Caritas und Recht: Eine kanonistische Untersuchung zum caritativen Sendungsauftrag der Kirche [1 ed.] 9783428537693, 9783428137695

Wie verhalten sich Caritas und Kirchenrecht zueinander? In Anbetracht der Grundsätzlichkeit, mit der Papst Benedikt XVI.

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Caritas und Recht: Eine kanonistische Untersuchung zum caritativen Sendungsauftrag der Kirche [1 ed.]
 9783428537693, 9783428137695

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Kanonistische Studien und Texte Band 60

Caritas und Recht Eine kanonistische Untersuchung zum caritativen Sendungsauftrag der Kirche

Von Nicole Hennecke

Duncker & Humblot · Berlin

NICOLE HENNECKE

Caritas und Recht

Kanonistische Studien und Texte begründet von Dr. A l b e r t M . K o e n i g e r † o.ö. Professor des Kirchenrechts und der Kirchenrechtsgeschichte an der Universität Bonn fortgeführt von Dr. Dr. H e i n r i c h F l a t t e n † o.ö. Professor des Kirchenrechts und der Kirchenrechtsgeschichte an der Universität Bonn und Dr. G e o r g M a y Professor für Kirchenrecht, Kirchenrechtsgeschichte und Staatskirchenrecht an der Universität Mainz herausgegeben von Dr. A n n a E g l e r Akademische Direktorin i. R. am FB 01 Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Mainz und Dr. W i l h e l m R e e s Professor für Kirchenrecht an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

Band 60 NICOLE HENNECKE

Caritas und Recht

Caritas und Recht Eine kanonistische Untersuchung zum caritativen Sendungsauftrag der Kirche

Von Nicole Hennecke

Duncker & Humblot · Berlin

Die Theologische Fakultät Trier hat diese Arbeit im Sommersemester 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0929-0680 ISBN 978-3-428-13769-5 (Print) ISBN 978-3-428-53769-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-83769-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Mutter

Vorwort Die vorliegende Studie wurde im Sommersemester 2011 von der Theolo­ gischen Fakultät Trier als Dissertationsschrift angenommen. Wer liest schon das Vorwort? Diejenigen, die mit der Autorin oder dem Autor bekannt sind? Sie? Außer Dank – so die Meinung – gebe das Vorwort nicht viel her. Doch ohne diesen Dank und damit ohne die Vergewisserung, dass so viele Personen letztlich in unterschiedlicher Art und Weise zur Sei­ te gestanden haben und diesen Weg mitgegangen sind, gäbe es wohl so gut wie keine solcher Arbeiten. Es wäre ein Irrglaube zu meinen, dass wissen­ schaftliche Arbeiten einzig und allein in der Abgeschiedenheit einer Studier­ stube entstehen, wie es manche Bilder von Carl Spitzweg suggerieren. Neben der Abgeschiedenheit ist es das Miteinander und der Austausch mit anderen Menschen ganz unterschiedlicher Couleur, die eine wissenschaft­ liche Arbeit entstehen lassen. So gibt es den wissenschaftlichen Diskurs zu entwickelten Thesen und in diesem Kontext möchte ich mich bei Prof. Dr. Peter Krämer bedanken, der die vorliegende Arbeit betreut und ihr Erstgutachten verfasst hat. Seiner Art der Behandlung und Vermittlung des Kirchenrechts verdanke ich meine ­eigene Freude und Begeisterung für die Kanonistik. An dieser Stelle gilt auch Prof. Dr. Johannes Brantl ein Dankeschön für die Erstellung des Zweitgutachtens. Darüber hinaus gab es viele Gespräche mit weiteren Wis­ senschaftlern wie Dr. Klaus Baumann, Prof. für Caritaswissenschaften, und vor allem Prof. Dr. Alfred E. Hierold, der seine Promotion ebenfalls zum Thema der Caritas verfasste und stets ein wichtiger Gesprächspartner für mich war – Danke für das offene Ohr. Es braucht aber auch Zeiten der Abgeschiedenheit und vor allem „Zeit am Stück“, um diese Eindrücke des Austausches, der Literaturrecherche und des Denkens zu verarbeiten und schließlich zu Papier zu bringen. Dies ist mir in außergewöhnlicher Weise ermöglicht worden durch eine mehrwöchi­ ge Auszeit auf der Schwäbischen Alb – dem Freund sei herzlich für diesen Ort der Kreativität gedankt. Was wäre eine Arbeit ohne Korrekturleser und Korrekturleserinnen? Auch hierbei geht es nicht nur um eine stoische Durchsicht nach dem Motto „richtig oder falsch“, sondern es sind die kritischen Rückfragen, das Quer­ denken zur eigenen eingefahrenen Gedankenbahn, die diese unsägliche Ar­ beit zu einer eigenen Quelle der Inspiration werden lassen. Daher seien die

8 Vorwort

Damen und der Herr eigens erwähnt: Christine Bräuner, Eva Leuther, ­Michaela Maurer, Stephan Schramm und Katharina Wagner – besten Dank Euch allen. Bester Dank sei auch Frau Dr. Anna Egler und Prof. Dr. Wilhelm Rees für die Aufnahme meiner Arbeit in die kanonistische Reihe beim Verlag Duncker & Humblot gewidmet und für die Verlagsarbeit sei ein herzliches Dankeschön an Frau Müller für die umfassende Betreuung gesagt. Der Wissenschaft wird oft attestiert, dass sie eine kostenintensive Einrichtung sei. Dies bestätigend sei daher nun folgenden Institutionen für die freund­ liche Gewährung von Druckkostenzuschüssen gedankt: Der Deutschen Bi­ schofskonferenz, dem Bistum Trier, dem Erzbistum Köln, dem Erzbistum München-Freising, dem Förderverein der Theologischen Fakultät Trier so­ wie dem Deutschen Caritasverband. Schließlich sei von Herzen ein Dankeschön gesagt, welches meiner Fa­ milie, dabei in ganz besonderer Weise meiner Mutter und meiner Schwester sowie meinen Freundinnen und Freunden gilt. Die Gemeinten wissen an dieser Stelle sehr genau um die schwereren und leichteren Zeiten. Trier, am Gedenktag des Heiligen Vinzenz von Paul, 27. September 2012 Nicole Hennecke

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I. Forschungsfrage  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 II. Forschungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 III. Vorgehen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Grundlegung des Kirchenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Die Anfänge des Kirchenrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2. Das Ius Publicum Ecclesiasticum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3. Der Widerspruch von Kirche und Recht – Der Ansatz von Rudolph Sohm  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4. Die Verbindung von Kirche und Recht – Der Ansatz von Klaus Mörs­dorf   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 5. Das Zweite Vatikanische Konzil und das Kirchenrecht . . . . . . . . . . . 31 6. Die nachkonziliare Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Grundlegung der Caritas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Klärung von Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 a) Caritas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 b) Diakonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 c) Caritative Diakonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 d) Nächstenliebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 e) Apostolat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Das biblische Zeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Die Frage nach dem wichtigsten Gebot (Mk 12,28–34par) . . . . . 49 Exkurs: Recht und Moral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b) Der barmherzige Samariter (Lk 10,30–37) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 c) Vom Weltgericht (Mt 25,31–46) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 d) Die Apostelgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 aa) Apg 2,42–47 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 bb) Apg 4,32–37 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 cc) Apg 6,1–7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 e) Die Kollekte des Paulus für Jerusalem (2 Kor 8 f.; 1 Kor 16,1–4; Röm 15,25–28) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Skizze zur kirchengeschichtlichen Entwicklung der Caritas . . . . . . . 72 4. Organisation kirchlicher Caritas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 a) Caritas auf der Ebene der Pfarrei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Caritas auf der Ebene der Diözese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

10 Inhaltsverzeichnis c) Caritas auf der Ebene der Bischofskonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . 85 d) Caritas auf der Ebene der Gesamtkirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 5. Die Enzyklika Deus caritas est . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a) Das Wesen der Liebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Caritas als Auftrag der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 c) Die dreigliedrige Sendung der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 d) Berufen zur caritas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 e) Konsequenzen der Enzyklika für das kirchliche Recht? . . . . . . . 110 C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive . . . . . . . . 113 I. Caritas im CIC / 1917  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Intention und Systematik des CIC / 1917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Analyse des Caritasbegriffs im CIC / 1917  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 II. Caritas im CIC / 1983  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Intention und Systematik des CIC / 1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Analyse des Caritasbegriffs im CIC / 1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Caritas in der Verantwortung des Volkes Gottes . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Caritas in der Verantwortung der Christgläubigen . . . . . . . . . 129 bb) Caritas in der Verantwortung von Bischof und Pfarrer . . . . . 135 cc) Caritas in der Verantwortung der Institute des geweihten Le bens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens . . . . . 147 b) Caritas in den übrigen Büchern des CIC / 1983 . . . . . . . . . . . . . . 156 aa) Allgemeine Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 bb) Verkündigungsdienst der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 cc) Heiligungsdienst der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 dd) Kirchenvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 ee) Strafbestimmungen der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 III. Die Caritas im CCEO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Intention und Systematik des CCEO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Analyse des Caritasbegriffs im CCEO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Caritas in der Verantwortung des Gottesvolkes . . . . . . . . . . . . . . 173 aa) Christgläubige und ihre gemeinsamen Rechte und Pflichten  . 173 bb) Eparchien und Bischöfe sowie Kleriker  . . . . . . . . . . . . . . . . 174 cc) Mönche, andere Religiose und Mitglieder weiterer Institute des geweihten Lebens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Zusammenfassung der übrigen Stellen zur Caritas . . . . . . . . . . . . 179 3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 IV. Vergleichende Zusammenschau der drei untersuchten Gesetzbücher . . 182 D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive . . . . . . . 184 I. Caritas in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Geschichtliche Entwicklung der organisierten Caritas . . . . . . . . . . . . 187

Inhaltsverzeichnis11 2. Die Caritas im deutschen Staatskirchenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Rechtliche Struktur des Deutschen Caritasverbandes . . . . . . . . . . . . 194 4. Caritas auf Bistumsebene am Beispiel der Erzdiözese Köln . . . . . . 200 a) Geschichtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Rechtliche Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 5. Caritas auf Bistumsebene am Beispiel der Erzdiözese München und Freising  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Geschichtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Rechtliche Struktur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 II. Caritas in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 1. Geschichtliche Entwicklung der organisierten Caritas  . . . . . . . . . . . 218 2. Die Caritas im österreichischen Staatskirchenrecht . . . . . . . . . . . . . . 224 3. Die rechtliche Struktur der Caritas Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 4. Caritas auf Bistumsebene am Beispiel der Diözese Innsbruck . . . . . 227 a) Geschichtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 b) Rechtliche Struktur der Caritas in der Diözese Innsbruck  . . . . . 229 III. Caritas in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Geschichtliche Entwicklung der organisierten Caritas . . . . . . . . . . . . 236 2. Die Caritas im schweizerischen Staatskirchenrecht . . . . . . . . . . . . . . 251 3. Die rechtliche Struktur der Caritas Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 4. Caritas auf Bistumsebene am Beispiel der Diözese St. Gallen . . . . . 255 a) Geschichtliche Entwicklung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 b) Rechtliche Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 I. Die Rechtsform der organisierten Caritas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Die Rechtsform der organisierten Caritas in Deutschland . . . . . . . . . 260 a) Die erste Diskussion zur Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 b) Die organisierte Caritas im Fokus des kirchlichen Vereinigungs rechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 2. Die Rechtsform der organisierten Caritas in Österreich . . . . . . . . . . 280 3. Die Rechtsform der organisierten Caritas in der Schweiz . . . . . . . . 284 4. Zusammenschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 II. Die bischöfliche Verantwortung für die Caritas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 1. Das Direktorium für den bischöflichen Hirtendienst . . . . . . . . . . . . . 291 2. Zum Begriff der Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 F. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Auswahl verwendeter Internetadressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Personenverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

12 Inhaltsverzeichnis Die Abkürzungen für Zeitschriften, Reihen und Sammelwerken richten sich in der Regel nach dem Abkürzungsverzeichnis im Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 11, Freiburg 32001, 692–746. Die für die Zitation verwendeten Kurztitel sind aus dem Quellen- und Literatur­ verzeichnis ersichtlich.

A. Einleitung „Das strenge Recht und die milde Caritas scheinen unversöhnliche Gegensätze zu sein; zwischen ihnen, so scheint es, klafft ein Abgrund, über den keine Brücke führt. Was haben die beiden miteinander zu tun?“1

Mit diesen Worten beginnt der Kirchenrechtler Joseph Löhr 1926 seinen Aufsatz zum Thema „Kirchenrecht und Caritas“ in der Zeitschrift „Caritas“ des Deutschen Caritasverbands. Löhr berichtet von einem allgemeinen Er­ staunen – auch im universitären Umfeld –, das seiner Beschäftigung mit dem Thema Caritas entgegengebracht wurde.2 Er sieht diese Reaktion je­ doch darin begründet, dass das Thema einer Verhältnisbestimmung von Kirchenrecht und Caritas „so gut wie Neuland“ sei, weil die Caritaswissen­ schaften als theologische Disziplin kaum ein Jahr bestanden.3 Darüber hin­ aus kommt nach Löhr hinzu, dass sich nur „selten ein Kenner des Kirchen­ rechts [findet], der sich zugleich wissenschaftlich mit der Caritas befaßt“4. Diese Beschreibung ist umso interessanter, da sie – abgesehen vom Alter der Caritaswissenschaften – auch gut 85 Jahre später in gleicher Weise formuliert werden könnte.5 Das Thema der Caritas verkörpert im Vergleich zu kirchenrechtlichen Teildisziplinen wie dem Eherecht oder dem Verfas­ sungsrecht eher eine Orchideendisziplin innerhalb der Kanonistik.6 Aber finden diese Umstände ihre Begründung in dem scheinbaren Gegensatz, von 1  Joseph Löhr, Kirchenrecht und Caritas, in: Caritas 31 (1926) 97–104; 134– 139;168–174, hier: 97. 2  Vgl. ebd. „Neulich fragte mich noch ein Kollege allen Ernstes: ‚Es ist doch eigenartig, daß Sie sich zugleich den Wissenschaften des kirchlichen Rechtes und der Caritas widmen. Wie kommt das und wie verträgt sich das?‘ “ (ebd.) 3  Vgl. ebd. am 03. April 1925 wurde an der Theologischen Fakultät der Univer­ sität Freiburg das „Institut für Caritaswissenschaft“ gegründet. Vgl. http:  /   /  www. caritaswissenschaft.uni-freiburg.de / cw / geschichte1 (Zugriff: 08.02.1011). 4  Ebd. 5  Dies betrifft auch die folgende Einschätzung: „Dazu kommt, daß auch der Co­ dex iuris canonici, das neue große Gesetzbuch für die Gesamtkirche, nicht gerade zahlreiche Bestimmungen über die Caritas erlassen hat, während das alte Recht de­ ren noch weniger gehabt hat“ (ebd.). In der vergleichenden Betrachtung des CIC / 1983 mit dem CIC / 1917 spiegelt sich ein ebensolches Verhältnis wider. 6  Dies wird z. B. daran deutlich, dass erst eine Dissertation zum Thema Caritas erschienen ist: Alfred E. Hierold, Grundlegung und Organisation kirchlicher Caritas. Unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Teilkirchenrechtes, St. Ottilien 1979 (Münchener Theologische Studien, Bd. 38).

14

A. Einleitung

dem Löhr spricht? Obwohl diese dem Kirchenrecht und der Caritas zuge­ schriebene Gegensätzlichkeit nicht mit wissenschaftlichen Untersuchungen belegt ist, ist sie im Rahmen der Beschäftigung mit beiden Bereichen viel­ fach in mündlichen Einschätzungen von Vertretern und Vertreterinnen der jeweiligen Disziplin zu finden. Aus Sicht der Kanonistik wird die Caritas als zu unkonkret und abstrakt wahrgenommen, aus Sicht der organisierten Caritas wird das Kirchenrecht als einengend, ja sogar bedrohlich erlebt, weil sich damit die Befürchtung verbindet, einen Teil ihrer freiheitlichen Hand­ lungsmöglichkeit zu verlieren.7

I. Forschungsfrage Gerade weil es sich bei diesen Reaktionen mehrheitlich um Vorurteile handelt, erweist sich eine wissenschaftlich fundierte Beschäftigung mit der Verhältnisbestimmung zwischen Caritas und Kirchenrecht als erforderlich. Den äußeren Anstoß fand die vorliegende Untersuchung letztlich in der Enzyklika Papst Benedikts XVI. Deus caritas est aus dem Jahr 2005.8 Die Zielrichtung der Enzyklika kann zusammengefasst werden in einer Bestärkung und Aufwertung des christlichen Auftrages zur Caritas. Aus westeuropäischer und speziell deutscher Sicht erscheint die Enzyklika in einer Situation tiefgreifender Veränderung, die u. a. geprägt ist von einem spürbaren Rückgang an Priestern und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In der pastoralen Praxis ist zunehmend eine Konzentration der Arbeitszeit der Hauptamtlichen auf die Tätigkeiten zu beobachten, die an geweihte Amtsträger gebunden sind: Verkündigung und Sakramenten­ spendung. Der Bereich der Caritas hingegen wird scheinbar in seiner Be­ deutung zurückgestuft, da er von allen Gläubigen ausgeführt werden kann. Auf diese Weise verschwindet er aus der primären Aufmerksamkeit der Gemeinden. Auf dem Hintergrund der außergewöhnlich stark institutiona­ lisierten Caritas in den deutschsprachigen Ländern (Deutscher Caritasver­ 7  Der letztgenannte Aspekt ist begründet in der Gegenüberstellung von Charisma und Recht. Zwar ist das Charisma nicht auf die Caritas beschränkt, sondern in glei­ cher Weise in den übrigen Sendungsaufträgen der Kirche Jesu Christi existent, trotz­ dem wird das Recht besonders hinsichtlich des caritativen Engagements als mög­ liche Einengung wahrgenommen. Vgl. dazu ausführlich: Libero Gerosa, Charisma und Recht. Kirchenrechtliche Überlegungen zum „Urcharisma“ der neuen Vereini­ gungsformen in der Kirche, Einsiedeln 1989; Peter Krämer, Charismatische Erneu­ erung der Kirche als Anfrage an das Kirchenrecht, in: ders. / Johannes Mohr, Charis­ matische Erneuerung der Kirche. Chancen und Gefahren, Trier 1980, 79–133. 8  Benedikt XVI., Enzyklika Deus caritas est. Über die christliche Liebe (25. De­ zember 2005), in: AAS 98 (2006) 217–252; dt. Übers. in: VApSt 171, Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Bonn 2006.



II. Forschungsstand15

band, Caritas Österreich, Caritas Schweiz) ist mitunter zusätzlich zu beob­ achten, dass der Bereich der Caritas durch seine Institutionalisierung als bereits bearbeitet angesehen wird. Unabhängig von der Tatsache, dass die Verwirklichung der Caritas in den Partikularkirchen weltweit unterschied­ lich erfolgt und die Enzyklika somit in verschiedene Situationen hinein­ spricht, ist es die Intention der Enzyklika, die Caritas in pointierter Weise ins Bewusstsein der Universalkirche zu heben und zu einem bewussten Umgang mit ihr aufrufen. In dieser Perspektive ist es demnach folgerichtig, dass sich die theologi­ sche Disziplin der Kanonistik mit der Caritas beschäftigt. Welchen Stellen­ wert besitzt die Caritas im Kirchenrecht? Die vorliegende Untersuchung analysiert, hinterfragt und bewertet das Beziehungsverhältnis zwischen Ca­ ritas und Kirchenrecht anhand der 1983 und 1990 in Kraft getretenen Ge­ setzbücher des lateinischen und des orientalischen Rechtskreises sowie an­ hand exemplarisch ausgewählter partikularrechtlicher Untersuchungen.

II. Forschungsstand Innerhalb der kanonistischen Forschung wurde bislang nur wenig Litera­ tur zum Themenkomplex Caritas und Recht veröffentlicht. 1979 erschien in diesem Bereich eine erste Dissertation des Kirchenrechtlers Alfred Hierold. Er beschäftigt sich zu Beginn seiner Untersuchung mit der Grundlegung der kirchlichen Caritas in Form einer Bestimmung der Begriffsverwendung und dem Ort der Caritas in der Sendung der Kirche. In einem zweiten Teil widmet sich der Verfasser der Organisation der Caritas, indem er innerhalb der Grundformen caritativen Handelns den privaten vom amtlichen Charak­ ter unterscheidet. Dem schließt sich eine Darstellung der verschiedenen Strukturen kirchlicher Caritas an: von der Ebene der Teilkirche, über die Teilkirchenverbände, bis zur Organisation der gesamtkirchlichen Caritas. Die Arbeit beschäftigt sich demnach intensiv mit der kirchlichen Caritas in der Sendung der Kirche und erhebt den damaligen Ist-Stand caritativer Organisation.  Gleichzeitig nimmt die Arbeit eine Überlegung von Peter Krämer aus seinem Aufsatz zur Systematik des neuen kirchlichen Gesetzbuches auf. Krämer hinterfragt das für den CIC verwendete Gliederungsprinzip der tria munera-Lehre in Blick auf eine mögliche Berücksichtigung der Caritas: „Um aber die Lebensvollzüge der Kirche mit ihren rechtlichen Implikationen in dem neuen Codex Iuris Canonici darzustellen, geht es tatsächlich nicht an, das Leitungsamt nach dem ‚munus docendi‘ und dem ‚munus sanctificandi‘ gesondert zu betrachten, zumal wenn es vorweg im kirchlichen Verfassungsrecht zur Spra­ che gekommen ist. Bei aller Variabilität in der Darstellung kirchlicher Funktionen

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A. Einleitung

ist eine Kodifikation des kirchlichen Rechts anzustreben, der zufolge Wort, Sak­ rament und karitative Diakonie als Grundvollzüge der Kirche aufscheinen; hierin dürfte eine sinnvolle Modifizierung des Drei-Ämter-Schemas für ein neu zu ge­ staltendes kirchliches Gesetzbuch liegen.“9

Seit der Veröffentlichung von Alfred Hierold erschienen nur vereinzelt weitere Beiträge zum benannten Thema. Im deutschsprachigen Raum sind dies die Aufsätze von Heribert Hallermann10 und Helmuth Pree11. Haller­ mann skizziert zu Beginn seines Beitrags das Vorkommen der Caritas im CIC / 1983 und dies einerseits unter dem Fokus Caritas als Aufgabe des einzelnen Christen, andererseits als gemeinsame Tätigkeit. In diesem Zusammenhang diskutiert er den kirchlichen Charakter der Caritas und ­ bestimmt ihre schwerpunktmäßige Verordnung im Codex als dem Heili­ ­ gungsdienst zugehörig.12 Der zweite Teil des Aufsatzes ist eine Beschrei­ bung der kirchlichen Caritas im deutschen Staatskirchenrecht. Auch dort werde die kirchliche Caritas als eine Grundfunktion der Kirche wahrge­ nommen.13 Er hebt die maßgebliche Bedeutung einer Kooperation zwi­ schen Staat und Kirche hervor, damit Caritas in rechter Weise verwirklicht werden könne.14 Pree untersucht seinerseits detailliert das Vorkommen der Caritas im CIC und CCEO. Dabei kommt er zu zwei Ergebnissen: Zum einen erwei­ se sich die gesetzessystematische Gliederung der Gesetzbücher als unge­ eignet, um „die karitative Grunddimension in ihrer Eigenständigkeit zur Geltung zu bringen“15, zum anderen bedeute dies aber nicht, dass der Ge­ setzgeber die Caritas als weniger wichtig eingestuft habe, sondern sei le­ diglich auf dem Hintergrund zu sehen, dass für die Caritas „im Unter­ schied zur Martyria und Leiturgia eine hierarchische Exklusivkompetenz nicht denkbar ist“16. Mit Veröffentlichung der Enzyklika Papst Benedikts XVI. erschien eine Vielzahl an theologischen Beiträgen zur Caritas, darunter auch solche, die 9  Peter Krämer, Kritische Anmerkungen zur Systematik eines neuen kirchlichen Gesetzbuches, in: AfkKR (1978) 463–470. 10  Heribert Hallermann, Strukturen kirchlicher Caritas im geltenden Recht, in: AfkKR 168 (1999) 443–457. 11  Helmuth Pree, Die Caritas im CIC und im CCEO, in: Hartmut Zapp / Andreas Weiß / Stefan Korta (Hrsg.), Ius Canonicum in Oriente et Occidente. Festschrift für Carl Gerold Fürst zum 70. Geburtstag, Frankfurt a. M. 2003 (Adnotationes in Ius Canonicum, Bd. 25), 117–133. 12  Vgl. Hallermann, Strukturen kirchlicher Caritas, 451. 13  Vgl. ebd., 453. 14  Vgl. ebd., 457. 15  Pree, Caritas im CIC und CCEO, 119. 16  Ebd., 133.



III. Vorgehen 17

aus kanonistischer Perspektive verfasst wurden. Dazu gehören ein Aufsatz von Christoph Ohly17 und ein Beitrag von Paul Josef Cordes18. Ohly be­ leuchtet die Frage, ob die Enzyklika ein Anstoß für das Kirchenrecht sein kann und kommt zu einer positiven Einschätzung: „Der Nachweis, dass die in Wort und Sakrament ergehende bevollmächtigte Sen­ dung der Kirche kraft ihres Wesens das Kirchenrecht fordert, kann und muss aufgrund der Überlegungen von Papst Benedikt XVI. ergänzt werden.“19

Cordes knüpft an die päpstliche Aussage in DCE n. 32 und die dortige Bezugnahme auf c. 394 CIC / c. 203 CCEO mit einem Hinweis auf beste­ henden Klärungsbedarf für die Beschreibung der caritativen Aufgaben des Hirtenamtes an. So überprüft er daraufhin die Aussagen des Zweiten Vati­ kanischen Konzils zur bischöflichen Verantwortung und kommt zu dem Ergebnis: „Damit wird es unübersehbar, dass den konziliaren Dokumenten eine organisatorische und detaillierte Beschreibung der bischöflichen Ver­ antwortung für die Caritas-Theologie und -Pastoral abgeht.“20 Entgegen diesem Befund erachtet er die sichtbare Anbindung der caritativen Werke im bischöflichen Amt als „ein wirksames Mittel der Glaubensverankerung kirchlicher Werke“. Um diese sicherzustellen, müssten sie „in rechtlich verbindlicher Weise formuliert werden“21.

III. Vorgehen Die Arbeit ist in sechs Abschnitte gegliedert. Da gemäß dem Thema die beiden Begriffe ‚Kirchenrecht‘ und ‚Caritas‘ im Mittelpunkt stehen, gilt es zunächst, diese theologisch-systematisch zu bestimmen. Der erste Unterpunkt des zweiten Abschnitts hinterfragt das Wesen des Kirchenrechts. Welches Verständnis prägt das Kirchenrecht? Wieso gibt es überhaupt ein Kirchenrecht und welche Aufgabe kommt ihm zu? Hört es wesensnotwendig zur kirchlichen Struktur oder wird es von außen an sie herangetragen? Um diese Fragen zu beantworten, ist eine Betrachtung der historischen Entwicklung der Kanonistik nötig, da sich das Verständnis von 17  Christoph Ohly, Deus Caritas Est. Die Liebe und das Kirchenrecht, in: Micha­ ela C. Hastetter / Christoph Ohly / Georgios Vlachonis (Hrsg.), Symphonie des Glau­ bens. Junge Münchener Theologen im Dialog mit Joseph Ratzinger / Benedikt XVI., St. Ottilien 2007, 103–129. 18  Paul Josef Cordes, Gesetzeslücke – Wo bleibt die Caritas im Kirchenrecht?, in: Paul Josef Cordes (Hrsg.), Helfer fallen nicht vom Himmel. Caritas und Spiritualität, Freiburg i. Br. 2008, 142–154. 19  Ohly, Deus Caritas Est, 127. 20  Cordes, Gesetzeslücke, 147. 21  Ebd., 150 f.

18

A. Einleitung

dem, was Kirchenrecht ist, zu verschiedenen Epochen ganz unterschiedlich dargestellt hat. Es schließt sich eine Grundlegung der kirchlichen Caritas an. Welchen Stellenwert besitzt Caritas in der Sendung der Kirche? Auch hierfür ist es unumgänglich bei dem biblischen Zeugnis vom Handeln Jesu Christi und der jungen Kirche anzusetzen, um zum einen die prägende Kraft der Caritas innerhalb der Kirchengeschichte einordnen zu können, und um zum anderen aus der historischen Skizze die sich durchtragende wesensmäßige Bedeu­ tung der Caritas für das kirchliche Leben darzustellen. In einem weiteren Schritt werden die verschiedenen Begrifflichkeiten zur Caritas zu untersu­ chen und zu bestimmen sein.  Innerhalb dieses Abschnittes ist die Einbeziehung der Enzyklika Deus caritas est von Bedeutung. Es wird ihr Verständnis und ihre Sichtweise auf die kirchliche Caritas herauszuarbeiten sein. Der Papst beschäftigt sich in einem ersten Teil der Enzyklika mit philosophischen Reflexionen zum Ver­ hältnis zwischen ἀγάπη und ἔρωϚ. Der zweite Abschnitt hinterfragt und bedenkt die praktischen Implikationen und Umsetzungen der Caritas im Leben der Kirche sowie des einzelnen Christen bzw. der einzelnen Christin.  Inwiefern steht nun aber die Caritas in Verbindung mit dem Kirchenrecht? Unter Berücksichtigung der genannten Aufsätze von Christoph Ohly und Paul Josef Cordes sind die Impulse der Enzyklika für das Kirchenrecht in den Blick zu nehmen. Der Papst selbst lenkt in DCE n. 32 die Aufmerk­ samkeit auf eine kirchenrechtliche Normierung. Im Abschnitt über „Die Träger des caritativen Handelns der Kirche“ heißt es im Zusammenhang mit den Aufgaben des Bischofs im Hinblick auf seine Verantwortung für die Caritas: „Der Codex des Kanonischen Rechts (CIC) behandelt in den Canones über das Bischofsamt die karitative Tätigkeit nicht ausdrücklich als eigenen Sektor des bischöflichen Wirkens, sondern spricht ganz allgemein von dem Auftrag des Bi­ schofs, die verschiedenen apostolischen Werke unter Wahrung ihres je eigenen Charakters zu koordinieren.“ (DCE, n. 32)

Nach diesen Einstiegsarbeiten wird die Aufgabe im dritten Abschnitt „Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive“ darin beste­ hen, herauszuarbeiten, welche Erwähnung die Caritas in den universalkirch­ lichen Gesetzbüchern findet. Zuerst gilt es dafür den CIC von 1917 zu untersuchen, um auf dieser Grundlage eventuelle Entwicklungen zum CIC von 1983 deutlich machen zu können.  Bereits im Vorfeld der Untersuchung ist erkennbar, dass der CIC kein eigenes Buch bzw. eigenen Unterabschnitt zur Caritas enthält. Demnach wird das Gliederungsprinzip des CIC thematisiert werden müssen. Des Wei­ teren bedarf es einer Analyse der Begrifflichkeit des CIC zum Wortfeld



III. Vorgehen 19

Caritas. Dieses ist nicht einheitlich: teilweise werden die Werke der Caritas und die Werke des Apostolates getrennt genannt (vgl. c. 222 § 1 CIC), teilweise werden erstere unter die Apostolatswerke zusammengefasst (vgl. c. 394 § 1 CIC). Was ist mit dem Begriff caritas gemeint? Wird Caritas als christliche Tugend oder als Organisation verstanden? Darüber hinaus sind die verschiedenen Verantwortlichkeiten zu überprüfen: Caritas in der Ver­ antwortung des Volkes Gottes, in der Verantwortung des Pfarrers und in der des Bischofs. Welche Aussagen finden sich in den Allgemeinen Normen und im Vereinigungsrecht zur Caritas? Wie steht es um den Auftrag zur Caritas, der jedem Christen und jeder Christin in der Taufe aufgetragen worden ist und für den der Bischof eine besondere Verantwortung hat? Auch das Gesetzbuch für die unierten Ostkirchen wird auf seine Erwäh­ nung und Behandlung der Caritas untersucht werden. Vielfach ist eine stärkere theologische Ausrichtung im CCEO auszumachen. Trifft dies auch für das benannte Thema zu? Die Situation der Caritas ist innerhalb der Teilkirchen unterschiedlich. Daher ist es sinnvoll eine zumindest beispielhafte Untersuchung der diöze­ sanen Caritas vorzunehmen. Nachdem jeweils die Situation auf der Ebene der Bischofskonferenzen von Deutschland, Österreich und der Schweiz er­ hoben worden sind, werden die Erzbistümer Köln, München und Freising sowie die Diözesen Innsbruck und St. Gallen analysiert. Welche Rechtsfor­ men an organisierter Caritas gibt es in den genannten Gebieten? Welche geschichtliche Entwicklung hat die organisierte Caritas dort durchlaufen? Aufgrund der universal- und partikularrechtlichen Untersuchungen und unter Berücksichtigung der theologischen Grundlegung kann sodann im fünften Abschnitt dieser Arbeit eine kirchenrechtliche Einordnung der Be­ funde erfolgen. Wie sind die betrachteten diözesanen Strukturen im Bereich der organisierten Caritas zu bewerten? Werden sie dem theologisch-syste­ matischen Stellenwert der Caritas gerecht? Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse sowie einem Ausblick auf mögliche Perspektiven und Entwicklungen im Verhält­ nis von Caritas und Kirchenrecht.

B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas Der eingangs skizzierte Gegensatz, welcher zwischen ‚der Liebe und dem (Kirchen-)Recht‘ gesehen wird, gründet vielfach in einer bestimmten Hal­ tung und Sichtweise dem Kirchenrecht gegenüber, indem es als mehr oder weniger notwendiges Übel am Rande des theologischen Fächerkanons be­ trachtet wird. Diese Überlegungen sind nicht neu. Die Frage, wie das Kir­ chenrecht als Disziplin innerhalb der Theologie begründet werden kann, prägt die Diskussion des Fachs bereits seit Jahrhunderten. Bevor also die Bedeutung des Kirchenrechts für die Caritas aufgezeigt werden kann, muss zunächst ein historischer Überblick gegeben werden zur Kanonistik als theologischer Disziplin.

I. Grundlegung des Kirchenrechts Welcher Stellenwert ist dem Kirchenrecht zuzumessen? Bezieht es sich nur auf das Nötigste in dem Sinne, dass überall dort, wo sich Gemeinschaft bzw. Gesellschaft bildet auch Recht bildet bzw. bilden muss, also: ubi societas, ibi ius? Ist das Kirchenrecht demnach das notwendige Übel, das das Zusammenleben regelt, aber im Letzten doch immer wieder die Pastoral im Blick auf wichtige Entscheidungen behindert? Da zu der benannten Fragestellung bereits eine reichhaltige Literatur er­ schienen ist, die diese darstellt und erläutert, sei darauf hingewiesen, dass es im folgenden Abschnitt zur Grundlegung des Kirchenrechts nicht darum geht, neue Forschungsergebnisse zu gewinnen. Vielmehr sollen wichtige Aspekte, die für den weiteren Gang dieser Arbeit von Bedeutung sind, zu­ sammengetragen und herausgestellt werden, um sie im Weiteren als Grund­ lage benutzen zu können. 1. Die Anfänge des Kirchenrechts In der Betrachtung der 2.000-jährigen Kirchengeschichte wird ersicht­ lich, dass sich rechtliche Strukturen seit den frühesten Anfängen herausge­ bildet haben.1 Gleichwohl spricht Péter Erdő hinsichtlich des gesamten 1  Diese Aussage ist auch aufrecht zu erhalten im Angesicht der Thesen von Ru­ dolph Sohm, der das erste Jahrhundert als ein charismatisches Zeitalter der Kirche



I. Grundlegung des Kirchenrechts21

ersten Jahrtausends von einer vorwissenschaftlichen Epoche des Kirchen­ rechts, denn abgesehen von einigen kleineren Sammlungen ab dem 6. Jahr­ hundert, die den angesammelten Stoff nach praktischen Erwägungen sor­ tierten, gab es keine systematische Gesamtdarlegung des kirchlichen Rechts.2 Das vordergründige Interesse bestand also zunächst darin, die in der Praxis anfallenden Fragen zu klären, indem dafür u. a. Normtexte ver­ fasst wurden. Als eigentlicher Begründer der Rechtswissenschaft gilt der Bologneser Mönch Gratian, dessen Leistung es gewesen ist, den gänzlich unübersicht­ lichen Rechtsstoff etwa im Jahr 1140 in einer Quellensammlung unter dem Titel Concordia discordantium canonum zu systematisieren.3 Er „stellte allgemeine Rechtssätze auf (distinctiones), fingierte Rechtsfälle (causae) und warf Rechtsfragen auf (quaestiones), die er durch Quellenstellen (auc­ toritates, capitula) belegte“4. Im weiteren kirchengeschichtlichen Verlauf entstanden weitere fünf Rechtsbücher, die wiederum im Corpus Iuris Canonici gesammelt wurden.5 Die Rechtsbildung stieß über Jahrhunderte nicht auf Widerstand, weil die Kirche als wesentliche gesellschaftliche Größe akzeptiert wurde. Dies än­ derte sich erst an der Wende zur Neuzeit und kann festgemacht werden an dem ekklesiologischen Ansatz Martin Luthers, der zwischen der ecclesia abscondita und der ecclesia manifesta unterscheidet.6 Trotz seiner Diffe­ beschreibt. Die Kirche sei durch Rechtsentwicklung von ihrem Status als Liebeskir­ che abgefallen. Vgl. die Ausführungen zu Sohm unter B. I. 3.  Detaillierte Darlegungen der Rechtsgeschichte finden sich bei Willibald Plöchel, Geschichte des Kirchenrechts in 5 Bde., Wien / München 21960–1969; Hans Erich Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, Die Katholische Kirche, Köln / Graz 41964; Péter Erdő, Geschichte von der Wissenschaft vom kanonischen Recht, Berlin 2006. 2  Vgl. Erdő, Geschichte von der Wissenschaft, 24 f. 3  Der von Gratian selbst gewählte Titel setzte sich nicht durch. Stattdessen wird von dem Decretum Gratiani gesprochen. Dieses findet sich in: Emil Friedberg, Cor­ pus Iuris Canonici, I, Leipzig 1879 (Nachdruck: Graz 1959). 4  Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, 276. 5  Es handelt sich um das Liber Extra bzw. die Drekretalen Gregors IX. (1234), der Liber Sextus Bonifaz’ VIII. (1298), die Clementinen (1317), die Extravagantes Johannes’ XXII. und die Extravagantes Communes. Vgl. Richard Puza, Art.: Corpus Iuris Canonici, in: LThK3, Bd. 2, 1994, 1321–1324. 6  Vgl. Martin Luther, WA 5,47. (Werke, Kritische Gesamtausgabe – Weimarer Ausgabe, Bd. 5, Weimar 1892.) Vgl. auch ecclesia invisibilis (WA 7,710; ebd., Bd. 7, Weimar 1897): Die verborgene, geistliche, nur im Glauben fassbare Seite der Kirche, stehe in Korrelation zu der Verborgenheit Gottes am Kreuz Christi und sol­ le sich am Vorbild Jesu orientieren, der sich in der Verborgenheit von Kreuz und Leiden offenbart habe. Diese Dimension werde ergänzt durch die sichtbare Gestalt der Kirche, die in den sog. notae ecclesiae sichtbar werde: Wortverkündigung, Tau­ fe, Abendmahl etc.

