  ! Cosima ist auf diesem Foto 34 Jahre alt, Wagner 58. Sie haben drei gemeinsame Kinder, sie haben viele Krisen miteinander und als Paar gegen die Welt erlebt, sie haben geheiratet, der Traum von Bayreuth beginnt bald Wirklichkeit zu werden. Sie haben noch viel miteinander vor und wissen, dass sie vielleicht nicht mehr so viel Zeit vor sich haben. Wagner ist auf diesem Bild alles andere als ein Triumphator, er schaut zärtlich und beide sind in diesem Moment sehr bei sich. Fast alle Aufnahmen des Paares sind in professionellen Ateliers entstanden, fotografische Porträts im privaten Umfeld waren höchst selten. Zu einem Vertrauten in dieser Hinsicht wurde der spätere Verwalter der Festspiele und nach Wagners Tod wirkliche Freund Cosimas, Adolf von Groß, der das Fotografieren liebte und, was selten ist, familiäre Situationen eingefangen hat. Neben diesen gewünschten Abbildungen aber gab es die der Presse, der Spötter, die nicht nach Erlaubnis fragten. Schon 1865 hat der Kladderadatsch das Paar

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zeichnen lassen (Abb. 10, S. 87). Die Karikatur »in der Maximilianstraße« zeigt vorangehend Wagner und Cosima. Bülow, der Ehemann Cosimas und Dirigent der Tristan-Premiere hinterdrein, Blätter der Partitur verlierend – der pflichtbewusste und betrogene Freund. Wagner und Cosima sind bei dieser sehr kritisch gemeinten Zeichnung als Einheit erfasst, wie ein dreibeiniges Wesen mit einer hellen kleineren Hälfte, Wagners aufrechter Silhouette, und um ihn herum wie ein Schutz und Schirm die dunkel schraffierte Cosima, mit ihrer Höhe und dem Cul de Paris und der Kopfbedeckung. Alles im Profil, sie geht gewohnheitsmäßig zielsicher und vorgebeugt, Wagner wie von ihrer Schulter gestützt, auch er den Blick nach vorn gerichtet. Bülow dahinter auf gänzlich verlorenem Posten gegen diese Einheit. Cosimas Schatten zwischen ihm und dem Paar. Abgehängt, vorbei. So verrät die Zeichnung bei dem Paar, das es kritisiert für sein Zusammensein, doch zwei Menschen in Würde und Zusammengehörigkeit. Zu dem bekannten »Hochzeitsfoto« des Ehepaars Wagner gibt es ein fast parallel angeordnetes, Jahrzehnte später, bei dem Cosima ebenfalls sitzt und Siegfried Wagner, der Sohn und bereits nachfolgend Leiter der Festspiele, neben seiner Mutter steht, so wie einst sein Vater (Abb. 35, S. 281). Siegfried allerdings auf der linken, der traditionellen »Frauenseite«, er verschränkt die Arme in Höhe des Kopfes seiner sitzenden Mutter und sorgt so für einen gewissen Schutz seiner selbst. Aber er blickt auf sie ebenso klar und zugewandt hinunter wie der Vater. Cosima blickt nicht zurück, sie schaut gewissermaßen an Siegfried vorbei zum rechts gelegenen Fenster, sie hat die Hände im Schoß gekreuzt, über einem Paar heller Handschuhe. Aufrecht sitzt sie, in ihrer schwarzen Witwenfarbe, mit einem knöchellangen, eher schmalen Kleid, über das ein Cape aus Taft die Schulter und in langen überweiten Ärmeln die Arme bedeckt. Direkt um die Schultern sind zusätzlich noch zwei kurze Volants sichtbar. Die vordere Seite des Capes führt in gekreuzten breiten Bahnen bis zur Taille. Der spitze Ausschnitt ist verdeckt von einem schwarzen durchsichtigen Stoff, der mit einer breiten Borte oben die Halsöffnung umrahmt. Ein elegisches Bild. Siegfried sieht auf die fast abwesend wirkende Cosima, er bietet, wie »bestellt« oder gestellt auch immer, Blickkontakt an zur Mutter. Ein weiteres Foto zeigt beide Aug in Aug, sich gegenübersitzend. Sie lächeln zufrieden. Dieses Lieblingskind, der einzige Sohn, der mit dem Erbe der Festspiele befrachtete Sohn, wird seine Mutter später nur um nicht mal fünf Monate überleben. Am Tag nach der Hochzeit mit Wagner, am 25. August 1870, notiert Cosima  : »Brief von Herrn Lenbach, der mir ein Portrait schenkt, was mich R.’s wegen ungemein freut.« Sie wird im Laufe ihrer Ehe viele Porträts von sich selbst erstellen lassen, geschenkt bekommen, in Auftrag geben und manchmal selbstkritisch ablehnen. Sie ist eine in vielen Perspektiven, Gewändern, Lebensaltern abgebildete,

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für fast ein ganzes Jahrhundert dokumentierte Frau. Eines aber ist auf fast allen Gemälden und Fotos von Cosima fast unverändert, kaum variiert  : ihr ernster, gleichzeitig entschiedener und gerader Blick. Sie schaut direkt in die Kamera, die damals bekanntermaßen konzentrierte Ruhe, ein absolutes Stillhalten von den Fotografierten erforderte, sie schaut gerade und unerschrocken den Maler an, der sie porträtiert. Sie gibt den Blick auf sich frei, ja, schau mich an  ! Darin ist Stolz zu entdecken – und eine gewisse Einsamkeit. Selbst auf den so seltenen Fotos, die Cosima als fast noch Kind oder Jugendliche zeigen, mit einem noch runden Gesicht und geglätteten Haaren, hat sie eine erstaunliche Haltung. Sie repräsentiert Vater und Mutter, die komplizierte, aber bekannte Familie. Natürlich stellt sie auch den Wohlstand und die soziale Höhe aus, wenn sie in Frisur und Kleidung aufwendig, geschmackvoll anzusehen ist, ganz unabhängig von einer eigenen Schönheit oder Hässlichkeit. Sie hat das eher dunkle, im Erwachsenenalter gelockte lange Haar auf den Hinterkopf geflochten und hochgesteckt. Es ist ihr in ihrem ganzen Leben nicht unterlaufen, dass jemand irgendwann einmal ihr gelöstes Haar, das wahrscheinlich den ganzen Rücken hinab reichte, hätte abbilden dürfen. Das Haar, das sie nur mit der Hilfe einer Bedienerin richten lassen konnte, diese Frisur, die das Gesicht umrahmte, es weicher machte, weniger streng, das Haar blieb ein Markenzeichen und durfte im Laufe der Jahrzehnte allerdings von seinem dunklen Blond oder Braun übers helle Grau zum Altersweiß die Farbe verändern. Noch ein weiteres Charakteristikum ist durchgängig erhalten  : Cosima lächelt nicht. Sie lächelt nicht als Jugendliche, nicht als junge Mutter mit Daniela in den Armen (Abb. 9, S. 78), nicht auf den wenigen gemeinsamen Fotografien mit Wagner oder dem erwachsenen Siegfried. Nicht einmal bei der bekannten Aufnahme auf der Gartentreppe der Villa Wahnfried vom August 1881 (Abb. 22, S. 191). Versammelt sind dort  : alle fünf Kinder, Cosima mit Wagner zur Seite, als Freunde der Familie Heinrich von Stein, Fidis Hauslehrer, sowie, fast verdeckt, Paul von Joukowsky, der Maler und Bühnenbildner. Mit dabei sind  – zwangsläufig verwackelt  – der Neufundländer Marke und vermutlich sein Abkömmling namens Faf. Das Foto ist ein Zeugnis des Triumphes, des endlichen Sieges und der Verwirklichung ihrer Pläne, die sie jetzt selbstbewusst der Welt zeigen könnten. Cosima in der oberen Mittelachse der Gruppe, wieder ganz in Weiß. Die beiden Bülow-Töchter, schon erwachsen, stehen, die beiden Wagner-Töchter sitzen mit Hunden an ihrer Seite. Dieses Bild ist noch aus einem anderen Grund bekannt geworden  : Es zeigt vorne rechts, fast schon neben der Gruppe, den zwölfjährigen Siegfried, der traurig-versonnen nach unten blickt, als einziger Beteiligter im Profil, wie nicht dazugehörig, abwesend. Cosima bildet das

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energetische Zentrum, das alle Personen um sie herum statuiert erscheinen lässt. Es ist, als hätte auch dies für sie einen inneren Auftrag enthalten, sich als verantwortungsvoll und der Situation gewachsen zu präsentieren. Als Frau hätte sie die Freiheit zum weiblichen Lächeln gehabt, werbend für sich, Interesse rechtfertigend, Ungefährlichkeit und Herzlichkeit signalisierend – ich habe keine Sorgen, mit mir kann man fröhlich sein  ! Sie aber zeigt sich eher dem männlichen Verhaltenscodex verpflichtet  : Repräsentanz, Status, Würde. Aus ihrer französischen Kindheit existiert eine bereits sehr charakteristische Aufnahme, die um 1852 datiert wird (Abb. 3, S. 33). Cosima stehend hinter ihrer sitzenden Schwester Blandine, eingerahmt von den beiden wichtigen Frauen dieser Jahre, der Großmutter Anna Liszt und ihrer Erzieherin Louise-Adélaïde Patersi de Fossombroni, kurz  : Madame Patersi, zwei alte Frauen, die hier ihre Familie bilden. Ein Familienfoto mit den Eltern gibt es nicht. Ganz am Rand, wie nur hineinspähend, der kleine Bruder Daniel. Cosima ist der hohe Mittelpunkt des Bildes. Sie beugt sich dem Fotografen etwas entgegen, fixiert ihn, hält Kontakt. Auch hier schon die aufwendigen Kleider, gefältelte Umrahmungen des Ausschnitts, natürlich maßgeschneidert. Sie ist die schmalere, die Zeit, in der sie »Cigogne« gerufen wurde, ist noch nicht lange vorbei. Anders als ihre zwei Jahre ältere Schwester hat sie keinerlei Andeutung weiblicher Oberweite. Die aufrechte Haltung, das Konzentrierte und in gewisser Weise in sich Ruhende wird bleiben. Auf einer seltenen Aufnahme ist die inzwischen erwachsene Cosima allein mit dem Vater zu sehen  : Liszt sitzend und übrigens nachdenklich wegschauend, nicht die Tochter ansehend, und Cosima stehend (Abb. 18, S. 155). Die Verbindung zum Vater bildet ihre auf seiner Schulter ruhende Hand, sie lehnt sich ein wenig an ihn, aber ihr Blick geht von ihm weg, wieder geradlinig in die Kamera. Ihre Locken sind gehalten von einem Spitzenschal, der den Kopf bedeckt und dann in einer langen Schleife bis zur Taille reicht. In ihrem Complet eine weiße Erscheinung, sehr ernst. Cosimas Porträts wurden später dann meist Geschenke für Richard, Liebesbilder, in denen sie mit ihrem direkten Blick eben auch ihn meinen konnte. Eine vor 1870 entstandene Aufnahme des Fotografen Joseph Albert in München zeigt Cosima sitzend, wieder einmal in ihrem geliebten Weiß, die schon leicht grau werdenden Haare locker und lockig um den Kopf, hinten zusammengenommen, um den Hals ein schwarzes Samtband, das Fältchen des hellen Kleiderkragens zusammenhält und zusammen mit dem Schmuck einen Gegensatz bildet zu dem schneeweißen Besatz aus feinsten Schwanenfedern am Kleid mit geschlitzten langen Ärmeln. Bei einer Bewegung würde das Gefieder sanft mitschwingen,

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Die Ikone 17  Cosimas Bildnis nach nach dem vor 1870 entstandenen Foto von Joseph Albert in einer kolorierten Holzschnittversion für den Zeitungsdruck.

aber es weht nichts. Es gibt keinen gestalteten Hintergrund, nur die schlichte Wand, die zulässt, dass alle Aufmerksamkeit sich in dem ruhigen Gesicht sammeln kann, aus dem viel Energie und Stolz spricht. Franz von Lenbach nutzte dieses Foto unter anderem als Vorlage für eine Ölkreidezeichnung (Titelbild) sowie für ein repräsentatives Ölgemälde. In letzterem lässt ein nun dunkler Hintergrund und ein zum Brokat hin gewandelter Kleiderstoff den Eindruck einer noch größeren Kostbarkeit und Überzeitlichkeit entstehen. Der eine Pol der bildlichen Darstellungen war diese Ikonisierung durch einen renommierten und hochbezahlten Maler ihrer Zeit, oft über Jahre nach Planung, beschwerlichen Reisen ins Atelier, schon auch mal nach Zerwürfnissen und Versöhnung entstanden und gleich an ihren wichtigen Platz im Gartensaal der Villa Wahnfried verfrachtet. Den anderen Pol bildeten die Popularisierungen, die hundertausendfach ihren Weg in die deutschen Haushalte fanden. So die beliebten bunten Sammelbilder von Liebig’s Fleischextrakt (Abb. 26, S. 219). Kleine, ziemlich grob gemalte Genrebilder, die zum Beispiel eine Serie über Richard Wagner boten, unter deren Nummer  5 »Die Insel der Seligen  – Triebschen« dargestellt wurde. »Wagner dirigiert das Siegfried-Idyll an der Haustreppe 1870« heißt der Untertitel und zeigt, wie auf der rechten Seite der den Taktstock schwingende Wagner, um-

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ringt von Musikern, gewissermaßen eine Männergruppe bildend, Cosima auf der linken Seite gegenübergestellt ist. Cosima mit dem kleinen Siegfried auf dem Arm, mit dunklen hochgesteckten Haaren, im Profil. Ihr gilt diese Veranstaltung. In den von der Presse veröffentlichten Karikaturen ist Cosima in vielerlei Variationen präsent. Als überlange Begleiterin Wagners, gefolgt von ihrem Noch-Ehemann Bülow im Kladderadatsch (von 1865), die prägnante Nase, die elegante Kleidung, das Vornübergebeugte, wie es große Menschen oft ausprägen. Als schwarz dahinfließendes Gespenst mit weißem Kragen und weißen Manschetten  : »Cosimama. Die Gralshüterin« (von 1904). Oder als krakeelende Alte (von 1913) auf der Treppe von Villa Wahnfried im fußlangen Nachthemd und mit dürren Armen. Bei beiden letzteren Karikaturen geht es darum, dass die Aufführungsrechte für Parsifal den Festspielen exklusiv vorbehalten bleiben sollen  – ein Kampf, den Cosima verloren hat. Bei all diesen auch hämischen Darstellungen aber bleibt Cosimas aufrechte Würde gewahrt. Es wird über sie gespottet, und nicht zu knapp, aber selbst hier wird ihre Ausstrahlung wiedergegeben, die in ihrer Haltung und in ihrem energischen Blick vielleicht sogar Züge einer leisen Aggressivität bekommen konnte. Ein besonderes Gemälde sei noch erwähnt, das der Bühnenbildner und Maler Paul von Joukowsky im Februar 1880 mit Porträtsitzungen in Neapel begonnen hat und das in seiner Anmutung singulär ist. Cosima trägt darauf das Ma(ha-) radscha genannte Prachtgewand (Abb. 1, S. 14). Wagner hatte es 1878 in Leipzig eigens für seine Frau anfertigen lassen  : »R. sagt, mein Gewand sei eines, wie Ale­ xander es getragen, nachdem er Dareios besiegt.« Er bezeichnete das am 5. Mai mit einer letzten Sitzung vollendete Bildnis scherzend schon vorab mit »Stabat mater colorosa«. Cosima wird stehend gezeigt wie ein fernöstlicher Potentat oder eine Kriegerin. Sie trägt eine Art gefütterten Kimono mit glänzendem Revers und dreiviertellangen Ärmeln mit sehr breiten Aufschlägen, der ein gleichfarbiges Gewand bedeckt mit noch einmal breiten und längeren Ärmeln samt doppeltem Aufschlag. Das Oberteil ist wie bei einer Rüstung gänzlich gerade, ohne den weiblichen Körper nachzuzeichnen, alles gehalten in dunkel- und hellroten Tönen mit goldener Stickerei, die abwechselnd Samt und glänzende Seide signalisieren. Keine Perlen, kein Jabot oder Schwanenflaum, aber eine goldfarbene doppelte Kordel um das Handgelenk, die am Kleid entlang herabfällt. Eine männlich stolze Haltung, die Arme locker hängend, die Hände entspannt gefaltet. Hinter ihr die historisierend wirkende Samtportiere. Cosimas Gesicht, halb von Schatten verdunkelt, ist in gelbgrauen Tönen gehalten, ein geschlossener Mund, der gerade Blick. Ein Eindruck, als wolle sie gleich nach dem Samurai-Schwert greifen, das da irgendwo stehen muss und mit dem sie umzugehen wüsste.

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In ihren Altersbildern schließlich – das Haar weiß, immer noch die Vorliebe für doppelt und dreifach gefältelte Roben, gern auch Kimonos oder breite, flügelartige Ärmel – ist der Blick zum Fotografen nicht mehr so fest. Nach wie vor aber lächelt sie nicht, sie schaut in sich, repräsentiert immer noch als Hausherrin von Wahnfried, als Retterin der Bayreuther Festspiele, als Mutter von fünf Kindern und vor allem, vor allem Siegfrieds. Auf einer Fotografie spaziert sie mit Siegfried in Bayreuth, schwarzes Witwengewand, schwarzer großer Hut, lange schwarze Handschuhe und ein weißer Sonnenschirm, unter dem allein sie geht. Der Sohn einige Schritte hinter ihr mit zwei Hunden. Sie dreht sich zu ihm um und so konnte dieser einzigartige Schnappschuss entstehen von einer Cosima, die dann doch einmal, wahrhaftig, lächelt. Aus den Altersbildern Cosimas weht einen eine übertragene Zeit an. Schwarze Spitze über bodenlangem hellen Kleid. Die noch immer kunstvoll hochgeflochtenen, weißen Locken, der gerade Rücken. Sie ist in einer gerade untergehenden Welt noch die Aristokratin. Die Fotografien und Gemälde von ihr grüßen noch aus der alten Zeit und lassen ihr das Verständnis, bestanden zu haben. Auf einem ihrer schönsten Altersbilder von Jacob Hilsdorf sind über dem schönen Gesicht ihre fast blind scheinenden Augen zu sehen.

20. Wagners Träume

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agner träumt viel. Und Cosima ist eine gequälte Chronistin der fast ­täglich berichteten Trauminhalte. Zuallererst und am häufigsten  : seine immer wiederkehrende, horrende Angst, dass Cosima ihn verlassen könnte. Eigentlich hätte Wagner darauf bauen können, dass sie sich nie von ihm abwenden würde. Aber das Gegenteil ist der Fall, obwohl Cosima ihm ihre Zuneigung, ihre Liebe und Leidenschaft und tägliche Treue immer wieder bekundet und zeigt. Er ist ihre Lebenspassion, aber ein innerer Zweifel, eine existenzielle Unsicherheit, ob diese Frau es ernst mit ihm meinen kann, bleibt ihm für die gesamte Zeit ihres Zusammenlebens. Immer wieder protokolliert Cosima, Wagner habe geträumt, »daß ich mich entfernen wollte, daß ich im Wagen saß und das Pferd gegen mich sich sträubte«, »daß ich fortging nach Chemnitz zu einer Taufe«, wovon er gleich zweimal träumt und sie vorsichtshalber fragt, »ob ich ihm doch gut bliebe, trotzdem er immer so lamentiere  !« Er träumt, »daß ich fort sei und daß er mich mit Gewalt rief, ohne meinen rechten Namen zu finden«, er träumt, »daß ich fortging, er mir nach  ; dem Zug nachlaufend, ruft er krampfhaft aus  : Nach Ansbach.« Und ein andermal  : »R. hatte keine gute Nacht. Er träumt von einem Hasen, der wie in der Luft läuft und dicht an seine Seite zuschießt, sich darin birgt. R sucht mich auf, um ihn mir zu zeigen, und ich bin fort  !« Und immer wieder  : »R. träumt, daß ich ihn verlasse.« Wie ein Ritual kehren die schweren Aufwachsituationen wieder, in denen Wagner von seinen Verlustängsten berichtet, die Cosima zu immer neuen Beteuerungen ihrer Liebe und Beständigkeit zwingen. Fast Tag für Tag. »Wir hatten eine üble getrennte Nacht, die Nachtlampen waren in Unordnung, dazu hatte R. den bösen Traum, daß ich, wahnsinnig geworden, mich von ihm trennen wollte  !« Oder, in Zusammenhang mit einer bevorstehenden Reise  : »R. wacht weinend und klagend auf, er hat geträumt, daß nach einer Ungezogenheit seinerseits ich ihn verließ, dazu vierhändige Sonaten vom Vater gespielt […], ich gegen alles Bitten unweigerlich entschlossen, fortzugehen  !« Welch eine Mühe für sie der je neuen Versicherung, er brauche sich nicht zu sorgen, welche Macht aber auch ist ihr übertragen, wenn die Sorge um die Trennung so groß und stetig neu entsteht  ! Man lernt den ängstlichen Wagner kennen, der wie ein vernachlässigtes Kind immer wieder Trauer zeigt und Verlassensangst, die bestimmt nicht in dieser Bindung an Cosima ihren Ursprung hat, sondern älter und komplizierter und unbearbeitet gewesen sein mag.

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Die überbordende Phantasie Wagners bearbeitet zudem die Spannungen und Streits, die es zwischen Cosima und ihm im Alltag dieser dramatischen Beziehung gab. »Aus einem schauerlichen Traum wacht R. auf, ich sei ­w ie[der] von ihm nach einem Zerwürfnis fort und wollte nicht mehr nach Haus […].« Morgens scheint Cosima ihn wie ein greinendes Kind erst einmal trösten zu müssen. »R. träumte wiederum, ich verließe ihn  ; und diesmal ist es kein Traum, habe er schlafend ausgerufen, und dieses ausrufend sei er bewußtlos geworden, und immer bewußtloser werdend sei er aufgewacht, und diesmal sei es erst recht ein Traum gewesen  !« Doppelt und dreifach  ! »R. hatte keine gute Nacht, zweimal wachte er durch den bösen Traum verfolgt auf, der ihn immer peinigt, wenn er nicht wohl ist  : daß ich ihn verlasse  ; diesmal mischen sich auch die Kinder hinein, die ihn mit tückischem Gesichtsausdruck ansehen und ihm sagen, sie würden ihn wohl ein Mal monatlich sehen.« Oder  : »Den ersten bösen Traum teilt er mir in’s einzelne mit  ; wir seien in einem öffentlichen Garten gewesen und ich hätte laut und eingehend erklärt, ich wollte nicht mehr mit ihm leben, nicht mehr seine Nörgeleien ertragen, und man habe mir recht gegeben, auch Cornelius, der dabeisaß und mit dem Kopf nickte.« Eine eigentlich wunderbare Möglichkeit, sich zu entschuldigen, ein schlechtes Gewissen auszudrücken, ohne in einem klaren Dialog die eigene Scham zum Ausdruck bringen zu müssen. Diese Verlassenheitsträume Wagners scheinen ein brauchbares Vehikel gewesen zu sein, zwischen ihm und Cosima Spannungen abzubauen und auf eine verquere, aber deutliche Weise Cosima erneut seine Liebe zu erklären. Wagner liebte auch die Selbstironie, das spielerische Beschreiben ihrer Beziehung. Cosima protokolliert  : »Wiederum hatte R. keine gute Nacht, zwei Mal stand er auf, und von einem beängstigenden Traum weckte ich ihn. Er scherzt, daß meine Abwesenheit dies verschuldete, und lacht  : ›Seit der Hafer aufschlug, kam er nicht wieder auf, das war sein Tod‹, – wie ich ihm seine Grausamkeit vorhalte, erwidert er  : ›Das muß dir doch lieb sein, daß du mein Leben und meinen Tod in deiner Hand hast – das Richardtum ist vollständig in das Cosmatum aufgegangen.‹« Diese Erhöhung, diese Mystifizierung, dieser Kotau, halb ironisch hingeworfen, aber doch genauso ausgesprochen und formuliert. Die Beziehung und ihre Machtpotentiale, die Frage der Priorität, der Stärke, der Überlegenheit von wem über wen. Hier geht es nicht nur um Liebe, um Zuneigung, es geht um das Signal, dass Cosima für Wagner eine Lebensnotwendigkeit sei, dass er sie brauche, jeden Tag neu, unabhängig von seinem musikalischen Tun. Es ist eine mütterliche, sorgende, geduldige, bedingungslose Seite, an die er da appelliert. Was ist das »Cosmatum«  ?

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Es scheint, als sei damit ihre Immer-Anwesenheit gemeint, ihre verlässliche Tröstung für ihn, ihre Liebesschwüre, die er in seinem »Richardtum« von ihr nicht mehr einfordert, sondern in Unterwerfung erbittet. Der Stolz des erfolgreichen Musikers, die großspurige und vorlaute Seite des anspruchsvollen Komponisten in der Öffentlichkeit, scheint für das Binnenverhältnis der beiden nicht zu gelten. Das »Cosmatum« ist auch Cosimas soziale Überlegenheit, ihre Geschliffenheit und Perfektion, die ihm fehlt, im Wechsel der Sprachen und des Umgangs. Es sind Unterlegenheitsgefühle, die ihn immer wieder treffen. Cosima notiert  : »R. schlief nicht schlecht, er hatte nur einen häßlichen Traum am Morgen  : Ich hätte einen Knicker mir auf die Nase gestemmt und sei in höhnischer Stimmung gewesen.« Die kalte Schulter, die Abwendung in Überdruss und Überlegenheit ist ebenfalls eine wiederkehrende Besorgnis  : »R. hatte eine gute Nacht, doch aber wacht er von einem Traume auf, in welchem er geweint hatte  ; ich wäre kalt und fremd gewesen und hätte fort gewollt  !« Und etwas anders  : »R. hatte keine gute Nacht und ich wohl in Folge der Übermüdung eine sehr erregte. R. träumte wieder von Kälte meinerseits und Fortgang  !« Und wieder anders  : »R. schlief aber unruhig, er wacht auf, von dem einen bösen Traum verfolgt, daß ich mit Hohn mich von ihm abwende  !« Noch eine Variation  : »Eine schlimme schlimme Nacht, alle Stunden beinahe hört er schlagen, und wenn er auf eine halbe Stunde einschläft, wecken ihn wildeste Träume, ich sei hochmütig gegen ihn und wiese ihn aus dem Haus  !« Cosima verwahrt sich gegen diese Assoziationen und Traum-Beschreibungen, aber auch diese Ängste und Unterlegenheitsphantasien Wagners sind Teil des Bildes, das wir uns von dieser Beziehung machen können und die mit einer eindimensionalen Beschreibung ihres »Dienens«, ihrer »Unterwerfung« allein nicht zu fassen ist. So berichtet er von einem Traum, bei dem Cosima eine große Gesellschaft gegeben habe und er in Hauskleidern, also unpassend angezogen war und die falsche Kleidung nicht wechseln konnte. Cosima ist dabei offenbar diejenige, die den Rahmen setzt, in dem er, Wagner, sich ungenügend fühlt, unpassend. »R. hatte seine sogenannten ›Feigheitsträume‹, Mangel an Geld, verächtliche Behandlung seitens der Menschen. Ich wollte nichts mehr von ihm wissen.« Er muss im Traum vom Pariser Opernorchester Hohngelächter erleben, er träumt, Cosima sei auf einer Reise aus dem Doppelbett ausgezogen und habe in ihrer Stube eine Art Lager hergerichtet, wo ihre hinzugekommene ältere Halbschwester Claire de Charnacé höhnisch gegen ihn gewesen sei. Alles Anzeichen, die auf Wagners fragiles Selbstbewusstsein hinweisen, deren Mitwisserin Cosima sein darf. Ihr gegenüber beschreibt er in fast kindlicher Ehrlichkeit, welche Ängste ihn heimsuchen. Insbesondere im Hinblick auf ihre gemeinsame »Schuld«, ihre Liebe in Zeiten noch bestehender erster Ehen, wurde Wagner in seinen Träumen gequält,

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die sein Unbehagen zum Ausdruck brachten. So träumt er von einem »Fürsten«, dem König von Bayern ähnlich, und wie dieser sich entfernt habe, »habe R. sich gesagt  : Wenn er nur nicht die gräßliche Schuld entdeckt  ; es war dies eine Art von Betrug, der zum Tode vielleicht führen müßte, […] unter gräßlichen Gewissensqualen wachte er, sehr unwohl, doch förmlich erlöst, auf.« Da liegt die Erklärung des Betrugs an Ludwig  II. nahe. Immerhin kann Wagner Cosima gegenüber von diesem inneren Kampf berichten. Zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt geht es in einem Traum wieder um eben diese Schuld, dieses Mal aber sehr viel deutlicher unter Einbeziehung Cosimas  : »R. träumt von meiner Hinrichtung, ich hätte mit meinem Vater abgemacht, daß, um meine Verheiratung mit R. zu büßen, ich mich hinrichten lassen müsse […].« Überhaupt lässt Wagner Cosima in verschiedenster Weise in seinen Träumen sterben. Er sieht sie »auf der Totenbahre, von den Kindern umgeben.« Er träumt, »daß ich mich in’s Wasser stürze, und wacht in Tränen und Schreien auf«, er träumt, »daß wir uns, er und ich, in der Bade-Wanne ertränken wollten«, er träumt, »daß man mich umbringen wollte und er mich nicht verteidigen konnte.« Da war in der Verlustangst die Aggression nicht fern. Auch die anderen beiden Männer in Cosimas Leben mit den älteren Rechten – der Vater und Bülow – spielen in diesem endlosen Tauziehen ihre Rollen. Wagner träumt, dass Hans bei ihnen sei und Cosima das Nervenfieber habe, er träumt, daß Cosima Hans den Fuß küsse, das Kräftemessen beider Männer als Dirigenten darf bis in die Träume hineinragen. Cosima an Hans von Bülow von neuem zu verlieren, war dabei nicht mehr Thema, zu klar hatte Cosima sich zu Wagner bekannt und die ganze Auseinandersetzung um Kinder und Scheidung auf sich genommen. Von ganz anderem Kaliber bleibt dagegen Franz Liszt  – auch er ein hintergangener Freund und dazu ein glänzender Musiker. Liszt verurteilte Wagners Verbindung zu Cosima, aber er tat immer wieder viel für den Musiker Wagner. An der Missbilligung litt die ganze Familie, Cosima entschied sich im Konfliktfall eisern für die Loyalität zu Wagner, dieser aber war von ständigem Zweifel geplagt. Cosima berichtet über eine »sehr böse Nacht«  : Wagner habe »vom Vater geträumt, daß dieser ihn geringschätzig, zerstreut behandelte und R. sich sagte  : ›Warte, du kennst meine letzte Partitur noch nicht, dann wirst du mich schon anders beachten, oder wärst du schon so dumm geworden, dieses nicht mehr zu verstehen  !‹ Ich hatte auch vom Vater geträumt, und wild und wüst.« Schlimmer noch die Befürchtung, dass Liszt sich durchsetzen werde  : »R. hatte eine gute Nacht, aber einen traurigen Traum  : Ich lief mit meinem Vater davon, so rasch, daß er mich nicht einholen konnte.« Er träumte, »daß ich mit meinem Vater fortziehen wollte«, hatte aber das Glück, dass in dem Moment der

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Hahn zu krähen anfing.« Oder eben der Klassiker, dass Cosima ihm im Traum erklärt habe  : »Mein Vater geht heute fort, ich muß ihn begleiten.« In der Realität hat Cosima sehr sehr selten und immer nur unter Inkaufnahme heftiger Kräche entschieden, den Vater zu besuchen oder ein Kind zu dessen Besuch beim Großvater zu begleiten. Nicht nur in seinen Träumen bangte Wagner darum, in der Beliebtheitsskala bei Cosima unangefochten die Nr.  1 zu sein. Er fing schnell und beleidigt Streit an, sowie das Thema Liszt aufs Tapet kam.

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21. Das andere Dreieck

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in verlassener Ehemann, ein Geliebter und dann Ehemann, ein Vater. Alles Musiker, alles Besessene. Alle mit Cosima aufs Privateste verbunden. Den ersten Ehemann hat sie aus ihrem realen Leben im Großen und Ganzen nach ihrem Bekenntnis zu Wagner heraushalten können. Sie schreiben sich, sie hat ihn lebenslang in ihrem Gewissen als Mahner und Beschwerdeführer, aber mit Hans von Bülow gibt es kaum Begegnungen  ; es gibt Briefe, Geldangelegenheiten, die Scheidungsarie, die Berichte über die Kinder an ihn. Er ist als Vergangenheit präsent, aber teilt in keiner Weise den Alltag. Dies aber ist der Fall mit Wagner und Liszt. Hier geschehen Besuche, längere Aufenthalte, Aneinander-vorbei-Fahrten, Missverständnisse, Erwartungen, Spitzen, Enttäuschungen reichlich. Die töchterliche Bindung will, dass sie, wenn nicht ganz, so doch viel und lange und fürsorglich und aufmerksam sich dem Vater widmen kann. Gleichzeitig will sie dem Vater zeigen, dass es ihr gut geht an der Seite Wagners, dass sie für sich die richtige Entscheidung getroffen hat, ihn zu wählen und Bülow zu verlassen. Liszt, der katholische Vater, nimmt ihr diese Scheidung, den Ehebruch, die ganze Geschichte lebenslang übel, auch wenn er jeweils seine entspannte und zustimmende Seite zeigen will. Und jede Stunde, die sie allein mit Liszt verbringt, verärgert Wagner, jede Stunde, die sie zu dritt oder in Gesellschaft verbringen, kämpft Wagner um seine Position und betont seine musikalische Überlegenheit gegenüber Liszt ebenso wie seine Stellung als Gastgeber und Herr im Haus. Wagner hat über Jahre immer wieder die Einladungen an Liszt ausgesprochen, hat fast unhöflich stur darauf beharrt und sozusagen den jeweiligen Entschluss von Liszt zur Reise als Zeichen der Zuneigung, vielleicht der Absolution gewertet. Wenn er aber dafür Veränderungen im privaten Ablauf hinnehmen sollte für diesen Besuch, war die schlechte Laune vorprogrammiert – und damit eine neuerliche Übungszeit für Cosima in Stillehalten und lächelnder Vermittlung. Wagner fand Liszt anstrengend, provozierend, eine stete Erinnerung an Cosimas Herkunft und an die frühen Zeiten, in denen er der Unterstützung Liszts bedurfte und sie gern annahm. Liszt zeigte sich ihm gegenüber immer großzügig, aber auch beharrlich in seinen eigenen Ansichten  ; er ging seinen katholischen Weg und ließ sich durch keine Spötterei Wagners beeinträchtigen. Und dass er mit der Fürstin von Sayn-Wittgenstein, die eine ebenso kluge wie auffällige Person war, zumindest lange Jahre eine Lebensgemeinschaft pflegte, war Liszts sou-

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18  Cosima mit ihrem Vater Franz Liszt 1867 im Münchner Atelier von Franz Hanfstaengl  : Cosima ist bereits vierfache Mutter, ihre Verbindung mit Wagner hat zu einer Entfremdung mit dem Vater geführt, der inzwischen im geistlichen Stand lebt.

veräne Entscheidung – wie schwierig der Kontakt mit Cosima und mit Wagner sich auch gestalten mochte. Zu dieser Art der Loyalität, die Liszt zu Menschen pflegte, war Wagner nicht fähig, obwohl doch auch und gerade er deutlich davon profitierte.

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Die Spannung, die Wagner gern aufbaut, kann sich aber auch zeigen in ihrem Gegenpol  : in freundlichsten Erwähnungen, so, wenn er bemerkt, Liszt sei »gewiß der originellste, genialste Mensch, der ihm vorgekommen« – und dann ergänzt  : »und nach ihm Hans, weil dieser Feuer habe.« Da ist es wieder, das Triumvirat, die drei begabten Männer, die sich schätzten und ergänzten und bewunderten reihum, einer den anderen, und der den anderen, und der wieder den ersten. Ein Ringelspiel. Die Männer haben die Musik gemeinsam – und Cosima. Cosima bildet das energetische Zentrum der Irritation, des Abbruchs der Sympathien und der doch trauernden Distanzierung der Männer untereinander. Liszt hält weiter über Bülow eine väterlich-unterstützende Hand, hat mit Wagner und Cosima fast gebrochen. Wagner versteht die Kränkung, die Bülow als betrogener Mann erlitt, besser als die Kränkung, die Cosima als Frau durch Bülow erlitt. Und Cosima darf sich jeden Tag durch ein anderes Signal von einem dieser drei Männer die Frage stellen, ob sie richtige Lebensentscheidungen gefällt hat  : Ob sie als Tochter in ihrer Kindheit durch eine andere Haltung die Zuneigung und Zuwendung des Vaters eher hätte erkämpfen können  ? Ob sie aus ehelichem Gelöbnis und als stützende Ehefrau bei dem so komplizierten, nicht herzlichen und sehr launischen Bülow hätte bleiben sollen  ? Und schließlich, ob sie die Entscheidung für Wagner mit gutem Gewissen leben darf  ? Hat sie dieses Glück verdient  ? »So denkt man sich im engsten Kreis herum«, kommentiert Wagner, »und dieser Kreis ist ziemlich gesprengt. ›Denn wenn die Frauen eintreten, die werfen alles untereinander – was bis dahin gut ging‹«, zitiert er eine Anmerkung zu seiner Nibelungen-Dichtung  : Die Mär von der Ordnung der Männerwelt ist hier angesprochen, die angeblich durch das Hinzutreten von Frauen aus dem Gleichgewicht gerät, wie mit Fricka, Erda und Brünnhilde im Ring. Und bis heute wird dieser Einwand bemüht, um Frauen von gesellschaftlicher Teilnahme fernzuhalten oder zumindest nur zögernd zuzulassen  – zu Aufsichtsräten, Orchesterleitungen, Sportgruppen, Theaterintendanzen, im Kunstbetrieb, bei Architektenrunden und in Chefredaktionen, von Priesterdiensten gar nicht zu reden. Kurz vor dem Scheidungstermin, der signalisiert, dass die Bülow-Ehe wirklich und wahrhaftig nicht zu retten sein wird, schreibt der zwei Jahre ältere Liszt an Wagner zu dessen 57. Geburtstag  : »In hellen wie trüben Tagen für und für mit Dir.« Ein persifliertes Heiratsversprechen, in guten wie in schlechten oder – als Lohengrin-Zitat – in trüben Tagen will Liszt zu Wagner halten. Ironie schwingt mit, Spielerisches, ein holpriger Reim, Pingpong zwischen zwei Männern, die sich letztlich schätzen.

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Als 1870 in München Die Walküre uraufgeführt wird, erfährt Cosima nur durch Dritte und aus der Presse, dass Liszt mit Freunden eine Vorstellung besucht hat und hinterher zu ihrem Befremden weiterfuhr zu den Oberammergauer Passionsspielen. Es herrscht Funkstille zwischen Liszt und Cosima. Das Zerwürfnis zwischen Vater und Tochter saß schon länger tief. »Die Leidenschaft vergeht, die Gewissensbisse aber bleiben«, zitiert Cosima aus einem Brief Liszts an sie. Eine eindringliche, übergriffige Mahnung, die die Tochter als ihren Regungen ausgeliefert darstellt und überdies eindeutig Partei ergreift für Bülow – als sei es undenkbar, dass eine schlechte Ehe hinreichende Ursache für eine Trennung sein könne. Liszt selbst war einer solchen Regung gefolgt, als er und Marie d’Agoult auseinandergingen. Er hätte es wissen können. Cosima ist verletzt und verstockt. Ihre Freundinnen Marie von Schleinitz und Marie Muchanoff-Kalergis drängen sie in verschiedenen Briefen, doch dem Vater zu schreiben. Cosima aber möchte, dass der Vater persönlich kommt, von sich aus, unaufgefordert, um die Situation zu bereinigen und, so ist anzunehmen, sie hofft auf eine Entschuldigung des Vaters. Liszt lässt durch Mimi von Schleinitz übermitteln, er warte auf einen Brief der Tochter. Diplomatische Schachzüge, wer schreibt wem zuerst, auf wessen Würde hat welche der beiden Seiten Rücksicht zu nehmen  ? Als Cosima im Juni 1871 sich entscheidet, doch dem Vater über Muchanoff-Kalergis als vermittelnde Person zu schreiben, schickt diese den Brief zurück, der, wie sie annimmt, Cosima sehr viel Überwindung gekostet hat. Er sei gewissermaßen nicht mehr notwendig, Liszt habe sich besonnen. Zum Namenstag Cosimas schickt Liszt endlich einen Brief, er gratuliert zum Heiligentag am 26. September. »Sieh, das ist katholisch, das trennt uns«, schreibt er über die Tradition der Namenstagsfeier der Tochter, die dreizehn Monate später in der Stadtkirche von Bayreuth offiziell zum Protestantismus wechseln wird. Bereits vorher hatte Cosima sich Sorgen gemacht über diese religiöse Trennung zwischen ihnen  : »Wir sprechen vom Vater, was kann das für ein Wiedersehen geben, er in seinem geistlichen Gewande, ich, die Protestantin werden will, schon deshalb, um mit R. in einem Grabe zu ruhen  !« Cosima hat das Tauziehen um die rechte Religion für sich gewonnen. Sie hat inzwischen ein klares Standing. Ihre Verhältnisse sind geordnet. Ende des Jahres 1871 ist die Entfremdung fürs Erste überwunden. Cosima hat dem Vater im Oktober zu dessen Geburtstag gratulieren können, sie handelt aus einer klaren neuen Position heraus. Tribschen wird bald der Vergangenheit angehören, in Bayreuth wird Wahnfried entstehen und ein halbes Jahr später der Grundstein für das Festspielhaus gelegt werden. Liszt hat Rom verlassen, zwischen ihm und der Fürstin ist eine deutliche Entfremdung eingetreten, was kann

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er noch mahnend an Wagner und Cosima richten  ? Wagner ist offensichtlich auf Erfolgskurs, Liszts Stern leuchtet nicht mehr so hell, die Hierarchie ist zwischen den Männern klar. Wagner und Cosima werben um Liszt als Vater und Schwiegervater, als Familienmitglied. Im Spannungsfeld zwischen privatem und professionellem Urteil nimmt Wagner kein Blatt vor den Mund und kümmert sich um mögliche Verletzung Cosimas durch eben diese Äußerungen in keiner Weise. Eine Aufführung des Christus-Oratoriums von Liszt in Wien durch den Dirigenten Anton Rubinstein soll angeblich nicht gelungen sein, Wagner kommentiert  : »Wie sonderbar dein Vater  ; er läßt die schauderhaftesten Aufführungen durchgehen, lächelnd, wenn ich von Musteraufführungen spreche […]. Es kommt alles nur auf den Schein an, dahin resümiert sich die Kenntnis der Welt, und unsereiner wird als Bauer betrachtet, wenn er lieber nichts vornimmt als Unächtes.« Wagner will Cosima auf seiner Seite wissen, erhebt sich gleichzeitig verbittert über Liszt und bringt sie damit als Tochter nur in Bedrängnis. Welche Verleugnung ihrer töchterlichen Position liegt in ihrer Bemerkung zum Christus-Oratorium, in der sie »mit großer zunehmender Trauer« notiert  : »Eine große Begabung ist hier gänzlich fast vernichtet worden  !« Noch einige Tage davor hatte Wagner erstmals etwas aus dem Christus gespielt und kommentierte, »das Pfaffengeplärr nachzumachen, das ist doch ein Zeichen der Verarmung des Geistes«, während ihre erste Begegnung mit dem Werk ihr »keinen schönen Eindruck« gemacht habe, der sich wenig später »bis zum Grauen« steigerte. Cosima ist eingefangen in die Loyalitätsanforderung, die nicht nur Wagner an sie stellt, sondern sie auch an sich selbst. Wagner lädt also den Schwiegervater und Freund »in herrlichen Worten« zur Grundsteinlegung des Festspielhauses 1872 ein, die auch sein 59. Geburtstag ist. Aber Liszt wird nicht kommen. Die Fürstin soll nicht einverstanden gewesen sein, Liszt schreibt aber immerhin  : »Gottes Segen mit Euch, wie meine ganze Liebe.« Cosimas Vorbereitungen für diesen Festtag sind umfangreich, noch viel größer sind die Geldsorgen. Denn erstens hatte Wagner im Vorfeld von der Notwendigkeit gesprochen, »in Bayreuth die Leute, die zur Grundsteinlegung kämen, zu empfangen und [zu] bewirten, trotzdem wir eigentlich die Mittel dazu nicht haben und R. noch manche Schuld abzutragen hat  ; tiefste Sorge hierüber.« Und zweitens hatte sie vergeblich auf Gelder aus Paris gewartet, aus ihrem eigenen Vermögen, das von der Rothschild-Bank verwaltet wurde  : »Ich reklamiere und will bloß erfahren, ob nach meiner Trauung mit R. der Vater etwa den Befehl erlassen habe, mir nichts auszuzahlen.« Bei der Feier am 22. Mai 1872 geht alles gut und entspannt und festlich zu – ohne Vater Liszt. »R. begibt sich dann auf den Festplatz, wo trotz des Regens zahllose Menschen – auch Frauen – sich

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eingefunden, und legt den Grundstein.« Von der Baustelle geht es anschließend zum Festakt im Markgräflichen Opernhaus, Wagner dirigiert unter anderem Beethovens Neunte und lässt sich mitsamt seiner Patchworkfamilie feiern. Cosima schreibt  : »Im Opernhause holt mich R. aus der Loge, um neben ihm mit den fünf Kindern auf der Bühne Platz zu nehmen. Großartiger Eindruck, die ernstesten Männer haben Tränen in den Augen.« Gern hätte Cosima den Vater dabei gehabt. Zunächst gibt es von ihm keine Reaktion auf das, was in den Zeitungen und durch Bekannte berichtet wird. Cosima erhält nur einen üblen Brief von Hans von Bülow, »der mir es vorwirft, mit den Kindern auf die Bühne gegangen zu sein. Böser Eindruck.« Auch das Briefewechseln mit Liszt bleibt kompliziert. Cosima sinnt nach über des Vaters »Verhalten gegen mich«, dass er »gegen mich schweigt.« Erst im September 1872 kommt ein Brief des Vaters. Cosima und Wagner reisen sofort nach Weimar, um Liszt persönlich zu sehen und so ihr Bemühen zum Ausdruck zu bringen, die zeitweise stillgelegte Beziehung wieder aufleben zu lassen  : »Der Vater wohl und erfreut, schönes Zusammensein im Russischen Hof.« Liszt spielt »Am stillen Herd« aus den Meistersingern und »Isoldes Liebestod« auf dem Klavier. Cosima konstatiert eine »Seelenmüdigkeit des Vaters«, empfindet Liszts Leben gar als »Tragik«, worüber sie nachts viel habe weinen müssen. Als die Freundin Liszts, Olga von Meyendorff, Cosima tags darauf fragt, wie sie den Vater bei diesem Wiedersehen empfinde, bricht die Tochter zu ihrem Erschrecken in Tränen aus. Am Abend spielt Liszt auf Wunsch Cosimas unter anderem seinen Mephisto-Walzer und »gedenkt viel der früheren Zeiten, wo wir zusammen auf dem Markt in Berlin Obst kauften« und endlich sich der »alte Zug der Zusammengehörigkeit« einfindet. Es geht bei diesem Besuch im Kern um die Versöhnung zwischen Vater und Tochter, um deren Wunsch nach Absolution. Dass er den einen Abend »seine große Neigung zu mir zeigte« und damit einen Hauch alter Vertrautheit, ist am nächsten Tag schon wieder vorbei  : »[…] er sah mich kaum bei Tisch an.« So war es ein dauerndes Wechselspiel zwischen Erwartung und Enttäuschung, ein Muster, das Cosima nur allzu vertraut war. Die Skepsis Wagners gegenüber dem Schwiegervater bleibt bestehen. Als Liszts Gegenbesuch angedacht wird, spricht er sich sofort dagegen aus, ihm die Schlafstube Cosimas zu überlassen, die in der neuen Wohnung in der Damm­ allee für sie vorgesehen ist. Am 15. Oktober 1872 ist Liszt endlich in Bayreuth  : »Er hat eine schändliche Reise überstanden, nachts mit fünfmal Wagenwechsel etc.«, notiert Cosima, »[…] kommt zu Fuß mit Diener Mischka und Packträger, doch ist er heiter und gesund.« Es wird der Versuch eines entspannten Beieinan­

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derseins, soweit die drei Personen dazu imstande sind. Liszt spielt abends Klavier und entzückt damit alle, Wagner bringt mit »Ein edler Geist, ein guter Christ, es lebe Franz Liszt« einen Toast auf ihn aus. Aber darunter liegt natürlich der Anlass der Spannung – laut Fürstin Wittgenstein der »moralische Mord an Hans« –, der dafür sorgte, dass man sich so lange nicht sah. Cosima ist erleichtert und schmiedet sogar Pläne, Liszt ganz zu sich zu nehmen. Alle Beteiligten geben sich Mühe, den neuen Status quo einer einigen Familie zu behaupten, die Kinder helfen dabei, und auch die Musikerbrüderlichkeit zwischen den Männern stellt sich beim Thema »Parzival« und der eben erschienenen Broschüre Über Sänger und Schauspieler wieder verhalten ein. Liszt ist noch kein alter Mann, er ist 61  Jahre alt, in vielerlei Beziehungen verbunden – mit einem eigenständigen Reiseleben und nach wie vor viel Echo auf seine Kompositionen, mit einem spirituellen Lebensprogramm, mit der Gewohnheit, umworben zu werden. In die töchterlich-anerkennende Bindung Cosimas grätscht Wagner immer wieder in spöttischen, boshaften, neidischen Bemerkungen – mit gutem Gespür für Liebe, die nicht ihm gilt. »Nach Tisch spricht R. von dem Vater, der nichts zu tun brauche, bloß dazusein, und er risse die Frauen hin – ›unsereiner muß immer erhaben sein‹. Er tut mir sehr weh, indem er behauptet, daß ich in meinem Elemente, wenn ich beim Vater sei.« Zu einer Aufführung von Liszts Christus-Oratorium in Weimar, bei dem er selbst dirigieren wird, möchte Cosima hinreisen. Wagner ist empört, dass sie dies ohne ihn erwägt. Ende Mai 1873 fahren dann doch beide zusammen mit Daniela in die thüringische Stadt, wo die zwölfjährige Bülow-Tochter auch Verwandten ihres Vaters vorgestellt wird. Das Klima dieser Begegnung scheint eher frostig gewesen zu sein. Man stelle sich die Abfolge dieser Begegnungen vor  : Cosima trifft ihren Vater, der »angegriffen und zerstreut« wirkt  ; wenig später die Bülow’schen Verwandten, die abschätzend auf die vorgeführte Daniela und ihre Mutter schauen  ; und schließlich das abendliche Konzert mit dem Werk ihres Vaters  : »Um 6 Uhr in die Stadtkirche, bis 9 Uhr Dauer der Aufführung.« Zum Ende dieses Aufenthalts kehrt Erleichterung ein. »Vielfache Abschiede  ! R. begrüßt den Vater in schönen Worten bei der Abfahrt, und ich muß von ganzer Seele danken, diese Reise unternommen zu haben, denn er hat es einzig für mich getan.« Wagner hat Cosima wieder für sich allein. Im Sommer 1873 ergeht die Einladung an Liszt, der bei der Grundsteinlegung fehlte, wenigstens beim Richtfest des Festspielhauses dabei zu sein. Es ist die Einladung, an einem Triumph teilzunehmen, sich auch öffentlich mit dem neuen Paar, der Familie Wagner zu zeigen und so mit seiner Person die Festspiel­ idee zu autorisieren. Liszt sagt tatsächlich zu.

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»Für den Vater Wohnung im Reichsadler besorgt, ihm in Neumarkt entgegengereist, er kommt um die erwartete Zeit nicht  ; wiederum zurück«, beschreibt Cosima die Vorbereitungen mit einiger Aufregung. Erst mit Verspätung, »sehr müde und angegriffen«, trifft Liszt in Bayreuth ein, was aber kein Hindernis zu sein scheint, sich abends gemeinsam im privaten Rahmen zu treffen. Wagner tritt im Duett mit der Sängerin Marie von Moser-Steinitz auf. Cosima schreibt  : »[…] die Scene aus dem Fl. Holländer zu tiefstem Eindruck und Ergriffenheit, er selbst erschüttert, gerade diese Scene, in welcher er unsere ganze Situation wiedererkennt, vor dem Vater zu singen.« Es geht um nichts weniger als um Erlösung, Befreiung, Entlastung, tiefe Liebe. Dies alles, scheint Wagner zu signalisieren, kann Cosima mir sein und geben. Liszt darf schon mal die noch im Bau befindliche Villa Wahnfried sehen. Und nebenbei hat der Vater auch immer Nachrichten über Hans von Bülow, den ehemaligen Schwiegersohn, mit dem er regelmäßig in Kontakt ist. »Der Vater spricht mir von Hans, daß er wohlauf sei, daß seine Aussichten in England glänzende seien, daß er bereits 30 000 Th. für die Kinder zurückgelegt.« Man isst zusammen, Liszt findet, Fidi sei ein »merkwürdiger Junge«, und Wagner ist »einigermaßen verstimmt, behauptend, er sei übrig in meinem Zusammenleben mit dem Vater.« Zur Vorbereitung des »Hebeschmauses«, des Richtfests für das Festspielhaus, fährt Cosima mit den Kindern und Liszt zum Hotel Fantaisie, wo sie gemeinsam den Dekan treffen, der die Verse für den Polier schmieden soll. Sogar am Vorabend der Feierlichkeiten wird musiziert  : »Abends die Bergsymphonie vom Vater uns vorgespielt. Melancholische Stimmung des ganzen Tages und Umganges«, schreibt Cosima. Das Fest gelingt, aber das ändert nichts an den familiären Ambivalenzen. Wagner genießt den Besuch Liszts, die bestehenden Differenzen überspielt er nicht. Liszt bleibt noch zwei Tage. »R. dankt ihm innig, daß er gekommen ist, er allein von allen Freunden war bei dem Fest zugegen, er repräsentierte sie alle  ; so getrennt, so geschieden, war man an dem schlichten heitren Tag vereinigt  !« Die Form wird gewahrt, die Wagner’sche Überschwänglichkeit auch im Zeigen von Freundesliebe. Als Liszt abfährt, wird er von der ganzen Familie noch bis nach Bamberg begleitet – und schon stellt sich die alte Eifersucht wieder ein  : »In Bamberg Abschied vom Vater  ; da mich eine große Wehmut dabei überfällt, wird R. verstimmt, und er ergeht sich in den leidenschaftlichen Ausbrüchen, die mir bei jedem Wiedersehen des Vaters bevorstehen.« Drei Monate später versucht Liszt, wie bereits im März, noch einmal, Cosima einzuladen. Zu seinem 50-jährigen Bühnenjubiläum bereitet ein Festkomitee in Budapest für Oktober 1873 eine Ehrung vor  : »Der Vater scheint zu erwarten, daß ich hinkomme.« Wagner wiederum erwartet  – und so kommt es auch  –,

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19  Fiktive Szene im »Lila Salon« in Wahnfried  : von links Cosima, Richard Wagner, Franz Liszt und Hans von Wolzogen, Redakteur der Bayreuth Blätter. Gemälde von Wilhelm Beckmann von 1880.

dass Cosima sich nicht auf den Weg macht. Sie erörtern das Pro und Contra dieser Reise. Die Unentschiedenheit zieht sich so lange hin, dass Liszt Cosima »von der Nötigung, nach Pest zu reisen« entbindet und einem gemeinsamen Freund gegenüber vermutet, es sei für Cosima »ein zu großes Opfer, allein nach Pest zu reisen.« Eine peinsame Beschreibung von Cosimas Konflikt, denn reist sie zum Vater, lädt sie Unfrieden in Bayreuth auf sich, und bleibt sie bei ihrem Mann, kränkt sie den um Besuch bittenden Vater. Als sie danach an die verpassten mehrtägigen Feierlichkeiten zu Ehren Liszts denkt, ergreift sie »ein bitteres Gefühl davon, daß ich nicht zum Jubiläum des Vaters hinreiste. Ich muss weinen über diese Scheidung.« Manches Mal scheint es, als tanzten die Beteiligten miteinander einen Annäherungs- und Entfernungstanz, der jeweils die aktuelle Situation verabsolutiert, um dann wieder von der Gegenbewegung zu berichten. Im Frühjahr 1875 reist das Paar zunächst nach Wien und dann nach Budapest, wo Wagner Konzerte dirigieren wird. In Wien erwartet Wagner die herbe Enttäuschung, dass Liszt

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bei seinem Konzert nicht dabei ist  : »R. sehr unwillig gegen Pest, die Nicht-Mitwirkung des Vaters in Wien kränkt ihn sehr«, er denkt im Gegenzug daran, »Pest aufzugeben.« Als sie dort schließlich ankommen, ist der Vater »wohl, heiter und entschieden froh, uns zu sehen«, während bei Cosima nach den ersten Begegnungen ein »seltsam wehmütiger Eindruck« entsteht. Gleichzeitig aber vergeht kein Abend, an dem Liszt nicht Klavier spielt, entweder im privaten Rahmen oder aber als Konzertpianist. Die nachträgliche Beurteilung wird, wie so oft, als gemeinsame von Cosima und Wagner geäußert  : »[…] Der Vater spielt das Konzert von Beethoven zu unserem völligen Erstarren  ; unerhörter Eindruck  ! Unvergleichlicher Zauber, kein Spielen, ein Ertönen. Richard sagt, dies mache alles tot.« Das gemeinsame Verständnis eines musikalischen Erlebnisses, ein transzendierendes Innehalten, wie es Liszt offenbar mit seinem Spiel bewirken konnte, mit einem Eindruck, der alles zum Schweigen brächte, und für den Wagner ein hohes Lob findet. Einige Monate später, kurz vor dem Probenbeginn für die ersten Festspiele in Bayreuth, fährt Cosima nach Weimar zum Vater, eher aus gesundheitlicher Sorge  : »Der Vater leider sehr unwohl, für mich erschreckend  !« Cosima erhält an diesem Tag in Weimar einen Brief Wagners  – ausnahmsweise auf Französisch  : Ich bin dabei, sagt das, bei eurer französischen Familienkumpanei  ! Ein merkwürdiges, drängendes Zeichen für eine fünftägige Reise. Auch bei diesem Aufenthalt ist Wagners Musik gegenwärtig, Cosima besucht mit »zerrissenem Herzen« eine Vorstellung von Tristan und Isolde. Beim Besuch Liszts in Bayreuth zu Ostern 1877 scheint der Umgang zwischen den dreien besser zu laufen. Liszt berichtet über Wien, wo er sich für das Beethoven-Denkmal einsetzte, er spielt abends aus eigenen Werken, auch am Karfreitag, tags zuvor hatte Wagner den 1. Akt der Urschrift der Dichtung des Parsifal beendet. Welch eine Verflechtung der musikalischen Stile, des Zeigens von Präsenz, der Behauptung des Zentrums einer abendlichen Familiengesellschaft  ! »Dein Vater, du und ich, wir kommen mir vor wie ein Überbleibsel einer untergegangenen Art, wie das Mammut«, bemerkt Wagner bei einem der nächsten Besuche. Wir drei sind etwas Besonderes, vielleicht auch Altmodisches. Wir haben einen gemeinsamen Boden, auf dem wir stehen, uns verbindet Existenzielles. Und so lobt Wagner Liszt einige Tage später  : »Ich kann dir nicht böse sein, da du mir deine Tochter geboren hast.« Zwei Männer tauschen ihre Wertschätzung aus, in diesem speziellen Falle ein Geschenk, ein lebendes Geschenk, für das sich der eine beim anderen artig bedankt. Dieser Dank ist umso verlogener, als Wagner Cosima ja gegen den erklärten Willen Liszts gewonnen, also nach dieser Perspektive eher geraubt, denn »erhalten« hatte.

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Mit Wagner und Liszt hatte Cosima zwei denkbar unversöhnliche Lebenskonzepte vor Augen. Einerseits der erfolgssatte Liszt, dem es um Reduzierung seines Glanzes ging, der zweiter Klasse fuhr und bescheidene Hotelzimmer wählte, der inzwischen nur mehr ein geistliches Gewand, seine Soutane trug, zu der ihn die niederen Weihen berechtigten, der gern und großzügig kostenlosen Unterricht erteilte und Waisenhäuser und die Errichtung von Denkmälern unterstützte  ; im Hintergrund das selbstverdiente Vermögen, von dessen Zinsen gut zu leben war. Seine Schwäche, das Trinken, mag zu diesem Lebensentwurf aus Liszts Sicht durchaus erlaubt gewesen sein. Wagner wiederum lebte das großspurige und laute Gegenteil. Für lange Zeit seines Lebens gesellschaftlich eben noch nicht anerkannt, mit jahrzehntelang heimlich und öffentlich geteilten Geldsorgen, mit dem unbedingten Wunsch, die eigene Präsenz üppig und prächtig zu gestalten, sehr lange in dem Eindruck, dass er den Durchbruch zum Ruhm nicht schaffen könnte und dafür noch immer sehr viel Kraft einsetzen müsste. Das Bild der beiden Männer voneinander war reziprok. Wagner beneidete Liszt, Liszt erkannte uneingeschränkt Wagner als den größeren Musiker an. Von beiden Charakteristiken war etwas in Cosima vorhanden. Sie konnte, gestärkt durch ihre Erziehung und die finanzielle Unabhängigkeit von Kindesbeinen an zu einem inneren Rückzug finden, den »Dienst« und die religiöse Frage um Schuld und Sühne zum Motiv ihres Lebens und Tuns machen. Gefordert als Wagners Managerin und Geliebte übernahm sie aber auch Züge Wagner’scher Rücksichtslosigkeit, um sich und ihm Raum zu verschaffen – wenn auch besser erzogen, eleganter, souveräner als er. Im ruhigen August 1878, denn die nächsten Festspiele werden erst 1882 stattfinden, ist Liszt wieder zu Besuch in Bayreuth. Er ist kein anspruchsvoller Gast und spricht an diesem Ort nicht unbedingt von seinen eigenen Kompositionen und Konzerten. »Die unsägliche Bescheidenheit meines Vaters in Bezug auf seine Werke rührt auch R. sehr, welcher seinerseits herrlich heiter erklärt, er habe so vieles aus den Symphonischen Dichtungen ›gestohlen‹ …«. Liszts Symphonische Dichtungen, notiert Cosima zwei Tage darauf, nennt Wagner »un repaire des voleurs [Diebesnest], worüber wir herzlich lachen müssen.« Was ist das für ein Lachen  ? Bei Liszt Themen gestohlen zu haben, wäre eine Beichte wert gewesen. So, wie viele ihn erlebten, würde Liszt sich generös gezeigt haben. Es kommt ihm nicht darauf an. Gern, weil du es bist  ! Vielleicht sogar – verlogen – ist es ihm eine Ehre, von Wagner zitiert zu werden. Die Beichte wird weggelacht. Cosima nimmt durch ihre Loyalität zu Wagner in Kauf, den Vater klein zu halten, fast zu bespötteln, eine Gegenwehr oder einen Tadel Listzs über das Stehlen, das unbesprochene Verwenden von Musik des Anderen, im Keim zu ersticken.

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Ein schlechtes Gewissen mag auch erfinderisch machen. Zu Liszts 67.  Geburtstag trinkt die Wahnfried-Familie in Bayreuth auf den abwesenden Liszt. Wagner hatte ihm eine lateinische, also akademische Depesche geschickt, die ironisch daran anknüpfte, dass Liszt sich in seinen Kompositionen in diesen Jahren hauptsächlich mit geistlichen Texten und Themen beschäftigte  : »Magnificat anima nostra, Patrem optimum Franciscum, Richardum Cosima cum familia.« Eine Paraphrasierung des »Magnificat anima mea dominum« (Meine Seele preist den Herrn) in  : »Unsere Seele preist den höchsten Vater Franz. Richard, Cosima mit Familie«. Lustig und vielleicht ein wenig überheblich. Dieser »Scherz« zeigt ein weiteres Mal die Ambivalenz ihrer Beziehung. Zwischendurch gibt es entspanntere Zeiten, wenn die Wagnerfamilie sich nach Italien zurückgezogen hat und Liszt sie 1880 in Siena besucht. Aber auch dort kann Wagner seine Eifersucht nicht verhehlen, wenn er Liszt gegenüber witzelt  : »Kaum habe ich eine vernünftige Frau gefunden, so muß sie deine Tochter sein und mir dadurch abwendig gemacht werden.« Irgendeine Beschwerde, ein Nörgeln, ein Recht-behalten-Wollen gab es immer. Die Tatsache, dass der Maler Lenbach zwar von Liszt, aber mitnichten von ihm eine Ölkreideskizze angefertigt hat, verleitet Wagner zu der Anmerkung, er sähe sich sowieso lieber fotografiert. Und alle zwei, Wagner und Cosima, sind sich unbedingt darin einig, das »lästige Verhältnis« zu Fürstin Wittgenstein am liebsten aufgelöst zu sehen. Beide wünschen sich dies gewissermaßen als Voraussetzung dafür, dass Liszt eines Tages wirklich zu ihnen übersiedeln könnte  : Sie sprechen »wiederum von meinem Vater, seiner Behexung und der Möglichkeit, ihn ganz für uns zu gewinnen, wobei er – wie R. meint – nur ruhig Vermögen und alles aufgeben sollte, da alles in Händen der Fürstin ist, und bei uns bleiben. Unser Gespräch verliert sich über Macht der Frauen über die Männer, R. sagt  : ›Ja, bei der Eitelkeit fassen sie sie.‹ – – Und er meint, daß im Orient doch schon eine bessere Form des Verhältnisses gefunden worden war.« Was hier immer als einige Ansicht des Paares Wagner wiedergegeben wird, betrifft Wagner und Cosima dennoch auf sehr unterschiedliche Weise. Die Fürstin bedeutet für Wagner eher einen Lästerbezug, eine Frau, über die er seine Häme ausgießen kann, weil sie in ihrer unabhängigen, gebildeten, vermögenden und – nicht zu vergessen  – ungleich höher stehenden sozialen Stellung eine einzige Provokation für ihn gewesen sein muss. Für Cosima war die Fürstin hingegen die damals wieder neue »Mutter«, nach der Großmutter, nach den Bonnen, den Erzieherinnen und Gouvernanten im Internat – eine Frau, mit der sie vielleicht zunächst durchaus Hoffnungen verband auf neue Zeiten, neue Anerkennung, neue regelmäßige Begegnungen mit dem Vater, die allesamt enttäuscht wurden.

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Als erwachsene Frau nimmt Cosima ihren Vater vor der Fürstin sozusagen in Schutz. Liszt weiß sich und der Fürstin das eigene Terrain zu wahren, die von Cosima gesuchte Nähe zum Vater eher in Distanz zu verwandeln. 1882 sind die inzwischen groß gewordenen Bülow-Töchter Daniela und Blandine häufig beim Großvater und berichten an Cosima von Reibereien zwischen Liszt und der Fürstin, die Cosima interpretiert als »Quälereien, denen mein Vater ausgesetzt ist.« Und sie fährt fort  : »Wie ich nach Tisch mit R. allein verbleibe, muß ich bittere Tränen vergießen. Ein so groß angelegtes Wesen« – sie meint ihren Vater – »und ein so jammervoll verpfuschtes Leben, wie einem bösen Hexen-Zwang preisgegeben. Indem wir mit R. darüber sprechen, geht es uns auf, wie seine Gabe, die Virtuosität, ihn zur Äußerlichkeit verdammte, und hiermit ist wohl alles traurig erklärt. Wir beschließen es, im gegebenen Augenblick einen letzten Angriff auf ihn zu machen, um ihn zu bestimmen, mit allem zu brechen und bei uns zu bleiben  !« Diese Umschreibung eines Erziehungsprogramms für den alten Vater zeigt sehr deutlich, dass beide sich anmaßen, Liszt als gescheiterte und neu einzubindende Existenz nach ihren Maßstäben zu beeinflussen. Hinzu kommt, dass die Charakteristik Liszts nur als »Virtuose« die Hierarchie beider Männer für Wagner zu entscheiden scheint. Die Wohltaten, die Liszt Wagner getan hatte, mussten Wagner in eine Form der Dankbarkeit zwingen, die ihm zuwider war. So suchte er immer wieder nach Schwachpunkten bei Liszt und eigenen Überlegenheitsbeweisen bei sich. Und sie denken sich kleine hämische Jokes aus  : »Wie wir zum Abendbrot uns setzen, sagt R. zu mir, ich sollte der Fürstin W. telegraphieren  : ›Mein Vater bleibt, mein Mann kommt, Krug kann nicht‹ – was uns sehr lachen macht«. Was für eine merkwürdige Phantasie, die damit spielt, dass Liszt nicht zu Carolyne heimkehrt, stattdessen der ihr ziemlich verhasste Wagner käme und schließlich, so ist zu vermuten, der von der Fürstin angefragte Diener Heinrich Krug schon gar nicht kommt. Ein kleiner aggressiver, als Scherz verpackter Angriff. In der Verurteilung der Fürstin ist Cosima wankelmütig, sie hat kein gutes Verhältnis zu ihr entwickeln können, aber sie war auf eine Weise früher ihre Schutzbefohlene und darüber hinaus schätzt sie deren Tochter Marie. »Bei Tisch Besprechung des Schicksales von meinem Vater, auch von Caroline W. , und da ich einzig ihrer großen Seiten gedenke und erwähne, daß, wenn sie gegen uns heftig wurde und meinen Vater aufreizte, es aus Kränkung durch R. geschah, der sich einmal ihren Besuch verbat, so sagt mir R.: ›Gut, aber wenn sie Größe hätte, so mußte sie verzeihen, es zu einer Erklärung kommen lassen, anstatt nur zu hetzen  !‹« Cosima nennt unerschrocken und klar, dass Wagner die treibende Kraft in dem immer weiter aufrechterhaltenen Zerwürfnis war. Im Hinblick auf seine

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eigenen Werke allerdings lobte er Liszt gern  : »Wie R. zum Frühstück hinzukam, sprach man von Stimmführung, und es freute ihn sehr, daß mein Vater der Führung im 2ten Akt Lohengrin gedachte, der Chöre  ; niemand außer ihm beachte das, meint R.« Oder etwa in Erörterung des Siegfried-Idylls  : Beide »gedenken mit Freude der Anerkennung meines Vaters. ›O ho ho  !‹ ruft R. aus, ›mit allem, was an ihm ärgert, ist er doch ganz unvergleichlich  ; der einzige, der ein Gefühl für gewisse Sachen hat.‹« Dagegen genierte ihn nicht, Liszt immer wieder, wenn dieser bei Besuchen an gemeinsamen Abenden ein Stück von sich spielte, herb zu kritisieren. Bei Liszts Dante-Symphonie hat Wagner »ernste Einwendungen gegen den Stoff«, bei Liszts Bearbeitung von Aubers Oper Die Stumme von Portici findet Wagner die Tarantella »etwas zu lang« und »namentlich die Wiederholungen und Pausen dünkten ihm nicht gut«, bei Liszts Tasso bedauert er »die Ausdehnung der Klagen des Anfanges, das Kettenrasseln und das übermäßige Triumphieren am Schluß«, der Liszt’sche Hamlet erinnert ihn an einen »zerzausten Kater«, und Cosima berichtet, wie der ohnehin schon verstimmte Wagner aufbraust, nachdem er beim Kartenspiel verloren hat und Liszt seinen Mephisto-Walzer zum Besten gibt. Gute Miene zum bösen Spiel, in Wagners Herabsetzung ihres Vaters liegt eine große Respektlosigkeit gegenüber Cosima, die er aber in einen Kampf um sie umzudeuten weiß. So bringt Wagner durch ein Lob Wahnfrieds und ein Kompliment gegenüber Cosima gleichzeitig eine Rüge der Fürstin zum Ausdruck, indem er Liszt zuruft  : »Wenn du so ein schönes Haus hättest, würden wir dich viel öfter besuchen – oder so eine Frau.« Und geradezu frauenfeindlich und altherrenhaft gönnerisch kommentierte er Liszts Verhältnisse  : »Es spräche nicht für einen«, notiert Cosima im Sommer 1881, »wenn er es mit einer schönen und edlen Frau [Marie d’Agoult] nicht aushielte, dagegen häßlichen der Gefälligkeit wegen Beständigkeit widmete. Er fügt hinzu, daß […] eine häßliche ihm etwas Furchtbares sei, wenn nicht ein Strom von Güte ihr aus dem Gesichte einem entgegenkomme.« Die Fürstin Wittgenstein galt im Urteil ihrer Zeit als »häßlich«, aber auch Cosima entsprach in ihren Zügen keineswegs einem weiblichen Ideal. Beide Männer hatten sich jenseits gängiger Schönheitsnormen für ihre Partnerinnen entschieden. Vielleicht machte dies auch ein Motiv der Unruhe und ständigen Reibung aus, dass Wagner durchaus gewärtig sein musste, von Dritten in ähnlicher Weise herabgesetzt zu werden, wie er es selbst immer wieder mit Liszt tat. Das Jahr darauf, 1882, hatte noch mit einem scherzhaft gemeinten Telegramm an Liszt begonnen  : »We belong, we belong to the temperance society  !« Das

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bezog sich auf die Temperenzler oder den »Mäßigkeits-Verein«, wie Wagner es nannte, ein Lied, das beide schon öfter in unterschiedlichen Zusammenhängen angestimmt hatten. Das ist ein merkwürdiger Scherz. Sie machen sich lustig über die Enthaltsamkeitsbewegung, dabei mussten beide Männern sich immer wieder bescheinigen lassen, dass sie dem Alkohol durchaus gern zusprächen  ; insbesondere bei Liszt war wohl eine Abhängigkeit gegeben. Und so liegt in dem Zitat des damals sehr bekannten Temperenzler-Lieds einerseits eine Verbrüderung mit Liszt, andererseits ein irgendwie schiefes Anspielen auf das Zuviel  – vielleicht sogar bei ihnen allen drei. 1882 ist auch das Jahr des Parsifal-Triumphs, der Uraufführung von Wagners letztem Bühnenwerk, das er zuletzt zum Zentrum seiner Arbeit erhoben hatte. Aus dem Rückblick und der schon gegebenen Rezeption von Parsifal als ein einzigartiges, modernes und sehenswertes Opernwerk scheinen diese Festspiele in einem Klima der Freude und des Sieges geschehen zu sein, was wirklich niemand hatte vorhersehen können. Liszt ist Familien- und Festspielgast. »R. freut sich so über unsres Vaters Anwesenheit, daß er zu mir von der Bühne her eilt und sagt  : Das sei seine einzige Verwandtschaft  !« Wagner sucht Liszts Unterstützung. Am Tag vor der Premiere gibt es ein Treffen der Familie, der Künstler, einiger Honoratioren  : »Um 7 Uhr fahren wir zur Restauration hinauf, u. a. begrüßt [R.] seine Künstler, dann läßt der Bürgermeister meinen Vater leben, worauf R. das Wort ergreift und über meines Vaters Wert und Bedeutung für ihn in hinreißender Weise spricht.« Kurz nach der Uraufführung reist Liszt zum Ärger Wagners noch einmal nach Weimar, um später zu den Hochzeitsfeierlichkeiten seiner Enkelin Blandine zurückzukommen. Am 29.  August werden die zweiten Festspiele nach sechzehn Parsifal-Vorstellungen zu Ende gehen. »Wir haben einen letzten Mittagstisch mit meinem Vater, wobei es zu großer Expansion zwischen R. und meinem Vater kommt  ! Um 4 Uhr fahre ich mit meinem Vater in’s Theater.« Das letzte Mal gemeinsam im Festspielhaus – ein Triumph Wagners, der zum Schluss selbst dirigiert. Aber Liszt wird nicht bleiben. »Leider bringt die Nachricht der morgenden Abreise meines Vaters ein großes Auflodern von Entrüstung hervor.« Cosima hat viel hinter sich gebracht, der Abschluss der Festspiele lässt sie erleichtert zurück und traurig. »Regen  ! Abschied nach allen Seiten, für mich von meinem Vater.« Zur Erholung von diesen anstrengenden fordernden Monaten organisiert Cosima den schon lange geplanten Umzug der Familie in den Palazzo Vendramin Calergi in Venedig. Im November dieses Jahres hat Liszt dort seinen Besuch angesagt  : »[…] daß wir den Vater erwarten, macht R. unwillig wie jedes Hinder-

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nis  ; er ergeht sich über das Wesen meines Vaters, wie er uns nicht angehöre, wie wir eine Nummer seien wie so viele.« Wagner bringt sich schon vorab in Stellung. Die Fehde zwischen beiden, in der Cosima immer wieder fast aufgerieben wird, wirft ihre Schatten voraus. Am Ankunftstag bleibt Wagner wartend im Palazzo, »während wir meinen Vater abholen, den er auf der Treppe von Vendramin empfängt. Er hatte durchaus Fackeln vorher abbrennen lassen [wollen], und in Ermangelung derselben ist viel Gas erleuchtet. Mein Vater ist etwas ermüdet, doch wohler, als wir befürchteten. Mit dem Gespräch aber, trotz aller Herzlichkeit beiderseits, will es gar nicht gut gehen.« Die jetzt folgende gemeinsame Zeit muss für alle Beteiligten belastend gewesen sein – auch ohne das Ende zu kennen. Wagner geht es schlecht, er war wahrscheinlich von jeder Art von Überanstrengung, jeder Anstrengung überhaupt, schon überfordert und verlangt dennoch sich und Cosima ein »normales« Leben ab. Die Situation Cosimas ist, wie immer zwischen diesen beiden Männern, prekär. Alle Beteiligten, auch die Kinder sind da und einige Freunde, alle versuchen, für eine gute Atmosphäre zu sorgen. Wagner aber ist gereizt und unhöflich. Als Liszt seiner Enkelin Daniela, die krank zu Bett liegt, Gesellschaft leisten will – Lusch war schon beim Großvater in Berlin und beide stehen sich nahe  –, ist Wagner rundum empört, »er bricht in Wut aus.« Tags darauf kann Wagner nicht darauf verzichten, Liszts jüngste Kompositionen »durchaus sinnlos« zu finden und sogar gegen ein Beethoven-Quartett, das Liszt mit Lusch gespielt hat, zu wettern. Cosima muss weiter gute Miene zum bösen Spiel machen, »ich schweige still, traurig, daß ich nichts erwidern kann  !« Als Wagner an einem der nächsten Tage sich ein Klavierstück aus Liszts Weihnachtsbaum vorgenommen hat und Cosima ihn bittet, den Schwiegervater selbst daraufhin anzusprechen, antwortet er nur  : »Das würde grausam sein.« Cosima hat diese ablehnende und hochmütige Antwort Wagners provoziert. Sie möchte die Komponisten-Ehre ihres Vaters retten und weiß aus Erfahrung, dass eben dies durch ihren Mann nicht geschehen wird. Wagners präpotentes Verhalten ist eigentlich peinlich, Cosima erträgt die Ungerechtigkeit als weitere Strafe und Übung in demütiger Akzeptanz ihrer Lebensumstände. Selbst als ein gemeinsamer Mittagstisch sich wegen Liszt leider »etwas verspätet«, ist Wagner »sehr ärgerlich«, zumal er eine gemeinsame Unternehmung mit dem Schwiegervater nun nicht einhalten kann. Es bedarf eigentlich gar keines Anlasses, um die Gereiztheit zwischen den Männern aufspringen zu lassen. Wagner beklagt, dass er Liszt und dieser ihm fremd geworden, Liszt sagt, angeblich im Spaß, dass er gedemütigt worden sei. Es geht häufig um das Whistspiel, bei dem sich die Familie, oft unter Beteiligung der Töchter, abends begegnet und

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bei dem es, wie bei allen Spielen, gute und schlechte Verlierer gibt. Dabei wird Cosima oft zur eigentlichen Adressatin der Spitzen und leisen Bosheiten, der Beschwerden der Männer übereinander. Die Äußerungen von Ehemann und Vater enthalten ständige Appelle  : Gib mir recht  ! Gib mir den Vorzug  ! Für Cosima Stress pur und unerfüllbar. Sie möchte zu ihrem Mann halten, unbedingt, aber sie empfindet auch eine Bringschuld gegenüber dem Vater, wenn er denn kommt und die lange Reise auf sich nimmt, gewissermaßen seine Hand ausstreckt zu einer Art Familienfrieden. Wagner hingegen ergeht sich »in Anklagen gegen meines Vaters Wesen« und bleibt offensichtlich ungerecht. So zum Beispiel, als Liszt  – am Klavier sitzend  – durch den russischen Maler Alexander Wolkoff porträtiert wird und Wagner dieser Anblick so »unerfreulich« ist, dass er sich sofort wieder entfernt. Vielfältigste Anlässe für Überdruss, Nervosität, Eitelkeit, enttäuschte Liebe. Am 13.  Januar 1883 verlässt Liszt die Familie in Venedig. Genau einen Monat später wird Wagners Todestag sein. Wagner, vielleicht aufgrund seiner Schmerzen und Ängste, hatte sowohl Liszt als auch Cosima in vielfältigste Kränkungen hineingezogen. Das schwierige Dreieck blieb bis zum Schluss spannungsreich und letztlich unversöhnt.

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ahnfried, die neue großzügige Villa in Bayreuth, die privaten und gesellschaftlich öffentlichen Anlässen genügen soll, ist noch nicht fertig. Aber ihr Anspruch wird langsam erkennbar. Für Cosima und Wagner ein Thema, dass mit diesem Haus auch das Selbstverständnis ihrer Kinder berührt sein wird. Sie sorgt sich, »daß meine Kinder durch den Zuschnitt unseres Hauses sich verleiten lassen, sich für reich zu halten, und unachtsam auf ihre Sachen bleiben.« Sogar im Hinblick auf den erst vierjährigen Siegfried umreißen sie ein Bescheidenheitskonzept  : »Ermahnung an Fidi  ! Wir nehmen uns vor, ihn darauf zu erziehen, glücklich zu sein, einen kleinen Besitz geerbt zu haben, und nun mit äußerster Sparsamkeit seine Unabhängigkeit sich zu wahren, um mit der Welt nur den Verkehr des Mitleidens zu haben, nichts aber von ihr [zu] fordern und verlangen, denn das ist die Hölle. Er soll mit dem oberen Stock des Hauses sich begnügen, einen einzigen Diener sich halten und mit Hülfe seiner Bücher fleißig und frei sein  ; gedenken, was sein Vater darunter gelitten hat, daß er die anderen brauchte, die ihn nicht verstanden.« Die Aufforderung zur Bescheidenheit kommt eher von Cosima denn von Wagner. Sie, die ihr Leben lang über Vermögen verfügte und es später auch für die Wagnerfamilie gut zu mehren weiß, ist mehr bedacht auf diese Seite ihres Erziehungsideals als Wagner, der die meisten Jahre seines Lebens um Geld bangen musste und die ruhige Selbstverständlichkeit und freiwillige Sparsamkeit der Begüterten nicht kennt. Cosima beschreibt die neue Ausstattung von Wahnfried, darunter den Fries mit Abbildungen nach dem Ring, »welche in der Halle unseres Hauses geheftet werden  ; R. freut sich für Fidi, ich sage ihm  : ich möchte, er, R., hätte es also gehabt.« In kleinen Nebenbemerkungen wird die vorhandene Kluft in sozialer Hinsicht zwischen Cosima und Wagner zum Thema. Cosima hat bei allen Schwierigkeiten, die sie im Familienchaos erleben musste, nie Not gelitten, sich nie mit Gläubigern streiten müssen, nie Menschen wegen einer zu erhoffenden Zahlung halb oder ganz belügen müssen. Sie hat Sparsamkeit als Tugend erlernt. Internatszöglinge sind für ihre eigenen Dinge verantwortlich, lernen Ordnung und Verzicht. Tugenden, die Cosima auch für ihre Kinder hochhält und sie ihnen geduldig beizubringen versucht. In all diesen Situationen aber war sie gebettet in die Vermögen ihrer Eltern, in die generationenlange Begütertheit ihrer hochadeligen Mutter, in die beste finanzielle Lage ihres Vaters, der sich aufgrund seines musikalischen Erfolges immer großzügig zeigen konnte und für seine drei Kinder von Geburt an gern und

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reichlich aufkam. Cosima spart für die Kinder Konten an, sie korrespondiert mit Banken über Anlagen, sie erhält von Bülow für den gemeinsamen Nachwuchs Vermögenswerte. Den Umgang mit Geld nimmt sie sorgfältig und verantwortungsvoll wahr. Ein existenzieller Druck ist für sie nicht damit verbunden, es gehört zu ihren Kompetenzen. Für Wagner war Geld eine immerwährende Bedrohung, zu wenig, wann wieder, erbettelt, mit Werken erkauft, die er noch gar nicht fertig geschrieben hat, ein Angst- und Stresspunkt, auch eine Angelegenheit des Stolzes. Wagner war sich seines Werts als Komponist bewusst, er musste dennoch diese seine Leistung, bevor er Cosima traf, selbst in Geld umtauschen, erhandeln. Seine Klagen über den monetären Druck sind so zahlreich, dass sie zu einem Bild der Raffgier und des Nimmersatts von ihm geführt haben. Er, der sich mit teuren Dingen und Wohnungen umgeben wollte, musste sich dafür rechtfertigen. Da mag hineinspielen, dass der arme Künstler ein Mythos des 19. Jahrhunderts war, dessen Leistungen dann umso mehr zu gelten schienen. Für Wagner selbst war jedenfalls ein asketischer Künstlerweg nicht möglich. Die Erfahrungen von Existenz­ angst waren für ihn prägend. Hinzu kam neben der unterschiedlichen Erfahrung mit materiellem Wohlstand die so unterschiedliche soziale Erfahrung. Auch wenn sie nicht-eheliche Abkömmlinge waren, wuchsen die drei Liszt-Kinder doch als adeliger Nachwuchs auf, erhielten die Erziehung zum entsprechenden Kontakt mit der Erwachsenenwelt und lernten die Umgangsformen, die sie für ihre Zukunft brauchen sollten. Cosima wird von allen Zeitzeugen als brillant in ihrer Konversation beschrieben, wechselnd zwischen den beiden Sprachen ihres Lebens, anpassungsfähig im Umgang mit Menschen jeder Schicht, der weniger gebildeten wie der elitären. Sie bringt zustande, dass der deutsche Kaiser, die deutsche Kaiserin und deren Entourage 1873 ein Berliner Wagner-Konzert besuchen. Sie erinnert sich an »das aristokratische Publikum, das Berlin aufbieten kann, fast keine Juden  ; ich bin in der Loge mit Frau v. Schleinitz mit Marie Muchanoff, Frau v. Meyendorff, Frau v. Rochow, Bon Loë (der Adjutant des Kaisers), Graf Solms, u.s.w.«. Schon in ihrem ersten Tagebuchjahr 1869 kommt Prinz Georg von Preußen nach Tribschen zu Besuch, »dem ich R. vorstelle« und der später brieflich anfragt, wie sie seine selbst verfassten Stücke einschätzt und ihr »sehr peinlich« natürlich nicht übermittelt bekommt. Die Einhaltung der gesellschaftlichen Regeln sind ihr Prinzip, sie stellt dem Prinzen, obwohl der als Verehrer zu Wagner gepilgert ist, ihn, den Komponisten vor – und nicht umgekehrt. Sie bedient die soziale Hierarchie, nicht die künstlerische zwischen Meister und Jünger. Etliche der Namen, die Cosima in Zusammenhang mit dem Berliner Wagner-Kon-

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zert erwähnt, sind ihr gute und vertraute Freundinnen. Adolf Bayersdorfer, ein Münchner Kunsthistoriker und Schachkomponist, soll später über einen Besuch Cosimas in einer Gruppe etlicher hochadeliger Damen den Eindruck geäußert haben  : »Sie war die Fürstin, alles andere war Gefolge  !« Cosima scheint bei all den Wagner oder die Kinder sekundierenden Tätigkeiten ihren Hochstatus weiterhin ausgestrahlt zu haben. Wagner bezog sich auf unterschiedlichste Weise immer wieder darauf. »Gestern machte über Adel und ›von’s‹ Richard vor den Kindern eine Bemerkung, die mich betrübte, weil ich es lieber hätte, daß gewisse Fragen vor den Kindern gar nicht berührt würden.« Ein Spott vielleicht, der die große soziale Unterschiedlichkeit des Paares scheinbar kritisch streifte. Häufiger aber nahm Wagner mit Stolz und Bewunderung darauf Bezug. Er nennt sie sein »königliches Weib« und – in Form des frühen Lenbach-Porträts  – auch seinen »vornehmen Besuch«, er lacht mit ihr darüber, dass in einer alten französischen Satire Cosimas »Ahnen mütterlicher Seite (Flavignys) unter den Guten aufgezählt werden.« Wagner und Cosima tauschen sich hier über ihre abendliche Lektüre aus, die sogenannte »Bibel« von Guiot de Provins aus dem Jahre 1204, ausgewählt als thematisch verwandt zu Wagners geplantem »Parzival«  – und darin wird bereits die Familie Cosimas erwähnt  ! Welch eine Stärkung ihrer Position, welch eine Einschüchterung für Wagner. Gut, wenn beide darüber lachen können. »Er freut sich mit mir zu stolzieren«, notiert Cosima, und fünf Wochen später zitiert sie ihn  : »Du bist so traut  ; so stolz und vornehm du bist, bist du mir so vertraut  ; du bist die einzige vertraute Seele, alles so fremd. Mein Leben wäre mir gar nicht mehr möglich gewesen ohne dich. Wenn du hm hm gemacht und dich zurückgezogen, ich hätte dich nie gelassen, wäre immer um dich gepoppelt, wie Turgenjew um Mme Viardot, das wäre ein schöner Zustand gewesen  !« Dies scheinen fast spielerische Situationen, in denen durchaus eine Unsicherheit Wagners von ihm angedeutet wird. Es peinige ihn, beschwert er sich, wenn sie bei Tisch nicht nebeneinander sitzen, sondern gegenüber, »diese Sitte verdanke sich gewiß den herzlosen französischen Ehen.« Und er ist ebenso unglücklich, wenn er allein gelassen wird mit Cosimas Mutter, der Comtesse d’Agoult, mit der er dann auf Französisch parlieren muss. Die Herkunftsunterschiede waren für Cosima eine große immerwährende Aufgabe, indem sie einerseits wusste um diesen Teil an Faszinosum ihrer Person, auch für Wagner, anderseits aber unbedingt ihn als den höherstehenden, durch seine Kunst wichtigeren Menschen gelten lassen wollte und ihre Adelseinflüsse in seine Dienste stellte. Interessanterweise nahm Wagner die Stellung Liszts als Cosimas Vater viel deutlicher wahr und sprach zum Beispiel von dessen »aristokratischem einzi-

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gen Wesen, alles an ihm vornehm, fürstlich, grandios und dabei künstlerisch genial.« Er verstünde die Begeisterung, die Cosima und ihr Vater für seinen R ­ ienzi hätten, »denn es wäre dieser Zug des Adels darin.« Es entstand in Wagners Vorstellung wohl eine Schnittmenge aus dem sehr aristokratischen Aussehen Liszts und seiner Bindung an Marie d’Agoult, der tatsächlich aus dem Altadel Frankreichs stammenden Geliebten, sowie dem von Liszt erarbeiteten Vermögen, das diesen bald unabhängig machte von Brotarbeit jeder Art. Die Fürstin von Sayn-Wittgenstein wiederum, mit der Liszt zeitweilig zusammenlebte, war mit einer Million Rubel aus Russland geflohen. Was für eine Summe  ! Welch ein Reichtum, der selbst Liszt noch einmal sozial um Klassen beeindruckender werden ließ. Cosima war das Ebenbild ihres Vaters, sie verkörperte all dies als Erbin, da konnte sie so dezent und herunterspielend damit umgehen, wie es ihr wichtig war, um Wagner nicht zu verletzen. Dass dies nicht nur eine eingebildete Schwäche Wagners war, zeigte sich an seinen zahlreichen Anspielungen auf seine bescheidene Herkunft. Wagner spricht davon, durch die Verbindung mit Cosima »geadelt« worden zu sein, im Gegensatz zu einer reinen Geld-Heirat, die er nach dem Tod seiner ersten Frau Minna vielleicht hätte mit einer reichen Frau eingehen können. Cosima kommentiert das resigniert  : »Alles das muß ich immer anhören und kann nichts erwidern.« Sie spielt damit auf die heikle Balance zwischen Spott und Verehrung an, die Wagner in Bezug auf ihre Herkunft immer wieder und in neuen Facetten an den Tag legt, so dass sie das Thema ihrer unterschiedlichen sozialen Stufe am liebsten meidet. Er habe in seiner Jugend eben in einer »trivialen Umgebung« gelebt, in der er nicht einmal gewusst habe, wie der Dichter Shakespeare sich ausspreche, es gebe den »Fluch, ohne Vermögen geboren zu sein.« Mit der Verbindung zu Wagner, spätestens mit der Legalisierung dieser Liebe, wuchs Cosima zu dem Vorhandenen noch Weiteres zu. Sozial konnte sie ihren Status beibehalten, sein Aufstieg nahm ihr nichts von ihrer bisherigen Position, die repräsentative Vertretung des neuen Wagner-Hauses kam einfach hinzu. Für Wagner dagegen gab es vieles, was er mit dem Aufstieg vergessen wollte, womit er eher Scham als Stolz verband. Und natürlich würde er nie die gesellschaftliche Erfahrenheit und Gelassenheit seiner Frau erreichen können. Bei einer Geldangelegenheit, die beide besprechen, zeigt sich eine interessante Struktur  : »Manche Rechnung läuft ein, ich bemerke zu R., wie seltsam dies sei, daß ich, welche eigentlich keine Geldnöte gekannt, beständig in Sorge sei, und daß er, welcher so darunter gelitten, niemals von Angst befallen sei.« Es kreuzen sich die Erfahrung des Reichtums, bei dem Sparsamkeit nur das Vermögen mehren wird, und die Verschwendungsneigung desjenigen, der schnell ausgibt, was ihm jetzt

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zur Verfügung steht – wer weiß, wie lange es noch vorhält und ob nicht wieder verzichtreiche Zeiten kommen  ? Cosima sparte beständig auf irgendwelchen Konten kleine Vermögen für die Kinder an, sie kämpfte briefreich und entschlossen um Zahlungen, die ihr aus dem Vermögen ihrer Mutter zustanden, und sie zeigte sich verantwortungsvoll und dankbar für die Gelder, die Bülow ihr für die gemeinsamen Kinder zukommen ließ. Es ist nicht verwunderlich, dass Wagner ihr gern die Verhandlungen für Verträge überließ, konnte sie doch garantiert besser und gewandter um Summen verhandeln. Dies bedeutete nicht, dass nicht beide auch den Luxus liebten und lebten. Beide machen sich kostbare Geschenke, ob es Gemälde sind, die sie langfristig für einen bestimmten feierlichen Anlass in Auftrag geben, seien es extravagante Kleidungsstücke, die für Wagner mindestens so notwendig waren wie für Cosima. Als jüngerer Mann hatte Wagner seine prekäre finanzielle Lage temperament­ voll übertüncht mit großsprecherischem, präpotentem Lärm. Zu einer Zeit, als an die Verbindung zu Cosima noch nicht zu denken war, schrieb sein späterer Schwiegervater Liszt an die Fürstin Wittgenstein, Wagner habe »keineswegs demokratische Allüren«, seine Gewohnheit sei, von oben auf die Leute herabzusehen, »selbst gegen solche, die ihm eifrige Unterwürfigkeit zeigen. Er hat entschieden die Art und Weise eines Herrschers und er nimmt auf niemanden Rücksicht, oder wenigstens nur sehr wenig verborgen.« Cosima hat die Erziehung der Kinder in der Hand, sie ist diejenige, die entscheidet, wann und was sie lernen. Sie legt sich und ihnen ziemlich disziplinierte Tagespläne auf, die ihr Fortkommen und ihre seelische und gesellschaftliche Erziehung gewährleisten sollen. »Dass die Kinderchen alle immer so sauber aussehen, freut und wundert ihn«, lässt Wagner Cosima wissen, »er sagt, er begreift nicht, wie es ging, und käme sich so vornehm dabei vor.« Und er spielt dann mit der sozialen Bedeutung füreinander  : »Du bist mein Alles, ich dein Allerlei.« »Allerlei«, das Ungeordnete, vielleicht Wertlosere, aber auch Bunte. Als es Schwierigkeiten mit den beiden älteren Töchtern, den Bülow-Kindern, gibt, beraten Cosima und Wagner, die »Kindernot« und beschließen, sie »in ein adeliges Institut zu geben.« Cosima greift auf die Form der Erziehung zurück, die sie, die ihre ganze Kindheit nicht bei den Eltern aufwuchs, kannte. Die Töchter wegzugeben, schmerzt sie, aber sie verspricht sich Hilfe von einer dafür bereitgestellten professionellen Erziehung. Für Fidis Zukunft stellen sich beide vor, dass er über ein ausreichendes Vermögen verfügen sollte, um sich allein den Festspielen widmen zu können, am besten umsorgt von einer seiner Schwestern, die dann allerdings unverheiratet bleiben müsse. So ähnlich ist es sogar gekommen,

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nur, dass die Umsorgung durch die Mutter Cosima stattfand, solange Siegfried Wagner nicht verheiratet war. In Bezug auf die Zukunft Fidis merkt Wagner an, auch ihm, Wagner, hätte es nicht geschadet, »in einem solchen Besitz auferzogen worden zu sein.« Das Leben mit den Kindern und insbesondere Sohn Siegfried lässt ­Wagner immer wieder Vergleiche zu seiner eigenen Kindheit ziehen  : »Klage darüber, daß er […] kein angeerbtes Vermögen gehabt  ; Wunsch, Fidi etwas zu hinterlassen, daß er nicht für Geld arbeiten brauche.« Wie er es musste, ist die unausgesprochene Ergänzung. Als Cosima und Wagner mit den Kindern eine landwirtschaftliche Ausstellung besuchen, erinnert sich Wagner, wie er in den 1860er-Jahren in Paris »ohne einen Groschen« auf einer Tierschau unbedingt »einen Hahn im Preis von 800 Franken kaufen wollte, wenn ich den besäße, würde ich mir als etwas vorkommen, dachte ich.« Wagner begegnet sich in Fidi, und Cosima spekuliert, »daß er in der Kindheit ganz ähnlich wohlig und heiter gewesen sei und daß nur das Leben, welches die Ausströmung dieser Heiterkeit verhinderte, ihm das scheinbar Krampfartige gegeben hätte, was manchen als Grillenhaftigkeit erscheint. Er gibt es mir zu und sagt, daß schon gleich mit der Kindheit die Pauvretät des Hauses die ganze Entfaltung der Heiterkeit wie bei Siegfried nicht gestattet hätte.« Cosima empfand ihre eigene Stellung immer eher als komplizierte Last und Zwischenposition, hatte die Anstrengungen ihrer Erziehung eher vor Augen als die Vorteile ihrer daraus erwachsenen Unabhängigkeit. Dass sie vermögend war, verstand sich für sie von selbst. Die Kunst Wagners nahm sie in ihrer eigenen Wertschätzung um vieles wichtiger und ausschlaggebender für ihr Leben. Sie war die Managerin des großen Haushaltes, nahm diese Rolle leidenschaftlich an, verfügte selbstredend über viele helfende Dienstboten, so, wie sie es für angemessen hielt. Mit ihr hatte Wagner in dieser Hinsicht das große Los gezogen und er wurde nicht müde, dies auch auszusprechen. So vergleicht er sich zufrieden mit Liszt, dessen »ungemütliches Leben« er zum Glück nicht führen muss und freut sich am »häuslichen Leben«, das er nur durch Cosima zustande habe bringen können. Diesem Binnengefüge zwischen Wagner und Cosima stand die öffentliche Meinung starr gegenüber. Cosima merkt nach ihrer Hochzeit und den vielen Glückwünschen an, man scheine überall in Deutschland gesagt zu haben, »daß R. mich nicht heiraten würde.« Damit mag sie sogar Recht gehabt haben. Der Mut, als Ehebrecherin und Mitarbeiterin zu Wagner zu ziehen, ließ ihren Wert als Frau für die Öffentlichkeit sozusagen verfallen. Sie – adelig hin oder her – wurde in diesen ersten Jahren als Konkubine eingestuft, deren unklare Lebensverhältnisse ihr zugerechnet wurden, dem »Meister« wurden sie verziehen. Das Bild des

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bewunderten Künstlers, der sich als Mann doch nehmen soll, was er braucht. Die Leidenschaft wird ihm nicht nur nachgesehen, sie wird ihm herzlich gegönnt. Die Leidenschaft der Frau wird ihr nicht nur nicht gegönnt, sie wird ihr tatsächlich lebenslang nicht verziehen. Das satirische Münchner Blatt Kladderadatsch schrieb in Verballhornung des Mozart’schen Operntitels »Cosima fan tutte«.

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as Leben Cosima Wagners war nicht nur das, was sie tat und sein ließ, was ihr widerfuhr und was sie mit Wagner erleben durfte, es war ein Leben, in dem fortwährend Phantasiegestalten mit dabei waren, in den Räumen umherschwirrten, durch Lektüre beschworen wurden. Die germanische Sagenwelt, diese in der Gegenwart Cosimas und Wagners ganz junge Wissenschaft, die die althochdeutschen und mittelalterlichen literarischen Zeugnisse plötzlich ans Licht hob und Begeisterung auch für die bildende Kunst auslöste, dieses damals neue Pantheon wurde von Wagner aufgesogen und in ein Personaltableau seiner Werke umgewandelt. Das fast tägliche Vorspielen einzelner Passagen, die Konzerte von Ouvertüren, die gemeinsame Lektüre am Abend brachten immer wieder die Schemen von Gottheiten, Sagenheldinnen, frühen Konflikten aus nordischen Volksbüchern mitten in die Gemeinsamkeit. Was heute zum kulturellen Weltwissen gehört, die Grimm’schen Märchen mit ihren Geschichten von Prüfung und Rettung, die deutschen Volksmärchen mit Genoveva und Undine, die mittelalterlichen Epen mit Tristan und Parzival, die Dichtungen eines Hans Sachs, waren Entdeckungen, die die Einbildungskraft in Gang setzten, mit denen die Maler sich beschäftigten, die Wagner in seinen Werken mit Leben erfüllte. Das gemeinsame Erleben dieser Phantasiereisen gehörte für Wagner und Cosima genauso zum Alltag und zum Glück wie die Bewältigung der »Mühen der Ebene«. Wenn Cosima in ihren Notizen schreibt, es sei wieder einmal eine große Rührung entstanden durch das gemeinsame Hören eines bestimmten Aktschlusses, einer bestimmten Szene, dann erinnert dies daran, dass es keine Reproduktionsmöglichkeiten der Musik gab, sie musste produziert werden, jetzt. Jetzt hören  – und schon war sie vorbei. Bis wieder einmal genügend Musiker zusammenorganisiert waren, um ein Stück zu spielen. In der Inszenierungssprache für Wagners Ring des Nibelungen wird seit Jahrzehnten Fricka, die Frau Wotans, gern in Assoziation zu Cosima dargestellt – zum Beispiel in den Leipziger Inszenierungen von Joachim Herz 1973 und von Rosamund Gilmore 2013. Die Sängerinnen sind in der Walküre mit Kleidern ausgestattet, die aus Cosimas Garderobe zu stammen scheinen, und die Figur dieser Göttin wird heruntergemendelt auf eine unzufriedene, Entwicklung hemmende, eifersüchtige, geifernde Ehefrau. So erscheint in zweierlei Unrecht das heute noch gern zitierte Klischee. Wotan als der aktive, suchende, leider irrende und

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also tragisch zugrunde gehende Gott in seinem mit Wirrungen verbundenen Weg zur Selbsterkenntnis, ein negativ endender, anrührender Entwicklungsprozess eines männlichen Ichs. Fricka hingegen ist eine statische Persönlichkeit, sie gilt als Prinzipienreiterin und Spielverderberin. Die Göttin der Ehe, des Feuers und der Fruchtbarkeit stünde eigentlich für neues Leben, für die Beständigkeit der Liebe, wie sie sich fast alle Menschen wünschen, und für die Dynamik des Feuers, das wärmt, aber auch Gefahr bedeuten kann. Die germanische Sage sieht sie in einem Streitwagen, eigentlich ein männliches Symbol des Kampfes und des möglichen Sieges, eines Wagens, der von zwei Widdern gezogen wird, diesem Symboltier für Zeugungskraft und Feuer. Eine potente Göttin, beweglich, einflussreich. Im Ring gehört Wagners Sympathie neben dem traurigen Göttervater eher Brünnhilde, der ungehorsamen Tochter, und gewiss auch Siegfried, dennoch gestaltet er die Figur der Fricka als ernsthafte, kluge und würdige Person. Sie ist ein Prinzip, eine Gottheit, die  – mit der Betonung des ehelichen Bundes und ihrem Verbot für Brünnhilde, die Gesetze zu umgehen  – Wotans geniale Absichten durchkreuzt, was ihn kränken muss. Vor allem  : Sie erkennt den Fehler in Wotans Plan, und er sieht das mit seinem »Wie wollt ich listig selbst mich belügen  ?« auch ein. Obwohl Wotan mit Tricks und Hinterlist seine Ziele zu erreichen sucht, hat er das Publikum auf seiner Seite. Fricka hingegen bleibt nur der undankbare Part, für Ordnung sorgen zu wollen, ein Prinzip, dessen die Welt fraglos bedarf, das aber das Gegenteil von Glanz und Abenteuer zu bedeuten scheint. Sie steht in gewisser Weise für die Wahrheit, die ans Licht kommt, für die Entdeckung des Betrugs, den Wotan begeht und vertuschen will. Vielleicht wird sie es nicht weiter hinausposaunen, aber sie weiß es und bringt ihren Mann mit dieser Macht in Bedrängnis. Die Faszination des Regelbruchs und des Betrugs steht dann gegen die Nüchternheit der Gesetzmäßigkeit und der Fairness. Cosima lebte an der Seite Wagners genau nicht diese Regelhaftigkeit und Ordnungskraft. Sie lebte Ehebruch, Täuschung, Leidenschaft, sie bewahrte sich Unabhängigkeit in materieller Hinsicht, sie übernahm Verantwortung, die sonst nur Männer in entsprechender Position zugestanden wurde. Sie war anspruchsvoll und kritisch. Sie lud Schuld auf sich und litt ihr Leben lang darunter. Und daneben aber, nicht als Widerspruch, sondern als Ergänzung und zusätzliche Möglichkeit, standen ihr Fricka’sche Möglichkeiten zur Verfügung. Sie, die Ordnung in Wagners Leben brachte, musste selbst auch die Kränkung ehelicher Untreue des Mannes erfahren, musste die Herabsetzung ihrer Person durch die Öffentlichkeit ertragen, den Spott über zu viel Ehefrau-Kontrolle, den Spott über zu große Empfindlichkeit.

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Die Energie, die Cosima Wagner in ihrem Leben ausstrahlte und bis in ihr Alter sich entschlossen und fordernd erhalten konnte, ließ sie ein breites Spek­ trum an scheinbar widersprüchlichen Fähigkeiten leben – und hinnehmen, wenn das Leben sich wieder einmal nicht so entwickelte, wie sie es dringend gewollt hatte. Der Wagen mit den Widdern, die den Weg bestimmen, wie es ihnen eingegeben ist – welch ein Bild  !

24. Inszenierungen des Paares

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in zusätzliches Band scheint Cosima mit Wagner verbunden zu haben, ein spielerisches, stolzes, gut gelauntes  – das der Selbstinszenierung. In lang geplanten Geburtstagsfeiern, in spontan ausgerichteten Bildern oder Spielen konnten sich beide gegenseitig erfreuen, indem Wagner für Cosima und Cosima für Wagner die Besonderheit und Einzigartigkeit des Anderen feierten. Bereits die erste Eintragung der Tagebücher berichtet davon, dass Cosima am 1. Januar 1869 zunächst die Glückwünsche zum neuen Jahr durch Wagner entgegennimmt. Die Zeremonie für diesen besonderen Tag betont sie, indem sie die beiden Wagner-Mädchen, die in Tribschen bei ihnen sind, die dreijährige Isolde und die knapp zweijährige Eva, »schön, [in] weiße Atlas-Kleider und Rosen-Kränze« wie Zwillinge kleidet, von langer Hand vorbereitet und von der Schneiderin pünktlich gefertigt, dem Vater zum Neujahrsgruß. Zu der Zeit ist Cosima mit Siegfried schwanger, der Anfang Juni dieses neu anbrechenden Jahres geboren werden wird. Als Siegfried Helferich Richard getauft wird, geschieht dies wie üblich im Beisein von vertrauten Freunden als Publikum. Cosima schreibt ihrer Freundin Malwida von Meysenbug, die diesmal nicht persönlich kommt, nur gratuliert  : »Ihr Gruss, theures Fräulein, hat uns an Siegfried’s Tauftag erfreut, jedoch nicht entschädigt, denn wir haben Sie recht vermisst  : hatten wir uns doch unbedingt daran gewöhnt, Sie als Zeugen unsrer kleinen Feierlichkeiten zu denken.« Die Inszenierungen im Privaten sind phantasievoll, häufig für heutige Begriffe pathetisch und überladen. Immer aber sind sie von Cosimas Seite über Wochen, gar Monate geplant, Handwerker werden beschäftigt, Stoffe bestellt, Drucksachen in Auftrag gegeben. Wagner soll in seiner Einzigartigkeit und auch als Ikone benennbar sein. Seiner Extrovertiertheit kam das entgegen. Zusätzlich verstand Cosima Festtage als Möglichkeit, Wagner ihre Anhänglichkeit, ihren Stolz auf ihn, ihre Dankbarkeit zu zeigen. Und sie entsprach mit den Inszenierungen der Kinder dem Selbstbild Wagners als pater familias, als sorgender Vater, der fast täglich umgekehrt Cosima dankte für die Kinderschar, die um sie war. Zum 56. Geburtstag Wagners, dem ersten, den Cosima und Wagner in Tribschen miteinander feiern, lässt Cosima nachts heimlich eine Büste Wagners aufbauen, inmitten von Blumen. Am Morgen dann wird ein Musiker hinzugezogen. »Am frühen Morgen bläst [Hans] Richter die Siegfried-Weise. Dann werden die Kinder als Friedensboten aufgestellt, endlich um 10 ½ Uhr das Pariser Quartett. R. sehr überrascht und erfreut.« Diese Art von häuslichen Inszenierungen liebt

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20  Das wohl berühmteste Doppelporträt der Wagners, das sogenannte »Hochzeitsbild«, aufgenommen am 9. Mai 1872 im Atelier von Fritz Luckhardt in Wien.

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Cosima und verfeinert, verlängert und monumentalisiert die Feierstunden für Wagner im Laufe der Jahre. Einen Vorgeschmack dafür gibt die Geburtstagsinszenierung für Wagner ein Jahr später mit dem Huldigungs-Marsch  : »Um 8 Uhr stellte ich die Kinder mit Rosenkränzen auf, Loldi und Eva an der Eingangstür, weiter unter der Laube unter einem Lorbeerbaum Boni, am untersten Fuß der Treppe, bei der von Blumen erdrückten Büste, mich und Fidi, am Schluß des Aufbaues Loulou  ; um 8 ½ begann die Musik (Huldigungs-Marsch), die 45  Soldaten aufgestellt unter der Tanne, am Schluß kam R. schluchzend aus der Wohnung heraus und bedankte sich beim Kapellmeister  ; er war tief erschüttert, so daß ich beinahe bereute, die kleine Festlichkeit eingerichtet zu haben. Nachher sagten die Kinder ihm Gedichte, wir frühstückten froh und begaben uns zur Ruh’.« Von Wagners Seite gab es bestellte Cosima-Porträts von Lenbach, Mode aus den einschlägigen Metropolen, Verwöhnung und Schmückung der Frau. Aber am deutlichsten war die Inszenierung, wenn Wagner eine neue Komposition aufführen ließ oder selbst vorspielte, die Cosima dann als erster Mensch hören durfte. Diese Töne und Harmonien waren noch nicht in der Welt, nur niedergeschrieben und ihr nun zu Gehör gebracht. »Vor Tisch spielt er mir, was er gemacht – beglückende selige Stunde, vergessen aller Erden Not und Lebensqual  ! Ich muß stets in Tränen ausbrechen und kann kein Wort finden, wenn ich seine Töne höre.« Acht Monate später  : »Nach Tisch spielt er mir die Nornen-Scene vor, unaussprechliche Freude«, und acht Wochen darauf  : »R. spielt die fertiggewordene Komposition der Götterdämmerung. Wie glücklich fühle ich mich doch, gar nichts mehr persönlich zu sein und einzig meine Freuden aus R.’s Gedeihen und der Kinder Wohl zu schöpfen.« Intime Momente, mit der persönlichsten aller Premieren. »R. kommt zu mir und sagt, ›Hagen’s Wachtlied wird kolossal‹, gegen Mittag spielt er mir das soeben Komponierte, Prachtvolle mit.« Manches Mal bezieht er die Anwesenheit Cosimas auch ganz konkret ein  : »Am Morgen ruft mir R. zu  : ›Weißt du, was ich mir bei dem großen Arpegge [Arpeggio = gebrochener Akkord] beim Erwachen der Brünnhilde gedacht habe  ? Deine Fingerbewegungen im Traum, wenn deine Hand durch die Luft fährt.‹« Zu ihrem 33.  Geburtstag inszeniert Wagner für Cosima seine neue Komposition, das Siegfried-Idyll, dargebracht von einem kleinen Orchester auf der Haustreppe in Tribschen, ein Privatissimum, das bald allerdings um die Welt geht, beschrieben in vielen Büchern und popularisiert in Liebig’s Albumbildern. Eine offensichtlich anrührende Szene, ein Welt-Geschenk, das Cosima nicht für sich wird behalten können. Es wird ein in vielen Besetzungen gespieltes Lieblingsstück der Wagnerianer.

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Die so häufig belächelten Inszenierungen gerade auch mit den Kindern, in Verkleidungen, mit Requisiten, mit eingeübten Versen oder als lebende Bilder waren einerseits dem Zeitgeist geschuldet, andererseits hoben diese Verkünstlichungen Cosima als Ideengeberin und die Kinder als Ausführende auf eine Distanz schaffende demonstrative Höhe, die die Bewunderung für den Mann und Vater zum Ausdruck bringen konnte. Die Inszenierung der Kinder bei Festen oder ihrer eigenen Person in bestimmten Kleidern oder Typisierungen konnten die Antwort sein auf die Verschiedenheit, die zwischen ihm und ihr gegeben war und die die wechselseitige Anziehung wohl erst möglich gemacht hatte. Elf Tage nach Siegfrieds Geburt ziehen beide eine kleine Bilanz. Sie sprechen über »das eigentümlich Geheimnisvolle unserer Verbindung. Wie schüchtern zugleich und überschwänglich die ersten Annäherungen, wie planlos unsere erste Vereinigung, wie schweigsam immer wir nur auf Resignation dachten, und wie die Verhältnisse und die Menschen uns zwangen, zu erkennen, daß unsre Liebe einzig ächt war und wir beide uns einzig unentbehrlich wären.« Darin kommt noch etwas Suchendes zum Ausdruck, eine betrachtende Distanz zum eigenen Tun und zu den eigenen Entschlüssen. Wie kann man sich in diesem Zusammenhang den Aufenthalt in Tribschen vorstellen  ? Eine kleine Villa, alleinstehend auf einem hügeligen Saum direkt am Vierwaldstättersee, in Spaziergangnähe von Luzern, die die beiden erstmals Ende März 1866 entdeckt und als ihr neues Zuhause ins Auge gefasst haben. Nach häufigem Hin und Her zwischen München und Tribschen, Bülow und Wagner, zieht Cosima am 16. November 1868 endgültig mit ihren inzwischen vier Kindern in diese Villa ein, die Ludwig II. für Wagner finanziert. Noch ist sie in Auseinandersetzung begriffen mit ihrem Ehemann Bülow. »Solch ein armes armes Wesen wie Hans gibt es gewiß nicht mehr. Er fühlt sich elend, daß ich fort bin, und niemals doch konnte ich ihn beglücken, ja nur erfreuen  !« Sie wird in Tribschen sehr glückliche Tage haben – und sehr zergrübelte. Immer schleicht sich in die Wahrnehmung der Sorglosigkeit die innere Mahnung und Brechung durch das ratlose und nicht lösbare Verantwortungsgefühl für Bülow  : Knapp drei Wochen nach der Geburt des fünften Kindes, Siegfried, dem dritten gemeinsamen Kind mit Wagner, schreibt sie am 26. Juni 1869  : »Ich kann heute leichter aufstehen, und die Beschäftigung des Tages unterdrückt die unruhigen Gedanken. Mit den Kindern im Garten gearbeitet und auch dort gespeist. Viel Freude am Erblühen der Kleinen  ; hier erlebe ich das Gleichnis des größten Glückes  ; wenn meine Pein um Hans nicht wäre, welches Los könnte wohl dem meinigen verglichen werden, wie selig unschuldig entschwinden die Tage  ! Kein Lärm der Welt erreicht uns, die Liebe waltet hier allein, dem Gotte sei gedankt,

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der mir dieses gab, möge er es mir verzeihen, daß ein Wesen um mich leiden mußte  !« Sie wird sich von dieser Schleife der Empfindung nicht mehr lösen können, solange sie lebt. In die Wahrnehmung eines Glücks, eines guten Lebensverlaufes, schleicht sich das schlechte Gewissen beziehungsweise die Trauer darum ein, Bülow nicht gerechter geworden zu sein und es auch in Zukunft nicht zu können. Die neue Liebe mit Wagner, die unbedingte Entscheidung für diese neue Beziehung, scheint immer getrübt, beschattet, gebrochen durch die unglückselig beendete Ehe. Es ist wie ein Zwang, wie eine Sucht nach Selbstbestrafung, die sie sich selbst das Glück nicht gönnen lässt. Der Binnenraum dieser Beziehung zwischen Cosima und Wagner ist von Wagner offenbar als ein Schutzraum erlebt worden, für den er eintrat und den er sich bei allem außengeleiteten anderen Kontakt – auch mit anderen Frauen – bis zum Ende seines Lebens dringend erhalten wollte. Cosima war diesem Anspruch gewachsen, sie konnte erfüllen, was ihm an Echo und an Anregung wichtig war. Am 26. September 1877, zu ihrem Namenstag hin, spielt Wagner Cosima zu Hause das Parsifal-Vorspiel aus der gerade vollendeten Orchesterskizze vor, im Jahr darauf folgt als Geburtstagsgeschenk ein ganzes Hauskonzert mit Beethoven und dem kompletten Parsifal-Vorspiel, und Cosima schreibt  : »Er steht da, er ruft diese Wunder hervor, und er liebt mich. Er liebt mich  ! – – –« In den Entstehungsprozess des Parsifal ist sie einbezogen  : »[…]  er verspricht mir, den Schluß des 2ten Aktes mir mitzuteilen, und um 12 Uhr tut er es auch  ! ... Woher Worte finden für dieses Glück  ? R. sagt abends, wer so zu uns einträte und uns gesehen hätte, müßte uns für zwei Wahnsinnige gehalten haben  ; ich ›die Noten verschlingend, manchmal helfend, erratend‹, er ›tobend spielend‹. Mein Stolz und meine Freude ist es aber, daß ich ihm wirklich folgen konnte und sich mir alles offenbarte  !« Es ist ein Spiel, das Bestätigung ist und Verwandlung und Selbstironie, eine Vergewisserung auf Gegenseitigkeit, die beide im halben Scherz Bezüge auf Wagners Phantasiegestalten herstellen lässt  : »›Ja‹, sagt R., ›das war mein Geniezug, daß ich dir von hier aus telegraphierte, ›Vor Anker sieben Jahre, hier werde ich mit dir vereinigt sein.‹« Die scherzhafte Metamorphose in die Titelfigur des Fliegenden Holländer, immer auf der Suche, auf der Flucht, unbehaust, und das Kompliment Wagners an seine Frau, ihm diese Unruhe genommen und ihn sesshaft gemacht zu haben. Eine Sesshaftigkeit, die nie wirklich durchgehalten werden konnte, aber die beide glaubhaft wünschen und leben wollen. Nach einem Konzertabend in Berlin beschreibt ihr Wagner, der das Konzert dirigiert, dass er sich bei »Wotans Abschied« nach ihr umgesehen und sie »ganz entrückt« in der Loge habe sitzen sehen und fast aus dem Takt gekommen sei, »beinahe hätte ich umgeworfen.«

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Ein Kennzeichen ihrer Beziehung scheint gewesen zu sein, sich ihres Glücks gemeinsam zu vergewissern. So berichtet Cosima, mit einem signifikanten Lohengrin-Zitat, von einer Reise von Bayreuth nach Wien  : »In der Eisenbahn noch den Kindern gewinkt. R. und ich ›zum ersten Mal allein‹ seit langer Zeit, das heißt augenblicklich enthoben von Sorgen. Heiterkeit kommt über uns  ; auch hoffen wir die Kinder gut versorgt zu wissen. Viel Scherz, viel Wurst, viel Marcobrunner [Wein aus dem Rheingau] – der Mond, kalte, aber gute Nacht. Sonntag um 10 Uhr in Wien.« Und als für den künftigen Garten der Villa Wahnfried vom Bürgermeister in Bayreuth eine Platane gepflanzt wird, beschreibt Cosima die Situation  : »Kinder gespannt zusehend, Amsel singend, auf einem hohen Kamin ein Storch auf seinem Nest – – – ›das ist Glück‹, denke ich.« Das gilt auch für die Niederungen des Alltags, für die Wagner großes Interesse aufbrachte in allen Fragen des Essens, Einkaufens, Einrichtens der Zimmer, der täglichen Kleidung mit ihren unterschiedlichen Tages- und Festzeiten. Die Verquickung von eben erfundener, heute weltbekannter Musik und dem Paarund Kinderalltag ist verblüffend. »R. ist zufrieden mit seiner Arbeit (dem Fluch von Kundry  !)  ; speist mit den Kindern unten und kommt zu mir herauf mit zwei Butterbroten, die er für mich gemacht.« Und nach dem Besuch des Hamburger Senators Carl Petersen und dessen Tochter Toni berichtet Cosima  : »Gestern, wie die Gäste sich entfernten, überschüttete mich R. förmlich mit lieben Dingen, und wir mußten schließlich viel lachen  : Ob Tristan und Isolde auch so viel gelacht  ?«

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21  Das erstaunliche Gemälde Die Heilige Familie von Paul von Joukowsky entstand nach einem lebenden Bild, das am Weihnachtsabend 1880 von Cosima mit ihren Kindern arrangiert worden war. Es zeigt im Vordergrund Siegfried mit einem Tischler-Hobel als Jesuskind und Daniela als Maria, dahinter als Engel von links Eva, Isolde und Blandine. Rechts hat sich der Maler selbst als Josef hinzugesellt, unten im fernen Hintergrund die Türme der Bayreuther Stadtkirche. Das großformatige Ölbild gilt als verschollen, hier die nachkolorierte Fassung einer Schwarzweiß-Reproduktion.

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osima beherrschte das Multitasking ziemlich gut. Sie übernimmt die unterschiedlichsten Pflichten und ist darin genau und fast zwanghaft perfektionistisch. Wagner findet ab und an, er komme auf diese Weise zu kurz, werde als Geliebter nicht genügend berücksichtigt. Cosima berichtet vom Fronleichnamsmorgen 1869, wie Wagner sich ärgert, dass sie die Kinder zur Prozession hat gehen lassen  : »R. geht nun weiter und wirft mir vor, daß ich in der Kindererziehung förmlich untergehe, ich sei nur noch Mutter, er verliere mich ganz. Er habe sich gefreut, daß ich die Stube neben der seinigen beziehen werde, nun ging ich bei den Kindern schlafen. Vorwürfe könne er mir darüber nicht machen, nur empfinde er es schmerzlich. Tief erschüttert von den Worten weiß ich nicht, was ich sagen soll  ; wenn er sich nicht wohl bei mir fühlt, so verdiene ich die Vorwürfe, und mir ist doch, als könnte ich nicht anders handeln  ; doch müßte ich suchen, daß alles ineinander ging und niemand etwas vermisse.« Wie nebenbei zeigt sich hier eine Lebensmaxime Cosimas, dass »niemand etwas vermisse«, dass sie sich nützlich und darin unangreifbar macht, selbstausbeuterisch gewiss und anstrengend genug bei derartiger Familienarbeit, gesellschaftlichen Pflichten und Paar-Arbeit. Zum Glück zeigt sich Wagner zwischendurch auch einsichtig  : »Am Morgen sagt mir R.: ›Du Arme mußt für so vieles sorgen, zuerst komme ich, die Komponier-Maschine, da mußt du sorgen, daß sie richtig eingeölt sei und nicht knarre, dann das Dutzend Kinder, die alle erzogen werden müssen.‹« Wenn es auch nicht mal ein halbes Dutzend war, sie hatte endlos zu tun mit Daniela (genannt Daniella, Lusch, Lulu, Loulou), Blandine (Boni, Ponsch), Isolde (Loldi), Eva und Siegfried (Fidi). Zu ihrer Kinderfürsorge gehört, dass sie für ihre Älteste ein Gedicht schreibt. Daniela wird es rezitieren, wenn sie die Vögel, die sie an ihrem neunten Geburtstag am 12. Oktober 1869 geschenkt bekommen hat, zu Wagners Geburtstag am 22. Mai 1870 wieder freilassen wird. Hier die letzten zwei Strophen: Schöner Fink, flink folg dem Wink, liebster Zeisig eifrig eilig zeige dich die Tür ist auf nehmt euren Lauf.

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Der schönste Tag ist heut’ daß sein Vogel auch sich freut will von Herzen das Kind, drum liebe Vöglein, geschwind, ziehet frei dahin Es folget euch froh mein Sinn.

Cosima hat Personal, wie es für Haushalte wie dem ihrigen üblich ist, die Kinder haben neben ihrer Mutter immer noch andere dienende, umsorgende, mahnende, unterstützende Erwachsene um sich   : englische Bonnen, neue Gouvernanten, Stubenmädchen, Wärterinnen, Köchinnen, Diener aller Art, Lehrerinnen und Erzieher, Ballettmeister gar. Die Planung, der Umfang der Erziehung und Unterrichtung ihrer Kinder, die genaue Beobachtung ihrer Fortschritte und der individuellen Entwicklung ihres Charakters, mit Wagner bis ins Kleinste erörtert, sind Cosima existenziell wichtig. »Loldi wohler, die Gefahr der Diphtheritis vorbei  ; ich nun gänzlich Gouvernante und Bonne  ! Hier baden, hier lehren, hier trösten u.s.w.« Die Kinder haben mit Erkältungen, Unpässlichkeiten und ernsteren Erkrankungen zu tun, eines ist immer dran, was Cosima sehr ernst nimmt. »R. komponiert und schreibt Briefe  ; ich bin so müde von der beständigen Kinderwache, daß mich R. beinahe zu Bett tragen muß.« Und wenig später  : »R. arbeitet, ich Kinderbonne, so daß ich nur mit Mühe und Not in dieses Buch jetzt etwas einschreibe.« Wagners Interesse an den Kindern, seine Liebe für sie ist bei aller möglichen Gereiztheit aufrichtig. Immer wieder betont er sein Glück mit ihnen  : »Er sagt mir, wie ihn das selig mache, von seinen Angehörigen sprechen zu können. An die Kinder denkt R. beinahe immer mit rührendster Zärtlichkeit […].« Die Kinder seien »das größte Geschenk, das du mir machen konntest, die einzige Wiederanknüpfung an das Leben  !« Er genießt es, wenn sie sich bei seinem Klavierspiel um ihn scharen oder ihn in ihr Spiel einbeziehen  : »Abends arbeiten die vier Mädels an R’s Kopf und machen ihm Locken-Papillotten  !« Cosima hat zu Jahresbeginn 1869 ihr Tagebuch für die Kinder begonnen. In einer Situation, in der sie sich, schwanger mit Siegfried, getrennt von ihren beiden älteren Bülow-Töchtern, in Tribschen einzuleben beginnt. »So seid denn gesegnet, meine Kinder, ihr fernen, ihr nahen, und du auch, mein unbekanntes, das du noch in meinem Schoße ruhst. Die Liebe eurer Mutter sei euch eine freundliche Leuchte durch das Leben.« Es wird sich zeigen, dass Siegfried, der Sohn nach vier Töchtern, einen uneinholbaren Extra-Status durch die Eltern zugewiesen

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bekommen wird. Dennoch wendet sich Cosima immer wieder an alle fünf Kinder gemeinsam, denen sie Mahnungen auf den Weg geben möchte  : »Hört mich, Lusch und Boni, Loldi, Eva und Siegfried, sollte man euch nach meinem Tode von einander trennen und euch fremd zueinander machen, bewahrt eure Liebe im Herzen, laßt nicht von euch, sucht euch wieder auf, verbindet euch im Gedenken der Mutter  ; dieses Band wird sich bewähren, vergeßt meine Mahnung nicht«. Als Cosima das schreibt, weiß sie nicht, wie sich der Kinderalltag in Tribschen entwickeln wird, wie es ihr weiter gesundheitlich gehen wird  : »Sehr leidend, doch mit den Kindern  ; Lusch Globus-Unterricht gegeben. Kindertisch – heiter und hübsch. Nachher Kasperl-Theater und später Laterna Magica. Loldi […] und Eva jubeln bei den Lichtbildern.« Und wenig später ein ähnliches Bild von Cosimas neuem Leben  : »Ruhiger schöner Tag, mit Lulu Geographie und Klavier geübt. Kindertisch, nachdem R. gearbeitet hat. Mozart’sche Symphonien mit R. vierhändig gespielt, dann, während er Briefe schreibt, den Kindern Grimm’sche Märchen vorgelesen, Lotto und Domino mit ihnen gespielt und endlich ihnen die Laterna Magica gezeigt.« Wagner gibt Cosima dafür offene Anerkennung  : »Nicht die gute Art, sondern die gute Erziehung hätte hier aufzufallen, und jeder, der mich mit den Kindern sähe, müsse Ehrfurcht bekommen.« Sie spielt, liest und singt mit ihnen, und während Wagner arbeitet, »ich mit den Kindern studierend, spielend, badend.« Oder kurz und bündig  : »Kinderarbeit, dann Kindertisch und später Kinderspiel.« Und der Kinderjubel oben sei ganz herrlich. Die wechselseitige Dankbarkeit  : Wagner ist dankbar für das späte Geschenk einer großen Familie, die er genießt und auf die er stolz ist. Cosima ist dankbar, dass Wagner auch die beiden nicht leiblichen Bülow-Töchter annimmt und liebt. Sie braucht dafür Unterstützung, weil die Bülow’sche Familie schlecht auf sie zu sprechen ist. »Trübes Wetter und trübe Eindrücke – die Kinder – die älteren – entsprechen meinen Wünschen und Sorgen nicht, sie erleichtern die schwere Aufgabe mir nicht, und es ist mir, als ob bei der Böswilligkeit der Menschen gar Häßliches über meine Art der Erziehung oder gar Vernachlässigung mir vorgeworfen werden wird.« So groß und ehrlich das Interesse Wagners an den Kindern ist – er versucht, in seiner väterlichen Liebe und Strenge nicht zwischen den leiblichen und den Bülow-Kindern zu unterscheiden –, so ist doch klar, dass Cosima Sorge dafür trägt, die Arbeitsruhe für Wagner zu organisieren. Das zuallererst, unabdingbar, klaglos. Ihre Tagebücher verstand Cosima selbst als Vermächtnis an ihre Kinder. Sie ist mit ihnen oft im inneren Dialog, der viel aussagt über ihr jeweiliges seelisches

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22  Die Familie Wagner auf der Gartentreppe von Wahnfried, fotografiert von Adolf von Groß am 23. August 1881. Hinten von links Blandine, Heinrich von Stein, der Erzieher Siegfrieds, Cosima Wagner, Richard Wagner und der Maler Paul von Joukowsky (sitzend), vorne Isolde, Daniela (stehend), Eva und Siegfried (stehend), dazwischen drei Familienhunde, darunter der Neufundländer Marke.

Befinden, sie gibt immer wieder existentielle Mahnungen, die aber mehr an sie selbst gerichtet zu sein scheinen denn an ihre kleinen Kinder, die diese Texte erst viele Jahrzehnte später werden lesen können  : »Was auch über euch kommen wird, Kinder, tragt es still und stumm, glaubt nur nicht, daß ihr etwas andres könnt. Nichts können wir  ; und wer nicht zu ertragen versteht bis zum Tode, der vergibt noch das einzige, was er hat. Mit blutendem Herzen und weinenden Augen sagt euch das die Mutter, hört auf sie, Kinder, hört auf sie.« Die Kinder, denen diese traurige Botschaft geschickt wird, sind neun und sechs, vier, drei und noch nicht einmal ein Jahr alt. Cosima und Wagner machen Zukunftspläne für alle  : »Mein Wunsch in Betreff der Kinder geht da hinaus (sag ich zu R.), daß Lusch ihrem Vater beistehen soll, Boni einen Gelehrten heiratet, Loldi, Eva und Siegfried zusammenleben. – Gott gebe nur, daß Hans so lange lebe, daß ich ihm durch Lulu noch einiges Glück

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erteilen kann  !« Diese mütterliche Bestimmung für Daniela, die Älteste, wird später insofern umgesetzt werden, als die Tochter ihren Vater Bülow häufiger besuchen und ein fast herzliches Verhältnis zu ihm entwickeln wird. Die Scheidung ist vollzogen, aber die Trennungsschmerzen und Komplikationen bei den beiden Bülow-Töchtern sind ein virulentes Thema. Cosima gewährt Besuche beim Vater und dessen Mutter Franziska von Bülow. Wie bei Scheidungskindern nicht ungewöhnlich, prüft Cosima die Stimmung der Kinder, wenn sie zurückkommen von einem Aufenthalt in der Bülow-Familie. »Die Kinder zurück  ; trauriger Eindruck, daß Boni ganz besonders ausgelassen dort gewesen sei und, ohngeachtet dort alles in Trauer war, zu wildem förmlichen Jubel sich hat hinreißen lassen.« Boni, Blandine, ist jetzt acht Jahre alt, sie reagiert deutlich irritiert auf die komplizierte Situation der zwei Milieus – auf die zwei Väter, auf die Ortswechsel, auf die Strenge der Mutter, wenn sie die Grenzen überschreitet. »Traurigste Erfahrung an Blandine  ; es wird mir erzählt, daß neulich sie aus einem Buch las  : ›Es gab einmal eine garstige Mama, die hat den Papa verlassen und hat einen andren geheiratet, das war sehr garstig, ich werde das nie tun.‹« Es ist zu vermuten, dass die »Garstigkeit« Cosimas eine Wendung der kritischen Großmutter Bülow gewesen ist – die strenge und »kalte« Frau, die die jungen Liszt-Schwestern in Berlin aufnahm. Cosimas Schwiegermutter war nun, voller Groll auf die Trennung und den Ehebruch Cosimas, nicht bereit, die Schwierigkeiten dieser Ehe anzuerkennen. Auch die Älteste, Daniela, beschäftigt sich heftig mit der Trennung der Eltern, selbst wenn diese kaum als gemeinsames und stützendes Elternpaar erinnert werden können. Cosima schreibt der Ältesten später in einem Rückblick  : »Sieh’ mein Kind, ich glaube, ich hoffe, ich wäre Euch eine gute Mutter stäts gewesen, aber sicher eine ernste, strenge, vielleicht harte  ; die Freudigkeit und dadurch die geduldige Milde zu meinem Berufe, ich verdanke sie Deinem Pflegevater. Im wahrsten Sinne des Wortes hat er Euch durch mich, die er gestärkt, getröstet, ermuthigt hat, erzogen.« Beide Bülow-Töchter haben eigentlich nur getrennte Eltern erlebt, und in frühesten Jahren die Unruhe, Gereiztheit, Anspannung von Vater und Mutter. »Ich hole mit den Kindern Lulu von der Klavierstunde ab, sie erzählt mir von einem Traum, den sie gehabt, sie habe ihren Vater sterbend gesehen, der meine und ihre Briefe in sein Grab gewünscht habe und mit den Worten liebe Cosima gestorben sei, nachdem er erklärt habe, Onkel Richard wird nun dein Vater. Das rührt mich sehr.« Ein Verabschiedungstraum der Tochter von ihrem Vater. Lulu, Daniela, ist da gerade elf Jahre alt geworden, die Scheidung der Eltern ist ein Jahr her. Co-

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sima wird gebeten, beide Mädchen zur Stiefmutter Bülows zu schicken, zu Luise Bülow von Dennewitz, eine ehemalige Hofdame der Prinzessin von Preußen, die sich gerade in der Nähe aufhält und die Kinder sehen möchte. Auch wenn es ihr schwer fällt, Cosima entscheidet sofort, »die Kinder morgen nach Weggis zu schicken. R. tadelt mich, sagt, sie könne hier die Kinder besuchen, allein ich mag die Kinder nicht von ihrer Familie trennen, und in Gottes Namen  !« Beide Orte, Tribschen und Weggis, liegen am Vierwaldstättersee und es ist eine schnell zu organisierende Reise. Cosima hat verschiedene Fronten der familiären Auseinandersetzung. Anders als seine Familie ist Hans von Bülow trotz aller Kränkungen um ein Verständnis hinsichtlich Cosimas und der Kinder bemüht. Er solidarisiert sich mit Cosima, wohl wissend, dass er die Töchter nicht bei sich haben könnte, ist er doch die meiste Zeit des Jahres unterwegs, energetisch gebunden an Konzerte und Musikarbeit. Zum Weihnachtsfest 1871 vermerkt Cosima  : »Brief von Hans mit Photographien und Geldsendung für die Kinder. Wehmut.« Bülows Fürsorge für seine Töchter, die Briefe, die er ihnen schreibt, die Gelder, die er für sie zurücklegt, zeigen eine gesellschaftliche Verantwortung, die ihn bei aller Kritik an seinem häufig überspannten und aggressiven Wesen doch gut dastehen lassen. Cosima erfährt hingegen den besonderen Druck, ihre Kinderschar den strengen Maßstäben anzupassen, die die adelige Verwandtschaft ihres Mannes fordert. Wagner und Cosima lieben an ihren Kindern auch die phantasievollen, überraschenden, ja bohèmehaften Seiten. Aber sie sollen natürlich die Regeln befolgen, die mit Kleidung, Manieren, Rücksichtnahme und Schulleistungen verbunden sind. Die Verquickung von Ausnahme und Regel, von Beherrschung der gesellschaftlichen Normen ebenso wie den stolzen Bruch dieser Regeln hat Cosima von Mutter und Vater vorgelebt bekommen. Ein Selbstverständnis der Oberschicht, die sich erlaubt, die Normen zu fordern und je nach Situation einzuhalten, gleichzeitig aber zu verachten und zu brechen. Wagner selbst hat die Verachtung der Normen und damit seine Außenseiterrolle gelebt und genossen, während Cosima sehr ambivalent und eher überstreng auf Erfüllung des Geforderten beharrt. Die Ansprüche an diese Kinder waren voller Hoffnung, voller genauer Beobachtung, wie ihre Entwicklung verläuft – und damit notgedrungen sehr schnell voller Enttäuschung. Wer konnte einem solchen Elternpaar schon gerecht werden  ? Der Umzug nach Bayreuth nährt denn auch Pläne, die Erziehung und Unterrichtung selbst in die Hand zu nehmen und zu verantworten. »Gestern hat R. unser Haus mit Loldi, die er in der Schule abholte, besichtigt. Er sagt, dies würde meine Aufgabe hier werden, eine gute Schule zu gründen, denn alles, was wir hier

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vorfinden, gefällt uns nicht.« Der Druck auf Cosima ist groß. Sie gibt ihn weiter an diese Wunderkinder, die klug, kreativ, geschwisterlich verträglich, gehorsam und gleichzeitig lebendig und spontan sein sollen. Die Grenze für all dies ist die Arbeitsfähigkeit Wagners einerseits und der ferne schwierige Vater Bülow andererseits. Cosima weiß sich mit Wagner einig in der selbstgestellten Aufgabe der Erziehung der Kinder. »R. und ich, wir nehmen uns vor, von nächstem Herbst an einzig der Erziehung der Kinder alle unsere Kräfte (materielle wie moralische) zu widmen. Ein Schulhaus zu bauen, Lehrer zu bestimmen, 6 Knaben mit Fidi zu erziehen etc. – –  ; dem zu leben. Große Freude meinerseits darüber.« Die Kinder sollen werden nach ihrem Bilde. Die kleine Cosima, der geniale kleine Richard. Da liegen die große Zärtlichkeit und Liebe gleich neben der Zucht und der Strenge, für die sich Cosima manches Mal sogar im Nachhinein schämt oder von Wagner kritisiert wird. »Eva erhält zum ersten, wahrscheinlich zum letzten Male die Rute, wegen unaustilgbarem Schmutz«, »Loulou in Strafe wegen Nachlässigkeit (sie hat die sizilianischen Märchen verlegt).« Sie sollen geraten, unbedingt, aber auch Individualität zeigen, in ihrem eigenen Wachstum und gemäß ihrer Begabung, an der nicht gezweifelt wird. Sehr große Schuhe. Cosima erinnert sich später an »manches Befremden über die Anders-Geartetheit der älteren Kind[er], es sagt mir mit der mächtigen Sprache der Natur, daß meine erste Ehe zu lösen war […]. Die beiden erstgeborenen Töchter Daniela und Blandine, dem Vater Hans von Bülow unverkennbar ähnlich, lebendige Erinnerung ebenso an das Unglück der Ehe wie an das Glück des Befreiungsschrittes daraus. Im ersten Monat ihrer Tagebuchaufzeichnungen, am 8. Januar 1869, Daniela ist acht Jahre alt und Blandine noch fünf, schreibt Cosima, konkret an die beiden Mädchen gerichtet, über ihre Ehe mit Bülow  : »Liebe Loulou und liebe Boni, heute ist eures Vaters Geburtstag  ; ich wünsche, daß er denselben in friedlicher versöhnter Stimmung begehe, kann ich auch nichts dazu beitragen. Es war ein großes Mißverständnis, das uns ehelich verband  ; das Gefühl, das ich für ihn damals vor 19 Jahren empfand, ich empfinde es noch, große Teilnahme für sein Schicksal, Freude an seinen Geistes- und Herzensgaben, wirkliche Achtung für seinen Charakter, bei vollständigstem Ausein­ andergehen der Anlagen. Gleich im ersten Jahre meiner Ehe war ich so verzweifelt über diese Konfusion, daß ich sterben wollte  ; viele Irrtümer entstanden aus meiner Not, doch ermannte ich mich stets wieder, und euer Vater hat nichts geahnt von meinem Leiden und wird mir, so glaube ich, das Zeugnis nicht versagen, daß ich ihm in Leid und Freud beigestanden und daß ich ihm nach Kräften geholfen habe. Niemals würde er mich verloren haben, wenn das Schicksal mir

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nicht denjenigen zugeführt hätte, für welchen zu leben und zu sterben ich als meinen Beruf erkennen mußte.« Es ist wie ein Makel, den beide Töchter durch ihre Bülow-Herkunft an sich tragen. Beide Kinder erinnern Cosima täglich an die negative Erfahrung der schlechten Ehe, später sogar rein physisch durch ihre Ähnlichkeit mit dem Vater. Cosima möchte ein einverständiges Verhältnis zu Bülow, das, was die beiden Töchter betrifft, sich sogar einstellen wird. Sie schreibt in die fiktive Zukunft  : »Was ich eurem Vater nicht sein konnte, werdet ihr ihm sein, Lulu und Boni  ; dies ist mein Trost und meine Hoffnung.« Und im gleichen Jahr noch einmal direkt an Daniela, die inzwischen Neunjährige  : »Loulou, mein Kind, übernimm es, deinem Vater zu leben, ihn für alles Verlorene zu entschädigen. – Es war mir eigentümlich wehmütig, von Loulou abends zu hören, wie sie betrachtete, daß sie gern Kinder bekommen möchte und sich verheiraten.« Das ist ein regelrechtes Kinderopfer, das Cosima hier zu bringen bereit ist  : die Älteste mit der Lebenspflicht zu versehen, für den fernen Vater uneingeschränkt da zu sein. So fest hat sie diese Aufgabe in ihrer Planung verankert, dass sie sogar von der Idee ihrer kleinen Tochter, später einmal selbst eine eigene Familie zu haben, befremdet ist. Sie hat sich vorgenommen, den Frieden mit Bülow einzuhalten und fördert Gespräche über ihn  : »Lusch erzählt mir, daß sie von ihrem Vater geträumt habe und über seine Ankunft eine solche Freude empfunden, daß sie beinahe aus dem Fenster gefallen sei. Ich freue mich, daß die Pflege ihrer Gefühle zum Vater mir gelingt.« Es ist nicht lange her, dass die Bülow-Töchter bei dem Vater untergebracht waren, als Scheidungspfand gewissermaßen, solange die Situation in Tribschen noch unklar und für Cosima zu kompromittierend war. Als sie schließlich zu Cosima dürfen, bedeutet die neue Situation natürlich auch eine irritierende Veränderung. »Lusch rührt mich dadurch, daß sie mir mitteilt, sie habe von ihrem Vater geträumt, er sei in einer Ecke zwischen R. und Richter gewesen und habe von da nicht fortgekonnt.« Ein Bild, das sitzt. Der Vater Bülow, irgendwie dabei und doch nicht bewegungsfähig, gehindert durch Wagner und dessen Mitarbeiter. Cosima nimmt diese Geschichten der Töchter ernst, sie will in dieser Hinsicht fair sein. Schließlich wird ihr immer wieder berichtet, wie die Töchter von Fremden gefragt werden  : »Wen habt ihr lieber, euren ersten oder zweiten Papa  ?« Daniela liebt ihre Mutter, träumt von ihr in bewundernden Bildern, wenn sie sie »sehr schön geputzt hätte tanzen sehen« – und gleichzeitig wiederholt sie in gewisser Weise deren vaterferne Kindheit. Wie weiland Cosima von Liszt die Anwesenheit für ihre erste Kommunion erbat, schreibt nun Daniela »ihrem Vater

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nach Florenz, sich seinen Segen erbittend zu ihrer Konfirmation.« Cosima lobt an Daniela beim Vortrag eines englischen Gedichts deren »leichte Fassungsgabe«, hält sie für begabter und rühriger als die jüngere Blandine und lässt sie gern Verse aufsagen, die sie geschrieben hat. Irgendwann wendet sich das Blatt. Daniela gehorcht nicht mehr, wie sie soll, Wagner rät Cosima, das Kind »in Pension« zu geben. Sie bittet zwischendurch auch Wagner um erzieherische Maßnahmen, er »erteilt eine tiefe schöne Ermahnung an Daniella  ; Gott gebe, daß sie fruchte, ich bin sehr traurig und war nie so lebensmüde als nun – wie hart verwehrt mir es die Natur, Hans zu dienen – – als ob mir dies nicht mehr gestattet sei  !« Cosima kann den gekränkten Hans nur indirekt unterstützen, sie setzt ihre Töchter als Versöhnungsboten ein. Beide Mädchen bezeichnen Wagner in dieser Zeit als »Onkel Richard«, es herrscht Klarheit über die Unterschiedlichkeit ihrer Herkunft. Wagner wird von Cosima dennoch einbezogen, wenn sich Probleme einstellen. »Ich muß R. zu Hülfe, zur Züchtigung der zwei Großen rufen, ich lege ihm die Fälle, die sich angehäuft haben, vor und bitte ihn, das strenge Amt des Vaters zu übernehmen, zum ersten Mal gibt er Daniella und Blandine einen Schlag, sie sind tief erschrocken. – […] Wie alles sich entfernt hat, verfällt R. in tiefe Melancholie, er weint und schluchzt darüber, daß er den Kindern eine Züchtigung zuteil werden ließ, erkennt sich das Recht dazu nicht und ist wie aufgelöst von Schmerz.« Als Daniela vierzehn Jahre und Blandine elf Jahre alt sind, werden sie schließlich zur Entlastung des Wagner’schen Haushaltes in das Luisenstift in Dresden gebracht. »Abschied um 1 Uhr. Die Kleinen weinen sehr, wie sie von den Großen sich trennen  ; Fidi schreit förmlich.« Die Mädchen finden sich gut ein im Internat, wenn auch mit unterschiedlichem Ergebnis. Als sie im Jahr darauf zurückkehren, konstatiert Cosima  : »Blandine herzlich und zärtlich, Daniella durch ihr Gebaren förmlich erschreckend.« In die Zeit des Internatsaufenthaltes fällt eine grundsätzliche Mahnung Cosimas an ihre Älteste  : »Der Luxus in unserem Hause kommt nicht von mir und wird verschwinden mit Deines Vaters Richards Leben  ; ich möchte Euch den schönen Stolz sehen den zum Beispiel meine Schwester und ich wir gehabt, nichts sich aus den äusserlichen Dingen zu machen, und vornehm in Ton, Gesinnung, Sprache, mit vollständiger Gleichgültigkeit gegen das, was uns nicht gegeben ist. Ich habe nie als junges Mädchen Bedienung gehabt, habe mein Bett und meine Stube selbst gemacht, meine feine Wäsche mir gewaschen, mein Haar mir gerichtet (auch für Bälle), dabei wurden wir in die beste Gesellschaft eingeführt. Wie ich Deinen Vater heirathete hatte ich ein Mädchen für Alles, und hatte vornehme und reiche Leute zu empfangen. Präge Dir das ein, mein Kind,

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23  Cosima Wagner mit ihren erwachsenen Kindern  : von links Sohn Siegfried, Schwiegersohn Graf Biagio Gravina (Blandines Ehemann) sowie die vier Töchter Blandine, Daniela, Isolde und Eva. Die Aufnahme ist vermutlich um 1887 entstanden.

und sei fleissig, ordentlich und sparsam.« Wahrscheinlich waren derlei Appelle gänzlich umsonst. Cosima selbst hatte ja den Kindern dies komfortable Nest Wahnfried bereitet – und mitnichten stand der Reichtum der Familie mit Wagners Tod nicht mehr zur Verfügung. Verwöhnung und Härte, die Kinder Cosimas erfuhren beides. Und Cosima identifiziert sich gern mit Daniela als der anscheinend nicht so erfolgreichen Schwester, die sie nach ihrer Erinnerung selbst gegenüber ihrer eigenen Schwester Blandine gewesen war. Nach einem Ballbesuch der Töchter schreibt sie an Daniela  : »Ueber Boni hörte ich bereits, dass sie› ›abgesehen von der Pracht-Toilette‹ das hübscheste Mädchen gewesen sei. Warum mir das angenehm zu vernehmen ist während ich als junges Mädchen den Abend am schönsten fand, wo man mich nicht beobachtet hatte  ! Freilich, damals auch freute ich mich wenn man Blandine bewunderte.« Die fünf Kinder sehen sich trotz unterschiedlicher Vaterherkunft als Geschwistergemeinschaft. Sie pflegen ihre jeweilige Besonderheit und müssen sich im Leben zwischen Privatheit und öffentlichem Druck zurechtfinden. Sie sind Teil des speziellen Festspiel- und Wahnfried-Glanzes. In einem späteren Brief an Mimi von Schleinitz resümiert Cosima im Blick auf ihre Kinder  : »Ich weiss es nicht ob es ein Mangel an Zärtlichkeit bei mir ist, aber in der That, hege ich

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betreffs meiner Kinder nur die eine Besorgniss dass sie nicht stolz gelassen genug den Widrigkeiten des Lebens entgegentreten. […] Sollte mir die Prüfung werden dass sie unvornehm, ungross die gewöhnlichen Leidenschaftlichkeiten die Peinlichkeiten des Lebens hinnähmen, so gestehe ich es Dir, einzige Freundin, dass diese die härteste meines Daseins wären von welchen ich mich heute bang frage ob ich sie und wie ich [sie] durchleben werde[n].« Blandine bindet sich als erste, sie heiratet mit neunzehn Jahren den italienischen Grafen Biagio Gravina, wird in Italien vier Kinder mit ihm haben und von allen Cosima-Kindern das wahrscheinlich glücklichste Leben haben, obwohl ihr Mann sich 1897 das Leben nimmt. Im Jahr ihrer Hochzeit 1882, im Rahmen der Geburtstagsfeierlichkeiten für Wagner, verabschiedet sich diese zweite Tochter schon vorab ins getrennte Leben, in die Eigenständigkeit, mit einem »Tischspruch«, der sich an Wagner als ihren »Vater« richtet. Hier einige Auszüge  : Ich bin es, die es wagt, sich zu erheben, der Jungfrau gönnet feierlich das Wort, die bald von ihm sich trennt zu eignem Leben, der Sein Gedenken heil’ger Schirm u. Hort in Leid und Lust die Weihekraft soll geben. […] Du weißt es, Vater, aus wie fernen Weiten ich angstvoll kam, bedürftig zu Dir her, und fremd geartet, ach  ! In trüben Zeiten mein Wesen schien gewiß dem Deinen hehr  ! […] Der mich hoffen ließ, Der mich glauben ließ, Der mir Lieb’ erwies – er lebe hoch  !

Wagner spricht einige Tage später mit dem baldigen Schwiegersohn Graf Gravina, »daß er es Blandine erleichtere, zu ihrer eigenen Entwickelung zu kommen, da sie durch die älteste Schwester bis jetzt gedrückt gewesen sei.« Und wirklich überholt Blandine mit dieser Lebensentscheidung die ältere Daniela an gesellschaftlichem Renommee und vermutlich auch an Ausstrahlung und Stolz. Ende August, noch während der Festspiele 1882, begeht Wahnfried dann die Hochzeitsfeierlichkeiten Blandines. Wagner lässt Fidi einen Parsifal-ironischen Spruch an die Schwester aufsagen  : »Der Glaube lebt, / Die Taube schwebt, / Die Haube, Schwesterlein, / Sei dir beschert.« Die beiden Bülow-Kinder werden miteinander verglichen, und die ältere ­Daniela hat dabei nicht so gute Karten. Cosima notiert  : »Daniela’s Gebaren

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macht uns Kummer, R. meint aber, wenn sie den richtigen Mann bekäme, würde auch bei ihr wie bei Blandine alles schön sich ausgleichen.« Vielleicht direkt mit diesem Wunsch im Hintergrund wird Daniela zu Cosimas Freundin Marie von Schleinitz geschickt, die in Berlin und dort mit glänzenden Verbindungen zum kaiserlichen Hof und der preußischen Upper Class lebt. Cosima schreibt an Mimi  : »Mit Freude und Stolz schicke ich Dir Lulu, sie wird Dir von unseren Wahnfriedlichkeiten erzählen das mündlich noch hübscher sich ausnimmt als brieflich. Möchte Sie Dich aber nicht stören Dich und die Deinen  ! Wenn sie bei uns lernen kann wie man die Welt vergisst und sie nie vermisst, so erfährt sie durch Dich was beim Eintritt in das Leben beinahe noch wichtiger ist, wie man sich in ihr bewährt und sie erträgt, wie man die Wahrheit mit der Anmuth, die Begeisterung mit der Geduld verbindet, und der stetigen Zersetzung durch die Zerstreuung, die ewige Treue der Gefühle und Gesinnungen siegreich entgegenführt.« Ein ziemlich rasantes und kühles Erziehungsprogramm, das Cosima da ihrer Tochter verordnet. Sie findet, dass deren Eigenschaften »neben mir nicht zu ihrer rechten Ausströmung kämen.« In der Gegenwart von Cosimas Glanz und Wesen war es nicht einfach, töchterlich gut gelitten und dabei eigenständig eindrucksvoll zu sein. Cosima erinnert sich an ihre eigene Situation als junge Frau in Berlin und schreibt der Tochter  : »Ich war nie hoffähig, mein Vater hat mich in Weimar nie vorgestellt, und Dein Vater in seiner Eigenschaft als Künstler, dadurch nur halb. In Folge dessen wirst Du vielleicht einiges nicht mitmachen können – dann werden vielleicht Menschen, die keine Freude an sich haben, sich eine darin suchen, ein wenig impertinent gegen Dich zu sein [...]  – Da zeige Deine Vornehmheit mein Kind, von welcher ich Dich so gern sprechen höre, den wahren heitren gütigen Adel, den Mimi neben dem andren auch hat.« Daniela hat in Berlin ein gutes soziales Training  ; sie wird – anders als damals ihre Mutter  – bei Hofe eingeführt, nimmt an der Hochzeit des Kaiserenkels Wilhelm von Preußen teil, übt sich in Repräsentation und gesellschaftlicher Beweglichkeit. Sie wird 1886, mit 25  Jahren, den Privatgelehrten Henry Thode heiraten, eine Ehe, die nicht glückt und mit Scheidung endet. Daniela wird dann, zurückgekehrt nach Wahnfried und zu den Festspielen, zu einer sorgenden Tochter in mütterlicher Nähe – wie auch Eva. Sie lässt sich Cosimas Korrespondenz diktieren, antwortet häufig an ihrer statt und, je älter Cosima wird, umso näher ist sie um sie. Beide, Daniela und Eva, werden den Nachfahren und forschenden Interessenten das Leben schwer machen mit ihren Entscheidungen, welche Quellen zur Geschichte von Familie und Festspielen sie teilen wollten und welche wie lange nicht.

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Und neben den Bülow-Töchtern also die Trias der leiblichen Wagner-Kinder. Isolde, das erste gemeinsame Kind von Cosima und Richard, die den Namen der Tristangefährtin trägt. Zu Wagners Zeit war dieser Vorname noch äußerst selten, wer kannte schon die mittelhochdeutsche Dichtung  ? Die vielen Isolden (und Tristans) der Folgezeit waren auch ein Ergebnis der Wagnerbegeisterung. Dass Cosima und Wagner ihr erstes Kind so nennen, ist natürlich Programm und für die Trägerin dieses Namens vielleicht nicht einmal ein angenehmes. Isolde, Loldi, das erste gemeinsame Kind, mit Bülow-Nachnamen, geboren in München, genau zwei Monate vor der Tristan-Uraufführung. Sie ist ihrem leiblichen Vater Wagner später wie aus dem Gesicht geschnitten. Als kleines Mädchen sagt sie aber noch zu Cosima, »ich grüße dir einen Gruß für Onkel Richard.« Isoldes Gesundheit wird immer wieder Thema, zum Teil in Verbindung mit Konfliktsituationen. Als Cosima ihr eine »Reprimande«, eine Strafpredigt hält, reagiert die knapp Vierjährige mit einem solchen »Herzklopfen und mit glühendem Kopf, […] daß ich, das Schlimmste befürchtend, mein Kind schon tot sah  !« Wagner findet, Isolde habe ein exzentrisches Wesen, das ihn beängstige. Die Familie feiert all die Jahre Hans von Bülows Geburtstag – selbstverständlich in dessen Abwesenheit  –, Cosima notiert  : »Wir speisen mit den Kindern und lassen Hans leben – Loldi wird etwas unwohl, wir befürchten, daß die Schule ihr nicht bekommen möchte.« Vielleicht ist es nicht »die Schule« gewesen. In den Folgejahren entwickelt Isolde eine Knochenanomalie, die zunächst nicht auffällt, dann aber zu Cosimas Erschrecken der Behandlung bedarf  : »Wie ein Blitz trifft es mich, daß Isolde’s Gestalt als sehr gekrümmt sich ergibt und ich das Kind in die Anstalt in Altenburg geben soll. Stille Tränen  !« Isolde, zu diesem Zeitpunkt zwölf Jahre alt, verbringt in einer Orthopädischen Klinik in Altenburg zwei lange Aufenthalte, getrennt von der Familie. Von einem Besuch berichtet Cosima  : »Wehmütiges Zusammensein mit ihr  ! Wir gehen spazieren, abends in das Schloß, wir horchen zusammen dem Pilgerchor und Abendstern  !« Die Kinder sind natürlich in seinen Werken zu Hause. Wagner ist überall präsent  : in den Theatern, in den Konzerten, in den verehrenden Reden von Gästen, in den Zeitungen, in vielen Abbildungen und Karikaturen. Seine Opern werden der vertrauteste Stoff und unendliches Reservoir für Anspielungen jeder Art. Die Figuren der Werke sind ihre Freunde, ob sie sich danach anziehen und Szenen spielen oder ob sie mit ihnen verglichen werden. Sogar in den Gratulationsfeiern siegt die Einbeziehung der Wagner’schen Werke. Zu Isoldes Geburtstag 1880 schreibt ihr Wagner folgendes Gedicht  :

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Vor fünfzehn Jahren wurdest du geboren  : Da spitzte alle Welt die Ohren  ; Man wollte ›Tristan und Isolde‹ – doch was ich einzig wünscht’ und wollte, Das war ein Töchterchen  : Isolde  ! Nun mag sie tausend Jahre leben, Und ›Tristan und Isolde‹ auch daneben  ! Vivat hoch  ! – R. W.