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

renzierung zwischen diesen beiden Dimensionen, bilden sie für ihn eine untrennbare Einheit. Nach Martin Heckel war es erst ein neuprotestantisches Missverständnis, das die Kirche in eine juristische und theologische, eine Welt- und eine Geistkirche aufgespalten hat.7 Die verborgene, unsichtbare Kirche wurde mit der Zeit immer mehr als die eigentliche Kirche verstan­ den; dementsprechend trat die Bedeutung der in den Partikularkirchen sichtbaren Organisation immer weiter zurück und damit auch der Stellen­ wert des Rechtes, das mit diesem Bereich verbunden war. 2. Das Ius Publicum Ecclesiasticum Auf dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit dem protestantischen landesherrlichen Kirchenregiment entstand in Deutschland die später sogar eigenständige kanonistische Teildisziplin des Ius Publicum Ecclesiasticum (IPE). Wie bereits in der kurzen Skizze zur lutherischen Position deutlich wur­ de, bildet das jeweilige Kirchenverständnis den Ausgangspunkt für weitere Schlussfolgerungen. Zu einer klassischen Definition von Kirche, die von der Zeit der kontroverstheologischen Auseinandersetzungen bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil in Geltung blieb, wurde die Formulierung des Kardi­ nals Robert Bellarmin (1542–1621): Ecclesia est „coetus hominum eiusdem christianae fidei professione et eorundem sacramentorum colligatus, sub regime legitimorum pastorum ac praecipue unius Christi vicarii, Romani Pontificis“8.

Nach Bellarmin ist die Kirche durchaus dem Staat vergleichbar, weil sie als Gemeinschaft von Menschen eben keine ecclesia abscondita ist, sondern unter der Leitung der rechtmäßigen Hirten, vor allem dem Stellvertreter Christi, vereinigt wird durch das christliche Glaubensbekenntnis und diesel­ ben Sakramente. Ganz anders wiederum war das Kirchenbild, welches der protestantischen Kollegialtheorie zugrunde gelegt wurde, in welchem „die Kirche Jesu Chris­ ti als eine ‚freie und gleiche‘ Gesellschaft (societas libera et aequalis)“ verstanden wird, in der sich Menschen zusammenfinden aus freiem Ent­ 7  Vgl. Martin Heckel, Art.: Luther, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsge­ schichte, Adalbert Erler / Ekkehard Kaufmann (Hrsg.), Bd. III, Berlin 1971, 105–110, 106. 8  Robertus Bellarminus, Opera omnia. Disputationum Roberti Bellarmini Politiani S.J. S.R.E. Carinalis De Controversiis christianae fidei adversus hujus temporis haereticos. Tomus secundus. Editio prima neapolitana iuxta Venetam anni MDCCX­ XI. Eminentiss. Cardinali Xisto Riario Sforza dicata, Archiepiscopo Neapolitan., Neapoli 1857, lib. III, cap. 2.



I. Grundlegung des Kirchenrechts23

schluss, „um nach der Vorschrift Christi sowie nach gewissen vereinbarten Lehrbegriffen und Regeln Gott gemeinsam zu verehren“9. Die den kirchenrechtlichen Bereich seit dem 18. Jahrhundert dominieren­ de Lehre des IPE wurde zunächst innerhalb der „Würzburger“ und „Heidel­ berger Schule“ vertreten10 und richtete sich zugleich gegen mehrere Denk­ richtungen: Zum einen gegen die Kollegialtheorie, denn Kirche beruhe nicht auf einem Demokratieprinzip, sondern auf dem Willen ihres Stifters Jesus Christus und sei zu charakterisieren als eine kraft göttlichen Rechts hierar­ chisch verfasste societas inaequalis.11 Zum anderen kam es ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu abgrenzenden Bestrebungen gegenüber dem Staat. Den Ausgangspunkt dafür bildete das Staatsverständnis der Aufklä­ rungszeit, welches den Anspruch alleiniger Rechtshoheit implizierte, in den die Kirche eingeschlossen wurde. Der Staat verstand sich als societas perfecta12 und sah seine Vollmacht selbstverständlich auch auf den kirchlichen 9  Joseph Listl, Kirche und Staat in der neueren katholischen Kirchenrechtswis­ senschaft, Berlin 1978 (Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, 7), 67–82, 68. 10  Als Repräsentanten der Würzburger Schule müssen der Kanonist Johann Kas­ per Barthel (1697–1771), sein Schüler Johann Nepomuk Endres (1731–1791) sowie der berühmte Staatrechtslehrer der Barockzeit Johann Adam von Ickstatt (1702– 1776) betrachtet werden. Für die nötige Legitimierung der Überlegungen in Rom führte deren Übernahme durch den Heidelberger Kirchenrechtler Philipp Anton Schmidt, der dort aufgrund seiner Treue zur Kirche sehr geschätzt wurde. (Vgl. Listl, Kirche und Staat, 15–19.) 11  Vgl. Listl, Kirche und Staat, 82. 12  Der Terminus societas perfecta stammt ursprünglich aus der traditionellen Staatstheorie und wurde im Kontext neuzeitlicher durch das Naturrecht begründeter Staatstheorien erneut aufgegriffen (vgl. Siegfried Wiedenhofer, Art.: Societas perfec­ ta, in: LThK3, Bd. 9, 2000, 681 f.). Um sich ihrerseits gegen eine Vereinnahmung durch den Staat zu wehren, beanspruchte die katholische Kirche ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts diesen Begriff auch für sich selbst. Dabei ist jedoch die Rede von einer „vollkommenen Gesellschaft“ in sich nicht unproblematisch, da sie leicht missverstanden werden kann, im Sinne einer „umfassenden seinsmäßigen Vollkommenheit“ (Joseph Listl, Die Lehre der Kirche über das Verhältnis von Kir­ che und Staat, in: HdbkathKR, Regensburg 21999, 1239–1255, 1245). Dieses Ver­ ständnis soll aber, so Listl, eben nicht vermittelt werden, sondern als Rechtsbegriff beinhaltet dieser „die Aussage, daß dieser Verband nicht von einem anderen, höhe­ ren gesellschaftlichen Verband in rechtlicher Hinsicht abhängig ist und damit über eine Eigenrechtsmacht in seinem Bereich verfügt“ (ebd.). Dementsprechend handelt es sich also nicht um eine Aussage in ethischer, sondern in rechtlicher Hinsicht. Die Kirche betonte damit ihren Anspruch auf eigene Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtssprechung, die alle im Dienst des eigenständigen Zieles von Kirche stehen: dem Heil der Menschen. Dies tat sie demnach durchaus unter Berücksichtigung der zeitgeschichtlichen Problematik mit „gewisser Plausibilität und Funktion“ (Wiedenhofer, Art.: Societas perfecta, 681). Daneben ist aber die heutige Verwendung dieser Redeweise kritisch zu hinterfragen, wenngleich Listl ihn „richtig verstanden“ als eine „durchaus moderne Doktrin“ beschreibt, „die ein zeitloses und unverzichtbares

24

B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

Rechtsbereich ausgedehnt. Dieses Verständnis forderte zwangsläufig kirch­ lichen Widerstand heraus, der sich wiederum im entgegengesetzten Extrem zuspitzte, als nun die katholische Kirche für sich den Anspruch einer „voll­ kommenen Gesellschaft“ vertrat. Auf der Grundlage des Stiftungsverständ­ nisses begriff sich die katholische Kirche als die vollkommene Heilsanstalt, die allein von Christus mit den notwendigen Mitteln ausgestattet wurde, um den Menschen das Heil zu bringen. Dazu zählen primär Ämter und Sakra­ mente, d. h. diese ekklesiologische Perspektive der römisch-katholischen Kirche besitzt einerseits einen eindeutigen hierarchisch-jurisdiktionellen Schwerpunkt, andererseits betont sie die grundsätzliche Abgrenzung vom Staat und anderen Konfessionen.13 Zusammenfassend kann das Ius Publicum Ecclesiasticum folglich als eine kirchenrechtliche Teildisziplin charakterisiert werden, welche sich auszeich­ nete durch die rechtliche Umschreibung der societas perfecta Lehre, d. h. die aus der Stiftung Christi erwachsende eigenständige Macht der Kirche, die Unabhängigkeit vom Staat und die Beschreibung ihrer Stellung zur Staatenwelt allgemein.14 Dass diese Art Kanonistik zu betreiben sich dann ebenfalls in der „Römi­ schen Schule“ wiederfindet, muss vor dem Hintergrund der staatspolitischen und gesellschaftlichen Veränderungen zur Zeit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert gesehen werden. Zu Beginn der italienischen Epoche des IPE steht der Name des Kardinals und Kanonisten Giovanni Soglia (1779– 1856). Seine „Institutiones Iuris Publici Ecclesiatici“15 bilden eine Rezepti­ on des deutschen IPE des 18. Jahrhunderts durch die römische Kanonistik in der ersten Hälfte des folgenden Jahrhunderts.16 Soglia, weitere Vertreter der „Römischen Schule“17 wie Felice Cavagnis (1841–1906) sowie der spätere Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre Alfredo Ottaviani (1890–1979) erneuerten das Ius Publicum Ecclesiasticum insofern, als dass zwar weiterhin die römisch-katholische Kirche in ihrer Eigenständigkeit und Rechtssubjektivität gegenüber dem Staat behauptet wurde, hinzu kamen nun Anliegen der Kirche für ihr freies Wirken in dieser Welt auszudrücken [und] zu begründen vermag“ (Listl, Die Lehre der Kirche, 1246). Letztlich dürfte aber die Gefahr des fehlverstandenen Kirchenbildes gegenüber dem positiven Nutzen des Begriffs überwiegen.  13  Vgl. Medard Kehl, Die Kirche. Eine katholische Ekklesiologie, Würzburg 4 2001, 30 f., 49, 269. 14  Vgl. Joseph Listl, Art.: Ius Publicum Ecclesiasticum, in: Lexikon des Kirchen­ rechts, Stephan Haering / Heribert Schmitz (Hrsg.), Freiburg i. Br. 2004, 439. 15  Giovanni Soglia, Institutiones Iuris Publici Ecclesiastici, Laureti 1842. 16  Vgl. Listl, Kirche und Staat, 6. 17  Vgl. zu den Vertretern der Römischen Schule: Listl, Kirche und Staat, 21–39.



I. Grundlegung des Kirchenrechts25

jedoch „ekklesiologische Feststellungen“ wie die Überlegung von Soglia, der die „Einheit der sichtbaren und unsichtbaren Kirche aus der Inkarnation Christi“18 ableitete. Dieser Aspekt wurde ebenfalls vom Zweiten Vatikani­ schen Konzil formuliert (vgl. LG 8,1)19. Auch wenn das zuletzt genannte Beispiel für vereinzelte tiefergehende Ansätze innerhalb der damaligen Rechtsschulen stehen kann, muss doch die vorherrschende Tendenz beschrieben werden als ein „die Kirche nur äußer­ lich beschreibendes Modell“20. In Konsequenz bedeutet dies: Das Kirchen­ recht erwächst nicht aus dem Wesen der Kirche selbst, sondern in naturrecht­ licher Begründung kommt der römisch-katholischen Kirche – in Analogie zum Staat – als societas perfecta ein eigenes Rechtssystem zu nach dem Leitsatz: Ubi societas, ibi ius. 3. Der Widerspruch von Kirche und Recht – Der Ansatz von Rudolph Sohm Interessanterweise bedurfte es des protestantischen Rechtsgelehrten Ru­ dolph Sohm (1841–1917), um in der katholischen Kanonistik, wenn auch mit einigen Jahrzehnten Verzögerung, eine grundlegende Veränderung der beschriebenen Sichtweise auf die Bedeutung des Kirchenrechtes zu errei­ chen. Um die späteren Überlegungen von Klaus Mörsdorf und die Entwick­ lungen im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils einordnen zu können, muss zunächst der Ansatz von Sohm skizziert werden, da dieser „der Kir­ chenrechtswissenschaft einen Stachel eingepflanzt“21 hat, der nicht nur lei­ denschaftlichen Widerspruch von katholischer Seite provoziert, sondern eine noch größere Leidenschaft in Form einer positiven Auflösung fordert.22 18  Péter Erdő, Theologische Grundlegung des Kirchenrechts, in: HdbkathKR 1999, 20–33, 24. Vgl. zur These Soglias: Septimus M. Vecchiotti, Institutiones ca­ nonicae ex operibus Ioannis Card. Soglia exerceptae. 16. Ausg., Bd. 1, Augustae Taurinorum 1876, S. III. 19  Auf die Bedeutung der Aussagen des Zweiten Vaticanums wird weiter unten noch ausführlicher einzugehen sein. 20  Peter Krämer, Katholische Versuche einer theologischen Begründung des Kir­ chenrechts, in: Theologische Berichte (1986) 11–37, 13. Vgl. auch Remigiusz Sobański, Modell des Kirche-Mysteriums als Grundlage der Theorie des Kirchen­ rechts, in: AfkKR 145 (1976) 22–44, bes. 24–29. 21  Klaus Mörsdorf, Kanonisches Recht als theologische Disziplin, in: Seminarium 15 (1975) 802–821; ebenso in: AfkKR 145 (1976) 45–58; abgedruckt in: Schriften zum Kanonischen Recht, Winfried Aymans / Karl-Theodor Geringer / Heribert Schmitz (Hrsg.), Paderborn / München / Wien / Zürich 1989, 54–67, 59. 22  Vgl. Hans Dombois, Das Recht der Gnade. Ökumenisches Kirchenrecht I, Wit­ ten 21969, 12. 2

26

B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

Die Basis für Sohms Ansatz ist in der bei Luther grundgelegten und später weiter ausgeführten und zugespitzten Vorstellung der Kirche zu finden, die diese in Form von zwei zu unterscheidenden Bereichen verstand. Wurde wei­ ter oben dieser Sachverhalt bereits festgehalten, so gilt es nun auf die Konse­ quenzen einer solchen Sicht im Verhältnis zum Staat hinzuweisen. Für Sohm wurde die Einsicht unausweichlich, dass die Folgen der verfassungsrechtli­ chen Verflechtungen der sichtbaren Seite der Kirche mit dem Staat spätestens seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert nur durch eine Trennung der beiden Bereiche behoben werden konnten. In seinen Formulierungen äußerte sich diese Überzeugung derart, dass die eigentliche Kirche, die ecclesia abscondita, im Wesentlichen eine charismatische Gemeinschaft darstellt, deren Anerkennung als Institution, „nur aus Liebe geboren werden kann. Darum ist von Rechtspflicht keine Rede, sondern es ist ‚die Liebe das Höchste‘ “23. Schließt Sohm damit bereits das Recht aus dem Wesensbereich der Kirche aus, so wird diese Überzeugung noch unterstützt durch die Position eines monistischen und positivistischen Rechtsbegriffs. Demzufolge könne es für ihn als Juristen, aufgrund der seinerzeit gängigen Theorien in der Staats- und Rechtsphilosophie, nur das Recht des Staates als einziges Recht geben.24 Vor diesem Hintergrund zieht Sohm die Schlussfolgerung: „Die Kirche will kraft ihres Wesens kein Kirchenrecht.“25 Diese Aussage erläuternd wie zugleich zuspitzend hält er fest: „Das Wesen der Kirche ist geistlich, das Wesen des Rechtes ist weltlich. Das Wesen des Kirchenrechtes steht mit dem Wesen der Kirche in Widerspruch.“26

Den Umstand, dass Kirchenrecht trotz dieses scheinbar offensichtlichen Sachverhaltes besteht und sich weiter ausbildet, betrachtet Sohm nicht als Widerspruch, sondern erklärt ihn 26 Jahre später ausführlich in seiner Schrift: „Das altkatholische Kirchenrecht und das Dekret Gratians.“27 Darin beschreibt er die kirchengeschichtliche Entwicklung der Kanonistik als eine Geschichte der Abfälle vom eigentlichen Ursprung.28 23  Rudolph

27.

Sohm, Kirchenrecht I. Die geschichtlichen Grundlagen, Berlin 21923,

24  Vgl. Eugenio Corecco, Theologie des Kirchenrechts, in: HdbKathKR, Regens­ burg 1983, 12–24, 17. 25  Sohm, ebd., 3. 26  Ebd., 700. 27  Rudolph Sohm, Das altkatholische Kirchenrecht und das Dekret Gratians, München  /  Leipzig 1918 (Nachdruck: Darmstadt 1967). Vgl. kritisch dazu: Klaus Mörsdorf, Altkatholisches „Sakramentenrecht“? Eine Auseinandersetzung mit den Anschauungen Rudolph Sohms über die inneren Grundlagen des Decretum Gratiani, in: Studia Gratiana I (Bologna 1953) 483–502 (abgedruckt in: Schriften zum kano­ nischen Recht, 3–20). 28  Vgl. Sohm, Das altkatholische Kirchenrecht, 536–614.



I. Grundlegung des Kirchenrechts27

Den ersten Abfall sieht er an der Wende vom ersten zum zweiten Jahr­ hundert n. Chr. in der Herausbildung des monarchischen Episkopats. Wäh­ rend vor dieser Zäsur nach Sohm in der Kirche in Anlehnung an 1 Kor 12,31; 14,1 und Röm 12 allein die Charismen wirkten, bildeten sich mit Beginn des zweiten Jahrhunderts Verfassungsinstanzen heraus (vgl. die Pas­ toralbriefe). Dies bedeute, dass die charismatische Periode, deren Kennzei­ chen die Liebesgemeinschaft gewesen sei, in der allein die Charismen Orientierung zum Handeln gaben, abgelöst worden sei durch die Periode des altkatholischen Kirchen- bzw. Sakramentenrechts. In dieser Phase seien der rechtliche Gehorsam gegenüber dem Bischofsamt sowie die rechtliche Normierung des Sakramentenvollzugs in den Vordergrund getreten. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts sei es dann zu einem erneuten Bruch gekommen, aufgrund des Umstandes, dass sich Kirche in Gesellschaft und Staat be­ haupten wollte und dafür ein großes System an Rechtsnormen installiert habe. Sodann seien Ordnungsvorschriften im Vergleich zu den in der zwei­ ten Phase entstandenen Gültigkeitskriterien in den Vordergrund getreten.29 Sohm deklariert die Überlagerung der Weihe- durch die Jurisdiktionshierar­ chie als das zentrale Merkmal dieser dritten Periode, die er als neukatholi­ sches Kirchenrecht bezeichnet. Letztlich sieht er diese Entwicklung einem menschlichen Sicherheitsbedürfnis entsprungen und erkennt im Kirchenrecht seiner Zeit eine Kombination aus Sakramentenrecht, das im Übergang zur dritten Periode nicht aufgegeben wurde, und neukatholischem Kirchenrecht. Anders gesagt bestehe im katholischen Kirchenrecht an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert „eine Mischung von geistlichem und weltlichen Recht“30. Damit meint Sohm den Umstand erklärt zu haben, dass einerseits Kir­ chenrecht existiere, während es andererseits im Widerspruch zum Wesen der Kirche stehe. Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass Sohm in Form seiner pointierten Aussagen der katholischen Kirchenrechtswissenschaft einen wertvollen Dienst erwiesen hat, denn so wurde ersichtlich, dass eine rein äußerliche, naturrechtliche Betrachtung in Analogie zum Staat nicht aus­ reicht, um die Kanonistik zu begründen. Dazu bedarf es einer Verankerung im Zentrum der Theologie, im Verständnis von Wesen und Sendungsauftrag der Kirche.

29  Vgl. ebd., 75 f. Die Gültigkeitskriterien beschreibt Sohm als göttliches, unver­ änderliches Recht für die Feier der Sakramente. 30  Mörsdorf, Altkanonisches „Sakramentenrecht“?, 9.

28

B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

4. Die Verbindung von Kirche und Recht – Der Ansatz von Klaus Mörsdorf Es brauchte eine Weile, bis sich die katholische Kanonistik den Thesen Rudolph Sohms in expliziter Weise stellte. Bereits Hans Barion (1899– 1973) erkannte die Notwendigkeit einer fundierten Auseinandersetzung mit Sohm und kritisierte ihn dahingehend, dass dieser nur die fides qua creditur, also den Glaubensakt selbst, für beachtenswert halte, während die fides quae creditur, also der Glaubensinhalt, in seiner Perspektive außen vor gelassen werde.31 Im Anschluss an Barion wurden sowohl der Widerspruch als auch die Entwicklung eines positiven Lösungsansatzes in wesentlicher Weise von dem Münchener Kanonisten Klaus Mörsdorf (1909–1989) geleistet.32 Er entwickelte seinen Ansatz in strenger Anlehnung an die Überlegungen Sohms, denn so schlüssig die These vom Widerspruch im Sohmschen Ge­ samtkonzept auch war und ist, konnte es für die katholische Kirchenrechts­ wissenschaft nur darum gehen, zum einen die geschichtliche Herleitung kritisch zu hinterfragen, und zum anderen den Widerspruch zu entkräften, indem das Kirchenrecht als eine Wissenschaft ausgewiesen wurde, die aus dem Wesen der Kirche erwächst oder anders gesagt: zusammen mit der Kirche als solcher notwendig gegeben ist. In letzter Konsequenz steht die Kanonistik demnach sowohl bei Sohm als auch bei Mörsdorf in Abhängig­ keit von dem vorausgesetzten Kirchenbegriff.33

31  Diesen Gedanken formulierte Hans Barion in seiner Bonner Antrittsvorlesung. Wörtlich sagte er: „[F]ür ihn ist die fides, quae creditur, nichts, die fides, qua cre­ ditur, alles“ (Hans Barion, Rudolph Sohm und die Grundlegung des Kirchenrechts, Tübingen 1931). Vgl. dazu die Ausführungen von Wolfgang Spindler, „Humanisti­ sches Appeasement“? Hans Barions Kritik an der Staats- und Soziallehre des Zwei­ ten Vatikanischen Konzils, Berlin 2011, 42–73. 32  Die Auseinandersetzung mit Rudolph Sohm wird oftmals mit Klaus Mörsdorf in dem Sinn verbunden, dass dieser die Diskussion initiiert habe (vgl. Sabine Demel, Zwischen Rechtspositivismus und Kirchenspiritismus, Eine theologische Grundle­ gung und Theologie des Kirchenrechts, in: Sabine Demel / Ludger Müller (Hrsg.), Krönung oder Entwertung des Konzils? Das Verfassungsrecht der katholischen Kir­ che im Spiegel der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils, Trier 2007, 17–38, 21). Allerdings hat Wolfgang Spindler in der benannten Dissertation aus­ drücklich darauf hingewiesen, dass Hans Barion die Fragestellung „schon Jahrzehn­ te früher erkannt und versucht [hatte], eine Antwort zu geben“ (Spindler, „Humanis­ tisches Appeasement“?, 60). Trotz der zeitlichen Vorordnung hat aber erst Klaus Mörsdorf mit seiner Kritik eine allgemeine kirchenrechtliche Beschäftigung mit den Überlegungen Sohms angestoßen, die eine umfassende theologische Grundlegung des Kirchenrechts nach sich gezogen hat. 33  Vgl. Mörsdorf, Altkanonisches „Sakramentenrecht“?, 7.



I. Grundlegung des Kirchenrechts29

Während Sohms Idee von Kirche auf dem idealistischen Bild einer rein charismatischen Gemeinschaft beruht, in der jeder Person die gleichen Rechte zukommen und Kirche nach dem Wort Jesu dort ist, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind (vgl. Mt 18,20), einem Verständnis, dem aufgrund der ausdrücklichen Betonung des Geistelementes eine gewis­ se Flüchtigkeit anhaftet, setzt Mörsdorf bei einem Kirchenverständnis an, das schärfer umrissen ist. Er sieht in Wort und Sakrament die Elemente gegeben, aus denen Kirche erbaut wird. Beide seien in Jesus Christus grundgelegt und als konkreter Sendungsauftrag der Kirche eingestiftet. Da­ bei ist die zentrale Pointe aus kirchenrechtlicher Perspektive darin zu sehen, dass sowohl dem Wort als auch dem Sakrament bereits von Anfang an ein rechtlicher Charakter innewohnt. Die unterschiedlichen Sichtweisen auf den Ursprung der Kirche im Christusgeschehen werden deutlich in der Gegen­ überstellung zentraler Aussagen. So hält Sohm fest: „Das Wort Gottes erkennt man nicht an irgend welcher Form, sondern an seiner inneren Gewalt. Die Christenheit hat nur dem Wort zu folgen, welches sie kraft innerer freier Zustimmung als Gottes Wort anerkennt. Nur dem sachlich gerechtfertigten, in Wahrheit aus dem Geist Gottes stammenden Wort leistet sie Gehorsam.“34

Stellt Sohm also die innere Einsicht des Menschen, zu der dieser auf­ grund der verliehenen Charismen in der Lage ist, in den Vordergrund, be­ fragt Mörsdorf den Anspruch Jesu Christi, mit dem dieser verkündigt hat, sowie die daraus für ihn notwendig folgende Haltung des Menschen: „Sohm hat nirgends die Frage aufgeworfen, ob Jesus Christus den Anspruch Got­ tes in einer Weise stellen konnte und gestellt hat, daß der Angesprochene nicht kraft der Einsicht in die innere Macht des Wortes, sondern aus dem formalen Grunde, daß der Künder des Wortes der Sohn Gottes ist, zum Gehorsam verpflichtet ist. Die Möglichkeit eines solchen formalen und darum rechtlichen Anspruches und Gehorsams wird der nicht leugnen dürfen, der die Gottessohnschaft des Herrn und die Hoheit Gottes über alles Geschaffene bejaht.“35

Das Faktum des Geltungsanspruches sieht Mörsdorf belegt durch die Aussagen der Heiligen Schrift.36 Im Auftrag zur Verkündigung habe Jesus 34  Sohm,

Kirchenrecht I, 23 [Herv. N. H.]. Mörsdorf, Zur Grundlegung des Rechtes in der Kirche, in: Pro veritate. Ein theologischer Dialog. Edmund Schlink / Hermann Volk (Hrsg.), Münster / Kassel 1963, 224–248, 24 (abgedruckt in: Klaus Mörsdorf, Schriften zum kanonischen Recht, Winfried Aymans / Karl-Theodor Geringer / Heribert Schmitz [Hrsg.], Pader­ born u. a. 1989, 21–45, 24), [Herv. N. H.]. 36  Klaus Mörsdorf nennt dafür den sich wiederhohlenden Erweiterungssatz der Antithesen „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt wurde […]. Ich aber sage euch“ (Mt 5,21 f. u. ö.), das Sendungswort mit dem Missions-, Taufbefehl und Lehr­ auftrag (Mt 28,18 ff.), verschiedene Heilungs- und Wundertaten (Mt 9,1–8; Joh 2,11; 35  Klaus

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

Christus den für sich selbst erhobenen Geltungsanspruch übertragen auf die Apostel.37 Für das Sakramentenverständnis ist bei den beiden Rechtsgelehrten ein ähnlich kontroverses Verständnis auszumachen. Für Sohm entsteht das Sak­ rament mit dem Kirchenrecht zusammen, also an der Wende zum zweiten Jahrhundert. Indem sich die Feier der Eucharistie in der urkirchlichen Ent­ wicklung als religiös notwendig erwiesen habe, sei Recht in Form von Gültigkeitsvorschriften entstanden.38 Mörsdorf hingegen verankert das Sak­ rament in Christus selbst, der es der Kirche eingestiftet habe; im Vergleich zum Wort folgt auch in Bezug auf das Sakrament aus dem formalen Krite­ rium der Gottessohnschaft der rechtliche Charakter dieses zweiten kirchli­ chen Aufbauelementes.39 Wort und Sakrament bilden dabei nicht zwei strikt getrennte Bereiche innerhalb der Kirche, weil sie ihren gemeinsamen Wurzelgrund in der Per­ son Jesu Christi haben: „Mit dem Auftrag, das Heilswirken des Herrn fortzusetzen, wurde der Kirche zugleich die Art und Weise bestimmt, in der sie ihren Auftrag zu erfüllen hat: durch die Verkündung des Wortes und durch den Vollzug der Sakramente. Wort­ verkündigung und sakramentales Handeln sind zwei verschiedene Weisen der Heilsvermittlung, sie stehen aber in einer tiefgreifenden Zuordnung zueinander und begegnen sich in lebendiger Wirkeinheit.“40

Die Autorität, mit der Christus verkündet und die Sakramente gestiftet habe, sei von ihm auf die Apostel übertragen worden, die wiederum „den geschichtlichen Übergang von Jesus Christus zur Kirche“41 vermitteln. Auf­ grund dieses Zusammenhangs kommt der kirchlichen Hierarchie eine we­ sentliche Bedeutung innerhalb der Wortverkündigung und Sakramenten­ spendung zu. Die Bedeutung des Ansatzes von Mörsdorf kann sicherlich mit Peter Krämer darin gesehen werden, dass es sein Verdienst ist, „kirchliches Recht unmittelbar auf theologische Sachverhalte bezogen zu haben“42; es wurde 5,31–40 u. a.) bis hin zur Entscheidungsalternative inklusive aufgezeigter Folgen (Mk 16,16). Die angeführten Beispiele werden allerdings keiner exegetisch-kriti­ schen Überprüfung unterzogen. 37  „In allem, was der Apostel im Namen des Herrn fordert, hat er, weil er die Person des Herrn vertritt, Anspruch auf den Gehorsam, der dem Herrn selbst ge­ schuldet ist“ (Mörsdorf, Zur Grundlegung des Rechtes in der Kirche, 25). 38  Vgl. Sohm, Altkatholisches Kirchenrecht, 75 f. 39  Vgl. Mörsdorf, Zur Grundlegung des Rechtes in der Kirche, 25 f. 40  Ebd., 21. 41  Mörsdorf, Kanonisches Recht als theologische Disziplin, 62. 42  Krämer, Katholische Versuche einer theologischen Begründung des Kirchen­ rechtes, 21.



I. Grundlegung des Kirchenrechts31

somit zurückgebunden in die Mitte der Kirche, das Christusgeschehen. Des Weiteren findet die Inkarnation in den Überlegungen des Münchner Kano­ nisten wiederholt Erwähnung, besonders dahingehend, dass er für Sohm den Befund erhebt, dieser habe die menschliche Seite Jesu Christi außer Acht gelassen und primär bis ausschließlich dessen Göttlichkeit betont.43 Die Bedeutung der Inkarnation liegt aber für Mörsdorf u. a. darin, dass Christus, indem er ganz Mensch geworden ist, auch die Bedingungen dieser Welt so angenommen habe. Daher ist das Naturrecht zu beachten, insofern der oben angeführte Grundsatz, dass sich dort Recht bildet, wo Gemeinschaft besteht, auch für die Kirche Geltung besitzt.44 Aber anders als im IPE kommt der naturrechtlichen Komponente hier nicht eine zentrale, sondern eine beglei­ tende bis unterstützende Funktion zu. 5. Das Zweite Vatikanische Konzil und das Kirchenrecht Hinsichtlich der Bedeutung der Diskussion um Sohm wird bisweilen die Behauptung aufgestellt, dass die kanonistische Grundlagenforschung in eine Zeit vor und nach Sohm einzuteilen sei.45 Allerdings darf dabei nicht das Zweite Vatikanische Konzil außer Acht gelassen werden, weil erst dieses der aufgeworfenen Fragestellung die entsprechende Verankerung im Leben der Kirche zuweist, wodurch sie letztlich gesamtkirchliche Bedeutung erfah­ ren hat.46 Gleichwohl erscheint das Verhältnis des Zweiten Vatikanums zum Kir­ chenrecht auf den ersten und auch noch auf den zweiten Blick gespannt. Es gab vielfältige Abneigungen seitens der Konzilsväter, die sich schließlich im rigorosen Vermeiden sämtlicher kirchenrechtlicher Begrifflichkeit innerhalb der Konzilstexte niedergeschlagen haben. Jedoch war andererseits bereits durch die Bekanntgabe einer Revision des CIC / 1917, die Papst Johannes XXIII. zusammen mit der Verkündung eines Konzils vorbrachte47, das Kir­ chenrecht mit in das Unterfangen des aggiornamento hineingenommen. Darüber hinaus nahm das Konzil in einem nicht zu unterschätzenden Maß Einfluss auf die katholische Kanonistik. In seinem Bestreben, in einen Di­ 43  Vgl. Mörsdorf, Zur Grundlegung des Rechtes in der Kirche, 24. Zwar habe Sohm durchaus die Menschwerdung als solche gesehen, aber nicht die entsprechen­ den Konsequenzen daraus gezogen. 44  Vgl. ebd., 28 ff. 45  Vgl. Ilona Riedel-Spangenberger, Rechtstheologie im Gespräch, in: Cath 40 (1986) 125–140, 130. 46  Vgl. Antonio María Rouco Varela, Theologische Grundlegung des Kirchen­ rechts – Neue Perspektiven, in: AfkKR 172 (2003) 23–37, 29. 47  Johannes XXIII., Ansprache vom 25.01.1959, in: AAS 51 (1959) 65–69, 68 f.

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

alog mit der Welt zu treten, in dem es vom eigenen Selbstverständnis ein Bild entwirft, erhielt gleichzeitig die „theologische Grundlegung des Kir­ chenrechts durch Mörsdorf […] auf dem Konzil ihre theologische Verankerung“48. Für eine Konkretisierung dieser These ist das vom Konzil skizzierte kirchliche Selbstverständnis heranzuziehen und auf seine möglichen rechtli­ chen Implikationen hin zu befragen, die sich, dem Ansatz Mörsdorfs fol­ gend, aus der Wesensbeschreibung der Kirche selbst ergeben müssen und nicht von außen herangetragen werden dürfen. Die dogmatische Konstituti­ on über die Kirche Lumen Gentium49 bildet dafür den zentralen Ausgangs­ punkt, da dort die Konzilsväter das Wesen der Kirche in Form von drei zentralen Bildbegriffen umschrieben haben: Kirche als Volk Gottes, als Leib Christi und als Tempel im Heiligen Geist.50 Diesem Befund muss gleich­ wohl die hervorstechende Beschreibung der Kirche als una realitas complexa (vgl. LG 8,1) vorangestellt werden. Sie sichert die vom Konzil verfasste Ekklesiologie gegen Missverständnisse, wie sie in der vorangegangenen Zeit die Theologie und besonders – wie oben ausgeführt – das Verständnis des Kirchenrechtes geprägt haben. In aller Deutlichkeit wird somit festge­ halten: „Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvol­ le Leib Christi, die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei verschiedene Größen zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst.“ (LG 8,1)

Diese Sicht von Kirche bildet auch die Grundlage für das Verständnis der Bildbegriffe, die die Konzilsväter formuliert haben. Gegenüber einem Ver­ ständnis von Kirche als vorrangig ungleicher Gesellschaft, eingeteilt in Laien und Kleriker, betont der Volk-Gottes-Begriff das alle Gläubigen um­ spannende Gemeinsame und reicht dabei bewusst in heilsgeschichtlicher Perspektive über das Entstehen der Kirche hinaus, indem es mit Israel als Volk Gottes verbindet. Der Begriff eröffnet in seiner Bedeutung die Mög­ lichkeit „die Entwicklung des göttlichen Heilsplanes in der ganzen Schrift zu suchen“51: Ausgehend von dem Bundesschluss Gottes mit dem Volk Is­ rael, bereitete dieser als Vorausbild den neuen Bund in Christus Jesus vor, 48  Demel,

Zwischen Rechtspositivismus und Kirchenspiritismus, 29. dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“, in: AAS 57 (1965) 5–75, dt. Übers.: LThKVatII / 1, 156–359. 50  Vgl. dazu Peter Krämer, Kirchenrecht I, Wort – Sakrament – Charisma, Stutt­ gart / Berlin / Köln 1992 (Studienbücher-Theologie; Bd.  24), 27  ff. 51  Aloys Grillmeier, Kommentar zum zweiten Kapitel der dogmatischen Konsti­ tution über die Kirche, in: LThKVatII / 1, 176–207, 177. 49  Die



I. Grundlegung des Kirchenrechts33

in dem sich das „neue Gottesvolk“ sammelt (LG 9,1) und dabei unterwegs ist zu seiner endgültigen Heimat im Reich Gottes (LG 9,3). Auch wenn der Begriff vom Volk Gottes eindeutig im Vordergrund steht, waren sich die Konzilsväter doch bewusst, dass er allein nicht die komple­ xe Wirklichkeit der Kirche beschreiben kann. Daher findet sich daneben auch der fest in der kirchlichen Tradition verankerte und aus der paulini­ schen Theologie stammende Terminus des Leibes Christi wieder.52 So wird in LG 3 im Rückgriff auf 1 Kor 10,17: „Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot“ die Feier der Eucharistie hervorgehoben, da dort die Einheit der Gläubigen „vergegen­ wärtigt und bewirkt“ (LG 3)53 wird.54 Wenn die Rede vom Leib Christi demnach auch eine allumfassende Aussage enthält, so ist sie doch im we­ sentlichen Maße geprägt von dem Aspekt des Hauptes und der Glieder und hebt damit den hierarchischen Impuls in der Struktur der Kirche hervor. Diesbezüglich aber von einem strikten Gegensatz zwischen Haupt und Glie­ dern zu sprechen, verfehlt die Bildaussage, da zum einen nur beide Elemen­ te zusammen schließlich den Leib Christi bilden, und zum anderen alle Glieder zur participatio actuosa berechtigt wie verpflichtet sind (vgl. u. a. SC 14,1). Der dynamische Aspekt, den der Bildbegriff vom Volk Gottes enthält, wird noch einmal verstärkt zum Ausdruck gebracht in der Rede von der Kirche als Tempel im Heiligen Geist. Indem LG 7 die Kirche als Leib Christi beschreibt, wird dort auch das Wirken des Heiligen Geistes be­ stimmt, der „als der eine und gleiche im Haupt und in den Gliedern wohnt und den ganzen Leib […] lebendig macht, eint und bewegt“; er bildet gleichsam das Lebensprinzip der Kirche (LG 7,7). „Der Geist wohnt in der Kirche und in den Herzen der Gläubigen wie in einem Tempel“ (LG 4,1). 52  Zu der vorkonziliaren theologischen Diskussion zum Bildbegriff des Leibes Christi und insbesondere zu der am 29. Juni 1943 veröffentlichten Enzyklika Mystici corporis (AAS 35 (1943) 193–248) von Pius XII. Vgl. Peter Hünermann, Theo­ logischer Kommentar zur dogmatischen Konstitution über die Kirche „Lumen Gen­ tium“, in: Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil, Peter Hünermann / Jochen Hilberath (Hrsg.), Bd. 2, 263–563, hier: 277–281. 53  Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium (LG), in: AAS (1965) 5–75, dt. Übers.: Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikani­ schen Konzil, Peter Hünermann (Hrsg.), Bd. 1, Sonderausgabe 2009, 73–185. 54  Indem die Texte des Zweiten Vatikanums den Leib Christi-Begriff in der Feier der Eucharistie verankern, brechen sie zugleich die geschichtlich erfolgte Verengung auf, in denen der Bildbegriff verwendet wurde, um eine körperschaftlich-kanonisti­ sche Aussage über die Kirche zu treffen (vgl. Krämer, Theologische Grundlegung, 139; Winfried Aymans, „Volk Gottes“ und „Leib Christi“ in der Communio Struktur der Kirche. Ein kanonistischer Beitrag zur Ekklesiologie, in: TThZ 81 (1972) 321– 334, 327 f.).