Später wird Isoldes Ehe mit dem Dirigenten Franz Philipp Beidler zu einer folgenreichen Entfremdung von Cosima führen, bis hin zum endgültigen Bruch  : Die seit 1911 an Tuberkulose leidende Isolde verliert 1914 ihre Klage gegen die Mutter um rechtliche Anerkennung als das Wagner-Kind, das sie war, und wird 1919 als erstes der Cosima-Kinder mit nur 53 Jahren sterben – nach schwerer Krankheit, aber sicher auch zerbrochen am Ehe- und Familienkonflikt. Die nächstjüngere Schwester ist Eva, die zu ihren Geburtstagen jeweils die »Selige Morgentraumdeutweise« und das »Preislied« aus den Meistersingern gespielt bekommt – Eva, die als Einzige keinen Kosenamen hat, das Mittelkind der Wagnersprösslinge zwischen Isolde und Siegfried, das gern übersehene Kind. Cosima habe sie das »Kind der Treue« genannt, an anderer Stelle, ebenfalls einem Eva-Geburtstag, vermerkt sie gerührt  : »Das gute bescheidene Kind ganz ergriffen davon, auf einmal im Mittelpunkt des Interesses zu sein.« Und bei einer früheren Geburtstagsfeier  : »Kinder-Bescherung, Kinder-Tafel, viel Jubel. Wie Evchen’s Gesundheit ausgebracht wird, ist sie ganz toll vor Freude […]. Da sagt ich, sie solle zu Bett gehen, R. sehr betroffen davon, sagt, es sei der katholische Moment meiner Natur, diese Strenge, und daß ich in der höchsten Freude stets das Aufgeben derselben gegenwärtig habe.« Ab und an lassen Evas Leistungen aus Cosimas Sicht zu wünschen übrig. Als die Kinder an einem Geburtstagsfest Wagners vor Gästen ein Gedicht aufsagen, hält sie fest, »nur Eva kann nicht vorwärts.« Sie kann nicht mit allen gleich gerecht und liebevoll sein, das spürt Cosima und nimmt es sich übel. Eva kränkelt viel, »immer etwas leidend aussehend«, und hat wirklich lebenslang mit Rheumatismus zu kämpfen. Bei Reisen braucht sie deshalb besondere Betreuung  – »im Salonwagen wegen der Kranken« – und immer neue Kuren. Eva wird von allen Cosima-Kindern dennoch das höchste Lebensalter erreichen. Sie heiratet mit über vierzig Jahren Houston Stewart Chamberlain, unbedingt eine Ehe im Sinne ihrer Mutter, ein Verehrer Cosimas, dessen politische Ansichten Eva teilt

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und den sie, als er schwer erkrankt, pflegt und bewacht. Sie wird später die treueste Dienerin und Bewacherin auch ihrer Mutter werden. Auch das fünfte Kind, Siegfried, der Sohn, wird am 6. Juni 1869 in familiär unklare Verhältnisse geboren, im Tribschener Haus. Die Scheidung Cosimas von Hans von Bülow und ihre Hochzeit mit Wagner werden erst ein Jahr darauf stattfinden, die Taufe und damit gewissermaßen die amtliche Bestätigung Wagners als leiblicher Vater sogar erst fünfzehn Monate später. Fidi sei »das Siegel unserer Liebe«, das besondere männliche Kind, das diesem besonderen Vater gerecht werden soll, eine Balance finden muss zwischen Nachfolge und Eigenständigkeit. Genau dies wird Siegfried letztlich nicht gelingen. Wen wundert’s  ? Wagner-Sohn zu sein kann nicht wirklich zu einem glücklichen Leben führen. Vom ersten Lebenstag an wird Fidis Leben überhöht und mit Wagners Werken in Verbindung gebracht. Zu seinem ersten Geburtstag schenkt Cosima ihm ein Gedicht mit dem Titel »6ten Juni«, dessen letzte Strophen lauten  : Dein Bild, urewig, segnete Tristan’s Nacht, Als in Todeswahn wir uns fanden, Siegfried’s Sonne hat der Geburt gelacht, Wie Vater und Mutter neu erstanden. Bei den Rosen und Reben, Tristan’ und Isolden’s Ruh Bei Sonnen und Erden Abschieds-Kuß, Stürme, mein Siegfried, was da stürmen muß, Hell wie der Tag, tief wie die Nacht seiest Du.

Siegfried kann es noch nicht wahrnehmen, aber er wird die Atmosphäre der behaupteten Außerordentlichkeit und übergroßen Nähe zum Liebesgeschehen der Eltern gespürt haben. Die Hypothek einer sehr großen bedingungslosen Liebe für dieses Kind, verbunden mit einem moralischen Auftrag. Cosima schreibt  : »Mein Kind, mein Sohn, deine Geburt – mein höchstes Glück – hängt mit der tiefsten Kränkung eines andren zusammen, dies war meine Daseins-Schuld, vergiß dieses nie, erkenne darin das Bild des Lebens und büße es ab, wie du kannst. Sei aber gesegnet von mir als die Verwirklichung des seligsten Traumes  !« Fidi war der kleine König, er hat nicht darum gebeten, aber er wird ab seinem ersten Lebenstag so behandelt. Als er gerade zwei Jahre alt ist, notiert Cosima  : »Kindertisch mit Fidi, der als Mann schon seine Superiorität über die Schwes-

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tern geltend macht.« Einige wenige Jahre später dann beschreibt sie seine äußere Erscheinung einer Freundin  : »Mein Siegfried ist wohl blond und hat blaue Augen (›helläugiger Knabe‹ sagt der sterbende Fafner), aber er ist nicht schlank, sondern sehr stark, etwas untersetzt, dabei leicht hüpfend wie ein Gummiball, und mit zierlichen Füssen begabt, was zu dem enormen Kopf und der breiten Figur einen seltsamen Contrast bildet  ; er ist sehr heiter und besonnen dabei.« Die Erscheinung Wagners kommt da unmissverständlich als Schatten und Muster zum Vorschein. Als Fidi längst Siegfried gerufen wird, tauschen sich die Eltern häufig darüber aus, ob der Junge auch männlich genug würde, sie hegen Zweifel. Er sei ein »merkwürdiger Junge«, findet Großvater Liszt. Ein halbes Jahr später ist »R. in Sorge um ihn, weil er so empfindsam scheint, meint, er müsse bald mit Knaben Umgang haben.« Es geht in Variationen immer wieder um den »beständigen Frauenumgang«, »Sorge um Siegfried, welcher gar weichlich mir erscheint  !« Wie geht man am besten damit um  ? Cosima und Wagner sind eher ratlos. »Sorge um Fidi, wir haben Knaben-Umgang für ihn gesucht, dieser bringt nun nichts wie Roheit, Gemeinheit, tückische Trägheit, ein Entsetzen. Abends spielen die Kinder uns Aschenputtel, wobei Fidi in der erheiterndsten Weise eine der bösen Schwestern spielt.« Das Phantasievolle und Sensible, die Spielfreude und Lebhaftigkeit, die den Eltern solche Freude macht, was sie aber, wenn sie ihn auf der ihrer Meinung nach unmännlichen Seite beobachten, irritiert sein lässt. Was wünschen sie sich anders  ? Für Siegfried wird ein Hauslehrer gesucht, der junge Heinrich von Stein, der bald wie ein Familienmitglied integriert ist. Es bleibt weiter aber eine Frage, ob Siegfried nicht doch besser aus dieser Splendid Isolation hinein ins normale Leben geschickt werden sollte. »Beim Frühstück aber kommen uns ernste Gedanken an, ob wir nicht doch Siegfried in die Schule schicken sollten, da er keinen Knaben-Umgang hat. Gestern hat er zum Scherz seiner älteren Schwester das Haar gemacht, und das hat R. sehr beängstigt.« Und noch beim letzten gemeinsamen Aufenthalt in Venedig tauschen die Eltern Bedenken aus  : »Beim Frühstück sprachen wir über Siegfried, welcher sehr bleich aussieht, und haben Sorge, daß der Umgang von Stein auf ihm laste  !« Stein, sein homosexueller Lehrer. Die Frauen-Männer-Grenzen sind streng gezogen. In den Ängsten der E ­ ltern wegen Siegfrieds möglicher beziehungsweise sich abzeichnender Homosexualität kommen diese Grenzen zum Tragen. Als Siegfried in die Pubertät kommt, hat sich eine leise Enttäuschung eingeschlichen – ein Bedenken, auch eine Hilflosigkeit, die Cosima nach dem Tod Wagners streng leugnen wird. Eine fast trotzige öffentliche Loyalität, gepaart mit viel Verstellung, ganz gewiss, die in der

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erzwungenen Laufbahn Siegfrieds zum Dirigenten und Festspielleiter deutlich werden wird. Der Stolz Wagners aber ist letztlich doch die gesamte Kinderschar, was Cosima beglückt. Das wird deutlich, wenn Wagner zur Feier der Grundsteinlegung des Festspielhauses Cosima und die fünf Kinder demonstrativ zu sich auf die Bühne des Markgräflichen Opernhauses bittet, sie dort in einer kleinen Prozessionsreihe Platz nehmen lässt. Es sollen alle sein, ob leiblich oder nicht, er hat es, so alt er ist, zu dieser großen Familie gebracht  : »Ich habe dich und die Kinder und sonst nichts«, resümiert er später in einem Gespräch. Und bei einem von Cosima aufwendig inszenierten Geburtstagsfest für ihn reagiert er auf eine Pantomime der Kinder uneingeschränkt liebevoll  : »›Es ist das Schönste, was ich erlebt. Was ist aller Kummer gegen einen solchen Augenblick  ! […] In einem ganz neuen Licht seid ihr mir erschienen, Kinder  !‹ sagt R. zu den Kleinen, zu mir  : ›Sie sind alle aus deinem Schoß gekommen, das sieht man bei einer solchen Gelegenheit.‹«

26. Chauvinismus

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as Jahr 1870 ist für Cosima ein mehrfach dramatisches Jahr. Am 18. Juli 1870 wird die Scheidung in Berlin ausgesprochen, zu deren Verkündung sie übrigens nicht hinfährt, und am 19. Juli 1870 bricht der Deutsch-Französische Krieg aus. Dieser Krieg polarisiert Cosimas Familie, bringt insbesondere zu ihrer Mutter eine politische Spannung mit sich und lässt diese eigentlich polyglotte Familie in nationalistische Parteiung fallen. Cosima identifiziert sich überschwänglich mit ihrer neuen Heimat, auch aus dem Gefühl heraus, dass das Frankreich ihrer Kindheit vor allem Drill und Einsamkeit gewesen sei. In ihrer jetzigen Situation, in der sie deutsch spricht, lässt sie die französische Vergangenheit Wagner gegenüber möglichst dezent aufscheinen. Während Cosima also die deutsche Seite, die militärischen Berichte, die Kriegsneuigkeiten mit gewissermaßen deutschem Kopf verfolgt, bleibt ihre Mutter mit der französischen Herkunft identifiziert. Für Marie d’Agoult hätte die Familienbindung an ihre Geburtsstadt Frankfurt am Main und ihre deutschen Vorfahren, insbesondere an die eigene Mutter, zu einem weiter gefassten Verständnis dieser kriegerischen Auseinandersetzung führen können. Aber so ist es nicht, und Mutter und Tochter empfinden dadurch eine deutliche Entfremdung. Als Cosima überlegt, die Mutter zu einem Besuch einzuladen, vermutet sie bereits im Gespräch mit Wagner, dass der Mutter »unsre deutsche Gesinnung und der ganze Zuschnitt unseres Lebens« nicht behagen würde. Und so kommt es. Marie d’Agoult nimmt das Anerbieten nicht an, »wir sind ihr zu deutsch.« Und von Cosimas Seite bestehen ebenfalls Vorbehalte, gegen den »französisch gedrillten Kopf« der Mutter. Cosima vertritt die deutsche Seite vielleicht umso mehr, als sie das Kriegsgeschehen aus der Schweizer Ferne, in Tribschen, beobachtet. Es sind die Identifikationen ihrer Phantasie, ihrer persönlichen Bindungen und Wünsche, auch ein Loyalitätszeichen mit Wagner gegenüber der Mutter. Magst du mich als Französin erzogen haben, sprechen wir miteinander nach wie vor die französische Sprache, so ist mein Platz doch an der Seite meines neuen Mannes und dessen Land. Cosimas Haltung, überdeutlich geäußert, ist gleichzeitig eine der vorzeigbaren Möglichkeiten, im Einverständnis mit Wagners Umfeld zu sein. Die Schweiz ist gut zu ihnen gewesen, sie haben am 25.  August 1870 heiraten können, es ist auch ein Triumph der endlich legalisierten Gemeinsamkeit. Zu den heftigsten persönlichen Entscheidungen kommt die politische Lage. Es

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sei erinnert, dass es für die Verbreitung der aktuellen Nachrichten Zeit braucht, bis diese ihren Niederschlag finden im persönlichen Alltag. Die Identifizierung mit der deutschen Seite konnte dem Paar Wagner und Cosima als scheinbarer Gleichklang dienen, als Übereinstimmung im Übergang aus der Liaison in die Ruhe der endlich geschlossenen Ehe. Im Frühjahr 1871, der Deutsch-Französische Krieg ist beendet, stattet Marie d’Agoult ihrer Tochter dann doch für eine gute Woche einen Besuch in Tribschen ab. Die Empfangsfeierlichkeiten am Bahnhof laufen ins Leere, weil die Mutter erst Stunden später ankommt. Cosima fühlt sich »ihr sehr fremd, doch ist sie angenehm durch ihre große Bildung.« Das klingt nach Konversation und danach, dass sich überhaupt erst wieder eine Ebene des Vertrautseins zwischen Tochter und Mutter herstellen muss. Cosima hat das Hausrecht, sie kann zeigen, wie sie lebt und welchen Weg sie inzwischen hinter sich gebracht hat. »Stürmischer Tag, mit der Mutter Vergangenheit und Zukunft durchgesprochen.« Es hat genügend Ähnlichkeiten gegeben zwischen beiden, aber es ruhen auch genügend familiäre Hypotheken auf Cosimas Schultern. Es bleibt nicht aus, dass die alten Spannungen bei diesem Besuch wieder aufbrechen, »Wiederholung aller Nöte mit der Mutter.« Gleichzeitig ist beim Abschied der Mutter aber Platz für Trauer  : »R. dankt ihr, gekommen zu sein, ich bin sehr ergriffen, als ich sie zuletzt umarme  ; die ganze Traurigkeit des Lebens erfaßt mich  !« Die Tribschener Ruhe löst sich bald auf, im Dezember dieses Jahres wird Wagner das Grundstück für Wahnfried erwerben, im Jahr darauf beginnt der Bau des Festspielhauses. Der Auf bruch kündet sich an, die Patronatsvereine als Geldgeber für Bayreuth sind zu organisieren. Und Cosimas Mutter, zurück in Paris, hat wieder mit schweren psychischen Krisen zu tun. Cosimas Halbschwester Claire schreibt, »meine Mutter ist wieder irrsinnig.« Was für ein Satz  ! Cosima kann aus der Entfernung nichts für sie tun. Die bewunderte und auch gefürchtete Mutter, deren psychischer Zustand großen Schwankungen unterliegt. »Claire Charnacé schreibt mir von dem Zustand der Mutter, der immer ein übler ist«, heißt es im nächsten Jahr, das beides bringt  – die Sorge und die Bewunderung. Marie d’Agoult geht es sogar so weit besser, dass sie wieder schriftstellerisch tätig wird und ihrer Tochter im August 1872 den ersten Band ihrer Geschichte der Niederlande schicken kann, die Histoire des commencements de la république aux Pays-Bas 1581–1625. Ein erstaunliches Sujet und ein Wechselbad des Bildes, das Cosima sich jeweils über die Mutter machen kann. Die Schriftstellerin und historisch Forschende, die »Irrsinnige«, mit der keine Kommunikation stattfindet und die Cosima in Pflege und Behütung vermutet.

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24  Karikatur aus der satirischen Wiener Zeitung Der Floh vom 29. Juli 1894, die Cosima Wagner mit dem Samtbarett des »Meisters« zeigt. Der stabreimende Text kritisiert die Festspielleiterin als zu unwagnerisch, zu geschäftstüchtig und zu international  : »Schimmernder Schminke schmal­ziges Fett schminke ich schlau speculierend Euch an. Wollen Wagnerianer auch nicht weiter zum ›Wahn‹, bringt mir doch beutelbeschwerte Briten die Bahn!«

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Die Mutter hat sich einen Namen erschrieben, gewissermaßen die Professionalisierung erkämpft, und Cosima nimmt sich das Buch vor, es »interessiert mich sehr und dünkt mich sehr gut.« Französisch lesend, französisch sprechend mit der Mutter, falls sie da ist, ein Kindheitsband, ein Erinnerungsband, ein Fremdheitszeichen, insbesondere hinsichtlich der eigenen politischen Verortung. Die Mutter, deren Mutter eine Deutsche war und die doch immer wieder auf ihre deutschen Wurzeln, die »germanischen Vorfahren«, wie sie es nennt, Bezug nimmt, die Mutter betont demonstrativ in ihren Briefen ihre französische Teilhabe. So stellt Cosima fest, die Mutter sei »von der vermeintlichen Wiedergeburt Frankreichs beseligt, auch den unerhörten Wohlstand dieses Landes erwähnt sie. Während bei uns die Not überall herrscht.« Und so gerät ihre Antwort an die Mutter ein bisschen spitz  : »Ich antworte der Mutter, daß ich ihr keine so guten Nachrichten von Deutschland geben könne als sie mir von Frankreich  ; das Beste an den Deutschen sei jedenfalls ihre Unbefriedigung  !« Ein Schlagabtausch, bei dem die Tochter der Mutter gewachsen scheint. Cosima muss sich nicht verstecken, fürchtet die Kritik der Mutter nicht mehr. So sind Mutter und Tochter durch einen Krieg ihrer Heimatländer, der bekanntlich im Ergebnis zur Reichsgründung von 1871 führte, getrennt und stellvertretend verfeindet, zumindest für die Zeit der aktuellen Spannungslage. Das jeweilige Bekenntnis ist so auch ein Zeugnis der familiären Unverträglichkeit und nicht mehr einzuholenden Distanz.

27. Jüdische Fragen

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er Antisemitismus Cosimas ist in ihren schriftlichen Zeugnissen durchgehend vorhanden. Ihr Selbstverständnis, sich in einem vereinnahmenden »Wir« als christlich zu definieren und Juden als »Race« zu begreifen und sie als andersartig und getrennt von »sich« zu behaupten, festigte sich im Laufe ihres Zusammenlebens mit Wagner. Und obwohl die Betonung der christlichen Taufe immer wieder, insbesondere in ihrem Verhältnis mit dem Dirigenten Hermann Levi, als »Rettung«, als Änderung der jüdischen Menschen hin zur christlichen Gemeinschaft erwähnt wurde, setzte sich letztlich doch das rassistische Verständnis durch, dass Juden nicht zu helfen sei, wären sie doch sozusagen in ihrer Herkunft gefangen und verdammt. Die Überheblichkeit, die Cosima gegenüber jüdischen Mitarbeitern beziehungsweise »mosaischen« Künstlerinnen der Festspiele immer wieder formulierte, entsprang einer nie mehr korrigierten erratischen Schein-Gewissheit und tradierten Herablassung, bei der Cosima sich nicht nur durch Wagner, sondern ebenso durch Bülow unterstützt fühlen konnte. Die Spannung zwischen dem höflichen, kollegialen Diskurs in den künstlerischen Begegnungen mit jüdischen Mitwirkenden und der jederzeit aggressiv und verächtlich auftauchenden Ablehnung des »Stammes« war nicht zu versöhnen. Den Bemerkungen Cosimas zum jüdischen Thema haftet oft auch ein gewisses Auftrumpfen an, ein Ton, der mit Zustimmung Dritter und unterstützender Häme rechnen konnte. In den Berichten und Erinnerungen über ihre Kinderzeit tauchen jüdische Bezüge und Personen nicht auf. In Paris und im Kontakt mit der adeligen Mutter und dem Künstler-Vater war Antisemitismus, der sich im öffentlichen Vorurteil häufig auf angeblichen Reichtum und soziale Herrschaftsansprüche von Juden bezog, kaum ein Thema. Die Haltung war eher liberal. Die hohe Identifikation Cosimas mit den Dogmen der katholischen Kirche allerdings legt nahe, dass sie die traditionellen Vorwürfe gegen die Judenheit teilte und aus Kindertagen unerschütterlich für richtig hielt. Über »die« Juden gemeinsam Gehässigkeiten auszutauschen, sich lachend miteinander in Abfälligkeiten zu verständigen, war eine immer wiederkehrende Situation zwischen Cosima und Wagner. Sogar wenn Wagner betont, persönlich habe er die besten Freunde unter den Juden gehabt, ist ihm dies kein Hinde-

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rungsgrund fortzufahren, »aber ihre Emanzipation und Gleichstellung, bevor wir Deutschen etwas waren, sei verderblich gewesen. Er halte Deutschland für vernichtet.« Hans von Bülow stand Wagner in seiner Judenfeindschaft nicht nach. Er unterbricht ein Konzert in Köln, weil der »Musikjude« Ferdinand Hiller in seinem Blickfeld in der ersten Reihe sitzt, er nimmt in Briefen immer wieder auf Juden Bezug und streitet sich gern über deren kulturelle Präsenz. In Reaktion auf Wagners »Judenbroschüre« schreibt Bülow an Wagner  : »Die Wirkung Deiner Broschüre ist über alle Erwartung (Befürchtung  ?) einschneidend. Selbst hier, wo das auserlesene Gesindel numerisch so gering ist, habe ich ganz entsetzlich darunter zu leiden. Nun, es ist mir das eine Ehre, wenn auch kein Vergnügen. […] Wie die Sachen stehen, d. h. wie weit die Verjüdelung der Deutschen (ohne Blutvermischung) bereits vorgeschritten ist, möchte ich behaupten, daß die Zahl der Juden, welche mit Deiner Broschüre einverstanden sind, der Zahl der gleichgesinnten Nichtjuden völlig gleich kommt. Ich sehe ziemlich trübe – ich glaube nicht mehr an die Möglichkeit einer Rettung vor der allgemeinen Verlumpung i. e. Verjüdelung. Die Krankheit hat zu weit um sich gegriffen. Die positiven Mächte in Staat und Gesellschaft  : Adel, Armee, Clerus sind nicht eben mehr mächtig. Es bleibt zu einer Regeneration nur ›salva venia‹ – der Pöbel. Der brauchte freilich einen Leithammel und zu dieser Mission würde wiederum nur ein Jude sich qualifizieren können. So müßte man denn […] auf einen – umgekehrten Messias warten, nämlich einen, der sein Volk ans Kreuz heften würde.« Auch die satirische Münchner Zeitschrift Kladderadatsch griff Wagners 1869 neuerliche und überarbeitete Veröffentlichung der Broschüre Das Judenthum in der Musik auf. In der Ausgabe vom 12. September 1869 erschien eine Karikatur mit dem Titel »Rache des Adonai gegen Wotan« sowie der gereimte Kommentar dazu. Hier der Wortlaut des Spottgedichts »Der Nibelungen Noth«  : Doch all’ des Glanzes Schimmer, Germanischer Götter Ruhm Reiz auf zum Neid, wie immer, das böse Judenthum. Sie sangen ein Miserere Und machten ein groß Geschrei  : O sancte Meyerbeere, Bitt’ du für uns bei Adonai  !

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Da hatte mit seinem Volke Mitleid Jehovah, und Aus blitzender Donnerwolke That er ihm huldreich kund  : Nur muthig  ! Dann versprech’ ich Dir Sieg, bei Sanct Hanslik  ! Und durch ein Wunder rächt’ ich Das Judenthum in der Musik  !

Die ironische Zitierung von Wagners antisemitischer Schrift ist kaum misszuverstehen. In derselben Nummer des Kladderadatsch ist ein weiteres Spottgedicht auf Wagner zu lesen, der auf ausdrücklichen Wunsch König Ludwigs II. zulassen musste, dass Das Rheingold in München am 22. September 1869 uraufgeführt wurde. Die schlecht vorbereitete Produktion, die gegen den Willen des unter Protest wieder nach Luzern abgereisten Komponisten Premiere feierte, wurde allgemein kritisiert und verspottet. Es sei das einzige Blatt, schreibt Cosima zwei Wochen später, »welches die Vorkommnisse in München in anständig humoristischer Weise dargestellt hat.« Unter der Überschrift »Schreckliche Neuigkeit. (In Zukunftsmusik zu setzen.)« folgen unter anderem die Verse  : Rheingold, es war nischt mit  ! – Fuhr er, geharnischt mit Zorn, nach Luzern. Walla  ! Erloschen war Weia  ! sein Stern. Kunst steht verzweifelt, Weiala, weih  ! Ach aus dem Baierland, Wo seine Leier stand, Wagala, weiala  ! Floh der Rheingoldige. Juden, koboldige, Singen  : Jucheiala  ! Heia, juchhei  !

Der Spott, der da auf Wagner herabregnete, ließ unzweifelhaft eine kritische Position der Zeitschrift erkennen. Und dass »die Juden« sich als Gruppe hämisch an diesem Misserfolg freuen sollten, wäre als eine Anspielung auf Wagners mu-

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25  Wahnfried-Empfang auf einem Gemälde von Friedrich Georg Papperitz (um 1882)  : Cosima links mit Siegfried im Arm, Wagner mit Partitur, Liszt rechts am Flügel und mittig unter der Palme sitzend Parsifal-Dirigent Hermann Levi.

sikalischen Verfolgungswahn und ebenso als eine Ironisierung denkbar. Und es wäre denkbar, dass Cosima sich ihrer »Sache« zu sicher war, wenn sie die gleiche Judenverachtung bei anderen annahm, die sie selber pflegte. In einem Brief an ihre Freundin Marie von Schleinitz bedient Cosima den ironisch überlegenen Ton gegenüber jüdischen Menschen selbst dann, wenn sie, wie in diesem Fall, Wagner Geld für den Bau eines Theaters zur Verfügung stellen wollen. Cosima berichtet vom Angebot eines Bankiers namens Haymann, Wagner Vorschüsse zu geben, »damit er sein Theater ausbauen könne.« Cosima, vertraut und fortwährend beschäftigt mit dem Sammeln von Unterstützungsgeldern für Wagner, nimmt ein solches Angebot nicht ernst, obwohl der Schwager des möglichen Spenders sogar »Cassirer« im Wagner-Verein von Regensburg ist. »Und wir«, schreibt sie im selben Brief, »sind nicht allzu hoffnungsreich, wenn die israelitischen Posaunen erschallen, mit Hilfe welcher unsere Mauern sich erheben sollen  ! Feustel hat gleich nach Regensburg geschrieben, und wir werden sehen welche Art tauber Nuss uns blüht, oder ob wirklich ein Wunder in Judäa geschah.« Als Wagner Anfang 1869 die neuerliche Publikation seiner Broschüre Das Judenthum in der Musik erwog, die er unter dem Pseudonym K. Freigedank 1850

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das erste Mal veröffentlicht hatte, war Cosima unentschieden. »Zu Mittag besprach Richard mit mir die Opportunität der augenblicklichen Publikation des Juden-Aufsatzes, ich sagte ihm, ich sei unfähig, das mindeste ihm hierüber sagen zu können, denn wenn man mir sagte  : Es bringt ihm die größten Widerwärtigkeiten ein, oder es wird gänzlich ignoriert, oder es macht eine gute Wirkung, ich würde alles glauben.« Cosima äußert sich über den Inhalt dieser Publikation weder zustimmend noch ablehnend. Anders als bei allgemeinen Gesprächen über »die Juden«, bei denen sie durchaus in die Verachtung und den immer bereiten Wagner’schen Spott einstimmt, bleibt sie hier skeptisch. Es ist ein Fehdehandschuh, den Wagner allen jüdischen Musikern zuwirft, eine aggressive und boshafte Abrechnung mit seinen musikalischen Konkurrenten – darunter erfolgreiche Komponisten wie Giacomo Meyerbeer und Felix Mendelssohn Bartholdy, die er in früheren Jahren schätzte und denen er teils auch viel verdankte. Der Leipziger Verleger Johann Jacob Weber rät Wagner zur Veröffentlichung, im März 1869 kommen die ersten Versendungsexemplare in Tribschen an. Die persönliche Gekränktheit und völlig hetzerische Herabsetzung des »Jüdischen« in der Musik ist in dem Text auf skandalöse Weise formuliert. Es ist ein quälend abstoßender Duktus, in dem Wagner sich in karikierenden Phantasien angeblich jüdischer Sprechweisen auf die übelste Art gefällt. Wagner meldete sich mit diesem Pamphlet also dezidiert noch einmal als noch aggressiverer Antisemit zu Wort. Wie weit Cosima die inhaltlichen Positionen Wagners darin teilte, bleibt unklar. Sie war zumindest nicht begeistert von dem Vorhaben  : »Er hat den Judenaufsatz abgeschickt, was mich mit Bangigkeit erfüllt, was ich aber doch nicht verhindern wollte.« Als Wagner zufrieden erzählt, der Juden-Aufsatz werde gedruckt, steht dahinter als eher lapidarer Kommentar Cosimas  : »In Gottes Namen.« Unabhängig davon, dass er mit Bülows Frau lebte, ließ Wagner auch Bülow ein Exemplar zusenden, kannte er doch dessen wütenden Antisemitismus. Cosima notiert  : »Hans ist von der Broschüre sehr entzückt.« Dass sie selbst davon entzückt sei, notiert sie an keiner Stelle. Sie protokolliert allerdings, als sei sie in Sorge wegen einiger Reaktionen  : »Eine kleine Notiz in der Karlsruher Zeitung kündigt die Judenbroschüre an und meint, daß dadurch, daß er einen ganze Volksstamm rücksichtslos behandle samt seinem bedeutenden Tonsetzer, und auch alle seine Gegner verächtlich behandle, R. sich und seiner Sache schade  ! – – –« Gleich drei Gedankenstriche  ! Cosima wendet sich nicht kritisch gegen diese Einschätzung, es ist gut möglich, dass sie das Überzogene und Ungerechte in der Wagner’schen Pauschalisierung zumindest zu diesem Zeitpunkt noch mit Unbehagen erfüllte. Auf die Kritik an Wagner reagiert Cosima dann

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mit einem demonstrativen »Wir«, das sie untrennbar an Wagners Seite schmiedet. Auch Freundin Marie Muchanoff-Kalergis, an die Wagner bei der Neupublikation der Broschüre 1869 einen Vorspruch und das Nachwort adressiert, spiegelt ihr bei einem Besuch Reaktionen, die Cosima nur ironisch kommentieren kann  : »Sie erzählt mir, daß die Leute mir Schuld an der Judenbroschüre geben etc. Die guten Leute  !« Aus Wagners privatem Umfeld ist nicht nur Zustimmung zu hören, seine Schwester Luise Brockhaus schreibt aus Leipzig, dass sie »aber über die Judenbroschüre traurig ist.« In ihrer privaten Korrespondenz nimmt Cosima in unterschiedlichster Weise Stellung. So schreibt sie nach der Lektüre von August Friedrich Gförer an Marie von Schleinitz, ihre Freundin Mimi  : »Es thut mir leid für die Juden mit welchen ich mich in letzter Zeit viel beschäftigt habe, durch ›Das Urchristentum‹ von Gförer  ; die tiefsinnigsten und die absurdesten Sachen habe ich da kennengelernt, und mich freilich davon überzeugt dass man das Christenthum vom Judenthum nicht trennen kann, und dass man das jüdische Volk nicht einfach als Barbarenvolk behandeln kann […].« Die mit Wagner geteilte und öffentlich vertretene generelle Verächtlichmachung des Jüdischen scheint dabei wie ein geschlossenes System zu existieren neben privaten Einschätzungen, die eine offenere Sicht fast absichtslos vermuten lassen, wenn Cosima ein Lob an Mimi formuliert, das sie mit jüdischen Eigenschaften belegt  : »Leben Sie wohl, theuerste Freundin, einzige wahre Theilhabende an dem was uns bewegt. ›Ein gutes Auge, ein demüthiger Geist, eine begierdelose Seele‹, sagten meine mystischen Juden, soll man sich Wünschen  ; diese drei höchsten Gaben waren Ihnen nebst Schönheit, in die Wiege gegeben, seien Sie darob froh […].« Mimi und Malwida von Meysenbug – Cosimas beste Freundinnen – haben in ihrem Verhältnis zum Judentum eine deutlich liberalere Haltung eingenommen, die sie ihrer antisemitischen Freundin auch offen zumuteten. Malwida schrieb an Cosima  : »Ich weiss nicht ob die Menschenseele sich in weisse, schwarze, gelbe eintheilt, dass sie sich aber unter climatischen und anderen Einflüssen verschieden entwickelt, scheint mir unzweifelhaft  ; es bedarf kaum der Wissenschaft um das begreiflich zu machen. Aber so wie wir die Thiere, ja die ganze unorganische Natur mit in den Kreis unserer Theilnahme ziehen, so scheint es mir, verdient dies auch die Menschheit im weitesten Sinn. […] Für mich reduciert sich die Racenfrage auf die Menschheitsfrage und auf das einfache Axiom  : gut und böse. Es ist auf alle Racen anwendbar. Dass durch die historische Entwicklung manche Züge sich schärfer entwickelt, andere zurückgetreten sind, ist unleugbar, und macht uns Manche sympathischer als andere, und so haben insbesondere die

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Juden, zum Theil gewiss auch als Folge der langen Unterdrückung, Vieles entwickelt, was antipathisch wirkt. Aber die arischen Christen  ? Was erleben wir nicht unter ihnen und wie klein ist die Minorität derer, die wir wirklich ganz lieben können  !« Cosima war Zeugin aggressivster Äußerungen Wagners über jüdische M ­ usiker, Konzertbesucher, Förderer, Bankiers, die in ihrer Summe an Verfolgungswahn und Unterlegenheitsgefühl erinnern. Aber sie sah – insbesondere nach der Veröffentlichung der Judenbroschüre 1869  – eher nur die negative Reaktion auf Wagner und stellte sich bedingungslos an seine Seite  : »In den Kot werden sie uns ziehen, gern will ich alles alles erleiden, nur um an seiner Seite zu stehen, bis in die späteste Nachwelt sollen sie mich verunglimpfen, habe ich nur ihm geholfen, habe ich nur ihm die Hand reichen dürfen und ihm sagen  : ich folge dir bis in den Tod  ! – – –« Es ist die Tragik der mit dem Mann loyalen Frau, tausendfach anzutreffen und unumkehrbar. Das »Ich folge dir in den Tod« der Frau ist ein Geschlechter-Topos, der in der Oper von Aida über Leonore bis hin zu Senta, Elisabeth und Isolde reicht. Politische Urteilsfähigkeit, auch wenn sie wie in Wagners Fall in Bezug auf die jüdische Frage verhängnisvoll ist, wird den Männern zugetraut und zugebilligt. Cosima hätte, selbst wenn sie vielleicht in einigen wenigen Einschätzungen anderer Meinung als Wagner war oder von aufgeklärteren Freundinnen ermahnt wurde, nie ihre politische Position über die ihrer Gefährtinnen-Rolle gestellt, die sie als ihre Lebensverantwortung sah, als ihren Auftrag und Definition ihrer selbst. Eine selbstgewählte politische Verortung, ihre Identität, die ihr ohne Alternative schien – alles andere wäre ihr wie ein Verrat vorgekommen. In einer kleinen Notiz hat Cosima einmal selbst eine Brücke zu aufgeklärter Haltung ahnen lassen, die ihrer Freundin Malwida gefallen hätte. Sie notiert, sie habe Wagner gegenüber in einem Gespräch geäußert  : »Tristan ist die Musik für die Aufhebung aller Schranken, also auch der Racen.« Obwohl sie also liberalere Stimmen in nächster Nähe erlebte und sich ihnen hätte öffnen können, nahm Cosima aber an dieser ihrer antisemitischen Grundeinstellung zeit ihres Lebens keine Korrektur vor.

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n ihrem Tagebuch hält Cosima auch fest, wenn sie Begegnungen entspannter oder verstörender Art mit Menschen außerhalb ihrer Wagner-Welt erlebt  – mit Bauern, Handwerkern, Nachbarn. Sie reflektiert ihre Rolle, ihre Reaktionen, ihre soziale Pflicht, so wie sie es versteht. »Ein armer Soldat aus der päpstlichen Armee kam gestern betteln, er war zu Fuß über den Gotthard gekommen und seine rechte Zehe war ihm erfroren. Gute Zeugnisse hatte er, und als ich ihm fünf Franken geben ließ, weinte er vor Dank und Freude. Da fiel mir der Wunsch ein, den ich als Kind ausgesprochen und noch als Mädchen gehegt, der Armenpflege mich zu widmen. Wie weit bin ich davon ab, und doch, wenn solch Elend mir naht, meine ich im Gemüte, mein Beruf sei nicht erfüllt.« Beide, Wagner und Cosima, gaben, wenn ihnen arme Menschen begegneten, in der Regel großzügig, Cosima blieb aber prüfend und äußerte genauso Kritik. So etwa, als ein Kind durch das ausschlagende Pferd Grane schwer verletzt wird. Cosima kommentiert den Unfall vor allem mit Blick auf die Eltern  : »[…] das Kind ist am Sterben, und die Leute benutzen die Tragik, um ihren Vorteil zu ziehen, betrachten den Fall als ›ein Glück‹.« Tags darauf notiert sie  : »Die Mutter des verwundeten Kindes [kommt] und erschreckt uns durch den Zynismus der Lieblosigkeit gegen den Knaben  ; nur der Schadenersatz liegt ihr am Herzen  ; jede Teilnahme bleibt ihr unverständlich.« Die große soziale Kluft, die offenbar in diesem Geschehen zwischen den Beteiligten steht, lässt ihrerseits Cosima, die fünffache Mutter, verständnislos darüber, dass Menschen mit ihrer Kinderschar nicht nur beglückt, sondern belastet sein können und ihnen eine pekuniäre Entschädigung wie ein Glück erscheinen kann. Cosima bleibt trotz ihrer im Prinzip saturierten Situation neugierig auf andere soziale Verhältnisse, sie betrachtet sie nicht voyeurhaft, sondern mit fremdelndem Interesse. So werden sie und Wagner zu den Eltern eines kleinen Mädchens eingeladen, die von ihnen die Patenschaft über ihr Kind erbaten, das am Tag der Grundsteinlegung des Festspielhauses in Bayreuth zur Welt kam. Sie berichtet  : »Wir bringen die kleine Richardis Cosima heim, der Vater ernst und ergriffen, die Mutter sehr bescheiden, gute tüchtige Volksmenschen, mit denen nicht zu spaßen ist. Sie nötigen uns zu Wein, Kaffee und geben einen großen Kuchen mit  ; die Wohnung, zwei Stübchen, die fünf Kinder darin, sieht sauber aus, an den Fenstern der Arbeiterhäuser und vor den Türen viel Menschheit, die Fenster sehen aber auf Gärten und Berge. Wir sind sehr gerührt, o dieses furcht-

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bare, furchtbare Dasein  !« Nach der Schilderung dann doch ein großes Mitleid, die Bewertung, ein solches Leben wie das dieser einfachen Bayreuther Familie nur als elend zu empfinden. Cosima hatte in Bayreuth eine gänzlich andere, neue, befreitere Situation als im schweizerischen Tribschen. Hier endlich konnte sie sich die Position aufund ausbauen, die sie für Wagner und seine Familie im repräsentativen Rahmen wollte. Cosima breitet sich aus in ihren Kontakten, zu denen eben auch die zufälligen und sozial bescheidenen gehören. So schickt sie ihre Kinder an Weihnachten zur »Armenbescherung« und fördert damit die christliche Erziehung ihrer Kinder ebenso wie die Präsenz ihrer Familie im sozialen Leben der Stadt. Sehr beschäftigt sie sich mit dem Fall eines »armen hübschen guten Buchbinder-Gehülfen, der sich seinen Tod wahrscheinlich dadurch geholt, daß er, der Armut wegen, den Weg zu seiner Gemeinde zu Fuß zurücklegte und sich dabei eine Lungenentzündung holte.« Cosima versucht, Hilfe für den jungen Mann, der aus Nordhalben stammt, zu organisieren  : »Wir gehen zusammen aus, tragen unsere Sorge für den Gehilfen dem Bürgermeister vor  ; schreckliches Bild des Zustandes der Gemeinde Nordhalben – üble Zustände des Volkes all über all  ; Strikes  ! Ein Mann mir sagt  : Ich habe genug für mich, ich gehe in die ›Sonne‹, für meine Familie sorgt die Gemeinde. Die Gesetze werden von Journalisten und Advokaten gemacht, es sieht alles nach Menschlichkeit aus und ist barbarisch. Das Volk verkommt immer mehr, die Kirchen leeren sich zum Vorteil des Wirtshauses.« Mit der Ahnungslosigkeit der lebenslang gut Versorgten schaut Cosima auf die Folgen von Armut und Verwahrlosung. Gleichzeitig bleibt ihr Blick geprägt von Mitleid, wenn sie mit unmittelbar Betroffenen konfrontiert ist. Selbstkritisch schaut sie dabei auf ihre eigenen Reaktionen. »Zum Haus gegangen  ; wie ich heimkehre, hält ein altes Weib mich an, sie möchte durch das Grundstück durch, es war spät, Fidi’s Füße nass, ich suchte ihr begreiflich zu machen, daß sie nichts gewänne, wenn sie hier durchginge, sie war taub, ging dann ihrer Wege, mich einer tiefen, wie ein Schatten sich über mich streckenden Reue [überlassend]  ; warum tat ich ihr nicht den Willen, selbst da sie sich täuschte, sie verstand mich nicht und muß ein bitteres Gefühl von Besitz und Nicht-Besitz empfunden haben. Müder als sie schleppte ich mich heim, meine dumme Klugheit verwünschend und meine Bequemlichkeit, vor allem aber meinen Argwohn – ich befürchtete unredliche Absichten, was hätte sie tun können, hätte ich sie durchgeleitet, Fidi würde diese Strecke mehr schon vertragen haben, und ich finde keine Entschuldigung und möchte es büßen. – – –« Wagner und Cosima scheinen gleichermaßen von traurigen Schicksalen anrührbar gewesen zu sein. Manches Mal erfahren sie diese Geschichten aus der

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Zeitung und besprechen sie ausführlich. Manches Mal reichen Hinweise vom Hörensagen  : »Wie wir heimkommen, erzählt R. mir von einem Bierbrauergesell, welcher, in das Gebräu gefallen, nun sterben wird  ; sein Herr hat ihn nicht bei sich behalten wollen, das Spital nicht aufnehmen und sein Vater nicht haben wollen. Ich bitte R., ihn bei uns aufzunehmen  ; R. schickt zum Chirurgen Schnappauf, der das mitgeteilt, der Arme ist gewaltsam zu seinem Vater gefahren worden, wo er keine Pflege haben kann  ; R. macht ab, daß, wenn er noch transportabel, er auf seine Kosten nach dem Spital gebracht werde  !« Es kam nicht mehr dazu. Vier Tage später schreibt Cosima  : »Der arme Bierbrauerknecht ist gestorben  ; ein Ereignis von empörender Mitleidslosigkeit.« Wagner und Cosima, so scheint es, ist die Schere zwischen den sozialen Wahrnehmungen in ihrem Umfeld und der künstlerischen Arbeit durchaus bewusst gewesen. Das alte, ehemals revolutionäre Engagement Wagners für Freiheit und gegen Obrigkeit blitzte da vielleicht wieder in Erinnerung und Feuer auf. Für Cosima weckte die Beobachtung von Ungerechtigkeiten und elenden Zuständen eher ihre Glaubensverpflichtung als Christin, Schwächeren beizustehen. Als sie über die Bergbaukrise in Schlesien erfahren, finden sich beide auf der Seite der Arbeiter. Bei einer abendlichen Plauderei erzählt Hans von Wolzogen, seit 1878 Herausgeber und Redakteur der Bayreuther Blätter, »von einem Aufstand der Bergwerker in Schlesien, weil man ihnen ihren Lohn verringerte  ; die Ulanen sind auf sie gefallen, vier sind tot. Bergwerker  ! Die elendesten der Menschen  ! Man schießt auf sie  ! ... Und wir nennen uns Christen  !« Und tags darauf notiert Cosima  : »Die armen Bergwerker kommen uns auch wieder in den Sinn  ; und wenn Gott weiß welcher Wahnsinn sie zum Entsetzlichsten trieb, wäre nicht die erste Pflicht, diesen Armen zu helfen  ? ... Man schießt  ! O Gott, o Gott – welche Welt. ›Und ich‹, ruft R., ›komme mir wie der reinste Narr mit meinen Plänen vor.‹« Es sind hilflose Gespräche, die so entstehen, aber sie zeigen eine Ebene, auf der Wagner und Cosima sich trotz ihrer so unterschiedlichen politischen Herkunft finden und übereinstimmen. Es ist ein Politisieren ohne Konsequenz, es ist aber auch eine innere Anteilnahme, wenn Cosima schreibt  : »[…] Hunger überall, ein Weber verhungert gefunden in seiner Stube, er hat nicht betteln wollen, ein andrer erfroren  ! Spessart, Schlesien, Oberfranken, überall Not, Irland und England auch […]. Gegen das Leiden aller dieser Betrachtungen weiß ich nur ein Mittel, ich bitte R., das Vorspiel aus Parsifal zu spielen, er tut es  : Hier quillt die Träne, und die Erde hat uns nicht mehr  !« Die Nähe zu den »einfachen Leuten« gestaltet sich sofort anders, wenn es um das eigene Personal geht, denn Cosima beschäftigt jede Menge Dienstboten. Sie steht einem großen Haushalt vor, der funktionieren muss, ob es sich

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26  Die Wagnerfamilie als populäres Sammelbild von Liebig’s Fleischextrakt, beschriftet mit »Die Insel der Seligen – Triebschen. Wagner dirigiert das Siegfried-Idyll 1870.« Zum 33. Geburtstag seiner Frau Cosima hat Wagner das von ihm komponierte Siegfried-­Idyll mit Musikern im Treppenhaus des Hauses in Tribschen bei Luzern uraufgeführt und ihr geschenkt.

um die Pflege der Räume, des Gartens, der Kleidung und der Wäsche handelt, um die Versorgung mit Essen, die Erziehung von fünf Kindern, die notwenige Ruhe für den komponierenden Ehemann und die Repräsentationspflichten mit Gesprächsrunden, Diners, Hauskonzerten, Proben und wochenlang bleibenden Logiergästen. Nicht zu vergessen die Reisen der gesamten Familie per Nachtzug, Wagen, Schiff, zum Teil für Monate in fremde Wohnungen, ganze Häuser, die dann in Besitz genommen werden mussten. Die Welt ist noch klar in die Männer- und Frauenaufgaben aufgeteilt. Kein Mann muss sich um seine Dienstboten kümmern, solange er eine Frau im Hause hat. Hermann Levi, der Dirigentenfreund aus München, bildet da eine Ausnahme, weil er fast bis an sein Lebensende allein lebt und in erster Linie von seiner Haushälterin Marie Stamm versorgt wird, die er bei Bedarf sogar an Cosima ausleiht. Die Schwierigkeiten mit den Dienstboten sind für Cosima ein immer wieder die Beschreibung des Alltags ergänzendes Thema. Als die Familie in ihrer ersten Bayreuther Behausung in der Dammallee einzieht, merkt Cosima zur Situation an  : »Im neuen Hause in der Stadt  ; Sonnabend Aus- und Einzug  ; Mittag in der ›Sonne‹, viel Mühseligkeit  ; keine Köchin, auch keine Hausmagd  ! Sonntag  ; Frühstücksnot, die vornehme Hülfskochfrau macht keinen Kaffee, verbraucht

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das Wasser, endlich gegen 10 ist der Kaffee gemacht, und unser Wachtmeister schüttet ihn aus, was allerdings den Mißmut in helles Lachen verwandelt.« Zu Cosimas Namenstag ist dann eine »Aushülfe-Köchin da, so daß wir heute wieder zu Hause recht gemütlich mit den Kindern speisen.« Die häusliche Organisation, wo hat Cosima das gelernt  ? Als Kind kannte sie die eher bescheiden lebende Großmutter und wurde aus erzieherischen Gründen angehalten, ihre eigenen Dinge in Ordnung zu halten. Übrigens ein Ansinnen, das an den Bruder Daniel kaum gestellt worden sein dürfte. Die Wohnungen in Paris, in denen sie den Vater (und später Wagner) traf, waren adelige Haushalte oder Appartements erfolgreicher Musiker, in denen sie das Personal beobachten konnte ebenso wie im »Rosenhaus«, der Villa ihrer hochadeligen Mutter in Paris, wenn sie – selten genug – dort sein durfte. Nach der Internatszeit dauerte es nicht mehr sehr lange, bis sie erst als Gast, später als Schwiegertochter bei den von Bülows in Berlin lebte, wahrscheinlich dem ersten Hausstand mit Dienstboten, wo sie den Umgang mit ihnen auch praktisch üben konnte. In Bayreuth hat Cosima längst die volle Verantwortung – und sie ist ein ziemliches Organisationsgenie. Ihre Korrespondenz ist durchzogen von Hinweisen, Bitten, Anordnungen praktischster Art, etwa wenn sie Hermann Levi darum bat, ihr ein »weibliches dienendes Wesen auf die kurze Zeit zu gewinnen«, weil sie für ihre Sitzungen beim Maler Franz von Lenbach in München ein Dienstmädchen zum Garderobenwechsel brauchte. Auch lobt sie zwei von Levis Hausmädchen, die er ihr ebenfalls während eines Zwischenaufenthalts in München vor der Reise nach Italien im November 1881 ausgeliehen hatte  : »Dank für Babette und Marie  ; letztere – eine Schwäbin und unser grosser Liebling«. Und was die junge Köchin Babette betrifft, schrieb Cosima aus Palermo, »wünschte ich sehr dass sie auf meine Kosten in die – und zwar in französische – Lehre ging.« Die jeweiligen weiblichen Hilfskräfte werden selbstredend beim Vornamen genannt, die Männer meist mit ihrem Familiennamen. In einer Einladung an Levi und seine Frau Mary 1897 heißt es  : »Nun bitten wir Sie, nach Bayreuth zu kommen, sobald unser Hausstand etwas geregelt sein wird. Eine oesterreichische Köchin, die mit Zigaretten hier einzog, liegt jetzt – die Arme – im Spital, und meine Dora hat Rheumatismus.« Besagte Dora Glaser kam 1893 nach Wahnfried, blieb dort als Betreuerin und Pflegerin Cosimas bis zu deren Tod und schrieb später, selbst schon hochbetagt, sogar noch ein Gedicht zum 100.  Geburtstag Cosimas. Es sind also kurze, längere und sogar jahrzehntelange Dienstverhältnisse, die so entstehen – näher, wenn es sich um Erziehungspersonal für die Kinder handelt, austauschbarer und häufig kürzer, wenn es um einfache Hilfsdienste geht. Es standen

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deutlich mehr Frauen für diese Beschäftigungen zur Verfügung als Männer, konnten doch ungelernte junge Frauen unverheiratet kaum eine andere bezahlte Arbeit finden. Dabei hatten die meisten keinen Anlass, ihre Herrschaft besonders zu mögen. Der vermutete oder wirkliche Reichtum stellte wahrscheinlich eine in der Regel unüberbrückbare soziale Kluft dar. Gestohlen wurde da schon auch. Über eine Köchin notiert Cosima, dass Wagner bemerkt habe, »daß in seinem Schreibtisch (immer offen) drei 20 Mark-Goldstücke fehlen  ! Haussuchung, bei der Köchin manches uns Gehörige vorgefunden, entsetzlicher Anblick der Schuldigen  !« Die Diebin verschwindet und taucht wieder auf. Cosima nimmt sie sich vor, die Köchin »leugnet zuerst alles frech, um mir schließlich zu bekennen, daß sie sowohl meine Sachen als auch die drei Goldstücke entwendet hat  ; mich greift diese Scene der Persuasion  – zu Gemüte führen, von Mensch zu Mensch sprechen und der Blick, den ich dabei in die Verworfenheit und das Elend tue – furchtbar an  ! – – –« Noch in Tribschen war es zu einem Konflikt mit Hermine gekommen, dem ursprünglichen Kindermädchen der Bülow-Kinder Daniela und Blandine. Als diese wegen einer eigenen familiären Angelegenheit zu sich nach Hause fährt und mehrfach ihre Rückkehr verschiebt, klagt Cosima  : »[…] so habe ich denn das Quintett mir gänzlich überlassen  ; Loldi, die einzige, die Herminen’s Abgang empfindet, wird krank  ; große Not.« Die Abwesenheit Hermines zieht sich hin, nach einem sehr unangenehmen Vorfall mit Blandine vermutet Cosima, dass das Kindermädchen sich in Anwesenheit der Kinder gegen die Beziehungsverhältnisse in Tribschen ausgesprochen hat  : »Im Laufe des Tages überzeuge ich mich durch verschiedene Berichte, daß Hermine einen verderblichen Einfluß auf die Kinder geübt, und trotz der augenblicklichen Not, in welche ich versetzt bin, schreibe ich ihr, nicht zurück zu kommen. Auch den Knecht müssen wir fortschicken, da er den armen Grane förmlich peinigt.« Die Probleme sind aber noch nicht ausgestanden  : »Herminen’s Schwester schreibt mir Schmähungen«, letztlich wird die Angelegenheit mit Geld geregelt. Das Personal in Tribschen, so ist an diesen Berichten zu sehen, war in besonderer Weise gefordert durch die illegale Liebesbeziehung Wagners zur Baronin von Bülow, durch die Hausgeburten der Wagnerkinder Eva und Siegfried, durch die ganze Verheimlichungssituation, die ihnen viel Loyalität abverlangte. Gewiss hatten die Dienstboten eigene moralische Vorbehalte gegen das von ihnen beobachtete Leben. Cosima konnte sich manches Mal umzingelt fühlen von Menschen, die ihr letztlich nicht wohlwollten  – und wahrscheinlich ihr, als der hinzugezogenen, sich versteckenden Frau noch deutlich mehr Misstrauen oder unklaren Widerstand entgegenbrach-

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ten als dem gnädigen Herrn, dessen Rolle als Komponist und Musiker klarer umrissen und unverdächtiger war. Die komplizierte Situation Cosimas in Tribschen machte umgekehrt auch sie misstrauisch gegenüber Dienstboten, die sozusagen etwas ausspähen oder weitertragen konnten. Der Besuch der Bedienung von Graf und Gräfin Bassenheim, die in der Nachbarschaft leben, bei einem ihrer Dienstmädchen, besorgt sie  : »Da erstere im Zusammenhang mit München steht und ich von dort nur Übles zu erwarten habe, glaube ich, daß schadensüchtige Neugierde sie im schlimmsten Wetter hierhergetrieben hat, um für dortige Leute zu erkunden, ob ich und die Kinder hier sind. Meine Vorstellungen machen Richard unmutig, weil er nicht helfen kann, doch bald ist er wieder munter, und ich beruhige mich durch den Gedanken, daß ich mit der Verheimlichung meines Aufenthaltes vor der Welt nichts Übles und nur Rücksicht gegen andere im Sinne gehabt habe.« Es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, wie kompliziert die Nähe und gleichzeitig gebotene Distanz zwischen Dienstboten und Herrschaft allgemein war. Einerseits entsteht ein hoher Grad an Intimität, indem geholfen wird beim Anziehen der Kleidung, bei der Körperpflege mit all ihren auch schambesetzten Anteilen, die Kenntnis aller Marotten, Ängste und Gebrechen, die, eben noch gemeinsam erlebt, nach außen streng zu verschweigen waren. Dies alles im Gerüst einer Hierarchie, die sich durch Bildung, Wortfindung, Manieren, Müßiggang auf der Herrschaftsseite täglich zeigte, den Dienstboten Beispiel bot, aber auch und häufig Anlass gewesen sein mag zu Gehemmtheit und Scham über die eigene soziale Stellung. Die Hierarchie, die jede Nähe im selben Moment durch eine Anweisung oder Rüge wieder auflösen konnte. Mit den nahen Dienstboten entstand so Vertrautheit zwangsläufig. Da bedurfte es nicht einmal der sexuellen Übergriffigkeit, der Gewalt des »Herrn«, wie es das »Recht der ersten Nacht« tausendfach und abstoßend durch Feudalherren an weiblichen Dienstboten überliefert. Nein, es brauchte manchmal einfach nur eine Sympathie und eine Gelegenheit. In die Tribschener Zeit gehört auch die besondere Verbindung, die zwischen dem Hausmädchen Verena Weidmann und Wagner bestanden haben soll. Verena, Vreneli, war mit Unterbrechungen seit September 1859 bei Wagner in Diensten, zunächst im Hotel Schweizer Hof in Luzern, dann in München. Sie blieb bei ihm, als er nach Tribschen zog und mit Cosima einen gemeinsamen Haushalt gründete. Es gibt plausible Vermutungen, dass zwischen Wagner und der übrigens für ein Dienstmädchen ungewöhnlich gebildeten jungen Frau eine Liebesbeziehung bestand. Am 4. Oktober 1868 bringt die seit Ende Januar 1867

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mit dem Wagner-Bediensteten Jakob Stocker verheiratete Verena Stocker ihren Sohn Wilhelm Richard zur Welt. Der auf eben diese Vornamen getaufte Wagner fungiert wie bei Isolde, seinem ersten Kind mit Cosima, als offizieller »Pate«, und auch die beiden nachfolgenden Kinder Vrenelis, Bernhard und Marie, könnten Kinder Wagners sein. Körperliche Nähe und Kenntnis voneinander gehören zum Alltag für das Verhältnis von Herrschaft und Dienstboten. Dabei kommt es natürlich zu schwierigen Situationen. Der soziale, wahrscheinlich aber eben nicht leibliche Vater der Vreneli-Kinder, Jakob Stocker, erbittet sogar Hilfe bei Cosima  : »Um Mitternacht hinauf, da ruft mich Jakob, sein Söhnchen ist krank und schreit. Ich gehe hinein und lege die Hand auf ihn, und es beruhigt sich das Kind. Jakob sagt es R., und dieser meint  : Er kenne meine Hand und wisse, daß ich vom Tode einen in’s Leben wieder rufen könnte durch meine Berührung.« Dieser Vorfall ereignet sich etwa eine Woche vor Cosimas eigener Niederkunft mit Siegfried, bei der wiederum Vreneli hilfreich ist. Umgekehrt vermerkt Cosima am 7. Oktober 1869 die »Geburt des 2ten Stocker’schen Kindes. Ich stehe Vreneli bei und bin furchtbar ergriffen durch den Anblick eines zur Welt kommenden Wesens. Warum sagt man uns in der Jugend so schlecht, was die Welt ist und das Leben  ?« Bei der Geburt von Vrenelis drittem Kind, der kleinen Marie, ist Cosima ebenfalls helfend zugegen  : »Jakob meldet, daß Vreneli’s Stunde gekommen ist, ich bleibe bei ihr bis drei Uhr, wo sie ein Mädchen zur Welt bringt  ; Leiden und Mitleiden  !« Es ist eine existenzielle Situation für beide Frauen. Cosima hat fünf Geburten durchgemacht, sie steht Vreneli bei und gleichzeitig steht zwischen ihnen die geklärte oder ungeklärte Frage der Wagner-Vaterschaft. Leiden und Mitleiden ist dabei Cosimas Part. Die Situation für beide Frauen muss sehr unangenehm gewesen sein. Sohn Wilhelm Richard wurde von Verena Stocker sozusagen zwischen den Cosima-Kindern Eva und Siegfried geboren. Dass eine Dienstbotin, so außerordentlich Wagner sie schon vor Jahren gefunden haben mochte, keine Zukunft mit ihm haben würde, war klar. Die Vielleicht-Vernunft-Heirat und schließlich der Weggang der Stockers von Tribschen sprechen da eine klare Sprache. Für Cosima war die Situation nicht weniger heikel. Die für die Nachwelt so geradlinig scheinende Beziehung zwischen ihr und Wagner war kompliziert. Wagners erste Frau Minna war erst vor zwei Jahren gestorben, Cosima war noch mit Bülow verheiratet und bittet ihn im selben Oktober, in dem das erste Vreneli-­Kind auf die Welt kommt, um die Scheidung. Cosima verlässt zwischendurch nicht das Haus, weil sie nicht gesehen werden will. Sie muss verkraften, dass ihre älteren Kinder bei deren Vater Bülow in München sind. Sie hat sehr

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viel aufgegeben und noch keine Klarheit für eine Zukunft. Dazu eine Dienstbotin im Haus, die gleichzeitig eine Konkurrentin ist und noch sein könnte, die Anweisungen von beiden, von Wagner und Cosima, befolgen muss und gleichzeitig vermutlich von Wagner ein Kind erwartet – diese Situation ist nicht leicht zu bestehen. Für keinen der Beteiligten. Offensichtlich musste Cosima lernen, dass sie keine Ausschließlichkeit von Wagner erbitten konnte. Die Tagebücher geben darüber Auskunft, dass Cosima sich von ihrer Vision eines geliebten gemeinsamen Lebens nicht abbringen lassen wollte und unabhängig von den sie kränkenden Vorkommnissen ihre neue Rolle fest im Blick hatte. Auch sie hatte ihre Ehe gebrochen, und sie wollte mit Wagner einen neuen Weg einschlagen, indem sie für ihre Pflichten aufkam und ihren Platz unverrückbar einnahm. Am 24.  Dezember 1874, dem Vorabend ihrer ersten Geburtstagsfeier in Wahnfried und mehr als zwei Jahre nach der Geburt des letzten Vreneli-Kinds Marie, notiert Cosima so etwas wie eine indirekte Entschuldigung Wagners  : »Abends vorher traf ich R. in Tränen, er hatte soeben an Vreneli die 50 Gulden, welche er dem armen Pfarrer Tschudi nicht mehr schicken kann, entsendet und gedachte der Zeiten unseres Zusammenlebens in Tribschen mit tiefer Ergriffenheit, mir dankend, daß ich so viel seinetwegen ertrug.« Cosima war mit der Organisation der »Firma Wahnfried« letztlich auf sich allein gestellt. Für die Villa, die am 28.  April 1874 offiziell bezogen wird, muss sie sich neues Personal zusammenstellen. »Nachmittags empfangen wir unsere neue Dienerschaft, Mann, Frau und Familie von 3  Kindern, aus Berlin.« Die Dienstbotenfamilie zieht »samt Kanarienvogel und Bibel« schon etliche Wochen vor den Wagners in Wahnfried ein, das noch nicht ganz fertig gestellt ist. Immerhin erst ein gutes Jahr später, Cosima und Wagner sind gerade zurückgekehrt von einer Reise nach Wien und Pest, kommt es zu unüberbrückbaren Spannungen  : »Es gehen die Tage in beständigen Versuchen, unseren Diener, welchen wir samt Frau und Kinder ernähren, uns zu erhalten, einzig die gehörige Schicklichkeit gefordert. Sonntags vergißt er sich so gegen R., daß er augenblicklich aus dem Dienst entlassen wird. Eine der traurigsten Erfahrungen der Schlechtigkeit der menschlichen Natur  ; sieben Menschen haben wir ernährt, beschenkt, hoch besoldet, und ernteten dafür Verhöhnung und Frechheit  ! – – –« Die nicht eingehaltene »Schicklichkeit« lässt der Phantasie viel Raum. In jedem Fall scheint sie Umschreibung einer Situation zu sein, in der eine Grenze überschritten wurde. Die unterschiedliche Sprache, die unterschiedliche Herkunft, das Gehorsamsverhältnis und die wechselseitige Abhängigkeit von Leistung und

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Lohn können viele Fallen stellen. Umso mehr, wenn Erziehungspersonen mit im Haushalt leben. Cosima achtete auf den Erziehungsstil der Gouvernanten, auf das Loben und Bestrafen, auf die Vermittlung ethischer Werte gegenüber den Kindern. Sie hatte etliche Jahre ihre Kinder selbst unterrichtet, verfügte über genügend Wissen und pädagogisches Engagement, um diese Arbeit insbesondere auch hinsichtlich der Vermittlung von Fremdsprachen beurteilen zu können. Sie erwartete viel von der Erziehung ihrer Kinder, die sowohl in ihrem Verhalten als auch im Wissen überdurchschnittlich gebildet werden sollten. Cosima, selbst zu einer strengen Erziehungshaltung neigend, wollte ihren Kindern etwas Besseres bieten als die eigene schlimme Erfahrung der Pariser Zeit mit Madame Patersi. Deshalb war sie immer auf der Suche nach dafür »richtigen« Frauen. »Viel Hausnot, üble Gouvernante« notiert sie den Beginn einer Auseinandersetzung, die schließlich zum Bruch führt. »Zu Hause R.’s Briefe an seine erste Frau durchgesehen, um zu sehen, ob etwa welche gestohlen worden seien. […] ich habe einen Akt der Justiz an meiner Bonne auszuüben und sie plötzlich aus dem Hause zu entfernen, was mich furchtbar angreift  ; die Schlechtigkeit zu bestrafen fällt mir schwerer auf das Herz als die Erfahrung derselben.« Was auch immer zur Entlassung von Bediensteten führen mag, Instanz dafür ist Cosima. Sie urteilt, entscheidet und rechtfertigt selbstkritisch harte Schritte – und manches Mal, wenn es ihn interessiert, auch Wagner gegenüber. Das ist der Teil der Rolle, der sie »angreift«, ihr schwerfällt, wenn sie sie an ihren eigenen moralischen Maßstäben misst. Das Verständnis für die Situation der Armen findet seine Grenzen an dem, was ihr für die Familie und das Wagner’sche Werk notwendig scheint. Es gibt immer das große Ganze, die fast euphorisch beschworene Kritik an schlechten sozialen Verhältnissen und die täglichen »Mühen der Ebene«, die nicht aufhören  : »[…] ich habe im Hause vor- und nachmittags zu tun  ; die entfernte Gouvernante fehlt mir auch praktisch sehr.« Sie muss einspringen, wenn es um derartige Aufgaben geht. »Ich gehe abends in das Konzert mit den zwei ältesten Kindern, da die Gouvernante mir abgeht.« Eine heikle Balance zwischen Konsequenz und Mitgefühl, zwischen Verständnis und dem hohen Anspruch, dass alle Bereiche des aufwendigen Berufs- und Privatlebens in dieser Familie gut betreut sind. Wenn Cosima sich ein Ziel gesetzt hatte, konnte sie dem Personal gegenüber streng und beharrlich sein. Ein Zeitzeugnis aus der Dienstbotensicht könnte dafür das »Tagebuch von Betty Bürker« sein. Die historisch verbürgte Bürker, in der bisherigen Literatur stets Bürkel genannt, stammte aus Bayreuth, war Kammerzofe bei Cosima und begleitete die Familie 1882/83 nach Venedig. Die 2015

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erstmals in Auszügen aufgetauchten Aufzeichnungen erstrecken sich von Oktober 1881 bis einige Zeit nach Wagners Tod. Die Notizen beginnen 1881 mit einer Rückschau  : »Heute haben wir Sonntag, u. ich bin die ganze Woche nicht dazu gekommen in mein Tagebuch zu schreiben, es war aber auch wirklich eine schaudervolle Woche, die gnäd. Frau fing das Räumen an, u. wer sie in dieser Beziehung kennt, weiß was das zu heißen hat, u. was man da Alles durchmachen muß, mir war der Kopf so dick und geweint habe ich auch genug, […] es wirklich merkwürdig, wie hier nicht eine Woche vergeht, da nicht neue Entschlüße u. Veränderungen getroffen werden.« Und im November beschreibt sie die Vorbereitungen zur vorletzten Italienreise der Wagners, die man sich entsprechend mühselig vorstellen muss  : »[…] was war das wieder für ein Rennen, Jagen, aufregende Scenen jeden Tag, strenge Gesichter, Schelten, einmal machte es die gnädige Frau so arg mit mir, daß ich meinte auf der Stelle davon laufen zu müßen, ich flehte zum lieben Gott um Muth, Stärke u. Geduld u. er half mir überwinden, Gott sey’s gedankt, wenn ich jetzt zurückdenke möchte es mich schaudern.« Häufig werden die Frauen der »Herrschaft« von den Dienstboten insgeheim kritisiert und die Männer als milder, höflicher, ruhiger beschrieben. Das ist nicht erstaunlich, weil sowohl Wagner als auch Liszt, wenn sie mit den meist weiblichen Dienstboten zu tun hatten, sozusagen ergänzend, ausgleichend und vielleicht manches Mal charmierend mit ihnen umgehen konnten. Die Entscheidungen und die Verantwortung für die jeweiligen Konsequenzen trugen die Frauen. Und dass Wagner sehr unleidlich werden konnte, wenn bestimmte Dinge fehlten, falsch waren, nicht nach seinen Vorstellungen funktionierten, ist häufig ebenfalls beschrieben worden. Er hielt sich dann an die »Verursacherin«, an Cosima, die unter Umständen die »Schelte« weitergab. So erklärt es sich, dass Dienstbotenwohl und -weh unter den Damen der Gesellschaft intensiv erörtert wurde, als Teil des ganz praktischen Lebens mit den ihnen zugeordneten Pflichten, während es für die Herren als Thema untereinander keine Rolle spielte  ; es hätte als unmännlich gegolten. Die »Gnädige«, die sich über Dienstmädchen beklagt, galt als belächelbare Witzfigur.

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ls Cosima und Wagner bei ihrer ersten gemeinsamen Reise als Ehepaar von Nürnberg aus Bayreuth besichtigen – »Um ein Uhr fort, um fünf Uhr in Bayreuth. Lieblicher Eindruck der Stadt« –, ist noch kein Nimbus um diesen Namen. Es ist ein Plan im Kopf, eine Idee, eine Vision. Da gibt es die Hügel um die Stadt, da gibt es den Marktflecken, das Schloss und den Hofgarten, die evangelische Kirche am Markt, das Bürgerreuth-Lokal hoch über der Stadt, die Eremitage und das Markgräfliche Opernhaus, ein reizvolles Barocktheater, das sich aber für Wagners Pläne sofort als ungeeignet erweist. »Allein das Theater paßt für uns gar nicht  ; also bauen, und um so besser. Nun ein Haus finden, mit dem Schloßverwalter fahren wir überall herum, nichts konveniert ganz, also auch für uns bauen.« So wird es kommen. Sehr viele Verbündete werden eingespannt, das Werben um die Patronatsscheine zur Finanzierung läuft, im Herbst des Jahres 1871 notiert Cosima  : »Es steht in vielen Zeitungen, daß das Bayreuther Unternehmen gesichert sei.« Es hätte beinahe München werden sollen, es hätte Baden-Baden oder Reichenhall sein können, Dresden, Meiningen oder Karlsruhe, Weimar oder Hamburg. Es wird etwas Neues, Unbeschädigtes, etwas Fränkisches auch – für den bayerischen Unterstützerkönig. Das Unbelastete ist gut, die Stadt ist neugierig auf diese merkwürdige Idee, die Gäste bringen soll aus der Welt. Es gibt kein eingespieltes Musikleben, keine irgendwie zu fürchtende Konkurrenz. Das Festspielhaus ist einfach ein Glücksgriff für die Stadt – und entsprechend übermütig äußert sich Wagner, der die Grundsteinlegung inzwischen auf den 22. Mai 1872 gelegt hat  : »R. sagt, das wird unsere Schöpfung, du wirst die Markgräfin von Bayreuth  !« In den vielen Vorbesprechungen hat Cosima Ideen und diskutiert bei den Planungen mit. Sie berichtet von einer Sitzung mit dem Architekten Otto Brückwald, »mancherlei wird besprochen, ich rate für den Theaterbau kühn das Bühnenhaus hervortreten zu lassen, als Hauptsache, nicht es zu verdecken, sondern den Zuschauerraum möglichst niedrig zu halten wie eine Art niedrige Vorhalle zur Bühne.« Wagner braucht Cosima nicht nur zum Repräsentieren, er bedarf ihrer. So lange hat er die Idee eines eigenen Hauses ausschließlich für seine Werke im Kopf gehabt, jetzt soll sie sich endlich materialisieren. Und das braucht Kraft, Zuversicht, Ruhe – und, wenn etwas schief geht, Verhandlungsgeschick. Mit all dem ist Cosima dabei. Die Baustelle, die sich auftut, ist riesig, angsteinflößend,

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respektheischend, auch für diejenigen, die sie planten. »Furchtbare Grabungsarbeiten  ; R. sagt mir  : ›Die Leute müssen denken, ob der wahnsinnig ist, uns so tief unten hier arbeiten zu lassen, damit er da oben sein Stück aufführt.‹« Wenn Wagner gesundheitliche Probleme hat, wird Cosima beauftragt, »in die Stadt zu fahren, die Pläne anzusehen und ihn bei den Bauräten zu entschuldigen, was ich tue und zugleich unser Haus besuche« – das ebenfalls im Bau befindliche und noch ungetaufte Wahnfried. Eines der beiden Vorhaben hätte schon gereicht, nun entstehen gleichzeitig ein Haus für die Musik und ein Haus für die Familie. Sie sind zwar von Tribschen inzwischen nach Bayreuth gezogen, aber noch keineswegs heimisch. Nach dem Hotel Fantaisie im nahe gelegenen Donndorf ist das Anwesen Dammallee 7 ihr erstes Übergangsquartier direkt in der Stadt. Sie machen sich vertraut, »nach Tisch gehen wir spazieren und gelangen durch Umwege, mit immer gesteigerter Freude an der Lage und Gegend, bis zu unsrem Theaterbau. Bunter vulkanischer Anblick, die Erde grün und rosa, ›da ist ja schon der Venusberg‹, sagt R.« Die Kürzel miteinander, sich lachend zugeworfen, das Einverständnis, das auch die Selbstironie liebt. Sie nehmen Verbindung auf zu diesem ihrem Musiktempel, der langsam entsteht und beide in Erstaunen versetzt. Anfang Januar 1873 beschreibt Cosima einen gemeinsamen Ortstermin mit dem künftigen Ring-Dirigenten Hans Richter  : »Gegen Mittag mit R. und Richter zum Bau hinaufgefahren  ; unbeschreiblicher Eindruck  ! Wie ein Weg zur Unterwelt, oder die Basis eines ägyptischen Tempels  ! Dazu die friedliche liebliche Gegend  !« Sie haben ihre Existenz mit diesem Plan verknüpft, ein Zurück gibt es nicht, und Cosima kann nur mitziehen, unterstützen  – und eigene Zweifel, wie so oft mit Wagner, nicht zum Ausdruck bringen. »Gedanken über die Schwierigkeiten der Unternehmung, Sänger, Dekorationen, es wäre schon gerade genug, sagt R., wenn ich mit dem 70. Jahre diese Aufführung erlebte.« Es wird schneller gehen, zum Glück. Aber seinen 70. Geburtstag wird Wagner nicht mehr erleben. Und Cosima hält sich mit ihren eigenen Ängsten zurück, die wenig erstaunen, wenn man an die Dimension nicht nur des Bauvorhabens denkt. »Ein Gefühl von Angst, das ich nicht beschreiben kann, überfällt mich, wie ich das riesige Gerüst sehe und den breiten Zuschauerraum  ! So lange die Idealität bloß in uns lag, erschrak mich ihr Abstand von der Realität nicht, nun aber, da sie geformt vor uns ist, erschreckt mich die Kühnheit, mir erscheint dann alles wie ein Grab (Pyramiden  !). Ich verschweige diese Empfindungen, und heiter nehmen wir das Abendbrot auf der Bürgerreuth ein  ; um heimgekehrt uns zu Bett zu begeben.« Das Richtfest des Festspielhauses rückt näher, und Cosima beschließt, ihren Vater einzuladen. Er soll bei dem Triumph dabei sein, soll sehen, was sie mit

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27  Zu seinem 67. Geburtstag bekam Wagner 67 Rosenstöcke geschenkt, deren Töpfe mit Aquarellzeichnungen von Isolde, seiner 15-jährigen Tochter, geschmückt waren. Hier ihre Darstellung der Richtfestfeier für das Festspielhaus 1873: Die Wagner-Familie mit Franz Liszt sitzt vor einer improvisierten Festkulisse und wird von Chorsängern flankiert.

Wagner vorzeigen kann. Die ganze Familie wohnt noch in der Dammallee, die Organisation des Familienalltags und dazu der vielen Einladungen und Verabredungen mit Freunden, Freundinnen, Gönnern und Mitarbeitern der geplanten Ring-Inszenierung wollen bewältigt sein. Nach dem Richtfest notiert Cosima erleichtert  : »[…] wie die Bangigkeit vor dem Gerüst verschwindet, so auch das Zagen vor dem kühnen Unternehmen, der Glaube regt die Flügel und beseligt uns  ! – Der Besuch bei den Arbeitern am Schluß erwärmt noch das Herz, sie wissen nichts und ahnen doch. – Was wohl den Kindern von alledem bleiben wird  ?« Wagners Idee ist konkret, ist greifbar geworden, so viel, wie auch vor ihnen liegt, so sicher ist zumindest dieser erste Schritt gelungen. Und wie wir heute wissen, der Bau war fest und gut für lange Zeit. Am Ende dieses Jahres 1873 wünscht sich Cosima, zu ihrem Geburtstag mit Wagner zum Festspielhaus zu gehen, sie beide allein. »Die Sonne scheint, ich bitte R., mich zum Theater zu führen, er tut es  ; die Bretter versperren den Eingang zur Bühne, kein Wächter ist da, ich klettere – trotz Samt und Atlas-Pracht –, und unter großem Lachen gelingt es mir, in die Bühnen-Halle zu treten  ; grandioser Eindruck, wie ein assyrischer Bau erhebt sich das Ganze unbeschränkt, wie Sphinxe reihen sich unten die Pfeiler aneinander, wie geheimnisvolle Gänge breiten sich die Seitenflügel aus  ; mehr

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wie Vergangenheit als wie Zukunft scheint das Ganze, doch wirkt es großartig erheiternd heute auf mich.« Auf ihre Weise nimmt Cosima diesen Ort in Besitz, in großer, fast übermütiger gemeinsamer Vorfreude auf das, was die Festspielbesucher der nächsten Generationen, tatsächlich hier hören und sehen werden. Es ist auch ihr Theater. Das neue Wohnhaus wird einige Monate später bezogen. Zwischen Vorbesprechungen der Kostüme, der Dekorationen, der Engagements der Sängerinnen und Sänger und der Einsicht, dass die Festspiel-Eröffnung in diesem Jahr nicht zu schaffen sein wird, erfolgt Ende April 1874 der Einzug in Wahnfried  : »Es ist noch nicht fertig, weit davon, allein wir erzwingen es. Hübsches Mittagessen bei Feustels  ; um 4 Uhr Einweihung der Speisestube durch die Konferenz zwischen den Herrn Hoffmann, Brandt, Brückwald, dem Verwaltungsrat und den Herrn Brückner, Dekorationsmaler aus Coburg. […] R. berichtet mir von der schönen Stimmung, welche geherrscht habe, und wie alle nur von einem Geiste der Ergebenheit zur Sache erfüllt gewesen wären. Schöner hätte das Haus nicht eingeweiht werden können.« Und nach vielen verschiedensten Erwägungen findet das Haus ein paar Tage später seinen endgültigen Namen. »Am Nachmittag sagte mir R., ich hätte immer gewünscht, daß er das Haus taufe, nun habe er einen Namen für dasselbe, ›Wahnfriedheim‹, in Hessen gäbe es einen Ort Wahnfried, es habe ihn so mystisch berührt, diese Zusammensetzung der beiden Worte, ›und wie das Gedicht von Goethe, was nur zu dem Weisen gesprochen sei, so würde nur der Sinnige ahnen, was wir darunter verstehen‹.« Wahnfried wird die Dependance der Festspiele, Ort der Vor- und Nachtreffen und vieler Hauskonzerte, der Familieninszenierungen, unzähliger Abendgesellschaften  – und auch die Heimatvilla mehrerer Kindergenerationen werden. Cosima-Reich. All dies ist ein riesiges Unterfangen, jeden Tag neu, jeden Tag etwas Anderes, und Cosima ist »von der steten Sorge beschlichen, daß wir zum Unglück fahren.« Das Geld reicht nicht, ihr Erbteil, das sie bereit ist beizusteuern für die Festspielkosten, ist schwierig zu beschaffen, aber Ende des Jahres ist Grund genug für Zuversicht. Am 25. Dezember 1874 vermerkt sie  : »Wie ich abends R. sagte  : Das sei mein schönster Geburtstag gewesen, frug er mich, weshalb, ich erwiderte  : Weil die Götterdämmerung vollendet ist und damit die eigentliche Sorge unseres Lebens entfernt  !« Cosima ist 37 Jahre alt und agiert wie die Direktorin eines großen Unternehmens, sie hat die finanziellen Verbindlichkeiten ebenso im Kopf wie die Ressourcen, über die sie durch Wagners Kompositionen verfügen. Sie entspricht damit ihrer selbst gesetzten Aufgabe, sie entspricht damit aber auch dem Wunsch Wagners, von diesen organisatorischen Fragen möglichst unbehelligt zu bleiben. Cosima steht für die bestmögliche Wahrnehmung seiner

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finanziellen Interessen gegenüber Dritten. Und mit der Ankunft in Bayreuth, mit dem Einzug in Wahnfried ist eine Konsolidierung geschaffen, die sich stabilisierend zu einem Markenzeichen einträgt. Cosima nimmt spätestens hier die Fäden in die Hand, immer aber in dem großen Bemühen, Wagners kompositorische Produktivität an erster Stelle zu sehen. Die Rundum-Sorge für alle organisatorischen Fragen der Festspiele bindet Kräfte. So geht es um die Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten für Festspielgäste und Cosima notiert  : »Konferenz wegen Wohnungen. R. darauf sehr verstimmt und unwohl, bedenke ich, daß Parzival geschaffen werden könnte und Zeit und Kraft solchen Dingen zum Opfer wird, so möchte ich verzweifeln. Welche Kraft hält uns aufrecht  ?« Denn neben den Vorbereitungen für das Festspiel-Lebensziel – »R. frug mich, ob ich glaubte, daß die Sache überhaupt zustande käme« – liegt unter den aktuellen Aktivitäten immer noch der Traum vom Bühnenweihfestspiel Parsifal, das erst im März 1877 so bezeichnet werden wird. Die Zeit fehlt, die Unruhe ist zu groß. »R. bemerkt, daß er nun vier Jahre wieder keine Note geschrieben  ; wie mich das schmerzt  !« Da nun liegt die Grenze von Cosimas Einfluss, sie kann versuchen, die Umstände so zu gestalten, dass Wagner zur Produktivität findet, ihn entlasten, ihn trösten, Unerfreuliches von ihm fernhalten. Aber die Etablierung von Festspielen und die notwendige Ruhe für Wagners nächstes  – und letztes  – Werk sind von keiner noch so betriebsamen und erfinderischen Cosima herzuzaubern. 1876, das erste Festspieljahr, beginnt für Cosima mit Verwaltung. Sie sichtet Briefe und Rechnungen, alles läuft gleichzeitig weiter, der Kinder-Unterricht, die Besprechungen, die Überlegung, ihr beim Vater liegendes Vermögen für die Festspiele zu verpfänden. Ganz zu schweigen vom Ärger mit den Agenten Voltz und Batz und Malvina Schnorr von Carolsfeld. Cosima befürchtet, dass die intri­ gante Sängerin Schmutz aufwühlen will »gegen uns  ; man scheint anzunehmen, daß ich R. von Wert bin und nützlich, und wahrscheinlich deshalb zerren sie mich in alles herein  !« Die Angst vor öffentlicher Schmähung, ihre persönlichen Konstellationen und die Festspiele erst im Werden  : All das will täglich bewältigt sein, damit es positiv vorangehen kann. Wagner und mit ihm Cosima sollen nicht nur ihren Alltag irgendwie durchstehen, sie müssen initiativ sein, ermutigend, beruhigend nach außen, Kraft übrig haben für all die Menschen, die sie für ihre »Sache« gewinnen wollen und deren Kompetenzen sie brauchen. Dazwischen wird Cosima von Erinnerungen heimgesucht  : »Hansen’s Geburtstag  ; ich mache ihn zu einem Tag des Insichgehens  ! Arbeite mit den Kindern  ; Fasten, Besuch meines Grabes, feierliches Gelübde, alles Schwere und

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Schlimme als gerecht dahin zu nehmen  !« Hans von Bülow ist, selbst in der Ferne, weiterhin präsent. Cosima erörtert brieflich mit ihm ihre Entscheidungen, die Töchter betreffend, sie hadert mit der Rolle, die sie in ihrer Ehe mit Bülow innehatte. Sie geht davon aus – und hat damit recht –, dass er weiterhin ein sehr sensibler, der Stützung bedürftiger, schnell kränkbarer, aufbrausender Mensch ist, und sie fürchtet, dass er »auch dieser Elendigkeit unserer öffentlichen Zustände in Amerika preisgegeben« ist. Gemeint sind Schmähartikel in Zeitungen. Es gilt, Zuversicht zu behalten, selbst wenn noch so viel dagegenzusprechen scheint. »Es will wie eine Tollkühnheit aussehen, daß man die Aufführung in das Auge faßt  !« Während der Vorbereitungen und Proben für den Ring des Nibelungen der ersten Festspiele beteiligt sich Cosima wie selbstverständlich an den Debatten um Details der Inszenierung, um Requisiten und Kostüme  : »Viel mit Pr. Doep­ler über Nibelungenhort gesprochen, dann auch über möglichste Verringerung von Ornamentik  ; ich bitte z. B., daß Brünnhild kein Hochzeitgewand bekommt und Wotan keinen Bortenmantel in der großen Scene mit Brünnhilde.« Sie kritisiert offen die Figurinen von Emil Doepler, die ihr zu abbildhaft kunsthistorisch scheinen, »zum Schaden des Tragischen und Mythischen. Ich möchte alles viel einfacher, primitiver haben. So bleibt denn alles Simulakrum.« Und wenn Wagner wegen gesundheitlicher Probleme einer Probe fernbleiben muss, besucht Cosima sie und berichtet entsprechend. »Trotz seiner Schmerzen scherzt er und sagt, daß es sein Schicksal zu sein scheine, daß die Walküre hinter seinem Rücken aufgeführt würde  !« Cosima äußert sich konkret in künstlerischen Fragen. Als Auftraggeberin und gewissermaßen Umsetzerin der Pläne ihres Mannes, die auch unbedingt ihre eigenen sind, etabliert sie so ab den ersten Festspielen einen Regieeinfluss, der von den Mitarbeitern hingenommen werden muss. Bei den Auseinandersetzungen um die Figurinen Doeplers soll Wagner besorgt in Gegenwart von Cosimas Freundinnen gesagt haben  : »Du wirst mir noch alle meine Freunde verscheuchen  !« Doepler notierte später in seinen Erinnerungen, dass Cosima »an der Spitze einer weiblichen Camarilla ihre Einflüsse auf das Werden des Werkes in mannigfachster Weise geltend mache.« So habe sie bei den Proben in der ersten Reihe gesessen, »umgeben von ihrem Generalstabe, einer Corona von Frauen aus Gräfinnen, Excellenzen, Geheimrätinnen etc., allen voran die Gräfin Schleinitz«. Es ist interessant, welchen Vergleich Doepler bemüht, ist eine Camarilla doch üblicherweise eine eher intrigante, im Dunkeln, Inoffiziellen hantierende Clique, eine meist männliche Verschwörergruppe, die vielleicht nichts Gutes im Schilde führt. Natürlich nahm sich Cosima mit eben dieser Frauenpräsenz eine Freiheit, die ungewöhnlich war und die wahrscheinlich alle Mitwirkenden, so sie hätten entscheiden können, herauskomplimentiert hätten.

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28  Ein weiteres »Rosenstöcke-Bild« von Isolde zum Jahr 1876  : links die Anspielung auf die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika, zu deren Zentenarium Wagner einen Festmarsch komponiert hat, rechts das fertige Festspielhaus mit dem großem offenen Foyer und noch ohne den »Königsbau« genannten Vorbau.

Noch zu Lebzeiten Wagners kam es zu heftigen Anwürfen gegen Cosima, weil sie Sänger kritisiert hatte und »für Verstimmungen beim Künstlerpersonal während der Vorproben der Festspiele gesorgt haben soll.« Diese Debatten wurden ausführlichst in den Zeitungen und nicht ohne Betonung des störenden weiblichen Einflusses geführt. Ein Wiener Blatt sinnierte über das Scheitern großer Unternehmungen wie der Festspiele »durch Kleinigkeiten und Kleinlichkeiten. Diese gehen diesmal, wie das oft im Leben vorkommt, von weiblicher Seite aus und es ist kein Geheimniß, daß es Frau Kosima ist, welche die wirklich erfreuliche, von seltener Selbstlosigkeit getragene Einheit und Begeisterung der produzierenden Künstler stört.« Zwar habe auch Wagner selbst das Zeug, »mit einem hochfahrenden Worte zu ritzen«, aber »von einem großen Mann kann man sich’s gefallen lassen […]. Anders gestaltet sich die Sache, wenn dergleichen Affairen die gnädige Frau Kosima Wagner durch ungerechtfertigtes Dreinreden hervorruft.« Damit sei denn doch »Weiberlaune allzuschwer gezahlt«. Ein allgemeines einverständliches Nicken aller männlichen Zeitungsleser über die vorlauten Frauen lässt sich vorstellen. Die wichtigen Dinge des Lebens in der männlichen Verantwortung, die »Kleinlichkeiten« der Frauen, die Sand ins Getriebe streuen. Wagner, so genervt er selbst auch manches Mal gewesen sein mochte, blieb loyal

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und ließ in dieser öffentlichen Debatte nichts auf Cosima kommen, schrieb von »durchaus erlogen«, »Übertreibungen« und »Mißverständnissen« und mahnte seinen Dirigenten Richter, der über Cosima geklagt hatte, in einem Brief  : »Eine Frau, wie die meinige, durfte nur Ihre Hochachtung verdienen, und ich fordere, dass diese unter allen Umständen erwiesen werde, von Komödianten, wie von Musikanten.« Cosima ist 38 Jahre alt. Sie ist in ihrer Kraft. Wagner braucht ihr Organisationsvermögen, ihr Talent im Umwerben von Menschen, ihre Kompromisslosigkeit im Ablehnen von Personen und Konstellationen, die ihn belasten könnten. Und so stellt sich ein Unternehmerpaar her, das meint, nur in Symbiose seine anspruchsvollen Ideen verwirklichen zu können. Nach Wagners Tod wird Cosima die nun fehlende Hälfte ihres Gespanns ebenfalls als ihre Aufgabe betrachten, das Terrain besetzen, wie es nach ihrer Auffassung niemand anderer tun könnte. Unmittelbar vor den ersten Festspielen 1876 kommt Liszt auf Einladung der Tochter nach Bayreuth, er wird einen Monat bleiben, und bekanntermaßen bringt Wagner auf ihn, den Schwiegervater und frühen musikalischen Förderer, nach der Rheingold-Erstaufführung einen anerkennenden Trinkspruch aus  : »Hier ist derjenige, welcher mir zuerst den Glauben entgegengetragen, als noch keiner etwas von mir wußte, und ohne den Sie heute vielleicht keine Note von mir gehört haben würden, mein lieber Freund – Franz Liszt.« Bei aller Internationalität, bei allen diplomatischen Verbindungen und dem kosmopolitischen Einsatz Cosimas  – letztendlich bleibt die Welt klein, in der sie sich in ihren engen persönlichen Beziehungen bewegt. »Ein unbestimmtes Gerücht bringt die Nachricht«, notiert sie am 22. Juli 1876, »daß möglicherweise Hans hierher käme  !« Hätte sich das bewahrheitet, dann wäre das Triumvirat der für ihr Leben wichtigen Männer vollständig gewesen. Die Berichte über die letzten Wochen vor den Premieren des ersten Ring des Nibelungen in Bayreuth sind von einer gewissen Atemlosigkeit geprägt, von der schwer zu sagen ist, in welchen Punkten sie sich in ihrer Nervosität von einem heutigen Premieren-Ring auf dem Grünen Hügel unterscheiden würde. Zwei Gegebenheiten aber waren einmalig  : Das Haus war noch nie bespielt worden, die Bühnentechnik, die Akustik, die Beleuchtungsmöglichkeiten, die völlig ungewohnte Sitzordnung der Orchestermusiker, all dies würde zum ersten Mal sich beweisen müssen  ; dazu geneigte und kritische Ohren, wenige kundige und sehr viele kaum mit Wagners Musik vertraute Zuschauerinnen und Zuschauer. Das

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zweite Ungewöhnliche – obwohl heute durchaus ab und an gegeben – war, dass der Regisseur dieser Musikdramen im Regiehandwerk kein Profi war. Wagner hatte als Dichterkomponist all diese jetzt singenden, die Bühne bevölkernden Charaktere geschaffen und entsprechende eigene Vorstellungen davon. Intimer als er war niemand mit dem Ring-Personal verbunden, aber er konnte sich in seiner »künstlerischen Oberleitung« allein auf das stützen, was ihm an eigenen Möglichkeiten zur Verfügung stand. Er liebte es, den Sängerinnen und Sängern ihren Part vorzuspielen, er liebte es auch, am nächsten Tag zu verwerfen, was gerade einstudiert worden war. Und dabei war ihm die gute Aussprache, die »schärfste Artikulation« ein besonders wichtiges Feld, und die »charakteristischen Bewegungen« der Personen sollten genau mit der Musik übereinstimmen. Für die Chor- und Walküren-Szenen stand ihm der Ballettmeister und »plastische Choreograph« Richard Fricke aus Dessau zur Seite. Fricke, die Musiker, Bühnen- und Kostümbildner, das sängerische Personal sowieso, sie und alle sonst Beteiligten waren Professionelle und oft Beste ihres Fachs. Wagner selbst aber war als Inszenator ein Experimentierer, sein Wort galt qua Autorität, er tauschte sich mit Mitarbeitern aus, was nicht bedeutete, dass er ihnen immer folgte. »Wagner war in Bayreuth sein eigener Regisseur, obwohl er nur Grundkenntnisse im Regieführen besaß und wenig praktische Erfahrung. Er hatte zwar die Proben seiner Münchner Uraufführungen überwacht und war auch bei den Einstudierungen der Musteraufführungen zugegen gewesen, aber eher in seiner Eigenschaft als Autor denn als praktischer Regisseur.« Noch gab es im Theater- und Opernbereich keine klare Kontur, was Regie zu sein hätte, es gab immerhin professionelle Spielleiter. Aber die spätestens im 20. Jahrhundert sich bildende Erwartung an Theaterregie, einen eigenen Zugang, eine persönliche Interpretation des jeweiligen Werkes zu erarbeiten, lag noch in weiter Ferne. Cosima lernte allein das Bayreuther Arbeitsmodell kennen. Und eben dieses Modell wird es sein, das sie nach Wagners Tod für sich selbst annehmen und ausbauen wird. Die ersten Festspiele bestachen auch durch den gesellschaftlichen Glanz, den ihre Besucher und Besucherinnen verbreiteten. Dass Ludwig II. die Generalproben und den dritten Ring-Zyklus besuchte, war eine späte Ernte Wagners, auf die er stolz sein konnte. Diese Beziehung hatte einen komplizierten Stellenwert in seiner und Cosimas Geschichte, es war ein Triumph, dass der König tatsächlich nach Bayreuth kam. Es ist allerdings anzunehmen, dass Wagner keine Zeit dafür hatte, sich um weitere vorbereitende Kontakte zu einflussreichen Gästen zu kümmern. Das war Cosimas Feld.

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Gern und namentlich von Kostümbildner Emil Doepler wird über die »Damen des Hauptquartiers« gelästert, die Cosima umgebende, von Marie von Schleinitz angeführte weibliche Anhängerschaft, oft auch Sponsorinnen für die Festspiele, die den Vorzug genossen, bei Proben anwesend sein zu dürfen. Es ist die Frage, ob das ganze Unternehmen Bayreuth ohne die häufig bedingungslose Unterstützung an Geld, Kontakten und Einwerbung durch eben diese Frauen überhaupt zustande gekommen wäre. Die materiell begüterten, gebildeten, engagierten Frauen waren dafür ein wesentliches Element. Unter dem Spott über diese »Damen« liegt oft der unausgesprochene Vorwurf, sie gäben sich ihrer Freizeitleidenschaft hin, sozusagen ohne Amt und Würden. Sie konnten ja aber nur »unprofessionell« Einfluss nehmen auf die Entwicklungen ihrer Zeit, weil ihnen als Frauen derlei Professionen eben nicht offenstanden. Also brachten sie sich ein, indem sie schrieben, Geld gaben, Salons unterhielten oder begabte Künstler unterstützten. Cosima war mit ihrer Position als Ehefrau eines Künstlers dazu prädestiniert, Unterstützung zu organisieren, auf die ihr und den anderen weiblichen Beteiligten erlaubte Frauenweise. Ein »einfaches« Publikum, das aus gebildeten Bürgern bestanden hätte, dieses spätere klassische Opernpublikum, das Wagner sich, am liebsten nach seiner Idee des kostenlosen Eintritts, wünschte, hätte für Bayreuth nicht ausgereicht. Es bedurfte der Unterstützung der Besitzenden, der damaligen Elite, um überhaupt diese Idee sich etablieren zu lassen. Aus dem Rückblick einer gut geölten Festspielorganisation ist es leicht, die damaligen Geldgeber als unangemessene Eindringlinge zu beschreiben, ohne die alles besser oder »authentischer« gewesen wäre. Die Bayreuther Idee benötigte diese Mäzenatinnen. Die Resonanz auf diesen ersten Ring war gespalten, aber einhellig begeistert, was das gesamte Festspiel-Unternehmen betraf. Gaben männliche Besucher ihr Urteil kund – der deutsche Kaiser, der Großherzog von Schwerin, der Herzog von Meiningen, aber auch gern schreibende Kommentatoren und Journalisten –, so gingen deren Äußerungen in die Annalen ein. Niemand bezweifelte deren Kompetenz zu solchen Urteilen. Frauen hingegen sollten sich am besten gar nicht äußern. Sie wurden selten gefragt. Cosima setzte mit ihren Freundinnen dem etwas Lebendiges entgegen. Wagner übrigens wusste, was er an Cosima und dem Kreis ihrer weiblichen Vertrauten hatte, wusste, dass er von Cosima und ihren Verbindungen nur profitieren konnte. Im Frühjahr 1877 ist unklar, ob und wie es weitergehen wird. Wagners Wunsch, Ruhe für die Komposition des Parsifal zu haben, lastet täglich auf ihm. Cosima berichtet über seine Pläne für die nächsten Festspiele, die erst 1882 stattfinden

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29  Schlussbild der Götterdämmerung, Ölskizze von Josef Hoffmann aus dem Jahr 1873.

werden  : »Er denkt daran, [Hans] Richter frei zu machen und [Emil] Heckel unter meiner Kontrolle die Führung der ganzen Sache [zu übertragen], wie wenn er gestorben wäre, um sich die Muße zur Arbeit zu erhalten.« Hier wird zum ersten Mal, durch Wagner selbst, die Gesamtkontrolle mit Cosimas Person verbunden. Nach beider Verständnis blieb Richard Wagner selbstverständlich weiterhin der Festspielleiter. Im Vordergrund steht jetzt aber erst einmal die Komposition des Parsifal. Wagner widmet sich dieser Aufgabe, und Cosima darf immer wieder die erste Hörerin sein. »Wie wir wieder allein sind, spielt er mir, was er heute gearbeitet, Parsifal’s Erscheinen und Abnehmen seiner Rüstung. – Ein hehrster Segen, eine letzte Weihe dem gesegneten Tag  !« Cosima ist die erste Zeugin dieser Musik, sie konnotiert dieses Erlebnis mit spiritualisierender Sprache, es ist ein Privileg, die Intimität des ersten Hörens ein Geschenk, das sie vor allen anderen Mitarbeitern, Freunden auszeichnet und das sie enorm bereichert. Das war die Art von Geschenken, die nur Wagner geben konnte und um die Cosima beneidet worden sein mag. Sie hatte diesen sehr anstrengenden Mann, aber sie war auch diejenige, der er zum ersten Mal eine Musik vorstellte, die jetzt neu in der

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Welt war und später in der Musikgeschichte einen unauslöschlich bedeutsamen Platz bekam. Zu Cosimas Geburtstag 1878 hatte Wagner seiner Frau die Uraufführung des Parsifal-Vorspiels geschenkt, das im Saal von Wahnfried unter seiner Leitung mit dem Meininger Hoforchester aufgeführt wurde. Die dabeistehenden Kinder erlebten ihre Mutter als jemanden, die dieses Geschenkes wert ist. All dies sind Elemente, die Cosimas Identifikation und Selbstverpflichtung im Hinblick auf Wagners Erbe stärken konnten. Im April 1879 ist die Orchesterskizze des 3. Akts Parsifal fertig. Wagner schenkt Cosima die noch ungeordneten Entwürfe  : »Die Übermacht der Empfindung betäubt mich etwas, und beim Kaffee schlafe ich ein, ohne es zu merken, ich erwache von einem leisen Geräusch und finde R.’s Segen  ! [Beigelegtes Blatt mit der Aufschrift  : ›Mein liebes Weib  ! Ruhe sanft  !‹] Und alle Müdigkeit ist dahin, und ich nehme die teuren Skizzen und ordne sie, an die Kinder denkend, welche dereinst sie finden werden.« Am Nachmittag des 9. September 1879 schließlich »findet R. den Schluß des Parsifal und spielt ihn mir, wie er ihn endgültig festsetzt.« Bis es zur fertigen Partitur und zur Uraufführung in Bayreuth kommen wird, vergehen noch fast drei Jahre. Wagner hat gesundheitliche Probleme, nach langer Pause quält ihn wieder eine Gesichtsrose  – und natürlich das Herz. Die ganze Bayreuther Familie siedelt noch mehrfach ins bessere Klima um, nach Neapel, nach Palermo und Venedig. Wagner fasst, wenn es ihm zwischendurch besser geht, große Pläne  : »Er will hier ein Jahr noch bleiben, dann ein Jahr nach Bayreuth gehen, sehen, ob etwas zu Stande gekommen ist, wenn nicht, mit dem 70.  Jahr nach Amerika übersiedeln«, schreibt Cosima. Seinen 70.  Geburtstag wird Wagner nicht mehr erleben. Aber es liegen noch gute italienische Monate vor ihnen, mit Besuchen von Freunden, von Liszt, mit Ausflügen, abendlichen Debatten, wie immer. Paul von Joukowsky malt das »Maradscha«-Bild von Cosima, sie kommen ein bisschen zur Ruhe, und Wagner diktiert Cosima neue Kapitel für seine Autobiografie Mein Leben  : »In seinem Stübchen, darin er Oberlicht geschaffen, sitze ich, im Maradscha, wie im Himmel  ; R. meint, es sei alles zu schön für so ein Leben, ich aber bin selig, seine Hand wieder zu sein.« Dazwischen umjubelte Opernbesuche und eine Lohengrin-Separatvorstellung mit König Ludwig in München, dazwischen auch zwei Berlin-Besuche, bei denen mehrfach Ring-Vorstellungen anstehen und Tochter Daniela zum ersten Mal als junge Frau wieder auf ihren leiblichen Vater Hans von Bülow trifft. Das ist aufregend für alle, auch für Cosima. Aber die Weiterführung der Parsifal-Arbeit steht letztlich im Vordergrund. Wagner kann am besten in Italien, in der Wärme, in gewisser Abgeschiedenheit arbeiten – und endlich, am 13. Januar 1882, ist die

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Partitur fertig  : »Es ließ mir keine Ruhe«, berichtet Cosima, »er kommt herein, und – es ist vollbracht  ! Bei dieser wie bei allen Arbeiten hat er gefürchtet, durch den Tod unterbrochen zu werden, bei Tisch sagte er es uns heute  !« Es gibt noch eine kleine Abschiedsreise über Neapel nach Venedig. Der Palazzo Vendramin wird schon einmal besichtigt als künftige Bleibe. Ende April 1882 ist die Familie wieder in Bayreuth. Parsifal soll und wird in diesem Sommer seine Uraufführung erfahren. Die Proben können beginnen. Wagner und Cosima besprechen ständig das gemeinsame Projekt. Sie ist für ihn das verständnisvollste Ohr und die penibelste Protokollantin selbst seiner Korrekturen von Rollenbezeichnungen  : »Die Blumen (R. wünscht sie so benannt, nicht Bl.mädchen, da man sonst an Blumen-Verkäuferinnen dächte).« Cosima macht sich auch nützlich, so wie sie es versteht. »Abends ziehe ich das Kundry-Kostüm an, welches vielleicht nicht ganz den Erwartungen entspricht.« Es wird sich bei dieser Anprobe nicht um das rupfenartige Gewand, eine Art Pilgerkutte mit Gürtelstrick, aus dem 3. Akt Parsifal gehandelt haben, denn Cosima war mit dem Kostüm für den 2. Akt, für die sogenannte Verführungsszene, unzufrieden. Paul von Joukowsky hatte dafür eine zwar sehr prächtige, aber eher byzantinisch anmutende Figurine entworfen, die Cosima geändert haben wollte und das schließlich durchsetzte  : ein fast weißes, allerdings mit stilisierten Blumen reich besticktes Kostüm mit Bordüre und langem weißem Kopfschleier, einer wilhelminischen Braut nicht unähnlich. Wagner ließ Cosima gewähren – mit welchen inneren Einwänden, wissen wir nicht. Cosima entwickelt zum Beispiel die Idee, Parsifal und Kundry für ihre »tragische Szene« im 2. Akt in eine »grüne große Laube« zu setzen – ein Vorschlag allerdings für das nächste Jahr, für 1883. Da wird sie inzwischen allein sein. Am 26. Juli 1882 findet die Uraufführung des Bühnenweihfestspiels Parsifal in Bayreuth statt. Auch Abbé Liszt ist zur Eröffnung da. Es gibt bei allem Ernst des Stoffes Treffen, Bankette, bei denen Wagner wahrscheinlich im Mittelpunkt stand, soweit seine Kräfte dies zuließen. In der Organisation allerdings ist Cosima gefragt und gut. Am Schluss der Festspielzeit heiratet Tochter Blandine ihren Grafen Gravina. Selbst Großvater Liszt ist eigens noch einmal zurückgekommen, um daran teilzunehmen. Eine perfekte Verknüpfung von Kunst, Präsentation und Familienstaat. Cosima nimmt gemeinsam mit ihrem Vater an der letzten Vorstellung teil, bei der Wagner ab der Musik zur Wandeldekoration den letzten Akt selbst zu Ende dirigiert. Es wird ein Erfolg, viel Zustimmung, es ist geschafft. Cosima schreibt  : »Unsere Heimfahrt ist still-feierlich, ich meine, wir können danken, wenn auch gewiß das Erreichte schwer erkauft ward und beinahe das ganze Lebensbehagen

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dem geopfert wird.« Ihre Bilanz am Ende dieser zweiten Festspiele fällt zufrieden aus  : »Und so waren sie denn abgeschlossen, diese sechzehn Aufführungen, und hat sich der Geist des Eifers, der Hingebung, bei den Künstlern allen nicht ein Mal verleugnet. Und auch die Zuschauer haben das Gefühl des Außergewohnten, selbst im größten Sinne gehabt. Ich glaube, man darf zufrieden sein.« Das Parsifal-Ziel hatten sie erreicht. Es war, wie sich erweisen sollte, Wagners letztes Bühnenwerk, es waren Wagners letzte Festspiele – ein Abschied, den keiner ahnen wollte, schon gar nicht in der ersten Aufgeregtheit und der sich langsam einstellenden Freude übers Gelingen in Bayreuth. Man konnte noch nicht von einer Etablierung der Festspiele, des »Weihfestspiels«, des Festspielhauses überhaupt ausgehen. Dies bedurfte noch großen Einsatzes, wacher Zukunftsplanung und künstlerischer und organisierender Kraft. Wagner wird im Februar 1883 sterben. Nur wenige Monate zuvor schreibt er an König Ludwig II. über seine Pläne  : »Diese haben nun jetzt eine ganz bestimmte Gestalt bei mir gewonnen  : ich wünsche nach und nach alle meine Werke in unserem Bühnenfestspielhause in der Weise aufzuführen, dass diese Aufführungen als Muster der Korrektheit meiner nächsten Nachwelt wenigstens überliefert werden können  : – hiermit bedinge ich mir noch etwa zehn rüstige Lebensjahre, während welcher zugleich mein Sohn bis zum Alter seiner vollen Mündigkeit reift, welchem allein ich die geistig-ethische Aufrechterhaltung meines Werkes zutraue, während ich sonst Niemand weiss, dem ich mein Amt übergeben könnte.« Natürlich kannte Cosima diesen Wortlaut, der allein den Sohn als nachfolgend und würdig nennt, und war damit vermutlich sogar einverstanden. Den an den Sohn erteilten Auftrag wird Cosima – stellvertretend für diesen – entschlossen wahrnehmen. Auch wenn sie dafür von Wagner nicht offiziell eingesetzt worden war  : Sie wird Bayreuth zu einem Ort für Musteraufführungen machen.

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as Jahr 1882, das Jahr der Parsifal-Uraufführung, diese letzte gemeinsame Zeit vor Wagners Tod, hatte für die Familie zunächst auf Sizilien, in Palermo, begonnen. Der Aufenthalt war der angegriffenen Gesundheit Wagners geschuldet, denn seine Anfälle häuften sich, wenn auch nicht so signifikant, dass es den Alltag blockiert hätte. Im Frühjahr hatte Blandine ihren künftigen Mann, Biagio Graf Gravina, kennengelernt und Cosima ließ sich auf die Planung einer Tochterehe ein. Sie schrieb an ihre Freundin Malwida von Meysenbug über »Zartgefühl, Ehrenhaftigkeit, Männlichkeit« des künftigen Schwiegersohns, sie notierte aber auch sehr nüchtern  : »Ich wusste dass er kein Vermögen habe, und […] von einer sehr geringen Rente lebte ohne Bedürfnisse, daher auch ohne Schulden […].« Bei all diesen Bedenklichkeiten sah Cosima aber, dass ihre Tochter glücklich war und gab ihren Segen. In Vorbereitung der Hochzeit organisierte Cosima das Notwendige, unter anderem klärte sie Vermögensfragen sehr detailliert. So fragte sie bei Daniela nach, ob diese einen Teil der Aussteuer für Blandine freigäbe  : »Möchtest Du, mein geliebtes Kind, deinen Vater fragen, ob dein Silberzeug von welchem er mir seiner Zeit meldete dass er es bei der Bank in München deponire, etwa für Blandine disponibel wäre.« Dieser letzte gemeinsame Sommer schien für die Familie vom Glück begünstigt, Festspiele und Privates hatten einen Zenit erreicht. Allerdings gaben die Brustkrämpfe Wagners, die später als Angina Pectoris diagnostiziert werden sollten, im Herbst 1882 wieder zu der Entscheidung Anlass, Bayreuth zu verlassen und Venedig als wärmeren Ort aufzusuchen. Umzug der allervollständigsten Art mit riesigem Gepäck, mit Personal, mit umfassendster Planung via Briefen und Telegrammen durch Cosima. Über Nürnberg, München, Bozen, Verona, eine fünftägige Reise, an deren Ende in Venedig nach kurzem Hotelaufenthalt schon vorab die Wahl auf den Palazzo Vendramin gefallen war. Die Familie zieht wie immer ein, als sei es für die nächsten Jahre. Das Dienstmädchen Betty Bürker berichtet von Schreinern, Tapezierern, Schlossern. Cosima hält die Fäden zusammen, es ist ein Haushalt zu installieren, der sie, Wagner und alle Kinder beherbergen wird, die ganze Patchworkfamilie eben, Logierbesuche und Personal inbegriffen. Ihr Temperament lässt sie sehr effektiv, aber auch ungeduldig und ungerecht sein. Bürker schreibt, »die gnädige Frau zankte mit mir (,) ohne daß ich wirklich nur eine Ahnung hatte, warum.« Das Logement ist einerseits anspruchsvoll und prächtig, wie es Wagners Wünschen entsprechen soll, gleichzeitig muss die gesundheitliche Beeinträch-

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tigung Wagners allgegenwärtig gewesen sein, vielleicht tabuisiert, vielleicht in den Gesprächen des Paares unbenannt und selbst im Familienrahmen als Thema gefürchtet und umgangen. Wagner macht Pläne, »er wünscht die Kräfte zu haben, den Ring noch ein Mal gut aufzuführen.« Und er möchte generell »alle seine Werke in Bayreuth aufführen, dann Siegfried so weit haben, daß er die Sache leiten könne, also noch 10 Jahre leben, ›denn mit 23 Jahren zeigt schon einer, was er ist.‹« Cosima protokolliert Wagners gesundheitlichen Verfall. »R. hatte eine üble Nacht. […] Er liest in ›Buddha‹, fühlt sich aber den ganzen Tag unwohl  ! Er geht nicht aus, wandert durch die Stuben, schreibt hie und da einen Scherz für mich auf, ist aber leidend.« Ihre Aufmerksamkeit gilt mehr denn je ihrem Mann. Sie versucht, auch in der Gefährdung alles gut zu richten und sich als beruhigend einzubringen. »Nachmittags, wie die Kinder ausgegangen sind, verweile ich etwas bei ihm, und dann ist es immer gut, aber ich kann das Leben nicht hemmen, welches stets Unruhe bringt  !« Das würde sie am liebsten, das Leben in seinen bedrückenden oder äußerlichen Aspekten anhalten. Aus diesen Beobachtungen und Äußerungen spricht eine neue Aufmerksamkeit aufeinander, eine Endzeitwahrnehmung, die nicht explizit ausgesprochen, aber gelebt wird. Die Zweisamkeit des Paares ist nicht oft in Ruhe gegeben – in Venedig sind ebenfalls Siegfried, Isolde, Eva und Daniela da sowie das Ehepaar Gravina und besuchshalber zunächst das Ehepaar von Schleinitz. Am 12. Oktober steht der 22. Geburtstag von Daniela an. Gemeinsam feiern und sprechen und gut essen und mit der Gondel fahren, das sind alles einerseits gewohnte Rituale, andererseits Programme gegen die Bedrohung der Schwächung Wagners. Und wenn er äußert »Ach  !, wär ich tot« kann das eine bei ihm übliche Koketterie sein, vielleicht aber auch nur echte Sorge im vertrauten übertreibenden Gewand. Zu allem Überfluss wird Liszt erwartet, der Freund-Feind, dessen Anwesenheit immer zu Spannungen zwischen den beiden Männern führt und die für Cosima eine Herausforderung im begütigenden Spagat zwischen Mann und Vater bedeutet. Es ist ein stetiger Wechsel zwischen privatesten Empfindungen und Verstimmungen und der Selbstinszenierung der Familie füreinander und für das »Publikum«, die Freunde und Besucherinnen. Manchmal darf es sogar ein ganzer Saal sein, wenn etwa an Heiligabend im Teatro La Fenice in der Sala Apollinea für Cosima als Geburtstagsgeschenk die vor fünfzig Jahren uraufgeführte C-Dur-Symphonie Wagners gespielt wird – ein Konzert ihr zu Ehren, ein Liebesgeschenk, das gleichermaßen Cosima wie Wagner feiert. Der dirigierende Komponist wird bejubelt, Cosima lassen sie hochleben, Liszt wird von Wagner animiert, für Cosima und den Saal ein spontanes Klavierkonzert zu geben.

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Welch eine Präsentation, welch eine Anstrengung auch  ! Wagner ist nicht zu bändigen in seinem Wunsch, seine Frau zu zeigen, seine Liebe zu ihr öffentlich zu stilisieren – gleichzeitig ist auch er kein schlechter Held in diesem Bemühen. Beide schauen eigentlich fortwährend aufeinander, etwa wenn Wagner sagt, Cosimas Gesicht »zeige so oft den Ausdruck eines zarten Kummers« oder wenn sie mit »R. hat eine gute Nacht gehabt, doch fühlt er sich nicht wohl« genau seinen Gesundheitszustand beobachtet. Cosima ist bei allen Liebesdemonstrationen Wagners in doppelter Rolle zugegen  : Sie ist die gefeierte, sozusagen ausgestellte und in gelöster Grazie im Sessel sitzende Erste Dame, und sie ist gleichzeitig diejenige, die das alles zuvor gemanagt hat, mit den Dienstboten die Mahlzeiten und Tischrunden vorbesprochen, die Einkäufe und Zubereitungen in Auftrag gegeben und zum Beispiel entschieden hat, wer mit darf – hier zum Fenice die fünfzehnjährige Eva und Cosimas Vater Liszt. Der Konzertausflug endet, wie die Dienstbotin Betty Bürker schreibt, weit nach Mitternacht im Palazzo Vendramin, keine Schonung für alle Beteiligten. Am nächsten Morgen, dem 1. Weihnachtsfeiertag, dann die Geburtstagsbescherung für Cosima im gelben Salon  : »[…] sie bekam wunderschöne Sachen, Toiletten, außerdem antike Vasen, Teller, Schmuck, es mögen tausende nicht gereicht haben(.) –« Wagner spielt zum Mittagstisch Beethovens »Wer ein solches Weib errungen« aus Fidelio, die oberste Liga der Frauen-Loblieder. Cosima handelt sich aber eine ironische Spitze ein, als sie abends mit ihrem Vater plaudert  : Wagner steckt an die Tür den Zettel »Ici on parle Français« (Hier spricht man französisch), denn genau das mochte er nicht. Feier für Cosima ja, aber seine alten Reizungen bleiben bestehen und machen ihr das Leben schwer. Einige Tage später ist so etwas wie eine erneute Bescherung, weil das »zweite Weihnachtskleid«, eine Robe des berühmten englischen Modeschöpfers Charles Frederick Worth, geliefert wird, das Cosima abends für Wagner und die Kinder anzieht. Als Wagner allerdings von einem in den Augen der sparsamen Cosima zu großen Dienstbotengeschenk erzählt, erwacht in ihr die Haushaltungschefin. Sie denkt daran, dass »soeben Weihnachten vorbei und nicht gerade viel Verdienst obliegt, auch unsere Einnahmen mit unseren Ausgaben nicht stimmen« und begeht damit nach ihrer Einschätzung dann noch »die Torheit, R. eine Bemerkung darüber zu machen. Das verstimmt ihn bis auf ’s äußerste, und ich brauche lange Zeit und viele Bekenntnisse meiner Reue, um ihn zu besänftigen.« Es wird der letzte gemeinsame Geburtstag sein, es war der letzte gemeinsame Aufenthalt im Fenice, und jedes kritische Wort, das Cosima äußert, wird ihr später leidtun und sie quälen. Ihr Vater gibt täglich zu Verstimmungen Wagners

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Die letzte gemeinsame Zeit 30  Das Ehepaar Wagner in Venedig, am Landeingang des Palazzo Vendramin, vermutlich kurz vor Wagners Tod 1883. Die nicht signierte und datierte ­Gouache könnte von Paul von Jou­ kowsky stammen.

Anlass. Was soll sie machen  ? Wagner plant, gemeinsam eine Goldoni-Komödie zu besuchen. Aber Liszt will nicht mit, »mein Vater bittet, zu Hause bleiben zu dürfen, Lusch und Jouk.[owsky] sollen ihm Gesellschaft leisten.« Eine höfliche Bitte des etwas Älteren an den gereizten etwas Jüngeren, aber »es verstimmt R., daß nicht alles hingeht.« Die Einladung an Liszt, nach Venedig zu kommen, war eine gemeinsame Entscheidung Cosimas und Wagners. Jetzt aber, im venezianischen Alltag, gibt es viele Beschwerden Wagners über den Schwiegervater, die er natürlich Cosima unterbreitet. Ihm passt nicht, dass Liszt sozusagen eigenmächtig ein Porträt der Gräfin Marie Dönhoff im Palazzo Vendramin aufgestellt hat. Er bezeichnet Liszt sogar spöttisch als »König Lear« und ist beleidigt, weil in der Zeitung steht, Liszt bewohne bei den luxuriös möblierten Wagners nur ein sehr bescheidenst eingerichtetes Mezzanin. Liszt spielt der Familie das Andante der Mozart’schen A-Dur-Symphonie in »zu breitem Tempo« vor, was Wagner später Cosima gegenüber »als eine Verkennung des Charakters des Stückes bezeichnet.« Es scheint, als könne Liszt es ihm einfach nicht recht machen, und Cosima nimmt ihre Rolle als Klagemauer an. Wagner ist verärgert, »und abends wächst diese Verstimmung bis zum Zorn. Die Art und Weise meines Vaters, der WhistTisch, auch die Verengung unseres Raumes und die Bewegung, welche durch

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den Besuch entsteht, all dies setzt ihn außer sich, und lange, lange nachdem alles entfernt ist, übergibt er sich dem Unmut, den ich nur durch stilles Mit-Leiden mit ihm beschwichtigen kann  !« Cosima sucht auszuräumen, was ihn quält, sie behandelt ihn spätestens jetzt als einen Kranken, Überempfindlichen, als einen, dessen Launen nicht zu bessern sind, sondern zu ertragen. Es ist eine Dauer-Überforderung, die sich Wagner abverlangt, er quält sich körperlich. Die Anfälle sind inzwischen Alltag, werden in den täglichen Ablauf irgendwie eingebaut. »Alles stört ihn. Am Vormittag hat er seinen Krampf und ist eher still bei Tisch«, notiert Cosima am 9. Januar 1883, und drei Tage später  : »Die Krämpfe beginnen bei R. heute gleich in der Frühe und dauern über 2 Stunden  !« Cosima lässt den Arzt holen, ausrichten kann der nur wenig. Am 13. Januar verabschiedet sich Liszt, die beiden sehen sich zum letzten Mal, Liszt wird Wagner um drei Jahre überleben. Es ist in Bezug auf die letzte gemeinsame Zeit in Venedig immer wieder die Rede von Carrie Pringle, Blumenmädchen im Parsifal bei den Bayreuther Festspielen von 1882, deren erwarteter Besuch zu einem Zerwürfnis zwischen Cosima und Wagner geführt haben soll, aus Eifersucht seitens Cosima. Dass Wagner in der Lage und der Stimmung gewesen sein soll, hier einen seiner Arbeitsflirts noch einmal aufzufrischen, darf mit Fug bezweifelt werden. Auch Cosimas Einwände dürften gern als härter und mehr xanthippenhaft aufgenommen worden sein, als es der Realität entsprochen haben mag. Eine junge Frau und der alte Schwerenöter mit der keifenden Ehefrau sind Versatzstücke klischierter Geschlechterbilder, die diesem Paar nicht gerecht werden können. Dass Cosima im Nachhinein den Streit besonders bedauerte und dass dieser Streit zum Teil geradezu als Auslöser des Todes von Wagner stilisiert wurde, trägt den Gegebenheiten in Venedig nicht angemessen Rechnung. Es scheint vielmehr, als ob sie in diesen letzten Wochen bei allen Spannungen doch wahrgenommen haben, wie kostbar die Beziehung zwischen ihnen blieb. »Ganz wundervoll strahlte in diesen Tagen R.’s Antlitz, und wenn sein Auge mich anblickte, schuf es mir ›Wonne und Weh zugleich‹. Heute empfand ich es unsäglich  !  …« Am Neujahrstag 1883 schreibt Cosima der älteren und kranken Malwida von Meysenbug  : »Kummer und Sorge, ach Sorge – wohl beständig  ! […] Wie gut begreife ich die ernst ruhige Stimmung, mit welcher du den Tod betrachtest  ; kaum giebt es einen Tag wo er mir nicht als freundlicher Mahner erschiene […].« Am 13.  Februar 1883 stirbt Wagner. Die Berichte erzählen übereinstimmend von besonders starken Krämpfen und Übelkeit bei Wagner, sodass er sich zu-

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rückzieht und nicht am gemeinsamen Mittagessen teilnimmt. Die Dienstbotin Bürker berichtet  : »Während die Herrschaften bei Tisch saßen, blieb ich in dem Zimmer nebenan u. hörte den armen Herrn jäm(m)erlich stöhnen und ächzen – gehe aber nicht hinein, weil er immer nicht haben will, daß ihn jemand stört – Auf ein(m)al zieht er die Klingel (stürmisch) ich renne in sein Zimmer, u. er stößt in Hast die Worte hervor, rufen Sie meine Frau u. den Doktor, ich eile die gnäd(i)ge Frau zu rufen(,) die athemlos kommt, während deßen stöhnt er immer noch zum Herz brechen, ich bitte den l(ieben) Gott(,) seine Schmerzen zu lindern, u. wir glauben(,) es geht wie gewöhnlich der Anfall vorüber. Der Doktor, der durch die Gondoli(e)re gerufen wurde, erklärt, zu unserem Entsetzen, daß der Herr todt sey. […] Ich ging in seine Stube u. […] da lag er nun als eine Leiche, starr, die gnäd(i)ge Frau seine Füße umklammer(n)d u. in verzweiflungsvollem Schmerze hingebrochen.« Bereits bei der Nachricht, dass sie kommen solle, hatte Cosima heftig fast den Türflügel mitgenommen, gegen den sie in Panik gestoßen war, um schnell zu Wagner zu kommen, wie Sohn Siegfried später aufschrieb. Cosima soll ihm noch sein Medikament zu geben versucht haben, das aber nicht mehr half. Der Herzanfall war zu heftig. Es war passiert, wovon beide häufig genug gesprochen hatten, halb ungläubig  – es wird schon nicht so schnell sein  – und halb bang, weil die vielen körperlichen Einschränkungen, die Wagner seit langem quälten, unleugbar waren. Cosima hatte in ihren Notizen immer wieder einen gemeinsamen Tod thematisiert, wollte an ein Leben allein ohne Wagner nicht denken. Und Wagner hatte sich immer wieder noch längere Lebenszeit miteinander gewünscht, er der deutlich Ältere und zunehmend Eingeschränktere. Nun, da das geschehen war, wovor beide sich so gefürchtet hatten, nahm Cosima so innig und langwährend und ohne Rücksicht auf ihre Umwelt Abschied von Wagner, wie sie es brauchte. Es war die Katastrophe der Trennung, es war auch die Realisierung des Gefürchteten. So lange die Zweisamkeit beschworen, so lange jeden Tag gerühmt, der ihnen gemeinsam möglich war, sehr viele Liebesbezeugungen und auch sehr viele Kränkungen bis an die Grenze des Erträglichen mit diesem liebevollen, aber unendlich ichbezogenen und unvorsichtigen und erotisch zumindest noch in der Phantasie sehr aktiven und temperamentvollen Mann. Mehr als dreizehn fast ausschließlich gemeinsame Jahre, drei leibliche, teils inzwischen halbwüchsige, teils fast erwachsene Kinder. Sie hatte sich nicht verabschieden können, wie sie es sich vielleicht vorgestellt hatte. Dabeisein beim Wegdämmern, es gemeinsam wahrnehmen und miteinander noch sprechen können, sich danken vielleicht, sich versichern, dass sie richtig war, die Entscheidung füreinander. Cosima soll Wagner noch in den Armen gehalten

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haben an seinem Ende, aber da war er nicht mehr bei Bewusstsein. Vielleicht hat sie ihm ein bisschen Wärme gegeben. Die Verbindung jedenfalls, die körperliche, dann durchschnitten, getrennt. Cosima nahm sich die Freiheit, etwa eine Stunde allein mit Wagner im Sterbezimmer zu bleiben. Danach rief sie einzeln die Kinder hinein, die sie zu Contenance und Disziplin mahnte, so wie sie damals in Berlin ihren Bruder hatte verabschieden müssen bei dessen frühem Tod. Nachdem sie diese Verantwortung schnell und klar gegenüber den Kindern wahrgenommen hat, lässt sie sich wieder Zeit mit ihrem eigenen Abschied. Sie kniet bei Wagner, legt sich neben ihn, küsst ihn und bleibt bei ihm die ganze Nacht. All dies wurde von einer großen Entourage aus Kindern, Freunden, Personal beobachtet, beschrieben, weitergetragen und damit jeder Intimität beraubt. Sie waren ein öffentliches Paar gewesen, und so nahm sich die Öffentlichkeit weiter das Recht, die Trauer Cosimas minutiös zu beschreiben und oft als übertrieben zu bewerten. Dabei ist es nicht mehr als die heftige Trauer am Ende einer heftigen Liebe. Cosima lässt sich ihr Haar abschneiden, ein altes Ritual der Totenklage, eine sehr persönliche Mitgabe ins Grab. Cosimas Haar war gelobt worden als besonders, sehr lang, aufwendig gehalten. Wagner liebte es und natürlich war es als Frauenhaar ein erotisches Signal, das nun nicht mehr gelten sollte und also Wagner mit ins Grab gegeben wurde. Mit dem Abschied vom langen Haar ist auch der Abschied von der Jugend vollzogen, in dieser Situation für Cosima der Abschied vom Mann und der leiblichen Beziehung. Cosima ist 45 Jahre alt. Nachdem Wagners Sarg von Venedig nach Bayreuth verbracht worden war, fand das Begräbnis, wie Wagner von langer Hand geplant hatte, im Garten von Wahnfried statt. Und erst, als die Freunde und Begleiter gegangen waren, machte Cosima sich auf zum Grab und legte sich auf den Sarg. Sie trauerte wie eine antike Witwe, missachtete die Besorgnis oder später den Spott der Umwelt, konnte aber mit dem, was sie tat und unterließ, mit sich im Reinen sein. Cosima hatte den Abschied, den sie nicht mit Wagner gemeinsam hatte vornehmen können, allein zu vollziehen. Der abrupte Tod, vielleicht abstrakt vorher bedacht, aber nicht konkret besprochen, lässt Cosima im Schock zurück – und mit der Notwendigkeit, diese endgültige Trennung mit sich selbst auszumachen. Ein Brief ihrer nahen Freundin Malwida von Meysenbug zum Tod Wagners ist erhalten. Malwida lebte zu dieser Zeit aus gesundheitlichen Gründen schon länger in Rom. Sie schreibt am 18. Februar 1883  : »Meine einzig geliebte Cosima, könnte ich bei Dir sein, da allein wäre mir wohl. Aber der Arzt will mich nicht reisen lassen und die Rücksicht hält mich auch zurück, dass ich Euch dort vielleicht noch Sorge machen würde. […] Und doch Geliebte, lass uns dankbar sein

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dass ihm dieses Ende wurde, […] ohne langen Kampf und schmerzvolle Agonie, in den Armen derer, die er einzig liebte […]. Ja jetzt erst können wir es ganz verstehen, dass der Parsifal schon sein Gruss aus einer anderen Welt war, dass er, während wir ihn noch unter uns wähnten, schon die Sprache der Seligen gehört hatte und sie zu uns redete. […] Du Grosse, die Du an seiner Seite gelebt hast, Du wirst die Kraft haben ihn zu überleben. Dir bleiben zwei heilige Missionen  : sein Sohn und sein Werk. Für Beide bist Du nöthig, absolut nothwendig und Du wirst für sie leben. Wir dürfen es von Dir fordern und erwarten. […] Ich bin bei Dir in jedem Augenblick. Wisse es, fühle es. Malwida«. Da sind sie schon, die Aufträge, kaum, dass Wagner gestorben ist. Sohn und Werk. Die Zukunftsaufträge sind formuliert, Cosima aber ist zunächst noch benommen vom Geschehenen. Sie funktioniert klar in der Organisation zur Rückführung Wagners nach Bayreuth, hinsichtlich aller notwendigen Entscheidungen zu Begräbnis und Grablegung. Dann zieht sie sich erst einmal radikal zurück. Die Schwächung und freiwillige Isolation unmittelbar nach Wagners Tod bringt eine Zeitenwende für Cosima, eine Zeit der Metamorphose. Sie ist eine Andere, als sie sich nach einer Weile wieder imstande fühlt, Kontakt aufzunehmen. Sie hat sich gesammelt für ihr neues Leben. Die Zeit drängt, sie wird von allen Seiten beobachtet und die Bühne gehört nun ihr – wenn sie diese denn betreten möchte. Und sie entscheidet sich dafür. Sie muss in die Eigenständigkeit hinaus. Vieles, was sie bisher, offen oder eher für die Öffentlichkeit verborgen, schon wahrgenommen hatte, die finanzielle Obsorge, die Korrespondenz mit Verlagen und Förderern, die Inszenierung der Präsentation der Familie, all dies wird sie nun allein vertreten, ohne die Vorgabe und das Echo Wagners, ohne die Doppelung im Paar, ohne den inneren Faden der Verständigung und Übereinkunft mit Wagner. Das endliche Zustandekommen der Festspiele, die Inthronisierung der Wagnerfamilie als Ikone, der Anspruch auf Besonderheit, Außerordentlichkeit und das Anrecht auf Förderer ist Ergebnis von Cosimas Regie der letzten Jahre. In der nun anbrechenden Nach-Wagner-Zeit muss Cosima es schaffen, die Autorität für diese Bereiche nicht nur zu behaupten, sondern durchzusetzen. Die Kinder und der Auftrag der Festspielidee werden dafür das Gerüst, das sie diesen Anspruch festigen lässt. Der Tod Wagners bedeutet auch eine riesige innere Befreiung. Eine Befreiung von der Pflicht, Wagner im Alltag bedingungslos zu unterstützen – ihn, wie Angehörige einen Kranken, vor falschen Schritten zu bewahren, auf das Geld zu schauen, mögliche Ärgerpunkte im Vorhinein zu ahnen und möglichst zu vermeiden, körperliche Einschränkungen zu lindern und gern

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zu vertuschen, Hinwendungen Wagners zu anderen Frauen zu ignorieren und so weiter –, also eine seine Produktivität bedingungslos fördernde und damit im Alltag auf sehr viel verzichtende Gefährtin zu sein. Cosima nimmt den Verlust Wagners als Kraftquelle und Antrieb für den Auftrag, den von ihm erhalten zu haben sie vermeint und den sie an sich selbst bestärkend erteilt. Das tut sie, wie viele Witwen es tun. Und sie tut es einsam, verlustig der Anwesenheit Wagners, aber gewachsen an dem, was sie vorhat. Aus der Metamorphose durch Wagners Tod geht sie trauernd, aber gestärkt, aktiv, klar und anspruchsvoll hervor. Sie kann entscheiden und handeln, wie sie es nach Sache und Absicht für angemessen hält. Und als Erstes beschließt sie, die Festspiele 1883 stattfinden zu lassen, ein halbes Jahr nach Wagners Tod.

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31. Das Drama Levi

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ie Antisemitin Cosima und der jüdische Parsifal-Dirigent Hermann Levi arbeiteten über Jahrzehnte zusammen, schrieben sich Hunderte an langen Briefen, stritten und versöhnten sich, waren mit Distanz, aber auch privat verbunden. Cosima kannte aus ihrer Kindheit die Empfindung, nicht dazuzugehören, ohne Vater und Mutter – mit der Sehnsucht danach, und dass sie sich nicht erfüllt. Und sie hat viel Erfahrung damit, außen vor zu bleiben, letztlich allein, und auch damit, die feindliche Position als Blockiererin selbst einzunehmen. Es muss in diesem Lebensgefühl zwischen Levi und Cosima eine innere Nähe gegeben haben. Levi war Gast auf dem Hügel als Dirigent und Gast in Wahnfried bei der Familie, er wurde verhöhnt und immer wieder neu hinzugebeten und er stimmte nach Kränkungen jedem Neuanfang zu – eine merkwürdige Beziehung und ein Drama. Dieses Drama ist spätestens mit Barrie Koskys Meistersinger-Inszenierung von 2017, in der der Regisseur die Figur des Beckmesser mit der des jüdischen Dirigenten Levi verband, Thema auf der Bayreuther Bühne selbst geworden.

Levi war Sohn eines Rabbiners und traf – was er als schicksalswendend für sich empfand – im Jahre 1871 in Mannheim auf das Ehepaar Wagner. Er hatte das Siegfried-Idyll zu großer Zufriedenheit Wagners dirigiert, dieser umarmte ihn, manche Quellen sprechen sogar davon, dass er ihn küsste. König Ludwig  II., Herr über das Münchner Hoftheater, an dem Levi als Hofkapellmeister und Generalmusikdirektor von 1872 bis 1896 wirkte, bestand darauf, sein Orchester, wenn es denn zur Parsifal-Uraufführung in Bayreuth musizieren solle, nur mit dessen Dirigenten auszuleihen. Wagner sagt Levi, dem Juden, diese Aufgabe am 19. Januar 1881 zu, nachdem gemeinsam musiziert worden war. Cosima notiert  : »Dann kündigt er dem Kapellmeister zu seinem Erstaunen an, daß er den Parsifal dirigieren wird  ; ›vorher nehmen wir einen Akt mit Ihnen vor. Ich möchte, es gelänge mir, die Formel dafür zu finden, daß Sie sich ganz unter uns als zu uns gehörig empfinden.‹  –  – Das umschleierte Gesicht unseres Freundes läßt R. davon abbrechen, aber wie wir allein sind, besprechen wir länger diese Frage. […] wir kommen überein, daß diese fremdartige Race nie ganz in uns aufgehen kann. R. erzählt mir (und ich schreibe es hier nieder, weil er ohne jeden Hohn, mit tiefstem Ernst zu wiederholten Malen es mir sagte), daß, wie unser Freund sich ihm bescheidentlich nahte, ihm die Hand küßte, er, R., ihn sehr innig und

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herzlich umarmte und dabei an der Emanation mit der ungeheuersten Prägnanz dessen inne wurde, was Racen-Verschiedenheit und Trennung ist. Und so ist den guten Juden unter uns immer ein wehmütiges Los beschieden.« In dieser kurzen Schilderung Cosimas waren bereits alle Elemente der so schwierigen, traurigen, empörenden, heiklen Bindung zwischen Levi und dem Haus Wagner enthalten  : Die Zugehörigkeit Levis zum inneren Zirkel Bayreuths, die durch seine Tätigkeit unmittelbar gegeben gewesen wäre, wurde als schwieriger Schritt bereits im Vorfeld formuliert – »daß Sie sich ganz unter uns als zu uns gehörig empfinden.« Die Reaktion Levis auf die Zusage zum Parsifal-Dirigat wird mit einem »umschleierten Gesicht« beschrieben. Levi war tatsächlich, wie sich noch an sehr vielen Situationen zeigen sollte, außer sich vor Freude und Andacht, dass er für diese Arbeit herangezogen werden würde und kämpfte schließlich bis an sein Lebensende genau darum, dazugehören zu dürfen – vergeblich. In der von Cosima beschriebenen Nachbesprechung des Ehepaars wird sofort deutlich, dass beide die Unterschiedlichkeit für unüberbrückbar halten. Dennoch bleibt Levi bis zu seinem Tod im Jahre 1900 nicht nur der Dirigent des Parsifal in Bayreuth, sondern auch ein naher Hausfreund der Wagner’schen Familie, ein unermüdlicher Briefschreiber und vor allem ein sich bis zur Selbstaufgabe unterwerfender Verehrer Cosimas. Der berüchtigte Ausspruch Wagners »Ungetauft darf er Parsifal nicht dirigieren« schien wie ein Auftrag und Damoklesschwert über der Arbeit Levis zu schweben, dennoch gab Levi diesem meist indirekt vorgetragenen Ansinnen nicht nach. Cosima war in dieses von Wagner hergestellte Verhältnis, das sich durch die Wichtigkeit des Parsifal-Werkes und durch den Eifer und die Zugewandtheit Levis als ein nahes herausstellte, fast täglich eingebunden. Die Korrespondenz über Glaubensthemen, Besetzungsfragen, Geburtstagsgeschenke, kleine und große Krankheiten, Reiseziele und Lektüreerfahrungen zwischen Cosima und Levi ist umfangreich und keineswegs eindimensional oder einseitig. Beide waren voller Interesse füreinander, manches Mal bis zum Überdruss miteinander verbunden, etliche Male im Begriff, die Freundschaft aufzukündigen, um sich dann von der anderen Seite wieder umstimmen zu lassen. Deutlich wird in dieser Korrespondenz, dass Levi sich über seine Außenseiterrolle immer wieder neu im Klaren wurde, meist mit viel Trauer, weil er anderes erhofft hatte. Als Julius Kniese, sein ehemaliger Assistent in Bayreuth und aggressiver Anti­ semit, immer wieder gegen den Parsifal-Dirigenten polemisiert, schreibt Levi im Herbst 1884 in einem Briefentwurf für Cosima, dass er sich am liebsten zurückziehen wollte. »Meine damals ausgesprochene Prophezeiung, daß – wenn auch der Meister selbst vergessen könne, daß ich Jude bin, die Welt dies niemals kön-

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nen werde – hat sich in vollem Maasse erfüllt. Ich bin und bleibe [unlesbar] In den Augen der Welt – und ich meine damit nicht etwa Uebelwollende sondern gerade die treuesten und ernsthaftesten Anhänger unserer Sache  – [unlesbar] werde ich angesehen, wie ein bis jetzt nothwendiges Uebel, wie eine Flechte auf einem reinen Bilde. Hierüber bin ich mir nie im Unklaren gewesen, […] und es wird nicht eher Ruhe werden, bis nicht die Festspiele von mir erlöst worden sind. Aber wie die Dinge einmal liegen, ist dies – das sehe ich ein, vorerst nicht möglich, und ich werde mir weiter wie bisher Mühe geben müssen, den Juden, wenigstens so lange ich am Pulte sitze, zu vergessen.« Cosima beantwortete derlei verzweifelte Briefe meist mit einem tröstenden Gestus, der zwar dem Erhalt-Interesse dieses vorzüglichen Musikers geschuldet sein könnte, der aber auch kürzer und kälter hätte ausfallen können. Eine ihrer Antworten auf Levis Fluchtgedanken bezieht ihn in ihre Vorstellung der Bayreuther Aufgaben als Religion deutlich ein  : »Ich […] würde einzig mit Ihnen klagen u. trauern, wenn Sie nicht Künstler wären, u. als solcher einer Kunst angehören welche eine Religion ist. Sie bedürfen keiner anderen, u. gerade dass Sie ihr unter so furchtbarer Noth dienen, das stempelt Sie zu ihrem berufensten Diener. […] In Wahrheit, mein Freund, ich begreife es nicht dass das Judenthum Sie im Bewusstsein jemals belasten könne, u. fühlten Sie die Eigenthümlichkeiten desselben noch so stark oder zahlreich in sich, denn Sie haben sich bewährt. […] Sie haben Ihr ganzes Herz unserer Sache dargebracht, u. es mit Macht vollbracht. […] Ich kann nicht anders als heftig das aussprechen was mich einnimmt, namentlich wenn es im Widerspruch mit des Anderen Aeusserung ist, niemals aber birgt diese Heftigkeit eine Verdammung oder gar eine Scheidung in sich. Denn unsere Sache und meine Religion sind eines, u. wer unserer Sache dient theilt meinen Glauben, möge er sich dessen bewusst sein oder nicht.« Cosimas Brief ist in seiner Ambivalenz für die gesamte Behandlung des Judentums Levis symptomatisch. Einerseits reicht Cosima Levi die Hand, indem sie ihn als zu ihrer »Religion«, der Bayreuther Arbeit, zugehörig nennt, andererseits aber negiert sie die vielen sehr klar antisemitischen und verletzenden Signale aus dem Bayreuther Umfeld, indem sie Levi beschreibt als jemanden, der diese Probleme selbst herstelle  – zu grübelig, zu wenig Selbstbewusstsein, zu kompliziert, die Worte auf die Goldwaage legend. Diese scheinbar fürsorglichen Bilder für Levi tauchen immer wieder auf, wenn er sich – sozusagen hilfesuchend – an Cosima wendet. So wird Cosima, die ihn ihr »Sorgenkind« nennt, oft zu der Instanz, bei der er Trost erhofft und über die er gleichzeitig Beschwerde führt. Als Levi nach den Festspielen 1891 wieder

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einmal erwägt, seine Mitarbeit aufzukündigen – »ich bin wund und krank, und sehne mich nach Ruhe. Darum bitte und beschwöre ich Sie  ; entlassen Sie mich der Enge  !  !« –, antwortet Cosima auf das Parsifal-Zitat gereizt und keineswegs verständnisvoll  : »Krank u. wund seien Sie. Mein Gott, wer ist es nicht, u. haben wir nicht gelernt, das Leben als eine Wunde zu empfinden, für welche Tod oder Reue die Heilung bringt.« Bei diesem Briefwechsel, der meist innerhalb weniger Tage erfolgt, egal ob aus Bayreuth, München, Venedig, Luzern, Meran oder Reichenhall, geht es Zug um Zug, mit großer Ausführlichkeit, um einen fortgesetzten Schlagabtausch. Nicht immer kommt dabei überhaupt das Thema des Jüdisch-Seins offen zur Sprache. Es bleibt oft ein verdecktes Kräftemessen, wenn Levi etwa schreibt, »heute, nach 2  Tagen innerer Kämpfe und reiflicher Ueberlegung, bleibt mir kein anderer Ausweg, als Sie inständigst zu bitten, mich aus ihrem Kreise, in welchem ich doch nur immer ein Fremder, als ein Eindringling gelten kann, zu entlassen.« Cosima akzeptiert wieder nicht, und so wird Levi aus Not deutlicher  : »Ich glaube, auch hier ist Alles von einem Punkte aus zu begreifen  : ich bin Jude, und da es in und um Wahnfried zum Dogma geworden ist, daß ein Jude so und so aussieht, so und so denkt und handelt, und daß vor Allem selbstlose Hingabe an eine Sache für einen Juden unmöglich ist, so beurtheilt man Alles was ich thue und sage, von diesem Gesichtspunkte aus und findet deshalb auch in Allem, was ich thue oder sage, etwas Anstößiges oder zum mindesten Fremdartiges.« Levi ist bei diesen Beschreibungen auf verlorenem Posten, weil er Verhaltensweisen und Stimmungen schildert, die objektiv herabsetzend und diskriminierend waren, aus der subjektiven Sicht Cosimas aber die Gegebenheiten nicht angemessen schilderten. Sie entgegnet  : »Was den Juden anbetrifft, so müssten Sie doch wissen, dass dem nicht so ist. Ich habe die besten Freunde unter Juden u. habe auch unter den Mitwirkenden für das nächste Festspieljahr eine Anzahl derselben ohne Bedenken angefordert.« Eine solche Entgegnung vertrug sich keineswegs mit Cosimas übrigen Äußerungen zu »Race«, »Semiten«, »Orientalischem« und so weiter, das meist für etwas von ihr jüdisch Assoziiertes stand. So urteilte sie über Gustav Mahler, er sehe »energisch u. intelligent aus, wie ein Handwerker (das im guten  – besten  – Sinne gesagt versteht sich), was in seinem Stamm mir noch nicht vorkam.« Oder sie fragt bei Levi hinsichtlich einer Sängerin nach  : »Ist Orient im Spiel  ?« Und als Levi sich ironisch dazu äußert, führt Cosima Entlastendes für sich ins Feld  : »Ich frage darüber geradeso, wie ich fragen würde  : Ist sie Französin oder Engländerin  ? Ich habe Jüdinnen von ausserordentlichster Haltung gekannt, ruhig, vornehm, dabei zart u. gefühlvoll, u. ich sehe gar nicht ein, warum sie nicht ebenso blond sein sollen, als Andere im

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Norden Geborene. […] Vielmehr als in der Physiognomie u. in der Erscheinung überhaupt – da so viele Kreuzungen stattgefunden haben – tritt mir das Charakterliche des jüdischen Wesen’s in den Leistungen hervor, u. ich wiederhole, dass ich Das nicht etwa in einem absprechenden Sinn verstehe. […] Bitte, missverstehen Sie mich darin nicht, ich bin sehr ernst bei dieser Frage, u. habe das feste Bewusstsein in ihrer Behandlung von jeder Gehässigkeit u. jeder Unchristlichkeit frei zu sein.« Und so kreuzten sich in den schriftlichen und persönlichen Begegnungen von Cosima und Hermann Levi jeweils zwei sich ausschließende Bedürfnisse, die zwischen Anziehung und Abstoßung changierten und letztlich dazu führten, dass sich eine glücklich-unglückliche Bindung über Jahrzehnte hielt. Cosima schätzte den Musiker Levi, den gebildeten Gesprächspartner, den praktisch erfahrenen Festspielratgeber, und sie behandelte ihn gleichzeitig als »Experten« für die jüdische Frage, immer wieder bei dem jüdischen Mann mit neuen Argumenten um Verständnis heischend für ihre antijüdische Einstellung. Levi verehrte Cosima in geradezu überhöhender, idealisierender Weise und musste doch, je häufiger und inniger er seine Gefolgschaft betonte, umso eher gewärtig sein, dass er die Integration in den Bayreuther Kreis nicht erhielt. In der erfahrenen Zurückweisung handelte es sich meist um Atmosphärisches, das in seiner Diskriminierung schwer einzuklagen war. Seine schwärmerischen Briefe sind manches Mal eine Mischung aus Selbstanklage und Erlösungswunsch, so etwa, er müsse ihr danken, »daß Sie mich überhaupt ertragen haben. Wird es mir doch selbst schwer, mich zu ertragen  !« Oder er schreibt ihr zum Jahreswechsel 1886/87  : »[…] aber immer, wenn ich verwundet oder verzweifelt, oder ›gekränkt‹ am Boden lag, nahte sich mir wieder die Lichtgestalt und zeigte mir die rechte Bahn, hinauf, hinauf. –  !« Er wünsche sich, gerade weil sie häufig so unterschiedlicher Meinung seien, »wahrlich Nichts sehnlicher als dereinst noch einmal mit Ihnen, zu einem gleichen Lebens-Ritus und -Rhythmus zu gelangen  – soweit das bei dem Unterschied des Geschlechts und der Race und der Art des bisherigen Lebensganges denkbar ist.« Es überrascht in diesem Zusammenhang der manches Mal durchaus entspannte Umgang miteinander, etwa, wenn Cosima, noch zu Lebzeiten Wagners, im November 1881 von Palermo aus an Levi eine erstaunlich vertrauliche Selbstauskunft gibt  : »Mir persönlich fällt jedes Neue ausserordentlich schwer, die Gewohnheit ist mir eine geliebte Amme, sie wiegt und schläfert das Sehnen ein, und Gedanken wie Handlungen gestalten sich dann zu freundlichen Träumen. Verlässt sie mich dann wankt und schwankt alles herbei, und etwas wie Angst-

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31  Skizze von Cosima zu Ausstattungsdetails im Wahnfried-Saal, einem Brief an Hermann Levi vom April 1881 beigefügt. Sie bittet den Dirigenten – wie so viele Male – um einen privaten Gefallen, hier um die Besorgung spezieller Stoffe.

gefühl vor Vergangenem und Kommendem, nimmt die Stelle der gewohnten Ruhe ein  ; auch kenne ich keine Neugierde, und solange wie bis ich von Neuem anhänglich geworden bin, erscheint mir das Gefallen am Neuem wie eine Untreue.« Seitdem Cosima Witwe geworden ist, nimmt sie ihr Leben in allen Tätigkeitsbereichen aus dem Gemeinsamen mit Wagner. Und obwohl sie in ihrer Verantwortung für die Festspiele viel Neues erproben muss und erfolgreich praktiziert, hält sie zunächst, wenn sie ihren eigenen Bedürfnissen folgt, am Vertrauten fest – bloß kein neues Terrain  ! Dass sie derartige Überlegungen an Levi schreibt, bedeutet einen hohen Grad an Nähe. So berichtet sie ihm über ihre Zeit, die sie – selten genug – allein in Wahnfried ist  : »Ich verbringe jetzt mit meinen beiden Hunden täglich zwei, drei, ja öfters vier Stunden im Durchstreifen der Felder und Wälder. Eine Einkehr in Bauerngehöfte, um den guten Tieren Milch zu verschaffen, bringt mir, außer dem häußlichen Dienst, oft das einzigste an Menschenstimme. Von überall begrüßt mich das Festspielhaus, dessen Schweigen das Meinige entspricht  !« Sie schreibt an ihn über ihren Alltag und reagiert auf seine Briefe, die fast täglich sich kreuzen. Levi hatte sich ironisch über Lobeshymnen geäußert, die ihm galten. Cosima mahnt ihn, »seien Sie über die Glorie nicht erhaben. Mich, die

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ich garnichts kann, selbst nicht mit einem Auge sehen, freut jedes freundliche Wort.« Es liegt nahe, eine solche Äußerung als Koketterie abzutun, es besteht aber auch die Möglichkeit, diese Selbsteinschätzung ernst zu nehmen. Sie vergleicht die professionelle Anerkennung, die Levi als Musiker und Dirigent erfährt, mit dem, was sie in die Waagschale werfen könnte. Sie ist zwar umfassend gebildet und erzogen, sie leitet inzwischen die Bayreuther Festspiele mit allem, was dazugehört, aber  : eine Profession hat sie nicht – Frauenweise eben. Künstlerinnen gab es zwar, wie die Sängerinnen, mit denen sie nun fast täglich zu tun hatte, oder Pianistinnen wie Clara Schumann, mit der Levi sehr befreundet war, alle dennoch Ausnahmeerscheinungen. Und es gab die Welt der Fabriken, der ungelernten Arbeiterinnen, die sich, wie die Dienstboten, ihren Lebensunterhalt verdienen mussten. Berufe im Umfeld von Cosima hatten nur Männer – Frauenweise bedeutete immer noch  : »Ich, die ich gar nichts kann.« Mit Levi sich zu vergleichen und dies ihm zu schreiben, ist vielleicht nur möglich, weil in ihren Augen Levi ein schwacher Mann, ein jüdisches »Sorgenkind«, keine Gefahr ist. Von Levi lässt sie sich sogar Kritik gefallen. Anlässlich eines Streits um die Möglichkeit, »Bruchstücke« aus Parsifal in einem Konzert zu spielen, lehnt Levi, puristisch wie er ist, das ab. In einem Brief an die »Verehrte Frau Meisterin« beschreibt er ihre heftige Reaktion, indem er sich selbst sagt, »daß solche Ausbrüche Ihrer spontanen Art oft nur von einem vorübergehenden Unmuth hervorgerufen werden, und daß eine kränkende Absicht Ihnen dabei so fern liege, daß Sie – wie ich dies schon mehrfach erfahren habe – oft schon nach kurzer Zeit gar keine Erinnerung mehr haben, weder an den Ausbruch, noch an seinen Anlaß.« Cosima bestätigt dies  : »Was meine Ausbrüche u. mein Vergessen davon anbetrifft, so geben Ihnen meine Kinder Recht, die mich nach dieser Seite, wie es scheint, auch kennen  ! Ich habe Sie aber öfters gebeten mir mein Naturell nachzusehen, für welches ich keinerlei Verehrung empfinde.« Wenn Cosima kränkelt, reagiert Levi. »Auch ich war bei unserem letzten Zusammensein«, schreibt er ihr im Dezember 1887 in einer Randbemerkung, »sehr erschrocken über Ihr Aussehen, über Ihre eiskalte Hand, und am meisten über eine gewisse, Ihnen sonst nicht eigene, nervöse Unruhe ihres Wesen’s.« Oder wenn er sich zu ihrer Augenschwäche äußert  : »Das ist ein Punkt, der mich so weit bringen könnte, Sie zu – zanken  ! Wollen Sie mir nicht versprechen, vorläufig einmal 3 Monate lang, keine Feder anzurühren  ? Das würde mir eine grosse Beruhigung sein  ! Bitte, bitte  !  ! – –« Dieses Bittebitte hat einen unleugbar kindlichen Duktus, in jedem Falle rückt sich Levi selbst mit solchen Schreiben in eine familiäre Nähe zu Cosima, immer wieder auf unterschiedlichste Weise, die seinem Bedürfnis nahekommt, gewissermaßen als Familienmitglied gezählt zu

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werden. Ein gleichberechtigtes Familienmitglied aber wird Levi nie, egal, wie vertraut, sorgend und wie nahe er zur Verfügung stünde. Levi hat selbst mit sehr großen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, die ihn immer wieder nötigen, zu Kuren zu fahren, sich den Verpflichtungen zu entziehen. Er kennt und schätzt den Mediziner Ernst Schweninger, der mit Reformgedanken – keine Ammen  ! Stillen ist gesund  ! – und Polemik gegen die Vivisektion, die auch Wagner ablehnte, von sich reden macht. Levi möchte Cosima dazu bringen, dass sie sich mit diesem Arzt in Verbindung setzt. »Zu meiner großen Betrübniß höre ich von Porges, daß Sie abermals unwohl waren  ! Möchten sie sich doch entschliessen,  – Schweninger zu konsultiren  ! In der letzten Zeit habe ich von Wunderkuren  – zumal an Frauen, gehört. Und gewiß wäre er der Einzige, der mit seiner überzeugenden Art und seiner Energie Ihr etwas schwieriges Naturell (ich meine in Bezug auf Sich-Schonen, An-sich-denken, Vorsichtigsein  !) bezwingen könnte.« Wie gebeten oder ungebeten solche Hinweise für Cosima waren, ist nicht festzustellen. Levi beherrscht hier eine Kunst, in der er Cosima durchaus gewachsen ist und in der sich beide gegenseitig nichts schenken. In die Sorge und das Bekümmern verpackt, gehen Kritik und Kränkungserfahrungen hin und her. Mit positiven Wendungen der Bewunderung oder Fürsorge machen beide sich jeweils ziemlich unangreifbar. Nachdem Levi sich über eine ungerechte Behandlung beschwert hatte, antwortet Cosima versöhnlich, aber distanzierend  : »Nun sagen Sie mir, mein Freund, wie Ihnen zu Muthe ist. Und ob Sie mir auch von Herzen gut sind, grund gut  ? Sie waren sehr kühl, aber ich dachte mir es sei die Folge meines – System’s hätte ich bald gesagt, wenn irgend eine Absicht in meinem Verhalten wäre, u. nicht Alles ganz unwillkürlich wäre, rein aus einer Empfindung entsprungen die lauter Theilnahme u. regster Wunsch für Ihr Wohl ist. Leben Sie wohl, mein theurer, bester Freund. Die Augen geben nicht mehr her. Die Kinder sollen es mir nicht verargen dass ich dem Hauptkinde – das sind ja immer die Sorgenkinder  ! – vorerst  –  –«. Hier endet der Brief an das »Hauptkind«, das »Sorgenkind«, ein Diminuendum, eine Verkleinerung, Infantilisierung, die gleichzeitig Cosimas Position als sorgende »Lichtgestalt«, als Mutter betont. Levi nimmt in seiner Antwort seine Rolle – fast – an  : »Ich küsse Ihnen die Hand, geliebte Meisterin und bin und bleibe in Treue Ihr Ex-Sorgenkind L.« Und immer wieder zieht Cosima zwischendurch eine Distanz zwischen sich und Levi ein, die vermuten lässt, dass sie durchaus widersprüchlich, ambivalent zu ihm stand, dem Freund und Juden. »Ich tauge nicht zum Umgang. […] Wozu ich aber bis an das Lebensende zu taugen hoffe, u. Sie herzlich bitte mich ferner darin etwas gelten zu lassen, das ist die gemeinsame Arbeit. Gott gebe, dass sie

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uns bald wieder beschieden sei, dann finden Sie mich an jedem Tag u. zu jeder Stunde bereit u. unbefangen, herzlich, heiter u. – dankbar.« Der antisemitische Gegenwind allerdings, sowohl durch Cosima als auch durch Kollegen, hörte nie auf. Hans von Bülow zum Beispiel sprach abfällig über Levi und seine »Verbaireitknechtung«, die Bayreuth-Verknechtung, die »bei einem Juden doppelt odios« sei. Julius Kniese, vormaliger musikalischer Assistent und ab 1888 bis zu seinem Tod Chordirektor der Festspiele, polemisierte, wann immer er die Gelegenheit dazu bekam, gegen das Dirigat des Parsifal durch den Juden Levi. In einem Brief an seine Frau schrieb er im Festspielsommer 1883, Levi spiele im Haus Wahnfried »den Begeisterten, Opfermütigen, ist sentimental, heult ab und zu … um die Mädel [Cosimas Töchter] … für seine persönlichen Interessen einzugarnen.« Auch Richard Strauss, damals noch musikalischer Assistent bei den Festspielen, spottete darüber, dass Levi immer wieder zum Parsifal-Dirigat gebeten wurde. »Also nie mehr soll der arme ›Parsifal‹ aus jüdischer Folterkammer entlassen werden, warum muß das arme Werk Levis ›Verdienste‹ büßen  ?« Allein Felix Weingartner aus dem Kollegenumfeld sah die antisemitischen Spitzen, denen Levi oben am Grünen Hügel und unten in Wahnfried ausgesetzt war, und spricht diesen darauf an, zu duldsam und unterwürfig zu sein. Darauf habe Levi geantwortet  : »Du hast es freilich leicht in diesem Hause, du – Arier  !« Er bestätigt damit, dass er den Feindseligkeiten nicht wirklich begegnen kann. Dennoch kam es nicht dazu, dass er sich, wie früh von Wagner und indirekt immer wieder von Cosima nahegelegt, christlich taufen ließ. Seinem zum Katholizismus konvertierten Bruder Wilhelm Lindeck schrieb er nach den Festspielen 1882 als Dreizeiler  : »In den Zeitungen steht, daß ich getauft sei. Dummes Zeug. Und daß ich mit Daniela v. Bülow verlobt sei. Dümmstes Zeug. Alle Zeitungen sind Schweinebande.« Und so sind etliche Briefe an Cosima Beschreibungen seiner Versuche, das Jüdischsein von sich wegzudenken, ohne sich in eine christlich-religiöse Gemeinschaft begeben zu müssen. Er erinnert Cosima an den gemeinsam geschätzten Goethe, »weßhalb ich mich gerne wieder durch ein Citat aus Wahrheit und Dichtung mit Ihnen vereinige  : Daß beim Glauben Alles darauf ankommt, daß man glaubt, nicht was man glaubt.« Das sieht Cosima kritischer und missionarischer im Hinblick auf Levis nicht zustande kommende Taufe. Levi versucht, derlei Ansinnen einerseits zu benennen, aber gleichzeitig um Verständnis für sich zu bitten, zeigt sich wach für die Einschränkungen, denen nicht nur er allein sich ausgesetzt sieht. »Wie weit entfernt liegt in diesem Augenblicke Alles,

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womit ich sonst mich und Andere quälte, wie armselig erscheinen mir die von thörichten oder hochmüthigen Menschen aufgestellten Begriffe von Bekenntniß, Kirche, Race, wie klar und innig bewusst ist mir gegenüber allem diesem Trennenden die Alles vereinigende Liebe«, schreibt er in einem Weihnachts- und Geburtstagsbrief an Cosima, mit dem einnehmenden frommen Zusatz »als deren erhabenste Bethätigung wir heute die Geburt des Heilandes feiern  !« Cosimas häufig einlenkende Diktion, die Levi Trost geben sollte, konnte aber genauso in ihr Gegenteil umschlagen. Levi hatte ihr gegen Ende eines Aufenthalts in Florenz im Mai 1898 eine erstaunliche Besinnung auf das Deutschtum geschrieben  : »Auch von einer heimlich noch immer spukenden Neigung zum Katholizismus kann man hier gründlich kuriert werden  : mit der romanisch-semitischen Race, deren Product und Ausdruck der Katholizismus ist, ist es aus für immer, und nur ein kräftiges Besinnen auf die Frage  : ›was ist deutsch  ?‹ kann künftig der Leitstern der Völker und Individuen sein.« Cosima bezieht sich in ihrem Antwortbrief nicht auf Wagners gleichlautenden Aufsatz, sondern holt erst einmal zu einem jüdischen Schreckensbild aus  : »Aber die Semiten haben noch lange nicht ausgespielt. Ich glaube fast, dass das rechnende Raubthier sich selbst ein Mal vis a vis stehen wird, nachdem es Alles aufgezehrt hat  ! Was dann wird, weiss Gott, ich glaube, es zerfrisst sich auch, u. die Geschichte beginnt von Neuem, so Gott will ohne Geschichte. Einstweilen können wir allerdings nicht Anderes thun, als Alles zu kräftigen, was uns als deutsch erscheint.« Welch eine komplizierte Gemengelage  ! Levi wird gewissermaßen von Cosima aufgefordert, in die Schilderung des jüdischen »Raubthiers« einzustimmen, angereichert mit der klischierenden Zuschreibung des rechnenden, begüterten Juden. Der erst die Welt und dann sich zerstören wird. Eine aggressive und nicht nur dem Freund gegenüber abstoßende Vision, die die Beigaben des Verschlingens und der Zerstörung einsetzt. Soll Levi nicken, soll er sich empören, soll er gehen  ? Zu all dem ist er nicht in der Lage. Er, so scheinen die Briefe Auskunft zu geben, erträgt bis zur nächsten Depression, gibt höfliche Korrekturvorschläge, die übergangen werden, und stellt letztlich die Zuneigung gegenüber dem Hause Wagner und die geliebte Arbeit der Wagner-Dirigate über seine persönliche Grenze. Insbesondere, wenn Levi immer wieder wegen einer »hochgradigen Nervenund Gemüths-Depression« Urlaub nehmen muss, oder wenn er schreibt, »daß ich in den letzten Tagen kaum zurechnungsfähig war, zu Hause blieb (von einem kleinen Unwohlsein begünstigt)«, wird Cosima sich in vergangene Zeiten versetzt gefühlt haben. Schon in der Ehe mit Hans von Bülow waren es eben diese komplizierten, nervösen, körperlich unklaren, die Männer niederschmetternden

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Zustände, die Cosima nur zu genau kannte. Ihr sympathisierendes Interesse an Bülow erwachte damals in Berlin, als er, von Migräne und Übelkeit gebeutelt, ein Konzert abbrechen musste, wofür er ausgezischt wurde, und sie ihn anschließend tröstete. Die Jahrzehnte der schwierigen Beziehung zwischen Levi und Cosima sind durchzogen von Zusammenbrüchen Levis, für die sie ihn teilweise schilt, er solle sich zusammenreißen, teilweise aufbauend ermutigt. So schreibt sie vor einer Kur, die er antreten wird  : »Nun gehen Sie in die Un-Certosa, in die Un-Gewissheit. Wo Sie aber sind, sind Sie mir der dienende Bruder unserer Sache – daran kann man nichts ändern – und als dienende Schwester entsende ich Ihnen meinen Gruss.« Ein solidarischer, aber auch disziplinierender Gruß, der Levi neuerlich in die Arbeitsgemeinde einbezieht. Nach dieser Kur schreibt er dankbar, dass es ihm nun endlich gelungen sei, »den Fluch meiner Geburt zu beenden und das Zwiespältige, Disharmonische meines Wesens zu lösen.« Cosima ist einerseits die Frau des »Meisters«, sie ist persönlich offenbar ein faszinierender Charakter für Levi, und – sie ist in Bayreuth seine Chefin, seine Vorgesetzte. So berichtet er brav nach Krankheitsphasen, dass er wieder genesen sei, dass er sich auf die kommenden Festspiele und das Parsifal-Dirigat freue. In seine persönliche Beziehung zu Cosima mischt sich so immer der Druck, unter dem Damoklesschwert seines Jüdisch-Seins die von beiden Seiten gewünschte Leistung zu erbringen. Das Schillernde, Wechselnde dieser Beziehung zwischen Cosima und Levi zeigte sich auch an der je veränderten Hierarchie, je nachdem, was gerade Gegenstand der Gemeinsamkeit war. Levis Kompetenz als Musiker und langjähriger Dirigent am Münchner Hoftheater stand für Cosima außer Frage. Sie bat jedes Mal neu um das Parsifal-Dirigat und sie stützte sich auf ihn in vielerlei Hinsicht bei den Vorbereitungen und künstlerischen Entscheidungen, nachdem sie als Festspielleiterin tätig wurde. Weiterhin war Levi durch seine erfolgreichen Kontakte zu möglichen Geldgebern für die Festspiele bei Cosima sehr geschätzt. Zu einer anderen Vertrautheit miteinander führte die Tatsache, dass Cosima in vielerlei privaten Situationen die Dienste Levis einforderte und Levi diese Aufträge mit größter Sorgfalt und Genauigkeit ausführte  – wie freiwillig, ist kaum einzuschätzen. Diese Art der Korrespondenz begann bereits zu Wagners Lebzeiten, zum Beispiel wenn Cosima gewissermaßen ordert, was vorbereitet sein sollte, wenn die Familie auf dem Weg von Venedig nach Bayreuth in München, der Stadt Levis, Station im Bellevue machen soll  : »Nun aber das Hôtel wir kommen acht Mann hoch (keine Dienerschaft, denn wir schicken sie zur Anordnung der Dinge nach Bayreuth) und wünschen drei Schlafstuben mit je zwei Betten, eine mit einem Bette und einem Salon  ; dazu ein Schlafkämmerchen für

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32  Karikatur aus dem Kladderadatsch von 1904  : »Cosimama. Die Gralshüterin«. Um das exklusive Aufführungsrecht für Parsifal bei den Bayreuther Festspielen wird sie jedoch vergeblich kämpfen.