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

Er ist es, der den einzelnen Gläubigen wie dem Volk Gottes im Ganzen Gaben und Charismen zuweist.55 In dem kurzen Anriss dieser Bildbegriffe, die das Wesen von Kirche be­ schreiben, zeigt sich die jeweils notwendige Ergänzung und der Bezug der Termini untereinander, da keiner von ihnen allein in der Lage ist, Kirche umfassend zu charakterisieren. In einem zweiten Schritt muss nun überprüft werden, ob und wenn ja, welche kirchenrechtliche Implikation diesen Kenn­ zeichen innewohnt. Nach Peter Krämer sind den Beschreibungen „mehrere Strukturprinzipien“ eigen: „So kann aus Volk Gottes ein synodales, aus Leib Christi ein hierarchisches und aus Tempel des Heiligen Geistes ein charismatisches Strukturprinzip abgeleitet werden.“56

Die Vorstellung, die sich mit dem Begriff Volk Gottes verbindet, ist ge­ prägt vom Unterwegssein der Gläubigen als Gruppe, die sich an einem gemeinsamen Ziel ausrichten. Allgemeine Gleichheit untereinander, wodurch ein heilsindividualistisches Verständnis gleichzeitig ausgeschlossen ist57, aber auch die Verantwortung eines jeden Einzelnen innerhalb des dynami­ schen Prozesses, bilden die grundlegenden Aspekte dieses Verständnisses von Kirche, die sich in Formulierungen des Konzils widerspiegeln. Dabei ergeben sich auch Folgerungen rechtlicher Art: So muss sich die grundle­ gende Gleichheit der Gläubigen wiederfinden in Grundrechten und Grund­ pflichten, die jedem Glied innerhalb des Volkes Gottes zukommen.58 Dem­ nach ist die Rede von der synodalen Verbundenheit kirchlicher Amtsträger nicht nur begrenzt auf den Bereich geweihter Amtsträger, sondern erstreckt sich z. B. auch auf die Gremien in den Diözesen und Pfarreien, in denen Ehrenamtliche ihrer Verantwortung Ausdruck verleihen.  Indem der Begriff vom Leib Christi darauf hinweist, „daß die Kirche vom Leib Christi in der Eucharistie her lebt und dadurch selbst zum Leib Chris­ ti wird“59, ist gleichzeitig auch ein rechtlicher Aspekt gegeben – erkennbar in der hierarchischen Struktur. So wird Christus als das Haupt der Kirche sichtbar vertreten durch die Priester (bzw. Bischöfe), die in persona christi capitis (PO 2,3)60 handeln. In der Zuordnung der beiden Sichtweisen von auch AA 3,4. Vgl. Hünermann, Kommentar zu Lumen Gentium, 385. Kirchenrecht I, 29; vgl. auch die früheren Aussagen in: ders., Theo­ logische Grundlegung des kirchlichen Rechts. Die rechtstheologische Auseinander­ setzung zwischen H. Barion und J. Klein im Licht des II. Vatikanischen Konzils, Trier 1977, 134–150. 57  Vgl. LG 9,1; AA 18,1. Vgl. Aymans, „Volk Gottes“ und „Leib Christi“, 325 f. 58  Vgl. Krämer, Theologische Grundlegung, 138. 59  Ebd., 150. 60  Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum Ordinis (PO), in: AAS 58 (1966) 991–1024, dt. Übers. in: LThKVatII / 3, 142–239. 55  Vgl.

56  Krämer,



I. Grundlegung des Kirchenrechts35

gemeinsamem Priestertum aller Gläubigen und dem besonderen Priestertum der geweihten Amtsträger werden Einseitigkeiten aufgebrochen. Schließlich bringen die Charismen als pneumatisches Element ein Mo­ ment ein, mit dem auf der einen Seite jede erstarrte Struktur durch das Wirken des Heiligen Geistes aufgebrochen werden kann, denn die Gläubi­ gen haben das Recht, aber auch die Pflicht, ihre Fähigkeiten innerhalb der Sendung der Kirche einzusetzen. Auf der anderen Seite redet dieses Struk­ turprinzip aber nicht einer Willkürlichkeit das Wort, weil den Inhabern der Leitungsvollmacht eine Beurteilung der Echtheit und des geordneten Ge­ brauchs zukommt (vgl. LG 12,2; PO 2,3). Es zeigt sich also, dass die Aussagen des Konzils zum Selbstverständnis der Kirche, die in erster Linie gar keine rechtliche Beschreibung darstellen sollten, implizit rechtliche Aussagen enthalten. Aus dem Wesen der Kirche ergeben sich rechtliche Strukturen, die sich besonders in Form von Rechten und Pflichten der Gläubigen niederschlagen und die letztlich keinem Selbst­ zweck dienen, sondern eingebunden sind in das Gesamtziel, zu dem das Volk Gottes unterwegs ist, die endzeitliche Vollendung des Reich Gottes. Durch die Konzilsschriften erfahren also die Arbeiten von Klaus Mörsdorf gleichsam eine Bestätigung wie Erweiterung61, sodass mit Riedel-Spangen­ berger resümiert werden kann: „[A]uf dem Hintergrund der Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils wird deutlich, dass das Kirchenrecht eine ekklesiale Wirklichkeit ist, die allein aus dem Glauben der Kirche verstanden und aus dem Glauben an die Kirche erfasst wer­ den kann.“62

6. Die nachkonziliare Entwicklung Das Konzil hatte selbst zwar keine kirchenrechtliche Fachsprache einge­ bracht, aber diese konnte implizit in der Folgezeit erarbeitet werden. Zudem gab es von Seiten der päpstlichen Autorität Äußerungen, die die eingeschla­ gene Richtung hin zu einer theologischen Fundierung bzw. einer Veranke­ rung des Kirchenrechts im Wesen der Kirche maßgeblich begrüßten und unterstützten. In dieser Hinsicht unterstreicht Paul VI. in einer Rede am 17. September 1973 auf dem II. Internationalen Kongress für kanonisches Recht, dass es für den Kirchenrechtler auf der Basis des Zweites Vatika­ nums unabänderlich sei, sein Fach als theologische Disziplin zu begreifen und es als eine Theologie des Rechtes zu betreiben, „die all das aufnimmt, 61  Erweiterung im Sinne der insbesondere in Lumen Gentium gegebenen Wesens­ beschreibung der Kirche in Form von Bildbegriffen, denen wie gezeigt eine rechtli­ che Konnotation innewohnt. 62  Riedel-Spangenberger, Rechtstheologie im Gespräch, 137.

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

was die göttliche Offenbarung über das Geheimnis der Kirche aussagt“63. Ausdrücklich unterstützt der damalige Papst die Schlussfolgerungen, die aus den Konzilsdokumenten für die theologische Grundlegung der Kanonistik abgeleitet werden: „Die vom Konzil vollendete Arbeit fordert eine Theologie des Rechts, die die bereits vom Konzil selbst angefangene Anstrengung nicht nur vertiefen, sondern vervollkommnen soll.“64

Erstaunlicherweise setzte aber parallel zum Konzil eine Bewegung inner­ halb der Kanonistik ein, die allgemein unter den Schlagwörtern „Enttheolo­ gisierung des Kirchenrechtes“ oder auch „Entjuridizierung der Theologie“ für eine erneute Infragestellung der Verbindung zwischen Kirchenrecht und Theologie sorgte. Was soll mit dieser Begrifflichkeit zum Ausdruck gebracht werden und wie ist das damit verbundene Anliegen zu bewerten? Als Ausgangspunkt der Diskussion kann der Vorworttext des ersten Ban­ des der Zeitschrift „Concilium“ gelten, der unter dem Titel „Kirchenrecht und Theologie“ von Neophyte Edelby, Teodoro Jiménez Urresti und Peter Huizing (1911–1995) verfasst wurde.65 Die Autoren beschreiben darin ihre Absicht, dass das Kirchenrecht von einer „Ent-Theologisierung“ und die Theologie von einer „Ent-Juridizierung“ geprägt sein soll; besonders der niederländische Kirchenrechtler Huizing und sein spanischer Kollege Jimé­ nez Urresti werden seitdem mit diesem Ansatz verbunden, den sie in meh­ reren Veröffentlichungen dargelegt haben.66 Ohne den Ansatz im Detail zu entfalten, kann gesagt werden, dass dieser auf eine Arbeitsteilung hinaus­ läuft, insofern die Theologie die Erkenntnisse liefert, auf denen das Kir­ 63  Paul VI., Ansprache vom 17. September 1973, in: Communicationes 5 (1973) 123–131; dt. Übers.: AfkKR 142 (1973) 463–471, 470. Vgl. umfassend hierzu: Christian Huber, Papst Paul VI. und das Kirchenrecht, Essen 1999. 64  Paul VI., Ansprache vom 17. September 1973, ebd. 65  Neophyte Edelby / Teodoro Jiménez Urresti / Peter Huizing, Vorwort. Kirchen­ recht und Theologie, in: Concilium 1 (1965) 625 f. In kritischer Auseinandersetzung damit: Ludger Müller, „Theologisierung“ des Kirchenrechts?, in: AfkKR 160 (1991) 441–463. 66  Vgl. Peter Huizing, Um eine neue Kirchenordnung, in: Alois Müller / Ferdinand Elsener  /  Peter Huizing; Vom Kirchenrecht zur Kirchenordnung? Einsiedeln  /  Zü­ rich / Köln 1968, 55–83; ders., Iustitia et Caritas, in: ius et salus animarum, Ulrich Mosiek  /  Hartmut Zapp (Hrsg.), Festschrift für Bernhard Panzram, Freiburg i. Br. 1972, 25–29; Karl-Christoph Kuhn, Kirchenordnung als rechtstheologisches Begrün­ dungsmodell. Konturen eines neuen Begriffs und Modells katholischer Rechtstheo­ logie unter besonderer Berücksichtigung von Peter J. M. J. Huizing, Frankfurt a. M. 1990; Jan Vries, Kirchenrecht oder Kirchenordnung? Zum Kirchenrechtsverständnis bei Peter Huizing, St. Ottilien 1998. Teodoro Jiménez Urresti, Kirchenrecht und Theologie – zwei verschiedene Wis­ senschaften, in: Concilium 3 (1967) 608–612; ders., De la teología a la canonística, Salamanca 1993.



I. Grundlegung des Kirchenrechts37

chenrecht aufbaut, aber nicht selbst zu ihnen beiträgt.67 Es wird folglich eine erneute Trennung zwischen Theologie und Kirchenrecht errichtet, in der das Kirchenrecht als „scientia subordinata“ zur Theologie fungiert. Dies wird in einer Äußerung von Huizing in prägnanter Weise deutlich: „Das eigentliche Fach des Kanonisten ist tatsächlich mehr eine Technik als eine Wissenschaft. Die wissenschaftliche Erkenntnis jener Wirklichkeit, die die Kirche ist – mit all ihren vielen Aspekten –, ist Sache des Exegeten, des Patrologen, des Kirchenhistorikers, des Dogmatikers, des Moralisten, des Liturgikers, des kirchli­ chen Soziologen, des Missionswissenschaftlers usw. Der Kanonist kennt lediglich die verschiedenen Möglichkeiten, diese Wirklichkeit mittels obrigkeitlicher Sat­ zungen in eine Ordnung zu bringen.“68

An diesem Anriss der Theorie der Enttheologisierung des Kirchenrechts wird erkennbar, dass die Diskussion um diese theologische Fachdisziplin nicht endgültig abgeschlossen ist. Vielmehr bedarf es einerseits der ständi­ gen Auseinandersetzung mit verschiedenen Ansätzen des kanonistischen Verständnisses. Andererseits sind nach Sabine Demel zwei Fragerichtungen wach zu halten: „Gibt es neue theologische Erkenntnisse, die rechtserheb­ lich sind und deshalb eine entsprechende kirchenrechtliche Umsetzung verlangen?“69 Des Weiteren gilt es zu überprüfen, ob das hinter der konkre­ ten Rechtsnorm stehende theologische Anliegen hinreichend zur Gel­ tung kommt oder diesbezüglich eine Änderung nötig ist?70 Besonders hinsichtlich der ersten Nachfrage ist zu ergänzen, dass es nicht nur um neue theologi­ sche Erkenntnisse geht – zudem es schwierig ist in der Theologie von grundsätzlich neuen Erkenntnissen zu sprechen –, sondern auch veränderte Akzentsetzungen und Verdeutlichungen können eine kanonistische Umset­ zung erforderlich machen. Im Folgenden wird diese Fragestellung im Blick zu behalten sein, wenn es darum geht, das Beziehungsverhältnis zwischen Kirchenrecht und Caritas zu überprüfen.

67  Vgl. Peter Krämer, Warum und wozu kirchliches Recht? Trier 1979, 17 f. In­ nerhalb dieses Konzeptes wird dem Kirchenrecht also nicht seine theologische Basis entzogen. Vielmehr wird es eingespannt zwischen die theologischen Grundlagen und Notwendigkeiten innerhalb der Pastoral. Müller formuliert zugespitzt: „Die Pastoral sagt dem Kirchenrecht, was nötig ist, die Theologie, was möglich ist; das Kirchen­ recht hat dann nur noch die Aufgabe der Formulierung in exakter Rechtssprache.“ (Müller, „Theologisierung“ des Kirchenrechts?, 444.) 68  Huizing, Reform des kirchlichen Rechts, in: Concilium 1 (1965) 670–685, 680. 69  Demel, Spiritualität des Kirchenrechts, Münsterschwarzach 2009 (Münster­ schwarzacher Kleinschriften, Bd. 173) 59. 70  Ebd.

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

II. Grundlegung der Caritas Ein Zitat des Juristen Franz Klein (1908–2001), der von 1956 bis 1975 Justitiar des Deutschen Caritasverbandes war, soll den Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen bilden: „In der Vergangenheit stand niemals ernstlich in Zweifel, daß neben der persönli­ chen Caritas des Christen eine kirchliche Gemeinschaftscaritas besteht.“71

Beide Formen der Nächstenliebe, die persönlich vom Einzelnen geübte und die institutionalisierte Form72 im Namen der Kirche, haben ihre Veran­ kerung im biblischen Befund. Ins Auge fallen das Gebot zur Nächstenliebe als Verpflichtung des Einzelnen, wie die Kollekte Pauli für die Jerusalemer Gemeinde. Das zuletzt Gesagte veranschaulicht, dass die institutionalisierte Form der Caritas die individuelle in sich einschließt. Im Rahmen einer theologischen Grundlegung der Caritas müssen zunächst die verschiedenen Begrifflichkeiten näher bestimmt, definiert und eventuell von einander abgegrenzt werden. In einem zweiten Schritt gilt es einzelne zentrale biblische Perikopen zu untersuchen, die prägend sind für die bis heute ausgeübte persönliche wie kirchliche Caritas. Das genannte Faktum der Gemeinschaftscaritas enthält eine gewisse Un­ sicherheit dahingehend, als deren innerkirchlicher Standort nicht immer klar ist. Kirchengeschichtlich wurde sie unterschiedlich ausgeübt, weil sie sich auch nach den jeweiligen äußeren, gesellschaftlichen Umständen rich­ tete. Sie reichte von der Sorge des Bischofs als Hauptverantwortlichem und zentraler Gestalt innerhalb der Diözese, über die Klöster und Kranken­ pflegeorden, bis hin zur institutionalisierten Form des Verbandes, wie sie sich im deutschsprachigen Raum findet. Hinsichtlich der letztgenannten Form besteht aber auch die Gefahr, dass sie gleichsam aus dem Blickfeld des Einzelnen wie auch der Gemeinde gerät. Gefahren und Chancen der jeweiligen Ausprägung der Gemeinschaftscaritas sind also zu berücksich­ tigen.  Neben den gesellschaftlichen Aspekt tritt die Bedeutung des jeweiligen Kirchenbegriffs. Dieser hat auch seine Auswirkungen auf die Ein- und Zu­ ordnung der Caritas. Daher sind die Aussagen des Zweiten Vatikanischen 71  Franz Klein, Die Verfassung der deutschen Caritas. Ihre Bedeutung für die zeitgerechte Erfüllung des Caritasauftrages, Freiburg i. Br. 1966, 23. 72  Kirchliche Gemeinschaftscaritas schließt eine gewisse Form der Institutionali­ sierung notwendig ein, um eine Dauerhaftigkeit garantieren zu können. In Deutsch­ land stehen der Deutsche Caritasverband, die Diözesancaritasverbände und die wei­ teren örtlichen Organisationen für die institutionalisierte Caritas. Diese Form ist aber keine notwendige, sondern eine der möglichen Ausprägungen der kirchlichen Ge­ meinschaftscaritas.



II. Grundlegung der Caritas39

Konzils wesentlich, in dessen Anschluss es zu einer ausgeprägten wissen­ schaftlichen Beschäftigung mit den drei Grundfunktionen kirchlichen Le­ bens kam. Es wurde gerade gesagt, dass die Formen und Schwerpunkte der Aus­ übung kirchlicher Gemeinschaftscaritas über die bisherige 2000-jährige Kirchengeschichte variieren und im Rahmen dieser Arbeit nicht detailliert dargeboten werden können. Gleichwohl sollen aber Grundzüge und Schwer­ punkte in der geschichtlichen Entwicklung herausgearbeitet werden, da sie heute geäußerte Forderungen und Desiderate zum einen verständlich ma­ chen, und zum anderen hilfreich sind bzgl. deren Beurteilung.73 Gibt es gesamtkirchlich eine bestimmte Form im Aufbau kirchlicher Ca­ ritas? Es kann bereits vorweggenommen werden, dass es keine verbindlich vorgeschriebene Form gibt. Allerdings kann durchaus so etwas wie ein Grundmuster konstatiert und beschrieben werden, indem sich kirchliche Gemeinschaftscaritas an den verschiedenen hierarchischen Stufen – von der Gemeindeebene bis hin zur gesamtkirchlichen Perspektive – orientiert. Eine detailliertere Untersuchung findet sich im vierten Abschnitt dieser Arbeit in der exemplarischen partikularrechtlichen Analyse. Schließlich beschäftigt sich dieses erste Kapitel mit zwei zentralen kir­ chenamtlichen Dokumenten. Zum einen mit der 2005 von Papst Benedikt XVI. verfassten Antrittsenzyklika Deus caritas est.74 Dieses Schreiben rief ein breites mediales Echo hervor, in dem die Ungewöhnlichkeit des Themas unterstrichen wurde und das zu einer zumindest zwischenzeitlich gesteiger­ ten Beschäftigung mit der kirchlichen Caritas geführt hat. Vereinzelt wurde der Text auch auf seine kanonistischen Konsequenzen hin hinterfragt.75 Diesen Ansatz gilt es insbesondere in dieser Arbeit aufzugreifen. 73  Dies wird z. B. deutlich im Kontext der Diskussion um die bischöfliche Ver­ antwortung für die Caritas. Im dritten bis sechsten Jahrhundert bildet der Bischof die zentrale verantwortliche Figur im Bereich der Caritas. Diese damals gegebene Deutlichkeit verliert sich jedoch in der weiteren Kirchengeschichte und wird heute vielfach angemahnt. Wie ist diese Entwicklung zu bewerten? Auch unter kirchen­ rechtlichen Aspekten wird dieser Frage speziell im zweiten Kapitel dieser Arbeit nachzugehen sein.  74  Benedikt XVI., Enzyklika Deus caritas est (25. Dezember 2005), in: AAS 98 (2006) 217–252; dt. Übers.: VApSt 171, Sekretariat der Deutschen Bischofskonfe­ renz (Hrsg.), Bonn 2006.  In der Besprechung werden zudem auch Aussagen aus der zweiten Enzyklika Papst Benedikts Caritas in veritate von Juni 2009 hinzugezogen werden (Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate [29. Juni 2009], in: AAS 101 [2009] 641–709; dt. Übers.: VApSt 186, Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz [Hrsg.], Bonn 2009). 75  Vgl. Ohly, Deus Caritas Est, 103–129.

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

Wiederum als Folge der Enzyklika veröffentlichten die deutschen Bischö­ fe im Dezember 2009 ein Schreiben mit dem Titel: Berufen zur caritas.76 Sie gehen darin der Frage nach, was die päpstliche Botschaft „konkret für das Leben der Kirche und der Christen in Deutschland“ (Bzc, Vorwort) bedeutet. Zuletzt gilt es das Vorangegangene zusammenfassend aktuelle Tendenzen zu benennen, um diese im weiteren Gang der Untersuchung wieder aufzu­ greifen und untersuchen zu können. 1. Klärung von Begrifflichkeiten Im Bereich der Caritas begegnen verschiedene Begrifflichkeiten, die im Vorfeld dieser Untersuchung benannt, definiert und von einander abgegrenzt werden müssen, um eine gemeinsame Basis im Verständnis zu erlangen.77 a) Caritas Das lateinische Wort caritas stammt zunächst vom Adjektiv carus, wel­ ches die Bedeutung „teuer, wert, schätzbar, lieb und wert, geschätzt“78 trägt. Das Nomen gibt Heinrich Georges im übertragenden Sinn wieder mit „Werthaltung, Hochschätzung, Hochachtung (aus Hochachtung entspringen­ de) Liebe“79. Caritas ist die Übersetzung des im Neuen Testament verwendeten griechi­ schen Begriffs ἀγάπη. Von ihrem biblischen Gebrauch her hat sie ihre Verankerung in der Liebe Gottes zum Menschen. Nach 1 Joh 4,10.19 war es zunächst Gott, der den Menschen geliebt hat.80 Er wird mit der Liebe selbst gleich gesetzt (1 Joh 4,8.16b). Von dieser Perspektive her kann Klein sagen: „Caritas ist zunächst und im eigentlichen Sinne die von Gott durch die Gnade eingegossene Tugend der Gottesliebe.“81 Im Initiationsgeschehen 76  Die Deutschen Bischöfe (91), Berufen zur caritas (05. Dezember 2009), Sekre­ tariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Bonn 2009. Im Weiteren abgekürzt im Text mit: Bzc. 77  Es wird keine Vollständigkeit beansprucht, vielmehr sollen die zentralen Ter­ mini im Vordergrund stehen. Im Bereich der Untersuchung der Gesetzbücher wird vertieft auf die Begrifflichkeit einzugehen sein. 78  Heinrich Georges, Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, Han­ nover 81913, 1001. 79  Ebd. 80  Vgl. auch unten die Aussagen der Enzyklika Deus caritas est, nn. 1, 14; 17 f. 81  Franz Klein, Christ und Kirche in der sozialen Welt. Zur Stellung der Caritas im Spannungsfeld von Liebe und Recht, Freiburg i. Br. 1956, 11.



II. Grundlegung der Caritas41

der Taufe wird zugleich diese Tugend vermittelt, die durch Stärkung in den Sakramenten ihren Ausdruck in der Gottes-, aber eben auch in der daran gebundenen Nächstenliebe findet (vgl. Mk 12,28–31par). Den Ausgangs­ punkt für das Verständnis dessen, was Caritas bedeutet, bildet also die Gotteskindschaft.82 Gleichzeitig aber ist sie in eine Wechselbeziehung hin­ eingestellt, da der Christ aufgerufen ist, sich in seinem Handeln am Leben und der Lehre Jesu Christi als der fleischgewordenen Liebe des Vaters zu orientieren. Dem Vorbild des Lebens Jesu und der darin verkörperten Liebe zum Nächsten folgt der einzelne Christ in freier Entscheidung nach. Caritas ist daher immer Gabe und Aufgabe zugleich.83 Ein bestimmendes Merkmal der Caritas ist demnach der „Zusammenhang zwischen Nächstenliebe und Gottesliebe [, der der] Caritas we­ senhaft [ist]. […] Wir begegnen ihm [dem Nächsten] als Gottes Geschöpf und Ebenbild kraft der uns eingegossenen Befähigung zur Gottesliebe (caritas dei), die über die Selbstliebe (caritas sui) zur Nächstenliebe (caritas proximi) drängt.“84

Ein zweites Merkmal von Caritas schließt sich direkt an: Sie ist geprägt von Universalität, d. h. „als Vollzug der Liebe Gottes in der Liebe des Men­ schen“ ist sie grundsätzlich frei in Bezug auf ihren Träger, ihren Empfänger sowie die Mittel und Formen mit bzw. in denen sie zum Ausdruck kommt.85 Ein drittes Charakteristikum von Caritas bildet ihre ganzheitliche Bezo­ genheit. Geleistete Caritas bezieht sich von ihrem Grundgedanken her nie nur auf eine Dienstleistung, d. h. in einer „bloßen Geld- oder Sachmittelun­ terstützung“, sondern hat einerseits das Gegenüber als Person im Blick, und umfasst andererseits auf den Helfer bezogen ein „persönliches Engagement“, „das im Letzten auch das Einbringen des eigenen Lebens, im Sinne einer Selbsthingabe, einschließt (2 Kor 8,5)“86. Neben dieser Bestimmung caritativer Merkmale gilt es noch zu klären, inwiefern das Nomen Caritas einer Präzisierung durch die Adjektive „christ­ lich“ oder „kirchlich“ bedarf. Bezogen auf die Verwendung im deutschen Sprachraum kann davon ausgegangen werden, dass Caritas im allgemeinen 82  Vgl.

ebd. definiert es Karl Borgmann in der zweiten Auflage des LThK. „Wenn hier von Caritas als christlicher Nächstenliebe und als organisierter Kirchlicher [sic!] Liebestätigkeit die Rede ist, so bleibt doch immer zu bedenken, daß alle eigentliche Caritas nur in und aus der Agape verwirklicht werden kann. […] Für den einzelnen Christen ist die christliche Nächstenliebe zugleich Gabe (1 Joh 4,10) und Auftrag (mandatum).“ (Karl Borgmann, Art.: Caritas, in: LThK2, Bd. 2, 1958, 941–947, 942.) 84  Klein, Christ und Kirche, 12. 85  Vgl. Hierold, Grundlegung und Organisation, 25. 86  Heinrich Pompey, Art.: Caritas / Diakonie, in: Lexikon der Bioethik, Bd. 1, Wil­ helm Korff (Hrsg.), Gütersloh 1998, 422–427, 422. 83  So

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

Begriffsverständnis heute christlich und auch kirchlich im Sinne von katho­ lisch konnotiert ist und damit als von allgemeiner Wohltätigkeit unterschie­ den betrachtet wird. Davon muss insbesondere seit der Aufklärung ausge­ gangen werden; so kennt die ganze frühe Neuzeit bereits Institutionalisie­ rungen der Wohltätigkeit, diese nahmen allerdings in Bezug auf die Q ­ uantität innerhalb der Aufklärung bedeutend zu, sodass sich eigene Begrifflichkeiten herausbildeten wie z. B. Menschenliebe.87 Außerhalb des deutschen Sprach­ raumes zeigt sich ein anderes Bild, da im Englischen der Terminus charity auch für allgemeine Wohltätigkeit gebraucht wird, sodass dort eine Spezifi­ zierung notwendig ist. Grundsätzlich kann aber der von Alfred Hierold formulierten These beigepflichtet werden: „Da Caritas sich vollziehendes Wesen der Kirche und Leben der Kirche ist, ist jedes caritative Wirken zugleich kirchliches Wirken.“88

Demnach ist eine hinreichende Zuordnung des Begriffs Caritas nicht vom Einsatz der benannten Adjektive abhängig, diese können allerdings im Sin­ ne einer rhetorischen Verstärkung eingesetzt werden. Diese Bemerkungen sind zu ergänzen durch den Hinweis, dass die Spezifizierung „kirchlich“ nicht hinreichend ist für eine Abgrenzung vom caritativen Dienst anderer Kirchen bzw. kirchlichen Gemeinschaften. Dafür ist der Ausdruck zu unspe­ zifisch und bedarf einer präziseren Wortwahl, insofern z. B. die römischkatholische Kirche gemeint ist. An diese Fragestellung schließt sich eine weitere an: Kann bei Verbands­ caritas von kirchlicher Caritas gesprochen werden? Bis ins 19. Jahrhundert gab es eine eindeutige Zuordnung von Caritas und Kirche. Caritas als 87  Vgl. dazu Dagobert de Levie, Die Menschenliebe im Zeitalter der Aufklärung. Säkularisation und Moral im 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Ideengeschichte des 18. Jahrhunderts, Bern 1975. Levie fasst seinen Befund wie folgt zusammen: „Auf­ fallend ist, dass bei den hier angeführten Philosophen die deutschen Denker der Aufklärung völlig in Vergessenheit geraten sind, und dass deren Schriften, in denen die Menschenliebe oder die allgemeine Liebe aller Menschen den Grundpfeiler einer naturrechtlich begründeten Sozialethik bildet, gänzlich unerwähnt bleiben. Wohl nir­ gends tritt der verschiedenartige Charakter der zwei Liebesideen, der christlichen Nächstenliebe und der vernunftgemässen [!] Menschenliebe, deutlicher hervor als in den moralphilosophischen Schriften der deutschen Aufklärer, die sich über die grundsätzliche Verschiedenheit der beiden Liebesgedanken vollkommen im klaren [!] waren“ (ebd. 11 f.). 88  Hierold, Grundlegung und Organisation, 63. Dabei impliziert dieses Zitat kei­ ne Vereinnahmung in dem Sinne, dass jegliches wohltätiges Handeln kirchliches Wirken sei. Vielmehr bezieht sich caritatives Wirken aufgrund der Begriffsbestim­ mung zur Caritas auf Menschen innerhalb kirchlicher Gemeinschaft. „Mag ein Christ für sich allein, in einer kirchlichen oder weltanschaulich neutralen Organisa­ tion oder Institution seinen caritativen Dienst tun, vollzieht er die Sendung der Kir­ che; seine Tätigkeit ist kirchliches Tun“ (ebd., 64).



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Grundaufgabe wurde vom einzelnen Gläubigen und im Gesamten von der Kirche Christi ausgeübt. Die Entstehung der Verbandscaritas in Deutschland seit 1897 implizierte eine Ausdifferenzierung der Caritas von Liturgie und Verkündigung und sogar zu einer weitgehenden Ablösung vom Gemeinde­ leben.89 Diese ausgeprägte Eigenständigkeit in der Entwicklung führte zu­ mindest in Deutschland dazu, dass beim Gebrauch des Wortes Caritas zu­ nächst bestimmt werden muss, ob vom Deutschen Caritasverband oder von der kirchlichen Tugend der Caritas die Rede ist.90 Die Chancen und Gefah­ ren, die mit dieser Entwicklung verbunden sind, werden im weiteren Verlauf noch eingehender zu behandeln sein. b) Diakonie Der Begriff Diakonie entstammt dem griechischen Wort διακονία, das mit „Dienst“ übersetzt wird. Im Neuen Testament wird διακονία häufig gebraucht, wobei zwei ver­ schiedene Verwendungen zu erkennen sind. Zunächst wird davon als mate­ rieller Dienst gesprochen, wie er in Apg 6,1–7 beschrieben wird. Daneben kann er aber auch im religiös-spirituellen Sinn eingesetzt werden, so auch in derselben Perikope als „Dienst am Wort“ (Apg 6,4) oder in 2 Kor 5,18 als „Dienst der Versöhnung“.91 Paulus behält die Bezeichnung zwei Ge­ meindefunktionen vor. Einmal verwendet er den Begriff „Dienst“ im Zu­ sammenhang seiner Sammlung für die Gemeinde in Jerusalem. Dort steht er als Bezeichnung für die Kollekte selbst.92 Ansonsten gebraucht er ihn für den Verkündigungsdienst. Nach Heinrich Pompey wird damit ein „besonders genuine[r] Aspekt der christlichen Glaubenspraxis“93 ausgedrückt. Insofern das Leben Jesu ge­ prägt war von einem dienenden Charakter – grundgelegt durch sein eige­ nes Selbstverständnis (vgl. Joh 13,1–17; Mk 10,41–45par) –, findet sich Heinrich Pompey, Art: Caritas, in: LThK3, Bd. 2, 1994, 947–950, 947. Deutsche Bischofskonferenz begegnete diesem Umstand, indem sie im Titel ihres Schreibens „Berufen zur caritas“ von Dezember 2009 den Begriff klein schrieb, um anzuzeigen, dass es um die Tugend der Caritas geht. 91  Vgl. Karl Suso Frank, Art.: Diakonie, LThK3, Bd. 3, 1995, 185. Ob diese Auf­ teilung in absoluter Weise zutrifft, ist anzuzweifeln, da nicht bekannt ist, ob der Dienst an den Tischen ein rein materieller war oder nicht auch religiös-spirituelle Momente in sich vereinigte. 92  So in 2 Kor 8,4; 9,1.12–13. Dort wird der Begriff im Sinn einer wohltätigen Schenkung, Hilfsleistung bzw. schlicht als Dienst verwendet. 93  Heinrich Pompey, Art.: Caritas  / Diakonie, in: Lexikon der Bioethik, Wilhelm Korff u. a. (Hrsg.), Bd. 1, Gütersloh 1998, 422–427, 422. 89  Vgl. 90  Die

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diese Haltung im Leben der Gläubigen, die in der Nachfolge Christi ste­ hen, wieder. Zu berücksichtigen sind allerings an dieser Stelle die Forschungsergebnis­ se von John N. Collins zum ursprünglichen Gebrauch der Begriffe διακονία bzw. διακονειν, die eine einseitige Fokussierung auf den Begriff des Die­ nens in Frage stellen.94 Collins analysiert die Verwendung der Begriffe und kommt zu dem Ergebnis, dass sie im Kontext dreier Bereiche vorkommen: in dem der „Botschaft, der Tätigkeit und des Aufwartens für eine Person bzw. im Haushalt“95. Dabei bezieht sich das Verb stets auf ein Dazwischen­ gehen in der jeweiligen Situation. „Im Bereich der Botschaft meint das Nomen den ‚Vermittler‘, ‚Sprecher‘ oder ‚Kurier‘, im Bereich der Tätigkeit den ‚Agenten‘ und das ‚Medium‘, im Bereich des Aufwartens den ‚Diener‘ und ‚Aufwärter‘.“96 Demnach ist die Zuordnung des Dienens nur eine und nicht die einzige Bedeutung des Begriffs. Im Vordergrund steht weniger die Charakterisierung einer Person, z. B. als Diener, sondern die „Art und Wei­ se einer Aktivität“97. Mit Benedict ist der Vorteil dieses Ansatzes darin zu sehen, den Bereich der Diakonie weiter zu fassen und gleichzeitig eine Loslösung „von dem besonderen Anspruch des demütigen niederen Dienstes“98 zu ermöglichen. In Sinne Collins sollte die Sinnspitze der Be­ deutung in einer „autoritativen Kommunikation und Beauftragung durch Gott“ liegen. Soziales Handeln sei dann eine Konsequenz des Evangeliums, sodass in diesem Sinn zwischen Ursache und Folge unterschieden werden müsse.99 Diesbezüglich ist die Beschränkung Benedicts auf den Begriff der Diako­ nie und die Nichtberücksichtigung des Begriffs der Caritas kritisch anzufra­ gen. Caritas und Diakonie werden zwar im allgemeinen Sprachgebrauch identisch verwendet100, es kann jedoch zwischen ihnen ein Unterschied hinsichtlich ihrer theologischen Wortbedeutung und Aussage darin gemacht 94  Vgl. John N. Collins, Diakonia. Re-interpreting the ancient sources, New York 1990. 95  Hans-Jürgen Benedict, Barmherzigkeit und Diakonie. Von der rettenden Liebe zum gelingenden Leben, Stuttgart 2008 (DIAKONIE, Bd. 7), 119. 96  Ebd. 97  Ebd. 98  Ebd., 121. 99  Vgl. ebd., 121,125. 100  Bisweilen ist eine konfessionelle Vorliebe in der Verwendung zu erkennen, als dass Caritas eher von katholischer, Diakonie eher von evangelischer Seite benutzt wird. Dies entbehrt allerdings einer theologischen Grundlage. Der Hintergrund mag in den zwei konfessionell-getrennten Hilfswerken liegen, auf katholischer Seite der Deutsche Caritasverband, auf evangelischer Seite das Diakonische Werk und seine jeweiligen Mitgliedsverbände.