Siegfried. Wir speisen bei uns und zwar zu Mittag 1° Suppe, 2° Braten, 3° Zuspeise, 4° Käse, 5° Dessert, und abends kaltes Fleisch mit Thee –«. Levi zeigte sich von diesen Aufträgen zumindest Cosima gegenüber nicht gekränkt. Er äußerte nicht, dass er als Erster Hofkapellmeister an der Münchner Oper, später dann als deren Generalmusikdirektor, als gefragter Musiker mit vielen Außenterminen sowie einem reichen kulturellen Leben für solche Ansinnen keine Zeit habe. Er verstand diese Anfragen vielleicht auch als das, was ein Effekt dieser Bitten Cosimas war  : als eine praktische persönliche Nähe. Als Cosima sich in München von Franz von Lenbach malen lassen möchte, bittet sie Levi, mit dem Maler, den er gut kennt, zu klären, »ob er am 22ten Abends mich noch bei sich im Atelier zu einer Sitzung empfangen würde. […] wenn es L[enbach] recht wäre, möchte ich gern in weissem Atlas gemalt werden, und der Stoff nimmt sich besser Abends aus, der zweite Grund ist die Zeit-Ersparniss. […] Bitte, fragen Sie ihn auch, ob ich die verschiedenartigen Kleidungen welche ich mitbringe, für den Fall dass er mich nicht gern weiss hätte, an ihn adressieren könnte  ? Und schliesslich wie lange er meine Anwesenheit brauchen wird – dieser letzte Punkt, ist leider ein sehr wesentlicher. Ich würde den ganzen Tag, wie Marmor sitzen, aber, sitzen und schaffen sind zweierlei  !« Für eine derart detail-

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lierte Einbeziehung in »Frauenthemen« wie ihre Garderobe nimmt Cosima Levi eher wie einen weiblichen Dienstboten in Anspruch, wenn auch begründet mit Levis möglicher Vertrautheit mit Lenbach. Ähnlich energisch und eindeutig bestellt Cosima Tapeten, Möbelstücke und Geschenke. Ihre Besuche in München sind oft durchgeplant mit stündlich wechselnden Gesprächspartnern, die Levi jeweils benachrichtigt und organisiert. Zu Wagners Geburtstag am 22. Mai 1882, der sein letzter sein sollte, bestellt Cosima bei Levi ihr Hauptgeschenk, einen umgearbeiteten Taktstock. Wie der Dirigent es empfunden haben mag, für einen anderen dieses professionelle und doch sehr persönliche Stück zu organisieren, weiß man nicht. Cosima hatte jedenfalls sehr genaue Vorstellungen  : »Also das ›Schlagende‹ von mattem Silber sehr weiss, der Griff von Ebenholz, an des Griffes Spitze eine ächte orientalische Perle sehr fest in Silber gefasst  ; die Einfassungen in schwarzem Silber sollen eine artige Zeichnung haben  ; wer übernimmt diess  ? […] Zu diesem höchst einfachen Objekt möchte ich ein Kästchen von weissem Elfenbein mit einem Email-Palmenzweige in der Mitte worin das Wort Symphonie sich schlängelte. Diess müsste hübsch sein  ! Und alles zum 15ten  Mai  ! Geht das  ?« Immerhin dankt Cosima im Voraus und ergänzt  : »Sein Sie nicht ungehalten über die Zumuthung.« Mit solchen gesellschaftlichen »Zumuthungen« hatte Cosima weiland in Tribschen auch Friedrich Nietzsche Freundschaftsdienste ähnlicher Art abgeschmeichelt, um nicht zu sagen unwiderleglich befohlen. Levi erfüllte Dutzende solcher Bitten und Aufträge, beantwortete sie mit Detail-Nachfragen oder gut gelaunten Bestätigungen. Dass er dies klaglos tat und dass Cosima wagte, diese Ebene einer ungleichen Freundschaft immer wieder neu einzuziehen, zeigt die Abhängigkeit, das Nähebedürfnis, letztlich die Wehrlosigkeit Levis. Und das blieb nicht privat. Der Kollege Felix Weingartner, Levi wohlgesonnen und sensibel für die Mechanismen von dessen Herabsetzung, schrieb über ihn  : »Levi war von unbegreiflicher Duldsamkeit. Er verlor jeden Halt gegenüber der Familie seines Meisters. Wohl fühlte er heraus, daß man ihn gern entfernt hätte, was man ohne äußern Anlaß noch nicht wagte, fürchtete aber, durch die kleinste Entzweiung diesen Anlaß herbeizuführen. Nicht nur für seinen Ruf, sondern auch für sein seelisches Leben mußte er sich Bayreuth erhalten, an dem er mit jeder Faser seines Daseins hing. ›Dirigiere ich nicht mehr hier, so lebe ich auch nicht weiter‹, sagte er einmal zu mir im Tone dumpfer Verzweiflung. So duldete er denn und duldete in einer Weise, die sich oft mit der Würde des Mannes und Künstlers nicht vertrug.« Zwischen Levi und Cosima aber blieb über Jahrzehnte dieser Wechsel vorhanden von Zuneigung, Irritation, Vorwürfen, Vergebung, Werbung, Nähe und

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Distanzierung. Cosima gestattete Levi trotz dessen vielmaliger und dringlicher Bitten niemals, sich zurückzuziehen, und Levi ließ sich jeweils bei seinen Rücktrittsgesuchen immer eine Möglichkeit offen, doch zu bleiben, weil er keinesfalls Schaden für Bayreuth stiften wolle. So kam es dann auch immer. Levis Mitwirkung in Bayreuth endete erst mit seiner schwindenden Gesundheit, nie aus eigener Trennungsaktivität. Cosima bot als Bindeglied zwischen ihnen beiden jeweils die gemeinsame Sache, die Kunst, die gleichsam religiöse Identifikation mit dem Werk Wagners an. Als »Priorin« des Klosters Bayreuth ließ sie sich gern ansprechen  : »Wohl sind wir Wenige für das Kloster  ! Das Festhaus betrachte ich als unser Kloster, nicht kann ich es anders fassen, wozu wohl viele gerufen, wenige aber erwählt sind.« Einerseits gehörte Levi als leidenschaftlicher Wagnerianer und Mittragender der Festspiele logischerweise in dieses »Kloster«, gleichzeitig wurde er aber durch die religiöse Konnotation, die besonders eng in Assoziation zum christlichen Parsifal gerückt wurde, immer wieder neu in Distanz gehalten. Levi teilte nach vielen schriftlichen Zeugnissen die religiöse Bindung an Wagners Musik, nicht an das Christentum. Ob zu einem früheren Zeitpunkt die christliche Taufe die Reserviertheit Cosimas aufgelöst hätte, ist sehr in Frage zu stellen. Als Levi im Jahre 1896, vier Jahre vor seinem Tod, beider langjährige Freundin Mary Fiedler heiratet, berichtet er Cosima, sie hätten sich erst nach langer Überlegung gegen eine kirchliche Trauung entschieden. »Aber schliesslich kam es uns – ehrlicher vor, zu verzichten, und ich hoffe, Sie stimmen uns bei. Uebrigens bin ich nun auch formell aus dem Judenthum ausgetreten, von dem ich innerlich von je mich getrennt fühlte.« Cosimas Antwort zeigt, und das mag für Levi vielleicht das Bitterste gewesen sein, dass sie diesen Schritt nicht für wesentlich hält  : »Sie haben also den alten Bund verlassen  ? Da Sie nicht mit ihm zusammen hingen haben Sie gewiss Recht gethan  ! Ueber den anderen Schritt zu sprechen, ist Vermessenheit. Mein Vater erwiederte einer Freundin, die gerne vom Protestantismus zu seinem Bekenntnisse übertreten wollte  : ›pour le catholicisme il faut des souvenirs d’enfance‹ [für den Katholizismus braucht es Erinnerungen aus der Kindheit]. Das Wort ist sehr einfach, enthält meines Bedünkens aber viel. Nicht möchte ich der Wunderkraft unserer Offenbarung engherzige Beschränkung beilegen. Allein – unser Dasein ist kein Christliches, u. wer das Christentum nicht überkommen hat, begeht mit dem Uebertritt eine Handlung, die so schwerwiegend ist, dass ich nicht weiss, ob Sie im Alter, u. gerade mit dem Eintritt in eine ruhigere u. behaglichere Existenz möglich ist.« Will heißen  : Zu spät, mein Freund  ! Für dich gibt es das Richtige nicht, weil du im Falschen geboren bist.

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Die jahrzehntelange Beziehung zwischen Cosima Wagner und Levi blieb also bis zum Schluss ambivalent. Sie hielt zu ihm als Dirigent des Parsifal, schrieb ihm Hunderte von Briefen mit teilweise sehr persönlichen, vertrauensvollen Mitteilungen, nutzte seine fast bedingungslose Verehrung für sie zu vielen Freundschaftsdiensten und quälte ihn mit einer Mischung aus herzlicher Zuwendung und immer neu und für ihn unerwartet auftretender Ablehnung. Levi starb am 13. Mai 1900 nach langer Krankheit.

32. Festspielleiterin – die Transformation

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it Cosima ging durch den Tod Wagners eine deutliche Veränderung vor sich. Sie nimmt sich, was sie retten möchte. Sie springt. Sie transformiert sich von der einen selbstgewählten Rolle in die neue, die sie für sich als Auftrag Wagners begreift und nun mit ihren Kräften, Talenten, ihrem Wissen und ihrer Lebenserfahrung ausfüllen möchte. Seit im Jahre 1727 die Neuberin, die Schauspielerin und Theaterleiterin Friederike Caroline Neuber, die Neuber’schen Komödiantengesellschaften gründete und dafür das sächsische Hofprivileg erhielt, eine hochgelobte Ausnahme-Frau, seit etwa 150 Jahren also griff hier eine Frau wieder nach diesem absoluten Männerterrain, indem Cosima sich vornahm, die Leitung der Bayreuther Festspiele wahrzunehmen. Dabei wartete ein ganzes Imperium auf sie, eine Vielfalt der Aufgaben, aber auch ein noch wenig geordnetes und etabliertes Ganzes. Nur zwei Werke waren zu Wagners Lebzeiten im Festspielhaus aufgeführt worden, der vierteilige Ring des Nibelungen und Parsifal. Das war Bayreuths inszenatorisches Erbe. Alle anderen Werke mussten erst noch für diese exklusive Wagner-Bühne wachgeküsst werden. Und Cosima wird dafür sorgen, dass es geschieht.

Was bringt sie mit  ? Sie bringt mit eine solide pianistische Ausbildung, eine jahrelange Beschäftigung mit Wagners Partituren und die Erfahrung unzähliger Gespräche mit Wagner über seine Auffassung und Vorstellung der Bühnenfiguren. Sie ist versierte Theater-, Konzert- und Operngängerin, sie hat ein genaues musikalisches Ohr – und ist ein Musikerkind. Sie hat als junge Frau zunächst mit einem der wichtigsten Dirigenten der deutschen Szene gelebt, danach mit einem der wichtigsten Komponisten der Musikwelt überhaupt. Sie hat verhandelt über Aufführungsrechte, Tantiemen und Künstlerverträge, ist oft genug die Geldbeschafferin oder Geldretterin von Wagners Haushalt und seiner künstlerischen Pläne gewesen. Die heutige Ausbildung zum Intendanten bietet kaum mehr. Vieles von all diesen Erfahrungen wird ihr unbedingt nützlich sein, wenn sie nun die Fortführung der Festspiele verantwortlich wahrnehmen möchte. Sie wird zunächst einmal nur den Parsifal aufführen lassen, immer so nah wie möglich an der Form, die Wagner erarbeitet hatte. Danach wird sie die Bayreuther Erstaufführungen von Tristan und Isolde (1886), Die Meistersinger von Nürnberg (1888), Tannhäuser (1891), Lohengrin (1894) und dem Fliegenden Holländer (1901) sowie eine Neuproduktion des gesamten Ring des Nibelungen (1896) inszenieren.

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Was bringt sie nicht mit  ? Eine Ausbildung als Regisseurin. Eine solche Ausbildung existierte zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal für Männer. Der Beruf des Regisseurs – an Regisseurinnen dachte ohnehin niemand – war noch nicht professionalisiert, es gab auch für Männer keinen Kanon an Kompetenzen, der durch einen Ausbildungsgang institutionalisiert gewesen wäre. Wagner hatte inszeniert, war der Spielleiter gewesen, so gut er konnte. Zur Arbeit am Uraufführungs-Ring und speziell dem ersten Bayreuther Rheingold schreibt Oswald Georg Bauer in seiner zweibändigen Festspielgeschichte  : »In dieser Szene mit den Göttern und Riesen hatte Wagner erstmals zu führen. Er machte alles vor  : ›War er ein Gott, dann reckte sich seine kleine Gestalt und schien wahrhaft vor uns zu wachsen‹, war er Mime, ›so krümmte er sich zusammen, schleifte über den Boden, sang mit krächzender Stimme und hatte einen tückischen Blick‹, berichtet ein Assistent. Aber es zeigte sich wieder, wie schon bei den Zimmerproben in Wahnfried, dass er in der Personenführung keinerlei Erfahrungen oder handwerkliche Kenntnisse und keine Systematik besaß.« Der Ballettmeister und so bezeichnete Hilfsregisseur Richard Fricke notierte in seinem Probentagebuch  : »Es ist schwer mit Wagner zu arbeiten, weil er nicht lange Stich hält. Er springt von einem zu andern, ist nicht lange festzuhalten bei einer Sache, welche alsbald ihre Erledigung finden könnte. Er will sein eigner Regisseur sein, aber für diese Kleinarbeit fehlt ihm so zu sagen alles, da sein stets auf das große Ganze gerichteter Sinn ihn die Einzelheiten wieder aus den Augen verlieren läßt.« Wagner machte es also, so gut er konnte. Als »Regisseur« galt den meisten eher die Person eines Spielleiters, der Auftritte und Abgänge festlegt, Körperhaltungen mit den Sängerinnen und Sängern bespricht, die Chöre positioniert, aber nicht für wichtig genug erschien, um auf dem Programmzettel genannt zu werden. Als Cosima sich entscheidet, die Leitung der Bayreuther Festspiele zu übernehmen, tut sie dies einerseits in dem Verständnis, Platzhalterin für Sohn Siegfried zu sein, ein Junge von vierzehn Jahren. Andererseits ist sie selbstbewusst genug, den Anspruch auf die Festspiele auszusprechen, und es gibt niemanden, der sich ihr qua Position oder Gruppenvotum von Mitarbeitern in den Weg stellen könnte. Allerdings sind die unterschiedlichen Erwartungen an sie abenteuerlich. Sie soll am besten sein wie der »Meister« persönlich, aber natürlich kann ihn niemand ersetzen. Sie steht für die mentale Nähe zu Wagner, soll sich aber bloß nicht einbilden, seine Verehrung für sich gelten zu lassen. Sie soll sich durchsetzen, aber keinesfalls männliche Allüren, die als Anmaßung angesehen werden, annehmen. Sie soll sich mit den Musikern, Sängerinnen und Sängern keinesfalls streiten, aber bitte dafür sorgen, dass die Aufführungen tatsächlich zustande

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33  Festspiel-Souvenir mit Cosima als »Hüterin des heiligen Grals«.

kommen. Sie soll das Deutschtum wahren, für das die Bayreuther Festspiele stehen, aber nicht konservativ sein, sondern in eine neue Zeit führen. Und vor allem  : Sie soll keine Fehler machen. Für Cosima selbst ist die Entscheidung ein Sprung ins kalte Wasser. Sie kann nicht wissen, was werden wird, sie kann nicht wissen, dass sie diese Position bis Anfang des 20. Jahrhunderts haben und ausbauen wird. Sie, die überlegt, wegen schlechter Finanzlage ihren eigenen Erbteil den Festspielen zur Verfügung zu stellen, kann auch nicht wissen, dass sie später, wenn sich endlich der pekuniäre Erfolg der Festspiele einstellt, zu einer der reichsten Frauen Europas wird. Und sie weiß nicht, wie sie mit all diesen Männern und deren komplizierten, sich durchdringenden Aufgabengebieten wird umgehen können. Das Echo auf ihre Entscheidung polarisiert. Es gibt aus dem engeren Umfeld begeisterte Zustimmung, wie die des damaligen Parsifal-Assistenten Engelbert Humperdinck  : »Es gehört unstreitig zu den wunderbarsten Fügungen der Geschichte, daß eine Frau es war, die kraft ihrer Begeisterung, ihrer hervorragenden Anlagen, ihres künstlerischen Feingefühls und nicht zuletzt der Vornehmheit ihrer Gesinnung, des Erbteiles ihres Vaters, die schwersten Hindernisse siegreich überwand und eine Blütezeit der Festspiele herbeiführte […].« Und auch

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der erste Biograf Cosimas, Richard Graf Du Moulin Eckart, sah den Übergang nach Wagners Tod zu einem guten Ende gekommen  : »[…] dem Werke drohte der Verfall. Es ist etwas Eigentümliches, wie im deutschen Theaterwesen die Macht der Schmiere sich regt […]. Aber da trat die hohe Frau dazwischen, die, nachdem sie sich entschlossen, zu leben, alle Kraft daran setzte das Erbe des Gatten zu wahren und sein Werk zu vollenden. Nun begann jene wunderbare Periode der Bayreuther Festspiele, denen Frau Cosima in allem ihren Stempel aufgedrückt hat. Sie war es, die mit klarem Blick sich ihre Helfer wählte und jene erkannte, die ihre Getreuesten waren. Und so stand ihr, die künstlerische Hilfe weit überragend, Adolf Groß zur Seite und er war es, der nun half, dem Werke die sichere Basis zu geben und damit der einzigen Frau ihre großen Absichten zu erfüllen. […] Und jetzt ahnte die Welt, was Bayreuth war und was es nicht bloß für Deutschland, sondern für die Weltkultur bedeutete.« Selbst der Kostümbildner Emil Doepler schätzte Cosima als eine Frau, »die in ihrer Kunst- und Lebensanschauung den Esprit und das lebendige Erfassen der Französin mit dem gründlicheren deutschen Wesen sehr geschickt zu vereinen wusste.« Doepler kritisierte aber durchaus die Einschätzungen Cosimas, mit denen sie sich nach seiner Ansicht schon bei den Kostümproben 1876 zu sehr in Inszenierungsfragen eingemischt und für Siegfrieds Schwert Nothung kein germanisches, sondern ein merowingisches vorgeschlagen hatte  : »Für ihn, den Experten, war Cosimas Entdeckung ›eine nicht geringe Anmassung und weibliche Überhebung‹«. Es reicht nicht, eine Überhebung  – aus Sicht des Kritikers  – zu beklagen, es muss eine »weibliche« Überhebung sein, die bedeutet, dass es sich offensichtlich um eine Verletzung des weiblichen Rollenbildes handelt. Nie würde in einem Kostümstreit mit einem Kollegen eine »männliche Überhebung« von den Zeitgenossen beklagt worden sein. Neben jeder verehrenden Zustimmung also, die hinter Cosima auch Wagners und Liszts Schatten gesehen haben mag und ihre neue Funktion als Festspielleiterin akzeptierte, gab es reichlich Misstrauen, Verachtung und Herabsetzung. Cosima als »schwarze Witwe« erfuhr insbesondere unter dem Aspekt ihrer späteren Entwicklung hin zum völkischen Gedankengut als Person und auch als Festspielleiterin in der Öffentlichkeit überwiegend Ablehnung. Einen bekannten Namen hat sich bei der Verurteilung Cosimas ein Zeitgenosse gemacht, der, zwischenzeitlich als musikalischer Assistent in Bayreuth tätig, die Polemik liebte und viel Beifall für seine Abrechnung mit Cosima erhielt  : der Dirigent, Komponist, Pianist und unter anderem kurzzeitig Wiener Operndirektor Felix Weingartner, Edler von Münzberg. Der Österreicher war aus adeligem Hause und als junger Mann ein später Schüler Liszts. Er veröffentlichte seine Einschätzung

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der Arbeitserfahrung in Bayreuth, die sich, mit dem Vorteil der Nähe versehen, großer Aufmerksamkeit erfreute. So berichtet er von der Regie Cosimas bei den Tristan-Proben des Jahres 1886, in der Cosima Änderungen der Arbeit des »verewigten Meisters« vorzunehmen wagte  : »Sie wollte zunächst große Bewegungen der Darsteller überhaupt vermieden wissen. Die elementaren Ausbrüche der Leidenschaft, an denen ›Tristan‹ so reich ist, sollten nur durch kleine Gebärden ausgedrückt, beinahe angedeutet werden. Auf unseren Bühnen werden allerdings vielfach zu große und, vor allem mit den Armen, überflüssige Bewegungen gemacht. Frau Wagner aber ging im Bestreben, den Darstellern diese Theatermanieren abzugewöhnen, viel zu weit […].« Diese und andere Beobachtungen spitzen sich bei Weingartner zu einer generellen Ablehnung Cosimas zu  : »Frau Wagners musikalische Bildung ist äußerst mäßig  ; ihre faszinierende Persönlichkeit jedoch und ihr scharfer Verstand befähigen sie, schwungvoll und gewandt über die Tonkunst und ihre Meister zu sprechen und dem Laien eine große Meinung von Fähigkeiten beizubringen, deren Lücken der Musiker sofort durchschaut.« Cosima hätte »die Grenzen ihrer Begabung« erkennen müssen  : »Ich hege die größte Hochachtung vor Frau Wagners Mut und Arbeitskraft, ich bewundere ihren Geist und ihre Umgangsformen. Als einzig berechtigte Leiterin der Bayreuther Festspiele, als Hüterin des Erbes ihres großen Gatten kann und werde ich sie, soweit es das Künstlerische betrifft, nicht anerkennen.« Weingartner wandelt diese Kritik in Gebote. Die ersten zwei lauten  : »1. Was vom Hause Wahnfried kommt, hat dir als unfehlbar zu gelten. 2. Wenn du auch gelegentlich anderer Meinung sein solltest, so darfst du diese Meinung doch nie aussprechen.« Ja, es sei »der den Dilettantismus kennzeichnende Gegensatz zwischen Gewolltem und Gewirktem nur zu oft fühlbar« geworden. Hier taucht der häufig beschworene Gegensatz besonders klar auf, der von jeher gegen künstlerisch tätige Frauen vorgetragen wurde  : Männer arbeiten professionell, profund, glaubwürdig, fähig  ; Frauen dilettieren, oberflächlich, unglaubwürdig, unfähig. Komponistinnen, Malerinnen, Bildhauerinnen, gern auch Regisseurinnen, an die Ende des 19. Jahrhunderts kaum noch zu denken war, waren diesem herabsetzenden Blick unwidersprochen ausgesetzt, ein soziales und künstlerisches Fallbeil. Der Verachtung ihrer Arbeiten war kaum beizukommen, war doch der Zugang zu Akademien und Universitäten den Frauen noch strikt verboten. Hinzu kam und kommt zum Teil immer noch, dass Männer, wenn sie unbekannte Bereiche ausprobieren, in denen sie nicht »gebildet« sind, als mutig und experimentierfreudig gelten – die Eroberer der Welt  ! –, während Frauen in ähnlicher Situation als anmaßend und von vornherein inkompetent angeschaut werden. Wer denkt die denn, wer sie ist  ?

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Im Bereich der Opernregie war Cosima solitär, einsam auf weiter Flur. Und hatte das, was sie einbrachte, gegen Vorurteile schwer zu verteidigen. Es waren aber – bis heute – nicht in erster Linie handwerkliche Fragen, die Anlass für Polemik zu geben schienen, sondern auch in hohem Maße Geschmacksfragen. So vertrat Cosima, indem sie von den Sängerinnen und Sängern sehr kleine und fast minimalistische Gesten verlangte, einen Anspruch, der sich später voll durchsetzte und die ausholenden dramatischen Bewegungen veralten ließ. Cosima war damit auch beeinflusst von den Strömungen des entstehenden Ausdruckstanzes, der »natürliche« Bewegungen bevorzugte. Diese »progressive« Seite ihrer Auffassungen hinderte sie nicht, in anderen Entscheidungen streng auf den von Wagner erarbeiteten Formen zu beharren und damit, lange beibehalten, als hoffnungslos altmodisch zu erscheinen. Weingartners angriffslustige Unzufriedenheit mit Cosima bezog sich noch auf zwei weitere Bereiche, die ihn aus heutiger Sicht weniger fortschrittlich denn eher nationalistisch und chauvinistisch erscheinen lassen. Weingartner lobt »unsere große, reiche, herrliche deutsche Sprache. Sie rein und klar zu erhalten ist eine hohe Pflicht aller, die an führenden Stellen stehen, sei es im politischen, sei es im geistigen Leben.« Cosima hingegen habe die Internationalität des Publikums vorangetrieben sowie ausländische Solisten engagiert, womit sie die akzentgetönte Aussprache auf der Bühne hinnahm. »Im deutschesten Festspielhaus nahm man aber einen ›Lohengrin‹, in dem unsere Sprache und unser Empfinden vergewaltigt wurden, nicht nur ruhig hin, sondern fand auch, daß die Mitwirkung der Fremden den Vorstellungen ›erhöhtes Interesse‹ verleihe.« Weingartners Schlussfolgerung  : »Ist sie uns erst verdorben, […] so sind wir es auch, denn die Sprache ist ein beträchtliches Stück unseres Wesens. Dagegen hat Frau Wagner schwer gesündigt. Aber sie ist keine Deutsche und hat keinen Sinn für deutsche Art.« Die dilettierende Französin brachte es für Weingartner im Festspieljahr 1896 immerhin fertig, dass »der dekorative und technische Teil der Aufführungen meistens gut gelungen« war  : »Wer gesehen hat, wie entzückend graziös, frei und ohne jeden sichtbaren Halt die Rheintöchter hier schwammen, wie blitzschnell sie im Einvernehmen mit der Musik auf- und niedertauchten, sich vereinigten und auseinanderschossen, der kann an die rumpelnden Schwimmwagen, die früher in Gebrauch waren, gar nicht mehr denken.« Und an allen vier Ring-Abenden habe er die »am Himmel dahinziehenden Wolken und Nebel aller Art noch niemals so wahr und doch so künstlerisch schön dargestellt gesehen wie in diesem Jahre in Bayreuth.« Der Einsatz der Wolkentechnik sei in Bezug auf die Handlung »mit höchster Diskretion und Feinsinn ausgeführt«, was beim Schluss

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der Walküre »von ergreifender Wirkung« gewesen und auch in der zweiten Szene des 3.  Akts Siegfried »große Momente« geliefert habe. Aber leider fiel in der Götterdämmerung »die tiefblaue Farbe des Wassers auf. Das war der Comer See bei Bellagio, nicht aber der Rhein.« So kommt zu den Abträglichkeiten, die bei Weingartner für Cosima gelten, noch die italienische Geburt und letztlich – dass Cosima kein Mann war. Denn Weingartner endet seine Betrachtung mit der »produktiven Darstellungskraft«, die Dichtung und Komposition in der inszenatorischen Gestaltung als dritte ergänzen sollte  : »Wagner besaß diese universelle Art der Darstellungskraft und wahrscheinlich wird nur ein schaffender Künstler sie wieder sein eigen nennen, sicherlich aber keiner, der einseitig Regisseur oder Kapellmeister, Schauspieler oder Sänger ist. Am allerwenigsten wird sie«, führt er selbstbewusst männlich im Geist dieser Zeit fort, »eine musikalisch nicht einmal fachmännisch gebildete Frau besitzen. Frauen kommt Produktivität überhaupt nur in den seltensten Fällen zu.« Kommt ihnen zu  ? Wer hatte da etwas zu verteilen, den Frauen »zukommen« zu lassen  ? Cosima war alles andere als eine Vorkämpferin für die Frauenrechte – spätestens seit 1865 hatte sich die erste deutsche Frauenbewegung organisiert und trat für das Wahlrecht für Frauen und für bessere Arbeitsbedingungen ein. Cosima interessierte sich dafür nicht nur nicht, sie sprach sich auch an Richards Seite gern spöttisch darüber aus. In ihrem Tun aber, mit ihrer Entscheidung, als Festspielleiterin tätig zu werden, die Öffentlichkeit zu suchen und ihr standzuhalten, führte sie Frauen-Präsenz in der allgemeinen Wahrnehmung deutlich voran. Sie tat dies um Richards Willen, um Siegfrieds Willen, in patriarchalisch gebundenem Denken, unter strenger Indienstnahme ihrer Töchter, nicht, um selbst zu glänzen, selbst wenn dies in Bezug auf ihre gesellschaftlichen Umtriebe manches Mal so verstanden wurde. In ihrem Wirken, ihrer neuen Tätigkeit ging es ihr erst einmal um das Wiederherstellen derjenigen Form, die noch mit Wagner erarbeitet worden war. Cosima sah sich zunächst in erster Linie als Organisatorin und Bewahrerin dessen, was durch Wagner bereits entstanden beziehungsweise nun in seinem Sinne neu zu planen war. Sie ließ sich für die Proben einen Holzverschlag bauen, der in der Festspielgeschichte gern mal mit leichter Empörung oder mit Spott erwähnt wird. So etwas hatte es noch nie gegeben. Und kein männlicher Intendant oder Regisseur wäre je auf diese Idee verfallen. Durch diesen »Verschlag«, der ab 1884 seitlich auf der Bühne mit schmaler Guckvorrichtung installiert wurde, war Cosima einerseits unsichtbar, also scheinbar ungefährlich, nicht einmischend und

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eigentlich »nicht da«. Gleichzeitig wurde sie dadurch zu einer allgegenwärtigen Kontrollinstanz, war durch das Verborgensein nicht einschätzbar und deshalb besonders mächtig. Sie legte sich sozusagen mit dem gesamten Apparat an, provozierte ihre Beachtung und war durch diese Art der Präsenz mitten im Geschehen. Sie hörte genau zu, gab die Ergebnisse dieser ihrer verschleierten Anwesenheit schließlich schriftlich weiter, zunächst eher an den Dirigenten, später an alle Beteiligten, denen sie etwas mitteilen wollte. Diese »Korrektur-Zettel« enthielten Lob und Veränderungsanregungen und waren zum Teil sehr genau. »Ob es möglich wäre, das ›treu bis zum Tod‹ so vortragen zu lassen, dass ›zum‹ und [je-]›dem‹ accentuirt werden  ?« notierte sie in Bezug auf eine Parsifal-Chorstelle. Oder sie spendete den Musikern für die »immer wachsende Vervollkommnung der Leistung« einfach eine Anerkennung  : »Es wird der Dirigent der letzten Aufführung gebeten, dem Orchester die hohe Genugtuung auszusprechen.« Welch ein Weg lag da noch vor ihr, von diesen Nachricht gebenden, indirekten Botschaften zu einer präsenten, eingreifenden, fordernden, konkret auf der Bühne arbeitenden Regieführung  ! Wie ihre gesamte Regiearbeit harren die Anmerkungen auf Cosimas Korrektur-Zetteln noch der wissenschaftlichen Durchdringung. Die Texte dieser Zettel gingen oft ins Detail und bezogen sich sowohl auf die Orchesterleistung als auch auf die szenische Gestaltung. »Die Begleitung zu ›die Wüste schuf er sich zum Wonnegarten‹ etwas zu stark und das Ganze vielleicht um ein Weniges zu schnell. […] Die Pauke Seite  61 Takt  1–2 um etwas zu langsam. […] Die Glocken leider immer durchweg schlimm, ob sie nicht wie im Jahre  82 eingerichtet werden können. […] Die Triolen zarter, feiner im Vortrag, namentlich Takt 20 und 21. […] Sehr schön der Schluss des zweiten Aktes, wie überhaupt das Ganze.« Cosimas Anmerkungen galten dem Parsifal-Dirigenten Hermann Levi, der in einem Brief an seinen Vater bekannte  : »Sie war in allen Proben und Vorstellungen. Nach jeder Vorstellung erhielten der Regisseur [Anton] Fuchs und ich ausführliche, schriftliche Kritiken, und ihre Bemerkungen waren so richtig und feinsinnig, enthielten so wichtige Aufschlüsse über die Kunst des Vortrages, daß ich in diesen wenigen Tagen mehr gelernt habe, als in 20 Jahren meiner Dirigenten-Praxis.« Diese Sätze werden in Kenntnis des schwierigen Verhältnisses zwischen Levi und Cosima gern als übertrieben vermutet – ein Schicksal, das Einschätzungen, die Cosima negativ zeichnen, sehr selten bis nie erleiden. In dem Brief an seinen Vater schrieb Levi über alle zehn Parsifal-Aufführungen des Festspieljahrs 1884 zusammenfassend  : »Daß die Vorstellungen dieses Jahr so vollendet waren, ist zum größten Teil dem tätigen Eingreifen von Frau Wagner zu danken.«

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Selbstverständlich beschränkte Cosima sich nicht auf das Korrigieren aus dem »Verschlag« heraus. Sie griff im Laufe der Zeit immer konkreter in das Probengeschehen auf der Bühne ein, klärte mit den Sängerinnen und Sängern in Wahnfried zuvor deren Rollen und arbeitete sowohl szenisch als auch planerisch intensiv mit den Bühnen- und Kostümbildnern. Carl Kittel, musikalischer Assistent und Korrepetitor, schrieb über seine Erfahrungen  : »Im Darstellungsstudium mit den solistisch wirkenden Künstlern verlangte Cosima Wagner die genaueste Befolgung ihrer Angaben, die sich fast bildgetreu an die des Meisters hielten. Alle Monologe wollte Cosima Wagner  – nach dem bekannten dramatischen Lehrsatz  : ›Das bleibe dir Kriterium  : Sprich nie direkt ins Publikum  !‹  – als Zwiegespräch mit der eigenen Person gedeutet wissen. Und gerade dieses innensichtig-erahnte Gestalten aller Szenen führte zu den stärksten Eindrücken […].« Und Hugo Rüdel, Chorleiter in Bayreuth, erinnerte in einer Anekdote  : »Immer werd ich an jene köstliche große Bühnenprobe mit Orchester denken, in welcher einer unserer größten Festspieldirigenten […] die Geduld am Pult verlor und heftig wurde  ! Da trat sie in ihrer imponierenden Ruhe an die Rampe und sagte  : ›Lieber Freund, warum so ungeduldig  ?  – Es ist doch eine Probe  ? Wenn schon alles ginge, brauchte doch keine Probe mehr sein. Und wenn es nötig ist, probieren wir eben länger oder setzen noch einige Proben an. Nun bitte weiter  !‹ Diese Worte haben auf mich so tief gewirkt, daß ich sie bis auf den heutigen Tag zur Richtschnur genommen habe und nie auf die bekannten beliebten Worte traue  : ›Abends wird’s schon gehen, wir reißen uns eben alle zusammen  !« Die Höflichkeit der Anmerkungen Cosimas fällt auf. Sie zeigen auch, dass sie bei allem Anspruch auf Gehörtwerden jeweils die Leistung zu würdigen wusste. Bei den Proben zur Tristan-Neuinszenierung 1886, die von Felix Mottl dirigiert wurde, brachte sie gegenüber Hermann Levi, der die musterhafte Münchner Uraufführungsproduktion gut kannte, mehrere Einwände vor  : »Endlich  : die Höhe der Mauer-Brüstung da wo der Hirt und Brangäne hereinkommen überhaupt diese Mauer – mir sind hier die Zinnen etwas zu hoch gerathen. Verzeihung u. Dank  !« Nach den ersten Parsifal-Proben 1884 schrieb sie  : »Vielleicht könnten in den Zwischentagen der Aufführungen kleine einzelne Proben gehalten werden (Hörner, Bratschen, Bässe etc.) dass so etwas wie unter Anderem der Eintritt und Abzug der Knappen zugleich richtig im Tempo und fein im Vortrag sei, Letzterer wurde gestern versucht und glückte annähernd, erzeugte aber Schleppen  ; auch klangen öfters die Läufe seitens der Streicher nicht rein. Das durch die Begeisterung der Leitung dem Orchester mitgetheilte Feuer, erzeugte eine unvergleichlich schöne Leistung, welche durch Studium zur genauesten Cor-

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rektheit und unerschütterlichen Sicherheit zu verhelfen die lohnende Aufgabe solcher partiellen Proben sein könnte.« Bei der Vorbereitung für die ersten Bayreuther Meistersinger 1888 wurde ein Spielleiter gesucht. Levi schlug Cosima unter anderem August Harlacher vor, vormals Tenor am Hoftheater in Karlsruhe, der dann allerdings nur für einen Sommer in Bayreuth wirken sollte. Zu dieser Zeit war der später so verbitterte Felix Weingartner noch musikalischer Assistent in Bayreuth, und Levi empfahl der Festspielleiterin Harlacher, weil dieser »grosse Erfahrung hat, gescheit ist, sich Ihren und Felix’ Anordnungen willig fügen wird, und von dem man eben doch gewiß weiß, was man an ihm hat […].« Dieser Beginn, in dem Cosima noch Unterstützung für sinnvoll hielt und als Modell die gemeinsame Arbeit zwischen externem Spielleiter, Dirigent, Chordirigent und möglicherweise einem zusätzlichen Choreografen sah, mündete schnell in der doch nur von ihr wahrgenommenen Regietätigkeit, die sie zunehmend auch mit einer eigenen Theorie verband. Die Produktionen sollten zunächst nicht neu inszeniert werden, sondern sollten, einmal festgelegt, als Muster gelten für andere Theater, als definitive Aussage Wagners, so wie Cosima ihn – im Nachhinein – verstand. Cosima entwickelte ihre Vorstellungen gezielt aus den Worten der Handlung. Sie lehnte die Opernkonventionen außerhalb des Wagner’schen Werks, wie sie zu ihrer Zeit bei anderen Komponisten gängig und erfolgreich waren, als gänzlich ungeeignet ab. »Die Wendung in unserer Kunst geht vom Drama aus, die Bayreuther Bühne bringt uns das durch die Musik verklärte Drama, und das erste Organ betreffs dieses Dramas ist die Sprache.« Die Einheit von Wort und Komposition durch Wagner gab diesem Ansatz die Legitimation, das Drama zur leitenden Idee der Darstellung auf der Bühne zu machen. Im Konkreten bedeutete dies für Cosima zum Beispiel, dass sie das Spiel der Chormitglieder komplett ändern wollte. »Wenn der Chor keine Handlung auszuüben hat  : Ruhe  ; wenn er in die Handlung eingreift, möglichst individualisirtes Spiel. Die sogenannte Lebendigkeit und Natürlichkeit des Chores, das Stereotype Sich-Ansehen, Zeichen geben etc. halte ich vom Übel, als einen groben und unwahren Realismus. […] wir müssten alles Banal-Conventionelle, Realistische, verbannen und dafür eine erhabene Convention – den Styl – treten lassen.« Da war es, das Wort, der »Styl«, den Cosima für sich und ihre inszenatorische Arbeit als Leitlinie fand und der in seiner gestaltenden Wirkung zunächst fortschrittliche Elemente enthielt, um im Laufe der Jahre zunehmend seine Dynamik zu verlieren. Sie legte großen Wert auf die Art der Bewegung, die etwa den Münchner Maler und Bayreuther Kostümbildner Hans Thoma davon schwärmen ließ, dass Cosima es

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verstanden habe, »die Schönheit des Menschenkörpers und seiner Bewegungen zum Kunstwerk zu machen, zu ordnen, daß es einen wie ein feierlicher Tanz anmutet.« Es sei »wohltätig und weise, daß die Darsteller nie unnötig auf der Bühne oder mit den Händen herumfuchteln.« In ihrer Eröffnungsansprache der Bayreuther »Stilbildungsschule« am 10. November 1892, die Ausbildungsstätte für Solisten werden sollte, betonte Cosima als deren Aufgabe die Vermittlung der »deutlichen sinngemäßen Aussprache« sowie die »Förderung der Freiheit der Bewegung auf der Bühne« durch körperliche Übungen. Cosimas »Styl« wurde sehr unterschiedlich bewertet. Was den einen als »erstaunliche Präzision der Bewegungen« und eine daraus erwachsende »bisher unerreichte Einheitlichkeit« galt, empfand ein anderer, nämlich George Bernard Shaw, als Indiz dafür, dass Cosimas Regieführung »radikal schlecht« und nichts anderes sei als der »altmodische Stil der italienischen Oper«. Cosima entwickelte mit dem Bayreuther »Styl« und ihrem Prinzip, einmal gefundene und für gut erachtete Lösungen beizubehalten – in ihrer Sprache  : »Feststellen« – eine einerseits geschlossene wagnereske Welt. Der Preis dafür aber war die zunehmende Verfestigung und Unbeweglichkeit. Einige Elemente der in den Jahren der Jahrhundertwende sich anbahnenden Theaterreform fanden Eingang in Cosimas Arbeit, so, wenn beim Tannhäuser des Jahres 1904 Isadora Duncan als Neuerin und Gestalterin des Bacchanals engagiert wurde, die Begründerin des Ausdruckstanzes mit seinen »natürlichen« und gleichzeitig sehr stilisierten Bewegungsformen, die sich später im Expressionismus spiegelten. Die Vorbereitung der Tannhäuser-Inszenierung mit Duncan begann im Vorjahr 1903, in dem Cosima inoffiziell die Festspiele bereits an ihren Sohn Siegfried übergab. Sie selbst arbeitete nur noch individuell mit den Künstlerinnen und Künstlern in Wahnfried. Siegfried übernahm die Leitungsarbeit, die ihm 1906 auch offiziell übergeben werden sollte. Im Jahr 1903 übrigens präsentierten Gustav Mahler und sein Bühnenbildner Alfred Roller in Wien ihre sehr moderne Tristan-Produktion. Mahler hatte 1883 und 1888 die Festspiele mit Parsifal und den Meistersingern besucht und blieb ein lebenslanger Anhänger der Musik Wagners, dirigierte unzählige Wagner-Konzerte und Wagneraufführungen in ganz Europa. Als Operndirekter in Prag, Hamburg und Wien sagte man ihm eine besondere Passion für die Wortverständlichkeit von Wagners Opern nach  – ein Aspekt, in dem er sich mit Cosima durchaus verwandt hätte fühlen können. Mahler betonte wie sie die Einheit von Musik und Darstellung. Gleichzeitig war Mahler Teil der opernreformerischen Strömungen seiner Zeit, etwa der Lichttheorien Adolphe Appias,

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der leere weiße Bühnenräume forderte – eine ungeheure Provokation gegenüber den historisierenden, oft überladenen herkömmlichen Dekorationen. Cosima hatte eine vorgeschlagene Mitarbeit Appias für Bayreuth abgelehnt, ließ sich aber vom zeitgenössischen Jugendstil für die Kostüme durchaus anregen. Sie widmet sich sorgfältig den stilistischen Detailfragen, konsultiert Germanisten und Kunsthistoriker, denn die Beiziehung historischen Abbildungsmaterials für die dargestellte Bühnenzeit ist nichts anderes als selbstverständliches Handwerk. Sie erntet dafür, anders als männliche Szeniker ihrer Zeit, Kritik und Spott. Bis heute. Der Generalvorwurf lautet, dass sie neben der Leitung der Festspiele und ihrer Regiearbeit den Anschluss an die künstlerische Avantgarde des ausgehenden 19. Jahrhunderts nicht gesucht hat. Von großem Einfluss wird für sie sowohl in ästhetischer Hinsicht als auch in der allmählichen Loslösung vom Konzept der »Mustervorstellungen« die Zusammenarbeit mit den Gebrüdern Max und Gotthold Brückner aus Coburg, deren »Atelier für Dekorations- und Theatermalerei« dann nur noch für die Meininger Bühne und für die Bayreuther Festspiele arbeitet. Nachdem bereits der Uraufführungs-Parsifal von den Brückners zur Zufriedenheit Wagners 1882 mitgestaltet worden war, bemüht sich Cosima um die kontinuierliche Bindung der beiden Künstler an ihr Haus und das gelingt. Das Atelier der Gebrüder entwarf letztlich für sämtliche Werke, die Cosima inszenieren sollte, die Bühnenbilder und führte sie aus. In ihrer Korrespondenz über die jeweiligen Skizzen zeigte sich Cosima aufgeschlossen und gab selbst Anregungen, zum Beispiel zu Tannhäuser  : »Bezüglich der zweiten Zaubergrotte habe ich mich gefragt, ob dieselbe nicht von unten herauf und von oben herunter zugleich und allmählich entstehend heraufkommen könnte  ? Doch das werden Sie alles am besten wissen.« Und die Brüder antworteten brieflich der hochgeehrten Frau gut gelaunt  : »Jawohl  ! Unsere Idee’n begegnen sich betreffs der zweiten Grotte, aufsteigend, herabsenkend und noch eine dritte Bewegung dazu  ; von der Seite. Je beweglicher diese Erscheinung entsteht, umso besser ist es.« In diese Zeit fallen große Erneuerungen der Bühnentechnik wie der Wechsel vom warmen, schummrigen Gaslicht zum weitaus helleren und weniger gefährlichen elektrischen Licht. Gleiches gilt für den Rundhorizont, der später im Parsifal nicht mehr wegzudenken war und die Menschen staunen ließ und sie anrührte. Diese Neuerungen lagen in der Luft und wurden von Cosima mit Eifer aufgenommen. Sie ging, was das betrifft, die Schritte in die Moderne gern mit, auch wenn sie sich manchmal überwinden musste. In ihrer Zusammenarbeit mit den Gebrüdern Brückner herrscht eine gute Balance zwischen Anregen und Anerkennen. So formuliert Cosima eigene Ideen ebenso, wie sie Lob aussprechen

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34 Max Brückner, Bühnenbildentwurf zu Parsifal, 2. Aufzug, »Zaubergarten«, Bayreuth 1901  : Cosima Wagner trennte sich von der früheren Dekoration aus Zeiten ihres Mannes und suchte den Aufbruch »in’s Kühne und Grüne«.

kann. Von den Tannhäuser-Skizzen im Juli 1887, die sie zugeschickt bekommt, ist sie begeistert  : »Es ist ganz unglaublich wie Sie im Venusberg alle Intentionen verwirklicht haben, u. zugleich dabei frei u. erfinderisch sich bewährt. Ich bin auf ’s Tiefste davon gerührt. Man ist vollständig in die Zauberwelt versetzt, u. dabei verlässt einen die Idee des Inneren eines Berges nicht. Die kühne Mischung der Farben ist Ihnen auch auf das Schönste geglückt. Es ist Etwas wie ich es selbst annähernd auf der Bühne nie gesehen habe.« Später wird der junge Richard Strauss, der als musikalischer Assistent in Bayreuth arbeitet, hingerissen an Cosima schreiben, dass die reale Natur angesichts der Tannhäuser-Eindrücke verblasse und die illusionistische Wirkung der Szene nahezu perfekt sei. Zu Dekorationen für die Meistersinger 1888 merkt sie an  : »Ganz besonders bin ich Ihnen für die Feinheit in der Durchführung und für die Zartheit der Farbentöne verbunden. Ich bin der Ansicht, dass gerade auf der Bühne die feinste künstlerische Durchführung, eine zwar unbewusst bleibende, aber nichts desto weniger bedeutende Wirkung hervorbringt.« So schätzt der Kenner der Brückner’schen Arbeiten, Fabian Kern, die Offenheit Cosimas für Ideen der Gebrüder Brückner sowie ihre konstruktiven Vorschläge als eine der Moderne zugewandte

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Zusammenarbeit  : »In der Wagner-Forschung wird bis heute die Tatsache, dass Cosima Wagner die Erneuerung des ›Zaubergartens‹ initiierte und damit einen Wandel der Bayreuther Bühnenbildgestaltung evozierte, ignoriert und massiv bestritten.« Ihren Erneuerungswillen belegt der Brief vom 1.  Oktober 1898 an Max Brückner, in dem sie sich von Wagners altem Parsifal-Zaubergarten löste und modernisierende Änderungen vorschlug  : »Auch […] meine ich, dass wir einige lichtere Töne gebrauchen könnten, frischere Farben. Die neue Bewegung in der Malerei (ich lasse dahingestellt, ob zum Vortheil oder zum Nachtheil) hat unsere Augen an so grelle Farben gewöhnt, dass wir das Verhältnis zu den früheren Stimmungen verloren haben. Auch wird zu viel Licht absorbiert und verträgt sich das elektrische Licht nicht gut mit den abgetönten Farben. Wir wollen uns also in’s Kühne und Grüne begeben, was mir auf meine alten Tage curios genug vorkommt.« Cosima ersetzte mit diesem neuen Zaubergarten das als sakrosankt geltende Bühnenbild und beging damit laut Kern einen »außergewöhnlichen Tabu­bruch«. Sie zeigte sich offen für Entwicklungen, wenn sie ihr denn einleuchteten. Sie rückte damit vom Dogma der »Mustervorstellungen« ab. Cosimas Inszenierungen polarisierten jedes Jahr von neuem Publikum und Rezensenten. Die ihr gewogenen Münchner Neuesten Nachrichten befanden schon nach ihrer ersten Tristan-Inszenierung, Cosima habe bewiesen, dass sie ihrer Aufgabe gewachsen sei. »Die Zukunft von Bayreuth ist gesichert. Frau Wagner verwaltet und mehrt das Erbe mit kraftvoller Hand, in hingebendster Treue«, während der schon zitierte George Bernard Shaw zunächst ihre Regieführung schlicht als »die eigentliche Bayreuther Häresie« bezeichnete, später aber sehr angetan war von Cosimas intelligenter Regie des Lohengrin, »die nicht durch leichtsinnige Läppereien beleidigt« haben soll. Spätestens ab 1896 habe sich allmählich ein Gesinnungswandel in Bayreuth vollzogen, resümiert Fabian Kern  : »Cosima Wagner hatte erkannt, dass ein dogmatisches Festhalten an den teilweise schon über 15  Jahre alten Inszenierungen dem Bayreuther Festspielunternehmen nicht dienlich sein konnte. Nur ein Wandel würde die Vormachtstellung Bayreuths als ›Musterbühne‹ auch künftig sichern.« Die ständige Aktualisierung wurde so zu einer neuen Gewohnheit. Damit sei, so Festspielkenner Frank Piontek provokant, »die ›Werkstatt Bayreuth‹ keine Erfindung Wieland und Wolfgang Wagners. Sie war ein Werk der Brückners und Cosima Wagners […].« Das heute noch gern gepflegte Bild der starren »Gralshüterin« ist nach Kenntnis der neueren Forschung nicht mehr aufrechtzuerhalten.

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Zu den Sängern und Sängerinnen entwickelt Cosima zum Teil sehr nahe Arbeitsbeziehungen, in denen sie immer wieder auch ihre Bewunderung für deren Können zum Ausdruck brachte. Rosa Sucher, eine prägende Sängerin der Isolde, berichtete davon, dass Cosima »nach jedem Zwischenakt« zu ihr kam, sie »wortlos und tränenden Auges umarmte« und »tiefbewegt« anschaute. Und nach dieser ersten gemeinsamen Arbeit fügte die Sopranistin hinzu  : »Die Meisterin hat den Dämon in mir geweckt.« Anna von Mildenburg, die von Gustav Mahler als Parsifal-Kundry empfohlen worden war und sehr erfolgreich in Bayreuth sang, erinnerte sich daran, wie Cosima jeweils die von ihr gewünschten Bewegungen selbst gezeigt hatte  : »Und wie konnte sie einen Schleier tragen  ! Er nahm unter ihren Händen förmlich Leben an, wurde mit zum Verführer, wenn sie sich als Kundry lockend und lechzend über Parsifal beugte, und beim Gang über die Bühne nach der großen Kundry-Erzählung schien nur aus dem Schleier die bewegende Kraft auf sie überzugehen, so schwebend und gleitend erschien ihre Gestalt.« Es sind dies Berichte, die nicht einer gewissen erotischen Schwärmerei zu entbehren scheinen. Sie geben auf ihre zeitgenössische Weise doch Auskunft über die Faszination und energetische Kraft, die Cosima ausgestrahlt haben muss. Wie schade, dass es aus diesen Arbeitsphasen noch keine Fotografien gab, die sie, ähnlich wie später ihre Enkel Wieland oder Wolfgang bei eben dieser inszenatorischen Arbeit zeigen – mit großer Geste weisend, sich hinlegend, eine Umarmung vorführend. Zwei Generationen später sind die männlichen Sprosse dieser Familie ungleich besser dokumentiert, auch sie letztlich nicht dafür ausgebildet, aber mit so viel mehr Ermutigung und patriarchaler Sohneswürde ausgestattet und gefördert. Für ein solches Arbeitsfoto von Cosima könnte die Probenszene mit dem Chor in Lohengrin im Jahre 1894 abgelichtet worden sein, über den die populäre Gartenlaube berichtete  : »Schon läßt sich die überwältigende Massenwirkung der Chöre erkennen, schon entwickelt sich ein Volksleben von hinreißender Gewalt. Und rastlos dazwischen bewegt sich, scheinbar unempfindlich gegen alle Strapazen, die schlanke schwarz gekleidete Frau, das kluge Auge hinter grauer Brille geborgen, ganz gesammelte Aufmerksamkeit, mit den feinen, langen Händen bald hierhin, bald dorthin deutend. Alles folgt voll Ehrerbietung ihren Anweisungen und ganz selbständige Künstler haben mir gestanden, daß sie eine Art Suggestion ausübe und ihren Willen und ihre Erkenntnis auf andere übertrage.« Eine andere bekannte Bayreuth-Solistin, Lilli Lehmann, beschrieb Cosimas großes Engagement. Sie sei »von morgens neun bis abends neun im Theater tätig und nahm dort auch ihre Malzeiten ein«, sie sei nicht nur »sehr unterrichtet und klug« gewesen, sondern »heiter, voller Lebens- und Arbeitskraft.« Als Künstlerin

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aber fühlte sich Lilli Lehmann, die schon unter Wagner in Bayreuth gesungen hatte, zunehmend eingeschränkt  : Anstelle von »individueller Künstlerschaft« sei jetzt »sklavische Unterwerfung« gefragt  ; Cosima sei »ganz Weltdame« und habe »die der Aristokratie so eigene Autorität des Urteils angenommen, das, was sie aussprach, als anerkannt richtig darzustellen.« Zwischen 1883 und 1903, in den zwanzig Jahren also, in denen sie die künstlerische Leitung der Festspiele noch sehr aktiv innehatte, gab es für Cosima immer wieder ambivalente Reaktionen zu gewärtigen  : Künstler und Künstlerinnen, die sich enttäuscht abwandten, Mitarbeiter ebenso, aber auch eine eingeschworene unterstützende Community, wie sie heute üblicherweise bei Regisseuren und den immer noch zu wenigen Regisseurinnen zu finden ist. Zwischen ihrem 45. und 65.  Lebensjahr bewegte sie sich in ihrer künstlerischen Aktivität mit der Erfahrung der Musteraufführungen Wagner’scher Werke vor Augen  – und keineswegs mit dem Ziel, sich in die künstlerischen Auseinandersetzungen ihrer Zeit hineinzubegeben. Als Cosima mit der Festspielleitung begann, war »Bayreuth« alles andere als etabliert. Aus der Erfahrung eines dann weltweit bekannt gewordenen jährlichen Festivals wird die damalige Unsicherheit in die Zukunft der Festspiele oft unterschätzt. Wagner konnte nicht einmal am Ende seines Lebens damit rechnen, dass seiner Festspielidee Erfolg beschieden sein würde. Dass dies doch der Fall wurde, verdankten die Festspiele neben ihrer musikdramatischen Qualität auch der sozialen Vernetzung Cosimas. Ohne ihre gesellschaftliche Lobby-Arbeit für Bayreuth, dieses ihr zweites, so wichtiges Betätigungsfeld, hätte dieser Erfolg sich nicht eingestellt. Cosima bot zu Beginn ihrer Leitungstätigkeit sogar an, ihr bei einer Pariser Bank liegendes Vermögen zur Verfügung zu stellen. Sie bilanzierte in vielen Briefen gemeinsam mit Dirigent Hermann Levi sowie mit Adolf von Groß, dem Freund, Vormund der Kinder und »Finanzminister« der Festspiele, die jeweils aktuelle Lage. Und umgekehrt spiegelte Levi ihr nach dem Festspielsommer 1886 die Lage  : »Die Sache geht ihren Gang  ; langsam aber sicher. Ich bin überzeugt, daß wir am 1. December (vorher schwerlich) das augenblicklich Noth-Thuende, ich meine 60–70.000 M. auf 5. Jahre, zusammenhaben, und damit, ohne uns den Vorwurf des Leichtsinns zuzuziehen, die Festspiele 1887 ankündigen können.« In eben diesem Jahr sollte es dann nicht zum Festspielsommer, sondern zum zweiten Mal zu einem Pausenjahr kommen. Erst 1888 ging es weiter mit einer Neuinszenierung der Meistersinger. Ein weiteres Arbeitsfeld für Cosima war der Kontakt zu den vielerorts entstehenden – und Geld spendenden – Wagnervereinen. Sie warb mit persönlichen

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35  Cosima und Siegfried Wagner, dem sie am Ende der Saison 1906 offiziell die Festspielleitung übergeben hat, in einer Aufnahme von 1911 in Wahnfried.

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Briefen und Nachfragen beharrlich bei Begüterten um Zeichnung der sogenannten »Patronatsscheine«, die längerfristig finanzielle Unabhängigkeit bringen sollten. Mit guter Erfahrung im Netzwerken ließ sie sich jeweils mögliche neue Interessenten nennen, die sie mit werbenden Briefen und sogar mit persönlichen Besuchen als Patrone, häufiger noch als Patroninnen, zu gewinnen suchte und gewann. Solche – natürlich formvollendeten – Bitten konnten sich sogar an Mitglieder der europäischen Königshäuser richten und machten, ob Zusagen erfolgten oder nicht, zumindest das Unternehmen »Bayreuth« bekannt. Während der Festspiele war Cosima nicht nur die Leiterin, sie war auf der gesellschaftlichen Ebene auch »die« Gastgeberin. Sie war zur personifizierten Festspielidee geworden, in der Öffentlichkeit schwärmend oder bissig beobachtet. »Der kleinliche Preßkrieg, der immer beim Herannahen einer Festspielperiode gegen Cosima eröffnet wird und der den Eindruck macht, als sei ein stechender Mückenschwarm entfesselt, beirrt sie nicht im mindesten«, schrieb eine Journalistin. Cosima gestaltete große Essen und Feiern in Wahnfried, diesem Zentrum, das seine Gäste wie private Freundinnen und Freunde der Hausherrin erscheinen ließ, eingeladen in das Private, in dem Wagner gewirkt und gewohnt hatte und in dem jetzt noch seine Kinder lebten, in dem man sozusagen durch das bloße Dabeisein-Können eine Erhebung, eine Adelung erfuhr. Es gelang ihr, das Festspielleben auch als Gesellschaftsereignis zu gestalten, das große Anziehungskraft gewann und Künstlerschaft und Mäzene miteinander in Kontakt brachte. Ein Modell, das bis heute auf vielerlei kulturellen Ebenen erfolgversprechend eingesetzt wird. Festspielchronist Oswald Georg Bauer berichtet über die Saison 1899 mit dem Zwischentitel »Cosima stabilisiert ihre gesellschaftliche Vorherrschaftsrolle«, dass Cosima wieder eine Soiree für etwa hundert Gäste gab, darunter Vertreterinnen des Hochadels – und zitiert Harry Graf Kessler, der in seinem Tagebuch festhielt, dass Cosima »immer dicht neben den Musikern« saß, »als ob sie ihnen Geltung verschaffen wollte gegenüber ungezogenen Schwätzern.« Gegen 11 Uhr habe sie dann ihre Gäste entlassen, »mit unvergleichlicher Grazie und Diplomatie.« Der von Wagner begeisterte Kunstsammler, Mäzen, Schriftsteller, Diplomat und spätere »Rote Graf« Kessler, der unter anderem der Berliner Sezession nahestand und den Deutschen Künstlerbund gründete, traf sowohl in Bayreuth als auch in Berlin auf Cosima. »Als Kessler sie im Restaurant mit Fürstlichkeiten beobachtete, fiel ihm auf, dass sie ›von Jahr zu Jahr majestätischer, schöner und mit ihrem weissen Haar milder‹ wurde. Ihre ›Umgangsformen sind groß, frei und voller Grazie wie sie selbst.‹ Sie verstehe es, ›die konventionellen gesellschaftlichen Formen als

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grosse Künstlerin zu benutzen‹ und dadurch stabilisiere sie ihre ›gesellschaftliche Herrschaft.‹ […] Cosima scheint ihm ›ein sozialwissenschaftlich interessantes Menschen-Exemplar zu sein.‹ Als er sie in Berlin bei einer Soiree erlebte, stellte er fest  : ›Cosima ist hier gesellschaftlich souverän  ; eine solche Stellung ist einzigartig  ; die Fürstinnen, Botschafterinnen, Comtessen, Alles zittert vor ihr und wird rot vor Freude, wenn Cosima sie gnädig anredet.‹« Kessler nennt nur Frauen, die Cosima umgeben haben. Das war kein Zufall. Zwar pflegte sie formgerechten Umgang mit Fürsten, Botschaftern und anderen männlichen Besuchern, doch ihre Wirkung auf Frauen war womöglich noch intensiver. Cosima scheint imstande gewesen zu sein, eine sehr direkte emotionale Beziehung zu Frauen aufzubauen – eine Atmosphäre, in der jede persönlich sich gemeint fühlen konnte. Noch 1904 lädt Cosima, obwohl sie nicht mehr aktiv im Festspielhaus tätig ist, zu ihren Wahnfried-Empfängen ein. Aus diesem Jahr berichtete der Dortmunder Generalanzeiger  : »Fürsten und Fürstinnen von Gottes Gnaden, Herrscher und Herrscherinnen im Reiche der Kunst, die ihre Würde sich selbst geschaffen haben, trafen sich in den gastlichen Räumen. […] Die auffallendste Erscheinung in dieser Gesellschaft ist Miß Isodora Duncan. Sie fällt auf, weil sie auch hier in ihrem griechischen Kostüm und mit nackten Füßen erschienen ist. Im großen Bibliothekssaal steht Frau Cosima Wagner  ; sie trägt eine schwarze Robe ohne jeden Schmuck.« Im Jahr 1906 folgte laut Festspielchronik auch hier der Ausstieg  : »Am 18. August gab Cosima letztmals einen ihrer berühmten Empfänge in Wahnfried. Selbst eine Fürstin, alle überragend, empfing sie mehrere Fürstlichkeiten […], des Weiteren Künstler, insgesamt etwa 200 Personen. Bei ihrem Rundgang bot sie jedem der Gäste ihre Hand zum Kuss.« Cosima hatte deutlich Freude an ihren Tätigkeiten. Sie konnte Energie und Zufriedenheit ausstrahlen – das gefiel nicht allen. Nach Wagners Tod war eine andere Cosima zum Vorschein gekommen. Eine, die ihre Zurückhaltung abgelegt hatte, die ihre Verantwortung wahrnahm und genoss und die die Ideen und Wünsche Wagners, was sein Werk betrifft, als inneren Anschub und Auftrag zu nutzen wusste. Sie lebte jetzt in gewisser Weise das öffentliche Leben, wie es ihre Eltern, Vater und Mutter, auf ihre Weise gelebt hatten, in Prominenz, Verehrung und Kritik. Aus den vielen unterschiedlichen Beobachtungen ergibt sich das Bild einer Cosima, die durch die Kunst, die Musik, das Transzendente letztlich ihrer Herkunft, ihrer Ehe mit Wagner und auch dem Metier ihres Vaters treu bleiben konnte. Cosimas Kinder waren erwachsen, sie bestimmte oft übermäßig über deren Leben, fädelte Ehen ein und aus, wurde und blieb das energetische Zentrum

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der Familie. Die Tagebücher, die sie als Bericht des gemeinsamen Lebens mit Wagner verstanden hatte, beendete sie abrupt mit dessen Tod. Offenbar wollte und brauchte sie diese Ebene der täglichen Reflexion, der Selbstprüfung oder Kasteiung, der Wertung von Schuld und Sühne, wie sie sie für ihr Leben empfand, nicht mehr. Als habe sie in den Jahren mit Wagner die Energie gesammelt für den großen Sprung, die Entfaltung ihrer Kraft und – auch – ihrer durchaus aggressiven, durchsetzungsorientierten Anteile. Manche Wahrheit kam so ans Licht. Zum Beispiel die, dass sie bei allem Respekt für den alten Vater nicht gestattete, dass dieser durch seinen Tod die Festspiele von 1886 unwagnerisch gestört hätte. Liszt war angereist als Festspielgast, er war durch seine Alkoholabhängigkeit, seine vielen, vielleicht zu vielen Reisen geschwächt, er war in seinem 76. Lebensjahr und erkrankte in Bayreuth an einer schweren, zunächst nicht erkannten Lungenentzündung. Cosima überlegte schon vorher häufig, was aus ihrem älter werdenden Vater wohl werden solle, nachdem er allein lebte. Cosima nimmt sich vor, für ihren Vater zu sorgen, letztlich ist sie trotz aller Spannungen und nicht erfüllter Erwartungen aneinander die treue Tochter. In einem Brief hatte sie an Daniela in Sorge um den Vater geschrieben  : »Durch Alles durch sehe ich ihn immer und behalte lebendig das, was er mir nur in blitzartigen, leidenschaftlichen Augenblicken gestand, dass er mich über Alles liebe  ! Nun, Kind, höre was ich Dir sage […]. Sollte der Schwäche-Zustand, ich meine der geistige, zunehmen, so werde ich auf das Entschiedenste eintreten, ihn sei es in Pest oder Weimar oder Rom abholen, ihn bei uns in Bayreuth einrichten, ihn pflegen, für ihn sorgen, ihn mit uns nehmen, und Gott wird mir helfen, diese meine Aufgabe zu erfüllen, ohne andre zu schädigen.« Und so ist es gekommen. Als Liszt zu den Festspielen 1886 anreist, verschlimmert sich sein Zustand zunehmend. Er wohnt im Haus neben Wahnfried und die Familie kommt und geht. Cosima setzt zum Ärger seiner Schüler und seiner unterstützenden Freundin Lina Schmalhausen bestimmte Besuchsverbote durch, organisiert die Ärzte und hält Nachtwachen beim Vater. Ab einem gewissen Grad der Hinfälligkeit des Vaters lässt sie niemanden mehr zu ihm. Cosima hält sich selbst in seinem Vorzimmer auf und ist ihm als Tochter im Abschied nahe. Sie schließt ihm nach seinem Tod die Augen und bleibt bis fünf Uhr morgens allein mit dem Verstorbenen. Ähnlich wie bei Wagners Tod ist sie die Bestimmerin der Abläufe und die energische Forderin ihres Platzes. Nach Liszts Tod am 31. Juli 1886 lässt Cosima die Festspiele mit ihrer neuen Tristan-Inszenierung, lässt sie Wagners Festspiele nicht abbrechen oder auch nur unterbrechen. Am 3. August fand die Einsegnung von Liszts Leichnam in Wahnfried statt, er wurde anschließend auf dem städtischen Friedhof in Bay-

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reuth bestattet  ; die kleine Grabkapelle sollte erst später entstehen, als die Versuche, Liszts sterbliche Reste nach Ungarn »heimzuholen«, gescheitert waren. Die Öffentlichkeit reagiert mit einem Extrablatt, in den Zeitungen erscheinen große Anzeigen und Berichte  : »Mitten in die Freude und die Begeisterung, welche der glückliche, ja glänzende Fortgang der Festspiele hervorgerufen, fiel gestern Nachts die Trauernachricht, daß Franz Liszt, der große Tonmeister, dessen Ruhm die ganze civilisirte Welt erfüllt, Liszt, der vertraute Freund und Förderer Wagners, Liszt, der Vater der Frau Wagner, Samstag Nachts ½ 12 Uhr das Zeitliche gesegnet hat.« Fotos zeigen einen langen Begräbniszug durch die Stadt, Trauerfahnen wehen von den Häusern, viele der Mitwirkenden der Festspiele gehen mit, es gibt Kränze vom Kronprinzen, vom Orchester – und dem Theaterpersonal. »Erst spät um Mittag schieden die Letzten von der ernsten Stätte, die nun einen der größten Künstler und besten Menschen deckt. Friede seiner Asche  !« Cosima ehrt ihren Vater der Konvention entsprechend, aber ihre Entscheidungen in Zusammenhang mit dem Tod des Vaters sind ihr fast so übel genommen worden wie der Ehebruch  – dass sie die Festspiele einfach weiterlaufen ließ. Auf heute übertragen bedeutete dies etwa die Erwartung, entsprechende Festwochen, Festivals, Festspiele abzubrechen oder in ihrem Ablauf zu verändern, weil ein Elternteil des Intendanten oder der Intendantin verstirbt. Selbstverständlich würde dies nicht geschehen. Die Geschichten von Schauspielern und Schauspielerinnen, Sängern und Sängerinnen sind Legion, die ihrer künstlerischen Tätigkeit nachgekommen sind, obwohl sie gerade eine Todesnachricht aus der Familie erhalten hatten. Cosima lässt die Festspiele ablaufen wie geplant, und sie lässt nicht eine Liszt-Note in die Wagner-Welt. Ein Abschied im Stress, aber auch mit der unmissverständlichen Botschaft, ihre Aufgabe, ihr Ziel und ihre unbedingte Liebe zu Wagner, die Liszt letztlich nie akzeptierte, nicht beeinträchtigen zu lassen.

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ls Cosima im Jahre 1906 die Festspielleitung offiziell und durch Krankheit gezwungen an ihren Sohn Siegfried übergibt, ist die Situation der Wagner’schen Familie schwer in Aufruhr. Da Cosimas Kinder allesamt vor der Scheidung mit Hans von Bülow geboren wurden, galten die vier Töchter juristisch als Kinder Bülows  ; allein Siegfried wurde nachträglich durch die bis nach der Heirat mit Wagner hinausgezögerte Taufe zu einem »ehelichen« Wagner-Kind gemacht – und so waren nur Cosima und Siegfried als »gesetzliche Erben Wagners« eingesetzt. Cosima hatte überdeutlich und mütterlich übertrieben anerkennend Siegfried als ihren Nachfolger aufgebaut – übrigens schon wieder ein Festspielleiter, für den es noch keine gezielte Regieausbildung gibt. Zur Familie und zum musikalischen Personal gehörte seit einigen Jahren auch der Schweizer Dirigent Franz Philipp Beidler, verheiratet mit Cosimas Tochter Isolde. 1901 war deren Sohn Franz Wilhelm Beidler geboren worden. Isoldes Mann hatte sich bereits 1894 in Cosimas »Stilbildungsschule« engagiert, war seit 1896 als musikalischer Assistent bei den Festspielen tätig und er hätte sich als andernorts längst arrivierter Dirigent eine Zukunft in Bayreuth ausrechnen können. Als er zwei Jahre nach seinem Debüt 1904 nur zwei Parsifal-Vorstellungen dirigieren sollte, erbat sich Beidler bei seiner Schwiegermutter energisch, geradezu ultimativ noch eine dritte. Cosima aber hatte zu diesem Schwiegersohn inzwischen ein so schlechtes Verhältnis, dass sie in ihrem brüsken Ablehnungsbrief an ihn schrieb, wenn Isolde sie um Rat frage, würde sie ihr dringend zureden, sich von ihm zu trennen. Es sei ehrlos für einen Mann, »vom Gelde seiner Frau zu leben und nichts zu tun und Schulden sich zahlen lassen von Menschen, gegen welche man sich benimmt wie Du gegen uns.« Da kreuzten sich, auch hinsichtlich der Nach-Cosima-Festspielleitung, die Lebenskonzepte und Lebensumstände zweier Männer  : die des Schweizer Dirigenten Beidler, der sich – ganz theoretisch gesprochen – als Mann Isoldes, also Mitglied des Wagner-Clans, auch als Festspielleiter geeignet hätte. Und auf der anderen Seite der über alles geförderte Siegfried Wagner, der zum Zeitpunkt der offiziellen Festspielübergabe 37 Jahre alt und unübersehbar schwul war. Cosima äußerte sich zu der Homosexualität ihres Sohns nicht. Es lässt sich denken, wie viel Kraft es kosten musste, das Offensichtliche als Tabu aufrechtzuerhalten. Ein offenes Schwulsein, die heutzutage oft stolz demonstrierte Solidarität der Mütter mit ihrem homosexuellen Kind, war in dem damaligen Umfeld, in der

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damaligen Zeit undenkbar. Homosexualität führte ins Gefängnis und bedeutete meistens den sozialen Tod. Die Kriminalisierung blieb bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts bestehen. Und selbst heute gibt es im seriösen E-Musikbereich nur wenige homosexuelle Männer und Frauen, die sich zu outen wagen. Siegfried Wagner wurde eine tragische Gestalt  – bei all seinem Charme und einer gewissen Überheblichkeit und Arroganz. Er wäre gern Architekt geworden, die väterlich-mütterliche Linie siegte aber letztlich, vielleicht waren Druck und Verführung zu groß. Er studierte bei Engelbert Humperdinck und Felix Mottl und hatte bereits 1896 den Ring dirigiert. Mit seinen von ihm komponierten Märchenopern befand er sich gegenüber seinem Vater letztlich in aussichtsloser Position. Im Dezember 1906 erlitt Cosima auf einer Reise einen schweren Herzanfall. Im Jahr darauf, in einem Artikel zu Cosimas 70.  Geburtstag, war in der Zeitschrift Wiener Mode zu lesen  : »Cosima Wagner, die ›ungekrönte Königin von Bayreuth‹, wie sie in den letzten Jahren oft genannt wurde, wird am 25. Dezember 70 Jahre alt. Kaum vor Jahresfrist ging die Alarmnachricht durch die Blätter, dass Cosima dem Tode nahe sei. Sie wurde auf dem Wege von Bayreuth nach Partenkirchen von einer schweren Ohnmacht befallen und geriet dann in einen lethargischen Zustand, in dem sie lange Zeit verblieb. Es war kein Schlaganfall, wie viele behaupteten, aber immerhin eine scharfe Attacke, deren Folgen eine geraume Weile nicht schwinden wollten. Eine anhaltende Herzschwäche ließ das Aergste befürchten. Der starken Natur Cosima Wagners gelang es, des heimtückischen Feindes Herr zu werden, ihr kräftiger Organismus überwand noch einmal die Gefahr des nahenden Endes. Seither lebt Frau Wagner in strengster Zurückgezogenheit, umgeben von ihrer Tochter Eva und ihrem Sohne Siegfried, die alles aufbieten, um das Leben der teuren Frau zu erhalten.« Cosimas Gesundheit war ab diesem Jahr instabil, sie brauchte Schonung, hatte aber auch Phasen, in denen sie kräftig und temperamentvoll ihre Vorhaben anging. Ihre beiden jüngsten Kinder, Eva und Siegfried, waren nicht verheiratet und lebten mit ihr in Wahnfried. Im Jahre 1908 erweiterte sich die Wagner-Familie unter den wohlwollenden Augen Cosimas um einen Ehemann für Eva  : Houston Stewart Chamberlain. Der Biologe und Publizist, Sohn einer französischen Mutter und eines englischen Vaters, aufgewachsen in London, also ein europäisches Kind wie Cosima, hatte diese bereits 1888 kennengelernt, und beide verband bald eine zunächst nur briefliche Freundschaft. Chamberlain, der sich zu einem der populärsten Rassentheoretiker entwickeln sollte und von einem unnachgiebigen, nie ruhenden Antisemitismus geprägt war, den er zur Grundlage seiner Schriften machte, wurde von Verleger Hugo Bruckmann gebeten,

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eine ausführliche Arbeit mit dem Titel Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts zu verfassen. Er fragte bei Cosima nach, wie sie ein solches Vorhaben fände, »ob ich, Houston Stewart Chamberlain, überhaupt befähigt bin, das Thema zu behandeln  ? Ja oder Nein  ? Meinen Sie, dass die Eigenschaften meiner Begabung und die Mängel derselben sich zu einem solchen Thema derartig verhalten, dass man damit ein Maximum an Leistungsfähigkeit aus mir herauspressen könnte  ?« Und nach detaillierter Beschreibung schloss er  : »Dessen kann ich Sie versichern, hochverehrte Meisterin, Ihr ›nein‹ wäre mir eine kleine Enttäuschung, aber eine große Erlösung.« In Cosimas Antwort stand ein »dezidiertes, enthusiastisches Ja«, angereichert mit konkreten Anregungen. Das Buch, das Chamberlain von Cosima absegnen ließ, wurde eine der einflussreichsten kulturgeschichtlichen Darstellungen im deutschsprachigen Raum mit 29 Auflagen bis zum Jahr 1945, übersetzt in viele Sprachen, eine dem Anspruch nach abendländische Geschichte – geschrieben aus einem rassentheoretischen Ansatz, der Geschichte als Kampf der Rassen erklärt und nach damaligem Verständnis die germanische Rasse gegen die jüdische ausspielt. Chamberlain wurde von völkisch oder nationalistisch orientierten Menschen mit Begeisterung gelesen, sogar Kaiser Wilhelm II. soll ihn bewundert haben. Ein Buch, das alle konservativen und antisemitisch eingestellten Schichten höchst befriedigte. Das gesamte Themen­ spektrum umfasste einen breiteren Rahmen, sodass, wie Chamberlain-Biograf Udo Bermbach meint, dem Autor damals nicht nur das gebildete und antisemi­ tisch gestimmte Bürgertum zusprach, sondern auch »zahlreiche und in ihren Disziplinen führende Wissenschaftler und Gelehrte dieser Zeit, die nicht alle der Rassentheorie anhingen und nicht alle aggressive Antisemiten waren«. Cosima aus ihrer Sicht natürlich auch. Sie lobte die »besonnene und überzeugende Behandlung der Rassenfrage« und ergänzte  : »Sie sind der erste, der die Kühnheit hat, die Wahrheit auszusprechen, daß der Jude ein wesentlicher Faktor unserer jetzigen Kultur ist, und daß man demnach genau untersuchen muß, wer er ist.« Chamberlain, ein großer Wagner-Verehrer – er wird als nächstes sogar eine Wagner-Biografie schreiben  –, wurde von Siegfried Wagner bei einem Treffen in Wien im Jahr 1908 persönlich zu den Festspielen eingeladen, die er seit 1900 nicht mehr besucht hatte. In eben diesem Festspielsommer kommen sich Eva und Chamberlain näher, nachdem er, wie Gerüchte besagen, vorher anderen Verbindungen mit anderen Cosima-Töchtern nicht abgeneigt gewesen wäre. Im Dezember 1908 heiraten beide, zunächst standesamtlich in Bayreuth, später kirchlich in Zürich. Mit Chamberlain hat sich Cosima einen neuen Mann ins Haus geholt. Der Schwiegersohn, gebunden an die sie umsorgende Tochter, steht täglich für Kon-

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versation zur Verfügung – ein geduldiger, wissbegieriger und sich geehrt fühlender Gesprächspartner. Das Paar wohnt zunächst mit ihr in Wahnfried. Chamberlain, der Erfolgsautor und für eine Karriere als Vortragender und Gelehrter geradezu bestimmt, ordnet sich von vornhinein deutlich unter. Noch von der Hochzeitsreise schreibt er an Cosima, sie möge erlauben, dass er sich »nach und nach zu einem stillen, wenig bietenden, aber gern geduldeten Sohn auswachse«. Cosima wird tatsächlich für Chamberlain eine Mischung aus Mutter, zweiter Erscheinung des »Meisters« und gescheiter Gesprächspartnerin, die ihn in den innersten Kreis in Wahnfried integriert. Als er seine Wagner-Biografie schreibt, liest Cosima gegen, regt an, lobt. Sie kann zufrieden sein mit diesem Zuwachs ihrer Familie, der bis zu seinem Tod ihre Nähe, ihre Autorität sucht, höchstens diskutierend widerspricht und in seiner mehrnationalen Herkunft dennoch wie Cosima merkwürdig verbohrt und eng die nationalistische Position pflegt. Beide hätten guten Grund, eine europäische Kultur zu vertreten, waren sie doch in den unterschiedlichsten Ländern mit wechselnder Sprache unterwegs, könnten den weiten Blick erworben haben. Aber – vielleicht gleichermaßen entwurzelt – pflegten beide auf ihre Weise eine Über-Identifikation mit der deutschen Heimat, der deutschen Sprache, der Nähe zu den germanischen Wurzeln – und einen unerbittlichen Antisemitismus. Chamberlain war dabei ein Mann der guten Manieren, zwar leistungsorientiert, aber eher weich, sowohl in seinen Zügen als auch in seinen überhöflichen Äußerungen zu »Mama« Cosima. Das Jahr 1914, Cosima ist inzwischen 76 Jahre alt, bringt Aufregung und Unruhe. Das Zerwürfnis mit Isolde und deren Mann führt zu dem spektakulären und für alle Beteiligten beschämenden Beidler-Prozess, in dem Isolde um die Bestätigung des Offensichtlichen ringt  : nämlich dass sie die leibliche Tochter Wagners ist. Isolde ist Wagner wie aus dem Gesicht geschnitten, niemand glaubt ernsthaft, dass sie ein Bülow-Kind sein könne. Sie will auch juristisch zur Familie gehören und für ihren Sohn und ersten Wagner-Enkel die Erbfolge sichern. In der langen Auseinandersetzung greift Isolde schließlich zu dem erpresserischen Druckmittel, die Homosexualität Siegfrieds öffentlich machen zu wollen. Chamberlain, immer auf der Seite Cosimas, beschwert sich in einem Brief, dass Isolde und ihr Mann den »geborenen Forterhalter des Bayreuther Werkes«, nämlich Siegfried, zu vernichten suchten. Es ist heute kaum noch zu ermessen, welche Schmach und welchen Schmerz es aus Cosimas Sicht bedeutet hätte, den einzigen Sohn, den mütterlich liebend immer überschätzten, mühsam und mit großem persönlichen Einsatz aufgebauten neuen Leiter der Festspiele als schwul zu outen. Chamberlain schrieb wiederum an Adolf

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von Groß  : »Jeden Tag ruft mich die hohe, angebetete Mama, und ergänzt ihre Weisungen. Sie weiss ganz genau, was sie will, und wie sie es will. Wenn ich es ungeschminkt aussprechen darf, es handelt sich – wenigstens zum Theil – um einen Kampf um ihr eigenes Leben.« Cosimas Haltung zu Siegfrieds Homosexualität ist nicht bekannt, mit ziemlicher Sicherheit aber hätten sie und der ihr zur Seite springende Chamberlain grundsätzlich eine eher ablehnende Haltung gehabt, hätte es nicht das so nahe Familienmitglied getroffen. Cosima und Teile der Familie waren zur Zeit des Prozesses – sicherheitshalber  ? – nicht in der Nähe, sondern im italienischen Bordighera. Als die Klage vor dem Landgericht Bayreuth am 19. Juni 1914 abgewiesen wird, ist Isolde vernichtet. Sie hat die offene Konfrontation mit Cosima gesucht, juristisch schlecht beraten, und zerbricht an dieser Kündigung des Familienzusammenhangs. Schwer erkrankt an Tuberkulose und unter großer psychischer Last stirbt Isolde am 7. Februar 1919 in München. Sie hatte immer als Cosimas Lieblingstochter gegolten. Es ist offensichtlich, dass Cosima in Abwägung diese Tochter opferte zugunsten der Sohnesliebe und der Festspiel­idee. In den Pressestimmen zum Prozess 1914 überwogen hämische Töne. So bezeichnete der Publizist Maximilian Harden Cosima als »starke und männisch kluge, kalte und böse Königin«. Und weithin wurde in den Zeitungen die Frage erörtert, wann Cosima denn damals, vor fast fünfzig Jahren, mit wem geschlafen habe, vielleicht gar mit beiden Männern  ? Die Abweisung der Klage ersparte es der alt gewordenen Frau, sich dazu äußern zu müssen. 1914 ist auch ein Festspieljahr. Als am 28. Juni der österreichische Thronfolger in Sarajewo ermordet wird, hat dies zunächst keine Folgen für die Festspielpremiere des Fliegenden Holländer am 22. Juli. Nach einem Ring-Zyklus, zwei Parsifal- und zwei weiteren Holländer-Vorstellungen allerdings müssen die Festspiele abgebrochen werden. Am 1. August 1914 war die Kriegserklärung Deutschlands an Russland, am 3.  August an Frankreich ergangen. Die Sängerin Anna Bahr-Mildenburg erinnerte sich  : »Erst die Probenzeit mit der Schreckenskunde von Sarajevo, darauf die ersten Vorstellungen und dann das jähe Ende, der Krieg  !« In diesem Brief an ihre Kollegin und Freundin Ernestine Schumann-Heink beschrieb sie sehr überschwänglich noch ein letztes zufälliges Treffen mit Cosima in Bayreuth, zusammen mit der zweiten Bülow-Tochter. Blandine »kam mir entgegen und bat mich schnell und leise  : ›Nur nicht zu lange, Mama soll sich nicht aufregen  !‹ Damit ließ sie mich ins Auto hinein und da lag Frau Wagner auf einem Ruhebett ausgestreckt. Das vergeistigte, schmale, blasse Gesicht sah leidend aus, die Augen waren entzündet, und ich mußte mit Schmerz ihrer Tochter recht geben  :

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36  Cosima mit dem 1917 geborenen Enkel Wieland auf ihrem Schoß, dem ältesten Kind von Siegfried und Winifred Wagner, vermutlich aufgenommen im Kindersaal in der oberen Etage von Haus Wahnfried, wo Cosima sich im Alter hauptsächlich aufhielt.

Frau Wagner war wahrlich schonungsbedürftig. Und doch kam es anders, […] denn diese schönen, armen, rotgeränderten Augen da drinnen im Auto grüßten so gütig und warm, und ebenso kamen mir die schlanken, sprechenden Hände entgegen, und dann zog mich die Frau an sich, und es war eine so wunderbar schöne, liebevolle Zärtlichkeit, die mich da willkommen hieß, daß ich trotz aller Ermahnungen recht unvernünftig und überschwenglich über sie herfiel und dann, wohl etwas schuldbewußt, aber doch froh und glücklich, unter den uralten Bäumen zur Eremitage weiterfuhr.« Und sie schließt den Brief an ihre Freundin mit Nachdruck  : »Ja, die Frau kann einen in Atem halten, gelt Tini  !« Im Folgejahr 1915 gelingt der Heiratspolitik von Cosima ein unabsehbarer Erfolg, indem Siegfried Wagner nicht nur die achtzehnjährige Winifred Williams heiratet, sondern durch sie und mit ihr vier Kinder auf die Welt kommen, die den Ruch der Normalität wahren und die angedachte Familiendynastie stärken. Winifred wird in mehrfacher Hinsicht in Cosimas Fußstapfen treten, indem sie nach ihrem Mann die Festspielleitung übernimmt und überhaupt auch die Energie und Befähigung besitzt, das Festspiel- und Familienimperium erfolgreich voranzubringen.

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Anno 1915 aber verschiebt sich zunächst einmal das Binnengefüge der Familie, weil neben den beiden »alten« Cosima-Töchtern Daniela und Eva samt Ehemann Chamberlain nun Winifred die für den »Königssohn« Siegfried Zuständige wird. Chamberlains ziehen bald aus, in eine benachbarte Villa. Die junge Winifred ist mit einem guten Selbstbewusstsein gesegnet, und Cosima ist letztlich glücklich über deren praktische Entschlusskraft, den Berliner Humor und die Loyalität zu Siegfried, dem Paradiesvogel. Cosima teilt in ihrer übergroßen Orientierung an Deutschland die Kriegsbegeisterung, die weite Teile der Bevölkerung erfasst hatte. Immer grundüberzeugt vom deutschen Kriegsglück zeichnet sie mit Chamberlain auf einer großen Landkarte den Verlauf der jeweiligen Fronten ein. Die deutsch-national-konservative Schiene zwischen diesen beiden eigentlich »feindlichen Ausländern« funktionierte, weil sie sich in ihren Identifikationen gegenseitig bestärkten und ergänzten. Chamberlain erkrankt bald schwer an Parkinson, sein neues Zuhause wird auch sein Krankheitsgefängnis, in dem ihn Cosima ab und zu nachmittags besucht, jedenfalls solange der zunehmend an Lähmungen Leidende noch sprechen kann. In Wahnfried wird indessen Wieland Wagner geboren. Es heißt, Cosima habe aus diesem Anlass auf dem alten Steinway-Flügel Wagners das Siegfried-Idyll angespielt, das zu Siegfrieds Geburt in Tribschen entstanden war. Zu ihren Enkeln Wieland, Friedelind, Wolfgang und schließlich Verena soll Cosima ein herzliches und geduldiges Verhältnis gehabt haben. Die Festspiele fallen während der Kriegsjahre aus und beginnen erst wieder im Jahre 1924. Cosima kann sich langsam entspannen. Sie nimmt ab und zu noch an Proben in Wahnfried teil. So berichtete der Tenor Lauritz Melchior aus eben diesem Jahr  : »Da war ein kleiner Saal mit einer Galerie. Und oben saß eine weißgekleidete Dame wie ein Gespenst. Blaß war sie  ; bleich und mit Schleier. Sie war also die Tochter Liszts, die frühere Frau Bülows und die Witwe Wagners. Sie stieg nicht auf die gleiche Ebene mit uns herab. Wenn wir unten arbeiteten, Siegfried und ich, hörten wir es husten und rascheln. Sofort ging Siegfried zur Galerie hinauf. Kehrte er zurück, so sagte er  : ›Mama will …‹ Und das alles waren keine schlechten Anweisungen. So haben wir geübt, geprobt, gearbeitet. Und zum Schluß hieß es, Cosima werde ein letztes Mal zum Festspielhügel fahren. Sie wollte mich auf der Bühne sehen. Sie wollte kontrollieren, ob ich nichts vergessen hätte.« In diesem Jahr besuchte Cosima die Festspiele zum letzten Mal, mit 86 Jahren. Cosima lebte zunehmend in der Erinnerungssphäre Wagners und konnte jede grundsätzliche Erschütterung ihres Welt- und Lebensbildes meiden. Die politischen Änderungen mit der Abschaffung der Monarchie und dem Beginn der

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37  Skizze von der greisen Cosima, die Max Slevogt am 19. August 1928 heimlich anfertigte, auf Wunsch von deren Tochter Blandine.

Weimarer Republik interessierten sie nicht mehr essenziell. Schon gar nicht die kulturelle Revolutionsstimmung im Theater- und Musikbereich. Niemand in ihrem Umfeld sah sich progressive Berliner Inszenierungen an oder sprach gut von den neuen Entwicklungen. Der aufregende und anregende Umkreis wurde kleiner. Als Ende September 1923 ausgerechnet in Bayreuth der »Deutsche Tag« von der noch kleinen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) mit Adolf Hitler persönlich begangen wird, schaut der kranke Chamberlain aus dem Fenster und von der Terrasse begeistert zu, an seiner Seite Cosima, »die bei den Chamberlains weilte«. Die Familie ist von Hitler entzündet, allen voran Schwiegertochter Winifred, die ihm nach dem Münchner Novemberputsch in die Festungshaft Päckchen schickt. Auch Chamberlain und seine Frau Eva werden NSDAP-Mitglieder. Es ist davon auszugehen, dass Cosima die Tagespolitik nicht mehr mit großer Aufmerksamkeit verfolgte, aber mit Hitler als »Hoffnungsträger« voll einverstanden gewesen sein dürfte. Sie war einerseits voller Kritik an den Entwicklun­ gen der neuen Zeit, wie sie die Weimarer Republik kulturell an Nüchternheit, Reduktion und Abstraktion mit sich brachte  – alles Begriffe, die ihrem Verständnis von Wagners Werk überhaupt nicht entsprachen. Gleichzeitig war sie

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aber immer zu begeistern gewesen für  – ausschließlich  – Männer, die sie als energisch, autoritativ, entschlossen empfand. Hitler hat in diesem Sinne definitiv dazugehört, auch wenn wir nicht mehr von einer ausführlichen persönlichen Politdebatte mit Cosima um diese Zeit ausgehen können. Sie war alt und hinfällig, und die nachfolgende Generation, allen voran Winifred, Siegfried und Cosimas Töchter Eva und Daniela, setzten auf die nationalsozialistische Idee und den Wagnerianer Hitler. Die Kombination aus Hitlers Musikliebhaberei, seiner persönlichen Wagner- und Bayreuth-Verehrung, der Großsprecherideologie, ergänzt durch einen unerbittlichen, in vielen Wahnfried-Ohren »mutigen« Antisemitismus, schien in die Atmosphäre der Wagner-Familie ganz genau zu passen. Welche Verbrechen Hitler anstiften und legitimieren würde – im Hinblick auf die Zerstörung von Völkern, Städten und Kulturen, erst recht im Hinblick auf die Judenvernichtung – hätte man in Wahnfried für eine böse Verleumdung gehalten. Und es bleibt Spekulation, eine Reaktion Cosimas darauf zu imaginieren. Cosimas Schwiegertochter Winifred allerdings wird sich sehr eindeutig für Hitler positionieren, ihn feiern lassen während der Festspiele und auch nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Loyalität zu ihm aufrechterhalten. Chamberlain, Cosimas Schwiegersohn und weltanschaulicher Begleiter der letzten Jahre, starb, inzwischen verstummt und gelähmt, im Januar 1927. Cosima-Tochter Eva, seine Frau, hatte ihn bis zur eigenen Erschöpfung gepflegt, immer wechselnd ins Elternhaus Wahnfried zur Mutter. Eva führte minutiös Tagebuch über alle sich häufenden Gebrechen ihres Mannes und deren Behandlung, sie sah sich darin als Chronistin. Bei seinem Begräbnis war Trauerbeflaggung in Bayreuth zu sehen, SA-Männer in Uniform drängten sich erfolgreich danach, Chamberlains Sarg zu tragen. Was für ein Ende. Cosimas Gesundheitszustand wechselte, sie konnte kaum noch sehen, ließ sich ab und zu vorlesen. Ihre langjährige Zofe Dora Glaser sorgte für sie, auch sie inzwischen älter, zwei alte Frauen. Was ist von der bald über 90-Jährigen zu berichten, ohne voyeuristisch zu sein  ? Sie träumte viel, lag sorgfältig gekleidet auf ihrer Chaiselongue. Die äußeren Ereignisse werden ihr verschwiegen, danach fragen kann sie nicht  : der Tod Chamberlains, ihr eigener runder Geburtstag, zu dem das Haus viele Glückwünsche und Geschenke erreichen, und sogar der Tod Isoldes, ihrer verstoßenen Lieblingstochter, waren ihr nicht vermittelt worden. Es soll zwischen Cosima und ihrer Tochter Blandine, notiert von Eva am 21. Mai 1929, folgenden Dialog gegeben haben  : »›Wo ist Loldi  ?‹ Bl.: In Davos (längere Pause). ›Loldi ist ja gestorben.‹ Bl.: Ja Mama, sie ist schon lange erlöst. ›Wo ist sie begraben  ?‹ Bl.: In München, wo sie zuletzt lebte. ›Das weiß ich  : in München‹ (lange Pause darauf ).«

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38  Der Sargwagen Cosimas vor dem Festspielhaus am 3. April 1930, bevor ihr Leichnam nach Coburg zum Krematorium gebracht wurde.

Der Übergang wird ein langsames Verlöschen gewesen sein. Am 1. April 1930 um zehn Uhr vormittags stirbt Cosima mit 92  Jahren. Sie soll in ihren Phantasien Vater und Mutter und Großmutter noch gesehen haben. Ihr Sohn Siegfried ist zu diesem Zeitpunkt in Mailand, um den Ring zu inszenieren. Winifred wusste um Cosimas sterbenden Zustand, ließ es Siegfried aber nicht wissen, um ihn zu schonen. Cosima wird im Gartensaal von Wahnfried aufgebahrt, die Anteilnahme ist riesig. Weit über tausend Kondolenzschreiben treffen ein, der abgedankte Kaiser Wilhelm II. schreibt ebenso wie Richard Strauss und Alma Mahler-Werfel. Wieder ist Bayreuth in Trauerbeflaggung. Der Bach-Choral »Wenn ich einmal soll scheiden« ist noch in Wahnfried zu hören, dann wird ihr Sarg in einem schwarzen Baldachinwagen zur Stadtkirche gezogen. Wie bei einem Staatsbegräbnis gehen Hunderte von schwarz gekleideten Menschen diesen Weg mit, an den Straßenseiten stehen die Einheimischen. Schülerinnen singen »Ach bleib mit deiner Gnade« und ein Frauenchor das »Heilig, heilig, heilig« aus der Deutschen Messe von Franz Schubert. So viel Vorbereitungen und Ehrerbietungen aus dem bürgerlichen Bayreuth, ein Zeichen für Cosima selbst, gewiss. Aber vielleicht auch der endgültige Abschied vom Gründerpaar Richard und Cosima. Ähnlich einem Brauch in Wien, wo die wichtigen Schauspieler und Schauspie-

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lerinnen nach ihrem Tod um das Burgtheater getragen werden, macht der Leichenwagen noch einmal Halt vor dem Festspielhaus, bevor die tote Cosima zum Krematorium nach Coburg gefahren wird. Und dort, am Schluss, dort ist doch noch Wagners Musik zu hören, der Pilgerchor aus Tannhäuser und, als der Sarg abgesenkt wird, ein Stück aus dem »Karfreitagszauber« des Parsifal. Ihre Urne wird später am Kopfende von Wagners Grab im Park von Wahnfried beerdigt. Cosimas Tod kann niemanden überrascht haben. Hans von Wolzogen, der ihr sehr ergebene Herausgeber und häufige Autor der Bayreuther Blätter, schrieb in einem der vielen Nachrufe  : »Cosima Wagner. Der Name bedeutet uns Unaussprechliches. Man denkt wohl an ›die einzigste Gestalt‹, an eine ganze geistige Welt, an eine ganze große Zeit – dies alles ist uns innerhalb der Zeit entschwunden, entrissen, versunken. […] Nur drei Worte […], die das einzig große Leben umfassen  : Persönlichkeit – Bestimmung – Werk. […] Ihr sei Dank für das große Leben, wofür es nur noch Verklärung giebt, aber keinen Tod.« Und die Familie gibt zur Kenntnis  : »Den werten Vorständen und Mitgliedern aller Vereinigungen im Dienste unserer Sache, welche uns bei dem Hinscheiden unserer geliebten Mutter ihre Teilnahme so gütig ausgesprochen haben, sagen wir in diesen unseren ›Blättern‹ von ganzem Herzen unseren Dank. Wahnfried.« Es ist ein Generationenabschied. Richard und Cosima Wagner symbolisierten den Ursprung der Festspielidee, ihre Utopie, ihren Erfolg. 1876, vor 54 Jahren, hatte es die ersten Festspiele gegeben, 1883, vor 47  Jahren, war Wagner gestorben. Der Einfluss Cosimas hatte sich überlebt. Es war bei aller Trauer der Getreuen vielleicht ein Gefühl von Veränderung und Aufbruch zu ahnen. Eine notwendige Änderung von Cosimas »Styl«, ein anderer Wind, der verhängnisvollerweise die Gegenwart mit dem Aufkommen der Nazis teilte. Im Sommer 1930 fanden so die ersten Festspiele ohne Cosima statt, und es wurden auch die letzten Festspiele für Siegfried. Der 61-jährige »Königssohn« überlebte seine starke, bestimmende, ihn unbedingt loyal liebende Mutter nur um ein paar Monate. Er starb im selben Jahr, am 4. August 1930. Seine 33-jährige Frau und Witwe, Winifred Wagner, übernahm die Festspielleitung von ihm und entwickelte sich zu einer resoluten, praxisorientierten, geschäftstüchtigen Chefin des Hauses Wahnfried, freundschaftlich gebunden an den größten Verbrecher des 20. Jahrhunderts, Adolf Hitler. Während der letzten Lebensjahre Cosima Wagners protokollierten die Töchter Daniela und Eva in Briefen und Niederschriften immer wieder deren Zustände und Aussagen  : »Die Phantasien«, schrieb Eva Chamberlain im Herbst 1927 an Anna Kekulé, »nehmen einen fast beängstigenden Verlauf durch ihre Eindring-

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39  Figurine von Paul von Joukowsky für die Rolle der Kundry im 2. Akt Parsifal, Entwurf zur Bayreuther Uraufführung 1882.

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lichkeit u. Rastlosigkeit, dabei oft so grossartig fesselnder Art, immer inmitten von künstlerischer Arbeit, eine Kundry wurde zumeist einstudiert u. ein Kapellmeister zurechtgewiesen  !« Mit dieser Frauenrolle aus Wagners Parsifal hatte sich Cosima jahrelang, immer wieder und neu, bis ins kleinste Detail beschäftigt, und ihre Proben galten den Sängerinnen als wichtige Orientierung. Kundry ist einzigartig im Wagner-Kosmos, ein Irrwisch, eine Mischung aus Tier und Mensch, aus Göttin und Dienerin, aus Luftgeist und Zauberin, eine Gestalt, die sich aus dem Erdigen in eine Verführungsikone verwandeln sollte – eine mächtige und gleichzeitig sich unterwerfende Frauenfigur, die Cosima sehr fasziniert hat. Sie habe sie bei Proben wunderbar darstellen können. Diese Rolle band sie auf ganz persönliche Weise an das Werk ihres Mannes, indem sie ihr auf der Bühne zur Gestaltung verhalf – ein Wesen, das die Enge der Frauenrolle absolut sprengte. Wagner hatte sich diese Wege ausgedacht. Ihnen zu folgen konnte eine vertraute Nähe mit ihm herstellen, aber auch eine Möglichkeit, sich selbst zum Ausdruck zu verhelfen. Was bleibt  ? Cosima war keine Heerruferin für ein Befreiungskonzept für Frauen, schon gar nicht konkret eine Sprecherin für ihr Geschlecht und dessen Emanzipation. Und dennoch steht Cosima Wagner in ihrer Zeit mit all den Ungehorsamkeiten, persönlichen Befreiungsschlägen, ihrer Selbstverantwortung, ihrer Ungebundenheit bei gleichzeitiger Bindungsleidenschaft, ihrer Selbstständigkeit, ihrer Hartnäckigkeit und ihrer unbeirrbaren Klarheit als Person des öffentlichen Interesses für ein provokantes und auf ihre Weise selbstbestimmtes Leben jenseits vorgegebener Regeln und Normen.

Stammbaum der Familie Cosimas

Cosimas Familie

Maria Anna Laager

Adam Liszt

oo

16.12.1776–26.8.1827

9.5.1788–6.2.1866

Alexandre de Flavigny

Blandine Liszt

31.12.1805–5.3.1876

Daniel Liszt

Cosima

9.5.1839–13.12.1859

24.12.1837–1.4.1930

oo 1857

oo 1870

Hans von Bülow

Richard Wagner

8.1.1830–12.2.1894

Daniela

Maria Elisabeth Bethmann

21.7.1772–28.1.1847

Marie d’Agoult, geb. Flavigny

Franz Liszt

22.10.1811–31.7.1886

18.12.1835–11.9.1862

oo

11.9.1770–8.10.1819

Blandine

22.5.1813–13.2.1883

Isolde

Eva

Siegfried

12.10.1860–28.7.1940

20.3.1863–4.12.1941

10.4.1865–7.2.1919

17.2.1867–26.5.1942

6.6.1869–4.8.1930

Henry Thode

Biagio Gravina

Franz Philipp Beidler

Houston Stewart Chamberlain

Winifred Williams

oo

13.1.1857–10.11.1920

oo

5.12.1850–14.9.1897

Manfredi

14.6.1883–19.9.1932

Maria Cosima

oo

29.3.1872–15.1.1930

Franz Wilhelm

16.10.1901–3.8.1981

oo

9.9.1855–9.1.1927

oo

23.6.1897–5.3.1980

Wieland

5.1.1917–17.10.1966

Friedelind

19.9.1886–7.4.1929

29.3.1918–8.5.1991

17.10.1890–23.11.1972

30.8.1919–31.3.2010

1.2.1896–14.12.1931

2.12.1920–19.4.2019

Gilberto Guido

Stammbaum_Cosima_linke_Seite_korr2.indd 1

Wolfgang Verena

22.02.2022 11:45:44 Uhr

Abkürzungen

BSB CWDvB CWHC CWEF CWHL CWAP CWT NA RWML RWSB

Bayerische Staatsbibliothek München. Max Freiherr von Waldberg (Hg.), Cosima Wagners Briefe an ihre Tochter Daniela von Bülow 1866–1885, Stuttgart und Berlin 1933. Paul Pretzsch (Hg.) Cosima Wagner und Houston S. Chamberlain im Briefwechsel 1888–1908, Leipzig 1934. Maren Goltz/Herta Müller (Hg.), Königin und Täubchen. Die Briefe von Cosima Wagner an Ellen Franz/Helene von Heldburg, München 2014. Dieter Steil (Hg.), »…  unsere Kunst ist eine Religion  …«. Der Briefwechsel Cosima Wagner–Hermann Levi, Baden-Baden 2018. Claudia Graciela Petersen (Hg.), An die »theuerste Nichte«. Cosima Wagner im Spiegel ihrer Korrespondenz mit der Hamburger Bürgermeistertochter Antonie Petersen, Leipzig 2020. Cosima Wagner, Die Tagebücher, 2  Bde., hg. von Martin Gregor-Dellin und Dietrich Mack, München/Zürich 1976/77  ; Einträge nach Datum. Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth. Richard Wagner, Mein Leben, 2 Bde., München 1969. Richard Wagner, Sämtliche Briefe, hg. von der Richard-Wagner-­ Stiftung Bayreuth, Leipzig (Bde. 1–9) bzw. Wiesbaden (ab Bd. 10) 1967 ff.; bisher erschienen sind 26 Bände.

Anmerkungen nach Kapiteln

Um im Text Anmerkungsziffern zu vermeiden, erfolgt der Nachweis der kurz wiedergegebenen Zitat-Anfänge bzw. Zitate entsprechend der Seite, auf der sie sich befinden. Die Schreibweise der Zitate entspricht der jeweiligen Quelle, offensichtliche Schreibfehler wurden in der Regel belassen und nicht korrigiert. Die Quellen werden zu jedem Kapitel erst ausführlich, dann in Kurzform genannt. Ouvertüre 7 Diese Bezeichnungen sind eine Auswahl der Kosenamen Richard Wagners für Cosima, in  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, Band 1 bzw. Band 2, München/Zürich 1976 bzw. 1977. »O Kosel, O Kosel, mein holdes Getosel  !«  : CWT Bd. 1, 11.9.1873, S. 627. »gutes Mirakel«  : CWT Bd. 1, 30.11.1870, S. 317. »meine schöne Nachbarin«  : CWT Bd. 1, 27.11.1870, S. 317. »ewiges Preislied meines Lebens«  : CWT Bd. 1, 13.11.1870, S. 312. »Elisabeth, Elsa, Isolde, Brünnhilde, Eva in einer Person«  : CWT Bd. 1, 29.10.1870, S. 306. »Cosima Helferica Wagner«  : CWT Bd. 1, 28.8.1870, S. 278. »Schwester des Königs von Bayern«  : CWT Bd. 1, 24.6.1870, S. 249. »Zentralsonne«  : CWT Bd. 1, 16.6.1870, S. 246. »mein Stölzchen«  : CWT Bd. 1, 16.6.1870, S. 245. »Kapellmeisterin meines Lebens«  : CWT Bd. 1, 23.5.1870, S. 234. »meine Melodie«  : CWT Bd. 1, 27.11.1870, S. 317. »liebe Unentbehrlichkeit«  : CWT Bd. 1, 7.4.1870, S. 217. »gute Glucke«  : CWT Bd. 1, 23.1.1870, S. 191. »mein Urta-Quell«  : CWT Bd. 1, 26.12.1871, S. 470. »causa efficiens und finalis, Grund und Ursache des Lebens«  : CWT Bd. 1, 4.12.1871, S. 465. »Cosima, la Dieudonnée«  : CWT Bd. 1, 6.6.1871, S. 395. »mein gutes Bewußtsein«  : CWT Bd. 1, 25.5.1870, S. 234. »Salamander«  : CWT Bd. 1, 29.5.1871, S. 393. »mein Kothurn, meine Krücke, mein Stolzchen«  : CWT Bd. 1, 25.2.1871, S. 362. »Mater Gloriosa, Mater Amorosa«  : CWT Bd. 1, 30.12.1872, S. 619. »mein englischer Kupferstich«  : CWT Bd. 1, 23.2.1871, S. 361. »Neoterpe«  : CWT Bd. 1, 24.10.1872, S. 584. »Waldweibchen«  : CWT Bd. 1, 25.8.1872, S. 566. »meine gute Hälfte«  : CWT Bd. 1, 10.2.1871, S. 354. »Fons amoris«  : CWT Bd. 1, 31.9.1873, S. 720. »Lebensspenderin«  : CWT Bd. 1, 17.7.1870, S. 258. »Melusine«  : CWT Bd. 1, 10.6.1873, S. 693.

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Anmerkungen nach Kapiteln »meine Kaiserkrone«  : CWT Bd. 1, 30.1.1871, S. 349. »Justitia, Sapienzia, Poesia«  : CWT Bd. 1, 23.1.1873, S. 631. »meine Lotos-Blume«  : CWT Bd. 1, 29.9.1874, S. 848. »Gazelle«  : CWT Bd. 1, 18.5.1875, S. 918. »meine Sonne zu allen Tageszeiten«  : CWT Bd. 2, 23.11.1878, S. 238. »mein Allah und Alles«  : CWT Bd. 2, 3.10.1878, S. 189. »mein schlankes Glück«  : CWT Bd. 2, 7.9.1878, S. 171. »Römische Patrizierin«  : CWT Bd. 2, 27.5.1878, S. 99. »das ganze Wahnfried«  : CWT Bd. 2, 19.3.1878, S. 64. »mein Barometer«  : CWT Bd. 1, 20.1.1871, S. 344. »Paradeta«  : CWT Bd. 2, 1.5.1878, S. 90. »Webia, Urlögtrygia, Allerseelen-Weib«  : CWT Bd. 2, 2.11.1879, S. 436. »mein Bel âge, Belgiojoso«  : CWT Bd. 2, 26.11.1880, S. 625. »Schönheits-Müllerin«  : CWT Bd. 2, 18.9.1881, S. 795. »Napoleon«  : CWT Bd. 2, 8.6.1879, S. 362. »mein Alles’chen«  : CWT Bd. 2, 27.6.79, S. 372.

Kapitel 1  : Vorstellung Keine Anmerkungen Kapitel 2  : Eine Erscheinung 15 »Das moderne Straßenkleid«  : Walther Siegfried, Frau Cosima Wagner, Stuttgart 1930, S. 94. 15 »Genovefen-Haar«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 1, 21.3.1869, S. 74. 15 »seidiges, spinnwebfeines, lockiges Haar«  : Anna Bahr-Mildenburg, Erinnerungen, Wien/Berlin 1921, S. 77. 15 »blond, groß und graziös« bis »hat nie Wolken gekannt.«  : Vgl. Willi Schuh (Hg.), Die Briefe Richard Wagners an Judith Gautier, Erlenbach-Zürich/Leipzig o. J. (1936), Einleitung, S. 40 f. 15 »Bei der ersten Begegnung überraschend«  : Siegfried, Frau Cosima, S. 101. 15 »die fast allgemein als harmonisch«  : Franz Wilhelm Beidler, Cosima Wagner-Liszt. Der Weg zum Wagner-Mythos, Bielefeld 1997, S. 80 f. 16 »Wagner mit jedem Schritte Besitz von der Welt ergreifend«  : Siegfried, Frau Cosima, S. 91. 16 »An der Eingangstür der Halle empfing Frau Wagner«  : Bahr-Mildenburg, Erinnerungen, S. 68. 16 »lehnte Frau Cosima sich bei Tische nie an«  : Siegfried, Frau Cosima, S. 96  ; Mme Patersi = Louise-­ Adélaïde Patersi de Fossombroni, Gouvernante. 17 »Aber nun öffnete sich zum Glück die Tür«  : Bahr-Mildenburg, Erinnerungen, S. 60 f. Kapitel 3  : Widersprüchliche Herkunft 19 »Und ich litt, was gar nicht« bis »Beherrschung der öffentlichen Meinung«  : Marie d’Agoult, Meine Freundschaft mit Franz Liszt, Dresden, 2. Auflage 1930, S. 251 f.

Anmerkungen nach Kapiteln 

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19 »Vom Tage meiner Hochzeit an«  : d’Agoult, Freundschaft, S. 31. 19 »Die Religion bot mir ihre Tröstungen an«  : d’Agoult, Freundschaft, S. 35 f. 20 »Hochgewachsen und überschlank«  : d’Agoult, Freundschaft, S. 39 f. 20 »warf einige Bemerkungen über die Exzentrizitäten«  : d’Agoult, Freundschaft, S. 41 f. 20 »Ich hatte bei dem Künstler«  : d’Agoult, Freundschaft, S. 42 f. 21 Die zwei ziehen im September 1827 nach Paris  : Vgl. Julius Kapp, Liszt, 15.–18. Auflage, Berlin 1922, S. 26. 21 »Stubenmagd bey der Frau von Kurzbeck, geb. von Krems«  : http://michaelorenz.blogspot.com/2012/ 10/an-unknown-grandmother-of-liszt.html, letzter Zugriff 3.1.2022. 22 »[…] nur mit Widerwillen ertrug ich«  : Franz Liszt an George Sand 1837, zit. Kapp, Liszt, S. 28 f. 22 »Die Haare trugen sie alle lang à la Liszt«  : Kapp, Liszt, S. 47. 22 Musicien-philosophe, né au Parnasse, venant du Doute, allant à la Verité = Musiker-Philosoph, geboren im Parnass, vom Zweifel kommend und auf dem Weg zur Wahrheit. 23 »Liszt kam nämlich sehr aristokratisch verwöhnt hier an«  : Robert Schumann an Clara Wieck, 22.3.1840, zit. Kapp, Liszt, S. 73 f. 23 »Leider ist Franz wieder einmal recht melancholisch«  : Marie d’Agoult an George Sand, 9.6.1839, zit. Kapp, Liszt, S. 66. 24 »Meine Leidenschaft für Franz«  : d’Agoult, Freundschaft, S. 70. 27 »Ich hatte immer den Hang«  : d’Agoult, Freundschaft, S. 249. 27 »Auf dem Tisch lagen Löschblatt und Bleifeder«  : d’Agoult, Freundschaft, S. 230. 28 »Aber in dem Lande Coppets«  : d’Agoult, Freundschaft, S. 211 f. 28 »Mein Essai ›Über die Freiheit‹, versetzte ihn in Zorn«  : d’Agoult, Freundschaft, S. 221. 28 »Man macht viel Wesens von der Mutterliebe«  : d’Agoult, Freundschaft, S. 99. 29 »Meine Kinder wurden mir gewaltsam genommen«  : d’Agoult, Freundschaft, S. 236. 29 »Ich wollte mich nicht von meinen Kindern trennen«  : d’Agoult, Freundschaft, S. 206. Kapitel 4  : Die Tochter ihres Vaters 30 »Mein lieber Papa, ich danke Ihnen tausend Mal«  : Cosima an Franz Liszt, 14.6.1846, Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth, Abschrift nach dem Original, NA II B b 1 Nr. 1  ; Übersetzerin Sabine Zurmühl, frz. Text im Anhang Kinderbriefstellen. 30 »Das ist noch lange Zeit hin«  : Cosima an Liszt, 14.11.1847, NA II B b 1 Nr. 3  ; Übers. S.Z., frz. Text im Anhang Kinderbriefstellen. 30 »Meine liebe Großmama«  : Cosima an Anna Liszt, 12.2.1848, NA II B b 1 Nr. 53  ; Übers. S.Z., frz. Text im Anhang Kinderbriefstellen. 31 »le beau temps en j’étais si maleureuse«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 1, 29.6.1870, S. 252. 31 »Mein lieber Vater, weil Großmama und Daniel Dir schreiben«  : Cosima an Liszt, 5. Juni o. J., (vermutlich nach 1850), NA II B b 1 NR. 46  ; Übers. S.Z., engl. Text im Anhang Kinderbriefstellen. 31 »Wir alle drei erwarteten Sie mit Ungeduld«  : Cosima an Liszt, 28.6.1848, NA II B b 1 Nr. 4  ; Übers. S.Z., frz. Text im Anhang Kinderbriefstellen. 32 »Mein lieber Papa, der Brief, den Sie mir geschrieben haben«  : Cosima an Liszt, 28.10.1849, NA II B b 1 Nr. 6  ; Übers. S.Z., frz. Text im Anhang Kinderbriefstellen. 32 »Mein lieber Papa, ebenso, wie Sie«  : Cosima an Liszt, 26.12.1849, Abschrift, NA II B b 1 Nr. 7  ; Übers. S.Z., frz. Text im Anhang Kinderbriefstellen.

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Anmerkungen nach Kapiteln

32 »Ich bedaure sehr, die Ferien zum Jahreswechsel«  : Ebd. 33 »Ich übe jeden Tag Klavier«  : Cosima an Liszt, 26.3.1850, NA II B b 1 Nr. 8  ; Übers. S.Z., frz. Text im Anhang Kinderbriefstellen. 34 »Mein lieber Papa, ich habe in der Gazette musicale gelesen«  : Cosima an Liszt, 16.8.1850, NA II B b 1 Nr. 9  ; Übers. S.Z., frz. Text im Anhang Kinderbriefstellen. 35 »Kinder  ! Ich bin müde, müde  !«  : Liszt an Blandine, Cosima und Daniel, Abschrift einer Briefkarte nach 1847, NA Hs 51/V  ; Anm. des Archivs zur näheren Datierung  : Brief Liszts an seine Kinder nach der Vereinigung mit der Fürstin Wittgenstein. 35 »Ihr werdet lieb, gut, vernünftig handeln und wandeln«  : Ebd. 35 »Abbé Gabriel […] hat über die Aufgaben der Frau gesprochen«  : Cosima an Liszt, 15.7.1851, NA II B b 1 Nr. 11  ; Übers. S.Z., frz. Text im Anhang Kinderbriefstellen. 36 »[…] man hat uns mit Güte empfangen«  : Ebd.; Übers. S.Z., frz. Text im Anhang Kinderbriefstellen. 37 »[…] ich hoffe, Gott wird meine Gebete erhören«  : Cosima an Liszt, 20.10.1851, NA II B b 1 Nr. 13  ; Übers. S.Z., frz. Text im Anhang Kinderbriefstellen. 38 »dass wir nächstes Jahr dieses Fest«  : Cosima an Liszt, 25.12.1851 , NA II B b 1 Nr. 14  ; Übers. S.Z., frz. Text im Anhang Kinderbriefstellen. 38 »Mein lieber Vater, Ich danke Sie vielmals«  : Cosima an Liszt, 15.1.1852, NA II B b 1 Nr. 15. 39 »Mein lieber Vater, Wir waren Donnerstag in La Muette«  : Cosima an Liszt, 18.7.52, NA II B b 1 Nr. 18. 39 »[…] wie nach 8  Jahren mein Vater auf 8  Tage uns wiedersah«  : Cosima an Daniela von Bülow, 26.10.1881, in  : Max Freiherr von Waldberg (Hg.), Cosima Wagners Briefe an ihre Tochter ­Daniela von Bülow 1866–1885, Stuttgart/Berlin 1933, S. 233. 39 »Es war viel auf einmal«  : Richard Graf Du Moulin Eckart, Cosima Wagner. Ein Lebens- und Charakterbild, Bd. 1, München/Berlin, 1929, S. 748. 39 »Ich that damals nichts anderes als zu Boden zu blicken«  : Cosima an Marie von Schleinitz, 10./11.10. 1875, NA Hs 190–115. 40 »Ich begann diese Zeilen gestern«  : Cosima an Fürst Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 11.10.1893, in  : Briefwechsel zwischen Cosima Wagner und Fürst Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, Stuttgart 1937, S. 69 f. 40 »Ich bin vom Leben so geschüttelt und gerüttelt worden«  : Cosima an Malwida von Meysenbug, 15.3.1871, NA Hs 197–7. 40 »Was meiner Kindheit, ja meinem ganzen Leben«  : Cosima an Malwida von Meysenbug, 25.6.1872, NA Hs 197–19. 40 »besonders, was sie vom Vater mir sagt«  : CWT Bd. 1, 22.8.1871, S. 429. 41 »Denke nur, um dieses Verhältnis sind wir Kinder«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/ Zürich 1976/77, Bd. 2, 27.10.1881, Anm. 2388, S. 1251. 41 »Ich habe zuweilen meinen Vater mit gemeßner Wehmut sagen hören«  : Cosima an Heinrich von Stein, in der Zeit von 15.12.1879 bis 10.1.1880, zit. Günther H. Wahnes, Cosima Wagner an Heinrich von Stein. Ausgewählte Briefe, in  : Festspielführer 1937, Bayreuth 1937, S. 37–49, hier S. 41. Kapitel 5  : Der Glaube 42 »Du hattest die Lehre Jesu«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 1, 20./21.9.1870, S. 287.

Anmerkungen nach Kapiteln 

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42 Imitatio Christi  : Thomas a Kempis, Die Nachfolge Christi. Ein kernhafter Auszug aus De imitatione Christi, hg. v. E. A. Kernwart, Zürich 1986, Inhaltsangabe S. V. 42 »[…] mehrere Kapitel las ich daraus«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 2, 18.7.1879, S. 384. 42 »Kunst, mit sich ins reine zu kommen«  : Ludwig Marcuse, Nachwort in  : Kempis, Nachfolge, S. 174. 44 »Kennen Sie das Tagebuch von Eugénie de Guérin«  : Cosima an Antonie Petersen, 26.7.1874, in  : Claudia Graciela Petersen, An die »theuerste Nichte«. Cosima Wagner im Spiegel ihrer Korres­ pondenz mit der Hamburger Bürgermeistertochter Antonie Petersen, Leipzig 2020, S. 106. 44 »da einer darunter leiden mußte«  : CWT Bd. 1, 16.12.1869, S. 179. 44 »Verstummen möchte ich, verschwinden«  : CWT Bd. 1, 27.12.1877, S. 1100. 44 »[…] ihn hüten, pflegen, tragen«  : CWT Bd. 1, 7.3.1879, S. 313. 44 »katholisches Gesicht«  : CWT Bd. 1, 15.10.1878, S. 200. 44 »R. wirft mir vor, eine völlige Sucht zur Aufopferung«  : CWT Bd. 1, 8.12.1873, S. 761. 44 »die einzige Differenz zwischen R. und mir«  : CWT Bd. 1, 16.6.1869, S. 109. 44 Und dennoch meint sie es ernst mit der Selbstkasteiung  : Vgl. CWT Bd. 1, 18.4.1878, S. 84  ; Non sum = Ich existiere nicht. 45 »seltsame Wollust des Leidens«  : CWT Bd. 1, 27.2.1876, S. 973. 45 »Es gibt kein Glück auf Erden als das Opfer«  : CWT Bd. 1, 8.3.1870, S. 206 f. 45 »Ich altre gern«  : CWT Bd. 1, 16.10.1874, S. 861. 45 »Ich glaube ich werde einmal als Bettlerin«  : Cosima an Marie von Schleinitz, vermutlich 1874, NA Hs 190–87. 45 »Alles scheinbar Harte in meinem Leben«  : CWT Bd. 1, 14.12.1877, 1095 f. 46 »Ich möchte, meine Kinder wären so groß«  : CWT Bd. 1, 8.7.1875, S. 928. Kapitel 6  : Hans von Bülow 47 »Auch zwei artige Töchter von Liszt sehen wir zuweilen«  : Ludmilla Assing an Gottfried Keller, zit. Maren Goltz/Herta Müller (Hg.), Königin und Täubchen, München 2014, Anmerkung 285, S. 135. 47 »Bei den Klängen der Tannhäuser-Ouvertüre«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 1, 3.2.1873, S. 635. 47 »[…] ich kehrte heim zu seiner Mutter«  : Ebd., S. 635 f. 48 »Wie ergriffen und tief berührt war ich«  : Hans von Bülow an Franz Liszt, 30.9.1855, in  : La Mara (Hg.), Briefwechsel zwischen Franz Liszt und Hans von Bülow, Leipzig 1898, S. 152 f. 49 »Es ist mehr als Liebe, die ich für sie empfinde«  : Hans von Bülow an Franz Liszt, 20.4.1856, in  : Marie von Bülow, Hans von Bülow in Leben und Wort, Stuttgart 1925, S. 67. 49 »Es war ein großes Missverständnis, das uns ehelich verband«  : CWT Bd. 1, 8.1.1869, S. 27. 50 »grenzenlose Schroffheit«  : CWT Bd. 1, 5.1.1873, S. 624. 50 »Hans habe mit unerhörter Meisterschaft gespielt«  : CWT Bd. 1, 29.4.1876, S. 983. 50 »über seinen überreizten Zustand der Nerven«  : CWT Bd. 1, 16.8.1874, S. 844. 51 »wiederum in unbegreiflicher Weise die englischen Musiker angegriffen«  : CWT Bd.  1, 23.11.1877, S. 1088. 51 »Die alte zur Kirche mit Scheinkuppeln verwandelte Orangerie«  : Cosima an Marie von Schleinitz-­ Wolkenstein, 17.11.89, NA Hs 190.

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Anmerkungen nach Kapiteln

51 »Grüßen Sie mir doch die zierlichen Bülowsleute« bis »Der Bülow ist ja ein Allerweltskerl von Polemiker.«  : Walther Siegfried, Frau Cosima Wagner, Stuttgart 1930, S. 21. 51 »[…] nur seine Creaturen liebt er anhaltend«  : Martin Geck (Hg.), …  und über allem schwebt Richard, Hildesheim 2021, S. 91. 52 Schauspielerin Ellen Franz  : Vgl. CWEF, Einführung S. 10–69, hier 18–21. 52 sie spiele »noch schöner als Herr von Bülow«  : Ludmilla Assing an Gottfried Keller, 23.9.1857, zit. CWEF, S. 24. 53 »Bülow ist eine edle, bedeutende Natur«  : Peter Cornelius an Bertha Jung, Anfang Juni 1866, in  : Carl Maria Cornelius (Hg.), Peter Cornelius. Literarische Werke, Bd. 2, Leipzig 1905, S. 382. 53 »Überdies war sie eine tüchtige Hausfrau«  : Marie Fürstin zu Hohenlohe-Schillingsfürst, Erinnerungen an Richard Wagner, Weimar 1938, S. 20. Kapitel 7  : Frauenfrau 54 inzwischen veröffentlicht  : Maren Goltz und Herta Müller (Hg.), Königin und Täubchen, München 2014. 54 »Ich sende Dir tausend Küsse, mein liebstes, bestes Kind«  : Cosima an Ellen Franz, Sommer 1860, in  : CWEF, S. 212. 54 »Magnetismus«  : Cosima an Ellen Franz, in  : CWEF, S. 38. 54 »jeder weiß, dass Du mich verhext hast«  : Cosima an Ellen Franz, nach dem 12.3.1861, in  : CWEF, S. 39. 54 »In der Königstadt habe ich wieder die Wiener gesehen«  : Cosima an Ellen Franz, nach dem 14.7.1860, in  : CWEF, S. 207  ; Much Ado About Nothing = Viel Lärm um nichts von William Shakespeare. 54 »Du Dein debùt in Minna geben musst«  : Cosima an Ellen Franz, 22.8.1860, in  : CWEF, S. 214. 54 »Wenn Du jetzt an der Stelle angekommen bist«  : Cosima an Ellen Franz, 21.3.1860, in  : CWEF, S. 185. 55 »Denk nur, ich war allein in Gotha  : Ebd., S. 185. 55 »Was ich von Dir erwarte, Teil meiner Seele«  : Cosima an Ellen Franz, vor dem 10.3.1861, in  : CWEF, S. 253. 55 »Wenn Du Zeit hast, dann gehe ohne irgendeine anmeldung nach Weimar«  : Cosima an Ellen Franz, Ende März 1861, in  : CWEF, S. 257. 55 »Ich habe zwei schöne, lange Briefe von Dir zu beantworten«  : Cosima an Ellen Franz, 6.9.1860, in  : CWEF, S. 223. 55 »Gesundheitlich geht es mir wirklich sehr gut«  : Ebd., S. 228. 56 »Noch einmal adieu, ich sende Dir eine Million Küsse«  : Ebd., S. 229. 56 »Es war nicht wirklich eine große Angelegenheit« bis »Nachrichten nur auf direktem Wege von Dir.«  : Cosima an Ellen Franz, Jahreswechsel 1860/61, in  : CWEF, S. 235–237. 56 »Ich umarme Dich, meine Allerliebste«  : Cosima an Ellen Franz, 13.2.1861, in  : CWEF, S. 248. 56 »Wir haben Pech, ganz so, als ob wir ein Liebespaar wären«  : Cosima an Ellen Franz, 2.3.1859, in  : CWEF, S. 176. 56 »Leb wohl meine Liebe, ich küsse Dich auf Deine zarten Wangen«  : Cosima an Ellen Franz, September 1859, in  : CWEF, S. 179. 57 »Ich hätte schon vor zwei Tagen geschrieben«  : Cosima an Ellen Franz, vor dem 10.3.1861, in  : CWEF, S. 250. 57 »Es wird reizend sein«  : Cosima an Ellen Franz, Mitte Juli 1860, in  : CWEF, S. 209.

Anmerkungen nach Kapiteln 

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58 »Gestern habe ich ›Kieselbach und seine Nichte‹ gesehen«  : Cosima an Ellen Franz, 8.4.1861, in  : CWEF, S. 261 f.; Kieselbach und seine Nichte ist vermutlich eine von Ferdinand Raimund bearbeitete Posse von Hermann Herzenskron. 58 »albernes Stück […], das alle reizend fanden«  : Cosima an Ellen Franz, Anfang Juli 1861, in  : CWEF, S. 269. 59 »Er hat Dich sehr verändert gefunden«  : Cosima an Ellen Franz, 18.4.1861, in  : CWEF, S. 264. 59 »Ich weiß noch wie Deine freundliche Mutter«  : Cosima an Helene von Heldburg, 4.2.1906, in  : CWEF, S. 346. 60 Die Widerlegung/The Refutation  : Gedicht von Sarah Franz vom 18.12.(1861), im Original engl., Übers. Maria Heyne, in  : CWEF, S. 65. 61 »Oh ja  ! Ich erinnere mich«  : Cosima an Helene von Heldburg, 23.9.1896, in  : CWEF, S. 332. 61 »Wir waren Beide fremd in der preussischen Hauptstadt«   : Cosima an Helene von Heldburg, 11.5.1900, in  : CWEF, S. 334 f. 61 »Sie werden wahrscheinlich lachen«  : Helene von Heldburg an Cosima, 12.5.1912, in  : CWEF, S. 348. 62 »Sie ist eben ein ganz anderes Natur- und Culturprodukt«  : Anna von Helmholtz an Ida von Schmidt-­ Zabiérow, 21.9.1891, zit. CWEF, S. 116. Kapitel 8  : Geschwister-Tod 63 »Heute habe ich ihn unter die Erde gebracht«  : Cosima an Ellen Franz, 15.12.1859, in  : Maren Goltz und Herta Müller (Hg.)  : Königin und Täubchen, München 2014, S. 181. 63 »sah Paulus und Petrus«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd.  2, 1.10.1878, S. 188. 63 »zuletzt an Daniel, und dies mit einem Gefühl des Vorwurfes  ;«  : CWT Bd. 1, 23.9.1870, S. 288. 63 »Seine Krankheit ließ sich nicht benennen«  : Richard Graf Du Moulin Eckart, Cosima Wagner. Ein Lebensbild zu ihrem 80. Geburtstage, in  : Bayreuther Tagblatt. Oberfränkische Volkszeitung vom 25. Dezember 1917, NA A 2526–34. 64 »Und sie allein hat ihm die letzten Dienste getan«  : Ebd., S. 26. 64 »Als ich die Treppe hinabstieg«  : Zit. Julius Kapp, Liszt, 15.–18. Auflage, Berlin 1922, S. 215. 64 »Ich räume die Briefe und Rechnungen«  : CWT Bd. 1, 1.1.1876, S. 961. 64 »Ich sorge um sein Grab«  : CWT Bd. 1, 12.12.1869, S. 178. Cosima war »all die Tage mit Daniel beschäftigt«, aber sie täuscht sich in seinem Sterbedatum. 64 Jeweils an den Jahrestagen  : Vgl. CWT Bd. 1, 9.5.1870, S. 228  ; 9.5.1873, S. 680  ; 9.5.1874, S. 817  ; 9.5.1875, S. 916  ; 9.5.1878, S. 92  ; CWT Bd. 2, 9.5.1880, S. 531  ; 9.5.1881, S. 736. 64 »Heute würde Daniel 32 Jahre  !«  : CWT Bd. 1, 9.5.1871, S. 386. 64 »Ich gedenke, daß ich Tristan kennenlernte«  : CWT Bd. 2, 20.2.1881, S. 698. 64 »mir auch dadurch wertvoll ist«  : CWT Bd. 2, 28.12.1878, S. 274. 65 »heftig gegen diejenigen«  : CWT Bd. 1, 10.12.1877, S. 1094. 65 »Er war zu gut, um zu leben«  : CWT Bd. 2, 7.4.1879, S. 327. 65 »Gestern gedachte ich, wie Daniel aufgelebt wäre«  : CWT Bd. 2, 3.11.1878, S. 217. 65 »durchaus nicht zu gewinnen«  : CWT Bd. 2, 2.8.1879, S. 392. 65 Blandine habe immer Wagners Witze beendet  : CWT Bd. 2, 10.3.1882, S. 908. 65 »Sie hat mir sehr gefallen«  : Richard Wagner an Hans von Bülow, 10.2.1858, in  : Richard Wagner, Sämtliche Briefe Bd. 9, Leipzig 2000, S. 185.

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Anmerkungen nach Kapiteln

65 Unmittelbar nach Blandines Tod  : Vgl. Richard Wagner, Mein Leben, München 1969, Bd. 2, Vierter Teil  : 1861–1864, S. 713. 66 »merkwürdig schweigsam den Verlust der beiden getragen«  : CWT Bd. 2, 25.10.1878, S. 210. 66 »Der Todesfall Blandine’s ist gradesweges furchtbar«  : RW an Bülow, 6.10.1862, in  : Richard Wagner, Sämtliche Briefe Bd.  14, Wiesbaden 2014, S.  280  f.; Datum im Original 6.9.1862, Anm. von Hg. Andreas Mielke  : »Bei der Datumsangabe muss Wagner irrtümlich den Namen des gerade zu Ende gegangenen Monats beibehalten haben – was ihm zu Beginn eines neuen Monats häufiger unterlief.« 66 »traurige Gedanken über die Mutter und Vater«  : CWT Bd. 1, 9.1.1869, S. 28. 66 »Von Blandine geträumt, meiner Schwester«  : CWT Bd. 1, 13.1.1869, S. 31. 66 »Nachts träumte mir, ich verriegelte mich«  : CWT Bd. 1, 13.2.1870, S. 198. 66 Und immer wieder notiert sie diese Träume  : Vgl. CWT Bd.  1, 17.2.1869, S.  59, und 30.1.1869, S. 46 f. 66 »Die h. Blandine, früher ein Festtag für mich  !«  : CWT Bd. 1, 2.6.1869, S. 101. 66 »Blandinen’s Geburtstag  !«  : CWT Bd. 1, 18.12.1872, S. 613. 66 »[…] heiter wehmütige Bilder der Vergangenheit«  : CWT Bd. 1, 11.1.1876, S. 964. 67 »Auch dem kleinen Daniel schreibe ich«  : CWT Bd. 1, 8.9.1871, S. 436. 67 »Fürstin W. hatte uns meinem Vater als unter einem Fluche geboren dargestellt«  : CWT Bd. 2, 30.1.1881, S. 679. 68 »Der Tag geht in Vorbereitungen zum Empfang der Mutter vorbei«  : CWT Bd. 1, 23.3.1871, S. 373. 68 »Alles ist mir R. gewesen«  : Ebd. Kapitel 9  : Das Dreieck 69 »Kämst Du mit Cosima, so wäre das ganz famos«  : Richard Wagner an Hans von Bülow, 1.4.1857, in  : Richard Wagner, Sämtliche Briefe Bd. 8, Leipzig 1991, S. 295. 69 »Zuvor aber muss ich Dir doch noch sagen«  : RW an Bülow, 18.1.1858, in  : Richard Wagner, Sämtliche Briefe Bd. 9, Leipzig 2000, S. 135. 69 »meinem guten Cosimus« bis »beruhige mich auch über ihr Befinden.«  : RW an Bülow, 18.1.1858, in  : RWSB Bd. 9, S. 137. 70 »Sogar Cosimus schreibt, ich sollte doch«  : RW an Bülow, 10.2.1858, in  : RWSB Bd. 9, S. 183. 70 »Aber Dich, Hans, habe ich ungeheuer gern«  : RW an Bülow, 10.2.1858, in  : RWSB Bd. 9, S. 186. 70 »An den vortrefflichen Cosimus« bis »ich erkenne sie und liebte sie gewiss. –«  : Ebd. 71 »[…] von krampfhaft heftigen Zärtlichkeiten gegen mich«  : RW an Mathilde Wesendonck, zit. Julius Kapp, Richard Wagner und die Frauen, Berlin 1951, S. 152. 71 Wagner entschuldigt sich später für Streitszenen  : Vgl. RW an Bülow, 20.7.1858, in  : RWSB Bd. 9, S. 349. 71 »Grüss Cosima  ! Und sag’ ihr Gutes von mir«  : RW an Bülow, 27.9.1858, in  : Richard Wagner, Sämtliche Briefe Bd. 10, Wiesbaden 2000, S. 71. 71 »Wird Cosima nun wohl begreifen lernen«  : Ebd. 71 »Sag’ Cosima, wenn sie die Absendung solcher Briefe«  : RW an Bülow, 6.2.1859, in  : RWSB Bd. 10, S. 289. 72 »So bleib mir treu und nimm mir nie etwas übel«  : RW an Bülow, 23.1.1859, in  : RWSB Bd.  10, S. 251. 72 Er lädt Bülow und Cosima ein  : Vgl. RW an Bülow, 8.3.1859, in  : RWSB Bd. 10, S. 362.

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72 »Meine bitte kannst Du als ganz egoistisch ansehen«  : RW an Bülow, 2.9.1859, in  : Richard Wagner, Sämtliche Briefe Bd. 11, Wiesbaden 1999, S. 215  ; abgemaracht = entkräftet, abgearbeitet, abgequält. 72 »Wie ungemein erfreulich wäre es mir nun«  : RW an Bülow, 1.11.1859, in  : RWSB Bd. 11, S. 343. 72 »Grüss’ Cosima, wünsch’ gute Besserung«  : RW an Bülow, 25.11.1860, in  : Richard Wagner, Sämtliche Briefe Bd. 12, Wiesbaden 2001, S. 288. 72 »Der übelste Feind der Gesundheit Cosima’s ist ihr Temperament«  : RW an Bülow, 4.4.1861, in  : Ri­ chard Wagner, Sämtliche Briefe Bd. 13, Wiesbaden 2003, S. 282. 73 »Ich möchte wirklich wissen, wie ich Liszt etwas sollte sein können  !«  : RW an Bülow, 3.5.1861, in  : RWSB Bd. 13, S. 123. 73 »Eine Nachricht von Dir und Cosima würde mich sehr gefreut haben«  : RW an Bülow, 19.9.1861, in  : RWSB Bd. 13, S. 223. 74 Er äußert »im Scherz« die Absicht  : Richard Wagner, Mein Leben, München 1969, Bd. 2, S. 691. 74 »armen Patienten ein wenig [zu] pflegen«  : RW an Bülow, 12.10.1861, in  : RWSB Bd. 13, S. 244. 74 »Selbst Cosmus ist ganz zahm bereits geworden«  : RW an Bülow, 16.2.1862, in  : Richard Wagner, Sämtliche Briefe Bd. 14, Wiesbaden 2002, S. 80. 75 »die zunehmende, oft exzessive Mißlaunigkeit«  : RWML, S. 709. 75 »An Cosima schien sich dagegen«  : Ebd. 75 »in Cosimas Mienen denselben Ausdruck [gewahrt]«  : Ebd. 75 »[…] augenblicklich war sie hierzu bereit«  : Ebd. 75 einer Probe zuhörend im Gewandhaus Leipzig  : Vgl. RWML, S. 714. 76 »Alles, was uns erfüllte, war so ernst und tief«  : Ebd. 76 »Grüss Koss, empfiel mich Deiner Tochter«  : RW an Bülow, 1.9.1862, in  : RWSB Bd. 14, S. 238. 76 »Dass meine harmlosen Briefe an Cosima«  : RW an Bülow, 6.10.1862, in  : RWSB Bd. 14, S. 280  ; falscher Monat im Original 6.9.1862, siehe Kapitel 8, Anm. »Der Todesfall Blandine’s. 76 »Kinder  ! Wie ich Euch beide in Leipzig wieder sah«  : RW an Bülow, 22.11.1862, in  : RWSB Bd. 14, S. 333. 76 »Schone Dich  ! Auch Cosima soll sich schonen«  : RW an Bülow, 25.12.1862, in  : RWSB Bd. 14, S. 366. 76 »Und wie steht’s mit Cosmus  ? Herrje  !«  : RW an Bülow, 6.3.1863, in  : Richard Wagner, Sämtliche Briefe Bd. 15, Wiesbaden 2005, S. 101 f. 77 »Ich kenne zu dieser Initiative noch Niemand geeigneter als die Kalergis«  : RW an Bülow, 22.6.1863, in  : RWSB Bd. 15, S. 196 f. 78 »Dass Cosima erst nach Rom berichten zu müssen glaubte«  : RW an Bülow, 17.8.1863, in  : RWSB Bd. 15, S. 247. 78 »Weil Cosima mit Mad. Kalergis nicht vertraut genug sei  ?«  : Ebd. 79 »Bülow hatte Sorge gehabt, mir seine Frau in gesegnetem Zustande vorzustellen«  : RWML, S. 727. 79 »Stand der Dinge und eilte freudig, Cosima zu begrüßen«  : RWML, S. 735. 79 »Bei kalter, rauher und trüber Witterung unterhielten wir uns«  : RWML, S. 745. 79 »Da Bülow Vorbereitungen zu seinem Konzerte zu treffen hatte«  : Ebd., S. 745 f. 80 »Eine tiefe Beruhigung gab uns die Heiterkeit«  : Ebd., S. 746. Kapitel 10  : Das Königswunder 81 »Ein junger König ist mein treuester Jünger«  : Richard Wagner an Hans von Bülow, 12.5.1864, in  : Richard Wagner, Sämtliche Briefe Bd. 16, Wiesbaden 2006, S. 161.

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Anmerkungen nach Kapiteln

81 »1/4 Stunde von Berg« bis »Tausend schöne Grüße an Cosima«  : RW an Bülow, 18.5.1864, in  : RWSB Bd. 16, S. 172 f. 81 »Hans  ! Mein Hans  !« bis »Seh’ ich Dich bald bei mir  ?«  : RW an Bülow, 25.5. 1864, in  : RWSB Bd. 16, S. 191 f. 81 »Auch soll mir doch Cosmus einmal schreiben« bis »Freude u. Erholung  !«  : RW an Bülow, 1.6.1864, in  : RWSB Bd. 16, S. 215. 81 »Was ich Dir jetzt sagen, und um was ich Dich bitten werde«  : RW an Bülow, 9.6.1864, in  : RWSB Bd. 16, S. 227. 82 »Eine ganze Etage steht für Dich und Deine liebe Familie bereit« bis »Nur Ihr fehlt noch zu meinem Glück  ! –«  : RW an Bülow, 9.6.1864, in  : RWSB Bd. 16, S. 228 f. 83 eine Wohnung in der Ludwigstraße 6  : Vgl. RW an Bülow, 23.9.1864, in  : RWSB Bd. 16, S. 303. 83 »Cosima’s leidender Zustand ängstigt auch mich« bis »Auch das gereicht mir zum Trost  ! –«  : RW an Bülow, 30.9.1864, in  : RWSB Bd. 16, S. 314. 84 »Das Provisorium ist im Absterben«  : Hans von Bülow an Franziska von Bülow, 28.12.1864, in  : Hans von Bülow, Briefe, Bd. 4, Leipzig 1900, S. 6. 86 »Mein Haus hat 3  Stockwerke«  : RW an Bülow, 8.4.1866, in  : Richard Wagner, Sämtliche Briefe Bd. 18, Wiesbaden 2008, S. 113 f. 86 »Lieber Hans  ! Hör mich, schließ ab«  : RW an Bülow, 2.6.1866, Telegramm, in  : RWSB Bd.  18, S. 168 f. 86 »Du begreifst, mein theurer Hans«  : RW an Bülow, 4.6.1866, in  : RWSB Bd. 18, S. 169 f. 88 »Ich antworte Dir sogleich einiges Nöthige«  : RW an Bülow, 21.3.1867, in  : Richard Wagner, Sämtliche Briefe Bd. 19, Wiesbaden 2011, S. 111 f. 88 »Ich schrieb heute bereits an Deine Frau«  : RW an Bülow, 14. Juli 1867, in  : RWSB Bd. 19, S. 184. 88 »Bis Ende dieses August hoffe ich«  : Ebd. 89 »Gieb doch auch Cosima den Brief«  : Ebd., S. 185. 90 »Jedenfalls, wenn Du mich zu sprechen wünschest«  : RW an Bülow, 2.6.1869, in  : Richard Wagner, Sämtliche Briefe Bd. 21, Wiesbaden 2013, S. 184. Kapitel 11  : Ehrenerklärungen 91 »so eben erfahre ich die Verleumdung«  : Cosima an Malvina Schnorr von Carolsfeld, 6.1.1866, Baye­ rische Staatsbibliothek München (BSB), Fasc.germ.159/13, Erstveröffentlichung in  : Richard Wagner. Die Münchner Zeit (1864–1865), München 2013, S. 121. 91 Es wird kolportiert, Cosima sei am Tag der Beisetzung  : Vgl. Richard Wagner, Sämtliche Briefe Bd. 18, Wiesbaden 2008, S. 332 f. 92 »Mein junger König will, daß ich Alles habe was ich brauche«  : Richard Wagner an Heinrich Porges, 28.5.1864, in  : Richard Wagner, Sämtliche Briefe Bd. 16, Wiesbaden 2006, S. 205 f. 92 »Wagner im Frack«  : Peter Cornelius an Bertha Jung, 1.11.1865, in  : Carl Maria Cornelius (Hg.), Peter Cornelius. Literarische Werke, Bd. 2, Leipzig 1905, S. 286. 92 »Ihr erleuchteter, klarer und ruhiger Geist«  : Franz Seraph von Pfistermeister an Cosima, 20.5.1865, in  : König Ludwig II. und Richard Wagner, Briefwechsel, Karlsruhe 1936–1939, Bd. 4, S. 60. 93 »Zwischen Wagner und Cosima besteht ein völliges Verhältnis«  : Peter Cornelius an Bertha Jung, 10.12.1865, in  : Cornelius, Literarische Werke, Bd. 2, S. 311 f. 93 »[…] jetzt sind Sie sein Schutzgeist, oder was  ?«  : Zit. Oliver Hilmes, Herrin des Hügels, S. 141. 94 »Madame Dr. Hanns de Bülow« als Wagners »Brieftaube«  : o. V., o. T., in  : Neuer Bayerischer Kurier,

Anmerkungen nach Kapiteln 

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Jahrgang 1866, Nr. 145, 29.5.1866, sowie in  : Der Volksbote für den Bürger und Landmann, Jahrgang 1866, Nr. 123, 31.5.1866, zit. Königsbriefe, Bd. 4, S. 146 f. 94 »Wie könnte mein Mann in einer Stadt zu wirken vermögen«  : Cosima an Ludwig II., 7.6.1866, in  : Martha Schad, Cosima Wagner und Ludwig  II. von Bayern. Briefe, Bergisch Gladbach 1996, S. 233. 95 »[…] da Ich ferner die genaueste Kenntniss des edlen und hochherzigen Charakters«  : Ludwig II. von Bayern an Hans von Bülow, 11.6.1866, Briefentwurf in  : Königsbriefe, Bd. 2, S. 54. Kapitel 12  : Sprache 98 »von der Mutter lernte sie deutsch«  : Julius Kapp, Liszt, 15.–18. Auflage, Berlin 1922, S. 39. 98 er sei Ungar  : Vgl. Kapp, Liszt, S. 15 f. 98 »Da seine Eltern stets deutsch sprachen«  : Kapp, Liszt, S. 11. 98 »Erstaunlich war die Sicherheit, mit der sie die Terminologie«  : Walther Siegfried, Frau Cosima Wagner, Stuttgart 1930, S. 100.   98 »… Je älter ich bin, umso stärker empfinde ich die Schönheit«  : Cosima an Fürst Ernst zu Hohenlohe-­ Langenburg, 4.6.1907, in  : Briefwechsel zwischen Cosima Wagner und Fürst Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, Stuttgart, 1937, S. 258  ; cette langue sans hardiesse, sans naiveté et sans mystère = diese Sprache ohne Kühnheit, ohne Natürlichkeit und ohne Geheimnis.   99 »das hatte ihn auch gereizt«  : Vgl. Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 1, 6.9.1873, S. 723, Fußnote mit Zusatz.   99 »fremd dabei befunden«  : Vgl. CWT Bd. 1, 27.2.1873, S. 644.   99 Dennoch klagt er, »er käme sich da immer fremd vor«  : Ebd. 100 »R. wirft mir vor, daß ich die deutsche Sprache verlerne«  : CWT Bd. 1, 20.3.1874, S. 803. 100 »Abends necken wir uns, R. und ich, mit dem Französischen«  : CWT Bd. 1, 3.3.1873, S. 646. 100 »unverbesserlichen Dative und Akkusative«  : CWT Bd. 1, 26.3.1873, S. 661. 100 Sie unterrichtet die Großen und notiert regelmäßig die Fortschritte  : Vgl. CWT Bd.  1, 12.5.1870, S. 229 und 1.2.1870, S. 194. 100 Auf Anraten Wagners sowie der Freundin Malwida von Meysenbug  : Vgl. CWT Bd. 1, 18.8.1873, S. 719 und 20.8.1873, S. 717. 100 »harte Nuss für sie wie für mich«  : CWT Bd. 1, 31.8.1874, S. 848. 101 »Nach Tisch einen Brief von Loulou«  : CWT Bd. 1, 31.3.1869, S. 79. 101 »Wilde Nacht für R. und mich«  : CWT Bd. 1, 2.8.1870, S. 263 f.; »j’ai bien dormi« = ich habe gut geschlafen. 101 »Die französische Sprache hat ganz aufgehört«  : Cosima an Marie von Schleinitz, 21.5.1871, NA Hs 190-9. 102 »mir ganz entfremdet als Preußenhasser erzogen«  : CWT Bd. 1, 15.12.1873, S. 763. 102 »Das Gespräch über spanische Tänze«  : CWT Bd. 1, 17.6.1870, S. 247. 102 »so innig Freund als diese bretonische Jungfrau«  : CWT Bd. 1, 22.7.1874, S. 839.        