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werden, als Caritas grundsätzlicher ansetzt, da sie Ausdruck der Wechselbe­ ziehung im Verhältnis Gottes und des Menschen ist. Demgegenüber verkör­ pert Diakonie stärker eine aktive Haltung im Sinne des Gesandtseins. c) Caritative Diakonie Die Begriffskombination aus Caritas und Diakonie wirkt zunächst wie eine Tautologie und tatsächlich führt dies zu einer Verstärkung der Aussage. Aus historischer Betrachtungsweise ist die Kombination in den 1960er / 1970er Jahren aufgekommen. Dahinter stand ein diakonisches Verständnis von Kir­ che insgesamt, welches sich in der Folge des Zweiten Vatikanums immer stärker durchsetzte. Alle Äußerungen von Kirche sollten demnach als Dienst aufgefasst werden. In diesem Zusammenhang wurde dann das Adjektiv „caritativ“ vor den als Oberbegriff verwendeten Terminus „Diakonie“ ge­ setzt, um den Dienst der Nächstenliebe z. B. vom liturgischen Dienst der Kirche zu unterscheiden. Wie aber oben gezeigt, ist Caritas von der theologischen Bedeutung und Aussage der umfassendere Begriff, sodass die grammatikalische Kombina­ tion zu hinterfragen ist.101 d) Nächstenliebe Nächstenliebe kann als eines der zentralen Hauptwörter des Christentums bezeichnet werden, als ein „Grundwort biblischer Ethik“102, welches auch von Nichtchristen dem Christentum als prägendes Merkmal zugeschrieben wird. Das christliche Verständnis von Nächstenliebe erhält seine entscheidende Prägung aus der Lehre Jesu vom Reich Gottes und dem Heilsgeschehen in seinem Tod und seiner Auferstehung.103 Wesenhaften Ausdruck erhält diese Botschaft im Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe (vgl. Mk 12,28– 31par), wobei das zweite Gebot eine alttestamentliche Aufnahme aus dem 101  Besonders auch im Hinblick auf entstandene Wendungen wie: „caritativ-dia­ konische Praxis der Kirche“. Hier ist dem Eindruck einer unnötigen Dopplung nicht zu entgehen, die eher zu mehr Verwirrung, denn zu sprachlicher Klarheit führt. Soll­ te dahinter die Bedeutung im Sinne einer deutschen Übersetzung „liebend-dienende Praxis“ stehen, so stellt sich die Frage, ob der Ausdruck notwendig ist. Caritas birgt in sich einen dienenden Charakterzug, der Dienst im Sinne Jesu geschieht in Liebe zum Nächsten. 102  Thomas Söding, Art.: Nächstenliebe, I. Biblisch-theologisch, in: LThK3, Bd. 7, 1998, 613. 103  Vgl. ebd.

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Heiligkeitsgesetz darstellt (Lev 19,18). Für Christus bilden beide Gebote eine „differenzierende Einheit“104. Entgegen der Wortbedeutung dem Buch­ staben nach, schließt Nächstenliebe Gottesliebe mit ein. In letzter Konse­ quenz reicht die Nächstenliebe bis zur Feindesliebe (Mt 6,35–48par). Die lukanische Parabel vom barmherzigen Samariter (Lk 10,29–37) dient als Beantwortung der Frage eines Schriftgelehrten, wer denn der Nächste sei. Dabei zeigt sich, „daß nicht theoretisch gefragt werden darf, wer ‚der Nächs­ te‘ ist, sondern daß in der aktuellen Situation klar ist, wem gegenüber sich jemand als ‚der Nächste‘ erweist (10,36 f.)“105 Daraus folgert Lindemann: „Nächstenliebe ist also weder Gefühlsregung noch persönliche ‚Haltung‘ oder ‚Einstellung‘, sondern konkretes Tun zugunsten ‚des Nächsten‘.“ (10,28.37)106

e) Apostolat Der Begriff des Apostolates wird an dieser Stelle behandelt, da er in verschiedenen Zusammenhängen im Bereich der Caritas Verwendung findet und besonders in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils in Form des Laienapostolates entscheidende Bedeutung erlangte. Die verantwortliche Ausübung der Caritas wurde dann wiederum als signifikanter Ausdruck des Laienapostolates gesehen.  Ursprünglich bezeichnete der griechische Begriff αποστολή die Würde des Trägers einer Sendung; hinzu kam dann die Sendung selbst. Dabei be­ inhaltete die letztere Bedeutung zwei Aspekte: die Sendung als Vorgang selbst im Sinne des lateinisches Begriffs der missio sowie die inhaltliche Ausrichtung, die sehr verschieden ausfallen konnte (opera apostolica).107 Im Neuen Testament wird der Terminus eng gefasst und nur in Bezug auf die zwölf Apostel sowie Paulus angewendet. Dieser eingeschränkte Einsatz wird auch über die Jahrhunderte der Kirchengeschichte kaum aufgebro­ chen. Erst mit dem 20. Jahrhundert setzt sich diesbezüglich eine tiefgreifen­ de Änderung durch, insofern sich Apostolat nun auf „die Sendung jedes Katholiken“ erstreckt, der aufgerufen ist „durch persönliches Zeugnis und soziales Engagement am Kommen des Reiches Gottes mitzuwirken“108. Die bereits vollzogene Ausweitung des Terminus wurde durch das vom Zweiten Vatikanischen Konzil formulierte Kirchenverständnis zusätzlich 104  Ebd.

105  Andreas Lindemann, Art.: Nächstenliebe, IV. Neues Testament, in: RGG4, Bd. 6, 2003, 16 f., 16. 106  Ebd. 107  Vgl. Alois Baumgartner, Art.: Apostolat, in: LThK3, Bd. 1, 1993, 865 f. 108  Ebd., 866.



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bestimmt. Wegweisend heißt es im Dekret über das Apostolat der Laien Apostolicam actuositatem (AA)109: „Jede Tätigkeit des mystischen Leibes, die auf dieses Ziel [die Ausbreitung der Herrschaft Christi] gerichtet ist, wird Apostolat genannt; die Kirche verwirklicht es, wenn auch auf verschiedene Weise, durch alle ihre Glieder; denn die christli­ che Berufung ist ihrer Natur nach auch Berufung zum Apostolat.“ (AA 2)

Der Hinweis auf die „verschiedene Weise“ ist auf die verschiedenen For­ men des Apostolates zu beziehen. Es gibt das Apostolat der Laien, der Ordensleute (vgl. CD 33,2)110 und der Hierarchie111. Das Laienapostolat leitet sich jedoch nicht aus dem der Hierarchie ab112, sondern alle Formen sind als in sich authentische zu verstehen und haben jeweils Teil am Apos­ tolat der Kirche, dessen Urgrund wiederum Christus selbst ist. Markus Lehner spricht bezüglich der Aussagen des Dekretes von einem „Markstein im Ringen um eine gesamtkirchliche Bewertung“, da es eine „unmittelbare[…] Rückbindung an das gemeinsame Apostolat des gesamten Gottesvolks“ vornimmt.113 Hervorzuheben ist, dass die Konzilsväter das Recht der Laien zum Apostolat, an welchem sie aufgrund von Taufe und Firmung Anteil erhalten haben, zugleich auch als Pflicht festhalten (vgl. AA 3,1). In der Literatur sind Reihungen anzutreffen, in denen den Werken der Caritas Apostolatswerke an die Seite bzw. gegenübergestellt werden.114 Auf der Grundlage der inhaltlichen Bestimmung der Begriffe können ‚caritative Werke‘ zu der Gruppe der Apostolatswerke gezählt werden. Gleichzeitig übersteigt aber die Caritas als das Hineingestelltsein in den Zusammenhang 109  Dekret über das Apostolat der Laien Apostolicam actuositatem, in: AAS 58 (1966) 837–864, dt. Übers. in: LThKVatII / 2, 603–701. 110  Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, in: AAS 58 (1966) 673–696), dt. Übers. in: LThKVatII / 2, 149–247. 111  „Den Aposteln und ihren Nachfolgern wurde von Christus das Amt übertra­ gen, in seinem Namen und in seiner Vollmacht zu lehren, zu heiligen und zu leiten“ (AA 2). Den Bischöfen ist insbesondere die Verpflichtung auferlegt, die verschiede­ nen Formen des Apostolates zu fördern und sie in das Apostolat der Kirche einzu­ ordnen (vgl. LG 27,3; CD 6,17). 112  Vgl. die Aussage über die „wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemein­ samen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi“ (LG 32,3). 113  Markus Lehner, Art.: Laienapostolat, in: LThK3, Bd. 6, 1997, 597–598, 598. Er bewertet diesen Vorgang allerdings auch kritisch, da der Begriff dadurch sein Spezifikum eingebüßt habe. Was er damit genau meint, erläutert er aber nicht. „Dies und die zunehmende Verdrängung des Begriffs Apostolat durch den der (Neu-)Evan­ gelisierung in der nachkonziliaren Zeit haben dazu geführt, daß Laienapostolat in­ zwischen nurmehr eine Randstellung im kirchlichen Wortschatz einnimmt.“ 114  Diese finden sich v. a. auch im CIC / 1983, dort ist zudem eine uneinheitliche Verwendung zu konstatieren, die im Teil C. II. eigens berücksichtigt wird.

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

von Gottes- und Nächstenliebe das Apostolat, da dies das Gesendetsein in die Welt hinaus verkörpert. Das Verhältnis der Termini muss also auf den entsprechenden Kontext hin befragt werden. 2. Das biblische Zeugnis Nachdem die Begrifflichkeiten in ihren Merkmalen und Spezifika be­ trachtet wurden, wird in diesem Abschnitt ein neutestamentlicher Befund zur Caritas herausgearbeitet. Caritas wird im allgemeinen christlichen Bewusstsein stets rückgebunden an das jesuanische Gebot zur Nächstenliebe. Von daher ist es naheliegend, die Exegese dieser neutestamentlichen Perikope in einer Arbeit zur Caritas an den Anfang zu stellen. Daneben sollen aber weitere Textbefunde erhoben werden, ohne allerdings eine vollständige Exegese des neutestamentlichen Zeugnisses und Verständnisses der Caritas bieten zu können.115 Es gilt die Bedeutung der Nächstenliebe für Jesus selbst, in seiner Lehre, sowie als Auftrag für seine Jüngerinnen und Jünger und alle Christinnen und Christen, die in seiner Nachfolge stehen, zu erheben. In den Evangeli­ en drängen sich neben dem Doppelgebot zwei weitere Stellen in den Vor­ dergrund. So die Parabel vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25 ff.) als auch die Erzählung vom Weltgericht (Mt 25,31–46). Beide haben mit Blick auf ihre Wirkungsgeschichte eine hervorstehende Bedeutung. Hinzu genom­ men werden Perikopen aus dem Bereich der Urkirche. In der Apostelge­ schichte finden sich drei sog. Summarien (Apg 2,42–47; 4,32–35; 5,12–16), die gemeindliches Leben und Praxis in den wesentlichen Charakteristika gestrafft darbieten. Für das gegebene Bewusstsein einer gemeinschaftlichen kirchlichen Caritas steht das Beispiel der Kollekte des Paulus für die Ge­ meinde in Jerusalem. Die ausgewählten Beispiele verdeutlichen den Über­ gang bzw. die Übernahme des jesuanischen Gebots und veranschaulichen Ausformungen in der frühkirchlichen Praxis.

115  Die im Folgenden behandelten Stellen wurden nach zwei leitenden Kriterien ausgesucht: Einerseits aufgrund ihrer Berücksichtigung bzw. ihres Stellenwertes in der Kirchengeschichte. Mit anderen Worten: Wurden caritative Formen und Ausprä­ gungen mit ihnen verbunden und begründet? Andererseits auf dem Hintergrund der Untersuchungsthese dieser Arbeit. Näherhin ist dies zu vergleichen mit dem bei Klaus Mörsdorf beschriebenen Ansatz zur Grundlegung des Kirchenrechtes, indem er dessen Verankerung in der Heiligen Schrift festmachte. Allerdings soll in diesem Rahmen die neutestamentliche Exegese detaillierter ausfallen (vgl. die bei Klaus Mörsdorf angeführte Kritik).



II. Grundlegung der Caritas49

a) Die Frage nach dem wichtigsten Gebot (Mk 12,28–34par) Die Perikope des Doppelgebotes, die bei allen drei Synoptikern belegt ist, kann sicher als die zentrale Ausgangsbasis für die Caritas der Kirche be­ zeichnet werden. Sie hebt sich in markanter Weise von den übrigen – teil­ weise auch im Folgenden besprochenen – Textstellen ab. Dies liegt an ihrem sprachlichen Charakter sowie an ihrer inhaltlichen Aussage. Es handelt sich nicht um ein Gleichnis (wie Lk 10,30–37) oder eine praktische Handlungs­ beschreibung wie z. B. die Kollekte des Paulus. Vielmehr kann sie als eine „grundsätzliche Äußerung Jesu“ eingeordnet werden, „die durch eine Frage provoziert ist“116. Die Aussage Jesu stellt demnach kein Beispiel für eine einzelne konkrete Situation dar, vielmehr kann sie sowohl als Ausgangs­ punkt wie als Zielpunkt christlichen Lebens dienen. Formgeschichtlich ordnet Rudolf Pesch die Perikope als „Schul­ gespräch“117 ein. In der Betrachtung des Textes selbst fällt bei Matthäus auf, dass dieser die Stelle gegenüber Markus (12,28–34) „erheblich gekürzt“118 hat, wodurch die Grundsätzlichkeit der Aussage noch stärker in den Vorder­ grund tritt.119 Zudem „tritt der Mann nicht mehr als bereitwilliger Fragestel­ ler, sondern mit böser Absicht auf“120. Interessant ist die von Lukas vorge­ nommene Einbindung, indem er die Perikope vor das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,30–37) setzt. Inhaltlich benennt das erste Gebot die Verpflichtung zur Gottesliebe, in­ dem Dtn 6,4 f. zitiert wird. Diese Aussage verkörperte und verkörpert bis heute im Judentum als tägliche Rezitation das Bekenntnis zum einen Gott in der Verbindung mit der Erinnerung an die Erwählung des Volkes Israel durch JHWH. Dieses erste Gebot wird nun von Jesus zusammengefügt mit dem Gebot zur Nächstenliebe, welches sich ebenfalls im AT, in Lev 19,18, findet. Allerdings erfolgt die Anbindung bei den Evangelisten in unter­ schiedlicher Weise. Bei Mk 12,31 sind die beiden Gebote nicht gleichge­ ordnet121, aber „das Nebeneinander beider bereitet die Gleichwertung 116  Joachim Gnilka, Das Matthäus-Evangelium, II. Teil, Kommentar zu Kap. 14,1–28,20 und Einleitungsfragen, Freiburg i.  Br. 21992 (Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament), 257. 117  Rudolf Pesch, Das Markusevangelium. II. Teil. Kommentar zu Kap. 8,26– 16,20, Freiburg / Basel / Wien 1977 (Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament), 237. 118  Gnilka, Das Matthäus-Evangelium, 257. Gnilka geht davon aus, dass Mt den Text aus der Mk-Vorlage gestaltet hat. Vgl. ebd., 258. 119  Vgl. ebd., 261. 120  Ebd., 257. 121  Vgl. Mk 12,31 „Als zweites kommt hinzu“, griech.: „δευτέρα αὕτη“.

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vor“122. In der Antwort des Gesetzeslehrers in der lukanischen Fassung werden beide Aussagen durch ein „καί“ (Lk 10,27) miteinander verbunden und damit wie bei Mk nebeneinander gestellt. Eine explizite Bewertung erfolgt bei Mt 22,39, der durch die Wendung „ὁμοία αὐτη“ die beiden Gebote für gleichwertig erklärt. Es ist Gegenstand kontroverser Diskussion, wie diese Zusammenstellung der im AT getrennt aufgeführten Gebote zu werten ist. Verbirgt sich darin ein christliches Spezifikum? Jedenfalls erhielt die Stelle „als Kernsatz [neu­ testamentlicher] Ethik“123 bereits sehr früh „die führende Rolle in der christ­ lichen Ethik“124. Dabei löst das Doppelgebot „nicht konkrete Einzelproble­ me, stellt aber in einen Raum hinein, in dem eine selbständige christliche Lösung ethischer Probleme ermöglicht wird“125. Die wiederholt aufgeworfene Frage, ob die Zusammenstellung auf Jesus selbst zurückgeht, muss hier nicht beantwortet werden. Denn zum einen impliziert die getrennte Stellung der beiden Gebote im AT keine darin ein­ geschlossene Bedeutung, da das AT die Pflichten Gott gegenüber und die Rücksichtnahme auf den Nächsten miteinander assoziiert126, und zum ande­ ren entspricht „die praktische Orientierung der Gottes- an der Nächstenliebe dem Geist [jesuanischer] Predigt“127. Entscheidender ist vielmehr die Bedeutung der inhaltlichen Aussage in ihrer Zusammenstellung. So forciere insbesondere Mt den Stellenwert der Nächstenliebe, indem er sie ausdrücklich der Gottesliebe als gleichwertig zur Seite gesellt.128 Gleichwohl bleibt die Gottesliebe ihrem theologischen Gewicht nach in zweifacher Weise vorgängig. Denn einerseits liebt der Mensch Gott immer auf dem Hintergrund, dass dieser ihn zuerst geliebt hat und andererseits kann die Nächstenliebe durchaus einen Zugang zur Gottes­ 122  Gnilka,

Das Matthäus-Evangelium, 165. 262. 124  Ebd., 167. 125  Ebd., 262. Vgl. beispielhaft den Beginn der Didache: „Das nun ist der Weg des Lebens: Erstens sollst du Gott, der dich geschaffen hat, lieben, zweitens deinen Nächsten wie dich selbst! Und alles, von dem du nicht willst, daß es dir geschehe, sollst auch du keinem anderen tun!“ (Didache 1,2, zitiert nach: Schriften des Ur­ christentums, eingeleitet, hrsg., übertragen und erläutert von Klaus Wengst, Bd. 2: Didache (Apostellehre), Barnabasbrief, Kleiner Klemensbrief, Schrift an Diognet, Darmstadt Sonderausgabe 2004, 67). 126  Vgl. dazu ausführlich: Klaus Berger, Die Gesetzesauslegung Jesu. Ihr histori­ scher Hintergrund im Judentum und im Alten Testament, Neukirchen-Vlyn 1972, 56–257. 127  Joachim Gnilka, Das Evangelium nach Markus, 2. Teilband, Mk 8,27–16,20, Zürich / Einsiedeln / Köln 1979 (EKK, II / 2), 167. 128  Vgl. Gnilka, Das Matthäus-Evangelium, 260. 123  Ebd.,



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liebe ermöglichen. Letztlich bildet aber die Gottesliebe, insbesondere wie sie sich in Christus offenbart hat, die Grundlage für die Nächstenliebe.129 Abschließend ist nun die Frage zu klären, welchen Charakter die Gebots­ aussage hat. Hat sie Verpflichtungscharakter? Die Wichtigkeit der beiden Gebote wird bereits durch die jeweilige Eingangsfrage angezeigt. So heißt es bei Mt 22,36: „Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?“, Mk 12,28: „Welches Gebot ist das erste von allen?“ und bei Lk 10,25: „Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erlangen?“ Indem Jesus bei Mt und Mk auf die Frage mit dem Gebot der Gottes- und Nächstenlie­ be antwortet, lässt er an dessen herausragender Bedeutung keinen Zweifel aufkommen. Gottes- und Nächstenliebe sind es schließlich, die ewiges Le­ ben und das Reich Gottes versprechen, vorausgesetzt das eigene Handeln wird an ihnen ausgerichtet (Lk 10,28; Mk 12,34). An ihnen hängen „das ganze Gesetz samt den Propheten“ (Mt 22,40). Deutlicher kann eine Ver­ pflichtung nicht eingeschärft werden. Aber ist der Verpflichtungscharakter rechtlicher oder moralischer Art? Vielfach wurde und wird nämlich das Doppelgebot als rein moralische Verpflichtung in Abgrenzung zu einer rechtlichen Verpflichtung verstanden.  Exkurs: Recht und Moral Der polnische Kirchenrechtler Remigiusz Sobański hat eine im Kontext der Diskussion um eine Verhältnisbestimmung von Recht und Moral und mit Bezugnahme auf das jesuanische Doppelgebot bedenkenswerte Position formuliert. Sie gipfelt in der Aussage, dass die Liebe eine Rechtspflicht aller Gläubigen sei, die ihre Grundlage in dem jesuanischen Auftrag zur Caritas habe (vgl. Mk 12,28–32par).130 Diese Auffassung wurde in der Kanonistik vehement kritisiert und abgelehnt.131 Im Folgenden soll zu­ 129  Vgl. ebd., 261. Walter Simonis geht sogar noch einen Schritt weiter und for­ muliert die These, „daß das von Jesus bekräftigte Doppelgebot gar nicht ein Doppelgebot ist, i. d. S. daß der Mensch einerseits Gott und andererseits den Nächsten lieben soll, daß vielmehr die Erfüllung des Gebotes der Nächstenliebe die Erfüllung des Gebotes der Gottesliebe ist“ (Walter Simonis, Gottesliebe – Nächstenliebe. Über­ legungen zum sogenannten Doppelgebot im Lichte des biblischen Schöpfungs- und Bundesglaubens, in: Thomas Franke / Alexandre Ganoczy [Hrsg.], Creatio ex amore. Beiträge zu einer Theologie der Liebe, Festschrift für Alexandre Ganoczy zum 60. Geb., Würzburg 1989, 60–83, 64). 130  Remigiusz Sobański, Das Gesetz im Dienst der Liebe. Erwägungen zur Eigen­ art des Kirchenrechts, in: André Gabriels / Heinrich J. F. Reinhardt (Hrsg.), Ministe­ rium Iustitiae. Festschrift für Heribert Heinemann zur Vollendung des 60. Lebens­ jahres, Essen 1985, 27–34, 28. 131  Vgl. Peter Krämer, Besprechung von Sobański, Remigiusz, Grundlagenprob­ lematik des katholischen Kirchenrechts, in: AfkKR 156 (1987) 285 ff., Helmuth

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nächst Sobańskis These und im Anschluss die Kritik daran vorgestellt wer­ den. In einem dritten Schritt wird es sinnvoll sein, die Bedeutung der präsentierten These für eine Verhältnisbestimmung zwischen Recht und Moral zu bestimmen. In seinem Vortrag mit dem Titel „Die methodologische Lage des katho­ lischen Kirchenrechts“132, den Sobański 1978 vor der Arbeitsgemeinschaft Kirchenrecht in Heidelberg gehalten hat, wird deutlich, dass sein Ansatz streng verbunden ist mit den Überlegungen des Zweiten Vatikanischen Konzils zum Selbstbild der Kirche. Obwohl das Konzil noch an vielen Stellen den Begriff der societas verwendet, hebt er den prägenden Gedan­ ken aus der Kirchenkonstitution hervor, wo vom Mysterium der Kirche die Rede ist (vgl. LG 1–8). Im Bestreben, die Kirche nicht im Vergleich zum Staat zu betrachten, habe das Konzil die eigene Selbstwahrnehmung in den verschiedenen Bildbegriffen und der bereits geschilderten Formulierung von LG 8,1, die die Kirche als eine einzige komplexe Wirklichkeit be­ schreibt, charakterisiert. Diesen Gedanken aufnehmend, betont Sobański, dass einzig endogene Modelle, d. h. Modelle, die aus dem Glaubensver­ ständnis der Kirche selbst abgeleitet werden, in der Lage seien, Kirche hinreichend abzubilden. Die Charakterisierung der Kirche als societas hin­ gegen, stelle ein exogenes, und somit unzureichendes Modell dar. Prägend für Sobańskis Überlegungen ist demnach der Ansatz beim Verständnis der Kirche als Mysterium.133 Die tiefste Grundlage des Rechts sieht er in der Trinität selbst gegeben. Der „innertrinitarische Lebensprozeß“ öffnet sich auf die Welt hin und bin­ det all diejenigen, „die die Wahrheit und die Liebe angenommen haben“134. Neben dem Bezug zur göttlichen Trinität gebe es aber die Verbindung zwi­ schen den Menschen selbst. In dieser Sichtweise seien nun, so Sobański, bereits zwei rechtliche Momente eingeschlossen: Interpersonalität und Ver­ bindlichkeit.135 Die kirchliche Gemeinschaft sei also von ihrem Wesen her eine rechtliche Gemeinschaft.136 Pree, Eine Besprechung von Remigiusz Sobański, in: ÖAfKR 38 (1989) 365–367; Ludger Müller, Besprechung Ministerium Iustitiae, in: AfkKR 157 (1988) 640–651, 641. 132  Sobański, Die methodologische Lage des katholischen Kirchenrechts, in: AfkKR 147 (1978) 345–376. 133  Vgl. ebd., 351. 134  Ebd., 360 f. 135  Vgl. ebd., 362 f. 136  Dabei unterstreicht Sobański, dass diese Feststellung nicht zu einem „neuen Juridismus“ und auch „zu keiner Verrechtlichung der Kirche führen“ dürfe, denn dies würde verschleiern, „daß die Kirche zugleich eine Gemeinschaft der Liebe, der Gnade“ sei (vgl. ebd., 362). Hier wird bereits sichtbar, dass Sobańskis Rechtsver­



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In der Betrachtung der vertikalen Verbindung zwischen dem Gläubigen und der göttlichen Trinität hebt Sobański die Gaben hervor, die dem Men­ schen von Gott geschenkt und anvertraut werden. Zur Verdeutlichung ver­ wendet er das Bild vom Heilsmittel und der Heilsfrucht.137 Kirche sei Heilsfrucht des Erlösungswerks Christi. Darin gründe wiederum ihr Recht und ihre Pflicht Heilsmittel zu sein. Die Rechte und Pflichten der Gläubigen seien hierin grundgelegt. Sie werden Heilsfrucht, indem sie die Gaben, die sie selbst empfangen haben, weitergeben. Dies sind für Sobański an erster Stelle Glaube, Hoffnung und Liebe.138 Nach Sobański ist die Weitergabe der von Gott empfangenen Liebe also nicht der Beliebigkeit des Einzelnen überlassen, sondern rechtlich geboten, eine Rechtspflicht.139 An dieser Aussage wurde die meiste Kritik festge­ macht, indem ihm vorgeworfen wurde, in der Gefahr einer Verrechtlichung zu stehen, insofern er den Bereich der Liebe rechtlich fassen wolle.140 Die vorgebrachte Kritik verfolgt vor allem die Intention dem Vorwurf eines Totalitätsanspruchs von Seiten des Kirchenrechtes zu wehren. In diesem Sinn schreibt Heribert Schmitz: ständnis stark geprägt ist vom Selbstverständnis der Kirche und sozusagen eine ei­ gene Qualität verkörpert, die nicht von staatlichen Rechtskonzepten abzuleiten ist. Dies könnte zwar so scheinen, insofern er Recht zunächst in der Interpersonalität gegeben sieht, wird aber im Folgenden aufgebrochen.  137  Sobański, Das Gesetz im Dienst der Liebe, 28; ders., Grundlagenproblematik des katholischen Kirchenrechts, Wien 1987, 71. Sobański greift hier auf Überlegun­ gen von Karl Rahner zurück: Karl Rahner, Grundlegung der Pastoraltheologie als praktischer Theologie. Ekklesiologische Grundlegung: Handbuch der Pastoraltheolo­ gie. Praktische Theologie der Kirche und ihrer Gegenwart I, Freiburg 21970, 124 ff. 138  Vgl. Sobański, Grundlagenproblematik, 72. „Wenn […] die Kirche sich durch Glauben, Hoffnung und Liebe als Heilsfrucht verwirklicht, damit Heilsmittel wird und den Sinn ihrer eigenen Existenz und der Zugehörigkeit der Gläubigen zu ihr erfüllt, so hat Glaube, Hoffnung und Liebe als Pflicht nicht nur einen religiösen Charakter, sondern auch einen rechtlichen. Dabei steht der rechtliche Charakter nicht neben dem religiösen – es besteht zwischen ihnen kein ‚und‘ –, sondern als reli­giöse ist es eine rechtliche Verpflichtung. Das, was der Welt seitens der Kirche gebührt, ist [!] eben der Glaube und die Liebe. Die Menschen haben ein Anrecht darauf. Wenn der Christ nicht das weiter überliefert, was er selber zum Zeugnisgeben erhal­ ten hat, leistet er nicht das suum cuique und ist nicht gerecht. Deswegen betrifft das fundamentale Gebot eben die Liebe, die für den Christen nicht eine fromme, frei­ willige Praxis ist, sondern einfach das Kriterium des Christseins bildet: ohne Liebe ist kein Christ gerecht.“ (Ebd.) Diese Kernthese findet sich bereits 1978 und auch 1985, wird allerdings an dieser Stelle am deutlichsten ausgedrückt. Auffällig, aber aus dem Textzusammenhang nicht zu erklären ist der Umstand, dass zunächst die Hoffnung und im Weiteren der Glaube nicht mehr berücksichtigt wird. 139  Vgl. Sobański, Das Gesetz im Dienst der Liebe, 28. 140  Vgl. Krämer, Besprechung von Sobański, 287.

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„Es kommt zu Grenzüberschreitungen des Rechts, wenn Recht zu Liebe und Lie­ be zu Recht und die Pflicht des Christen zur Liebe zu einer Rechtspflicht gemacht wird. Damit würde dem kanonischen Recht ein Totalitätsanspruch für das Leben der Gläubigen zugestanden, der dem Evangelium widerspricht.“141

Die Ursache für die konstatierte Gefahr eines allumfassenden Anspruchs des kirchlichen Rechts auf die gläubige Person wird in einer nicht hinrei­ chenden Unterscheidung von Recht und Moral gesehen. Diese Kritik findet sich mehrfach in Bezug auf Sobański.142 Allerdings wird sie nur selten konkreter begründet wie z. B. von Peter Krämer143, der auf das Kriterium der Durchsetzbarkeit einer kanonischen Norm im Unterschied zu einer mo­ ralischen verweist. Grundsätzlich ist diese Bestimmung zutreffend. Bei nä­ herer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass moralische Normen auch Teil des 141  Heribert Schmitz, Der Codex Iuris Canonici von 1983 im Spiegel erster Stel­ lungnahmen und Wertungen, in: MThZ 37 (1986) 3–19, 9. 142  Vgl. Krämer, Warum und Wozu, 14 f., Helmuth Pree verweist auf die ver­ schiedene Verbindlichkeit (vgl. ders., Eine Besprechung von Remigiusz Sobański, 360). Des Weiteren vgl. dazu: Schmitz, Der Codex Iuris Canonici, 9; Müller, Be­ sprechung Ministerium Iustitiae, 641; ders., Kirchenrecht – analoges Recht? Über den Rechtscharakter der kirchlichen Rechtsordnung, St. Ottilien 1991 (Dissertatio­ nen Kanonistische Reihe, Bd. 6), 69; Graulich, Unterwegs zu einer Theologie des Rechts, 291 ff. 143  Bemerkenswert ist der Umstand, dass Krämer „Durchsetzbarkeit“ als Spezifi­ kum einer Rechtsnorm und als Unterschied zu einer moralischen Norm angibt (vgl., ders., Warum und Wozu, 15). Sobański entgegnet darauf, dass zum einen das Durch­ setzbarkeit als Unterscheidungsmerkmal bei den Rechtsphilosophen selbst umstritten sei – allerdings versäumt er es diese Diskussion zu belegen – und verweist im Weiteren darauf, dass das einzige Mittel zur „Befolgung irgendeiner Norm in der Kirche“ der Glaube sei (vgl. Remigiusz Sobański, Kanonische Norm – Ethische Norm. Grundlegende Vorbemerkungen zum Problem, in: Collectanea Theologica 53 [1983] 95–100, 99), gleichwohl Differenzen in der Praxis bei Nichtbefolgung fest­ zustellen seien. An diesen Austausch anknüpfend, spricht Ludger Müller von einem grundlegenden Missverständnis (vgl. Müller, Kirchenrecht – analoges Recht?, 77 ff.) dahingehend, dass Sobański Krämers Rede von der Durchsetzbarkeit mit Erzwing­ barkeit gleichsetze und zwar im Sinne des staatlichen Zwanges. Dies könne jedoch aufgrund des grundsätzlichen Eintretens Krämers für die Religionsfreiheit nicht ge­ meint sein (vgl. ebd.). Zweifellos ist Müller dahingehend zuzustimmen, dass die Religionsfreiheit in der Theologie Krämers einen wesentlichen Markstein darstellt. Allerdings ist der Rück­ schluss Sobańskis auf den staatlichen Zwang aufgrund der Belegangabe Krämers durchaus zulässig, da Krämer auf den Rechtsphilosophen Marcic verweist, der in seiner Schrift „Rechtsphilosophie“ zwölf Grundeigenschaften des (weltlichen) Rechts benennt und dabei als achten Punkt die Sanktionsfähigkeit aufführt: „Das Recht ist zum Unterschied von Ethik und Moral zwangsfähig. Es kann sich im Zwang und kraft Zwangs ins Werk setzen.“ (René Marcic, Rechtsphilosophie. Eine Einführung, Freiburg i. Br. 1969, 160.) Marcic spricht hier vom staatlichen Zwang, dementspre­ chend ist diese Stelle nicht uneingeschränkt als Beleg für die Durchsetzbarkeit des kanonischen Rechts heranzuziehen.



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kirchlichen Gesetzbuches geworden sind144 und damit wiederum der Mög­ lichkeit einer Sanktionierung unterstehen. Zudem gilt es die Eigenart des kirchlichen Strafsystems zu berücksichtigen, in dem es sich um geistliche Strafen handelt, die auf einen Bewusstseinswandel des jeweiligen Gläubigen zielen.145 Dies ist bei der Rede von der Durchsetzungsfähigkeit mit zu be­ denken, sodass die Aussage von Sobański zutreffend ist, demnach der Glaube letztlich das einzige Mittel zur Durchsetzung auch kanonischer Normen ist146 und sich hier ein wesentlicher Unterschied zum staatlichen Recht abzeichnet. Dagegen bezweifelt Helmuth Pree, dass sich die Verbindlichkeit rechtli­ cher Normen auf den Glauben gründen lasse, besonders da viele Gesetze keinen direkten Bezug zum Glaubensinhalt aufwiesen. Naturgemäß sei beiden Normgruppen – moralisch und kanonistisch – eine andere Art der Verbindlichkeit eigen.147 Sicherlich enthält nicht jedes Gesetz einen erkenn­ baren Glaubensbezug, aber keine Norm steht in einem verbindungslosen Zusammenhang, sondern ist eingeordnet in das größere Ganze der theologi­ schen Aussagen, die den jeweiligen Abschnitten des Gesetzbuches vorange­ stellt sind. Demnach wird die Rückführung Sobańskis auf den Glauben nicht grundsätzlich entkräftet. In der Betrachtung der unterschiedlichen Argumentationsstränge zeichnen sich zwei verschiedene Verständnisbilder der Beziehung zwischen Recht und 144  Als Beispiel sei auf das Gebot zum Schutz des menschlichen Lebens verwie­ sen, dass sicherlich auch eine moralische Norm verkörpert. Diese findet sich im Abtreibungsverbot (c. 1398 CIC) wieder, dass mit der Exkommunikation als Tatstra­ fe belegt ist. 145  Diese Eigenart des kirchlichen Gesetzbuches zeigt sich in der Vielzahl theo­ logischer Aussagen, die zum einen die Rückgebundenheit des CIC an theologische Vorgaben verdeutlichen, zum anderen die Rezeption der Gesetze durch die Glau­ bensgemeinschaft befördern sollen, da das Kirchenrecht stärker als das staatlichen Recht auf einen „möglichst breiten Konsens“ unter den Gläubigen angewiesen ist (vgl. Müller, Theologische Aussagen im kirchlichen Gesetzbuch, Sinn – Funktion – Problematik, in: MThZ 37 [1986] 32–41, 39 ff.). 146  „Das einzige Mittel, das die Befolgung irgendeiner Norm in der Kirche durch­ setzen kann, ist der Glaube. Als Motiv des Verhaltens und des Bewusstseins der gemeinschaftlichen Güter, die beim Nichtbefolgen der Norm verloren gehen. Beim Fehlen des Glaubens ist weder die ethische noch die kanonische Norm imstande, sich durchzusetzen. Gerade von diesem Standpunkt aus gibt es zwischen den beiden keinen Unterschied.“ (Vgl. Sobański, Kanonische Norm – Ethische Norm, 99 f.) 147  Vgl. Pree, Besprechung, 358. Pree nimmt an dieser Stelle Bezug auf eine Replik Sobańskis im Jahr 1983, in der er seine Auffassung von einer Verhältnisbe­ stimmung zwischen einer kanonischen und einer ethischen Norm ausformulierte. Darin findet sich u. a. die Aussage, dass „[b]eide [Arten von Normen] aus dem Glauben hervor[wachsen] und […] der Praxis des Glaubens“ dienen (vgl. Sobański, Kanonische Norm, 98).

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Moral ab. Insofern von „Grenzüberschreitungen“148 gesprochen wird, handelt es sich um ein Modell der strikten Trennung von Recht und Moral. Der Ver­ dacht eines schwarz-weiß-Denkens drängt sich unwillkürlich auf. Abgesehen von der Dienlichkeit einer solchen Trennung und ihrer Auswirkung auf die Theologie als einheitliche Wissenschaft, ist es fraglich, ob sich diese Sicht­ weise als zwingend erweist. Oftmals ist es die innere Motivation zu einer Handlung, die später über die Rechtsfolgen entscheidet. Mit anderen Worten: Im staatlichen und auch im kirchenrechtlichen System erweist sich die Schuld als strafbegründende sowie strafbemessene Funktion.149 Primär ist es jedoch das Verständnis des Kirchenrechts, das von dem Ansatz seiner theologischen Grundlegung und seinem wesensnotwendigem Hervorgehen aus der Kirche selbst, einer rein äußerlichen Verankerung widerspricht. „Wenn schon für Recht allgemein gilt, daß es nicht auf die Außenseite des Handelns beschränkt ist, sondern die Innenseite bis zu einem gewissen Grad mitumschließt, dann findet im kirchlichen Rechtsdenken dieser Satz seinen Höhepunkt.“150 Letztlich können moralische und rechtliche Normen weder streng vonei­ nander getrennt noch für identisch erklärt werden. Unter Zuhilfenahme eines Bildes aus der Mengenlehre, muss ihr Verhältnis vielmehr als dasjenige zweier Kreise bestimmt werden, die eine gemeinsame Schnittmenge ha­ ben.151 Wenn also festgestellt werden konnte, dass eine strenge Trennung zwischen äußerem und innerem Verpflichtungsbereich nicht aufrecht zu er­ halten ist, stellt sich gleichwohl die Frage, inwieweit innere Akte des Glau­ bens vom Gesetzgeber rechtlich verpflichtend auferlegt werden können. Jan Vries untersucht in seiner Dissertation diese Überlegung, die in der kanonistischen Forschung eine jahrhundertelange Tradition besitzt.152 Als innerer Akt (actus interni) gelten u. a. Akte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, als sog. theologale Tugenden, sowie die innere Gottesverehrung, Anbetung, Ehrfurcht, Dankbarkeit.153 Die theologalen Tugenden sind dabei 148  Schmitz,

Der Codex Iuris Canonici, 9. Bruno Primetshofer, Art.: Recht, in: Neues Lexikon der christlichen Mo­ ral, Innsbruck / Wien 1990, 634–641, 636 ff. 150  Klaus Demmer, Moraltheologie und Kirchenrecht. Eine neue Allianz?, in: Jo­ sef Römelt / Bruno Hidber (Hrsg.), In Christus zum Leben befreit, Festschrift für Bernhard Häring, Freiburg / Basel / Wien 1992, 352–366, 356. 151  Vgl. Gerhard Otte, Recht und Moral, in: Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft, Bd.  12, Franz Böckle / Franz-Xaver Kaufmann / Karl Rahner / Bernhard Welte (Hrsg.), Freiburg i. Br. 1981, 7–36, 10. 152  Jan Vries, Gottesbeziehung und Gesetz. Grund, Inhalt und Grenze kanonischer Normierung im Bereich des religiösen Lebens des Gläubigen, St. Ottilien 1991, 49–100. 153  Vgl. ebd., 50. In der Kanonistik wird eine Unterscheidung zwischen den rein inneren Akten, also den actus mere interni, die nicht von der Außenwelt wahrge­ nommen werden können, und den actus mixti, also den Akten, die eine Verbindung 149  Vgl.



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nicht als rein innere Akte zu charakterisieren, da sie immer auch eine Be­ zeugung nach außen beinhalten.154 Aufgrund einer Befunderhebung im CIC, kommt Vries zu dem Ergebnis, dass „der Gesetzgeber an keiner Stelle […] die Akte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe […] als solches statu­ iert hat“155. Sie bleiben aber auch nicht gänzlich unerwähnt, sondern werden durchaus vom Gesetzgeber „berührt […], aber immer indirekt, in Hinblick auf oder in Verbindung mit äußeren Handlungen, Beziehungen und Gegebenheiten“156. Diesem Befund kann die These entnommen werden, dass der Gesetzgeber von einer Normierung absieht, wenn keine äußere Überprüfbarkeit möglich ist. Sobański selbst greift die Fragestellung nach der Möglichkeit einer Nor­ mierung der Liebe direkt auf: „Kann man [d. h. der Gesetzgeber] denn die Liebe etwa befehlen? Und wäre Liebe auf Befehl überhaupt noch Liebe […]?“157 Anders als Vries bezieht er sich jedoch nicht auf die kanonistische Tradition zur Beantwortung dieser Frage, sondern greift auf die neutesta­ mentliche Aussage des Liebesgebotes zurück: „Eine solche Frage wäre aber gegenstandslos – die Liebe ist nämlich schon befohlen (Mt 22,39). Für den Christen gilt es einfach diesen Befehl anzunehmen und im Leben zu verwirklichen.“158 Dieser Argumentation ist zunächst entgegenzuhalten, dass allein ein pauschaler Rückgriff auf biblische Aussagen, ohne diese im exe­ von innerem und äußerem Geschehen aufweisen, unterschieden. Die Beziehung in der zuletzt genannten Gruppe ist entweder notwendig (per se), aufgrund der Natur der Sache bzw. des moralischen Geschehens, oder bloß akzidentiell (per accidens) gegeben (ebd., 53 f.). 154  Als Beispiele nennt Vries: „Glaubensbekenntnis, Bittgebet, Geduld, Zeichen, Worte und Werke“ (ebd., 53). 155  Ebd., 58. 156  Ebd., 59. Vries verweist u. a. auf die cc. 210, 750, 752 f., 840, 898, 916, 987 CIC. 157  Sobański, Grundlagenproblematik, 74. 158  Ebd. Ergänzend fügt er hinzu: „Durch das kirchliche Gesetz wird die Liebe nicht befohlen, sondern als der der Christenheit vor- und aufgegebene Befehl aufge­ nommen und auf ihre Verwirklichung durch Förderung und Stärkung der der Liebe entsprechenden interpersonalen Beziehungen hingearbeitet.“ (ebd., 76.) Müller dia­ gnostiziert in dieser Argumentation einen Zirkelschluss, denn Sobański würde be­ reits davon ausgehen, dass es sich bei dem Gebot Christi um ein Rechtsgebot han­ dele. Ohne diese Annahme, könne die Bibelstelle nicht dem Einwand entgegen ge­ halten werden, dass Liebe nicht rechtlich forderbar sei. „In die Voraussetzung wird das eingetragen, was anschließend als Antwort wieder herausgeholt wird“ (Müller, Kirchenrecht – analoges Recht?, 68). Es ist zutreffend, dass die Diskussion durch das Argument Sobańskis auf die Ebene der Interpretation des Bibelverses gelegt wird. Zu kritisieren ist jedoch gleichzeitig, dass weder Sobański noch Müller die Stelle einer exegetischen Untersuchung unterziehen, so hält der eine es für ein Rechtsgebot, der andere nicht. Damit erliegen allerdings auch beide einem Zirkel­ schluss.

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getischen Diskurs zu betrachten, nicht weiterführt. Gleichwohl wiegt das jesuanische Gebot und die ihm anhängende kirchengeschichtliche Tradition im Bereich der Caritas schwer. Als weiterführend scheint sich an dieser Stelle eine Spezifizierung des Liebesbegriffs zu erweisen. Damit zum einen die Aussage des Gebots präziser gefasst und zugleich überprüft werden kann, ob sich dadurch die mit der theologalen Tugend verbundenen und in den äußeren Bereich ausgreifenden Verbindungen, aufzeigen lassen. Mit anderen Worten: Was ist inhaltlich mit der Verpflichtung zur Liebe Gottes und des Nächsten ausgesagt? Während das Verb „lieben“ im allgemeinen Verständnis heute primär als Gefühl, als eine stark emotionale Bindung an eine andere Person verstanden wird, lautet eine exegetische Meinung, dass dies nicht der Bedeutung des Wortes an dieser Stelle entspreche, vielmehr müsse vor allem das zeitge­ schichtliche Verständnis des Textes berücksichtigt werden.159 Demnach denken, so das Fazit von Ulrich Luz, die Leser und Leserinnen „bei ‚Gott lieben‘ nicht an ein Gefühl, auch nicht an Gebete oder an eine weltflüchti­ ge Gottesmystik, sondern an die Erkenntnis des einzigen Gottes und an den Gehorsam ihm gegenüber in der Welt“160. In dieser Perspektive meint „lie­ ben“ in Bezug auf den Nächsten ein praktisches, solidarisches Verhalten, gemäß den von Gott gegebenen Geboten.161 Das im griechischen Text ver­ wendete „ἀγάπειν“ stützt diese Aussage, da es im etymologischen Wörter­ buch an erster Stelle mit „gastlich aufnehmen“ und im Weiteren mit „gern haben, lieben“162 wiedergegeben wird. 159  „Das hebräische Verb ‫ אהב‬hat ein sehr offenes Bedeutungsspektrum, das von sexueller Liebe über Liebe zu Familienmitgliedern, Freunden, politischen Loyalitäts­ beziehungen bis hin zur Beziehung zu Gott reicht. In der jüdischen Auslegung von Dtn 6,5 äußert sich ‚Liebe zu Gott‘ in erster Linie in Taten des Gehorsams, der Frömmigkeit, der Torahtreue. Gott lieben heißt, sein Leben für seine Gebote hinzu­ geben.“ (Ulrich Luz, Das Evangelium nach Matthäus, Mt 18–25, Zürich  /  Einsie­ deln / Köln 1997 (EKK, I / 3), 279.) 160  Luz, Das Evangelium nach Matthäus, 279. Wiederum ist ‚lieben‘ vom Bibel­ text und der zeitgenössischen jüdischen Auslegung her zu füllen. Wichtig ist der Kontext von Lev 19,11–18: „Er handelt von den grundlegenden ethischen Geboten Gottes gegenüber den Nächsten, auch gegenüber einem sozial Schwachen oder ei­ nem Gerichtsgegner. […] Es handelt sich entsprechend der Auslegungstradition um Israelit / innen […]. Lediglich die Fremden im Land Israel, denen dieses Recht auch gilt, sind eingeschlossen (Lev 19,34) […].“ (ebd.) 161  Vgl. ebd. 162  Vgl. Hjalmar Frisk, Griechisches etymologisches Wörterbuch, Bd. 1, Heidel­ berg 1960, 7. Die griechische Sprache verwendet verschiedene Bezeichnungen für das Verb „lieben“ und unterscheidet damit verschiedene Arten von Liebe. Im Vor­ dergrund stehen dabei die drei Begriffe: ἀγάπη, ἔρωϚ und φιλία Vgl. dazu auch die Ausführungen zur Enzyklika Deus caritas est, in der der Papst auf die Unterschei­ dung von Eros und Agape eingeht.



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Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es gerade in Bezug auf das Gebot Jesu Christi zur Gottes- und Nächstenliebe zu einer Überschneidung des moralischen und kanonistischen Bereiches kommt. Das Gebot wird nicht durch eine rein innerlich geübte Tugend erfüllt, sondern bedarf der konkre­ ten äußeren Handlung. Daher ist das Gebot innerhalb der Argumentations­ linie von Vries durchaus im kirchenrechtlichen Sinn normierbar. Das heißt in Konsequenz, dass die Rede Sobańskis von einer Rechtspflicht der Gläu­ bigen zur Liebe zutreffend ist, insofern das Wort „lieben“ inhaltlich mit Caritas wiedergegeben wird. b) Der barmherzige Samariter (Lk 10,30–37) Die Parabel vom barmherzigen Samariter bildet durch ihre Verbindung mit dem Doppelgebot eine einzigartige Symbiose, indem sie mithilfe einer beispielhaften Erzählung erläutert, wer als „der Nächste“ anzusehen ist. Dem damaligen Wortverständnis entsprechend verstand das Judentum die Rede vom „Nächsten“ in Lev 19,18 nicht in seiner universalen Auswei­ tung.163 Zwar geben Mk 12,31 und Mt 22,39 keine Definition an, wer unter „deinem Nächsten“ zu verstehen ist, aber dass davon ausgegangen werden kann, dass Jesus selbst dem Begriff eine neue Interpretation gegeben hat, belegt die lukanische Komposition. Dort mündet das Doppelgebot in die Parabel vom barmherzigen Samariter. Die Frage des Gesetzeslehrers: „Und wer ist mein Nächster?“ bildet das Scharnier zwischen beiden Abschnitten. Wenn das Doppelgebot als Fundamentalnorm, als Handlungsanweisung, zu bezeichnen ist, findet sie in dieser Perikope dessen konkrete Ausgestal­ tung und Veranschaulichung. Sie illustriert also gleichermaßen dazu, wie Nächstenliebe zu praktizieren ist. Gleichzeitig dient sie in Bezug auf die folgende Textstelle von Marta und Maria (Lk 10,38–42) als Pendant zur Gottesliebe.164 Der Evangelist Lukas zeichnet demnach in den VV. 25–42 163  „Aussagen über universale Menschenliebe gibt es sowohl im palästinischen Judentum als auch noch weitaus häufiger im griechischsprachigem Judentum, wo φιλαντρωπία ein programmatischer Begriff ist, der die zweite Dekalogtafel zusam­ menfaßt. Sie werden aber kaum mit Lev 19,18 oder mit dem Ausdruck ‚der Nächste‘ verbunden. Anders wird dies erst im Kontext der Jesustradition: Matthäus weitet zu­ sammen mit der ganzen Jesustradition τὸν πλησίον aus auf alle Menschen. Das ergibt sich klar aus der sechsten Antithese von der Feindesliebe (Mt 5,43–48) und aus der die Bergpredigt zusammenfassenden, universal formulierten Goldenen Regel (7,12). Darum kann er das Nächstenliebegebot uneingeschränkt positiv zitieren (19,19) und muß, wenn er es in dem im Judentum üblichen eingeschränkten Sinn versteht, eine Zufügung machen (5,43).“ (Luz, Das Evangelium nach Matthäus, 279.) 164  Vgl. François Bovon, Das Evangelium nach Lukas, Lk 9,51–14,35. Zü­ rich / Düsseldorf 1996 (EKK, III / 2), 98.

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des zehnten Kapitels ein Bild von Caritas in ihrer inhaltlichen Kernaussage als wesenhafter Zusammenhang von Gottes- und Nächstenliebe. Die Parabel selbst kann in drei Abschnitte gegliedert werden: Sie beginnt mit dem Ausgangsszenario (V. 30), in dem der Überfall auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho in seiner Dramatik beschrieben wird. Daran schließen sich drei einzelne Begegnungen von Personen an, die dem Schwerverletzten begegnen (VV. 31 ff.). Die Parabel endet mit dem Bericht über das Hilfshan­ deln für den Verletzten (VV. 34 f.).165 Im Anschluss wird der Rahmen, der zu Beginn durch die aus dem Doppelgebot hervorgegangene Frage gegeben war, wieder aufgenommen, indem Jesus die Frage nach dem Nächsten an den Fra­ gesteller zurückgibt und gleichzeitig einen Perspektivenwechsel vornimmt: Wer hat sich dem Verletzten als Nächster erwiesen? (VV. 36 f.). Im Rahmen der Erhebung eines biblischen Befundes zur Grundlegung der Caritas können mithilfe dieser Perikope drei Charakteristika der Caritas ausgemacht werden. Die erste erfolgt in negativer Form durch die Beschreibung der vorüberge­ henden Personen. In der Charakterisierung der Personen, die nicht helfen, liegt eine Provokation für den ursprünglichen Hörerkreis der Parabel begrün­ det, indem sie in Beziehung gestellt werden zu demjenigen, der dem Verletz­ ten zum Nächsten wird. Eine besondere Brisanz erfährt die Perikope durch die beiden Personen, die die offizielle und angesehene Welt des Kultes reprä­ sentieren, sich aber gänzlich anders verhalten als erwartet. Der Priester, der vermutlich seinen Dienst im oder am Tempel in Jerusalem verrichtet hat, geht einfach an dem Schwerverletzten vorbei. „Anstatt die Nächstliebe mit dem Gottesdienst zu verbinden, unterläßt er die Barmherzigkeit, durch welche der Glaube erst vollkommen wird.“166 In dieser näheren Betrachtung fällt auch auf, dass „jeder der genannten Reisenden allein an dem Verletzten vorbei kommt und ihn auch sieht“, d. h. keiner hat die Möglichkeit die Verantwor­ tung von sich zu weisen, „jeder ist für sich selbst gefragt“.167 Bezogen auf den Priester und den Leviten wird oft auf die Reinheitsvorschriften im jüdi­ schen Kult hingewiesen, die insbesondere die Priester betrafen. Diese sollten jeglichen Kontakt zu unreinen Personen und Sachen meiden, dazu zählten auch Tote (vgl. Lev 5,2–3; 21,1–3; Num 5,2; 6,6–8).168 In der Parabel wird 165  Vgl. Ruben Zimmermann, Berührende Liebe. Der barmherzige Samariter – Lk 10,30–35, in: Ruben Zimmermann  /  Detlev Dormeyer (Hrsg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 538–555, 538 f. 166  Bovon, Das Evangelium nach Lukas, 89. 167  Vgl. ebd., 538. 168  Richard Bauckham, The Scrupulous Priest and the Good Samaritan: Jesus’ Parabolic Interpretation of the Law of Moses, in: New Testament Studies (NTS) 44 (1998) 475–489, 477.



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auf die Möglichkeit hingewiesen, dass der Priester und der Levit den Verletz­ ten für vermeintlich tot hielten. Zudem ist in der Hilfsverweigerung des Le­ viten eine Steigerung gegenüber dem Priester impliziert, weil jener nicht den gleichen Reinheitsvorschriften unterlag wie der Priester.169 Eine weitere Zuspitzung in der Provokation erfährt die Erzählung in den Personen des Samariters und des Gastwirts. Bei der erwähnten Herberge handelt es sich, da für die Unterkunft bezahlt werden muss, um eine ge­ werbliche Herberge, also geht es hier nicht um Gastfreundschaft. Trotzdem überträgt der Samariter dem Wirt die weitere Verantwortung für die Pflege. „Wenn schon die Vorbildhaftigkeit des Samariters für jüdische Ohren eine Zumu­ tung darstellte, so muss die Übertragung der Pflege an den Wirt gänzlich als Provokation gelten. Ausgerechnet der gewerblich arbeitende Wirt, wahrscheinlich sogar ein Nichtjude, wird in die vorbildliche Erfüllung des Toragebotes der Nächstenliebe einbezogen.“170

Welche Aussagen können nun, im Sinne einer zweiten Grundaussage zur Caritas, anhand der Perikope über den Nächsten getroffen werden? Zuerst ist zu beobachten, dass das Wort ein Beziehungsbegriff ist, denn innerhalb der Perikope kehrt sich seine Bedeutung um, insofern zu Beginn der Geset­ zeslehrer danach fragt, wer sein Nächster im Sinn des Doppelgebotes sei. In der Rückfrage Jesu am Ende der Textstelle dreht sich die Perspektive: „Wer von diesen dreien hat sich als der Nächste […] erwiesen“ (Lk 10,36)? Diese Unterscheidung kann aber, mit François Bovon, durchaus vernachläs­ sigt werden und zwar aus dem Grunde, weil die Personen sich im Kontakt miteinander gegenseitig nahe kommen und sie sich damit gegenseitig zum Nächsten werden.171 Dass die genannte Differenzierung vernachlässigt wer­ den kann, heißt nicht, dass sie unwichtig wäre, sondern dass sie dem Text­ verständnis nicht schadet. Vielmehr ist es ein wesentlicher Charakterzug des Textes, dass er in der Bestimmung des Nächsten die Perspektive weitet, indem er zwischen dem Nächsten als Subjekt und dem Nächsten als Objekt oszilliert. Es gibt „einen Nächsten an beiden Enden der Kommunikation der Liebe […]: im Gebot (10,27) ist es der Empfänger, das Objekt des Erbar­ 169  Vgl. Zimmermann, Berührende Liebe, 552. Die Leviten bilden im AT immer eine Gruppe, die den Priestern, also dem Priestergeschlecht des Aaron, stets nach­ geordnet sind. Besonders in den Büchern der Chronik werden sie als „Kultpersonal zweiten Ranges“ beschrieben, wenngleich ihre Aufgaben gegenüber früheren Erwäh­ nungen ausdifferenzierter sind: „Zuständigkeit v. a. für den Kultgesang (1 Chr 6,16– 32; 16;25), die Aufsicht über die Tempelgeräte (1 Chr 9,26–32; 26,20–28) und als Torhüter (1 Chr 9,19–26; 26,1–19). Sie übernehmen auch Aufgaben in Verwaltung, Recht und Lehre (1 Chr 26,29–32 [u. a.])“ (Ulrich Dahmen, Art.: Leviten, in: LThK3, Bd. 6, 1997, 865 ff., 866). 170  Zimmermann, Berührende Liebe, 552. 171  Vgl. Bovon, Das Evangelium nach Lukas, 92.

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mens, in der Parabel (10,36) der Sender, das Subjekt des Mitleids“172. Diese Feststellung „erinnert einerseits daran, daß die christliche Ethik be­ ziehungshaft ist und daß ich, wenn ich mich anderer Menschen annehme, mich an sie binde, und sie sich umgekehrt an mich binden“173. Andererseits zeigt die Parabel auf, dass die Beschreibung des Nächsten nichts Objektives in der konkreten Situation hat, sondern betont, dass das Gebot der Nächs­ tenliebe jeden Christen und jede Christin auffordert, einem anderen zum Nächsten zu werden und nicht nur einen Nächsten zu haben.174 In diesem Sinn endet die Perikope mit dem Handlungsimpuls: „Dann geh und handle genauso!“ (Lk 10,37) Der dritte Aspekt, der sich in der Perikope im Sinne einer Grundaussage über das Wesen der Caritas findet, besteht in einer Begrenzung derselbigen. Das Vorgehen des Ersthelfers zeigt, dass dieser nicht in der Gefahr steht, sich selbst in dem Handeln zu verlieren.175 Er organisiert und sichert die weitere Versorgung. Er erwartet nicht, dass andere genauso selbstlos han­ deln wie er. Durch das Geld macht er die Wirtsherberge zu einem „diako­ nischen Dienstleistungsbetrieb“176 – aber nicht in einem abwertenden Sinn. Die Leserichtung vom Doppelgebot hinzunehmend, kann hier vielmehr die Umsetzung des „wie dich selbst“ gesehen werden. „Während die Gotteslie­ be völlige Hingabe erfordert, findet die Nächstenliebe ihr Maß und ihre Begrenzung in ‚der Wahrung berechtigter Eigeninteressen‘.“177 c) Vom Weltgericht (Mt 25,31–46) Die vorangegangene Schriftstelle beim Evangelisten Lukas setzte ein mit der Frage des Gesetzeslehrers, was er tun müsse, um das ewige Leben zu 172  Ebd., 173  Ebd.

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174  Vgl. ebd. Zimmermann geht auf den Perspektivenwechsel in der Bestimmung des Nächsten (Frage des Schriftgelehrten – Frage Jesu) ein. „Die Kategorie des ‚Nächsten‘ erschließt sich nicht über eine Bestimmung des ‚Nächsten‘ als Adressat oder gar als Objekt meiner Liebesbemühungen, sondern nur indem ich durch mein Mit-leiden selbst zum Nächsten werde“. Es geht in der Parabel nicht um Gebotsbe­ achtung, alle drei Personen sind mit den Geboten der Tora vertraut. Im Mittelpunkt steht eindeutig das sich Anrühren lassen vom Gegenüber in der konkreten Situation, fern ab von jeder theoretischen Reflexion (vgl. Zimmermann, Berührende Liebe, 549). 175  Vgl. ebd., 552. 176  Ebd. 177  Ebd., unter Verwendung eines Zitats von: Hartwig Thyen, Gottes- und Nächs­ tenliebe, in: Gerhard Karl Schäfer u. a. (Hrsg.), Diakonie – biblische Grundlagen und Orientierungen. Ein Arbeitsbuch zur theologischen Verständigung über den diakoni­ schen Auftrag, Heidelberg 31998, 263–296, 275.



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erlangen. Daraufhin antwortete ihm Jesus mit den Geboten der Gottes- und Nächstenliebe, deren Erfüllung ihm jenes gewähren. Auf dem Hintergrund dieses Gedankens stellt die Perikope vom Weltgericht sozusagen eine exem­ plarische Veranschaulichung des Doppelgebotes dar. Im Unterschied zur Parabel vom barmherzigen Samariter wird aber der Zusammenhang beider Gebote deutlicher hervorgehoben und zudem die Konsequenzen einer Nicht­ beachtung in ihrer Endgültigkeit unterstrichen. Die Perikope bildet den Schluss der Rede über die Endzeit, die mit dem 24. Kapitel des Mt-Evangeliums begonnen hatte. Ihm folgt der Bericht über das Leiden und die Auferstehung Jesu Christi ab dem 26. Kapitel. Der Form nach handelt es sich um eine Gerichtsszene universalen Charak­ ters, in der der Menschensohn die Völker zusammenruft und sie in zwei Gruppen scheidet. Die Beurteilungsgrundlage bildet dabei die Beachtung bzw. Nichtbeachtung des Gebotes der Nächstenliebe, welches selbst nicht be­ nannt, sondern konkretisiert wird in Form von sechs verschiedenen Werken (Hungrige speisen, Durstige tränken, Nackte bekleiden, Fremde beherbergen, Kranke und Gefangene besuchen). Diese werden seit frühchristlicher Zeit Werke der Barmherzigkeit genannt. Entscheidend für die Gerichtssituation ist, dass hier der Menschensohn offenbart, dass sie das, was sie für einen seiner geringsten Brüder getan haben, ihm selbst getan haben. Das Bild vom Weltgericht verdeutlicht also noch einmal die Bedeutung des Doppelgebotes als „zentrale[s] Lebensprinzip des Christen, ohne [dessen] Verwirklichung keine Aussicht auf das Heil besteht“178. Die Barmherzigen erhalten Anteil am Reich Gottes, die anderen werden ausgeschlossen. Der Perikope zufolge wird der Maßstab im endzeitlichen Gericht die ausgeübte Liebe sein. Demnach konzentriert sich in diesem Text die gesamte Verkündigung Jesu Christi, „für den die Liebe das oberste Gebot ist“179 (vgl. Mt 5,21–48; 22, 34–40). Der Text wurde in allen kirchengeschichtlichen Epochen zu einem „Grundtext der Diakonie“180. Wie gesagt, geht auf ihn die Liste der sechs Werke der Barmherzigkeit zurück. Laktanz erweitert die Zahl um ein wei­ teres Werk, Tote begraben (vgl. Tob 1,17), auf sieben.181 Der Grundlagen­ charakter des Textes für die christliche Caritas ist signifikant. In diesem Sinn konstatiert auch Ulrich Luz: „In allen wichtigen Texten bis hin zum neuen katholischen Katechismus wird immer wieder Mt 25 zitiert, wenn es darum geht, zur Diakonie zu ermutigen oder sie theologisch zu begründen.“182 178  Klein,

Christ und Kirche in der sozialen Welt, 323. Das Evangelium nach Matthäus, 541. 180  Ebd., 522. 181  Lactantius, Epit. 60,7 = CSEL 19,746. 182  Luz, Das Evangelium nach Matthäus, 522. „Die Ankündigung des großen Weltgerichts Mt 25 mit den sog. ‚Werken der Barmherzigkeit‘ als Prüfstein wirkte 179  Luz,

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d) Die Apostelgeschichte aa) Apg 2,42–47 Die Perikope bildet den ersten von insgesamt drei Sammelberichten183 in der Apostelgeschichte. In diesen Summarien beschreibt Lukas in kompri­ mierter Weise die wesentlichen Charakteristika der frühen Gemeinde. Nach Rudolf Pesch handelt es sich in dem ersten Text um eine kontext­ gebundene Erzähleinheit.184 Der Text schließt direkt an die Erzählung vom Pfingstfest (Apg 2,1–41) an und schildert damit das Leben der neuen Ge­ meindemitglieder. Durch die Verse 41 und 47 ergibt sich eine Rahmung durch den jeweiligen Hinweis auf das Wachstum der Gemeinde. Der Text selbst lässt sich einteilen in zwei Abschnitte, der erste Teil spricht vom Leben der Neubekehrten (42 f.), der zweite vom Leben der gesamten Ge­ meinde (44–47).185 Dabei finden sich allerdings die Elemente, die zunächst in komprimierter Fassung für die Neubekehrten ausgesagt werden, erneut in breiterer Entfaltung in Bezug auf das gesamte Gemeindeleben, wodurch die Bedeutung dieser Kennzeichen nochmals unterstrichen wird. Die Perikope bietet also in konzentrierter Form die „konstitutiven Ele­ mente des Gemeindelebens“186, welche die Gemeinde aus späterer Perspek­ tive als ecclesia primitiva erscheinen lassen.187 Sie ist gekennzeichnet durch die vier Elemente (V. 42) des Festhaltens an der Lehre der Apostel, der Gemeinschaft, dem Brechen des Brotes und den Gebeten. Hervorgehoben sind hier demnach Momente der Verkündigung (μαρτυρία) der Gemeinschaft zu allen Zeiten – in Verbindung mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter Lk 10,25 ff. – als Magna Charta christlicher Liebestätigkeit.“ (Theodor Strohm, Art.: Liebestätigkeit, II. Christliche Liebestätigkeit, in: RGG4, Bd. 5, 2002, 363–366, 364.) 183  Die weiteren: 4,32–35 (die Gütergemeinschaft der Gläubigen); 5,12–16 (Zei­ chen und Wunder durch die Apostel). 184  Rudolf Pesch, Die Apostelgeschichte, Apg 1–12, Zürich  /  Düsseldorf 1986 (EKK, V / 1), 130. 185  Ebd. 186  Ebd., 133. 187  Ebd. „Von Anfang an also zeigt sich die christliche Gemeinde in ihrer dreifa­ chen Gestalt: als Kultgemeinde, die – mit ihrem erhöhten Herrn – Gottesdienst fei­ ert, als glaubende Gemeinschaft, die Zeugnis gibt von Christus und seinem Heils­ werk und in der apostolischen Lehre verharrt, als Bruderschaft, die füreinander eintritt und in der jeder brüderlich die Nöte des anderen mitträgt.“ (Degenhardt, Hans-Joachim, Die Liebestätigkeit in den Gemeinden der apostolischen Zeit, in: Remigius Bäumer / Heimo Dolch [Hrsg.], Volk Gottes. Zum Kirchenverständnis der Katholischen, Evangelischen und Anglikanischen Theologie, Festgabe für Josef Hö­ fer, Freiburg / Basel / Wien 1967, 243–253, 246  f.)



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(κοινωνία) und der Liturgie (λειτουργία) in der Feier der Eucharistie und den Gebeten. In der weiteren Beschreibung kommen aber auch noch Aspekte der Cari­ tas (διακονία) hinzu, die demnach auch wesenhaft zum Leben der frühen Kirche dazugehörten: die gemeinsame Agape-Feier (V. 46) sowie, dass sie alles gemeinsam hatten (V. 44). Dieser zweite Gedanke wird in V. 45 näher ausgeführt: „Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte.“ Die geschilderte Gütergemeinschaft hier wie in Apg 4,32 wird unter­ schiedlich bewertet. Rudolf Pesch wie auch Murry J. Harris sprechen sich allerdings gegen die Sichtweise aus, dass hier ein kommunistisches Ideal abgebildet würde.188 Nach Pesch handelt es sich um eine von Lukas vorge­ nommene idealisierte Beschreibung, die eine gemeinsame Nutzung und ei­ nen fallweisen Verkauf von Besitz generalisiert; gleichwohl ist damit aber eine theologische Aussage verbunden: „[S]ie halten fest, daß der (Auferste­ hungs-)Glaube der Christen nicht spiritualisiert werden darf, sondern des ‚Zeugnisses‘ (4,33) im gemeinsamen wirtschaftlichen Leben bedarf.“189 bb) Apg 4,32–37 Während im ersten Sammelbericht die Caritas in Form der Gütergemein­ schaft ein Charakteristikum neben drei anderen in der frühen Gemeinde war, welche in Ausgewogenheit zueinander beschrieben werden, stellt das zweite Summarium die Gütergemeinschaft in den Mittelpunkt seiner Aussage. Lukas stellt der Perikope eine Grundsatzaussage voran („Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele.“ V. 32), die gleichzeitig die Basis für das Folgende darstellt.190 Die Verse 32b-35 beinhalten dann Über­ schneidungen mit dem ersten Summarium; besonders in der Bemerkung: „sie hatten alles gemeinsam“ (V. 32b). Vers 33 unterbricht kurz das Rühmen der Gütergemeinschaft, indem Lukas einen Hinweis auf die Verkündigungs­ kraft der Apostel einfügt. Jene wird aber in Vers 34 direkt fortgeführt und zwar in zugespitzter und gleichzeitig detaillierterer Form: 188  Vgl. Pesch, Die Apostelgeschichte, 182; Murry H. Harris, The Second Epist­ le to the Corinthians. A commentary on the Greek text. Grand Rapids, Michigan 2005 (The new international Greek Testament commentary), 88: „This was no luxu­ rious ‚experiment in communism‘ or reckless liquidation on capital assets, but an economic necessity to ensure corporate survival.“ 189  Pesch, Die Apostelgeschichte, 131. 190  Die Aussage erinnert an Dtn 6,5 und daran, dass Israel dort als Volk aufge­ fordert wird, JHWH mit ganzem Herzen und ganzer Seele zu lieben (vgl. auch Dtn 10,12; 11,13.18; 13,4 u. ö.).

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„Es gab auch keinen unter ihnen, der Not litt. Denn alle, die Grundstücke oder Häuser besaßen, verkauften ihren Besitz, brachten den Erlös und legten ihn den Aposteln zu Füßen. Jedem wurde davon so viel zugeteilt, wie er nötig hatte.“ (VV. 34 f.)

Die nachfolgenden Verse 36 f. mögen eine in der Tradition schon mit dem Text verbundene Einzelnachricht über den beispielhaften Verkauf des Hauses des Barnabas sein, die dann terminologisch mit dem Summarium abgestimmt wurde.191 Erfolgte in Apg 2,44–47 eine Beschreibung der Gemeinde in Gänze, wird an dieser Stelle ein Aspekt, näherhin der der Caritas, herausgegriffen und in seiner Wirk- und Funktionsweise charakterisiert. Wobei dieses Merkmal al­ lerdings nicht losgelöst von den anderen existiert, dies zeigt schon der Ein­ schub über die Verkündigungstätigkeit. Erst das Zusammenspiel der grundle­ genden Merkmale führte im Bereich der Caritas zu dieser beschriebenen Pra­ xis. Es handelte sich um eine freiwillige Abgabe bzw. Mitanteilgabe. Pesch erklärt diese Gütergemeinschaft auf dem Hintergrund einer „ekklesiale[n] Wirklichkeit, in welcher gemäß der Verschränkung von Gottes- und Nächs­ tenliebe (vgl. Lk 10,25–28 par Mk 12,28–34) und ihrer konkreten Vermitt­ lung im ‚Volk Gottes‘ jeder freiwillig über seinen Besitz zugunsten der Glau­ bensgemeinschaft und jedes bedürftigen Bruders in ihr verfügt“192. cc) Apg 6,1–7 Lukas berichtet in dieser Texteinheit von der Wahl der Sieben. Dabei wird die Perikope zunächst an die vorangegangene Schriftstelle durch die zeitliche Aussage „in diesen Tagen“ angeschlossen und gerahmt durch den Hinweis auf das Wachstum der Gemeinde (VV. 1 u. 7). Diese Bemerkung ist aber nicht nur formales Element, sondern zugleich Begründung des an­ geführten Dissenses. Die Erzählung gliedert sich in drei Teile. Sie beginnt mit der Schilderung der entstandenen Not- bzw. Konfliktsituation (V. 1), an die sich ein Lö­ sungsvorschlag anschließt (VV. 2 ff.), der wiederum umgesetzt wird in der Wahl der Sieben (VV. 5 f.). Zuletzt schließt sich in V. 7 die Bemerkung über die Vermehrung der Gemeinde an, die als positive Konsequenz aus der Wahl aufgefasst werden kann.193 Inhaltlich wird berichtet, dass die Zunahme an Christen zu einer Konflikt­ situation in der Gemeinde führt, insofern die Witwen der griechisch spre­ 191  Pesch,

Die Apostelgeschichte, 181. 182. 193  Vgl. ebd., 225. 192  Ebd.,



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chenden Judenchristen, Hellenisten genannt, bei der täglichen Essensversor­ gung übersehen werden. Den Informationen des Textes folgend, waren die Hebräer, also die aramäisch sprechenden Judenchristen, für diesen caritati­ ven Versorgungsdienst zuständig. Diese Situation führt zu einer Gefährdung der von Lukas so herausgestellten Einmütigkeit (vgl. 2,46; 4,24; 4,32 u. ö.). Die Frage, inwieweit die Zwölf an dieser Aufgabe selbst beteiligt waren, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit beantworten. Pesch hält es jedoch nach Apg 4,35.37; 5,2 für wahrscheinlich. Interessanter Weise wird im Kontext des Lösungsvorschlages von Seiten der Zwölf die Konfliktlage nicht benannt, sondern eine zweite Perspektive hinzugenommen, nämlich die Frage nach den Zuständigkeiten innerhalb der Gemeinde. Die Apostel erklären die Verkündigung zu ihrer primären Auf­ gabe, die durch „den Dienst an den Tischen“ (V. 2) nicht gefährdet werden dürfe. Als ratsam erscheint ihnen daher die Wahl von eigens zu diesem Dienst bestellten Männern, die sich durch „guten Ruf“ und eine Fülle an „Geist und Wahrheit“ (V. 3) auszeichnen müssen. Dieser Vorschlag findet Zustimmung und wird umgesetzt. Die Sieben genannten werden nach ihrer Wahl durch Gebet und Handauflegung in ihr Amt eingeführt (V. 6).194 Die im Blickwinkel dieser Arbeit bemerkenswerten Äußerungen der Pe­ rikope liegen demnach zum einen in der zur beschriebenen Zeit bestandenen Einrichtung einer festen caritativen Versorgung der Bedürftigen durch Ge­ meindemitglieder, die für organisierte Mahlzeiten sorgten.195 Dies ist gleich­ zeitig ein Beleg, dass sich die caritative Dimension der Gemeinde nicht in der bereits beschriebenen Gütergemeinschaft (vgl. 2,44; 4,32.34–37) und der an die Eucharistie angeschlossenen Agape-Feiern (vgl. 2,46) erschöpfte, sondern in systematischer Weise auf die gegebenen Bedürfnisse einging. Eine zweite Aussage des Textes besteht darin, dass Lukas, indem er den „Wortdienst“ und „Tischdienst“ einander gegenüber stellt, eine gegliederte Gemeindeverfassung zeichnet, die verschiedene Aufgabenbereiche in sich einschließt.196 Jenseits der Aufgabenteilung ist die Gemeinde jedoch ein­ heitlich. Zusammenfassend betont Lukas also, „daß sich in den Gemeinden auftretende Spannungen lösen lassen, wenn die Prioritäten richtig gesetzt werden und der Verkündigungsauftrag der Gemeinde und ihrer Vorsteher 194  Die hier genannten wurden erst zu späterer Zeit mit der dritten Amtsstufe innerhalb der kirchlichen Hierarchie, den Diakonen, identifiziert. Ausdrücklich zu­ erst von Irenäus von Lyon (Haer I, 26,3; III, 12,10; IV, 15,1). 195  Pesch spricht von einer „täglichen ‚Diakonie‘, der Versorgung der Bedürfti­ gen“, die er als eigenständige Einrichtung der Urgemeinde ansieht, wenngleich sie auf jüdische Vorbilder zurückgreifen konnte. Vgl. Pesch, Die Apostelgeschichte, 227. 196  Vgl. ebd., 228.