Kapitel 13  : Charakteristisches Außen 103 »dagestanden wie die Sage«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 1, 17.12.1871, S. 468.

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103 »wie in traurigen Zeiten ich so außer mir geraten konnte«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 2, 29.1.1881, S. 678. 103 »Aspiration zur Heiligkeit«  : CWT Bd. 2, 30.1.1882, S. 882. 103 »kleine latente Philistrosität  !«  : CWT Bd. 1, 25.10.71, S. 453. 104 »ich glaubte, ich sei die Tugend selbst«  : CWT Bd. 2, 30.11.82, S. 1060. 104 »Frau Cosima […] in einem rosa Kaschmir-Gewand«  : Joachim Köhler, Friedrich Nietzsche und Cosima Wagner, Berlin 1996, S. 53. 104 »Ein älteres, von R. mir geschenktes Gesellschaftskleid«  : CWT Bd. 2, 6.11.1878, S. 220. 104 Er schenkt ihr »einen hübschen Sommerhut«  : CWT Bd. 1, 10.6.1871, S. 397. 104 »– unser Fest war ein fröhliches, die Kinder strahlten vor Glück«  : Cosima an Helene von Heldburg, 31.12.1877, in  : Maren Goltz und Herta Müller, Königin und Täubchen, München 2014, S. 299. 104 »In Gesellschaft Schleppkleider«  : Walther Siegfried, Frau Cosima Wagner, Stuttgart 1930, S. 94 f.; Vittoria Colonna = ital. Dichterin des 15. Jahrhunderts. 105 »Mein Parsifal-Kleid macht ihm Vergnügen«  : CWT Bd. 2, 2.12.1880, S. 630. 105 »Ernste Stimmung, Sorge vor Gesichtsrose«  : CWT Bd. 2, 10.12.1880, S. 635. 105 »Die ›Scheherazade‹, die ich anhabe, macht R. Vergnügen«  : CWT Bd. 2, 2.12.1879, S. 311. 105 Wagner hatte das »Scheherazade«-Kleid bestellt  : Vgl. CWT Bd. 2, 5.–15.2.1879, S. 304. 106 »Schwan«  : CWT Bd. 2, 12.3.1879, S. 315. 106 »Maradscha«  : CWT Bd. 2, 28.1.1879, S. 298. 106 »Du stehst da wie Walther von Stolzing« bis »meine Stimmung erraten«  : Ebd. 106 »Heute war wiederum Schwan-Tag«  : CWT Bd. 2, 7.5.1879, S. 345. 106 Wagner »hat es überaus gern, wenn ich neue Kleider anhabe«  : CWT Bd. 1, 15.11.1869, S. 170. 106 An anderer Stelle schreibt sie über »viel Toilettennöte«  : CWT Bd. 1, 15.7.1874, S. 837. 106 »sehr schöne türkische Jacke«  : Cosima an Antonie Petersen, 11.3.1874, in  : Claudia Graciela Petersen, An die »theuerste Nichte«, Leipzig 2020, S. 73. 106 »Meine Jacke ist in schwarzem Sammt mit Silber gestickt«  : Ebd., Brief vom 21.3.1874, S. 80. 106 Wagner lässt für sie einen »alten Fuchs-Pelz«  : CWT Bd. 2, 16.1.1881, S. 666. 106 Cosimas Gang, den er liebt, »verunstaltet«  : CWT Bd. 2, 31.1.1880, S. 486. 106 Oder er schimpft, weil sie sich zu alt, »à la vieille« bis »nicht zugeben, daß ich alt bin  !«  : CWT Bd. 2, 20.1.1881, S. 670. 106 »Sie [war] mit ihren 77 Jahren«  : Winifred Wagner, Frau Cosima, in  : Wolf Siegfried Wagner, Die Geschichte unserer Familie in Bildern, Hamburg 1978, S. 10. 107 »R. läßt sich eine Jacke ähnlich wie mein Négligé machen«  : CWT Bd. 2, 29.6.1878, S. 127. 107 Die Kleidung Cosimas ist immer wieder bis »ich nicht seine Kühnheit haben dürfte  !«  : Vgl. CWT Bd. 2, 7.1.1879, S. 285. 107 »Die hat Race«  : CWT Bd. 2, 8.1.1879, S. 285. 107 Sie probiert Kleider »unter R.’s Oberaufsicht«  : CWT Bd. 1, 12.1.1875, S. 887. 107 Er bestellt für sie eine Friseurin  : CWT Bd. 2, 30.6.1878, S. 127. 107 »Japanisches Negligé von Richard mir geschenkt«  : CWT Bd. 1, 24.12.1877, S. 1099, Fußnote. 107 »Die Gaben, welche R. in meiner Stube aufgebaut«  : CWT Bd. 2, 25.12.1878, S. 274, Nachtrag. 108 »Das weiße Kleid, welches R. mir gegeben«  : CWT Bd. 2, 25.12.1878, S. 271. 108 »[…] und wie ich zu ihm komme, um ihn zu befragen«  : CWT Bd. 2, 13.11.1879, S. 441. 108 So schön, wie sie nur könne  : Vgl. CWT Bd. 2, 22.12.1879, S. 464. 108 und wieder einen Geburtstag weiter  : CWT Bd. 2, 25.12.1879, S. 466. 108 »R. war mit meinem Aussehen zufrieden«  : CWT Bd. 2, 6.5.1881, S. 736.

Anmerkungen nach Kapiteln 

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Kapitel 14  : Weiblich – männlich 110 »der Mann muß sich immer so stellen, als empfände er nichts«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 2, 17.11.1882, S. 1050. 110 »Ich denke, wie bei R. sein Wesen wie seine Werke«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/ Zürich 1976/77, Bd. 1, 22.3.1873, S. 658. 110 »eigentlich der Tristan gewesen« bis »der nichts gemerkt hatte«  : CWT Bd. 1, 8.2.1870, S. 197. 110 »Bei Rollwenzel eingekehrt«  : CWT Bd. 1, 2.4.1873, S. 664  ; die Rollwenzelei ist ein Bayreuther Wirtshaus vor der Stadt, das häufiger Aufenthaltsort für Jean Paul Friedrich Richter war. 110 »Er sagte neulich, daß seine Heftigkeit ihm gegeben worden sei«  : CWT Bd. 1, 16.12.1877, S. 1096. 110 »[…] die Männer sind elende Soldaten«  : CWT Bd. 2, 6.1.1881, S. 659. 111 Dazu zählen beide besonders die »Gleichheit der Intelligenz«  : CWT Bd. 2, 8.9.1878, S. 172. 111 »Ich kann eigentlich mit keiner Frau sprechen«  : CWT Bd. 2, 3.10.1879, S. 420. 111 »alles scharf und schneidig, unbeugsam«  : CWT Bd. 1, 3.1.1872, S. 476. 112 »Mich nennt er seine Priesterin des Apollon«  : Ebd. Kapitel 15  : Gesundheit 113 Schon in ihrer Kindheit musste sie zuweilen  : Vgl. Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/ Zürich 1976/77, Bd. 1, 23.2.1874, S. 794 f. 113 »Der Augenarzt war da meinetwegen«  : CWT Bd. 1, 12.11.1869, S. 169. 113 sie solle die geschwächten Augen schonen  : Vgl. CWT Bd. 1, 13.1.1871, S. 340. 113 »Meine Augen sind schwach, ich darf nicht lesen«  : CWT Bd. 1, 16.1.1871, S. 341. 113 »Mein Augenübel beschwert mich so sehr«  : CWT Bd. 1, 13.4.1871, S. 377. 113 »[…] er findet, das Übel sei nervöser Art«  : CWT Bd. 1, 11.5.1871, S. 387. 113 Im Sommer 1871 jedenfalls kauft Cosima sich eine blaue Brille  : CWT Bd. 1, 15.7.1871, S. 414. 114 »Ich muss leider meiner Augen wegen das Überziehen«  : CWT Bd.  1, 29.10.1877, S.  1080, und 6.11.1877, S. 1083. 114 »Meine kranken Augen zwingen mich zur Untätigkeit«  : CWT Bd. 1, 4.2.1874, S. 790. 114 »Übermüdung überfällt mich«  : CWT Bd. 1, 5.5.1871, S. 385. 114 »so dächte er nicht daran, das Konzert zu dirigieren«  : CWT Bd. 1, 7.5.1871, S. 386. 114 »Unwohlsein und Besorgnissen«  : CWT Bd. 1, 1.12.1870, S. 318. 115 »[…] er lächelt und empfindet keine Sorge für sich darüber«  : CWT Bd. 1, 6.12.1870, S. 320. 115 »ergreift ihn [das] zu Tränen«  : CWT Bd. 1, 7.12.1870, S. 320. 115 Und ein weiteres Mal gibt es diese »Besorgnis«  : CWT Bd. 1, 12.7.1871, S. 413. 115 »Ich teile Richard meinen üblen Zustand mit«  : CWT Bd. 1, 14.7.1871, S. 414. 116 »Sie wollte das Kind selbst stillen«  : Friedrich Beda Stubenvoll, Cosima und Richard Wagner in Bad Reichenhall, 1929, S. 4, NA A 2526/II-51. 116 Großvater Liszt ist in Berlin anwesend  : Vgl. Julius Kapp, Liszt, 15.–18.  Auflage, Berlin 1922, S. 210. 116 »Heute bin ich leidend und muß mir Gewalt antun«  : CWT Bd. 1, 19.5.1877, S. 1051. 116 »[…] ich muß aber bald mit der Lektüre anhalten«  : CWT Bd. 1, 13.2.1877, S. 1031. 116 »Meine Neuralgien beginnen wieder«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/ 77, Bd. 2, 23.10.1880, S. 614. 116 »Nachmittags muß ich liegen«  : CWT Bd. 1, 7.9.1877, S. 1070.

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Anmerkungen nach Kapiteln

116 116 116 117 117 117 117 117 118 118 118 118 118 118 118 118 118 118 118 118 119 119 119 119 119 119 119 119 119

»Ich bin leidend und kann nicht ausgehen«  : CWT Bd. 1, 14.9.1871, S. 439. »[…] mußte am Tag mich zu Bett legen«  : CWT Bd. 2, 30.12.1880, S. 651. »Ich liebe die Tage des Unwohlseins«  : CWT Bd. 2, 20.2.1878, S. 48. »Ich hatte eine ganz schlimme Nacht«  : CWT Bd. 1, 10.2.1877, S. 1030. »Bange Nacht  ; deren Not sich so steigert«  : CWT Bd. 1, 21.6.1872, S. 537. Sie überlegt, ob sie überhaupt fort zieht bis »ohnmächtig fiel ich zusammen«  : CWT Bd. 1, 19.1.1869, S. 38. »Sehr leidend, vor Schwäche weinend«  : CWT Bd. 1, 20.1.1869, S. 39. Sie wird »plötzlich unwohl«  : CWT Bd. 1, 31.1.1869, S. 47. »leidend und muß mit Fieber bald zu Bett gehen«  : CWT Bd. 1, 12.2.1869, S. 55. »sehr leidend und muß liegen«  : CWT Bd. 1, 7.3.1869, S. 68. »R. ist sehr besorgt um mich«  : CWT Bd. 1, 9.3.1869, S. 69. »Wärterin von auswärts«  : CWT Bd. 1, 13.3.1869, S. 71. Cosima – sie ist erst 32 Jahre alt  ! – erschrickt bisweilen  : Vgl. CWT Bd. 1, 29.3.1869, S. 77 f. »Vom vielen Weinen ist mir ein Ohrensausen geblieben«  : CWT Bd. 1, 20.4.1869, S. 87. »R. kommt an mein Bett und frägt mich, ob ich denn leben«  : CWT Bd. 1, 3.6.1869, S. 102. »Aus dem Zustand der Betäubung komme ich«  : CWT Bd. 1, 5.6.1869, S. 103. »Heute ist Meistersinger-Tag«  : CWT Bd. 1, 21.1.1869, S. 40. »Noch immer weiß ich nicht, ob ich die Kinder wiedersehe  !«  : CWT Bd. 1, 13.3.1869, S. 71. »Ich bin immer unwohl«  : CWT Bd. 1, 22.2.1869, S. 61. Ihr Wochenbett will sie »fern von hier«  : CWT Bd. 1, 8.–11.5.1869, S. 94. »R. sagte mir auch am Morgen«  : CWT Bd. 1, 27.5.1869, S. 99. »Ich litt an diesem Tage sehr viel«  : CWT Bd. 1, 7.6.1869, S. 105, in Wagners Schrift. »Immer zu Bett und schwach«  : CWT Bd. 1, 21.6.1869, S. 113. »Wollte früh aufstehen, da kam wieder eine starke Blutung«  : CWT Bd. 1, 28.6.1869, S. 118. Alle ihre Handlungen erscheinen ihr »zweifelhaft«  : CWT Bd. 1, 19.6.1869, S. 112. »ungemeine Müdigkeit«  : CWT Bd. 1, 18.–19.7.1873, S. 707. »Stimme verloren«  : CWT Bd. 1, 12.5.1873, S. 682. »Rückfall gehabt, die Mandeln sind entzündet«  : CWT Bd. 1, 13.10.1872, S. 580. »ich wollte gern zum Abendmahl gehen«  : CWT Bd. 1, 10.4.1873, S. 668.

Kapitel 16  : Schreiben 120 »Die Portiersfrau tritt ab«  : Zit. Oliver Hilmes, Herrin des Hügels, München 2007, S. 46 ff. 121 »Danach war seine Mimik hervorragend«  : Cosima an Ellen Franz, 21.3.1860, in  : Maren Goltz und Herta Müller (Hg.), Königin und Täubchen, München 2014, S. 186. 121 »Manchmal schimmerte durch seine Handlungen eine traurige Einsamkeit«  : Ebd., S. 187. 122 Für die Revue germanique übersetzt sie  : Vgl. CWEF, S. 26. 122 Cosima übernimmt in den Jahren 1860 bis 1862  : Vgl. ebd. 122 Cosima veröffentlichte nach seinem Tod  : Vgl. CWEF, S. 27. 123 »Ich habe ein Vergnügen daran«  : Richard Graf Du Moulin Eckart, Cosima Wagner. Ein Lebensund Charakterbild, Band 1, München 1929, S. 197. 123 »Sechs Bände von einem Roman«  : Ebd.

Anmerkungen nach Kapiteln 

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Kapitel 17  : Emanzipation 126 »Frau von B.[ülow] sah aber in der That verführerisch hübsch aus«  : Hedwig Dohm an Ludmilla Assing, Sommer 1859, zit. Maren Goltz und Herta Müller (Hg.), Königin und Täubchen, München 2014, S. 120, Anm. 73. 126 »Man kommt sich auf dem Gebiete der Frauenfrage«  : Ruth Jung, Kalenderblatt »Plädoyer gegen das Mutterideal«. Vor 175 Jahren wurde die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm geboren, Deutschlandfunk 20.9.2006. 127 Sie war als heimliche Zuschauerin im Vorparlament  : Vgl. Vera Leuschner, Malwida von Meysenbug. »Die Malerei war immer meine liebste Kunst«, Bielefeld 2002, S. 19. 127 »Wie könnte ein Volk sich selbst regenerieren«  : Malwida von Meysenbug, Memoiren einer Idealistin, Band 1, 3. Auflage, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1924, S. 157. 128 »Ich hatte ja im Gegenteil die Frauen würdiger machen wollen«  : Ebd., S. 244. 128 Malwida »war nicht gegen die Ehe«  : Vgl. Hannelore Teuchert, Malwida von Meysenbug und Cosima Wagner, eine ungewöhnliche Freundschaft, in  : Malwida von Meysenbug-Gesellschaft (Hg.), Jahrbuch 1994, Kassel 1994, S. 31–43, hier S. 37. 128 »In Wahrheit theuerste Malwida, zuweilen dünke ich mich«  : Cosima an Malwida von Meysenbug, 31.3.1878, NA RWG Hs 197, Nr. 81, S. 10–11. 129 »Wir haben beide einen schönen Vater  !«  : Cosima an Antonie Petersen, 19.1.1874, in  : Claudia Graciela Petersen  : An die »theuerste Nichte«, Leipzig 2020, S. 67. 129 »Aber nur in der Form der Heiligkeit und der Liebe«  : Cosima an Antonie Petersen, 21.3.1874, CWAP, S. 74. 130 »Nun muss ich Ihnen aber ein Frauenbuch empfehlen«  : Cosima an Antonie Petersen, 10.9.1873, CWAP, S. 41. 130 »mir scheint, dass das Buch sein Publikum finden wird«  : Cosima an Antonie Petersen, 29.4.1879, CWAP, S. 181. 130 »dass die Frauen mehr moralischen Muth besitzen als die Männer«  : Cosima an Antonie Petersen, 9.9.1873, CWAP, S. 50. 130 »Wie schön haben Sie das Wirken der Frauen dargestellt  !«  : Cosima an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 5.11.1913, in  : Briefwechsel zwischen Cosima Wagner und Fürst Ernst zu Hohenlohe-­ Langenburg, Stuttgart 1937, S. 324. 131 »Nach dem Mittagstisch kam das Gespräch auf die rauchenden Frauen«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 2, 16.10.1880, S. 612. 131 »Eine Frau, die ein Atelier hat, ist etwas Schreckliches«  : CWT Bd. 2, 15.7.1881, S. 762. 131 »zehn Monate vor Deiner Geburt war mein Bruder gestorben«  : Cosima an Daniela von Bülow, 7.10.1876, in  : Max Freiherr von Waldberg (Hg.), Cosima Wagners Briefe an ihre Tochter Daniela von Bülow 1866–1885, Stuttgart/Berlin 1933, S. 41. 131 »da heisst es den Gleichmuth haben«  : Cosima an Daniela von Bülow, 17.4.1881, CWDvB, S. 200. 131 »Merke Dir es, mein Kind – gränzenlos gepflegt muss seitens der Frau«  : Cosima an Daniela von Bülow, 4.2.1881, CWDvB, S. 131. 132 »›Du bist die Ruhe‹ ist wohl das höchste Lob«  : Cosima an Daniela von Bülow, 10.10.1885, CWDvB, S. 337. 132 »Ein letztes Wort zum ersten um zu sagen«  : Cosima an Daniela von Bülow, 9.8.1880, CWDvB, S. 97. 132 »Und in ›Parnass und Paradies‹ zugleich«  : Ebd. 133 »Die Anbetung des Weibes dagegen ist ein ganz neues Moment«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher,

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Anmerkungen nach Kapiteln

München/Zürich 1976/77, Bd. 1, 26.4.1870, S. 224  ; Avignon = Sitz des Gegenpapstes und Symbol des Lasters  ; Bibi-Hut = Herrenhut, von »modernen« Frauen getragen. 133 »die Frage der Frauen-Emanzipation«  : CWT Bd. 1, 19.12.1873, S. 765. 133 »Den Sklaven gegenüber haben wir die Fabrikarbeiter«  : Cosima an Houston S. Chamberlain, 7.5.1899, in  : Paul Pretzsch (Hg.) Cosima Wagner und Houston S. Chamberlain im Briefwechsel 1888–1908, Leipzig 1934, S. 564. Kapitel 18  : Liebe – Abhängigkeit 135 »Richard meint, ich habe Sinn in sein Leben gebracht«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/ Zürich 1976/77, Bd. 1, 16.1.1869, S. 35. 135 »Als mir R. gestern sagte, ich könne gar nicht wissen, wie er mich liebe«  : CWT Bd. 1, 15.2.1869, S. 58. 135 »Beim Frühstück sagt mir R., wenn irgendetwas zwischen uns vorfiele«  : CWT Bd. 1, 2.3.1869, S. 64. 135 »Wenn ich dich nicht hätte, ich wüßte gar nicht, wofür ich auf der Welt wäre«  : CWT Bd. 1, 25.1.1870, S. 192. 136 »In der Einsiedelei bespreche ich einzelnes aus der Vergangenheit«  : CWT Bd. 1, 3.3.1870, S. 204. 136 »[…] du bist das einzige komplette Wesen, das mir begegnet ist«  : CWT Bd. 1, 18.4.1870, S. 222. 137 »Wie wir uns spät abends trennen, ruft R. mir zu«  : CWT Bd. 1, 19.1.1871, S. 343 f. 137 »Ich liebe dich doch mehr als du mich«  : CWT Bd. 1, 12.6.1871, S. 398. 137 »Am Morgen sagt mir R., ›wer dich hat, wird sehr arm‹«  : CWT Bd. 1, 24.6.1871, S. 405. 137 »R. ruft mir am Morgen zu  : ›Du weißt gar nichts‹«  : CWT Bd. 1, 1.9.1871, S. 432. 137 Cosima sei die Einzige, die ihn vervollständigt habe  : Vgl. CWT Bd. 1, 15.1.1872, S. 481. 137 sie sei seine Bewegung, ohne die er erstarren würde  : Vgl. CWT Bd. 1, 11.1.1873, S. 627. 137 die Einzige, mit der er »ganz wahrhaft« sein könne  : Vgl. CWT Bd. 1, 19.4.1872, S. 512. 137 wie ein »Fleisch und Blut«  : CWT Bd. 1, 13.5.1874, S. 818. 137 »Er geht nachmittags aus, abends ist er betrübt«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 2, 19.1.1878, S. 38. 138 »R. sagt, wir gehören zusammen und nur wir«  : CWT Bd. 2, 25.5.1879, S. 354. 138 »Wir gedenken der Zeiten in München, wo er mich immer holen ließ«  : CWT Bd. 2, 28.7.1881, S. 770. 138 »Gegen 5 Uhr Konferenz mit dem Verwaltungsrat«  : Ebd. 138 »›Früher‹, sagt R., ›als wir uns entsagt hatten‹«  : CWT Bd. 1, 24.6.1871, S. 405. 138 »Nachmittags einigen Kummer, daß R. sich in seinen Neigungen«  : CWT Bd. 1, 24.11.1869, S. 173. 139 »Könnten wir die Leidenschaft doch bezähmen«  : CWT Bd. 1, 16.5.1870, S. 231. 139 »Von mir ist jede Leidenschaftlichkeit der Liebe gewichen«  : CWT Bd. 1, 11.11.1870, S. 311. 139 »R. schläft gut«  : CWT Bd. 1, 11.11.1872, S. 596. 139 »R. schaut meine Finger an«  : CWT Bd. 1, 14.8.1871, S. 427. 139 »Dein Vater ist doch ein guter Mann«  : Ebd. 139 »Am Nachmittag rief er mir zurück«  : CWT Bd. 1, 5.7.1874, S. 834. 140 »Nach Tisch, wie ich ihm die Hand reiche«  : CWT Bd. 1, 7.7.1869, S. 123. Kapitel 19  : Die Ikone 141 »Gralshüterin«  : Gustav Brandt, Karikatur zu Nr. 18 der Serie »Unsere Zeitgenossen«  : Cosima Wagner/Cosimama, die Gralshüterin, in  : Kladderadatsch, Heft 4 vom 24. Januar 1904, Beilage.

Anmerkungen nach Kapiteln 

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142 familiäre Situationen eingefangen hat  : Vgl. Gunther Braam, Richard Wagner in der zeitgenössischen Fotografie, Regensburg 2015, S. 126 und S. 128–131 sowie S. 204–206. 143 »Brief von Herrn Lenbach, der mir ein Portrait schenkt«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 1, 26.8.1870, S. 277. 145 das alle Personen um sie herum statuiert erscheinen lässt  : Vgl. Braam, Zeitgenössische Fotografie, S. 128–130 sowie S. 205. 147 »R. sagt, mein Gewand sei eines«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 2, 26.12.1878, S. 272. 147 »Stabat mater colorosa«  : CWT Bd. 2, 21.2.1880, S. 493. Kapitel 20  : Wagners Träume 149 »daß ich mich entfernen wollte«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 1, 10.8.1877, S. 1065. 149 »daß ich fortging nach Chemnitz« bis »trotzdem er immer so lamentiere  !«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 2, 10.5.1879, S. 346. 149 »daß ich fort sei und daß er mich mit Gewalt rief«  : CWT Bd. 2, 17.6.1880, S. 546. 149 »daß ich fortging, er mir nach«  : CWT Bd. 2, 16.10.1880, S. 612. 149 »R. hatte keine gute Nacht. Er träumt von einem Hasen«  : CWT Bd. 2, 2.12.1880, S. 629. 149 »R. träumt, daß ich ihn verlasse«  : CWT Bd. 2, 14.5.1881, S. 738. 149 »Wir hatten eine üble getrennte Nacht«  : CWT Bd. 1, 26.12.1875, S. 955. 149 »R. wacht weinend und klagend auf«  : CWT Bd. 1, 8.4.1875, S. 908. 150 »Aus einem schauerlichen Traum wacht R. auf«  : CWT Bd. 1, 20.1.1875, S. 889. 150 »R. träumte wiederum, ich verließe ihn«  : CWT Bd. 1, 31.8.1877, S. 1069. 150 »R. hatte keine gute Nacht, zweimal wachte er«  : CWT Bd. 2, 24.9.1880, S. 604. 150 »Den ersten bösen Traum teilt er mir in’s einzelne mit«  : CWT Bd. 2, 28.8.1880, S. 588. 150 »Wiederum hatte R. keine gute Nacht, zwei Mal stand er auf«  : CWT Bd. 2, 28.2.1879, S. 309 f. 151 »R. schlief nicht schlecht«  : CWT Bd. 2, 16.12.1878, S. 260 f. 151 »R. hatte eine gute Nacht«  : CWT Bd. 2, 9.8.1879, S. 395. 151 »R. hatte keine gute Nacht«  : CWT Bd. 2, 21.11.1880, S. 623. 151 »R. schlief aber unruhig«  : CWT Bd. 2, 7.2.1882, S. 886. 151 »Eine schlimme schlimme Nacht«  : CWT Bd. 2, 8.3.1880, S. 500. 151 So berichtet er von einem Traum  : CWT Bd. 1, 7.5.1874, S. 815. 151 »R. hatte seine sogenannten ›Feigheitsträume‹«  : CWT Bd. 1, 14.7.1877, S. 1060. 151 Er muss im Traum vom Pariser Opernorchester  : Vgl. CWT Bd. 1, 1.3.1874, S. 796. 151 er träumt, Cosima sei auf einer Reise aus dem Doppelbett ausgezogen  : Vgl. CWT Bd. 2, 10.9.1878, S. 173. 152 So träumt er von einem »Fürsten«  : CWT Bd. 1, 9.7.1873, S. 704. 152 »R. träumt von meiner Hinrichtung«  : CWT Bd. 1, 21.10.1876, S. 1009. 152 Er sieht sie »auf der Totenbahre«  : CWT Bd. 1, 20.4.1869, S. 87. 152 Er träumt, »daß ich mich in’s Wasser stürze«  : CWT Bd. 1, 31.3.1876, S. 978. 152 er träumt, »daß wir uns, er und ich, in der Bade-Wanne ertränken«  : CWT Bd. 2, 8.5.1879, S. 345. 152 er träumt, »daß man mich umbringen wollte«  : CWT Bd. 2, 31.10.1882, S. 1036. 152 Wagner träumt, dass Hans bei ihnen sei  : Vgl. CWT Bd. 1, 13.8.1872, S. 560. 152 er träumt, daß Cosima Hans den Fuß küsse  : Vgl. CWT Bd. 1, 20.11.1872, S. 599.

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Anmerkungen nach Kapiteln

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das Kräftemessen beider Männer als Dirigenten  : Vgl. CWT Bd. 1, 9.11.1877, S. 1083 f. Wagner habe »vom Vater geträumt«  : CWT Bd. 1, 26.8.1871, S. 430. »R. hatte eine gute Nacht, aber einen traurigen Traum«  : CWT Bd. 2, 12.11.1878, S. 227. Er träumte, »daß ich mit meinem Vater fortziehen wollte«  : CWT Bd. 2, 11.1.1879, S. 288. »Mein Vater geht heute fort, ich muß ihn begleiten«  : CWT Bd. 2, 31.1.1881, S. 679.

Kapitel 21  : Das andere Dreieck 156 Liszt sei »gewiß der originellste, genialste Mensch«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/ Zürich 1976/77, Bd. 1, 25.11.1870, S. 316. 156 »So denkt man sich im engsten Kreis herum«  : Ebd. 156 »In hellen wie trüben Tagen für und für mit Dir«  : CWT Bd. 1, 22.5.1870, S. 233. 157 Als 1870 in München »Die Walküre« uraufgeführt wird  : Vgl. CWT Bd. 1, 15.7.1870, S. 257. 157 »Die Leidenschaft vergeht, die Gewissensbisse aber bleiben«  : CWT Bd. 1, 22.2.1869, S. 61. 157 Diplomatische Schachzüge, wer schreibt wem zuerst  : Vgl. CWT Bd. 1, 25.5.1871, S. 391  ; 30.5.1871, S. 394  ; 9.6.1871, S. 397  ; 26.6.1871, S. 405. 157 »Sieh, das ist katholisch, das trennt uns«  : CWT Bd. 1, 28.9.1871, S. 443. 157 »Wir sprechen vom Vater, was kann das für ein Wiedersehen geben«  : CWT Bd. 1, 10.6.1871, S. 397. 157 Cosima hat dem Vater im Oktober zu dessen Geburtstag  : CWT Bd. 1, 17.10.1871, S. 450. 158 »Wie sonderbar dein Vater«  : CWT Bd. 1, 3.1.1872, S. 476. 158 in der sie »mit großer zunehmender Trauer« notiert  : CWT Bd. 1, 10.6.1872, S. 533. 158 »das Pfaffengeplärr nachzumachen«  : CWT Bd. 1, 7.6.1872, S. 530. 158 während ihre erste Begegnung mit dem Werk  : CWT Bd. 1, 7.6.1872, S. 531. 158 Wagner lädt also den Schwiegervater und Freund  : CWT Bd. 1, 18.5.1872, S. 521. 158 »Gottes Segen mit Euch, wie meine ganze Liebe«  : Julius Kapp, Liszt, 15.–18. Auflage, Berlin 1922, S. 256. 158 »in Bayreuth die Leute, die zur Grundsteinlegung kämen«  : CWT Bd. 1, 7.10.1871, S. 447. 158 »Ich reklamiere und will bloß erfahren«  : Ebd. 158 »R. begibt sich dann auf den Festplatz«  : CWT Bd. 1, 22.5.1872, S. 522. 159 »Im Opernhause holt mich R. aus der Loge«  : Ebd., S. 523. 159 Cosima erhält nur einen üblen Brief von Hans von Bülow  : CWT Bd. 1, 27.5.1872, S. 525. 159 Cosima sinnt nach über des Vaters »Verhalten gegen mich«  : CWT Bd. 1, 9.8.1872, S. 559. 159 dass er »gegen mich schweigt«  : CWT Bd. 1, 24.8.1872, S. 566. 159 »Der Vater wohl und erfreut«  : CWT Bd. 1, 2.9.1872, S. 570. 159 Cosima konstatiert eine »Seelenmüdigkeit des Vaters«  : CWT Bd. 1, 3.9.1872, S. 571. 159 Als die Freundin Liszts, Olga von Meyendorff bis und endlich sich der »alte Zug der Zusammengehörigkeit« einfindet  : CWT Bd. 1, 4.9.1872, S. 571. 159 Dass er den einen Abend »seine große Neigung zu mir zeigte« bis »[…] er sah mich kaum bei Tisch an«  : CWT Bd. 1, 5.9.1872, S. 571 f. 159 Als Liszts Gegenbesuch angedacht wird  : Vgl. CWT Bd. 1, 7.9.1872, S. 572. 159 »Er hat eine schändliche Reise überstanden«  : CWT Bd. 1, 15.10.1872, S. 581. 160 »Ein edler Geist, ein guter Christ, es lebe Franz Liszt«  : CWT Bd. 1, 18.10.72, S. 582. 160 der »moralische Mord an Hans«  : CWT Bd. 1, 17.10.1872, S. 581. 160 Alle Beteiligten geben sich Mühe  : Vgl. CWT Bd. 1, 19.10.1872, S. 582. 160 »Nach Tisch spricht R. von dem Vater«  : CWT Bd. 1, 3.5.1873, S. 676.

Anmerkungen nach Kapiteln 

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Wagner ist empört, dass sie dies ohne ihn erwägt«  : CWT Bd. 1, 5.5.1873, S. 679. Cosima trifft ihren Vater bis »9 Uhr Dauer der Aufführung«  : CWT Bd. 1, 29.5.1873, S. 688 f. »Vielfache Abschiede  ! R. begrüßt den Vater«  : CWT Bd. 1, 30.5.1873, S. 689. »Für den Vater Wohnung im Reichsadler besorgt« bis »vor dem Vater zu singen«  : CWT Bd. 1, 26.7. 1873, S. 710. 161 »Der Vater spricht mir von Hans«  : CWT Bd. 1, 28.7.1873, S. 710. 161 Fidi sei ein »merkwürdiger Junge«  : CWT Bd. 1, 30.7.1873, S. 710. 161 Wagner ist »einigermaßen verstimmt«  : Ebd., S. 711. 161 »Abends die Bergsymphonie vom Vater uns vorgespielt«  : CWT Bd. 1, 1.8.1873, S. 711. 161 »R. dankt ihm innig, daß er gekommen ist«  : CWT Bd. 1, 3.8.1873, S. 712. 161 »In Bamberg Abschied vom Vater«  : CWT Bd. 1, 5.8.1873, S. 712. 161 »Der Vater scheint zu erwarten, daß ich hinkomme«  : CWT Bd. 1, 12.10.1873, S. 739. 162 »von der Nötigung, nach Pest zu reisen«  : CWT Bd. 1, 26.10.1873, S. 743. 162 »ein zu großes Opfer, allein nach Pest zu reisen«  : CWT Bd. 1, 30.10.1873, S. 745. 162 ergreift sie »ein bitteres Gefühl davon«  : CWT Bd. 1, 11.11.1873, S. 749. 163 »R. sehr unwillig gegen Pest«  : Vgl. CWT Bd. 1, 10.2.1875, S. 895. 163 »wohl, heiter und entschieden froh, uns zu sehen«  : CWT Bd. 1, 6.10.1875, S. 901. 163 »seltsam wehmütiger Eindruck«  : CWT Bd. 1, 8.3.1875, S. 901. 163 »[…] Der Vater spielt das Konzert von Beethoven«  : CWT Bd. 1, 9.3.1875, S. 901. 163 »Der Vater leider sehr unwohl, für mich erschreckend  !«  : CWT Bd. 1, 18.6.1875, S. 924. 163 Cosima besucht mit »zerrissenem Herzen«  : Ebd. 163 tags zuvor hatte Wagner den 1. Akt der Urschrift  : Vgl. CWT Bd. 1, 29.3.1877, S. 1040  ; 30.3.1877, S. 1041. 163 »Dein Vater, du und ich, wir kommen mir vor wie ein Überbleibsel«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 2, 9.4.1878, S. 81. 163 »Ich kann dir nicht böse sein, da du mir deine Tochter geboren hast«  : CWT Bd. 2, 14.4.1878, S. 83. 164 »Die unsägliche Bescheidenheit meines Vaters«  : CWT Bd. 2, 27.8.1878, S. 165. 164 Liszts »Symphonische Dichtungen«, notiert Cosima  : CWT Bd. 2, 29.8.1878, S. 166. 165 »Magnificat anima nostra«  : CWT Bd. 2, 22.10.1878, S. 207. 165 »Kaum habe ich eine vernünftige Frau gefunden«  : CWT Bd. 2, 24.9.1880, S. 604. 165 er sähe sich sowieso lieber fotografiert  : Vgl. CWT Bd. 2, 5.1.1882, S. 866 f. 165 das »lästige Verhältnis« zu Fürstin Wittgenstein  : CWT Bd. 2, 10.1.1882, S. 870. 165 Sie sprechen »wiederum von meinem Vater«  : CWT Bd. 2, 8.2.1882, S. 888. 166 »Wie ich nach Tisch mit R. allein verbleibe«  : CWT Bd. 2, 2.2.1882, S. 883 f. 166 »Wie wir zum Abendbrot uns setzen«  : CWT Bd. 2, 9.10.1881, S. 805. 166 »Bei Tisch Besprechung des Schicksales von meinem Vater«  : CWT Bd. 2, 10.10.1881, S. 805. 167 »Wie R. zum Frühstück hinzukam«  : CWT Bd. 2, 10.10.1881, S. 805, Fußnote. 167 Beide »gedenken mit Freude der Anerkennung meines Vaters«  : CWT Bd. 2, 26.11.1881, S. 831 f. 167 »ernste Einwendungen gegen den Stoff«  : CWT Bd. 2, 22.9.1880, S. 603. 167 die Tarantella »etwas zu lang«  : CWT Bd. 2, 30.5.1879, S. 357. 167 »die Ausdehnung der Klagen des Anfanges, das Kettenrasseln«  : CWT Bd. 2, 28.11.1879, S. 452. 167 der Liszt’sche Hamlet erinnert ihn an einen »zerzausten Kater«  : CWT Bd. 2, 1.5.1879, S. 341. 167 und Liszt seinen Mephisto-Walzer zum Besten gab  : CWT Bd. 2, 24.9.1881, S. 798. 167 »Wenn du so ein schönes Haus hättest«  : CWT Bd. 2, 25.9.1881, S. 798. 167 »Es spräche nicht für einen«, notiert Cosima  : CWT Bd. 2, 14.7.1881, S. 761 f. 160 160 160 161

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Anmerkungen nach Kapiteln

167 »We belong, we belong to the temperance society  !«  : CWT Bd. 2, 1.1.1882, S. 863  ; Song der engli­ schen Abstinenzler. 168 »Mäßigkeits-Verein«, wie Wagner es nannte  : CWT Bd. 2, 23.9.1881, S. 797. 168 insbesondere bei Liszt war wohl eine Abhängigkeit gegeben  : Vgl. Ernst Burger, Franz Liszt. Leben und Sterben in Bayreuth, Regensburg 2011, S. 110. 168 »R. freut sich so über unsres Vaters Anwesenheit«  : CWT Bd. 2, 15.7.1882, S. 979. 168 »Um 7 Uhr fahren wir zur Restauration hinauf«  : CWT Bd. 2, 25.7.1882, S. 984. 168 »Wir haben einen letzten Mittagstisch« bis »ein großes Auflodern von Entrüstung hervor«  : CWT Bd. 2, 29.8.1882, S. 995. 168 »Regen  ! Abschied nach allen Seiten«  : CWT Bd. 2, 30.8.1882, S. 996. 168 »[…] daß wir den Vater erwarten, macht R. unwillig«  : CWT Bd. 2, 17.11.1882, S. 1051. 169 »während wir meinen Vater abholen«  : CWT Bd. 2, 19.11.1882, S. 1053. 169 »er bricht in Wut aus«  : CWT Bd. 2, 27.11.1882, S. 1058. 169 Liszts jüngste Kompositionen »durchaus sinnlos«  : CWT Bd. 2, 28.11.1882, S. 1059. 169 »ich schweige still, traurig, daß ich nichts erwidern kann«  : CWT Bd. 2, 29.11.1882, S. 1059 f. 169 »Das würde grausam sein«  : CWT Bd. 2, 2.12.1882, S. 1062. 169 Selbst als ein gemeinsamer Mittagstisch  : CWT Bd. 2, 14.12.1882, S. 1069. 169 Wagner beklagt, dass er Liszt und dieser ihm fremd geworden  : Vgl. CWT Bd. 2, 16.12.1882, S. 1071. 169 Liszt sagt, angeblich im Spaß, dass er gedemütigt worden sei  : Vgl. CWT Bd. 2, 17.12.1882, S. 1072. 170 »in Anklagen gegen meines Vaters Wesen«  : Ebd. 170 und ihm dieser Anblick so »unerfreulich« ist  : CWT Bd. 2, 27.12.1882, S. 1080. Kapitel 22  : Soziale Unterschiede 171 »daß meine Kinder durch den Zuschnitt unseres Hauses sich verleiten lassen«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 1, 13.6.1873, S. 694. 171 »Ermahnung an Fidi  !«  : CWT Bd. 1, 10.9.1873, S. 725. 171 »welche in der Halle unseres Hauses geheftet werden«  : CWT Bd. 1, 26.2.1874, S. 795. 172 Sie erinnert sich an »das aristokratische Publikum«  : CWT Bd. 1, 4.2.1873, S. 636. 172 nach Tribschen zu Besuch, »dem ich R. vorstelle«  : CWT Bd. 1, 25.9.1869, S. 154. 172 und ihr »sehr peinlich«  : CWT Bd. 1, 24.10.1869, S. 162. 173 »Sie war die Fürstin, alles andere war Gefolge«  : Walther Siegfried, Frau Cosima Wagner, Stuttgart 1930, S. 95. 173 »Gestern machte über Adel und ›von’s‹ Richard vor den Kindern eine Bemerkung«  : CWT Bd.  1, 12.11.1869, S. 169. 173 Er nennt sie sein »königliches Weib«  : CWT Bd. 1, 11.5.1872, S. 519. 173 auch seinen »vornehmen Besuch«  : CWT Bd. 1, 7.10.1870, S. 295. 173 »Ahnen mütterlicher Seite (Flavignys)«  : CWT Bd. 1, 7.9.1875, S. 934. 173 »Er freut sich mit mir zu stolzieren«  : CWT Bd. 1, 21.10.1870, S. 302. 173 »Du bist so traut  ; so stolz und vornehm du bist«  : CWT Bd. 1, 26.11.1870, S. 316. 173 »diese Sitte verdanke sich gewiß den herzlosen französischen Ehen«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 2, 7.6.1880, S. 541. 173 »aristokratischem einzigen Wesen, alles an ihm vornehm«  : CWT Bd.  2, 21.8.1878, S.  164, Fußnote 1. 174 »denn es wäre dieser Zug des Adels darin«  : CWT Bd. 2, 16.1.1881, S. 666.

Anmerkungen nach Kapiteln  174 174 174 174 174 175 175 175 175 176 176 176 176 176 176 176 177

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Wagner spricht davon, durch die Verbindung mit Cosima »geadelt«  : CWT Bd. 1, 20.6.1871, S. 402. »Alles das muß ich immer anhören und kann nichts erwidern«  : Ebd. »trivialen Umgebung«  : CWT Bd. 1, 15.6.1874, S. 829. »Fluch, ohne Vermögen geboren zu sein«  : CWT Bd. 2, 19.9.1878, S. 178, Fußnote 2. »Manche Rechnung läuft ein«  : CWT Bd. 1, 16.6.1874, S. 829. Wagner habe »keineswegs demokratische Allüren«  : Julius Kapp, Liszt, 15.–18. Auflage, Berlin 1922, S. 150 f. »Dass die Kinderchen alle immer so sauber aussehen«  : CWT Bd. 1, 16.10.1870, S. 300. »Du bist mein Alles, ich dein Allerlei«  : Ebd. »in ein adeliges Institut zu geben«  : CWT Bd. 1, 6.3.1874, S. 799. »in einem solchen Besitz auferzogen worden zu sein«  : CWT Bd. 1, 5.9.1874, S. 850. »Klage darüber, daß er […] kein angeerbtes Vermögen gehabt«  : CWT Bd. 1, 8.11.1872, S. 594. wie er in den 1860er-Jahren in Paris »ohne einen Groschen«  : CWT Bd. 2, 1.6.1878, S. 104. »daß er in der Kindheit ganz ähnlich wohlig und heiter gewesen sei«  : CWT Bd. 2, 8.5.1880, S. 530. »ungemütliches Leben«  : CWT Bd. 2, 4.8.1879, S. 393. »häuslichen Leben«  : Vgl. ebd. »daß R. mich nicht heiraten würde«  : CWT Bd. 1, 3.9.1870, S. 280. »Cosima fan tutte«  : CWT Bd. 1, 30.9.1869, S. 156.

Kapitel 23  : Fricka 178 »Mühen der Ebene«  : Diese Redewendung geht zurück auf Bertolt Brechts Gedicht »Wahrnehmung« (1949). Kapitel 24  : Inszenierungen des Paars 181 »schön, [in] weiße Atlas-Kleider und Rosen-Kränze«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/ Zürich 1976/77, Bd. 1, 1.1.1869, S. 22. 181 »Ihr Gruss, theures Fräulein, hat uns an Siegfried’s Tauftag erfreut«  : Cosima an Malwida von Meysenbug, 14.9.1870, NA Hs 197 Nr. 1, S. 1. 181 »Am frühen Morgen bläst [Hans] Richter die Siegfried-Weise«  : CWT Bd. 1, 22.5.1869, S. 97. 183 »Um 8 Uhr stellte ich die Kinder mit Rosenkränzen auf«  : CWT Bd. 1, 22.5.1870, S. 233. 183 »Vor Tisch spielt er mir, was er gemacht«  : CWT Bd. 1, 3.5.1869, S. 92. 183 »Nach Tisch spielt er mir die Nornen-Scene vor«  : CWT Bd. 1, 21.1.1870, S. 190. 183 »R. spielt die fertiggewordene Komposition der Götterdämmerung«  : CWT Bd. 1, 31.3.1870, S. 214. 183 »R. kommt zu mir und sagt, ›Hagen’s Wachtlied wird kolossal‹«  : CWT Bd. 1, 17.4.1870, S. 221. 183 »Am Morgen ruft mir R. zu«  : CWT Bd. 1, 20.7.1870, S. 259 f. 184 Sie sprechen über »das eigentümlich Geheimnisvolle unserer Verbindung«  : CWT Bd.  1, 17.6.1869, S. 111. 184 »Solch ein armes armes Wesen wie Hans«  : Ebd. 184 »Ich kann heute leichter aufstehen«  : CWT Bd. 1, 26.6.1869, S. 116. 185 »Er steht da, er ruft diese Wunder hervor, und er liebt mich«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 2, 25.12.1878, S. 271. 185 »[…] er verspricht mir, den Schluß des 2ten Aktes mir mitzuteilen«  : CWT Bd. 1, 13.10.1878, S. 198.

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Anmerkungen nach Kapiteln

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»›Ja‹, sagt R., ›das war mein Geniezug«  : CWT Bd. 1, 18.7.1871, S. 416. Nach einem Konzertabend in Berlin beschreibt ihr Wagner  : CWT Bd. 1, 5.2.1873, S. 637. »In der Eisenbahn noch den Kindern gewinkt«  : CWT Bd. 1, 20.2.1875, S. 898. »Kinder gespannt zusehend, Amsel singend«  : CWT Bd. 1, 2.5.1873, S. 676. »R. ist zufrieden mit seiner Arbeit (dem Fluch von Kundry  !)«  : CWT Bd. 1, 10.10.1878, S. 196. »Gestern, wie die Gäste sich entfernten«  : CWT Bd. 1, 22.10.1873, S. 742.

Kapitel 25  : Kindersorge 188 »R. geht nun weiter und wirft mir vor, daß ich in der Kindererziehung«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 1, 27.5.1869, S. 99. 188 »Am Morgen sagt mir R.: ›Du Arme mußt für so vieles sorgen‹«  : CWT Bd. 1, 22.2.1870, S. 201. 188 Gedicht für Daniela zu Wagners Geburtstag  : CWT Bd. 1, 21.5.1870, S. 232. 189 »Loldi wohler, die Gefahr der Diphtheritis vorbei«  : CWT Bd. 1, 18.9.1871, S. 441. 189 »R. komponiert und schreibt Briefe  ; ich bin so müde«  : CWT Bd. 1, 1.10.1871, S. 445. 189 »R. arbeitet, ich Kinderbonne«  : CWT Bd. 1, 17.10.1871, S. 449. 189 »Er sagt mir, wie ihn das selig mache«  : CWT Bd. 1, 1.1.1869, S. 23. 189 »das größte Geschenk, das du mir machen konntest«  : CWT Bd. 1, 11.11.1875, S. 948. 189 Er genießt es, wenn sie sich bei seinem Klavierspiel  : Vgl. Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1977, Bd. 2, 6.10.1878, S. 192. 189 »Abends arbeiten die vier Mädels an R’s Kopf«  : CWT Bd. 1, 14.6.1872, S. 534. 189 »So seid denn gesegnet, meine Kinder«  : CWT Bd. 1, 1.1.1869, S. 23. 190 »Hört mich, Lusch und Boni, Loldi, Eva und Siegfried«  : CWT Bd. 1, 21.1.1870, S. 190 f. 190 »Sehr leidend, doch mit den Kindern«  : CWT Bd. 1, 18.4.1869, S. 86. 190 »Ruhiger schöner Tag, mit Lulu Geographie und Klavier geübt«  : CWT Bd. 1, 30.5.1869, S. 100. 190 »Nicht die gute Art, sondern die gute Erziehung«  : Ebd. 190 Sie spielt, liest und singt mit ihnen  : Vgl. CWT Bd. 1, 20.2.1870, S. 200. 190 »ich mit den Kindern studierend, spielend, badend«  : CWT Bd. 1, 13.7.1869, S. 127. 190 »Kinderarbeit, dann Kindertisch und später Kinderspiel«  : CWT Bd. 1, 8.6.1871, S. 396. 190 Und der Kinderjubel oben sei ganz herrlich  : Vgl. CWT Bd. 1, 19.4.1869, S. 87. 190 »Trübes Wetter und trübe Eindrücke«  : CWT Bd. 1, 9.5.1873, S. 680. 191 »Was auch über euch kommen wird, Kinder, tragt es«  : CWT Bd. 1, 30.7.1869, S. 134. 191 »Mein Wunsch in Betreff der Kinder geht da hinaus«  : CWT Bd. 1, 3.8.1869, S. 136. 192 »Die Kinder zurück  ; trauriger Eindruck, daß Boni«  : CWT Bd. 1, 5.10.1871, S. 446. 192 »Traurigste Erfahrung an Blandine«  : CWT Bd. 1, 8.10.1871. S. 447. 192 »Sieh’ mein Kind, ich glaube, ich hoffe, ich wäre Euch eine gute Mutter«  : Cosima an Daniela von Bülow, 2.7.1881, in  : Max Freiherr von Waldberg (Hg.), Cosima Wagners Briefe an ihre Tochter Daniela von Bülow, Stuttgart/Berlin 1933, S. 219. 192 »Ich hole mit den Kindern Lulu von der Klavierstunde ab«  : CWT Bd. 1, 21.10.1871, S. 451. 193 »die Kinder morgen nach Weggis zu schicken«  : CWT Bd. 1, 3.10.1871, S. 446. 193 »Brief von Hans mit Photographien und Geldsendung«  : CWT Bd. 1, 24.12.1871, S. 470. 193 »Gestern hat R. unser Haus mit Loldi«  : CWT Bd. 1, 11.1.1873, S. 626. 194 »R. und ich, wir nehmen uns vor, von nächstem Herbst an«  : CWT Bd. 1, 5.–7.9.1876, S. 1001. 194 »Eva erhält zum ersten, wahrscheinlich zum letzten Male die Rute«  : CWT Bd. 1, 2.11.1870, S. 308. 194 »Loulou in Strafe wegen Nachlässigkeit«  : CWT Bd. 1, 30.10.1870, S. 306.

Anmerkungen nach Kapiteln 

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»manches Befremden über die Anders-Geartetheit«  : CWT Bd. 2, 28.1.1882, S. 881. »Liebe Loulou und liebe Boni, heute ist eures Vaters Geburtstag«  : CWT Bd. 1, 8.1.1869, S. 27. »Was ich eurem Vater nicht sein konnte, werdet ihr ihm sein«  : CWT Bd. 1, 3.7.1869, S. 121. »Loulou, mein Kind, übernimm es, deinem Vater zu leben«  : CWT Bd. 1, 20.12.1869, S. 180. »Lusch erzählt mir, daß sie von ihrem Vater geträumt habe«  : CWT Bd. 1, 14.1.1870, S. 188. »Lusch rührt mich dadurch, daß sie mir mitteilt«  : CWT Bd. 1, 19.12.1870, S. 327. »Wen habt ihr lieber, euren ersten oder zweiten Papa«  : CWT Bd. 1, 4.6.1872, S. 529. »sehr schön geputzt hätte tanzen sehen«  : CWT Bd. 1, 30.11.1871, S. 464. »ihrem Vater nach Florenz, sich seinen Segen erbittend«  : CWT Bd. 1, 26.5.1874, S. 822. »leichte Fassungsgabe«  : CWT Bd. 1, 1.1.1871, S. 335. »erteilt eine tiefe schöne Ermahnung an Daniella«  : CWT Bd. 1, 8.6.1873, S. 693. »Ich muß R. zu Hülfe, zur Züchtigung der zwei Großen rufen«  : CWT Bd. 1, 31.7.1873, S. 711. »Abschied um 1 Uhr. Die Kleinen weinen sehr«  : CWT Bd. 1, 8.4.1875, S. 908. »Blandine herzlich und zärtlich«  : CWT Bd. 1, 18.12.1875, S. 953. »Der Luxus in unserem Hause kommt nicht von mir«  : Cosima an Daniela von Bülow, 11.9.1876, in  : CWDvB, S. 39. 197 »Ueber Boni hörte ich bereits, dass sie«  : Cosima an Daniela von Bülow, 10.2.1881, in  : CWDvB, S. 141. 197 »Ich weiss es nicht ob es ein Mangel an Zärtlichkeit bei mir ist«  : Cosima an Marie von Schleinitz, 8.3.1881, NA Hs 190–174. 198 mit einem »Tischspruch«  : CWT Bd. 2, 22.5.1882, beigelegter Text in den Anmerkungen, S. 1266. 198 »daß er es Blandine erleichtere, zu ihrer eigenen Entwickelung«  : CWT Bd. 2, 30.5.1882, S. 949. 198 Der Glaube lebt, / Die Taube schwebt,«  : CWT Bd. 2, 24.8.1882, Anmerkungen S. 1272 f. 198 »Daniela’s Gebaren macht uns Kummer«  : CWT Bd. 2, 21.10.1882, S. 1028. 199 »Mit Freude und Stolz schicke ich Dir Lulu«  : Cosima an Marie von Wolkenstein, 27.12.1880, Hs 190, Nr. 169. 199 »neben mir nicht zu ihrer rechten Ausströmung kämen«  : Cosima an Marie von Wolkenstein, 20.10.1881, Hs 190, Nr. 182, S. 3. 199 »Ich war nie hoffähig, mein Vater hat mich in Weimar nie vorgestellt«  : Cosima an Daniela von Bülow, 10.1.1881, in  : CWDvB, S. 112. 200 »ich grüße dir einen Gruß für Onkel Richard«  : CWT Bd. 1, 6.1.1870, S. 185. 200 »Herzklopfen und mit glühendem Kopf«  : CWT Bd. 1, 27.2.1869, S. 63 f. 200 Isolde habe ein exzentrisches Wesen  : Vgl. CWT Bd. 1, 7.5.1869, S. 93. 200 »Wir speisen mit den Kindern und lassen Hans leben«  : CWT Bd. 1, 8.1.1873, S. 625. 200 »Wie ein Blitz trifft es mich, daß Isolde’s Gestalt«  : CWT Bd. 1, 7.4.1877, S. 1042 f. 200 »Wehmütiges Zusammensein mit ihr«  : CWT Bd. 1, 31.8.1877, S. 1063. 200 schreibt ihr Wagner folgendes Gedicht  : CWT Bd. 1, 10.4.1880, Anmerkung A 1567, S. 1209. 201 »Kind der Treue«  : CWT Bd. 2, 17.2.1881, S. 694. 201 »Das gute bescheidene Kind ganz ergriffen«  : CWT Bd. 1, 17.2.1875, S. 897. 201 »Kinder-Bescherung, Kinder-Tafel, viel Jubel«  : CWT Bd. 1, 17.2.1869, S. 59. 201 »nur Eva kann nicht vorwärts«  : CWT Bd. 1, 22.5.1874, S. 822. 201 »immer etwas leidend aussehend«  : CWT Bd. 1, 12.1.1869, S. 30. 201 »im Salonwagen wegen der Kranken«  : CWT Bd. 2, 29.12.1879, S. 467. 202 »das Siegel unserer Liebe«  : CWT Bd. 1, 7.2.1870, S. 196. 202 Gedicht mit dem Titel »6ten Juni«  : CWT Bd. 1, 6.6.1870, S. 241. 202 »Mein Kind, mein Sohn, deine Geburt«  : CWT Bd. 1, 6.6.1870, S. 240 f. 194 194 195 195 195 195 195 195 195 196 196 196 196 196 196

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Anmerkungen nach Kapiteln

202 »Kindertisch mit Fidi, der als Mann«  : CWT Bd. 1, 7.9.1871, S. 436. 203 »Mein Siegfried ist wohl blond und hat blaue Augen«  : Cosima an Antonie Petersen, 19.6.1873, in  : Claudia Graciela Petersen, An die »theuerste Nichte«, Leipzig 2020, S. 30. 203 »merkwürdiger Junge«  : CWT Bd. 1, 30.7.1873, S. 710 f. 203 »R. in Sorge um ihn, weil er so empfindsam scheint«  : CWT Bd. 1, 13.12.1873, S. 762. 203 »beständigen Frauenumgang«  : CWT Bd. 1, 28.8.1872, S. 568. 203 »Sorge um Siegfried, welcher gar weichlich mir erscheint«  : CWT Bd. 1, 23.8.1877, S. 1067. 203 »Sorge um Fidi, wir haben Knaben-Umgang für ihn gesucht«  : CWT Bd. 1, 2.12.1877, S. 1091. 203 »Beim Frühstück aber kommen uns ernste Gedanken an«  : CWT Bd. 2, 8.3.1882, S. 906. 203 »Beim Frühstück sprachen wir über Siegfried«  : CWT Bd. 2, 2.10.1882, S. 1013. 204 »Ich habe dich und die Kinder und sonst nichts«  : CWT Bd. 2, 22.4.1880, S. 524. 204 »›Es ist das Schönste, was ich erlebt‹«  : CWT Bd. 2, 22.5.1878, S. 97. Kapitel 26  : Chauvinismus 205 »unsre deutsche Gesinnung und der ganze Zuschnitt unseres Lebens«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 1, 2.11.1870, S. 308. 205 »wir sind ihr zu deutsch«  : CWT Bd. 1, 16.11.1870, S. 313. 205 »französisch gedrillten Kopf«  : CWT Bd. 1, 13.11.1870, S. 312. 206 Die Empfangsfeierlichkeiten am Bahnhof  : Vgl. CWT Bd. 1, 24.3.1871, S. 373. 206 »ihr sehr fremd, doch ist sie angenehm«  : CWT Bd. 1, 25.3.1871, S. 373. 206 »Stürmischer Tag«  : Ebd. 206 »Wiederholung aller Nöte mit der Mutter«  : CWT Bd. 1, 31.3.1871, S. 374. 206 »R. dankt ihr, gekommen zu sein«  : CWT Bd. 1, 2.4.1871, S. 375. 206 »meine Mutter ist wieder irrsinnig«  : CWT Bd. 1, 29.6.1871, S. 406. 206 »Claire Charnacé schreibt mir von dem Zustand der Mutter«  : CWT Bd. 1, 31.5.1872, S. 526. 206 den ersten Band ihrer Geschichte der Niederlande  : Vgl. CWT Bd. 1, 5.8.1872, S. 558. 208 »interessiert mich sehr und dünkt mich sehr gut«  : CWT Bd. 1, 31.8.1872, S. 570. 208 »von der vermeintlichen Wiedergeburt Frankreichs«  : CWT Bd. 1, 25.9.1875, S. 937. 208 »Ich antworte der Mutter, daß ich ihr keine so guten Nachrichten«  : CWT Bd. 1, 26.9.1875, S. 937. Kapitel 27  : Jüdische Fragen 210 »aber ihre Emanzipation und Gleichstellung«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 2, 27.12.1878, S. 273. 210 weil der »Musikjude« Ferdinand Hiller  : Vgl. CWT Bd. 2, 28.11.1879, S. 452. 210 »Die Wirkung Deiner Broschüre ist über alle Erwartung«  : Hans von Bülow an Richard Wagner, 8.4.1869, Brief 293 in  : Richard Graf Du Moulin Eckart (Hg.), Hans von Bülow. Neue Briefe, München, o. J. (1926), S. 461 ff. 210 »Der Nibelungen Noth«  : Kladderadatsch, 22. Jahrgang, Nr. 42, 12.9.1869, S. 165 (Titelseite). 211 »welches die Vorkommnisse in München in anständig humoristischer Weise«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 1, 26.9.1869, S. 155. 211 »Schreckliche Neuigkeit. (In Zukunftsmusik zu setzen.)«  : Kladderadatsch, 22. Jahrgang, Beiblatt zu Nr. 42 vom 12.9.1869.

Anmerkungen nach Kapiteln 

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212 »damit er sein Theater ausbauen könne«  : Cosima an Marie von Schleinitz, ca. Ende Oktober 1873, NA Hs 190–61. 212 »Und wir«, schreibt sie im selben Brief  : Ebd. 213 »Zu Mittag besprach Richard mit mir die Opportunität«  : CWT Bd. 1, 9.1.1869, S. 29. 213 Der Leipziger Verleger Johann Jacob Weber  : Vgl. CWT Bd. 1, 23.1.1869, S. 41. 213 die ersten Versendungsexemplare  : Vgl. CWT Bd. 1, 9.3.1869, S. 68. 213 »Er hat den Judenaufsatz abgeschickt«  : CWT Bd. 1, 11.1.1869, S. 29. 213 »In Gottes Namen«  : CWT Bd. 1, 21.1.1869, S. 40. 213 »Hans ist von der Broschüre sehr entzückt«  : CWT Bd. 1, 10.3.1869, S. 69. 213 »Eine kleine Notiz in der Karlsruher Zeitung«  : CWT Bd. 1, 13.3.1869, S. 71. 214 »Sie erzählt mir, daß die Leute mir Schuld«  : CWT Bd. 1, 15.9.1869, S. 151. 214 »aber über die Judenbroschüre traurig ist«  : CWT Bd. 1, 24.5.1869, S. 98. 214 »Es thut mir leid für die Juden«  : Cosima an Marie von Schleinitz, 9.2.1875, NA Hs 190–94. 214 »Leben Sie wohl, theuerste Freundin, einzige wahre Theilhabende«  : Ebd. 214 »Ich weiss nicht ob die Menschenseele sich in weisse, schwarze, gelbe eintheilt«  : Malwida von Meysenbug an Cosima, 4.3.1899, Richard Wagner Museum Luzern, Archiv Nr. A 560. 215 »In den Kot werden sie uns ziehen«  : CWT Bd. 1, 15.3.1869, S. 72. 215 »Tristan ist die Musik für die Aufhebung aller Schranken«  : CWT Bd. 2, 19.6.1881, S. 751. Kapitel 28  : Arme Leute und Dienstboten 216 »Ein armer Soldat aus der päpstlichen Armee«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 1, 14.3.1869, S. 71. 216 »[…] das Kind ist am Sterben«  : CWT Bd. 1, 17.11.1871, S. 460  ; Grane war ein Geburtstagsgeschenk von König Ludwig II. für Wagner 1870. 216 »Die Mutter des verwundeten Kindes«  : CWT Bd. 1, 18.11.1871, S. 460 f. 216 »Wir bringen die kleine Richardis Cosima heim«  : CWT Bd. 1, 2.6.1872, S. 528. 217 »Armenbescherung«  : CWT Bd. 1, 22.12.1872, S. 615. 217 »armen hübschen guten Buchbinder-Gehülfen«  : CWT Bd. 1, 13.3.1873, S. 652. 217 »Wir gehen zusammen aus, tragen unsere Sorge für den Gehilfen«  : CWT Bd. 1, 20.3.1873, S. 657. 217 »Zum Haus gegangen  ; wie ich heimkehre, hält ein altes Weib mich an«  : CWT Bd.  1, 15.1.1874, S. 782. 218 »Wie wir heimkommen, erzählt R. mir von einem Bierbrauergesell«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 2, 15.6.1878, S. 117. 218 »Der arme Bierbrauerknecht ist gestorben«  : CWT Bd. 2, 19.6.1878, S. 120. 218 »von einem Aufstand der Bergwerker in Schlesien«  : CWT Bd. 2, 22.7.1879, S. 385. 218 »Die armen Bergwerker kommen uns auch wieder in den Sinn«  : CWT Bd. 2, 23.7.1879, S. 385 f. 218 »[…] Hunger überall, ein Weber verhungert gefunden in seiner Stube«  : CWT Bd.  2, 27.11.1879, S. 451 f. 219 »Im neuen Hause in der Stadt  ; Sonnabend Aus- und Einzug«  : CWT Bd. 1, 24.9.1872, S. 575. 220 »Aushülfe-Köchin da, so daß wir heute wieder zu Hause recht gemütlich«  : CWT Bd. 1, 27.9.1872, S. 577. 220 »weibliches dienendes Wesen auf die kurze Zeit zu gewinnen«  : Cosima an Hermann Levi, Brief 23 vom 21.2.1879, in  : Dieter Steil (Hg.), »… unsere Kunst ist eine Religion …«, Baden-Baden 2018, S. 52.

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220 »Dank für Babette und Marie  ; letztere – eine Schwäbin«  : Cosima an Levi, Brief 109 vom 10.11.1881, CWHL, S. 161. 220 »wünschte ich sehr dass sie auf meine Kosten«  : Cosima an Levi, Brief 110 vom 21.11.1881, CWHL, S. 162. 220 »Nun bitten wir Sie, nach Bayreuth zu kommen«  : Cosima an Hermann und Mary Levi, Brief 618 vom 30.12.1897, CWHL, S. 773. 221 »daß in seinem Schreibtisch (immer offen)«  : CWT Bd. 1, 17.2.1873, S. 640. 221 »leugnet zuerst alles frech, um mir schließlich zu bekennen«  : CWT Bd. 1, 19.2.1873, S. 641  ; Persuasion = Überredung, eindringliches Gespräch. 221 »[…] so habe ich denn das Quintett mir gänzlich überlassen«  : CWT Bd. 1, 16.9.1871, S. 440. 221 »Im Laufe des Tages überzeuge ich mich durch verschiedene Berichte«  : CWT Bd. 1, 8.10.1871, S. 447. 221 »Herminen’s Schwester schreibt mir Schmähungen«  : CWT Bd. 1, 12.10.1871, S. 448. 222 »Da erstere im Zusammenhang mit München steht«  : CWT Bd. 1, 6.1.1869, S. 26. 222 Es gibt plausible Vermutungen  : Vgl. Eva Rieger, »Leuchtende Liebe, lachender Tod«. Richard Wagners Bild der Frau im Spiegel seiner Musik, Düsseldorf 2009, S. 210–226. 223 »Um Mitternacht hinauf, da ruft mich Jakob«  : CWT Bd. 1, 28.5.1869, S. 100. 223 »Geburt des 2ten Stocker’schen Kindes«  : CWT Bd. 1, 7.10.1869, S. 157. 223 »Jakob meldet, daß Vreneli’s Stunde gekommen ist«  : CWT Bd. 1, 21.2.1872, S. 492. 224 »Abends vorher traf ich R. in Tränen«  : CWT Bd. 1, 24.12.1874, S. 879 f. 224 »Nachmittags empfangen wir unsere neue Dienerschaft«  : CWT Bd. 1, 2.2.1874, S. 789. 224 »samt Kanarienvogel und Bibel«  : CWT Bd. 1, 3.2.1874, S. 789. 224 »Es gehen die Tage in beständigen Versuchen«  : CWT Bd. 1, 19.–24.3.1875, S. 903. 225 »Viel Hausnot, üble Gouvernante«  : CWT Bd. 1, 18.2.1874, S. 793. 225 »Zu Hause R.’s Briefe an seine erste Frau durchgesehen«  : CWT Bd. 1, 14.3.1874, S. 802. 225 »[…] ich habe im Hause vor- und nachmittags zu tun«  : CWT Bd. 1, 16.3.1874, S. 802. 225 »Ich gehe abends in das Konzert mit den zwei ältesten Kindern«  : CWT Bd. 1, 27.3.1874, S. 805. 225 Die historisch verbürgte Bürker  : Vgl. Rüdiger Pohl (Hg.), Ein neu entdecktes Tagebuch aus Wahnfried II, in  : »Mitteilungen der deutschen Richard-Wagner-Gesellschaft« Nr. 72, September 2015, ISSN 0946-1280, 20.09.1882 ff., S. 2. http://www.wagner-gesellschaft.de/wp-content/ uploads/2016/03/wagner-mitteilungen_september-2015.pdf, letzter Zugriff am 3.1.2022. 225 Die 2015 erstmals in Auszügen aufgetauchten  : Rüdiger Pohl (Hg.), Ein neu entdecktes Tagebuch aus Wahnfried I und II, in  : »Mitteilungen der deutschen Richard-Wagner-Gesellschaft« Nr. 71, Februar 2015, ISSN 0946-1280, und Nr. 72, September 2015, ISSN 0946-1280. http:// www.wagner-gesellschaft.de/wp-content/uploads/2015/06/wagner-mitteilungen_februar-2015_ web-2.pdf, letzter Zugriff am 3.1.2022. 226 »Heute haben wir Sonntag«  : Ebd., Oktober 1881, S. 2. 226 »[…] was war das wieder für ein Rennen, Jagen«  : Ebd., November 1881, S. 2. Kapitel 29  : Die Festspiele 227 »Um ein Uhr fort, um fünf Uhr in Bayreuth«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 1, 17.4.1871, S. 378. 227 »Allein das Theater paßt für uns gar nicht«  : CWT Bd. 1, 19.4.1871, S. 379. 227 »Es steht in vielen Zeitungen, daß das Bayreuther Unternehmen«  : CWT Bd. 1, 18.10.1871, S. 450. 227 »R. sagt, das wird unsere Schöpfung, du wirst die Markgräfin«  : CWT Bd. 1, 21.12.1871, S. 470.

Anmerkungen nach Kapiteln 

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227 »mancherlei wird besprochen, ich rate für den Theaterbau«  : CWT Bd. 1, 25.5.1872, S. 524. 228 »Furchtbare Grabungsarbeiten«  : CWT Bd. 1, 19.7.1872, S. 550. 228 »in die Stadt zu fahren, die Pläne anzusehen«  : CWT Bd. 1, 27.8.1872, S. 567. 228 »nach Tisch gehen wir spazieren und gelangen durch Umwege«  : CWT Bd. 1, 30.9.1872, S. 578. 228 »Gegen Mittag mit R. und Richter zum Bau«  : CWT Bd. 1, 6.1.1873, S. 624. 228 »Gedanken über die Schwierigkeiten der Unternehmung«  : CWT Bd. 1, 17.6.1873, S. 696. 228 »Ein Gefühl von Angst, das ich nicht beschreiben kann«  : CWT Bd. 1, 5.7.1873, S. 703 f. 229 »[…] wie die Bangigkeit vor dem Gerüst verschwindet«  : CWT Bd. 1, 2.8.1873, S. 712. 229 »Die Sonne scheint, ich bitte R., mich zum Theater zu führen«  : CWT Bd. 1, 25.12.1873, S. 768. 230 »Es ist noch nicht fertig, weit davon, allein wir erzwingen es«  : CWT Bd. 1, 28.4.1874, S. 813. 230 »Am Nachmittag sagte mir R., ich hätte immer gewünscht«  : CWT Bd. 1, 4.5.1874, S. 814 f. 230 »von der steten Sorge beschlichen, daß wir zum Unglück fahren«  : CWT Bd. 1, 28.6.1874, S. 831. 230 »Wie ich abends R. sagte  : Das sei mein schönster Geburtstag«  : CWT Bd. 1, 25.12.1874, S. 880. 231 »Konferenz wegen Wohnungen«  : CWT Bd. 1, 22.6.1875, S. 925. 231 »R. frug mich, ob ich glaubte, daß die Sache überhaupt zustande käme«  : CWT Bd. 1, 21. u. 22.12.1875, S. 954. 231 der Traum vom Bühnenweihfestspiel  : CWT Bd. 1, 14.3.1877, S. 1037 f. 231 »R. bemerkt, daß er nun vier Jahre wieder keine Note geschrieben«  : Ebd. 231 dass die intrigante Sängerin Schmutz aufwühlen will »gegen uns«  : CWT Bd. 1, 4.1.1876, S. 962. 231 »Hansen’s Geburtstag  ; ich mache ihn zu einem Tag des Insichgehens«  : CWT Bd. 1, 8.1.1876, S. 963. 232 »auch dieser Elendigkeit unserer öffentlichen Zustände«  : CWT Bd. 1, 31.1.1876, S. 967. 232 »Es will wie eine Tollkühnheit aussehen«  : Ebd. 232 »Viel mit Pr. Doepler über Nibelungenhort gesprochen«  : CWT Bd. 1, 1.5.1876, S. 984. 232 »zum Schaden des Tragischen und Mythischen«  : CWT Bd. 1, 13.7.1876, S. 994. 232 »Trotz seiner Schmerzen scherzt er und sagt«  : CWT Bd. 1, 14.6.1876, S. 990 f. 232 »Du wirst mir noch alle meine Freunde verscheuchen«  : Zit. Oswald Georg Bauer, Die Geschichte der Bayreuther Festspiele, Bd. 1, München 2016, S. 80. 232 »an der Spitze einer weiblichen Camarilla« bis »allen voran die Gräfin Schleinitz«  : Zit. ebd. 233 »für Verstimmungen beim Künstlerpersonal während der Vorproben«  : Richard Wagner. Sämtliche Briefe, Bd. 27, Wiesbaden 2021, vgl. Kommentar zu Brief Nr. 279, Richard Wagner an Hans Richter vom 15. August 1875, S. 574. 233 »durch Kleinigkeiten und Kleinlichkeiten«  : Neues Wiener Tagblatt vom 8. August 1875, zit. RWSB Bd. 27, S. 575. 233 »mit einem hochfahrenden Worte« bis »Weiberlaune allzuschwer gezahlt«  : Neues Wiener Tagblatt vom 8. August 1875, zit. RWSB Bd. 27, S. 576. 234 »durchaus erlogen«, »Übertreibungen« und »Mißverständnissen«  : Bayreuther Tagblatt, 17.  August 1875, zit. RWSB Bd. 27, S. 578. 234 »Eine Frau, wie die meinige, durfte nur Ihre Hochachtung verdienen«  : Richard Wagner an Hans Richter, 15. August 1875, in  : RWSB Bd. 27, S. 226. 234 »Hier ist derjenige, welcher mir zuerst«  : Julius Kapp, Liszt, 15.–18. Auflage, Berlin 1922, S. 266. 234 »Ein unbestimmtes Gerücht bringt die Nachricht«  : CWT Bd. 1, 22.7.1876, S. 995. 235 »Wagner war in Bayreuth sein eigener Regisseur«  : Bauer, Festspielgeschichte, Bd. 1, S. 123. 236 »Damen des Hauptquartiers«  : Zit. Bauer, Festspielgeschichte, Bd. 1, S. 95. 237 »Er denkt daran, [Hans] Richter frei zu machen«  : CWT Bd. 1, 13.4.1877, S. 1043  ; Emil Heckel = Gründer des ersten Wagnervereins.

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Anmerkungen nach Kapiteln

237 »Wie wir wieder allein sind, spielt er mir, was er heute gearbeitet«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 2, 2.1.1879, S. 282. 238 »Die Übermacht der Empfindung betäubt mich etwas«  : CWT Bd. 2, 26.4.1879, S. 337. 238 »findet R. den Schluß des Parsifal und spielt ihn mir«  : CWT Bd. 2, 9.9.1879, S. 406. 238 »Er will hier ein Jahr noch bleiben«  : CWT Bd. 2, 8.2.1880, S. 489. 238 »In seinem Stübchen, darin er Oberlicht geschaffen, sitze ich, im Maradscha«  : CWT Bd. 2, 20.3.1880, S. 507. 239 »Es ließ mir keine Ruhe«  : CWT Bd. 2, 13.1.1882, S. 871. 239 »Die Blumen (R. wünscht sie so benannt, nicht Bl.mädchen«  : CWT Bd. 2, 9.7.1882, S. 977. 239 »Abends ziehe ich das Kundry-Kostüm an«  : CWT Bd. 2, 18.6.1882, S. 964. 239 »grüne große Laube«  : CWT Bd. 2, 12.7.1882, S. 978. 239 »Unsere Heimfahrt ist still-feierlich«  : CWT Bd. 2, 29.8.1882, S. 995. 240 »Und so waren sie denn abgeschlossen, diese sechzehn Aufführungen«  : CWT Bd. 2, 30.8.1882, S. 996. 240 »Diese haben nun jetzt eine ganz bestimmte Gestalt«  : Richard Wagner an König Ludwig  II., 18.11.1882, in  : König Ludwig II. und Richard Wagner. Briefwechsel, Band 3, Karlsruhe 1936, S. 251. Kapitel 30  : Die letzte gemeinsame Zeit 241 »Zartgefühl, Ehrenhaftigkeit, Männlichkeit«  : Cosima an Malwida von Meysenbug, 18.4.1882, NA Hs 197. 241 »Ich wusste dass er kein Vermögen habe«  : Ebd. 241 »Möchtest Du, mein geliebtes Kind, deinen Vater fragen«  : Cosima an Daniela von Bülow, 24.6.1882, NA II B b 2 Nr. 37. 241 Betty Bürker berichtet von Schreinern, Tapezierern, Schlossern  : Vgl. Rüdiger Pohl (Hg.), Ein neu entdecktes Tagebuch aus Wahnfried II, in  : »Mitteilungen der deutschen Richard-Wagner-Gesellschaft« Nr. 72, September 2015, ISSN 0946-1280, 20.09.1882 ff., S. 3, http://www.wagner-­ gesellschaft.de/wp-content/uploads/2016/03/wagner-mitteilungen_september-2015.pdf, letzter Zugriff am 3.1.2022. 241 »die gnädige Frau zankte mit mir«  : Bürker, Tagebuch, 4.10.1882, S. 3. 242 »er wünscht die Kräfte zu haben«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 2, 2.10.1882, S. 1014. 242 »alle seine Werke in Bayreuth aufführen«  : CWT Bd. 2, 16.11.1882, S. 1050. 242 »R. hatte eine üble Nacht«  : CWT Bd. 2, 3.10.1882, S. 1014. 242 »Nachmittags, wie die Kinder ausgegangen sind«  : Ebd. 242 »Ach  !, wär ich tot«  : Ebd. 243 »zeige so oft den Ausdruck eines zarten Kummers«  : CWT Bd. 2, 24.12.1882, S. 1079. 243 »R. hat eine gute Nacht gehabt, doch fühlt er sich nicht wohl«  : CWT Bd. 2, 31.12.1882, S. 1082. 243 »[…] sie bekam wunderschöne Sachen«  : Bürker, Tagebuch, Dezember 1882. 243 »soeben Weihnachten vorbei«  : CWT Bd. 2, 28.12.1882, S. 1081. 244 »mein Vater bittet, zu Hause bleiben zu dürfen« bis »es verstimmt R., daß nicht alles hingeht.«  : CWT Bd. 2, 1.1.1883, S. 1085. 244 Ihm passt nicht, dass Liszt sozusagen eigenmächtig  : Vgl. CWT Bd. 2, 5.1.1883, S. 1086. 244 Er bezeichnet Liszt sogar spöttisch als »König Lear«  : Vgl. CWT Bd. 2, 6.1.1883, S. 1087. 244 nur ein sehr bescheidenst eingerichtetes Mezzanin  : Vgl. CWT Bd. 2, 11.1.1883, S. 1090.