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nicht hintangesetzt wird, sondern die primäre Verpflichtung bleibt – frei­ lich die Verpflichtung einer Gemeinde, in der es keine Bedürftigen geben darf (4,34)“197. e) Die Kollekte des Paulus für Jerusalem (2 Kor 8f.; 1 Kor 16,1–4; Röm 15,25–28) „No clearer evidence exists of Paul’s commitment to social service and his abili­ ties as a skilled strategist than the ‚collection for the poor‘ to which he devotes a considerable part of his time and energy during A.D. 52–57.“198

Dieses Zitat von Murray J. Harris ist nur ein Beispiel für die vielfältigen exegetischen Besprechungen, die die Kollekte des Paulus in ihrer caritativen Bedeutung erfasst haben. Ein anderes stammt von Joachim Gnilka, der die Kollekte als „die erste caritative Großaktion der Christenheit“199 beschreibt. Alfred Hierold schließlich ordnet die Schilderung als das „älteste christliche Zeugnis“ dafür ein, dass die Gläubigen von Beginn der Kirche an „nach dem Gebot und Beispiel Jesu Verantwortung für die Kranken, Armen und Notleidenden empfunden und tatkräftige Hilfe geleistet“200 haben. Diese Zitate zeugen bereits von dem außergewöhnlichen Stellenwert, welcher der Kollekte des Paulus als caritatives Unterfangen zugesprochen wird. Inhaltlich geht es um die auf dem Apostelkonzil (ca. 48 n. Chr.) beschlos­ sene (vgl. Gal 2,10) und im Frühjahr 56 der Jerusalemer Gemeinde durch Paulus und seine Begleiter überbrachte Kollekte.201 An den Spenden hatten sich die Gemeinden in Achaia, explizit auch Korinth, und in Mazedonien beteiligt.202 Der Anlass für die Kollekte lag begründet in der schlechten wirtschaftlichen Situation der Jerusalemer Urgemeinde. Dies war allerdings zunächst kein Kennzeichen der Judenchristen, sondern ein Merkmal nahezu 197  Ebd.,

232. J. Harris, The Second Epistle to the Corinthians. A Commentary on the Greek Text, Michigan 2005, 87. 199  Joachim Gnilka, Das unterscheidende Merkmal christlicher Caritas. Die Kol­ lekte des Apostels Paulus für die Armen in Jerusalem – Modell für christliche Ca­ ritas heute?, in: Deutscher Caritasverband (Hrsg.), Caritas ’77. Jahrbuch des Deut­ schen Caritasverbandes. Karlsruhe 1977, 34–41, 34. 200  Hierold, Grundlegung und Organisation, 1. 201  Vgl. Gnilka, Das unterscheidende Merkmal, 34. Anders Harris: Er hält eine Übergabe im Jahr 57 für wahrscheinlich. (Harris, The Second Epistle to the Corin­ thians, 88.) 202  Vgl. Harris, The Second Epistle to the Corinthians, 91 ff. Dieser weist darauf hin, dass allein die Nichterwähnung der Gemeinden in Kleinasien und Galatien hin­ sichtlich einer Beteiligung an den Spenden, kein hinreichendes Indiz ist, um zu schlussfolgern, dass sie sich bzgl. der Kollekte nicht eingebracht hätten. 198  Murray



II. Grundlegung der Caritas69

der gesamten Bevölkerung Jerusalems. Diese setzte sich primär aus Zuge­ zogenen zusammen, die ihren Lebensabend dort verbringen wollten. Der überdurchschnittliche Anteil an alten Menschen förderte die Armut. In der Diaspora wurde allerdings durch Spendenaufrufe für die Tempelgemeinde versucht der prekären sozialen Lage einiger Gemeindemitglieder entgegen zu wirken.203 Die frühen christlichen Gemeinden bestanden vor der sog. Heidenmission ausschließlich aus Konvertiten und fielen, als sich die Loslösung von der jüdischen Gemeinde abzeichnete, aus der jüdischen Armenfürsorge heraus. „Die paulinischen Gemeinden schließen mit ihrer Kollekte für die Mutter­ gemeinde in Jerusalem zunächst an die Tradition der jüdischen Diaspora an.“204 Auf die Durchführung der Kollekte verweist Paulus in 2 Kor 8 und 9 sowie in 1 Kor 16,1–4 und Röm 15,25–28.205 Im Folgenden wird es darum gehen, die Frage nach dem Sinn der Kollekte und die Begründungen, mit denen Paulus um diese bittet, zu klären. Auf den ersten Blick mag die Sinnhaftigkeit der Kollekte bereits mit dem Hinweis auf die wirtschaftliche Situation der Urgemeinde in Jerusalem als beantwortet gelten. Die paulinischen Texte setzen diese jedoch als bekannt voraus und stellen stattdessen die Bedeutung der Gabe für die spendenden Gemeinden in den Vordergrund.206 Dies wird, wie u. a. Christian Wolff auf­ zeigt, besonders durch die verwendeten Termini ersichtlich.207 Im Bezug auf die finanzielle Unterstützung benutzt Paulus den Begriff διακονία (2 Kor 8,4; 9,1; 12.13). Hinsichtlich der Bedeutung sind dann aber Bezeichnungen anzutreffen wie χάριϚ, „Gnadenwerk“ (2 Kor 8,6.7.19; 9,8; 1 Kor 16,3), εύλογία, „Segensgabe“ (2 Kor 9,5 f.), als eine „Bewährung im Glauben“ (2 Kor 9,13) und in der ἀγάπη, „Liebe“ (2 Kor 8,7.8.24), als απλότηϚ „Güte“ (2 Kor 8,2; 9,11.13), als κοινωνία „Gemeinschaftserweis“ (2 Kor 8,4; 9,13; 203  Vgl. Gnilka, Das unterscheidende Merkmal, 34 f.; Harris, The Second Epist­ le to the Corinthians, 88–91. 204  Gnilka, Das unterscheidende Merkmal, 35. 205  Es sei darauf hingewiesen, dass die textkritische Diskussion die Zusammen­ gehörigkeit von 2 Kor 8 und 2 Kor 9 jeweils in sich sowie im Verhältnis der beiden Kapitel zueinander, hinterfragt. Selbst wenn an dieser Stelle die diesbezüglichen Thesen samt ihren Begründungen nicht näher beschrieben werden können, soll doch darauf hingewiesen werden, dass die kontrovers geführte Diskussion zu den sog. Teilungshypothesen auch die Kapitel 8 und 9 betreffen: „Dabei werden beide Kapi­ tel als ‚miteinander konkurrierende Dubletten‘ voneinander getrennt.“ Vgl. dazu näher z. B. Christian Wolff, Der zweite Brief des Paulus an die Korinther, Theologi­ scher Handkommentar zum Neuen Testament, Bd. VIII, Berlin 1990, 162 f. 206  Vgl. ebd., 165. 207  Vgl. dazu ebd.; Harris, The Second Epistle to the Corinthians, 554 f.

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

Röm 15,26) und schließlich sogar als λειτουργία (2 Kor 9,12208, auch Röm 15,27). Besonders in dem letzt­genannten Begriff wird die theologische Di­ mension der Kollekte vollends sichtbar: „Ein Tun, durch das Menschen zum Dank und Lobpreis Gottes veranlaßt werden, ist letztlich ein Gottesdienst.“209 Die Kollekte ist Ausdruck einer Zirkelbewegung. Das bedeutet, es handelt sich nicht um eine einseitige Bewegung von den gebenden Gemeinden hin zu den Bedürftigen in Jerusalem. Vielmehr haben die Ortsgemeinden zuerst empfangen – die Botschaft des Evangeliums von der Urgemeinde in Jerusa­ lem, also ein „Reichtum an geistlichen Gütern“210 ist ihnen zuteil geworden. Diese frohe Botschaft ist wiederum – ganz in der paulinischen Perspektive – vorgängig dem Kreuzestod Christi zu verdanken. In diesem Sinn ist die Kollekte somit Ausdruck des Dankes für die empfangenen Gaben und Lob­ preis Gottes für das erhaltene Heil. Wenn Paulus die Korinther aufruft sich in der Liebe zu bewähren, so impliziert dies den Umstand, dass sie das Evange­ lium, das sie empfangen und durch das sie zur Liebe befähigt wurden, in die Tat umsetzen. Paulus argumentiert also zum einen in christologisch-soterio­ logischer Weise, indem er die Gabe der Korinther heilsgeschichtlich einbin­ det, und zum anderen ekklesiologisch, insofern er den Gedanken der gegen­ seitigen Hilfe unter den Gemeinden profiliert.211 Die Kollekte wird verstan­ den als „an act of brotherly love“212. Dabei liegt der Gedanke nicht fern, dass sich Paulus an der Gütergemeinschaft der Urgemeinde orientiert hat.213 Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine Hauptbotschaft dieser Kollekte darin besteht, dass das caritative Handeln als theologisch verwur­ zelt verstanden und daher als solches begründet wurde, d. h. zum Helfen wurde im christlichen Gesamtzusammenhang motiviert. Ziel dieses Abschnittes war es, die neutestamentliche Verankerung des Caritasgedankens aufzuzeigen, näherhin seine Verwurzelung in der Bot­ schaft Jesu Christi und seine Bedeutung für die Urkirche zu untersuchen. 208  „Denn euer Dienst und eure Opfergabe (ή διακονία τήϚ λειτουργίαϚ ταύτηϚ) füllen nicht nur die leeren Hände der Heiligen, sondern werden weiterwirken als vielfältiger Dank an Gott“ (2 Kor 9,12). 209  Wolff, Der zweite Brief des Paulus an die Korinther, 165. 210  Ebd., 172. 211  Vgl. ebd., 170. Es handelt sich dabei aber nicht um eine gleichförmige Hilfe, wenn Paulus in 2 Kor 8,13 f. schreibt: „es geht um einen Ausgleich. Im Augenblick soll euer Überfluß ihrem Mangel abhelfen, damit auch ihr Überfluß einmal eurem Mangel abhilft.“ Dahinter steht der Gedanke, dass die Jerusalemer Gemeinde mit geistlichen Gaben aushilft. (Vgl. Röm 15,27; vgl. Wolff, Der zweite Brief des Paulus an die Korinther, 173.) 212  Harris, The Second Epistle to the Corinthians, 98. 213  Nach Pesch ist diese Möglichkeit zumindest in Erwägung zu ziehen (vgl. Pesch, Die Apostelgeschichte, 188).



II. Grundlegung der Caritas71

Zunächst konnte aufgrund des Doppelgebotes (Mk 12,28–31par) der Verpflichtungscharakter zur Gottes- und Nächstenliebe herausgestellt wer­ den, auf den im weiteren Verlauf erneut zurück zu kommen sein wird. Des Weiteren zeigte sich in den übrigen besprochenen Texten der grundlegende Charakter der beiden zentralen Gebote, da sie implizit immer zum Ver­ ständnishorizont dazu gehören. Besonders innerhalb der Perikopen vom Barmherzigen Samariter (Lk 10,30–37) und vom Weltgericht (Mt 25,31– 46) wurde dies sichtbar. In beiden Fällen wurde vorurteilsfrei, ohne Be­ rechnung und ganz ausgerichtet auf das Wohlergehen des Anderen gehan­ delt. Doch die vermeintliche Fokussierung auf das Gebot der Nächstenlie­ be berechtigt nicht zu einer Trennung der beiden Hauptgebote. Zum einen ist die Gottesliebe stets vorrangig, da Gott zuerst geliebt hat, und zum anderen ist der Kontext für den biblischen Hörer klar gegeben. Bei beiden Perikopen besteht der Zusammenhang in der Frage nach der Erlangung des ewigen Lebens. In der Beschäftigung mit der Situation in der Urkirche bzw. frühen Kir­ che zeigte sich, dass der caritative Dienst als konstitutives Element selbst­ verständlich zum Gemeindeleben dazu gehörte. Wenn auch ein idealisieren­ des bzw. generalisierendes Moment bei Lukas hinsichtlich der Summarien (Apg 2,41–47; 4,31–35) abgezogen werden muss, so ist doch an dem Fak­ tum als solches, dass der Auferstehungsglaube sich im täglichen Leben und Handeln niederschlug, festzuhalten. Hinzu kommt die Erkenntnis aufgrund von Apg 6,1–7, dass sich innerhalb der Gemeinde verschiedene Aufgaben­ felder entwickelten, zu denen von Anfang an auch die Caritas gehörte. Der Bericht des Paulus über die Kollekte für die Jerusalemer Gemeinde (2 Kor 8f.; 1 Kor 16,1–4; Röm 15,25–28) führte eine caritative Tätigkeit im großangelegten Stil vor Augen. Dabei wird dem Ausgang der Kollekte kei­ ne tragende Bedeutung zugemessen, denn er gerät innerhalb der Ereignisse aus dem Blick bzw. die Quellen dazu schweigen. Im Vordergrund stehen stattdessen die Motivationsaufrufe des Apostels. Paulus verliert sich nicht im Aufzeigen und Ausmalen der schwierigen Situation in Jerusalem, sodass die Spende ein schlichtes Almosen wäre, sondern er argumentiert vom Heils­ ereignis in Christus her und zeigt den Korinthern auf, dass sie gleicherma­ ßen in einer gebenden und empfangenden Gemeinschaft von Kirche stehen.  Eine weitere Erkenntnis wird in dem Sachverhalt sichtbar, dass in den Perikopen aus der Frühzeit der Kirche sich eine zweiseitige Zuständigkeit abzeichnet. Caritas wird weder ausschließlich von den einzelnen Gläubigen noch ausschließlich von den Gemeindeleitern bzw. von den Aposteln wahr­ genommen. Vielmehr ist es ein Zusammenwirken, in dem jede Seite sich aus ihrer je eigenen Verantwortung heraus zur Caritas berufen fühlt.

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

3. Skizze zur kirchengeschichtlichen Entwicklung der Caritas Nach dieser Betrachtung des biblischen Befundes wird im Folgenden eine Skizze der kirchengeschichtlichen Entwicklung der Caritas angefertigt.214 Die gewählte Begrifflichkeit zeigt dabei bereits an, dass es nicht darum gehen soll und kann, eine umfassende, detaillierte Geschichte der Caritas zu verfassen. Vielmehr ist es das Ziel, Schwerpunktsetzungen herauszuarbeiten, indem versucht wird, Verantwortungsträger herauszuarbeiten. In diesem Sinn kommt z. B. der Rolle des Bischofs eine hervorgehobene Bedeutung zu, sodass sich die Frage stellt, ob es eine bestimmte Profilierung dieses Amtes im Bereich der Caritas gab. Die Analyse der Perikopen hat verdeutlicht, dass die caritative Praxis ein Grundzug innerhalb der Urkirche war, sowohl als individuelle als auch gemeinschaftliche Verpflichtung und zwar ohne eigene caritative Einrich­ tungen. „Christliche Caritas hatte ihren Sitz unmittelbar in der Gemeinde.“215 Erst durch die Veränderungen im Zuge der Konstantinischen Wende 313 kam es für die gemeindliche Caritas zu spürbaren Veränderungen, insofern es aufgrund des anerkannten Status zu offiziellen Errichtungen von Frem­ den- und / oder Armenhäusern kommen konnte.216 Schon in dieser frühen Zeit wurde der bestimmende Einfluss der Bischöfe in ihrer Verantwortung für die Caritas spürbar, sodass darin ein direkter Übergang von der urkirch­ lichen Situation und der dortigen Rolle der Apostel gesehen werden kann.217 214  Standardwerke zur Geschichte der Caritas: Georg Ratzinger, Geschichte der kirchlichen Armenpflege, Freiburg i. Br. 21884; Wilhelm Liese, Geschichte der Cari­ tas, Freiburg i. Br. 1922; Erwin Gatz (Hrsg.), Caritas und soziale Dienste, 5 Bde., Freiburg i. Br. 1997 (Geschichte des kirchlichen Lebens in den deutschsprachigen Ländern seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, 5). 215  Ansgar Hense, Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte, in: Wolfgang Rainer Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland. Beiträge und Diskussionen des Workshops in der Bucerius Law School am 9. Juni 2006, Köln 2006 (Schriftenreihe des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der NonProfit-Organisationen, 1,5), 1–40, 8. 216  Vgl. ebd. Für die später erfolgte Errichtung von und Gliederung in Diözesen weist Heinrich Pompey darauf hin, dass die Kirche als „neue Repräsentantin der Staatsreligion […] für alle sozialen Probleme des gesamten Reiches mitverantwort­ lich [war], und zwar eher dezentral in den jeweiligen Diözesen unter der Verantwor­ tung des Diözesanbischofs. […] Durch die Diözesen erhielt das Römische Reich eine Art Wohlfahrtsstruktur und -organisation.“ Heinrich Pompey, Der Bischof als „Pater pauperum“ in der Diakoniegeschichte der Kirche. Ordo und Charisma in Ver­ antwortung für die caritative Diakonie, in: Karl Hillenbrand (Hrsg.), Glaube und Gemeinschaft. Festschrift für Bischof Paul-Werner Scheele zum 25jährigen Konsek­ rationsjubiläum, Würzburg 2000, 339–361, 394. 217  Zeugnis geben von dieser Entwicklung auch die Konzilien von Nicäa 325 und Chalcedon 451. Nicäa forderte, dass neben einer Kathedrale ein Xenodochium er­



II. Grundlegung der Caritas73

Beispielhaft sind dafür die Lebenszeugnisse der beiden Bischöfe Cyprian von Karthago (etwa 200  /  210–258) sowie Basilius von Caesarea (etwa 330–379) zu nennen. Cyprian kommt in seinen Briefen immer wieder auf die Caritas zu sprechen: „Die Sorge für die Armen und Notleidenden jeder Art gehörte zu den wesentli­ chen und selbstverständlichen Amtspflichten des Bischofs.“218

Dass Cyprian darunter aber nicht nur eine delegierende Aufgabe des Bi­ schofs sah, sondern diesen gleichsam als persönlich in die Pflicht genom­ men verstand, bezeugte er durch seinen eigenen Einsatz für Pestkranke, seine caritative Tätigkeit in der Kriegszeit und seinen Dienst an den Gefan­ genen.219 Jedoch kam ein Verständnis von Delegation bei Cyprian durchaus hinzu, sodass er für den Bischof im Bereich der Caritas auch eine kirchen­ amtliche und ggf. eine delegierende Funktion sah: „Die kirchenamtliche Pflege der Caritas untersteht dem Bischof220, der, soweit er selber an ihrer Ausübung verhindert ist, dazu seine Mitarbeiter, die Presbyter und Diakone, delegiert.“221

Heinrich Pompey beschreibt die Ausübung dieser amtskirchlichen Auf­ sicht durch den nordafrikanischen Bischof konkret darin, dass er differen­ zierte Anweisungen erlassen habe, wie sich die Hilfe gestalten soll. Darüber hinaus habe er eigene Armenbeauftragte für die Gemeinden ernannt.222 Einen noch stärkeren Eindruck, besonders hinsichtlich des caritativen Bereichs, hinterließ Bischof Basilius von Caesarea. Neben seiner Predigt­ tätigkeit, in der er immer wieder auf anstehende praktisch soziale Fragen einging ohne dafür ein eigenes systematisches Konzept entworfen zu haben, zeigte er ein außerordentliches caritatives Engagement. „Seine Predigten haben allein darin eine soziale Seite, daß sie die einzelnen Glieder der Kir­ che zu Taten auffordern, die auch soziale Folgen mit sich führen.“223 Es reicht ihm aber nicht aus, innerhalb seines Verkündigungsdienstes auf den richtet werde. Chalcedon unterstelle die reichskirchlich bereits expandierende Cari­ tas den Bischöfen (vgl. Pompey, Der Bischof als „Pater pauperum“, 343). 218  Vgl. Cyprian von Karthago, ep. 76,1 (828,20), zitiert nach: Karl Deuringer, Der heilige Cyprian als Caritasbischof. Zur 1700jährigen Wiederkehr seines Todes am 14. September 1958, in: Caritas 59 (1958) 245–265, 254. 219  Vgl. dazu Deuringers exemplarische Ausführungen, ebd., 258–265. 220  Cyprian von Karthago, ep. 41, 1 (587,17): „ego cui cura incumbit“, zitiert nach: Deuringer, ebd., 257. 221  Cyprian von Karthago, ep. 7 (484–485), zitiert nach: Deuringer, ebd. 222  Pompey, Der Bischof als „Pater pauperum“, 343. 223  Vgl. Joan von Dragovitija, Die sozialen Anschauungen des hl. Basilius des Großen, in: Albert Rauch / Paul Imhof (Hrsg.), Basilius. Heiliger der Einen Kirche. Regensburger Ökumenisches Symposium 1979. Im Auftrag der Ökumene-Kommis­ sion der Deutschen Bischofskonferenz 16.–21.7.1979, München 1981 (Koinonia, I),

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

caritativen Bereich einzugehen, sondern er errichtete in der direkten Umge­ bung von Caesarea eine sog. ‚Basilias‘, ein Versorgungshaus, in dem Kran­ ke, Arme, Fremde, alte Menschen und Arbeitsunfähige aufgenommen und gepflegt wurden. Die Einrichtung entwickelte sich von ihrem Ausmaß zu einer eigenen ‚Stadt der Caritas‘.224 Über diese bedeutende Organisation hinaus, veranlasste Basilius, dass auch im weiteren Umfeld Armenhospize errichtet wurden.225 Selbst wenn beide Bischofspersönlichkeiten nur kurz in ihrem Profil an­ gerissen wurden, zeigt sich in ihnen die Charakteristik des Caritasbischofs. Dieser belässt es nicht bei einer Bezugnahme zur Caritas innerhalb seines Verkündigungsdienstes, sondern entwickelt aktiv Caritas­ strukturen in sei­ nem Bistum und sieht sich vor allem persönlich in die Pflicht genommen, Caritas zu üben. In Entsprechung zu den Erfordernissen der Zeit und Um­ welt, üben sie ihren „Auftrag ‚pater pauperum‘ zu sein, in hervorragender und beispielhafter Weise“226 aus. Karl Deuringer sieht die Entwicklung dieses Bischofstyps ab etwa der Mitte des vierten Jahrhunderts gegeben und zwar in Verbindung mit den staatlichen Entwicklungen zu jener Zeit, „in welcher der Kirche im Hineinwachsen in das Römische Reich mehr und mehr die Aufgaben der öffentlichen Fürsorge zufallen“227. Dem Bischof war die Aufgabe eigen in dieser zeitgeschichtlichen Situation Verantwortung zu übernehmen, allerdings muss das spezielle Profil eines Caritasbischofs in großem Maß rückgebunden werden an das persönliche Engagement der einzelnen Person. Demnach ist es konsequent, dass nicht jeder Bischof in dieser besonderen Weise Caritas ausübt bzw. ausgeübt hat, gleichwohl lässt sich aber eine allgemeine Verantwortung und herausgehobene Position des Bischofs gegenüber der Caritas erkennen. Anknüpfend an die obige Bemerkung, dass eine Veränderung der kirchli­ chen Umwelt besonders im staatlichen Bereich auch einen Wandel in der Caritaspraxis nach sich zog, kann diese dahingehend gekennzeichnet wer­ den, dass sich eine Veränderung der „Solidaritätsgruppe“ ergab. Bestand diese nämlich bisher schlicht in der Gemeinde, so wurde sie jetzt erweitert um „große Scharen persönlich unbekannter Armer, Nichtseßhafter, Kranker 178–188, 179. Vgl. auch zu Basilius: Lukas Vischer, Basilius der Große, Untersu­ chungen zu einem Kirchenvater des vierten Jahrhunderts, Basel 1953. 224  Vgl. Dragovitija, Die sozialen Anschauungen, 180. 225  Vgl. Basilius von Caesarea, ep. 142; 143; zitiert nach: Dragovitija, ebd., 180. 226  Richard Völkl, Bischofsamt und „caritas“ in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils, in: Oberrheinisches Pastoralblatt 67 (1966) 352–356, 352. 227  Deuringer, Der heilige Cyprian, 245. Als weitere Beispiele für caritativ äu­ ßerst engagierte Bischöfe verweist er auf die Bischöfe Ambrosius (339–397) und Johannes Chrysostomus (etwa 344 / 349–407) (vgl. ebd.).



II. Grundlegung der Caritas75

und Verlassener“228. Heinrich Pompey charakterisiert diesen Vorgang als eine Verlagerung von der bisherigen Selbsthilfestruktur der Gemeinde zu einer „Für-Sorge-Verantwortung für faktisch nicht zur Gemeinde Gehörige bzw. auf Gruppen von Fernstehenden“229. In diesem Szenario kommt dem Bischof eine entscheidende Rolle zu, indem er der Hauptverantwortliche für die Caritas bleibt, wenngleich Diakone und Pfarrer zunehmend zur Unter­ stützung herangezogen werden müssen.230 Von dem episkopalen Stellenwert in Bezug auf die Caritas geben auch verschiedene konziliare bzw. synodale Erlasse Zeugnis; so legte das mero­ wingische Nationalkonzil zu Orléans 511 fest, dass die Oberaufsicht über die Caritas bei den Bischöfen liege.231 Thomas Sternberg sieht in dieser Verpflichtung des Bischofs zur Caritas die Erklärungsgrundlage für die maßgebliche Position des Oberhirten innerhalb der Aufteilung des Kirchen­ gutes: „Die Verwaltung der Kirchengüter wird so zu einer geradezu carita­ tiven Pflicht.“232 Es bedurfte schließlich eines finanziellen Grundstocks, um dieser Verantwortung nachzukommen.233 Drei Jahrhunderte später wurde das Thema unter der Karolinger Herrschaft erneut aufgenommen. 813 wur­ de die Aufsicht des Bischofs auf der Synode von Mainz als Gesetz festge­ halten.234 Wenige Jahre später wurde durch die Synode von Aachen be­ stimmt, dass jeder Bischof die Pflicht hat, ein Hospital für Kranke und Fremde zu errichten.235 Natürlich vermochte es der Bischof nicht, sich um alle caritativen Ange­ legenheiten selber zu kümmern, aber die Quellenlage gebe ein beredtes Zeugnis, dass die Aufgaben der Caritas für den Oberhirten die „vornehms­ Pompey, Der Bischof als „Pater pauperum“, 343 f. ebd. 230  Vgl. ebd., 344. 231  Vgl. ebd., 348. 232  Vgl. Thomas Sternberg, Orientalium more secutus. Räume und Institutionen der Caritas des 5. bis 7. Jahrhunderts in Gallien, Münster 1991, 37 f. Diese Aussage Sternbergs steht im Rahmen seiner Untersuchung Galliens im 6. Jahrhundert und der dort vorhandenen Xenodochien. 233  Vgl. dazu die Aussage des Konzils zu Orléans, dass die Bedürftigen mit Nah­ rung und Kleidung zu versorgen sind „in quantum possibilitas habuerit“ (Conc. Aurelianense (511), can. 16 (CCL = Corpus Christianorum. Series Latina. 148 A, 9 de Clercq). Vgl. Sternberg, Orientalium more secutus, 37. 234  Vgl. Pompey, Der Bischof als „Pater pauperum“, 349 f. 235  Vgl. Liese, Geschichte der Caritas, 142; vgl. Benjamin Scheller, Memoria, Caritas und das Problem der Dauer. Wahlverwandtschaften zwischen den Stiftungen und der Kirche im Mittelalter, in: Ansgar Hense / Martin Schulte (Hrsg.), Kirchliches Stiftungswesen und Stiftungsrecht im Wandel, Berlin 2009 (Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Bd. 47), 19–37, 27. 228  Vgl. 229  Vgl.

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

ten“ bleiben und „ausschließlich“ seiner Verantwortung unter­stehen.236 Die Herrschaftsposition, die den Bischöfen zuwuchs, gründete zu einem großen Teil in ihrer caritativen Zuständigkeit, denn aufgrund königlicher Beauftra­ gung hatten sie z. B. eine Sorgepflicht für Witwen und Waisen, die auch eine Rechtsvertretung umfasste. Demnach tra­fen sich in diesem Tätigkeits­ feld letztlich drei Begründungen: Erstens eine allgemein christliche und damit persönliche Verantwortung zur Caritasübung,237 zweitens die Anord­ nungen seitens der Synoden- und Konzilsbeschlüsse und drittens „halbstaat­ liche Funktionen im Bereich der Fürsorge“.238 Gleichzeitig entwickelt sich seit dem 5. Jahrhundert durch die Ausdeh­ nung der Bistümer ein sog. Pfarreicaritassystem.239 Vor Ort übernahmen die Pfarrer die zentrale Verantwortung für die Organisation und Ausübung der Caritas. Allerdings setzte durch das Lehns- und Genossenschaftssystem eine Bewegung ein, aufgrund derer die Caritas nicht mehr vollständig ins kirch­ liche Amt integriert war, sondern auch von den weltlichen Herrschern ver­ antwortet wurde.240 Besonders deutlich wurde dies im späteren Hochmittel­ alter als das Bürgertum der Städte Caritas zwar nicht allein, aber doch zu einem großen Anteil organsierte: „Insgesamt lässt sich sagen, dass mit dem Mittelalter in den neuen Städten eine Entwicklung einsetzt, die die Gemeindecaritas der Laien beseelt, jedoch die bi­ schöfliche Verantwortung als pater pauperum etwas zurücktreten lässt. Trotzdem nehmen die Bischöfe des Hochmittelalters durch sozial-caritative Inspi­ ration der Gläubigen wie durch praktisches caritatives Vorbildverhalten ihr sozialcaritatives Diakonenamt wahr. Solidarität und Hilfeverhalten sind nicht mehr allein 236  Vgl. Sternberg, Orientalium more secutus, 41. Als weitere Belege benennt Sternberg das Konzil von Lyon 583, nach dessen Erlass soll der Bischof „umherzie­ hende Aussätzige mit ausreichender Nahrung und Kleidung versorgen“ (ebd.), (Conc. Lugdunense, can. 4 u. 6 [CCL 148 A, 233 de Clercq]). Entsprechend dem Konzil von Toledo (Conc. Tolet. 589, can. 3, ebd.), soll der Bischof für Arme, Kran­ ke und Fremde sorgen (Sternberg, Orientalium more secutus, ebd.). 237  In diesen Bereich ist auch die Rede von einer sog. Caritasspiritualität der Bischöfe einzuordnen. Es ging nicht nur darum, die Notwendigkeit der Caritasübung zu predigen, sondern sie auch selbst zu praktizieren. So z. B. in der Weise, dass sie vor ihrer Weihe eine Nacht im Hospital verbracht haben (vgl. Pompey, Der Bischof als „Pater pauperum“, 351 f.; Liese, Geschichte der Caritas, 179 f.). 238  Vgl. Sternberg, Orientalium more secutus, 41. 239  Vgl. Manfred Baldus, Gründung des Diözesancaritasverbandes für das Erzbis­ tum Köln e.  V. – 1904, 1916 oder wann?, in: Norbert Feldhoff  /  Alfred Dünner (Hrsg.), Die verbandliche Caritas. Praktisch-theologische und kirchenrechtliche As­ pekte, Freiburg i. Br. 1991, 9–20, 10. Vgl. zur geschichtlichen und kanonistischen Entwicklung der Pfarrei den Aufsatz von Peter Krämer, Krise und Kritik der Pfarr­ struktur, Kirchenrechtliche Überlegungen zur Notwendigkeit einer Reform, in: AfkKR 175 (2006) 5–31. 240  Vgl. Pompey, der Bischof als „Pater pauperum“, 349.



II. Grundlegung der Caritas77 eine Angelegenheit der Kirche, sondern werden zur Sache des Volkes und der damals christlichen Gesellschaft. Die caritative Diakonie hat sich inkulturiert.“241

Heinrich Pompey beschreibt demzufolge letztlich zwei Entwicklungen, die miteinander verwoben sind. Einerseits bricht durch die Stadtentwicklung das rein binnenkirchliche System in dem Sinn auf, dass nicht mehr nur die Kirche caritativ tätig ist. Andererseits ist das Bürgertum fast in seiner Ge­ samtheit christlich und nicht säkularisiert, sodass die Caritas, insofern sie von den Bürgern organisiert wird, von christlichen Laien geübt wird. Letzt­ lich tritt die bischöfliche Verantwortung etwas zurück, wird aber nicht aufgehoben. Ein Beispiel für das Zusammengehen von bischöflicher und laikaler Ver­ antwortung bildet im späten Mittelalter das sog. bruderschaftliche Spital. In ihm verbindet sich die von Laien gestiftete mit der kirchenamtlichen Caritas. Die Stifter traten häufig selbst in die Bruderschaft ein, die das gestiftete Spi­ tal dann selbstständig verwaltete. Trotzdem unterstand es aber der Aufsicht des zuständigen Ortsordinarius. „Dieser genehmigte die Ordnungen, hatte die Entscheidung bei der Wahl des Spitalvorstehers und überwachte und kontrol­ lierte die Verwaltung des Anstaltsvermögens.“242 Gleichwohl der Impuls hin­ sichtlich des bruderschaftlichen Spitals einer Laieninitiative entstammen konnte und dies auch meistens tat, handelte es sich in der Einrichtung selbst um eine Form der Anstaltscaritas. Diese wurde im späten Mittelalter zuneh­ mend gegenüber der Gemeindecaritas bestimmend.243 Von Bedeutung innerhalb der geschichtlichen Entwicklung erwiesen sich sowohl die Kölner Provinzialsynode im Jahr 1536 als auch das wenige Jahre später stattfindende Trienter Konzil (1545–1563). Die Kölner Synode wird als bedeutende kirchenrechtliche Quelle zur Caritas verstanden244, in­ dem sie u. a. das Leitungsrecht der Bischöfe bezüglich der Caritas bestä­ 241  Vgl.

ebd., 354. Memoria, Caritas und das Problem der Dauer, 28 f. 243  Vgl. Klein, Christ und Kirche, 101 f. Zu dieser Anstaltscaritas gehörten neben den bruderschaftlichen Spitälern auch diejenigen, die von Orden verwaltet wurden. Insgesamt kann die Bedeutung des Ordenswesens ab dem Mittelalter für die Caritas nicht genug betont werden, da sie größtenteils von diesen geübt wurde. Sie wird nur in dieser Skizze nicht eingehender besprochen, da der Fokus wie eingangs erwähnt auf der Überprüfung speziell des bischöflichen Einflusses liegt. Vgl. zu der Caritas durch das Ordenswesen die oben benannten Standartwerke zur Caritasgeschichte; Roger Seiler, „Für die kranken Brüder werde ein eigener Raum bestimmt …“. Kloster­infirmarien des hohen Mittelalters. Dietikon 2001 (Zürcher Medizingeschicht­ liche Abhandlungen, 291). Thomas Sternberg untersucht in seiner Arbeit auch die klösterlichen Xenodochien (vgl. Sternberg, Orientalium more secutus, 159–167). 244  Vgl. Giovanni Domenico Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio, Bd. 32, Paris 1901, 206 ff. 242  Scheller,

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tigte, die sich primär in Form der Anstaltscaritas, also in Hospitälern und Klöstern, zeigte.245 Diese Leitungsvollmacht, die dem Bischof gemäß dem Vorbild der Urkirche und kraft seines Amtes zukomme, wurde ebenfalls auf dem Konzil von Trient unterstrichen. Des Weiteren wurde auf sein Visitationsrecht und die Pflicht der Rechenschaftsgebung ihm gegenüber hingewiesen.246 Die prägenden neuzeitlichen Veränderungen im Bereich der Caritas sind in ihrem Beginn mit der Person Vinzenz von Paul (1581–1660) verbun­ den.247 Er verankerte die Caritas in der Gemeinde vor Ort, sodass die Gläu­ bigen wieder stärker in ihrem Engagement gefordert wurden. Sein initiatives Wirken in Frankreich führte zu vielfältigen Impulsen, wie 1633 die Grün­ dung der Filles de la Charité, den späteren Vinzentinerinnen. Die 1833 entstandenen Vinzenz-Konferenzen verstehen sich in ihrem caritativen Dienst an Vinzenz von Paul zurückgebunden. Mit dem 19. Jahrhundert setzte schließlich in Deutschland die Geschich­ te der verbandlichen Caritas ein, deren Nährboden in der gesellschaftlichen Umbruchsituation und zunehmenden Verelendung weiter Bevölkerungs­ schichten im Kontext der Industrialisierung zu sehen ist. Auf evangelischer Seite kam es 1848 auf Initiative von Johann Hinrich Wichern (1808–1881) zur Gründung des ‚Central-Ausschusses für Innere Mission‘, dessen Aufga­ be in der Koordinierung der diakonischen und missionarischen Aktivitäten innerhalb der evangelischen Landeskirchen lag.248 Auch auf katholischer Seite ließen die gesellschaftlichen Zustände ab der Mitte des Jahrhunderts eine Vielzahl an Hilfsinitiativen entstehen, die sich aufgrund eines aufkom­ menden Bedarfs an Organisation und Koordination zunächst in die vorhan­ denen bürgerlichen Vereinsstrukturen eingliederten.249 1897 kam es schließ­ lich zur Gründung des ‚Charitasverbands für das katholische Deutschland‘ durch Lorenz Werthmann (1858–1921).  ebd., Teil 12, can. 1; vgl. auch Klein, Christ und Kirche, 217. Konzil von Trient, Sessio VII, de reform. Can. 15; Sessio XXII de re­ form. Can. 8: „omnia quae ad cultum dei aut salute animarum seu pauperes sustentandos instituta sunt, ipsi (episcopi) ex officio suo iuxta canonum sacrorum statuta cognoscant et exequantur non obstantibus quacumque consuetudine etiam immemorabili, privilegio aut statuto“. Die Aussagen des Konzils bezogen sich auch auf die caritativen Pflichten des Pfarrers: sessio XXIII, can. 1, de reform.: „Pauperum aliarumque miserabilium personarum curam paternam gerere.“ 247  Vgl. zur Biographie von Vinzenz von Paul: Pierre Miquel, Vincent de Paul, Paris 1996. 248  Vgl. Reinhard Turre, Art.: Diakonisches Werk, in: LThK3, Bd. 3, 1995, 187. 249  Vgl. Karl Gabriel, Die verbandliche Caritas im Spannungsfeld von Kirche und Gesellschaft. Entwicklungslinien und Zukunftsperspektiven, in: Karl Gabriel (Hrsg.), Diakonie – Gemeinde – Sozialarbeit, Hildesheim 1990, 43–63, 45. 245  Vgl. 246  Vgl.



II. Grundlegung der Caritas79

Wenngleich innerhalb der später in dieser Arbeit erfolgenden partikular­ rechtlichen Untersuchungen eigens auf die Anfänge der deutschsprachigen Verbandscaritas eingegangen werden wird250, soll bereits an dieser Stelle die Aussage Lorenz Werthmanns zur Rolle des Bischofs in der Caritas in den Blick genommen werden, insofern dem Bischof in Werthmanns Perspektive eine hervorgehobene Bedeutung in diesem Bereich zukommt. Im Zusam­ menhang des Anerkennungsbeschlusses des Deutschen Caritasverbandes durch die Fuldaer Bischofskonferenz bescheinigt Werthmann den Bischöfen, dass sie, indem sie die Caritas in eine Organisationsform bringen wollen „an die Tradition der Urkirche, an die ältesten Christengemeinden in Jeru­ salem und Rom“ anknüpfen würden, „welche die Caritas als religiöse Pflicht in ihren Aufgabenkreis aufgenommen und unter bischöflicher Oberleitung organisiert habe“251. Im Weiteren charakterisiert er die Position des Bischofs mit folgenden Worten: „In gleicher Weise wie im kirchlichen Altertum sollen auch jetzt wieder nach dem Fuldaer Bischofsbeschluß die Werke und Anstalten der Caritas um den Bischof sich scharen und in ihm den höchsten Träger der kirchlichen Autorität verehren, der auch für die Ausübung der Caritas Leitung und Richtung zu geben hat.“

Er soll „nicht nur durch das Vorbild der persönlichen Caritasübung voranleuchten, son­ dern auch amtlich als der von Gott gestellte Hirte der Gläubigen allen zum Besten seiner notleidenden Schäflein geschaffenen Werken und Vereinen ermunternd, ra­ tend und führend nahe sein. Diese Führung erscheint der Caritas nicht als ein hartes Joch, sondern als sicherer, freudigst begrüßter Wegweiser, der ihrer Arbeit Zielsicherheit, die Kraft der Plan­ mäßigkeit und den Segen Gottes verbürgt.“

In Werthmanns Aussage verbindet sich in symbiotischer Weise die alt­ kirchlich beobachtete persönliche Verantwortung zur Caritas als Christ mit der Verantwortung zur Caritas aufgrund eines Kirchenamtes. Gleichzeitig soll es durch die wesenhafte Einbeziehung des Bischofs nicht darum gehen, die verantwortliche Mitwirkung der Laien auszuhebeln, sondern die Koor­ dination, Leitung und Mitwirkung des Oberhirten ist begründet in seiner Stellung als höchster Träger kirchlicher Autorität.252 Markantes Merkmal dieser geschichtlichen Form der Caritas ist also ihr Ursprung in laikaler Initiative. Dabei unterscheiden sich die Verbände von 250  Vgl.

D. I. 1. Werthmann, Die Bedeutung der Fuldaer Bischofsbeschlüsse. Über die Organisation der Caritas im katholischen Deutschland, in: Caritas 22 (1916) 2–7, 3. 252  Mit dieser Bezeichnung kann Werthmann keine Diskreditierung des Papst­ amtes angelastet werden, da er primär von der Ebene der Diözese und der dortigen Caritasorganisation dachte. 251  Lorenz

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

den vorher benannten Bruderschaften oder auch von Kongregationen da­ durch, dass sie ausschließlich Caritas ausüben und einzig zu diesem Zweck ins Leben gerufen werden, d. h. sie bilden sog. Spezial- oder Fachvereine, innerhalb derer aber die religiöse Übung überwiegend dem einzelnen Mit­ glied überlassen wird und nur selten gemeinsam ausgeführt wird.253 Innerhalb dieses Abschnittes ist zuletzt noch das Zweite Vatikanische Konzil im Hinblick auf seine Bedeutung für die Caritas in den Blick zu nehmen.254 Durch die seitens der Konzilsväter selbst proklamierte „Hinwen­ dung zu den Menschen und zur Welt von heute“ wurde „die ‚Dienende Kirche‘ und die ‚Kirche der Liebe‘ gleichsam neu entdeckt […]“255. Diese Grundtendenz ziehe sich gleichsam einem roten Faden durch fast alle Do­ kumente.256 Während Karl Lehmann also zunächst von einer grundsätzlichen Hinwen­ dung der konziliaren Aufmerksamkeit auf die Caritas spricht, geht Alfred Hierold bereits einen Schritt weiter, indem er auf die Verbindunglinie zwi­ schen caritativem Handeln und der Kirche als solcher hinweist, einen Ge­ danken, der vom Konzil wieder aufgenommen worden sei: „Das Zweite Vatikanische Konzil hat, aufbauend auf dem Neuen Testament und der Überlieferung, den wesenhaften Zusammenhang zwischen tätiger Nächstenlie­ be und christlicher Berufung, caritativem Tun und Kirche wieder verdeutlicht und aufgezeigt. […] [D]ie Kirche [nimmt] die Werke der Liebe als ihre eigene Pflicht und ihr unveräußerliches Recht in Anspruch und hält die caritativen Werke besonders in Ehren [vgl. AA 8,3].“257

Auch die Träger der Caritas werden vom Konzil in den Blick genommen, insofern den Bischöfen die Aufgabe zufällt, den „ ‚spiritus caritatis‘ in wohl­ überlegter und organisierter Durchführung caritativer Aktionen“ zu realisie­ ren und zwar „durch geeignete Werke, Vereinigungen und Organisationen“.258 253  Vgl. Joseph Löhr, Kirchenrecht und Caritas, in: Caritas 31 (1926) 97–104; 134–139;168–174, hier: 100. 254  Dies soll an dieser Stelle in gebotener Kürze geschehen, da eine vollumfängli­ che und detaillierte Darstellung bereits durch Alfred Hierold in der erwähnten Disser­ tation vorgenommen hat. Diese ist in der gesamten Breite durchzogen von einer Ein­ beziehung der entsprechenden Konzilsstellen, sodass keine einzelnen Abschnitte her­ ausgegriffen werden können. Vgl. Hierold, Grundlegung und Organisation. 255  Karl Lehmann, Nochmals: Caritas und Pastoral, Referat bei der Sitzung des Zentralrates des DCV am 14.10.1986 in Wiesbaden-Naurod, in: Caritas 88 (1987) 3–12, 3. 256  Ebd. 257  Hierold, Grundlegung und Organisation, 5. 258  Ebd., 109, unter Verweis auf AA 8,6; 18 f.; LG 10,2 und GS 88,2: „Es ist jedoch Sache des ganzen Volk Gottes, wobei die Bischöfe mit Wort und Beispiel



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Schließlich ist noch auf die Einschätzung von Heribert Heinemann hin­ zuweisen, der die Formulierung der „diaconia caritatis“ nach LG 29 her­ ausgreift, demnach Kirche lebendig sei, so Caritas lebendig sei. Er hebt hervor, dass die Konzilsväter zwar den Weltauftrag der Laien im caritativen Element betont haben (vgl. AA 8; 10), daraus aber „keine spezifische oder ausschließliche Verpflichtung des Laien abgeleitet werden [könne], denn mit Selbstverständlichkeit gehört der Dienst an den Armen, an den Menschen in Not zu den Aufgaben und Pflichten des Bischofs [CD 13,1; LG 10,2] und des Priesters [PO 14; 17; 20; c. 529 § 1]“259. Demnach sei Caritas neben Verkündigung und Liturgie ein Dienst des gesamten Gottesvolkes.260 Diese kursorische Skizze zur kirchengeschichtlichen Entwicklung der Ca­ ritas sollte zumindest die Stellung und Bedeutung des Bischofsamtes inner­ halb der Caritas verdeutlichen. Es hat sich gezeigt, dass diesem besonders zu Beginn der Kirchengeschichte eine herausragende Position zukam. Der Bi­ schof verstand sein Amt nicht als reduziert auf ein reines Koordinieren cari­ tativer Aufgaben, sondern sah sich berufen zu persönlichem Engagement so­ wie Führung und Leitung der jeweiligen Ausprägungen von Caritas. 4. Organisation kirchlicher Caritas Anhand des biblischen Befundes sowie der Skizze zur kirchengeschicht­ lichen Entwicklung konnte gezeigt werden, dass es zum einen von den kirchlichen Anfängen an ein selbstverständliches Bewusstsein für die Not­ wendigkeit der Caritas gegeben hat, und zum anderen wurden zeitgeschicht­ liche spezifische Ausprägungen erkennbar. In diesem Abschnitt soll es um die Organisation kirchlicher Caritas gehen und zwar in einem allgemeinen Sinn.261 In der Perikopenbesprechung zum Neuen Testament wurde deutlich, dass es schon in der Urkirche neben der vorangehen müssen, die Nöte unserer Zeit nach Kräften zu lindern, und zwar nach alter Tradition der Kirche nicht nur aus dem Überfluß, sondern auch von der Subs­ tanz.“ (Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes in: AAS 58 (1966) 1025–1115, dt. Übers. in: LThKVatII / 3, 281–592) Vgl. des Weiteren zur Koordination der verschiedenen Apostolatswerke durch den Bischof die Aussage von CD 17,1 und hinsichtlich der Verantwortung der Pfarrer CD 30 n. 2. 259  Vgl. Heribert Heinemann, Die Stellung der Caritas im Verfassungsrecht der Kirche, in: Norbert Feldhoff / Alfred Dünner (Hrsg.), Die verbandliche Caritas. Prak­ tisch-theologische und kirchenrechtliche Aspekte, Freiburg i. Br. 1991, 150–167, 151. 260  Vgl. ebd. 261  Die partikularrechtlichen Ausprägungen werden exemplarisch in Abschnitt D. dieser Arbeit beschrieben.

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

persönlich geübten Caritas als Pflicht jedes einzelnen Christen eine gemein­ same Caritas der Kirche gab. Die Praxis entsprach damit der dem Doppel­ gebot zugewiesenen Bedeutung. Diese biblischen und geschichtlichen Ur­ sprünge bilden die Grundlage für die folgende Argumentation von Alfred Hierold: „Soll die Kirche als Kirche der Liebe und der Armen, als die sichtbare Fortset­ zung der Liebe Gottes zu den Menschen erscheinen, so kann sie sich nicht damit begnügen, daß ihre Glieder für sich persönlich und privat Werke der Liebe voll­ bringen, sondern sie muß selbst solche Werke im eigenen Namen in Gang setzen [vgl. AA 8,3], die dann nicht mehr allein Erfüllung der allgemeinen Christenpflicht der Nächstenliebe, sondern Akte der sichtbaren, hierarchisch verfaßten Kirche sind.“262

Es braucht also institutionelle Formen von Caritas, die zur persönlich ausgeübten hinzukommen. Aus Sicht der Kirche als hierarchisch verfasster Gemeinschaft heißt dies, dass von zwei Seiten an der Verwirklichung des jesuanischen Auftrags zur Caritas gearbeitet wird: von Seiten des einzelnen Gläubigen, der innerhalb der kirchlichen Verfassung einer Pfarrei zugeord­ net ist, sowie von Seiten des Bischofs, der in Verantwortung für die Leitung der Diözese die Werke des Apostolates fördern soll, zu denen in diesem Fall wie gesehen auch die Werke der Caritas gehören. Ergänzt werden muss diese zweiseitige Erfüllung durch die Verantwortung des Bischofs für die Gesamtkirche, die sich zum einen in den jeweiligen Bischofskonferenzen, zum anderen in der Einrichtung universalkirchlicher Organisationen zeigt. So werden im Folgenden die verschiedenen Verfassungsebenen unter dem Gesichtspunkt ihrer spezifisch caritativen Einrichtungen und unter besonde­ rer Berücksichtigung der Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils analysiert. a) Caritas auf der Ebene der Pfarrei Die Ebene der Pfarrei ist der Bereich, in dem sich beide beschriebenen Bewegungen am stärksten treffen: Die Verantwortung des einzelnen Gläubi­ gen und die der Kirchenleitung, dort vertreten durch den Pfarrer. Als unters­ ter Organisationsform der Caritas kommt der Pfarrei als zentraler Schnitt­ stelle eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Ausübung der Caritas zu, der sog. Pfarrcaritas. Sie wird definiert als „Gesamtheit der planvollen Caritasarbeit innerhalb der Pfarrgemeinde“263. Zunächst steht dabei im Vordergrund, dass sich alle Glieder der Pfarrei für die Caritas verantwortlich fühlen und sie als ihre eigene wie gemeinsa­ 262  Hierold,

Grundlegung und Organisation, 87. Art.: Caritas, 945.

263  Borgmann,



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me Aufgabe identifizieren. Dies stellt dann zugleich die Verwirklichung des paulinischen Verständnisses dar, welches Paulus im zweiten Brief an die Korinther ausführt (vgl. 2 Kor 8,7).264 In einer idealisierten Beschreibung kann die Ebene der Pfarrei verglichen werden mit einem Blick durch ein Vergrößerungsglas, durch das die Funktionsweise des Zusammenspiels von Autonomie des einzelnen Gläubigen in seiner Ausübung der persönlichen Caritas (vgl. AA 26,1), der Rückbindung caritativer Einrichtungen und Krei­ se an die Hierarchie (vgl. AA 19,4) sowie die Koordinierung und Förderung der Caritas von Seiten der Kirchenleitung respektive des Pfarrers (CD 30 n. 2) sichtbar wird. In ihrem caritativen Wirken, das sich von seinem Selbstverständnis nicht nur auf die Glaubensschwestern und -brüder erstreckt, kommt ihr zudem eine wichtige Zeugnisfunktion nach außen wie nach innen zu. Aus diesem Blickwinkel sind beide Instanzen, die einzelnen Gläubigen wie der Pfarrer, hinsichtlich ihrer jeweiligen Verantwortung zu betrachten. Dabei ist erneut zu unterstreichen, dass die Verpflichtung zur Nächstenliebe zunächst als Gebot an die einzelne Person gerichtet ist: „Dies kann nicht genug betont werden, damit die eigene Verantwortung des Einzelnen nicht auf die professionellen Caritasmitarbeiter [und -mitarbeiterinnen] oder kirchlichen Amtsträger abgeschoben wird.“265 Dem einzelnen Pfarreimit­ glied kommen die Aufgaben zu, Caritas im eigenen Lebenszeugnis zu ver­ wirklichen266 und zudem in dieser personellen Selbstverwirklichung das „Anliegen der gemeindlichen Caritas“ mitzutragen267. 264  Alfred Hierold charakterisiert das notwendige Zusammenspiel wie folgt: „Das persönliche caritative Tun aller Gläubigen bildet die Grundlage aller Caritas in der Kirche und erfüllt sie mit Leben. Darum ist es unverzichtbar und kann nicht durch noch so gute Organisation oder durch das Tun der Hirten der Kirche oder ein Han­ deln im Auftrag der Kirche ersetzt werden. […] Dieses private persönliche und kollektive Tun wird aber nicht genügen, um die Kirche als Kirche der Liebe und der Armen zu bezeugen. Erst Caritas im Namen der Kirche läßt die Kirche als solche erscheinen, zu deren Wesen, Leben und Sendung und darum unveräußerlichem Recht und unaufgebbarer Pflicht die caritativen Werke gehören wie ihre Verkündi­ gung und ihr sakramentales Leben.“ (Hierold, Grundlegung und Organisation, 97) 265  Alfred Hierold, Ist Caritas organisierbar und welche Organisationsformen sind der Kirche angemessen?, in: Sabine Demel  /  Libero Gerosa  /  Peter Krämer  /  Ludger Müller (Hrsg.), Im Dienst der Gemeinde. Wirklichkeit und Zukunftsgestalt der kirchlichen Ämter, Münster 2002 (Kirchenrechtliche Bibliothek, Bd. 5), 284–292, 285. 266  Dazu gehört auch der Bereich der Kindererziehung: „[…], daß die christlichen Eltern ihre Kinder, mit Geduld und auf praktische Weise, schon frühzeitig zur Hil­ feleistung für Mitmenschen anhalten. Sie müssen also dafür sorgen, daß die Familie Quellstätte der Caritas wird.“ Erich Reisch, Art.: Caritas(wesen), in: Sacramentum Mundi, Bd. I, Freiburg i. Br. 1967, 699–709, 708. 267  Vgl. Klein, Christ und Kirche, 112 f.

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

Die Aufgabe der Pfarrer, als den eigentlichen Hirten der Seelsorge in einem bestimmten Bereich der Diözese (vgl. CD 30), sehen die Konzilsvä­ ter u. a. darin gegeben, dass sie den „Gläubigen das Wort Gottes verkündi­ gen, damit diese, in Glaube, Hoffnung und Liebe verwurzelt, in Christus wachsen und die christliche Gemeinde jenes Zeugnis der Liebe gebe, das der Herr anempfohlen hat“268 (CD 30 n. 2). Des Weiteren sollen sie die Gläubigen bestärken, dass diese ihrerseits die Werke des Apostolates unter­ stützen (vgl. ebd.). b) Caritas auf der Ebene der Diözese Im skizzenhaften Überblick zur historischen Entwicklung der kirchlichen Caritas wurde die bischöfliche Verantwortung im 3. bis 5. Jahrhundert in ihrer herausragenden Stellung erkennbar. Diese Verpflichtung besteht auf­ grund der Leitungsvollmacht des Bischofs für seine Diözese bis heute,269 auch wenn sie nicht mehr in gleicher Weise in der kirchlichen Öffentlichkeit präsent ist.270 Die Diözese bildet die Kirche Christi ab, daher müssen in ihr auch alle Grundfunktionen der Kirche Christi bestehen. Es ist notwendig, dass in je­ dem Bistum auch die kirchliche Caritas in Fülle gegeben ist und damit den „ordentlichen Vollzugsort“ dieser verkörpert. Der Bischof als pater pauperum trägt die Verantwortung für diesen Vollzug. Er gelobt in seiner Weihe gegenüber den Armen, Heimatlosen und allen Notleidenden gütig und barmherzig zu sein.271 Aus diesem Versprechen heraus ist ihm die Verwirk­ 268  Vgl.

Joh 13,35. jeher wurde die ‚caritas‘ im umfassenden theologischen Sinn als bestim­ mendes Motiv des bischöflichen Dienstes verstanden und auch in allen Jahrhunder­ ten von Bischöfen durch caritatives Handeln verwirklicht.“ (Hierold, Grundlegung und Organisation, 108) 270  Über die allgemeine kirchliche Öffentlichkeit hinaus schweigt sich aber auch z. B. das kirchliche Gesetzbuch von 1983 hinsichtlich eines expliziten Bezugs zwi­ schen Bischof und Caritas aus, sodass er nur implizit in der Leitungsvollmacht mitbedacht ist. Allerdings hat die Kongregation für die Bischöfe in einem 2004 herausgegebenen Direktorium für den Hirtendienst der Bischöfe im Kapitel über das munus regendi einen eigenen Abschnitt über die „Ausübung der Nächstenliebe“ (nn. 193–197) eingefügt. (Kongregation für die Bischöfe, Direktorium für den Hir­ tendienst der Bischöfe Apostolorum Successores [22. Februar 2004], dt. Übers. in: VApSt 173, Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz [Hrsg.], Bonn 2006.) Eine ausführliche Analyse dieses Schreibens findet sich im fünften Abschnitt dieser Ar­ beit unter E. II. 1. 271  Die liturgischen Institute Salzburg-Trier-Zürich (Hrsg.), Die Weihe des Bi­ schofs, der Priester und der Diakone. Pontifikale I. Handausgabe mit pastoralliturgi­ schen Hinweisen, Freiburg  /  Basel  /  Wien 1994, 32. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es dieses Versprechen in nahezu identischer Form ebenfalls im 269  „Seit



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lichung des spiritus caritatis aufgetragen272; mit Wort und Beispiel, in der Linderung der Nöte der Zeit, muss er dem Volk Gottes vorangehen (vgl. GS 88,2). Aus der Leitungsvollmacht haben die Bischöfe das Recht, aber auch die Pflicht „alles, was zur Ordnung […] des Apostolates gehört, zu regeln“ (LG 27,1). Dabei ist eine geplante Organisation geboten: „Denn der Geist der Liebe verbietet durchaus nicht die wohlüberlegte und organisierte Durchführung einer sozialen und caritativen Aktion, sondern fordert sie sogar“ (GS 88,3). Die ‚actuosa caritas‘ wird durch geeignete Werke, Vereinigungen und Organisationen verwirklicht (AA 8; 18f; LG 10).273 Wenn auch die jeweili­ ge Form nicht festgelegt sei, sei doch sicher, so Alfred Hierold, dass die Ausübung im Namen der Kirche erfolgen müsse, wenn sie die „Teilkirche als ordentlichen Vollzugsort kirchlicher Caritas“ abbilden wolle.274 Allein die Tatsache, dass der einzelne Gläubige in der Pfarrei Zeugnis ablegt in seinem privaten caritativen Tun, reiche nicht aus, damit Caritas in der Teil­ kirche abgebildet werde. Mit Hierold ist an dieser Stelle zu unterscheiden zwischen dem Umstand, dass eine Person zwar als Glied der Kirche handelt, und darum ihr „caritatives Handeln kirchlicher Natur“ ist, aber solange sie nicht im Namen der Kirche handelt, ist sie „nicht fähig die Kirche als ca­ ritative Kirche zu repräsentieren“275. c) Caritas auf der Ebene der Bischofskonferenz Caritative Aufgaben übersteigen oftmals den Rahmen einer einzelnen Diözese, da sich die dahinter stehenden Umstände zumeist auf die Gesamt­ situation eines Staates beziehen. Dies kann bedeuten, dass eine alleinige teilkirchliche Beschäftigung mit der Situation nicht ausreicht bzw. Kräfte gebündelt und effektiver eingesetzt werden können, wenn sich ein Teilkir­ Ritus der Priester sowie der Diakonenweihe gibt (vgl. ebd.). Demnach sind alle drei Gruppen zum caritativen Dienst verpflichtet. 272  Richard Völkl resümiert in der Zusammenschau der Konzilstexte, dass diese „die Bedeutung der ‚caritas‘ für das bischöfliche Ethos sowie den sozial-caritativen Dienst der Bischöfe für Kirche und Welt deutlich hervorheben. Durch diese Aus­ übung ihres ‚perfectum pastoralis caritatis munus‘ (LG 41) tragen die Bischöfe ent­ scheidend dazu bei, daß die Kirche immer mehr ‚Liebesgemeinschaft‘ werde (z. B. LG 13) und sich zugleich der Welt von heute als ‚ecclesia caritatis‘ bezeuge.“ (Völkl, Bischofsamt und „caritas“ in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils, 356.) 273  Ebd., 353. 274  Hierold, Grundlegung und Organisation, 124 f. Innerhalb der partikularrecht­ lichen Untersuchung werden verschiedene Ausprägungen an Formen organisierter Caritas besprochen.  275  Ebd., 124.

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chenverband damit auseinandersetzt. Dementsprechend braucht es auf der Ebene der Bischofskonferenzen dafür eingerichtete Kommissionen.276 Des Weiteren hatte bereits das Zweite Vatikanische Konzil festgehalten, dass die Bischöfe hinsichtlich der finanziellen Verwaltung nicht nur die eigene Diözese berücksichtigen dürfen, sondern ihre weltkirchliche Verant­ wortung zu beachten haben (vgl. CD 6,3). Dies wiederum führte in der nachkonziliaren Zeit zu Ausführungsbestimmungen in Form des Motu Pro­ prio Ecclesiae Sanctae277, die die Bischofskonferenzen und Patriarchialsy­ noden dazu berechtigten „unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Diö­ zesen des eigenen Gebietes, den Diözesen die Zahlung gewisser Hilfsgelder […] [aufzuerlegen] zugunsten von apostolischen oder caritativen Werken oder solcher Kirchen, die unbemittelt oder infolge besonderer Umstände in Not geraten sind“278. d) Caritas auf der Ebene der Gesamtkirche Wie bereits angeklungen ist, lassen sich Kirche und caritatives Handeln aufgrund des kirchlichen Selbstverständnisses und ihrer Sendung nicht von einander trennen. Das Recht und die Pflicht zur Caritas sind der Kirche nicht von einer staatlichen Instanz zugestanden279, sondern erwachsen aus ihr selbst, aus ihrer Stiftung im Heilshandeln Jesu Christi. Bereits im Zusammenhang mit der Caritas auf der Ebene der Diözese wurde die bedeutende Stellung des Bischofs sichtbar, dessen Aufgaben im Bezug auf die Caritas ihm nicht nur als Christ schlechthin zukommen, son­ dern sich aus seinem Leitungsamt in der hierarchisch verfassten Kirche er­ geben. Wie das Konzil betont, ist er nicht Stellvertreter des Bischofs von Rom, sondern besitzt eine ordentliche, eigentümliche und unmittelbare Vollmacht (vgl. LG 27,1; CD 8a; 11,2).280 Diese erstreckt sich auch auf den 276  Im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz ist dies die Kommission XIII „Kommission für caritative Fragen“, der momentan Dr. Rainer Maria Kardinal ­Woelki, Erzbischof von Berlin, vorsteht. Vgl. auch ebd., 165. 277  Paul VI., Motu proprio Ecclesiae Sanctae vom 06.08.1966, in: AAS 58 (1966) 757–787, dt. Übersetzung: NKD, Bd. 3, Trier 1967. 278  Ebd., I, n. 5: „Synodis Patriarchalibus et Episcoporum Conferentiis tandem etiam competit eas de usu bonorum ecclesiasticorum opportunas statuere ordinationes, quibus, attentis quidem imprimis ipsarum dioecesium territorii necessitatibus, dioecesibus subsidia quaedam imponuntur solvenda in favorem sive operum apostolatus vel caritatis, sive Ecclesiarum quae parvis opibus sunt praeditae aut ob peculiaria adiuncta in egestate versantur.“ Vgl. auch Hierold, Grundlegung und Organi­ sation, 111. 279  Vgl. ebd., 49. 280  Vgl. auch c. 381 § 1 CIC.



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Bereich der Caritas, sodass der Papst nicht „ohne schweren Grund in die Caritasorganisation der Teilkirche“ eingreifen darf oder diese ersetzen könn­ te. „Nur wo eine solche noch fehlt oder sie mit den vorhandenen Notständen alleine nicht fertig wird (z. B. im Fall einer Katastrophe usw.), können sich diese helfend und fördernd einschalten, jedoch nicht über die Leitung der Teilkirche hinweg.“281 Um im Falle von weitreichenden Katastrophen auf leistungsfähige Hilfs­ organe zurückgreifen zu können und zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit der einzelnen caritativen Einrichtungen haben sich 1924 verschiedene Länder in Amsterdam während einer internationalen Caritas­ konferenz zu einem internationalen Caritaskomitee zusammengeschlossen.282 Diese Einrichtung gab sich 1928 auf der ersten Caritaskonferenz den Namen Caritas Catholica. Die Caritaskonferenz hatte zunächst ihren Sitz in Lu­ zern. Nach einer Unterbrechung durch den Zweiten Weltkrieg kam es 1950 in Rom im Rahmen einer Caritastagung auf Anregung des Substituten des Staatssekretariats, Giovanni Martini283, zur Neugründung. Papst Johannes Paul II. kommentierte dieses Ereignis 2004, indem er zugleich die Zweck­ bestimmung der Einrichtung benannte: „Im Rahmen des Heiligen Jahres 1950 beschloß mein verehrter Vorgänger, der Diener Gottes Pius XII., in Rom eine Institution ins Leben zu rufen, die auf Ebene der Universalkirche die nationalen, von dem jeweiligen Episkopat genehmigten karitativen Strukturen vereinen sollte, um deren gegenseitige Kenntnis, Koordination und Zusammenarbeit bei der Durchführung der karitativen und so­ zialen Tätigkeit in den verschiedenen Teilen der Welt zu fördern.“284

1952 erlangte Caritas Catholica Konsultativstatus bei verschiedenen Ein­ richtungen, so der UNICEF und seit 1958 bei der UNESCO, den United Nations in New York. Im Dezember 1954 wurde der Name in Caritas Internationalis geändert.285 281  Hierold,

Grundlegung und Organisation, 192. Kuno Joerger, Art.: Caritas Catholica, in: LThK2, Bd. 2, 1958, 759. ­Joerger betont, dass dieser Zusammenschluss im „Anschluss an die Träger des kirch­ lichen Hirtenamtes und unter deren oberster Verantwortung“ stattfand. 283  Vgl. Petra Gantner, Die verbandliche Caritas in Österreich. Eine staatskir­ chenrechtliche Bestandsaufnahme, Linz 1998 (Linzer Kanonistische Beiträge, Bd. 8), 139–144. 284  Johannes Paul II., Schreiben: Beim Letzten Abendmahl – Gewährung des Statuts einer öffentlichen juristischen Person für die Caritas Internationalis gemäß der Vorgaben des Kodex des kanonischen Rechts (16.09.2004), hier: n. 1. Vgl.: http: /  / www.vatican.va / holy_father / john_paul_ii / letters / 2004 / doc uments / hf_jp-ii_let _20040916_caritas-internationalis_ge.html (Zugriff: 24. Januar 2011). 285  Caritas Internationalis ist nicht zu verwechseln mit dem Katastrophenhilfs­ werk des Deutschen Caritasverbands mit Namen Caritas International. Vgl. http: /  / www.caritas-international.de / 4499.html (Zugriff: 24.01.2011). 282  Vgl.

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Caritas Internationalis stellt eine „internationale Konföderation katholisch caritativer Werke“286 dar. Die Aufgaben fasst Egon Engler so zusammen: „Caritas Internationalis fördert die Schaffung und Entwicklung nationaler Caritas­ verbände und koordiniert die Not- und Katastrophenhilfe der nationalen Caritas­ verbände sowie anderer kirchlicher Hilfswerke.“287

Die Motivation, die hinter dieser Gründung stand, ist demnach gut er­ kennbar, da es letztlich um eine Vernetzung der damals bestehenden und noch im Wachstum begriffenen einzelnen caritativen Einrichtungen und Organisationen ging, um weltweit eine bessere Zusammenarbeit und Infor­ mation zwischen den jeweiligen Bischöfen der Diözesen zu erreichen.  Bereits Mitte der 1960er Jahre zeichnete sich in der Arbeit von Caritas Internationalis und den neu entstandenen kirchlichen Hilfsorganisationen im Bereich der Entwicklungshilfe ab, dass ihre Arbeit „weit über die ‚opera caritatis‘ im engen traditionellen Sinn hinausgeht, also z. B. ‚wirtschaftlichsozialen Fortschritt‘ und das ‚Gemeinwohl der ganzen Menschheitsfamilie‘ erstrebt und ‚Hilfe zur Selbsthilfe‘ leistet“288. Gleichwohl sieht Richard Völkl darin kein Abweichen von dem dahinter stehenden Ursprungsgedan­ ken, denn letztlich wolle die Organisation doch „die Liebe Gottes und die ‚caritas‘ der Kirche bezeugen“ und „das Gebot der ‚caritas‘ als Grundgesetz auch der Umwandlung der Welt verkünden“ (vgl. GS 38).289 Nach dieser beschriebenen Entwicklung eines gesamtkirchlichen Organs für die Caritas ist es interessant, dass Papst Paul VI. durch das Apostolische Schreiben Amoris officio290 vom 15. Juli 1971 den Päpstlichen Rat Cor Unum errichtet hat. Dieser soll – so der Untertitel – der Förderung der christlichen Würde und eines menschenwürdigeren Lebens dienen.291 Ge­ mäß der Apostolischen Konstitution über die Römische Kurie Pastor Bonus292 vom 28.06.1988 ist es die Intention des Rates „die Sorge der katho­ lischen Kirche gegenüber den Hilfsbedürftigen zum Ausdruck [zu bringen] 286  Alfred E. Hierold, Art.: Caritas, in: Lexikon des Kirchenrechts, Stephan ­Haering / Heribert Schmitz (Hrsg.), Freiburg i. Br. 2004, 142 f., 143. 287  Egon Engler, Art.: Caritasverbände, in: LThK3, Bd. 2, 1994, 952. 288  Völkl, Bischofsamt und „caritas“, 356. 289  Ebd. 290  Paul VI., Apostolisches Schreiben Amoris officio vom 15. Juli 1971, in: AAS 63 (1971) 669–673. 291  Profilbeschreibung auf der Homepage des Vatikans: http: /  / www.vatican.va /  roman_curia / pontifical_councils / corunum / corunum_ge / profilo_ge / istituzione_ge. html (Zugriff: 02.08.2012). 292  Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Pastor Bonus über die Römische Kurie, 28. Juni 1988, in: AAS 80 (1988) 841–934; abgedruckt in: AfkKR 157 (1988) 129–186; dt. Übersetzung als Anhang zum Codex Iuris Canonici, Kevelaer 52001, 771–833.



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und […] das Ziel [zu verfolgen], daß die Brüderlichkeit unter den Menschen gefördert wird und die caritas Christi zum Vorschein kommt“293 (Art. 145). Nach eigenen Angaben sieht der Rat seine Aufgaben primär auf drei Bereiche bezogen: Erstens soll er die Katechese zur Caritas fördern, zwei­ tens ist er zuständig für die „Koordinierung der katholischen Hilfsorganisa­ tionen, mit besonderem Augenmerk auf ihrer [sic] Bindung an die Teilkir­ chen“ und schließlich obliegt ihm die „Durchführung von Hilfsinitiativen des Heiligen Vaters in Katastrophenfällen und für die ganzheitliche Förde­ rung des Menschen, besonders in Entwicklungsländern“.294 Durch die Errichtung ergab sich folglich ein Nebeneinander zweier carita­ tiver Einrichtungen auf der Ebene der Gesamtkirche. In der vergleichenden Gegenüberstellung der Aufgaben und Zielsetzungen der beiden Einrichtun­ gen, Caritas Internationalis und Cor Unum, fällt eine grundsätzliche Dopp­ lung in der Koordinierung der unteren caritativen Strukturebenen auf. Dies führt zu der Frage, ob es beide Institutionen braucht.295 Sah der Papst die gesamtkirchlichen Interessen nicht in ausreichendem Maße durch Caritas Internationalis gewahrt oder berücksichtigt? Natürlich ermöglicht eine Behör­ de ‚im eigenen Haus‘ eine engere Anbindung und kürzere Wege, selbst wenn der Sitz von Caritas Internationalis ebenfalls in der Vatikanstadt liegt. Ande­ rerseits besitzt aber der Heilige Stuhl eine weitgehende Mitsprachemöglich­ keit und Einbindung in diese Organisation, wie dem Zusatzprotokoll der Sta­ tuten zu entnehmen ist296: Gemäß diesen drei ergänzenden Artikeln297, die satzungsgemäßen Rang besitzen, ernennt der Apostolische Stuhl einen Beirat, dem Sitzungsrecht zukommt (vgl. Art. 1). Darüber hinaus muss die Kandida­ tenliste zur Wahl des Präsidenten und Generalsekretärs mindestens zwei Mo­ nate vor der Wahl dem Apostolischen Stuhl zur Approbation vorgelegt wer­ den (vgl. Art. 2). Entsprechend Art. 3 bedürfen Satzungsänderungen sowie eine Verlegung der Hauptgeschäftsstelle der Genehmigung.298 Eine Möglichkeit zur inhaltlichen Differenzierung ist hinsichtlich der theologischen Bezugnahme gegeben, denn diese ist in den Beschreibungen 293  Herv.

N. H.

294  Profilbeschreibung

auf der Homepage des Vatikans: http: /  / www.vatican.va /  roman_curia / pontifical_councils / corunum / corunum_ge / profilo_ge / istituzione_ge. html (Zugriff: 02.08.2012). 295  Dieses Problem sah bereits Alfred Hierold gegeben: „Damit erhebt sich die Frage, ob für die gleichen Aufgaben zwei verschiedene Einrichtungen auf gleicher Ebene notwendig sind oder ob nicht dadurch ein neues, wieder zu koordinierendes Nebeneinander entsteht.“ (Hierold, Grundlegung und Organisation, 188.) 296  Vgl. http: /  / www.caritas.org / upload / sta / statutesandrules_11.pdf (Zugriff: 24.01. 2011). 297  Vgl. ebd., S. 11. 298  Vgl. ebd.

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

des Päpstlichen Rates in weitaus stärkerem Maße vorhanden, insofern die erste Aufgabe mit Katechese zur Caritas umschrieben wird. Demgegenüber existiert bei Caritas Internationalis die Einbeziehung des Apostolischen Stuhles, aber es finden sich keine Aussagen zur Arbeit aus oder an den theologischen Wurzeln der Caritas.299 Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine grundsätzliche Unterschiedenheit, sondern lediglich um eine stär­ kere Profilierung. Dieser Umstand lässt es daher als fragwürdig erscheinen, dass die Existenz beider Einrichtungen unumgänglich ist. Zu berücksichti­ gen ist aber auch, dass Cor Unum gerade durch seine Stellung in der Rö­ mischen Kurie ein eindeutiges Zeugnis der amtskirchlichen Verantwortung für die Caritas auf gesamtkirchlicher Ebene ablegt, welches in gleicher Weise auch nicht durch den Status einer öffentlichen juristischen Person bei Caritas Internationalis gegeben sein kann.  Die Haltung des Apostolischen Stuhls zu diesem Thema klang 2004 in einer Äußerung Johannes Pauls II. an. In dem bereits erwähnten Schreiben anlässlich der Verleihung des Status einer öffentlich juristischen Person an Caritas Internationalis nimmt er Bezug auf das Verhältnis beider Einrich­ tungen zueinander. Dort heißt es, dass es dem Päpstlichen Rat zukomme „die Aktivitäten der Caritas Internationalis […] zu begleiten und zu unterstützen“300. Diese Aussage deutet nicht auf eine Aufhebung des gege­ benen Zustands hin, sondern scheint diesen eher manifestieren zu wollen, in dem Sinn, dass Cor Unum die theologischen Grundlagen und Bezugnahmen zur caritativen Arbeit bietet. Dieser Eindruck wurde zuletzt durch ein Generaldekret301 vom 2. Mai 2012 bestätigt, welches vom Staatssekretär Tarcisio Bertone nach Approba­ tion durch Papst Benedikt XVI. unterzeichnet wurde. Das Dekret wurde den neu erlassenen Statuten von Caritas Internationalis vorangestellt.302 Im Wesentlichen spiegeln die beiden Dokumente, also das Generaldekret und die Statuten, eine engere Verbindung zwischen dem Päpstlichen Rat Cor Unum und Caritas Internationalis wider. Wie bereits im päpstlichen 299  Verdeutlicht wird dies innerhalb des Stichwortregisters, das den Statuten an­ gehängt ist. Dort findet sich unter dem Begriff Church folgende Beschreibung: „We are a socio-pastoral expression of the Church and will continue to make efforts to promote the social mission of the Church and to help the Church to see Caritas in its true role.“ http: /  / www.caritas.org / upload / sta / statutesandrules_11.pdf (Zugriff: 24.01.2011). 300  Johannes Paul II., Beim letzten Abendmahl vom 16. September 2004, Nr. 4. 301  http: /  / www.vatican.va / roman_curia / pontifical_councils / corunum / corunum_it /  attivita / rc_pc_corunum_doc_20120502_Decreto_Generale_Caritas_Internationalis_it .html (Zugriff: 02.08.2012). 302  http: / / www.caritas.org / includes / pdf / DecretoApprovazioneStatutiing.pdf (Zu­ griff: 04.08.2012).