Anmerkungen nach Kapiteln 

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244 »als eine Verkennung des Charakters des Stückes«  : CWT Bd. 2, 9.1.1883, S. 1089. 244 »und abends wächst diese Verstimmung bis zum Zorn«  : CWT Bd. 2, 9.1.1883, S. 1088. 245 »Alles stört ihn. Am Vormittag hat er seinen Krampf«  : Ebd. 245 »Die Krämpfe beginnen bei R. heute gleich in der Frühe«  : CWT Bd. 2, 12.1.1883, S. 1090. 245 »Ganz wundervoll strahlte in diesen Tagen R.’s Antlitz«  : CWT Bd. 2, 8.1.1883, S. 1088. 245 »Kummer und Sorge, ach Sorge – wohl beständig«  : Cosima an Malwida von Meysenbug, 1.1.1883, NA Hs 197–135. 246 »Während die Herrschaften bei Tisch saßen«  : Bürker, Tagebuch, Februar 1883, S. 5. 247 »Meine einzig geliebte Cosima, könnte ich bei Dir sein«  : Malwida von Meysenbug an Cosima, 18.2.83, NA IV B 23–3. Kapitel 31  : Das Drama Levi 250 »Dann kündigt er dem Kapellmeister zu seinem Erstaunen an«  : Cosima Wagner, Die Tagebücher, München/Zürich 1976/77, Bd. 2, 19.1.1881, S. 669 f. 251 »Ungetauft darf er Parsifal nicht dirigieren«  : CWT Bd. 2, 28.4.1880, S. 526. 251 »Meine damals ausgesprochene Prophezeiung«  : Hermann Levi an Cosima Wagner, Brief 139 (Entwurf, Sept.–Okt. 1884), in  : Dieter Steil (Hg.), »… unsere Kunst ist eine Religion …«. Der Briefwechsel Cosima Wagner – Hermann Levi, Baden-Baden 2018, S. 188. 252 »Ich […] würde einzig mit Ihnen klagen u. trauern«  : Cosima an Levi, Br 230 vom 6.8.1887, in  : CWHL, S. 315 f. 253 »ich bin wund und krank, und sehne mich nach Ruhe«  : Levi an Cosima, Brief 463 vom 30.8.1891, in  : CWHL, S. 599. 253 »Krank u. wund seien Sie. Mein Gott, wer ist es nicht«  : Cosima an Levi, Brief 464 vom 3.9.1891, in  : CWHL, S. 601. 253 »heute, nach 2 Tagen innerer Kämpfe und reiflicher Ueberlegung«  : Levi an Cosima, Brief 527 vom 15.1.1894, in  : CWHL, S. 674. 253 »Ich glaube, auch hier ist Alles von einem Punkte aus«  : Levi an Cosima, Brief 529 vom 22.1.1894, in  : CWHL, S. 678. 253 »Was den Juden anbetrifft, so müssten Sie doch wissen«  : Cosima an Levi, Brief 5 vom 23.1.1894, in  : CWHL, S. 680. 253 »energisch u. intelligent aus, wie ein Handwerker«  : Cosima an Levi, Brief 264 vom 13./14.11.1887, in  : CWHL, S. 367. 253 »Ist Orient im Spiel«  : Cosima an Levi, Brief 402 vom 17.6.1889, in  : CWHL, S. 544. 253 »Ich frage darüber geradeso, wie ich fragen würde«  : Cosima an Levi, Brief 404 vom 19.6.1889, in  : CWHL, S. 547. 254 »daß Sie mich überhaupt ertragen haben«  : Levi an Cosima, Brief 142 vom 23.8.1886, in  : CWHL, S. 193. 254 »[…] aber immer, wenn ich verwundet oder verzweifelt«   : Levi an Cosima, Brief  170 vom 31.12.1886, in  : CWHL, S. 244. 254 »wahrlich Nichts sehnlicher als dereinst noch einmal«  : Levi an Cosima, Brief 178 vom 20.1.1887, in  : CWHL, S. 254. 254 »Mir persönlich fällt jedes Neue ausserordentlich schwer«  : Cosima an Levi, Brief 108 vom 7.11.1881, in  : CWHL, S. 159.

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Anmerkungen nach Kapiteln

255 »Ich verbringe jetzt mit meinen beiden Hunden«  : Cosima an Levi, Brief 150 vom 19.9.1886, in  : CWHL, S. 212. 255 »seien Sie über die Glorie nicht erhaben«  : Cosima an Levi, Brief 267 vom 23.11.1887, in  : CWHL, S. 373. 256 »daß solche Ausbrüche Ihrer spontanen Art«  : Levi an Cosima, Brief  575 vom 25.11.1895, in  : CWHL, S. 724. 256 »Was meine Ausbrüche u. mein Vergessen davon anbetrifft«  : Cosima an Levi, Brief  576 vom 26.11.1885, in  : CWHL, S. 726. 256 »Auch ich war bei unserem letzten Zusammensein«  : Levi an Cosima, Brief 273 vom 12.12.1887, in  : CWHL, S. 380. 256 »Das ist ein Punkt, der mich so weit bringen könnte«  : Levi an Cosima, Brief 255 vom 22.10.1887, in  : CWHL, S. 350. 257 »Zu meiner großen Betrübniß höre ich von Porges«  : Levi an Cosima, Brief 516 vom 22.8.1893, in  : CWHL, S. 661. 257 »Nun sagen Sie mir, mein Freund, wie Ihnen zu Muthe ist«  : Cosima an Levi, Brief  344 vom 23.1.1889, in  : CWHL, S. 473. 257 »Ich küsse Ihnen die Hand, geliebte Meisterin«  : Levi an Cosima, Brief  345 vom 25.1.1889, in  : CWHL, S. 476. 257 »Ich tauge nicht zum Umgang«  : Cosima an Levi, Brief 185 vom 5.3.1887, in  : CWHL, S. 261. 258 »Verbaireitknechtung«, die »bei einem Juden doppelt odios«  : Hans von Bülow an Hans Bronsart von Schellenberg, 30.7.1879, zit. CWHL, S. 70, aus  : Bülow, Briefe Bd. 5, S. 582. 258 »den Begeisterten, Opfermütigen, ist sentimental«  : Julius Kniese an Olga Kniese, 26.7.1883, zit. CWHL, S. 191, Anm. 6. 258 »Also nie mehr soll der arme ›Parsifal‹ aus jüdischer Folterkammer«  : Richard Strauss an Cosima, 3.11.1891, zit. CWHL, S. 423, Anm. 3. 258 »Du hast es freilich leicht in diesem Hause«  : Felix Weingartner, Lebenserinnerungen, Bd. 1, Wien/ Leipzig 1923, S. 331. 258 »In den Zeitungen steht, daß ich getauft sei«  : Levi an Wilhelm Lindeck, zit. CWHL, S.  357, Anm. 4. 258 »weßhalb ich mich gerne wieder durch ein Citat«  : Levi an Cosima, Brief 238 vom 17.8.1887, in  : CWHL, S. 329. 258 »Wie weit entfernt liegt in diesem Augenblicke Alles«  : Levi an Cosima, Brief 276 vom 24./25.12.1887, in  : CWHL, S. 386. 259 »Auch von einer heimlich noch immer spukenden Neigung«  : Levi an Cosima, Brief 634 vom 12.5. 1898, in  : CWHL, S. 796. 259 Wagners gleichlautenden Aufsatz  : Vgl. Richard Wagner, Was ist deutsch  ? (1865–1878), in  : Gesammelte Schriften und Dichtungen, Band 10, 3. Auflage, Leipzig 1898, S. 36 f. 259 »Aber die Semiten haben noch lange nicht«  : Cosima an Levi, Brief 638 vom 16.5.1898, in  : CWHL, S. 800. 259 »hochgradigen Nerven- und Gemüths-Depression«  : Vgl. Levi an Cosima, Brief 294 vom 17.3.1888, in  : CWHL, S. 409. 259 »daß ich in den letzten Tagen kaum zurechnungsfähig war«  : Levi an Cosima, Brief  348, vom 9.2.1889, in  : CWHL, S. 481. 260 »Nun gehen Sie in die Un-Certosa«  : Cosima an Levi, Brief 295 vom 19.3.1888, in  : CWHL, S. 412. 260 »den Fluch meiner Geburt zu beenden«  : Levi an Cosima, Brief 307 vom 25.7.1888, in  : CWHL, S. 423.

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260 »Nun aber das Hôtel wir kommen acht Mann hoch«  : Cosima an Levi, Brief 72 vom 19.10.1880, in  : CWHL, S. 125. 261 »ob er am 22ten Abends mich noch bei sich im Atelier«  : Cosima an Levi, Brief 20 vom 15.2.1879, in  : CWHL, S. 48. 262 »Also das ›Schlagende‹ von mattem Silber«  : Cosima an Levi, Brief 20 vom 17.4.1882, in  : CWHL, S. 168. 262 »Sein Sie nicht ungehalten über die Zumuthung«  : Ebd. 262 »Levi war von unbegreiflicher Duldsamkeit«  : Felix Weingartner, Lebenserinnerungen, Bd. 1, Wien/ Leipzig 1923, S. 331 f. 263 Als »Priorin« des Klosters Bayreuth  : Cosima an Levi, Brief 92 vom 12.3.1881, in  : CWHL, Anm. 8, S. 144. 263 »Wohl sind wir Wenige für das Kloster«  : Cosima an Levi, Brief 223 vom 24.7.1887, in  : CWHL, S. 309. 263 »Aber schliesslich kam es uns – ehrlicher vor, zu verzichten«  : Levi an Cosima, Brief  601 vom 2.11.1896, in  : CWHL, S. 756. 263 »Sie haben also den alten Bund verlassen«  : Cosima an Levi, Brief 602 vom 3.11.1896, in  : CWHL, S. 757. Kapitel 32  : Festspielleiterin – die Transformation 266 »In dieser Szene mit den Göttern und Riesen«  : Oswald Georg Bauer, Die Geschichte der Bayreuther Festspiele, München 2016, Bd. 1, S. 71. 266 »Es ist schwer mit Wagner zu arbeiten«  : Richard Fricke, Bayreuth vor 30 Jahren, in  : 1876. Richard Wagner auf der Probe. Das Bayreuther Tagebuch des Ballettmeisters und Hilfsregisseurs Richard Fricke (1906), hg. v. Joachim Herz, Stuttgart 1983, S. 40 f. 267 »Es gehört unstreitig zu den wunderbarsten Fügungen«  : Engelbert Humperdinck, Parsifal-Skizzen, in  : Paul Pretzsch (Hg.), Bayreuther Festspielführer 1927, S. 215–229, hier S. 226. 268 »[…] dem Werke drohte der Verfall«  : Richard Du Moulin Eckart, Fünfzig Jahre Bayreuth, in  : Paul Pretzsch (Hg.), Bayreuther Festspielführer 1927, S. 11–16, hier S. 15. 268 »die in ihrer Kunst- und Lebensanschauung den Esprit«  : Zit. Bauer, Festspielgeschichte, Bd. 1, S. 80. 268 »Für ihn, den Experten, war Cosimas Entdeckung«  : Zit. ebd. 268 »schwarze Witwe«  : Bernd Buchner, Bittere Wahrheiten. Anmerkungen zur politischen Rolle von Cosima Wagner, in  : Festspielnachrichten 2005, Heft »Tristan und Isolde«, S. 20. 269 »Sie wollte zunächst große Bewegungen«  : Felix Weingartner, Bayreuth (1876–1896), 2.  Auflage, Berlin 1904, S. 15. 269 »Frau Wagners musikalische Bildung« bis »die Grenzen ihrer Begabung«  : Weingartner, Bayreuth, S. 16. 269 »Ich hege die größte Hochachtung vor Frau Wagners Mut«  : Weingartner, Bayreuth, S. 24 f. 269 »1. Was vom Hause Wahnfried kommt, hat dir als unfehlbar zu gelten«  : Weingartner, Bayreuth, S. 25. 269 »der den Dilettantismus kennzeichnende Gegensatz«  : Weingartner, Bayreuth, S. 17. 270 »unsere große, reiche, herrliche deutsche Sprache«  : Weingartner, Bayreuth, S. 40. 270 »Im deutschesten Festspielhaus«  : Weingartner, Bayreuth, S. 39. 270 »Ist sie uns erst verdorben, […] so sind wir es auch«  : Weingartner, Bayreuth, S. 40. 270 »Wer gesehen hat, wie entzückend graziös«  : Weingartner, Bayreuth, S. 49.

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Anmerkungen nach Kapiteln

270 »am Himmel dahinziehenden Wolken und Nebel« bis »große Momente«  : Weingartner, Bayreuth, S. 55 f. 271 »die tiefblaue Farbe des Wassers«  : Weingartner, Bayreuth, S. 60. 271 »Wagner besaß diese universelle Art der Darstellungskraft«  : Weingartner, Bayreuth, S. 69. 272 »Ob es möglich wäre, das ›treu bis zum Tod‹ so vortragen zu lassen«  : Zit. Bauer, Festspielgeschichte, Bd. 1, S. 186 (Korrekturzettel 7). 272 »Es wird der Dirigent der letzten Aufführung«  : Ebd. (Korrekturzettel 11). 272 »Die Begleitung zu ›die Wüste schuf er sich zum Wonnegarten‹«  : Bemerkungen Cosima Wagners für Hermann Levi während der Probenzeit und nach Aufführungen des Parsifal 1884, Diktat vom 18.7.1884, in  : Dieter Steil (Hg.), »…  unsere Kunst ist eine Religion  …«, Baden-Baden 2018, S. 181 ff. 272 »Sie war in allen Proben und Vorstellungen«  : Hermann Levi an Benedikt Levi, Brief vom 7.8.1884, zit. Dietrich Mack, Cosima Wagner. Das zweite Leben, München/Zürich 1980, Anmerkungen S. 770 f. 272 »Daß die Vorstellungen dieses Jahr so vollendet waren«  : Ebd. 273 »Im Darstellungsstudium mit den solistisch wirkenden Künstlern«  : Carl Kittel, Bayreuther Arbeitsgeist, in  : Berliner Lokal-Anzeiger, 25. Dezember 1937, 8. Beiblatt. 273 »Immer werd ich an jene köstliche große Bühnenprobe«  : Hugo Rüdel, Cosima, die Nimmermüde, in  : Berliner Nachtausgabe, 24. Dezember 1927, 3. Beiblatt. 273 »Endlich  : die Höhe der Mauer-Brüstung«  : Cosima an Levi, Brief 141 vom 18.7.1886, in  : CWHL, S. 192. 273 »Vielleicht könnten in den Zwischentagen«  : Bemerkungen Cosimas für Levi, Diktat vom 17.7.1884, in  : CWHL, S. 180 f. 274 »grosse Erfahrung hat, gescheit ist«  : Cosima an Levi, Brief 260 vom 5.11.1887, in  : CWHL, S. 362. 274 »Die Wendung in unserer Kunst geht vom Drama aus«  : Cosima an Felix Mottl, 6.4.1888, in  : Mack, Das zweite Leben, S. 148. 274 »Wenn der Chor keine Handlung auszuüben hat«  : Cosima an Levi, Brief 147 vom 8.9.1886, CWHL, S. 203 f. 275 »die Schönheit des Menschenkörpers« bis »mit den Händen herumfuchteln«  : Hans Thoma an Otto Eiser, 15.7.1896, zit. Bauer, Festspielgeschichte, Bd. 1, S. 302. 275 »deutlichen sinngemäßen Aussprache«  : Cosima Wagner, Ansprache bei der Eröffnung der Bayreuther Stilbildungsschule am 10. November 1892, NA A 2526-51. 275 »erstaunliche Präzision der Bewegungen«  : Zit. Bauer, Festspielgeschichte, Bd. 1, S. 201. 275 »altmodische Stil der italienischen Oper«  : Zit. Bauer, Festspielgeschichte, Bd. 1, S. 305. 276 »Bezüglich der zweiten Zaubergrotte«  : Cosima an Gebrüder Brückner, 12.5.1887, in  : Fabian Kern, Soeben gesehen. Bravo, Bravissimo, Berlin 2010, S. 165. 276 »Jawohl  ! Unsere Idee’n begegnen sich«  : Gebrüder Brückner an Cosima, 13.5.1887 (Abschrift), in  : Kern, Bravo, S. 165. 277 »Es ist ganz unglaublich wie Sie im Venusberg«  : Cosima an Gebrüder Brückner, 22.7.1887 (Abschrift), in  : Kern, Bravo, S. 167. 277 Später wird der junge Richard Strauss  : Vgl. Kern, Bravo, S. 178. 277 »Ganz besonders bin ich Ihnen für die Feinheit«  : Cosima an Gebrüder Brückner, 3.5.1888 (Abschrift), in  : Kern, Bravo, S. 170. 278 »In der Wagner-Forschung wird bis heute«  : Kern, Bravo, Anmerkung 1602, S. 372. 278 »Auch […] meine ich, dass wir einige lichtere Töne«  : Cosima an Max Brückner, 1.10.1898, in  : Kern, Bravo, S. 211.

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278 »Die Zukunft von Bayreuth ist gesichert«  : Zit. Bauer, Festspielgeschichte, Bd. 1, S. 201. 278 »die eigentliche Bayreuther Häresie«  : Zit. Bauer, Festspielgeschichte, Bd. 1, S. 305. 278 »die nicht durch leichtsinnige Läppereien beleidigt«  : Dietrich Mack, Der Bayreuther Inszenierungsstil 1876–1976, München 1976, S. 35. 278 »Cosima Wagner hatte erkannt, dass ein dogmatisches Festhalten«  : Kern, Bravo, S. 210. 278 »die ›Werkstatt Bayreuth‹ keine Erfindung Wieland und Wolfgang Wagners«  : Frank Piontek, Rezension zu Kern »Bravo, Bravissimo«, in  : Wagnerspectrum, Heft 1/2011, S. 194. 279 »nach jedem Zwischenakt«  : Zit. Bauer, Festspielgeschichte, Bd. 1, S. 199. 279 »Die Meisterin hat den Dämon in mir geweckt«  : Zit. Bauer, Festspielgeschichte, Bd. 1, S. 201. 279 »Und wie konnte sie einen Schleier tragen«  : Hermann Bahr und Anna Bahr-Mildenburg, Bayreuth/ Leipzig 1912, S. 20. 279 »Schon läßt sich die überwältigende Massenwirkung«  : Ida Boy-Ed, Ein Stimmungsbild aus Bayreuth, in  : Die Gartenlaube 1894, Halbheft 17, S. 543–545, hier S. 543. 279 »von morgens neun« bis »als anerkannt richtig darzustellen.«  : Zit. Bauer, Festspielgeschichte, Bd. 1, S. 306. 280 »Die Sache geht ihren Gang«  : Levi an Cosima, Brief Nr. 153 vom 27.9.86, in  : CWHL, S. 218. 282 »Der kleinliche Preßkrieg, der immer beim Herannahen einer Festspielperiode«  : Boy-Ed, Stimmungsbild, S. 543. 282 »immer dicht neben den Musikern« bis »mit unvergleichlicher Grazie und Diplomatie.«  : Bauer, Festspielgeschichte, Bd. 1, S. 321. 282 »Als Kessler sie im Restaurant«  : ebd. 283 »Fürsten und Fürstinnen von Gottes Gnaden«  : Alfred Holzbock, Aus der Stadt Richard Wagners I– II, Generalanzeiger für Dortmund 1904, Nr. 206, 210, in  : Susanna Großmann-Vendrey, Bayreuth in der deutschen Presse, Bd. 3,1, Regensburg 1983, S. 193. 283 »Am 18. August gab Cosima letztmals«  : Bauer, Festspielgeschichte Bd. 1, S. 351. 284 »Durch Alles durch sehe ich ihn immer«  : Cosima an Daniela von Bülow, 12.11.1881, in  : Max Freiherr von Waldberg (Hg.), Cosima Wagners Briefe an ihre Tochter Daniela von Bülow, München 1933, S. 241. 284 Sie schließt ihm nach seinem Tod die Augen  : Vgl. Bernhard Schnappauf über Liszts Todestag und Begräbnis, in  : Ernst Burger, Franz Liszt. Leben und Sterben in Bayreuth, Regensburg 2011, S. 62. 285 »Mitten in die Freude und die Begeisterung«  : Bayreuther Tagblatt Nr. 212 vom 2.8.1886, in  : Burger, Liszts Sterben, S. 68. 285 »Erst spät um Mittag schieden die Letzten«  : Bayreuther Tagblatt vom 4.8.1886, in  : Burger, Liszts Sterben, S. 69. Kapitel 33  : Langer Abschied von der Welt 286 »gesetzliche Erben Wagners«  : Vgl. Christian Bührle, Markus Kiesel, Joachim Mildner, Prachtgemäuer. Wagner-Orte in Zürich, Luzern, Tribschen und Venedig, Regensburg 2020, S. 260. 286 Zur Familie und zum musikalischen Personal  : Vgl. Verena Naegele und Sibylle Ehrismann, Die Beidlers. Im Schatten des Wagner-Clans, Zürich 2013, S. 13 f. 286 »vom Gelde seiner Frau zu leben«  : Cosima an Franz Beidler, 11.8.1906, in  : Dietrich Mack, Cosima Wagner. Das zweite Leben, München/Zürich 1980, S. 685 f. 287 »Cosima Wagner, die ›ungekrönte Königin‹«  : Ludwig Karpath (Wien), Cosima Wagner. Zu ihrem

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70. Geburtstagsfeste – 25. Dezember 1907. In  : Wiener Mode XXI, Heft 6, S. 327, NA A 252664. 288 »ob ich, Houston Stewart Chamberlain«  : Cosima an Houston Stewart Chamberlain, 18.2.1896, in  : Paul Pretzsch (Hg.), Cosima Wagner und Houston Stewart Chamberlain im Briefwechsel 1888–1908, Leipzig 1934, S. 444. 288 »zahlreiche und in ihren Disziplinen führende Wissenschaftler«  : Udo Bermbach, Houston Stewart Chamberlain. Wagners Schwiegersohn – Hitlers Vordenker, Stuttgart 2015, S. 172. 288 »besonnene und überzeugende Behandlung der Rassenfrage«  : Cosima an Chamberlain, 7.5.1899, CWHC, S. 562. 288 »Sie sind der erste, der die Kühnheit hat«  : Cosima an Chamberlain, 25.5.1899, CWHC, S. 570. 289 »nach und nach zu einem stillen, wenig bietenden«  : Chamberlain an Cosima, 30.1.1909, CWHC, S. 695. 289 »geborenen Forterhalter des Bayreuther Werkes«  : Chamberlain an Adolf von Groß, 14.9.1909, zit. Bermbach, Chamberlain, S. 394. 290 »Jeden Tag ruft mich die hohe, angebetete Mama«  : Chamberlain an Adolf von Groß, 24.9.1909, zit. Bermbach, Chamberlain, S. 396. 290 »starke und männisch kluge, kalte und böse Königin«  : zit. Maren Goltz und Herta Müller (Hg.), Königin und Täubchen, München 2014, S. 139. 290 »Erst die Probenzeit mit der Schreckenskunde« bis »gelt Tini  !«  : Anna Bahr-Mildenburg, Gruß an Ernestine Schumann-Heink, Erstveröffentlichung 23.5.1915 in  : Neue Freie Presse Wien, sowie in  : Anna Bahr-Mildenburg, Erinnerungen, Wien/Berlin 1921, S. 105 f. 292 »Da war ein kleiner Saal mit einer Galerie«  : Josef Müller-Marein und Hannes Reinhardt, Das musikalische Selbstporträt von Komponisten, Dirigenten, Instrumentalisten, Sängerinnen und Sängern unserer Zeit, Hamburg 1963, S. 150 f. 293 »die bei den Chamberlains weilte«  : Bermbach, Chamberlain, S. 557. 294 »Wo ist Loldi  ?«  : Mamas Worte 1929 und 1930, von Eva unmittelbar niedergeschrieben, 21.5.1929, in  : Mack, Das zweite Leben, S. 761. 296 »Cosima Wagner. Der Name bedeutet uns Unaussprechliches«  : Hans von Wolzogen, Trauerblatt zum 1. April 1930, NA A 2526-26. 296 »Den werten Vorständen und Mitgliedern«  : Ebd. 296 »Die Phantasien«  : Eva Chamberlain an Anna Kekulé, 12.9.1927, NA Hs 54, Nr. 125, S. 2.

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Ein Teil dieser Quellen (Originalbriefe bzw. Abschriften) ist seit 22. Mai 2021 digital einsehbar in der Online-Datenbank des Nationalarchivs der Richard-Wagner-Stiftung unter https://digital.wagnermuseum.de. Cosima an Franz Liszt, 14.6.1846 (S. 30) Mon cher papa, je vous remercie mille fois d’avoir pris le temps de m’écrire une lettre si tendre, je m’éforcerai de suivre vos bons conseils. Mademoiselle Camille est contente de moi, et quand vous reviendrez à paris vous verrez que j’ai profité des leçons que je reçois ainsi que pour mon piano. A Dieu mon bon et tendre père je vous embrasse de tout mon cœur. La fille qui t’aime Cosima Liszt Cosima an Franz Liszt, 14.11.1847 (S. 30) Il y a encore bien du temps, nous désirons bien vous revoir et ce cera une grande joie dans toute la famille lorsque vous reviendrez. J’apprends l’invitation à la valse à deux mains de Weber, c’est un morceau assez difficile pour moi […] mais je m’apliquerais et je tâcherais de le jouer sans fautes. Cosima an Anna Liszt, Postkarte vom 12.2.1848 (S. 30 f.) Ma chère Grandmaman, je t’écris pour te prier de vouloir bien assister au petit concert qu’il y aura jeudi à 1 ½ et dans lequel moi et Blandine jouerons. […] je suis très fachée que Daniel ne puisse pas venir car je sais qu’il ne sort qu’a deux heures. Adieu ma chère Grandmaman, je t’embrasse de tout mon cœur. Cosima an Franz Liszt, kompletter Brief vom 5.6.[nach 1850] (S. 31) the 5th of Juin My dear father, As Grandmother and Daniel are writing to you, I should not like to miss this opportunity of sending you a letter, because it makes me a very great pleasure, and I hope you will answer me. Daniel made his first communion the 16th of May, he was very good and nice and he is very intelligent, for Mr Harlez says often to Grandmother that he does not ask a better pupil. I study very much the English, and I make progress, I am glad to think that in a little while, I shall know a language which is so much spoken now. I occupy myself also a great deal in the study of German, but just now, I spend much time in the exercises that you have

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given us, yet, I read Schiller, that Grandmother has been so kind to buy for us  : I find in this author very great beauties Guillaume Tell, pleases me extremely, and I think that this writer, expresses very well the misfortune of the Switzers, reduced to servitude. In a word, it seems to me, that Sschiller, has inimitable qualities. I beg you, if you can, to come to Paris, I shall feel such a great joy, in seing you  ; it is a so long time, that you are separated, from me, that I am sure, you shall have a great difficulty, in recognizing me. This voyage will render me so glad, if it were, but to pass a week here, only to see your children, who love you so tenderly. Your affectionate daughter, Cosima Liszt. I hope, you will excuse the faults in this letter, for I have done it by myself. Cosima an Franz Liszt, 28.6.1848 (S. 31 f.) Tous les trois nous vous attendions avec impatience depuis le commencement du Printemps et cela nous à fait une grande peine en voyant que vous ne veniez pas. La première Communion s’est faite le 8 Juin, Melle Laure Bernard m’a dit que je pouvais la faire l’année prochaine si j’étais bien sage, et je vais bien m’appliquer non seulement pour faire ma première Communion l’année prochaine, mais encore pour vous faire plaisir ainsi qu’a Grandmaman […] je prie toujours pour vous et j’espère que Dieu qui est si bon vous accordera une longue vie. Venez donc a Paris il y a si longtemps que vous n’êtes venu nous voir cela nous causerait une grande joie si vous veniez. […] Je vous embrasse de tout mon cœur pensez à votre fille qui vous aime. Cosima. Cosima an Franz Liszt, 28.10.1849 (S. 32) Mon cher papa, La lettre que vous m’avez écrite m’a fait le plus grand plaisir, mais je pense toujours avec chagrin que nous ne pourrons pas vous voir bientôt. J’éspère que lorsque vous reviendrez vous trouvez que j’ai fait des progrès. Cosima an Franz Liszt, 26.12.1849 (S. 32 f.) Mon cher papa, De même que vous m’avez écrit le jour de votre anniversaire je vous écris aussi pour le mien, qui se trouve joint à une bien belle fête, celle de la Nativité de Notre Seigneur. […] Je regrette bien de ne pas pouvoir passer avec vous les vacances du jour de l’an, mais puisque je ne puis avoir le bonheur de vous voir pendant ce temps je prie Dieu avec ferveur de répandre sur vous toutes ses bénédictions afin que cette année soit pour vous une année de joie et de consolation.

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Grandmaman va bientôt partir pour vous rejoindre, elle vous apportera ce que j’aurai fait pour vous montrer mon petit savoir-faire, elle vous dira aussi mieux que mes lettres tout ce que mon cœur sent pour vous et combien je désire de voir arriver l’heureux moment ou je pourrai vous serrer dans mes bras. Cosima an Franz Liszt, 26.3.1850 (S. 33) J’étudie toujours mon piano, il m’amuse toujours plus à mesure que je fais des progrès. Cosima an Franz Liszt, kompletter Brief vom 16.8.1850 (S. 34) Mon cher papa, J’ai vu dans la Gazette musicale, et j’ai appris par Mr Belloni, que vous aviez été très sérieusement occupé par des compositions ce qui ne vous a pas laissé un moment pour m’écrire j’en ai eu du regret mais, j’espère que bientôt je recevrai de vos nouvelles, ce qui fait mon plus grand bonheur. J’ai bien prié pour vous, à l’Assomption, et j’espère que Dieu exaucera mes faibles prières, j’ai communié à cette fête, et j’espère qu’après m’être nourri du corps de Jésus-christ, j’aurai la force de remplir les devoirs qui me sont imposés. Je travaille toujours l’Anglais, je viens de lire la Dame du Lac de Walter Scott  ; cet ouvrage m’a beaucoup amusé, j’apprends aussi des vers par cœur  : je sais quelques poésies de Byron  : son Adieu à l’Angleterre et son Adieu à sa femme maintenant j’apprends un nouveau tiré des œuvres de Shakespeare  : le discours d’Antoine après la mort de César. Je l’aurai bientôt fini et quand je le saurai, je ne sais quel morceau de poésie j’apprendrai. Je travaille bien afin de vous procurer quelque joie, quand vous me reverrez, et afin que vous puissiez voir, que tout les soins qui m’ont été donnés, n’ont pas été inutiles. Je m’occupe beaucoup aussi du Français, et j’apprends de la poésie  : Racine est l’auteur que je préfère, c’est pourquoi je lis beaucoup ses ouvrages, et j’ai commencé à apprendre par cœur la pièce de Mithridate  : J’ai choisi cette pièce parce que j’ai toujours aimé et admiré ce prince que ses talents militaires ont mis en état de résister aux Romains, peuple dont la valeur a surpassé celle de toutes les nations du monde. Grand-maman m’a lu la dernière partie de la lettre que vous lui avez écrite, ma joie est bien grande, de penser que l’année prochaine, j’aurai le bonheur de vous revoir, et j’attends avec impatience, le moment, ou je pourrai vous serrer dans mes bras. Adieu mon cher papa, je vous embrasse de tout mon cœur. Votre fille qui vous aime tendrement.

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Cosima Liszt. 16. Aout 1850 Cosima an Franz Liszt, 15.7.1851 (S. 35) […] l’abbé Gabriel […] a parlé sur les devoirs de la femme, iI a dit que toute sa vie ne devait être qu’un sacrifice et qu’elle ne devait être qu’une hostie vivante. Cosima an Franz Liszt, 15.7.1851 (S. 36) […] on nous a reçu, avec la bonté, et l’affectation, qu’ils nous ont toujours montré, et ils nous chargés de mille choses affectueuses pour vous mon cher père. […] Votre fille respectueuse et reconnaissante Cosima Liszt Cosima an Franz Liszt, 20.10.1851 (S. 37) […] j’espère que Dieu exaucera mes prières en faisant que bientôt nous puissions appeler notre mère, Mme la Princesse qui en tient déjà la place dans notre cœur  ; et en faisant que vous ayez joie et consolation dans vos enfants dont le plus grand désir et le plus grand bonheur est, et sera Toujours de vous satisfaire. Cosima an Franz Liszt, 25.12.1851 (S. 38) J’espère mon cher père que nous pourrons passer l’année prochaine cette fête avec vous, entouré de notre seconde mère et de notre sœur et que nous pourrons vous exprimer de vive voix les sentiments qui animent notre âme.

Bibliografie d’Agoult, Marie  : Meine Freundschaft mit Franz Liszt. Ein Roman der Liebe aus den Memoiren einer berühmten Frau, Dresden, 2. Auflage 1930. Bahr-Mildenburg, Anna  : Cosima Wagner, in  : Dies. und Hermann Bahr  : Bayreuth/Leipzig, 5. Auflage 1912. Bahr-Mildenburg, Anna  : »Gruß an Ernestine Schumann-Heink«, Erstveröffentlichung in  : Neue Freie Presse Wien, 23.5.1915, sowie in  : Dies. : Erinnerungen, Wien/Berlin 1921. Bahr-Mildenburg, Anna  : Erinnerungen, Wien/Berlin 1921. Bauer, Oswald Georg  : Die Geschichte der Bayreuther Festspiele, 2 Bde., München 2016. Bayerische Staatsbibliothek (Hg.)  : Richard Wagner. Die Münchner Zeit (1864–1865)  ; Katalogbuch mit der Erstveröffentlichung von Briefen Cosima und Hans von Bülows, Autorinnen  : Sabine Kurth und Ingrid Rückert, Redaktion  : Reiner Nägele, München 2013. Beidler, Dagny R.: Für Richard Wagner  ! Die »Rosenstöcke-Bilder« seiner Tochter Isolde, Köln/Weimar/Wien 2013. Beidler, Franz Wilhelm  : Cosima Wagner-Liszt. Der Weg zum Wagner-Mythos. Ausgewählte Schriften des ersten Wagner-Enkels und sein unveröffentlichter Briefwechsel mit Thomas Mann, hg. und mit einem Nachwort versehen von Dieter Borchmeyer, Bielefeld 1997. Bermbach, Udo  : Houston Stewart Chamberlain. Wagners Schwiegersohn – Hitlers Vordenker, Stuttgart 2015. Boy-Ed, Ida  : »Ein Stimmungsbild aus Bayreuth«, in  : Die Gartenlaube 1894, Halbheft 17. Braam, Gunther  : Richard Wagner in der zeitgenössischen Fotografie, Regensburg 2015. Buchner, Bernd  : »Bittere Wahrheiten. Anmerkungen zur politischen Rolle von Cosima Wagner«, in  : Festspielnachrichten 2005, Heft Tristan und Isolde, Bayreuth 2005. Bülow, Hans von  : Briefe und Schriften, hg. von Marie von Bülow, 8 Bde., Leipzig 1895– 1908. Bülow, Marie von  : Hans von Bülow in Leben und Wort, Stuttgart 1925. Bürker, Betty   : »Das Tagebuch der Betty Bürker«, in   : Mitteilungen der deutschen Richard-Wagner-Gesellschaft Nr. 71, Februar 2015  : http://www.wagner-gesellschaft. de/wp-content/uploads/2015/06/wagner-mitteilungen_februar-2015_web-2.pdf, letzter Zugriff 3.1.2022. Bürker, Betty  : »Die Tagebücher von Betty Bürker«, in  : Mitteilungen der deutschen Richard-Wagner-Gesellschaft Nr.  72, September 2015  : http://www.wagner-gesell schaft.de/wp-content/uploads/2016/03/wagner-mitteilungen_september-2015.pdf, letzter Zugriff 3.1.2022. Bührle, Christian und Kiesel, Markus und Mildner, Joachim  : Prachtgemäuer. Wagner-Orte in Zürich, Luzern, Tribschen und Venedig, Regensburg 2020. Burger, Ernst  : Franz Liszt. Leben und Sterben in Bayreuth, Regensburg 2011.

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Bibliografie

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Abbildungsnachweis Bernd-Mayer-Stiftung  : 17, 21, 33, 38 Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz  : 14 Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth  : 1–13, 15, 16, 18, 19, 20, 22, 23, 25–32, 34–37, 39 Österreichische Nationalbibliothek  : 24

Nachwort

K

ein Wagnerbuch, das ich als junge Frau gelesen, ja verschlungen habe, wirkte so nachhaltig auf mich wie Leuchtende Liebe  – lachender Tod  : Zum Tochter-Mythos Brünnhilde von Sabine Zurmühl aus dem Jahr 1984. Das Taschenbuch aus dem Frauenbuchverlag hatte es gleich mehrfach in sich. Erstens fand ich mich zwangsläufig in der thematisierten Grundkonstellation wieder – Brünnhilde und Wotan als ein literarisch-mythisches Spiegelbild der Beziehung zwischen Tochter und Vater, das überraschend konkret ins 20. Jahrhundert und in meine Gegenwart katapultiert wurde. Zweitens bezog sich dieser Essay inhaltlich und in der Bebilderung immer wieder auf die schon damals legendäre Ring-Inszenierung von Patrice Chéreau bei den Bayreuther Festspielen von 1976 bis 1980, die auch mich zur Wagnerianerin gemacht hat. Und drittens war es die sprachliche Ebene, die mich faszinierte. Da schrieb eine Frau, die erzählend mir näher kam und mir schließlich vorkam, als sei sie meine Schwester. Und sie schrieb immer wieder, was mir als Jung-Journalistin strikt verboten war und noch im 21. Jahrhundert von einem Kollegen verbissen jedes Mal aus meinen aus guten Gründen auch subjektiven Kritiken herausgestrichen wurde  : das kleine große Wörtlein ich. Wie ungewohnt, ja unerhört das von Zurmühl kunstvoll eingebaute Ich und Du und Wir damals in der Musik- und Opernfachliteratur waren, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Wagnerbücher waren schätzungsweise zu 98  Prozent von Männern verfasst, überwiegend in entschieden professoralem Duktus. Selbst im Kulturjournalismus konnte sich außer Kritiker-Papst Joachim Kaiser – eine Päpstin ließ noch lange auf sich warten – kaum einer ein selbstbewusst formuliertes Ich leisten. Schon gar nicht eine Frau. Sabine Zurmühl wurde mir zum leuchtenden Vorbild, zum Musterbeispiel dafür, dass nichts dran war an dem gern vorgebrachten Vorurteil, Frauen seien zu gefühlig und könnten daher nicht sachlich schreiben. Inzwischen weiß man(n) es anders. Erst die entsprechende Empathie versetzt Autorinnen und Autoren in die Lage, einer Sache, einer Person detailliert auf den Grund zu gehen, die glänzenden, sich wie von selbst anbietenden Seiten ebenso zu sehen wie die abstoßenden und sich versteckenden, dabei aber dennoch die notwendige Distanz zu wahren. Ohne dieses Einfühlungsvermögen für Stärken und Schwächen, die äußeren Umstände und das Umfeld, für die Brüche und Brechungen, Einbettungen und Fluchten, Verbindungen und Verflechtungen würden sie eben doch nur apodiktisch eine

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Nachwort

möglichst »gültige«, möglichst neue, möglichst steile These aufstellen und damit aufsehenerregend und meinungsbildend sein wollend. Ach, die »Wollung«  ! »Der Merker werde so bestellt, dass weder Hass noch Lieben das Urteil trübe, das er fällt.« Was Richard Wagner in seinen Meistersingern Hans Sachs in Bezug auf den Stadtschreiber Sixtus Beckmesser zitierend in den Mund legt, lässt sich gut auf die vorhandenen Cosima-Biografien herunterbrechen. Es gibt darunter gewissermaßen zwei Klassiker  : Cosima Wagner. Ein Lebens- und Charakterbild von Richard Graf Du Moulin Eckart, in zwei dicken Bänden von 1929 bis 1931 herausgekommen, sowie den internationalen Bestseller Herrin des Hügels von Oliver Hilmes aus dem Jahr 2007. Während die kurz vor beziehungsweise nach Cosimas Tod erschienene, auf fast 2000  Seiten sich ausbreitende erste Cosima-Biografie über weite Strecken nichts anderes ist als eine peinliche Heiligsprechung unter Vertuschung vieler Fakten, die sich nachteilig für die Hauptbeteiligten auswirken könnten, muss man bei der bisher jüngsten und mit mindestens 80 000 verkauften Exemplaren leider erfolgreichsten Lebensgeschichte eher ans Gegenteil denken. »Bedauerlicherweise«, befinden Maren Goltz und Herta Müller, die Herausgeberinnen der Briefe Cosimas an Ellen Franz/Helene von Heldburg, »stehen aber Hilmes’ ›erste wissenschaftlich fundierte Biographie‹ über Cosima und seine Bücher über ihre Kinder und ihren Vater exemplarisch für die eindimensionale Wahrnehmung dieser Frau bis hin zur Pathologisierung und für vernich­tende Fehlurteile, z. B. hinsichtlich ihrer angeblichen »künstlerischen ›Impotenz‹«. Tatsächlich hat Hilmes, wie weitere Kritiker festgestellt haben, auch andere Musikerfrauen so geschildert, als seien sie nur »böse, alte, starke Frauen« beziehungsweise »Monstren der Selbstverwirklichung«. Schlimmer noch implantierte er bei vielen Leserinnen und Lesern seiner Cosima-Bücher ein verheerendes Negativ-Image, das selbst im sich fortschrittlich wähnenden Lexikon Musik und Gender seinen Niederschlag findet. Kein Wunder, wenn Cosima heute zuallererst mit weiblicher Unterwerfung und künstlerischem Starrsinn in Verbindung gebracht wird. Dass eine Feministin aus dem deutschen Sprachraum sich dieser widersprüchlichen Lebensgeschichte angenommen hat, war überfällig. Naheliegend war es aber keineswegs. Es gehörte eine große Portion Ausdauer und Mut dazu – auch der Mut zur Lücke –, denn es galt, das Leben einer außergewöhnlichen Frau zu betrachten, das fast ein Zentenarium durchmessen hat  : 92 Jahre voller schwindelerregenden Höhen und ebensolchen Tiefen, die, wie Cosimas Antisemitismus und Chauvinismus, nur schwer auszuhalten sind. Aber ist es nicht merkwürdig, dass man Cosima spätestens seit dem Erscheinen ihrer Tagebücher

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1976/77 die zahlreichen einschlägigen Äußerungen stets mehr übel genommen hat als entsprechende Ergüsse ihrer beiden Ehemänner  ? Ihre scheint’s bedingungslose Hingabe an den genialen Musikdramatiker Richard Wagner wirkt im 21. Jahrhundert nicht nur auf Frauen irritierend. Cosima stand der Frauenbewegung, obwohl sie selbst in vielerlei Hinsicht emanzipiert war und nicht wenige emanzipatorische Freundinnen hatte, ihr Leben lang gleichgültig, ja ablehnend gegenüber. Bei Zurmühl liest sich das unter anderem so  : Cosima gehört zu den nicht seltenen Frauen der Oberschicht, die tagespolitisches Engagement für Frauenfragen strikt ablehnten, in ihrer Lebensrealität aber das Rollenmodell selbst verkörperten, das die Frauenbewegung für die Masse der Frauen erst fordern musste  : Bildung, Recht auf Selbstständigkeit, materielle Unabhängigkeit. All dies war Cosima Wagner möglich und wurde von ihr auch gelebt, solange sie sich nicht aus inneren Zwängen zurückhielt.

Das zeigt sich beispielhaft gerade auch in der berühmt gewordenen ersten Fotografie der Wagners als Paar von 1872. Autoren und Biografen aus aller Herren Länder haben sich an der sitzenden und zu ihrem Mann aufblickenden Frau abgearbeitet und unisono auf Klischees verständigt, die sich hartnäckig bis in die Gegenwart hinein gehalten haben. Als dieses Doppelporträt im Atelier von Fritz Luckhardt in Wien entstand, durfte – dem damaligen Rollenverständnis gemäß – »natürlich« die Frau den Mann nicht überragen. Es ist also kaum von der Hand zu weisen, dass die Posen der beiden den gegebenen Größenunterschied kaschieren sollten. Man kann das Bild aber auch ganz anders sehen. Cosima nimmt mit der sitzenden Position nach dem hierarchischen Kanon der Herrschaftsbilder die eigentlich höhere Position ein, die Person, die sitzen darf, ist privilegiert, die stehende entsprechend darunter gestuft zugeordnet. Dadurch, dass beide sich gegenseitig anschauen, schließen sie die Betrachter in gewisser Weise aus  : Wir sind uns genug. Wenn ihr mögt, könnt ihr uns zuschauen  !

Schon der Einstieg in die unterschiedlich langen 33  biografischen Skizzen zu diesem außergewöhnlichen Frauenleben zeigt, dass die Autorin es ernst meint mit einem anderen, genaueren und offeneren Blick  : Die Auswahl an Wagners Kosenamen für Cosima ist die Ouvertüre für eine Lebensbeschreibung, die nicht immer die Chronologie bedient, sich dafür aber kapitelweise auf Themen und Einzelaspekte konzentriert, die bisher zum Teil kaum oder gar nicht beachtet wurden. Es ist eine weibliche Lesart, die aber niemand als einseitig zu fürchten

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Nachwort

braucht. Denn als langjährige Mediatorin weiß Sabine Zurmühl nur zu genau, dass in menschlichen Beziehungen unabhängig vom Geschlecht selten etwas ganz eindeutig ist. Es kommt vielmehr darauf an, sich sowohl der großen, ins Auge springenden, als auch der vielen feineren, verborgenen, unausgesprochenen, aber wirksamen Unterschiede und Gemeinsamkeiten, Gleichgewichte und Ungleichgewichte bewusst zu werden. Genau das praktiziert sie in ihren Familienaufstellungen, deren Konflikt­ reichtum sich schon an den wechselnden Nachnamen Cosimas ablesen lässt. Die uneheliche Tochter Franz Liszts wächst als französisches Mädchen mit ihren Geschwistern bei wechselnden Erzieherinnen in Paris auf. Was es heißt, sich ständig nur nach dem ewig abwesenden, weltberühmten Vater zu sehnen und eine emanzipierte, hochadelige Mutter zu haben, zu der zeitweilig sogar ein Kontaktverbot besteht, wird eindringlich ablesbar an den überwiegend französisch-sprachigen Briefen, die Cosima als Kind an Liszt schreibt. Zurmühl liefert ihre Auswahl in eigener Übertragung und zum Teil als Erstveröffentlichung. Dass Cosima trotz der illegitimen Geburt in einem eher aristokratischen und finanziell saturierten Umfeld aufwächst und zunächst in ein solches hineinheiratet, erleichtert den Einstieg in ihr künftiges Leben. Sie erwirbt Eigenschaften, die ihr später als Geliebte, Gattin und Witwe des »Meisters« teils hilfreich, teils hinderlich sein werden. Denn R., wie sie ihn in ihren Tagebüchern nennt, wird ihr immer wieder die Muttersprache vorwerfen – und besonders neidvoll auch, dass Geldnöte ihr einfach fremd sind. Die gegebenen sozialen und gesellschaftlichen Differenzen sind viel größer als vermutlich beide denken. Cosimas Leben kreist mit selbstausbeuterischer Intensität um drei Männer, die auf unterschiedliche Weise drei weltberühmte Musiker sind  : um Franz Liszt, den mit kindlicher Liebe letztlich lebenslang umworbenen Vater, dem seine Abkömmlinge ziemlich egal sind  ; um Hans von Bülow, den nie wirklich geliebten, betrogenen ersten Ehemann  ; schließlich um Richard Wagner, der ihr Ein und Alles vielleicht schon deshalb ist, weil er sie nicht nur braucht, sondern auf seine Weise aufrichtig liebt, selbst wenn er für sich herausnimmt, hin und wieder auch Augen und Hormone für andere weibliche Wesen zu haben. Ja, Cosima schafft es sogar – und zwar nicht erst als Witwe –, an manchen Stellen die im ausgehenden 19.  Jahrhundert eigentlich noch felsenfeste »Männerordnung der Dinge« auszuhebeln. Übrigens unter aktiver Mithilfe Wagners, der seinerseits durchaus nicht in allem gängigen Männerbildern entspricht. Das beginnt schon bei der exquisiten Kleidung, bei der nichts dem Zufall überlassen wird. Dass dem stets soignierten Auftritt Cosimas zuweilen gesundheitliche Probleme entgegenstehen, erfährt man geballt sonst nur aus den Tagebüchern. Seit

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ihrer Kindheit hat sie mit ihren schlechten Augen und Kopfschmerzen zu kämpfen. Dazu die von Konflikten begleiteten Schwangerschaften und fünf Hausgeburten, von denen die erste sie fast das Leben kostet. Es bleibt ihr Anspruch, als Agentin und Managerin ihrer Patchwork-Familie selbst dann stets leistungsfähig zu sein, wenn es eindeutig über die eigene Kraft geht. Ihr christlicher Glaube, ihre Strenge mit sich selbst, die lebenslange geistliche Übung – ob nun als Katholikin oder als Protestantin – das alles gibt ihr Halt und macht es ihr offenbar leicht, sich in den unbedingten Dienst einer Sache oder eines Menschen zu stellen, was gern als Masochismus und weibliche Unterwerfungslust missverstanden wird. Die drei Männer in ihrem Leben – Liszt, Bülow und Wagner – stehen auch für zwei Dreiecksverhältnisse, die Cosima fast bis zu ihrem Tod belasten. Auf Franz Liszt, seinen fast gleichaltrigen Freund, Musikerkollegen, großen Förderer und Schwiegervater, ist Wagner bis zuletzt beinahe krankhaft eifersüchtig. Ob wissentlich oder nicht, quält und beleidigt er damit Cosima, die sich doch explizit gegen den Willen ihres Vaters für ihn entschieden hat, mit allen Konsequenzen. Später wird sie, als Liszt in Bayreuth stirbt, die Festspiele nicht unterbrechen, was ihr als fast ebenso schlimm wie der Ehebruch an Bülow und bis heute als hartherzig vorgeworfen wird. Dabei tut sie nur, was selbstverständlich ist, wenn Intendanten einen Todesfall in der Familie haben  : The show must go on. Das andere Dreiecksverhältnis ist nicht weniger kompliziert. Es liest sich ungemein spannend, wie Zurmühl die allmähliche Annäherung von Cosima und Wagner sowie Bülows Nicht-Hinschauen-Wollen aus scheinbar belanglosen Begebenheiten und Briefsätzen herauskristallisiert und beschreibt, was hier eben anders ist als bei anderen Ehepaaren auf Seitensprung. Spätestens mit der Geburt von Wagners erster Tochter Isolde aber, im Ehebruch gezeugt, bekommt das Dreieck Wagner–Bülow–Cosima Risse, die trotz der gemeinsamen künstlerischen Erfolge nicht mehr zu kitten sind. Aufschlussreich widmet Zurmühl den Ehrenerklärungen gegenüber König Ludwig II. ein eigenes Kapitel und zeigt, wie Cosima zu Wagners rhetorisch äußerst geschicktem Schutzgeist, ja zu seiner Komplizin wird und anders als er in ihrer gesellschaftlichen Gelassen- und Geschliffenheit den Verhandlungen mit dem König und dessen Beamten souverän gewachsen ist. »Das ist ein bisschen wie Bonnie und Clyde«, schreibt die Biografin, schließt sich aber nicht dem an, was der Hofklatsch, die Zeitungen und Karikaturisten transportieren. Ihr Bedauern gilt nicht dem betrogenen Ehemann allein, sondern allen Hauptbeteiligten. Im Oktober 1868 folgt die klare Trennung der Bülows, an Neujahr 1869 beginnt die endgültig bei Wagner eingezogene Cosima ihre Tagebücher. Aus dieser

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Nachwort

Lektüre gewinnt Zurmühl Fragen, die noch kein Biograf vorurteilsfrei gestellt hat  : Was bedeuten »männlich« und »weiblich« für Cosima und Wagner, was Liebe und Abhängigkeit  ? Und natürlich untersucht sie, was seine von ihr penibel notierten Träume sagen, und wie die mythischen Sagen- und Märchengestalten und die Figuren aus seinen Werken, mit denen sie sich ständig befassen, immer wieder ins reale Leben hineinwirken. Es versteht sich leider nicht von selbst, dass Cosima keine zänkische Göttergattin Fricka ist – denn mit dieser Schablone wird man weder der Figur aus der Ring-Tetralogie noch der lebendigen Frau gerecht. Wie das einzigartige Paar sich selbst inszeniert, wie es mit den Kindern, Dienstboten und armen Leuten umgeht, wird ebenso thematisiert wie beider abstoßender und unverzeihlicher Antisemitismus und Chauvinismus. Dass Cosima sich in die Vorbereitung und Durchführung der ersten Festspiele 1876 und 1882 praktisch mit einbringt, liegt auf der Hand. Wagner ist auf ihre Mitarbeit und Unterstützung angewiesen, braucht ihr Organisationstalent, ihr geschicktes Networking und ihr geduldiges Zuhören  : »Und so«, schreibt Zurmühl, »stellt sich ein Unternehmerpaar her, das meint, nur in Symbiose seine anspruchsvollen Ideen verwirklichen zu können.« Cosimas langem »zweitem Leben« nach Wagners Tod widmet sich die Autorin ebenfalls, wenn auch in größerem Erzählbogen. Cosimas zunehmend gefestigte Selbstsicht und ihr Weltbild sind von nun an, auch wenn sie ihre Positionen als Festspielleiterin und Regisseurin sich erst schwer erkämpfen muss, weniger Erschütterungen unterworfen. Mit ihrer Energie, ihrem Erfahrungsschatz, ihrem Wissen und ihren Talenten setzt sie sich entschlossen an die Spitze des Wagner-Imperiums, erobert absolutes Männerterrain. Sie sucht und findet Rückhalt bei einigen ihr treu ergebenen Mitarbeitern – und bei ihren teils langjährigen Freundinnen, alles hochgebildete Frauen aus Adel und Großbürgertum. Zwei Jahrzehnte lang hat in Bayreuth nur sie das Sagen. Gleichwohl gibt es Dramen, die verarbeitet werden wollen  – sei es die ambivalente Beziehung zu ihrem »Sorgenkind« Hermann Levi, dem langjährigen jüdischen Parsifal-Dirigenten, sei es der berühmt-berüchtigte Beidler-Prozess, in dem Isolde, ihre erste Wagner-Tochter und Mutter ihres ersten Wagner-Enkels, vergeblich auf Anerkennung der Wagner-Vaterschaft klagt. Da hat Cosima, auch der angegriffenen Gesundheit wegen, die Leitung längst an Sohn Siegfried übergeben, dessen damals noch strafbare Homosexualität gefährliches Geheimnis und halböffentlicher Anlass zu Spott bleibt. Dass Siegfried Wagner im Alter von 46 Jahren schließlich doch noch heiratet und für vierfachen Nachwuchs sorgt, dass Wagner-Tochter Eva schon zuvor mit Houston Stewart Chamberlain einen Schwiegersohn ins Haus gebracht hat, der Cosima zum gleichgesinnten

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Gesprächspartner wird, sind die späten Freuden ihres langen Lebens, aus dem sie sich, selbst alt, hinfällig und fast blind geworden, gepflegt von den Töchtern Daniela und Eva, peu à peu verabschiedet. Sie verlischt am 1. April 1930 im Alter von 92 Jahren, keine fünf Monate später, am 4. August 1930, stirbt auch ihr jüngstes Kind, der 61-jährige »Kronprinz« Siegfried. Es mag überraschen, dass Sabine Zurmühl, die in diesem Buch etlichen Klischees an den Kragen geht, zum Schluss selbst eine Schublade wagt  : Sie vergleicht Cosima mit Kundry, eine der fesselndsten Frauenfiguren im Wagner-­ Kosmos, »eine umherstreifende, ihre Erscheinung jäh verändernde, einflussreiche und gleichzeitig sich unterwerfende Frauengestalt«, mit der Cosima sich nicht nur in der Probenarbeit mit den Sängerinnen immer wieder bis ins kleinste Detail beschäftigt hat. Das ist aber, wie alles in diesen 33 Kapiteln, sprachlich und strukturell kein Diktum, sondern vielmehr ein Angebot. Die Leserinnen und Leser lernen bei dieser mit den Quellen akribisch untermauerten, von der Sprache her dennoch eher literarischen Lektüre nicht nur ein differenzierteres Bild von Cosima, Richard Wagner, Hans von Bülow und Franz Liszt kennen  : Sie werden, weil die Autorin die handelnden Personen anders als das Gros der bisherigen Cosima-Biografen weder beurteilt noch aburteilt, vielmehr dafür sensibilisiert, Menschen mit ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen, Erfahrungen und Konflikten immer wieder neu anzuschauen, ohne eine Seite der widerstrebenden Positionen zu verdammen und auszuschließen. »Tatsächlich wäre es an der Zeit«, um nochmals Maren Goltz und Herta Müller aus ihrem Einführungstext zu Königin und Täubchen von 2014 zu zitieren, »für eine gut recherchierte, vorurteilsfreie, sachlich fundierte und wissenschaftlich transparente Biographie.« Sabine Zurmühl hat sie vorgelegt. P. S. Wäre es nicht schön, wenn in Bayreuth die Hinweisstelen vor Wahnfried an der Richard-Wagner-Straße und am Hofgarten-Eingang nicht nur auf »Haus Wahnfried Grabstätte Richard Wagner« verweisen würden  ? Und noch schöner wäre, wenn nach der Lektüre von Sabine Zurmühls Cosima-Buch nicht nur Wagnerianer das efeuumrankte Grab des »Meisters« und seiner zu Recht ebenfalls dort begrabenen Statthalterin und Sachwalterin besuchten, sondern Menschen, die sich für Kultur- und Theatergeschichte, für Frauenschicksale und deren Hindernisse im 19. Jahrhundert interessieren. Über dieses widersprüchliche Leben, das es deshalb gab, geben musste, weil es für aktive, begabte und starke Frauen in dieser Zeit gar nicht ohne Widerspruch gehen konnte, hat die Kritikerin und Literatin Hilde Spiel im Götterdämmerung-Programmheft der Bayreuther Festspiele 1978 mit Verweis auf eine berühmte englische Suffragette ge-

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Nachwort

schrieben  : »Auf Cosima Wagner, die Bayreuth mit fester Hand leitete und seine Aufführungen jahrelang auch szenisch betreute, hätte Emmeline Pankhurst sich berufen können, als sie Beispiele für die Gleichberechtigung der Frauen auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens gab. Ihr, Cosima, wurden 1910 ›Zierden und Ehren‹ des Doktors der Philosophie und freien Künste zuteil  : eine Würde, die damals nur wenige ihrer Geschlechtsgenossinnen errungen hatten. Über alle anderen Gefährtinnen großer Männer, die sich mit deren Nachruhm zu schmücken suchen, hob sie sich aus eigenem Vermögen empor. Und dies, obwohl – oder weil – sie wie keine zweite mit einem Genie zu leben verstanden hatte  : wenn denn mit einem Genie zu leben die völlige Aufgabe der eigenen Person bedeuten muß.« Monika Beer

Danksagung

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ein Dank gilt zu allererst Monika Beer für ihren unendlichen Sachverstand, die große Geduld in der Begleitung, das immer wache Gegenlesen und die Korrekturen bei der Entstehung des Manuskriptes, für ihre Zuversicht und Ermutigung und eine lange Freundschaft – und an Karlheinz Beer für kundiges Nachhaken und Fahnenlektüre. Mein Dank geht an Eva Schindling, ohne deren mentale Unterstützung es dieses Buch nicht gäbe, ich danke Ina Merkel und Dieter Rink für Obdach und Ruhe. Zu danken habe ich Hannelore Teuchert für motivierende und kenntnisreiche Gespräche, Monika König für Rat und Tat und Anne Marie Henke für ihren Support bei den Übersetzungen, zu danken habe ich außerdem Monika Sigrist vom Richard Wagner Museum Luzern, Dr. Sylvia Habermann von der Bernd-Mayer-Stiftung Bayreuth, Dr. Martin Dürrer von der Wagner-Briefgesamtausgabe, Dr. Karoline Feulner vom Landesmuseum Mainz und Gunther Braam. Und unbedingt  : Dank an das Richard Wagner Museum Bayreuth – an Kristina Unger für geduldige und verlässliche Bereitstellung originaler Quellen sowie Tanja Dobrick für die Abklärung und Bereitstellung vom Gros der historischen Abbildungen in diesem Buch. Ebenso ist Sarah Stoffaneller, Julia Beenken, Constanze Lehmann, Bernhard Kollmann und Michael Rauscher vom Verlag sehr zu danken für die Sorgfalt und Erfahrung bei der Realisierung dieses Buches. Und für ihren Zuspruch und ihre Rücksicht immer neu ein großer Dank an meine Lore.

Zur Autorin

S

abine Zurmühl wurde 1947 geboren, Nachkriegskind im zerbombten Berlin – der Vater aus Schlesien und kriegsversehrt, ursprünglich Schauspieler, die Mutter berufstätig, eine ältere Schwester. Wenig Geld, Lesehunger, Musik und Literatur als Trost und Herausforderung. Abitur an einem musischen Gymnasium, Studium der Germanistik, Romanistik und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Magister und Staatsexamen. Während des Studiums Volontariate beim WDR in Köln und Rias Berlin. Erste Arbeiten als Hörfunk-Autorin. Engagement in der Studentenbewegung und für eine »Reformierte Altgermanistik«. Nach kurzer Tätigkeit in der Universitätslehre Entscheidung für freie Autorinnentätigkeit. Erstes Engagement in der Frauenbewegung. Gründung der Frauenzeitschrift Courage. Publikationen in Hörfunk, Presse und Fernsehen zur Kultur- und Frauengeschichte. Mit-Gründerin des Journalistinnenbundes, Engagement beim Frauen-Medientreffen der ARD. Historisch erste TV-Dokumentation zum Thema sexueller Missbrauch. Zahlreiche Dokumentarfilme im kultur-, musik- und theatergeschichtlichen Kontext – Porträts von Regisseurinnen, zur Theatergeschichte der »Hosenrolle« in der Oper, im Film und auf der Bühne, zur Kabarettgeschichte. Filmische Beobachtungen zu aktuellen politischen Themen, aber auch zur ­Nachkriegszeit. Buch-Biografie Das Leben, dieser Augenblick über die Schriftstellerin Maxie Wander zwischen Wien und Ostberlin. Kontinuierliche Theaterberichterstattung, u. a. als Kritikerin der taz zu den Bayreuther Festspielen. Frühe Veröffentlichungen zum Wagner-Thema wie Leuchtende Liebe, lachender Tod. Zum Tochtermythos Brünnhilde sowie in der Anthologie In den Trümmern der eigenen Welt. Ab 1996 zusätzlich Tätigkeit als Mediatorin, meist in Familien und für Teams. Sabine Zurmühl lebt seit der Wende im brandenburgischen Fläming.

Personenregister

Francesca Gaetana Cosima, geborene Liszt, verheiratete und geschiedene von Bülow, verheiratete und verwitwete Wagner, Wilhelm Richard Wagner sowie Personen in Bildtexten wurden nicht in das Register aufgenommen. Abbé Gabriel, siehe Gabriel, Jean-Louis Agoult, Charles Comte d’ 18, 19 Agoult, Claire d’, siehe Charnacé, Claire de Agoult, Louise d’ 18 Agoult, Marie Comtesse d’ 12, 18 – 20, 22 – 24, 26 – 29, 32, 38, 40, 53, 64, 66, 68, 98, 101, 111, 117, 121, 122, 126, 132, 157, 167, 171, 173 – 175, 193, 205, 206, 208, 209, 220, 283, 295 Albert, Joseph 145 Alexander III., König von Makedonien 147 Appia, Adolphe 275 Argerich, Martha 8 Assing, Ludmilla 47, 51, 52, 57, 58 Auber, Daniel François Esprit 167 Augusta, Königin von Preußen und deutsche Kaiserin 172, 193 Babette (Nachname unbekannt) 220 Bahr-Mildenburg, Anna 15, 16, 279, 290 Bassenheim, siehe Waldbott von Bassenheim Batz, Carl 231 Bauer, Oswald Georg 266, 282 Bayersdorfer, Adolf 173 Beethoven, Ludwig van 80, 159, 163, 169, 185, 243 Beidler, Franz Philipp 201, 286 Beidler, Franz Wilhelm 15, 286 Beidler, Isolde, siehe Bülow, Isolde von Belloni, Gaetano 34 Berlioz, Hector 18, 39 Bermbach, Udo 288 Bernard, Laure 26, 32 Bernard, Louise 26 Bethmann, Maria Elisabeth 18 – 20, 24, 25, 98, 205

Boni, Ponsch (Kosenamen), siehe Bülow, Blandine von Brandt, Carl 230 Brockhaus, Luise 214 Bruckmann, Hugo 287 Brückner, Gotthold 230, 276 – 278 Brückner, Max 230, 276 – 278 Brückwald, Otto 227, 230 Buch, Marie von, siehe Schleinitz, Marie Gräfin von Bülow, Blandine von 29, 67, 76, 78, 79, 100, 117, 118, 166, 168, 175, 183, 188 – 192, 194 – 199, 221, 239, 241, 242, 290, 294 Bülow, Daniela von 29, 40, 59, 67, 72, 73, 100, 116 – 118, 123, 131, 132, 137, 144, 160, 166, 169, 175, 183, 188 – 199, 221, 238, 241, 242, 244, 258, 284, 292, 294, 296 Bülow, Eva von 29, 64, 88, 96, 100, 119, 181, 183, 188, 190, 191, 194, 199, 201, 221, 223, 242, 243, 287, 288, 292 – 294, 296 Bülow, Franziska von 47, 48, 50, 121, 135, 192, 220 Bülow, Hans von 9 – 13, 19, 27 – 29, 44, 47 – 54, 57, 61, 63, 66, 69 – 91, 93 – 97, 99, 101, 102, 117 – 119, 121, 131, 135, 136, 140, 143, 147, 152, 154, 156, 157, 159 – 161, 172, 175, 184, 185, 192 – 196, 199, 200, 202, 209, 210, 213, 220, 223, 232, 234, 238, 241, 258, 259, 286, 292 Bülow, Isolde von 29, 83, 85, 95, 100, 181, 183, 188 – 191, 194, 200, 201, 221, 223, 242, 286, 289, 290, 294 Bülow, Paul von 50 Bülow von Dennewitz, Luise 193 Bürker, Betty 225, 241, 243, 246 Byron, George Gordon Noel 34

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Personenregister

Ceccius (Vorname unbekannt) 113 Chamberlain, Eva, siehe Bülow, Eva von Chamberlain, Houston Stewart 133, 201, 287 – 289, 292 – 294 Charnacé, Claire de 18, 151, 206 Chazarin, Camille 30 Christo (Künstlername), siehe Jawaschew, Christo Wladimiros Colonna, Vittoria 105 Cornelius, Peter 53, 92, 93, 96, 150 Dannreuther, Edward 51 Dareios III., König des persischen Armenidenreiches 147 Dawison, Bogumil 55, 121 Denat de Guillebon, Jeanne-Claude 93 Doepler, Emil 232, 236, 268 Dohm, Ernst 52 Dohm, Hedwig 51, 126 Dollfus, Charles 123 Dönhoff, Marie Gräfin von 244 Du Moulin Eckart, Richard Graf 64, 268 Duncan, Isadora 275, 283

Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen 52, 60 Georg, Prinz von Preußen 172 Gförer, August Friedrich 214 Gilmore, Rosamund 178 Girardin, Émile de 27 Glaser, Dora 220, 294 Goethe, Johann Wolfgang von 230, 258 Goldoni, Carlo 244 Gravina, Biagio Graf 198, 239, 241, 242 Gravina, Blandine Gräfin, siehe Bülow, Blandine von Grimm, Jakob 178, 190 Grimm, Wilhelm 178, 190 Groß, Adolf von 142, 268, 280, 290 Guérin, Eugénie de 44, 102

Feustel, Friedrich 212, 230 Fidi (Kosename), siehe Wagner, Siegfried Fiedler, Mary 220, 263 Flavigny, Alexandre Vicomte de 18, 98 Flavigny, Marie de, siehe Agoult, Marie Comtesse d’ Förster-Nietzsche, Elisabeth 104 Franz, Ellen 52, 54 – 61, 63, 104, 122 Franz, Sarah 54, 59, 60 Freytag, Gustav 122 Fricke, Richard 235, 266 Friedland, Friederike 126 Friedrich Franz II., Großherzog von Mecklenburg-Schwerin 236 Fuchs, Anton 272

Hanslick, Eduard 211 Harden, Maximilian 290 Harlacher, August 274 Harlez (Vorname unbekannt) 31 Haskil, Clara 8 Hatzfeld-Trachenberg, Sophie Gräfin von 126 Haymann, Jakob 212 Hebbel, Friedrich 122, 123 Heckel, Emil 237 Heldburg, Helene von, siehe Franz, Ellen Helmholtz, Anna von 62 Hermine (Nachname unbekannt) 221 Herwegh, Emma 52, 70 Herwegh, Georg 52, 70, 99 Herz, Joachim 178 Hiller, Ferdinand 210 Hilsdorf, Jacob 148 Hitler, Adolf 293, 294, 296 Hoffmann, Josef 230 Hohenlohe-Langenburg, Ernst Fürst zu 130 Hohenlohe-Schillingsfürst, Marie Fürstin zu, siehe Sayn-Wittgenstein, Marie Prinzessin zu Humboldt, Alexander von 58 Humperdinck, Engelbert 267, 287

Gabriel, Jean-Louis 35 Gautier, Judith 15 Genelli, Bonaventura 89

Jawaschew, Christo Waldimiros 93 Jeanne-Claude (Künstlername), siehe Denat de Guillebon, Jeanne-Claude

Érard, Pierre 21, 39 Érard, Sébastien 21

Personenregister  Joukowsky, Paul von 144, 147, 238, 239, 244 Kalergis, Marie, siehe Muchanoff-Kalergis, Marie Gräfin von Kekulé von Stradonitz, Anna 296 Keller, Gottfried 47, 51 Kempis, Thomas a 42 Kern, Fabian 277, 278 Kessler, Harry Graf von 282 Kittel, Carl 273 Klindworth, Karl 106 Kniese, Julius 251, 258 Kosky, Barrie 250 Kreiner, Michael 159 Krug, Heinrich 166 Kurzbeck, Katharina von 21 Laager, Anna, siehe Liszt, Anna Lagerfeld, Karl 11 Lamennais, Félicité de 28 Lassalle, Ferdinand 122 Lehmann, Lilli 279 Lenbach, Franz von 16, 111, 143, 165, 173, 183, 220, 261, 262 Levi, Benedikt 272 Levi, Hermann 209, 219, 220, 250 – 264, 272 – 274, 280 Levi, Mary, siehe Fiedler, Mary Lindeck, Wilhelm 258 Liszt, Adam 21 Liszt, Anna 21, 24, 30 – 34, 64, 66, 128, 145, 165, 220, 295 Liszt, Blandine 12, 18, 22, 23, 26, 29 – 31, 35 – 37, 39, 40, 47, 48, 65 – 67, 74, 75, 120, 145, 197 Liszt, Daniel 12, 18, 23, 26, 30, 31, 35, 39, 63 – 65, 67, 116, 131, 145, 220, 247 Liszt, Franz 9, 11 – 13, 15, 18, 20 – 24, 26, 27, 29 – 36, 38 – 41, 46 – 50, 53, 55, 63 – 68, 70, 73, 74, 76 – 78, 82, 83, 85, 95, 98, 99, 101, 102, 110, 111, 116, 121, 123, 131, 135, 139, 141, 145, 152 – 171, 173 – 176, 193, 195, 199, 203, 209, 220, 226, 228, 234, 238, 239, 242 – 245, 263, 268, 283 – 285, 292, 295 Loë, Walther von 172 Loldi (Kosename), siehe Bülow, Isolde von

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Luckhardt, Fritz 142 Ludwig II., König von Bayern 9, 70, 81 – 87, 89, 91 – 96, 138, 152, 184, 211, 227, 235, 238, 240, 250 Lusch, Loulou, Lulu, Daniella (Kosenamen), siehe Bülow, Daniela von Mahler, Gustav 253, 275, 279 Mahler-Werfel, Alma 295 Mann, Katia 126 Mann, Thomas 126 Marcuse, Ludwig 42 Meißner, Alfred 123 Melchior, Lauritz 292 Mendelssohn Bartholdy, Felix 213 Meyendorff, Olga von 159, 172 Meyerbeer, Giacomo 56, 210, 213 Meysenbug, Malwida von 40, 61, 100, 127, 181, 214, 241, 245, 247 Mildenburg, Anna von, siehe Bahr-Mildenburg, Anna Mimi (Kosename), siehe Schleinitz, Marie Gräfin von Moser-Steinitz, Marie von 161 Mottl, Felix 273, 287 Mozart, Wolfgang Amadeus 177, 190, 244 Muchanoff-Kalergis, Marie Gräfin von 77, 78, 111, 157, 172, 214 Muncker, Theodor 168, 186 Necker de Saussure, Albertine 28 Neuber, Friederike Caroline 265 Ney, Elisabeth 56 Ney, Elly 8 Nießing, Georg 59 Nietzsche, Friedrich 104, 112, 118, 262 Ollivier, Blandine, siehe Liszt, Blandine Ollivier, Daniel 65, 67, 102 Ollivier, Émile 65, 67 Patersi de Fossombroni, Louise-Adélaïde 16, 120, 121, 145, 225 Petersen, Antonie 44, 106, 129, 186 Petersen, Carl Friedrich 186 Pfistermeister, Franz Seraph von 92

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Personenregister

Pfordten, Ludwig von der 93 Piontek, Frank 278 Pompadour, Jeanne-Antoinette Marquise de 134 Porges, Heinrich 92, 136, 257 Pringle, Carrie 245 Pringsheim, Hedwig 126 Provins, Guiot de 173 Racine, Jean Baptiste 34 Raimund, Ferdinand 58 Richardis Cosima (Nachname unbekannt) 216 Richter, Hans 195, 228, 234, 237 Rochow, Emmy Wilhelmine von 172 Röckel, August 88 Roller, Alfred 275 Rubinstein, Anton 158 Rüdel, Hugo 273 Rudolf, Kronprinz von Österreich und Ungarn 290 Sachs, Hans 178 Saint-Mars, Jeanne Claire de 120, 121 Sand, George 22, 23, 111, 134 Sayn-Wittgenstein, Carolyne Fürstin zu 37 – 39, 41, 49, 53, 63, 65, 67, 154, 157, 158, 160, 165 – 167, 174, 175 Sayn-Wittgenstein, Marie Prinzessin zu 38, 39, 49, 53, 166 Schiller, Friedrich 31 Schleinitz, Alexander Graf von 242 Schleinitz, Marie Gräfin von 40, 45, 51, 52, 61, 101, 157, 172, 197, 199, 212, 214, 232, 236, 242 Schleinitz, Mimi von 157 Schmalhausen, Lina 284 Schmitson, Teutwart 56 Schnappauf, Bernhard 218 Schnorr von Carolsfeld, Malvina 91, 96, 231 Schubert, Franz 295 Schumann, Clara 256 Schumann-Heink, Ernestine 290 Schumann, Robert 23 Schuré, Édouard 99 Schweninger, Ernst 257 Scott, Walter 34

Shakespeare, William 34, 58, 121, 174 Shaw, George Bernard 275, 278 Siegfried, Walther 15, 104 Solms-Sonnewalde, Eberhard Graf zu 172 Staël-Holstein, Anne-Louise-Germaine de 28, 31, 134 Stamm, Marie 219, 220 Stein, Heinrich von 41, 144, 203 Stern, Daniel (Pseudonym), siehe Agoult, Marie Comtesse d’ Stocker, Bernhard 223 Stocker, Jakob 223 Stocker, Marie 223, 224 Stocker, Verena 222 – 224 Stocker, Wilhelm Richard 223 Strauss, Richard 258, 277, 295 Sucher, Rosa 279 Tauler, Johannes 45 Tendering, Karoline 126 Thode, Daniela, siehe Bülow, Daniela von Thode, Henry 132, 199 Thoma, Hans 274 Tschudi, Johann Heinrich 224 Turgenjew, Iwan Sergejewitsch 173 Varnhagen von Ense, Karl August 58, 122 Varnhagen von Ense, Rahel 122 Viardot-García, Pauline 173 Voltz, Carl 231 Vreneli (Kosename), siehe Stocker, Verena Wagner, Friedelind 292 Wagner, Gertrud 93 Wagner, Minna 51, 70, 71, 79, 91, 96, 174, 223 Wagner, Siegfried 29, 89, 100, 112, 113, 115, 117, 119, 139, 143, 144, 147, 148, 161, 171, 175, 176, 181, 183, 184, 188 – 191, 194, 196, 198, 201 – 203, 217, 221, 223, 242, 246, 261, 266, 271, 275, 286 – 292, 294 – 296 Wagner, Verena 292 Wagner, Wieland 93, 278, 279, 292 Wagner, Winifred 9, 106, 291 – 296 Wagner, Wolfgang 278, 279, 292 Waldbott von Bassenheim, Hugo Graf von und Caroline Gräfin von 222

Personenregister  Weber, Carl Maria von 30 Weber, Johann Jacob 213 Weidmann, Verena, siehe Stocker, Verena Weingartner, Felix 258, 262, 268 – 271, 274 Wesendonck, Mathilde 69 – 71 Wesendonck, Otto 69, 70 Wilhelm II., Kronprinz und König von Preußen sowie deutscher Kaiser 199, 236, 288, 295

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Wilhelm I., König von Preußen und deutscher Kaiser 172 Williams, Winifred, siehe Wagner, Winifred Wolkenstein-Trostburg, Marie Gräfin von, siehe Schleinitz, Marie Gräfin von Wolkoff, Alexander 170 Wolzogen, Hans von 162, 218, 296 Worth, Charles Frederick 243

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