II. Grundlegung der Caritas91

Schreiben „Beim Letzten Abendmahl“ von 2004 festgehalten, verfolgt und begleitet der Päpstliche Rat alle Aktivitäten der Caritasinstitution; neu hinzu gekommen ist allerdings, dass Cor Unum nun auch für die Approbation aller von Caritas Internationalis verfassten Texte zuständig ist, die die Leh­ re und Moral der Kirche betreffen (vgl. Dekret, Art. 1 ff.). Des Weiteren werden im Dekret Richtlinien für eine spätere Erarbeitung spezieller Nor­ men bzgl. Personalangelegenheiten angegeben, insofern es sich bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zwar nicht um Vatikan Angestellte im engeren Sinn, aber doch um Mitglieder der „working community of the Apostolic See“303 handele (vgl. Dekret, Art. 4 f.). Ergänzend zur Verlautba­ rung im päpstlichen Schreiben von 2004, welches die päpstliche Berufung des Präsidenten und Generalsekretärs bereits vorsah, erstreckt sich dies nun auch auf die Position des Schatzmeisters (vgl. Dekret, Art. 6). Die erlassenen Dokumente aus den Jahren 2004 und 2012 geben demnach Zeugnis von einem neu errichteten status quo, der sich in einer engeren Verzahnung von Caritas Internationalis und dem Päpstlichen Rat Cor Unum niederschlägt. Dies bietet die Vorteile, dass die besondere Bedeutung der Caritas für die Kirche stärker hervorgehoben wird, ohne eine Zusammen­ legung beider Institutionen zwingend notwendig zu machen. 5. Die Enzyklika Deus caritas est In den vorangegangenen Abschnitten wurden grundlegende Sachverhalte zur Caritas angesprochen und geklärt, so die Begriffsbestimmung und die biblischen Verankerungspunkte des Caritasverständnisses. Die kirchenge­ schichtliche Entwicklung in ihren Schwerpunkten wurde skizziert und schließlich wurden Grundzüge caritativer Strukturen auf den unterschiedli­ chen hierarchischen Ebenen erläutert. Im Folgenden wird die Antrittsenzyklika Benedikts XVI. im Mittelpunkt stehen. Sie stellt das zentrale Lehrschreiben zur Caritas dar und ist von daher unverzichtbar für die vorliegende Arbeit. Zunächst sollen die Kern­ aussagen vorgestellt und reflektiert werden. Ergänzend wird die Schrift der Deutschen Bischöfe von Dezember 2009 Berufen zur caritas304 herangezo­ gen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die päpstlichen Aussagen auf die Situation in Deutschland zu beziehen und Konsequenzen abzuleiten. Im 303  Osvaldo Neves de Almeida, The renewed juridical framework of Caritas In­ ternationalis, veröffentlicht auf: http:/ / www.vatican.va / roman_curia / pontifical_coun cils /corunum / corunum_en / attivita_en/ rc_pc_corunum_doc_20120502_Articolo_Ne ves_Caritas_Internationalis_en.html (Zugriff: 04.08.2012). 304  Die Deutschen Bischöfe (Nr. 91), Berufen zur caritas, 5. Dezember 2009, Se­ kretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Bonn 2009.

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

Anschluss an diese Besprechung wird die Enzyklika auf ihre speziell kir­ chenrechtlichen Konsequenzen hin befragt. Am 25. Dezember 2005 unterzeichnete Papst Benedikt XVI. seine erste Enzyklika unter dem Titel Deus caritas est.305 Das gewählte Thema erschien vielen ungewöhnlich für den ehemaligen Präfekten der Glaubenskongrega­ tion. Tatsächlich ist es als solches für ein päpstliches Schreiben singulär. Der Caritaswissenschaftler Heinrich Pompey charakterisiert es in seinem Kommentar als „historisches Erstlingsdokument“, denn es sei „die erste lehramtliche Grundlegung und Inspiration der caritativ-diakonischen Sen­ dung der Kirche und in dieser systematischen Weise in der lehramtlichen Tradition des Westens singulär“306. Benedikt XVI. fasste seine Aussageabsicht auf einem Kongress des Päpstlichen Rates Cor Unum drei Tage vor Veröffentlichung der Enzyklika wie folgt zusammen: „Ich wollte die Menschlichkeit des Glaubens verdeut­ lichen.“307 Das gewählte Thema, welches als grundlegendes Movens des menschli­ chen Lebens jedem zugänglich ist, soll dementsprechend verdeutlichen, dass der Glaube sich im Verhalten eines jeden Gläubigen, im Tatzeugnis, wider­ spiegelt. Allerdings braucht die Praxis jeweils ihr theoretisches Fundament, damit sie sich nicht verflüchtigt. So zeigt Benedikt XVI. im ersten Teil in theologisch-systematischer Weise die Wurzeln des christlichen Liebesdiens­ tes auf, die nicht in einem allgemeinen mitmenschlichen Gefühl begründet liegen, sondern ihren Ausgangspunkt in Gott selbst haben: „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm.“ (1 Joh 4, 16b)

Der Papst selbst fasst die Bedeutung des Verses wie folgt zusammen: „In diesen Worten des Ersten Johannesbriefes ist die Mitte des christlichen Glau­ bens, das christliche Gottesbild und auch das daraus folgende Bild des Men­ schen und seines Weges in einzigartiger Klarheit ausgesprochen.“ (DCE, n. 1) Die weiteren Ausführungen seiner Schrift sind demnach als eine Entfal­ tung dieser Grundaussage zu verstehen, indem sie das komplexe Beziehungs­ geflecht aufzeigen zwischen Schöpfer und Geschöpf im Blick auf die Liebe. 305  Benedikt XVI., Enzyklika Deus caritas est. Über die christliche Liebe, 25. De­ zember 2005, in: AAS 98 (2006) 217–252; dt. Übersetzung: VApSt 171, Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Bonn 2006. 306  Heinrich Pompey, Zur Neuprofilierung der caritativen Diakonie der Kirche. Die Enzyklika „Deus caritas est“ – Kommentar und Auswertung, Würzburg 2007, 15. 307  Benedikt XVI., Ansprache von Benedikt XVI. an die Teilnehmer eines vom Päpstlichen Rat Cor Unum ausgerichteten Internationalen Kongresses am 23.01.2006, in: Pontificium Consilium Cor Unum, Deus caritas est – Dokumentation des Inter­ nationalen Kongresses über die christliche Liebe, Vatikan 2006, 8.



II. Grundlegung der Caritas93

Neben einer Einleitung (n. 1) und einem Schluss (nn. 40 ff.), gliedert sich die Schrift in den ersten Teil „Die Einheit der Liebe in der Schöpfung und der Heilsgeschichte“ (nn. 2–18) sowie in „Caritas – Das Liebestun der Kir­ che als einer ‚Gemeinschaft der Liebe‘ “ (nn. 19–39) als zweiten Teil. Der erste Teil arbeitet in systematischer Weise das Wesen der Liebe unter besonderer Berücksichtigung des Zusammenhangs zwischen der Liebe Got­ tes und „der Realität der menschlichen Liebe“ (DCE, n. 1) heraus, während der zweite Teil das Augenmerk auf die praktische Ausübung der Caritas in der Kirche legt.308 Somit bilden der erste und zweite Teil kein unverbunde­ nes Nebeneinander. Im Sinne einer Fundierung und Profilierung der Caritas ist der erste Teil nicht überflüssiger theoretischer Ballast, sondern gleichsam die Basis für die praktische Arbeit. Nur in der Verbindung beider Teile kann schließlich ein „caritative[r] Geist der Praxis“309 entstehen. Für das Anliegen dieser Arbeit sind im Folgenden drei Gesichtspunkte der Enzyklika herauszuarbeiten: erstens der eher grundsätzliche Aspekt, wie der Papst das Wesen der Liebe inhaltlich versteht, des Weiteren sind die Aussagen zur kirchengeschichtlichen Entwicklung des Caritasgedankens und schließlich die Passagen über die dreigliedrige Sendung der Kirche zu analysieren. a) Das Wesen der Liebe Es ist eine unwiderlegbare Leistung dieses päpstlichen Schreibens, die Liebe als die zentrale Grunddimension christlichen Daseins zu bedenken. Dabei vermag der gefällige Sprachstil der Enzyklika nur anfänglich über die Komplexität des Inhalts hinwegzutäuschen; dessen wird der Leser bereits Zeuge im Zuge der Überlegungen, wie das Verhältnis der verschiedenen Bedeutungen des Begriffs Liebe zueinander zu bestimmen ist. Für diese Konnotationen besitzt die griechische Sprache drei Begriffe: ἀγάπη, als sich schenkende Liebe, φιλία, als Freundschaftsliebe sowie ἔρωϚ, als begehrende Anziehung. Wie verhalten sich diese unterschiedlichen Sichtweisen der Liebe zueinander?310 308  Karl Lehmann bringt den Unterschied wie die Verbindung beider Teile sprach­ lich pointiert zum Ausdruck, indem der erste Teil „das Wesen der Liebe“ und der zweite „das Wirken der Liebe“ entfalte. Vgl. Karl Lehmann, Im Zentrum der christ­ lichen Botschaft, in: Benedikt XVI., Gott ist die Liebe – Die Enzyklika „Deus ca­ ritas est“ – Vollständige Ausgabe – Ökumenisch kommentiert von Bischof Wolfgang Huber, Metropolit Labardakis, Karl Kardinal Lehmann, Freiburg i. Br. 2006, 121– 138, 123. 309  Pompey, Kommentar, 30. 310  Die Ausführungen zur Freundschaftsliebe beschränken sich in der Enzyklika darauf, dass φιλία bevorzugt im Johannesevangelium Verwendung findet, „um das

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

Indem der Papst die These formuliert: „Im letzten ist ‚Liebe‘ eine einzige Wirklichkeit, aber sie hat verschiedene Dimensionen – es kann jeweils die eine oder andere Seite stärker hervortreten“ (DCE, n. 8), spricht er sich zugleich gegen zwei geläufige Meinungen aus. Zum einen gegen das, seit dem 19. Jahrhundert bestehende Vorurteil, das Christentum würde den Eros, gegenüber der Agape311, dämonisieren (vgl. DCE, n. 3), und zum anderen warnt er vor der gegenwärtig oftmals zu beobachtenden Reduzierung der Liebe auf Eros als reinen Sex (vgl. DCE, n. 5). Anstatt Eros und Agape gegeneinander auszuspielen, stehen sie letztlich für Benedikt XVI. in einem oszillierenden Verhältnis zueinander: „Wenn Eros zunächst vor allem verlangend, aufsteigend ist – Faszination durch die große Verheißung des Glücks – so wird er im Zugehen auf den anderen immer weniger nach sich selber fragen, immer mehr das Glück des anderen wollen, immer mehr sich um ihn sorgen, sich schenken, für ihn da sein wollen. Das Mo­ ment der Agape tritt in ihn ein, andernfalls verfällt er und verliert auch sein eige­ nes Wesen. Umgekehrt ist es aber auch dem Menschen unmöglich, einzig in der schenkenden, absteigenden Liebe zu leben. Er kann nicht immer nur geben, er muss auch empfangen. Wer Liebe schenken will, muss selbst mit ihr beschenkt werden.“ (DCE, n. 7)

Die philosophische Verhältnisbestimmung312 dieser beiden Dimensionen der Liebe verdeutlicht zugleich die Wertschätzung313 dem Eros gegenüber, denn dieser ist zum einen von der Schöpfung her wesensmäßig im Menschen verankert (vgl. DCE, n. 11), und zum anderen ist dem angeführten Zitat zu­ folge der Eros für die Praxis der Agape in vorgängiger Weise notwendig. 313

Verhältnis zwischen Jesus und seinen Jüngern auszudrücken.“ (DCE, n. 3) Im Wei­ teren kreisen die Überlegungen ausschließlich um die Termini ἀγάπη und ἔρωϚ. 311  DCE n. 3: „Von den drei griechischen Wörtern für Liebe […] bevorzugen die neutestamentlichen Schriften das letztere, das im griechischen Sprachgebrauch nur am Rande gestanden hatte.“ (Vgl. dazu: Thomas Söding, Das Wortfeld der Liebe im paganen und biblischen Griechisch, in: EThL 68 [1992] 284–330; ders., „Am größ­ ten ist die Liebe“ [1 Kor 13,13]. Eros und Agape im Alten und im Neuen Testament, in: Gregor Maria Hoff [Hrsg.], Liebe. Provokationen. Salzburger Hochschulwochen 2008, Innsbruck / Wien 2008, 66–103. 312  Vgl. weiterführend dazu die Dissertation von Crépin Magloire C. Acapovi, die eine Studie zur Analyse des Konzepts einer Ontologie der Liebe bei dem protestanti­ schen Theologen und Religionsphilosophen Paul Tillich (1886–1965) darstellt. In ei­ nem eigenen Abschnitt beschäftigt sich Acapovi darin mit der Enzyklika Papst Bene­ dikts Deus caritas est und zeigt die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Tillich und Benedikt XVI. auf (vgl. ders., L’être et l’amour. Une étude de l’ontologie de l’amour chez Paul Tillich, Münster 2010 [Tillich-Studien, Bd. 22], 298–312). 313  Die Beurteilung, ob dem Eros innerhalb des Lehrschreibens tatsächlich Wert­ schätzung zuteil wird und Benedikt XVI. seine erklärte Intention erreicht – die Lie­ be als eine einzige Wirklichkeit zu fassen – wird durchaus unterschiedlich beurteilt. Bedenkenswerte Überlegungen bringt dazu Hermann Steinkamp ein, der insbeson­



II. Grundlegung der Caritas95

Heinrich Pompey verweist in seinem Kommentar hinsichtlich der Verhältnis­ bestimmung von Eros und Agape auf zwei Sachverhalte der psychotherapeu­ tischen Theorie und Praxis: So sei es zum einen von essentieller Bedeutung, dass eine Person Liebe erfahren haben und auch weiterhin erfahren muss, um diese weiterschenken zu können. Zum anderen bestehe die Gefahr des Burndere den ersten Teil der Enzyklika auf dessen metakommunikative Botschaften hin untersucht und bleibende Desiderate ausmacht. (Vgl. Hermann Steinkamp, Liebe: Eros und Agape – theologisch und pastoralpsychologisch, in: Giancarlo Collet / Rein­ hard Feiter u. a. (Hrsg.), Liebe ist möglich und wir können sie tun. Kontexte und Kommentare zur Enzyklika „Deus caritas est“ von Papst Benedikt XVI., Berlin 2008 [Reihe: Diakonik, Bd. 7], 97–109.)  Einen ersten Aspekt benennt Steinkamp in Bezug auf die Intention des Papstes, dass Eros und Agape als untrennbare Einheit von Theologie und Kirche betrachtet werden (sollen). Diese Aussageabsicht werde nun aber durch Ausführungen bzgl. der Leibfeindlichkeit des Christentums: „Tendenzen, die es immer gegeben hat“ sowie der Suggestion, dass diese sich nur in der Vergangenheit ereigneten (vgl. DCE, n. 5), relativiert, und zwar aus dem Grund, dass zum einen verharmlosende Formulierungen gewählt würden, und zum anderen könne der Vorwurf der Leib­ feindlichkeit u. a. mit Blick auf die Dokumente des Apostolischen Stuhles seit den 1960iger Jahren „gerade auch für die Gegenwart“ (Steinkamp, Liebe, 99) begründet werden. Die zweite Dissonanz, die Steinkamp innerhalb der metakommunikativen Botschaft ausmacht, knüpft an eine Aussage aus DCE, n. 5 an: „Aber die Art von Verherrlichung des Leibes, die wir heute erleben, ist trügerisch. Der zum ‚Sex‘ degradierte Eros wird zur Ware, zur bloßen ‚Sache‘; man kann ihn kaufen und verkaufen.“ Nach Steinkamp zeigt hier beispielhaft, dass der Text zwischen den Zeilen von einem „Ja, aber!“ durchzogen ist; in diesem Falle bedeutet dies: „Eros ja, Sexualität nein!“ (Steinkamp, Liebe, 99), d. h. die Differenz zwischen Eros und Agape wurde verschoben. Tatsächlich besteht der Eindruck, dass Benedikt XVI. an den wenigen Stellen, die die Sexualität anklingen lassen (nn. 4 f.), diese im Zusammenhang gesehen werden mit der Ambivalenz des Eros, also als die Variante, die zunächst der „Reinigung“ bedarf (vgl. zu diesem Begriff die Ausführungen in der übernächsten Anm.). So „entsteht der Anschein, als sei die menschliche Sexualität die Schattenseite des Eros, dasjenige, was es zu domestizieren, womöglich zu sublimieren gelte.“ (Steinkamp, Liebe, 99). Vgl. dazu auch die Aussage in DCE, n. 4: „um dem Menschen nicht den Genuss des Augenblicks, sondern einen gewissen Vorgeschmack der Höhe der Exis­ tenz zu schenken“. Muss sich beides gegenseitig ausschließen?  Eine Bewertung dieses Befundes ist als solche jedoch schwierig. Denn der Be­ hauptung in DCE, n. 5 ist durchaus zuzustimmen. Es wäre sicher wünschenswert gewesen, innerhalb einer Beschäftigung mit dieser Thematik auch positive Aussagen zur Sexualität zu lesen, andererseits ist der Zielpunkt der Enzyklika anders ausge­ richtet, indem sie in ihrem Kern auf die Praxis der Nächstenliebe orientiert ist. So kann dem Hinweis von Steinkamp, dass sich die Rede vom Eros im zweiten Teil des Schreibens nicht wiederfindet, sicherlich mit dem Hinweis begegnet werden, den er selbst in der Anm. 2 (vgl. Steinkamp, Liebe, 100) anführt: „der Papst habe eine Enzyklika zum Thema ‚Caritas‘ schreiben wollen“. Dieser muss jedoch noch um die Bemerkung ergänzt werden, dass der zweite Teil zwar nicht explizit aber durchaus implizit den Eros miteinschließt, wenn man die Aussagen des ersten Teiles zu dem oszillierenden Verhältnis zwischen Agape und Eros bedenkt (vgl. DCE, n. 7).

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

Out-Syndroms, wenn die eigene Person gänzlich aus dem Hilfegeschehen in der Form herausgehalten, dass es über eine Solidarisierung mit dem Notlei­ denden hinaus zu einer Identifizierung mit selbigem kommt.314 Die theologische Perspektive verortet darüber hinaus die Dimension des Eros wesensmäßig in Gott selbst; insofern das AT ausführlich die Liebe JHWHs zu seinem Volk Israel beschreibt.315 Benedikt betont dabei, dass der „Eros Gottes für den Menschen […] zugleich ganz und gar Agape“ (DCE, n. 10) ist, weil er immer auch verzeihende und schenkende Liebe ist.316 In 314  Vgl. Pompey, Kommentar, 59. Vgl. dazu auch die Anmerkungen unter B. II. 2. b) zur Perikope des barmherzigen Samariters. Dort wurde darauf hingewiesen, dass eine „Wahrung berechtigter Eigeninteressen“ nicht als Egoismus gekennzeich­ net werden kann, sondern innerhalb des caritativen Dienstes notwendig ist. 315  Mehrfach spricht Benedikt XVI. von einer notwendigen Reinigung des Eros. So in DCE, n. 4, wo er den Vorwurf, das Christentum hätte den Eros zerstört, zu­ rückweist, indem er anhand der vorchristlichen Fruchtbarkeitskulte zu verdeutlichen sucht, dass diese in der geschlechtlichen Vereinigung mit den Tempeldienerinnen, den Eros selbst vergöttlichen wollten. Die Funktion des Eros erschöpfe sich aber nicht bereits im „Genuss eines Augenblicks“, sondern darin, „einen gewissen Vorge­ schmack der Höhe der Existenz zu schenken“. Daraus zieht der Papst die Konse­ quenz, „dass Eros der Zucht, der Reinigung bedarf“. Wie diese Reinigung zu ver­ stehen ist, wird in n. 6 konkretisiert. Liebe schließe demnach immer die Orientierung am Du des Anderen mit ein und würde dadurch deren egoistischen Zug aufbrechen. Dementsprechend wird Ekstase verstanden, „als ständiger Weg aus dem in sich ver­ schlossenen Ich zur Freigabe des Ich“. Der Eros als begehrende Dimension der Liebe sei jedoch nicht auf den Menschen beschränkt, sondern finde sich auch bei Gott selbst. Der Eros Gottes, also seine Liebe zu den Menschen, ist jedoch sehr eng mit der göttlichen Agape verbunden: „Nicht nur weil er [Eros] ganz frei und ohne vorgängigen Verdienst geschenkt wird, sondern auch, weil er verzeihende Liebe ist.“ (DCE, n. 10) Und weiter: „Damit ist der Eros aufs Höchste geadelt, aber zugleich so gereinigt, dass er mit der Agape verschmilzt.“ So sehr der Gedanke, einer Verobjektivierung des Gegenübers zu wehren, zu un­ terstützen ist, ist die verwendete Begriffswahl der Reinigung (purificatio) zu hinter­ fragen. Das Nomen „Reinigung“ wie auch das Adjektiv „rein“ konnotieren als vor­ gestellter Prozess automatisch den früheren Zustand eines Gegenstandes oder Sach­ verhaltes als „unrein“ bzw. „schmutzig“; im theologischen Kontext sogar „sündig“. Nun ist aber der Eros an sich, keine negative Wirklichkeit der Liebe, sondern nur, – und in diesem Sinne argumentiert auch Benedikt XVI. (vgl. die wesensmäßige Verankerung des Eros im Menschen aufgrund der Schöpfung, DCE, n. 11) – wenn er als einzige Dimension der Liebe in egoistischer Form ausgelebt wird. Die Sicht des Christentums auf den Eros wird demnach deutlicher hervorgehoben, wenn auf das Wort der Reinigung verzichtet wird und stattdessen der Sachverhalt mithilfe einer positiven Formulierung umschrieben wird, wie z. B. einer Öffnung des Eros hin zum Du als Subjekt. 316  Im Kontext der Überlegung, dass eine Person zunächst mit Liebe beschenkt worden sein muss, um diese weiterzugeben, ist die theologische Aussage, dass Gott den Menschen zuerst geliebt hat, in unmittelbarer Weise mit einzubeziehen. Pompey bezieht diese Notwendigkeit des vorgängigen Geschenks der Liebe ausschließlich



II. Grundlegung der Caritas97

seiner Unnachgiebigkeit und Ausschließlichkeit wird „die Art, wie Gott liebt, […] zum Maßstab menschlicher Liebe.“317 (DCE, n. 11) Die volle Bedeutung dieser Aussage wird jedoch erst im Christusereignis, in Christi Tod und Auferstehung, deutlich (vgl. DCE, n. 12). Jesus Christus hat sich für die Menschheit in ihrer Gesamtheit und damit auch für mich als einzel­ ne Person aus Liebe hingegeben. Ihn konnte der Vater, der selbst die Liebe ist, nicht im Tod lassen, sondern hat ihn zu neuem Leben auferweckt. Diese Hingabe wird in der Feier der Eucharistie Gegenwart (vgl. DCE, n. 13). Hier zeigt sich zugleich der gemeinschaftsstiftende, der „soziale Charakter“ (DCE, n. 14) dieses Sakramentes in sinnenfälliger Weise. In der Kommunion öffnet sich die Beziehung des einzelnen zu Gott auf den ande­ ren, den Mitmenschen, hin; die Gläubigen werden untereinander vereint zu einem Leib (vgl. 1 Kor 10,17). Dieser Zusammenhang ist eine Schüsselstel­ le – gleichsam ein Urgrund – des christlichen Verständnisses der Nächsten­ liebe. Die vertikale Linie der Liebe Gottes zum Menschen wie die Liebe des Einzelnen zu Gott wird geweitet auf die horizontale Dimension, den Nächsten, einmal in der Sichtweise, dass Gottes Liebe sich auf jeden Men­ schen als sein Ebenbild bezieht, und zudem im Geschehen des Empfangs der eucharistischen Gaben, welches zu einer Verbindung der Gläubigen untereinander führt. In diesem Sinn resümiert Benedikt XVI.: „Gottesliebe und Nächstenliebe sind nun wirklich vereint.“ (DCE, n. 14)318

Wenngleich der Zusammenhang zwischen Gottes- und Nächstenliebe of­ fensichtlich ist, bleibt aufzuzeigen, wer der Nächste ist.319 Die Gleichnisse und Parabeln Jesu, insbesondere die Parabel vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25–37) und die Parabel vom Weltgericht (Mt 25, 31–46), auf welche das päpstliche Schreiben mehrfach Bezug nimmt, universalisieren und kon­ kretisieren in gleichem Maße das Verständnis vom Nächsten. Besonders die Rede vom Weltgericht veranschaulicht, wie die Nächstenliebe zur Gottesbe­ gegnung führt oder besser gesagt, diese beinhaltet. „Im Geringsten begegnen auf die Elternliebe (vgl. Pompey, Kommentar, 59 f.) bzw. auf die Liebe Gottes, die durch caritative Werke vermittelt geschenkt wird. Ohne deren Bedeutung zu schmä­ lern, ist jedoch noch die unmittelbare Erfahrung der Liebe Gottes zum einzelnen Menschen zu berücksichtigen, die diesem z. B. im Gebet zuteil werden kann. 317  Die Rede von der Ausschließlichkeit der Liebe Gottes zu seinem auserwählten Volk verbindet Benedikt XVI. mit der monogamen Ehe, die auf den Säulen „Einzig­ keit und Endgültigkeit“ aufruht (vgl. DCE, n. 11). In diesem Zusammenhang vgl. Pompey, Kommentar, 60: „Die Unersetzlichkeit der Elternliebe begründet die Option des Papstes für die monogame lebenslange Ehe.“ 318  Aus diesem Kontext erklärt sich, warum ἀγάπη als Begriff für die sich ver­ schenkende Liebe zum terminus technicus für die Eucharistie wurde (vgl. DCE, n. 14). 319  Vgl. dazu die Ausführungen unter B. II. 2. b).

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

wir Jesus selbst, und in Jesus begegnen wir Gott“ (DCE, n. 15). Es muss jedoch an dieser Stelle dem Missverständnis gewehrt werden, dass die Nächstenliebe sozusagen als Mittel zum Zweck der persönlichen Gottesbe­ gegnung gesehen und damit in ihrer eigenständigen Bedeutung zurückge­ setzt wird. Die Sorge für den Nächsten erfolgt um des Nächsten willen. Die angedeutete Gratwanderung veranschaulicht Pompey, indem er differenziert, dass es theologisch für einen Christen unmöglich ist, zwischen Christus und dem leidenden Menschen zu trennen. Aus psychologischer Sicht muss je­ doch die Hilfe ganz dem leidenden Menschen gelten, d. h. in Konsequenz: „Ein Leidender darf nicht als Chance und Möglichkeit für die eigene Gottesliebe missbraucht werden. […] Der anziehende Eros muss dem Patienten, dem Leiden gelten. Wir dürfen theologisch gewiss sein, dass Gott uns dann in diesem Leiden­ den begegnet und wir ihn durch den Leidenden lieben.“320

Aber bereits das Doppelgebot in Mk 12, 28–31par wie auch das vierte Kapitel des Ersten Johannesbriefes lassen Gottes- und Nächstenliebe nicht als zwei von einander unabhängige Bereiche verstehen, vielmehr besteht zwischen ihnen eine „notwendige Wechselwirkung“ (DCE, n. 18).321 So braucht es, um im anderen ein Ebenbild Gottes zu sehen, den persönlichen Glauben und in gleicher Weise ist zu beachten: „Nur der Dienst am Nächs­ ten öffnet mir die Augen dafür, was Gott für mich tut und wie er mich liebt.“ (ebd.) Das reziproke Verhältnis wird im Inneren bestimmt von einer Willensgemeinschaft (vgl. dazu DCE, n. 17). Am Anfang stehe, so Benedikt XVI., zunächst ein „Gefühl der Freude“, ausgelöst durch die Erfahrung der Liebe Gottes. Dieses Gefühl würde aber nicht als einziger Träger für die Gottes- wie Nächstenliebe ausreichen.322 Vielmehr brauche es dafür eine Willens- und Verstandesleistung, sodass der eigene Wille immer mehr mit dem göttlichen Willen zu einer „Gemeinschaft des Denkens und Fühlens wächst und so unser Wollen und Gottes Wille immer mehr ineinanderfallen [!]“ (DCE, ebd.). Nur in dieser Verbindung lässt sich schließlich die Grund­ lage zum Überschreiten der menschlichen Neigung finden, „selbst dann je­ mandem in Liebe zu begegnen, wenn ich ihn oder sie gar nicht kenne“323. 320  Pompey,

Kommentar, 67. dem Verhältnis zwischen Gottes- und Nächstenliebe beschäftigen sich ex­ plizit die nn. 16–18 der Enzyklika. Klaus Müller sieht in diesem Abschnitt zugleich die Verklammerung des „spekulativen ersten mit dem eher praktischen zweiten Teil des Lehrschreibens“. (Klaus Müller, Mehr als Moral. Die Einheit von Gottes- und Menschenliebe, in: Giancarlo Collet / Reinhard Feiter u. a. [Hrsg.], Liebe ist möglich und wir können sie tun. Kontexte und Kommentare zur Enzyklika „Deus caritas est“ von Papst Benedikt XVI., Berlin 2008 [Reihe: Diakonik, Bd. 7], 111–120, 113.) 322  DCE, n. 17: „Gefühle kommen und gehen. Das Gefühl kann eine großartige Initialzündung sein, aber das Ganze der Liebe ist es nicht.“ 323  Müller, Mehr als Moral, 115. 321  Mit



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In diesem Zusammenhang ist auf einen der zentralen Begriffe der Enzykli­ ka hinzuweisen, der letztlich die angezielte Einheit zwischen Verstand und Gefühl ausdrückt: Herzensbildung. Benedikt XVI. zählt die Herzensbildung zu den „konstitutiven Elemente[n], die das Wesen christlicher und kirchlicher Liebestätigkeit bilden“ (DCE, n. 31a). Denn im Sinne des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter, muss zunächst einmal das getan werden, was hier und jetzt Not tut. Dafür ist berufliche Kompetenz notwendig. Diese müsse nun aber, so der Papst, in kirchlich caritativen Organisationen ergänzt werden durch menschliche Zuwendung. An dieser Stelle greifen die oben gemachten Aussagen, dass Liebe nicht geboten werden kann. Vielmehr ist persönliche Gottesbegegnung erforderlich, in der der Helfer den anderen Menschen als von Gott geliebte Person erkennt und im lebenslangen Prozess der wachsen­ den Willensgemeinschaft zwischen sich selbst und Gott, immer mehr zu einer Verbindung von Verstand und Gefühl kommt. „Sie [die Helfer] müssen zu jener Begegnung mit Gott in Christus geführt werden, die in ihnen die Liebe weckt und ihnen das Herz für den Nächsten öffnet, so dass Nächstenliebe für sie nicht mehr ein sozusagen von außen auferlegtes Gebot ist, sondern Folge ihres Glaubens, der in der Liebe wirksam wird.“ (DCE, n. 11a)

Zusammenfassend sind als wesentliche Gesichtspunkte in Bezug auf das Wesen der Liebe festzuhalten, wie es von Benedikt XVI. in der Enzyklika entfaltet wird: Die Liebe umfasst verschiedene Dimensionen – insbesondere Eros und Agape –, die in ihrer wechselseitigen Beziehung wahrgenommen werden müssen, um keine Verzerrungen zu erhalten. Beide Facetten spiegeln sich auch im biblischen Gottesbild wider und gipfeln im Christusereignis von Tod und Auferstehung. Im sozialen Charakter der von Christus gestif­ teten Eucharistie findet sich der Wurzelgrund christlicher Nächstenliebe. Die im Doppelgebot fundierte Aufforderung zur Gottes- und Nächstenliebe muss ebenfalls als reziproke Verbindung gesehen werden, die sich in der Caritas als Herzensbildung des Helfers wiederfindet. b) Caritas als Auftrag der Kirche Nach einer Bezugnahme zwischen dem Liebestun der Kirche und der innertrinitarischen Liebe (vgl. DCE, n. 19), skizziert Benedikt XVI. die kirchengeschichtlichen Anfänge der Caritas (vgl. DCE, nn. 20–24). Die Ausführungen sind an dieser Stelle zu bedenken, weil sie eine Grundlage bilden für die sich anschließenden Aussagen zur dreigliedrigen Sendung der Kirche. Wenn die Caritas als „ekklesiale[s] Grundprinzip“ (DCE, n. 21) prokla­ miert wird, muss sie auch rückverfolgt werden können bis zu den Anfängen der Kirche. Dementsprechend ist es Benedikt XVI. ein Anliegen, die Ur­ sprünge und Entwicklungen in den ersten Jahrhunderten der Kirchenge­

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schichte zu skizzieren, um so aufzuzeigen, dass Kirche die Caritas von Beginn an als einen Wesensausdruck ihrer selbst verstanden hat. Als biblische Zeugnisse des urkirchlichen Caritasverständnisses greift der Papst zwei Stellen aus der Apostelgeschichte auf.324 Zuerst stellt er eine Beschreibung des Lukas in den Vordergrund, in der dieser in „einer Art Definition der Kirche, […] deren Wesenselemente[]“ nennt (Apg 2,42) (vgl. DCE, n. 20): Festhalten an der Lehre der Apostel, an der Gemeinschaft, am Brotbrechen, an den Gebeten.  Das zunächst unkonkret erscheinende Moment der Gemeinschaft (κοινωνία) finde, so Benedikt XVI., ihren Ausdruck in der Haltung, dass die Gläubigen alles gemeinsam haben: „Alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem soviel, wie er nötig hatte.“ (Apg 2,44 f.)325

Dieses Bild der frühkirchlichen Gemeinde vermittelt einen imponierenden Eindruck davon, wie Kirche in ihrer frühesten Zeit – sozusagen intuitiv – eine Einheit von Gottes- und Nächstenliebe praktizierte. Wenngleich dieses Verhalten nicht aufrecht erhalten werden konnte, aufgrund des einsetzenden Wachstums der Kirche, so bildet dieser Ausschnitt dennoch die Folie und die Richtschnur, an der sich kirchliche Caritas orientiert: „Innerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen darf es keine Armut derart geben, dass jemandem die für ein menschenwürdiges Leben nötigen Güter versagt blei­ ben.“ (DCE, n. 20)

Der Papst geht dann auf den ersten Beleg für eine Differenzierung inner­ halb des kirchlichen Lebens ein. Vier Kapitel weiter hält Lukas die Bege­ benheit fest, wo es zu einer Trennung zwischen dem „Gebet“ und dem „Dienst am Wort“ auf der einen Seite, und dem „Dienst an den Tischen“ auf der anderen Seite kommt. Während sich die Apostel auf die ersten zwei Bereiche konzentrieren, wird für den dritten Dienst ein Siebener-Kollegium bestellt (Apg 6,1–6). Benedikt XVI. sieht in dieser Szene eine „entscheiden­ de Stufe im Ringen um die Durchführung dieses ekklesialen Grundprinzips“ (DCE, n. 21).326 Die Perikope zeuge davon, wie die Dimension der διακονία 324  Vgl.

die Ausführungen oben unter B. II. 2. zitierte lukanische Aussage kann in ihrer Bewertung ergänzend dahingehend differenziert werden, dass die beschriebene Praxis, dernach die vermögenden Gemein­ demitglieder in freiwilliger Entscheidung die bedürftigen Gläubigen finanziell und materiell unterstützten, als διακονία bezeichnet werden kann. Vgl. dazu B. II. 2. d) aa). 326  Karl Gabriel spricht bzgl. Apg 6,1–6 von der „Gründungsurkunde der Veran­ kerung der gemeinsam und organisiert geübten Nächstenliebe in der Grundstruktur der Kirche“. Karl Gabriel, „Wenn Liebe Gestalt gewinnt“. Ekklesiologische, pasto­ rale und sozialethische Implikationen der Enzyklika, in: Peter Klasvogt / Heinrich 325  Die



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eine erste organisatorische Form bekommt, als „Dienst gemeinsamer, geord­ net geübter Nächstenliebe“ (DCE, ebd.). Nur auf diese Weise habe sich schließlich dieser caritative Dienst als Grundprinzip und Wesensausdruck in der Kirchengeschichte etablieren können, d. h. das Bild von der Kirche als Gemeinschaft der Liebe, von dem Lukas im zweiten Kapitel so eindrucks­ voll kündet, habe zu ihrer dauerhaften Verwirklichung verschiedener Orga­ nisationsformen bedurft.327 Ausgehend von dieser biblischen Verankerung trägt der Papst verschiede­ ne Zeugnisse der Kirchenväter (vgl. DCE, n. 22) und erste Formen der rechtlichen Ausgestaltung der kirchlichen Caritas (vgl. DCE, n. 23) zusam­ men. Erstgenannte demonstrieren die weiterhin als selbstverständlich geübte Praxis sowie den Eindruck, den diese bei der übrigen Gesellschaft auslösten. Dabei wird die Außenwirkung noch einmal explizit hervorgehoben durch das Zeugnis Kaiser Julians des Apostaten (gest. 363) (vgl. DCE, n. 24). Eine frühe Rechtsgestalt unter dem Namen „Diakonie“ habe der Dienst der Caritas etwa um 350 in Ägypten angenommen und bezeichnete dort zu­ nächst im Kloster, später auch in der Diözese, die verantwortliche Abteilung für die „Gesamtheit der Fürsorgetätigkeit“ (DCE, n. 23). Von dort habe sie sich bis in die europäischen Gemeinden ausgebreitet. In ihrer späteren Form haben sich diese Diakonien zu „Körperschaften mit voller Rechtsfähigkeit“ entwickelt (ebd.). Nachdem der Papst die Etablierung der Caritas in den ersten Jahrhunder­ ten der Kirchengeschichte skizziert hat, greift er etwas später in seinem Lehrschreiben das Thema der rechtlichen Ausgestaltung und Organisations­ form der Caritas wieder auf. Er benennt die aktuellen Träger des karitativen Handelns der Kirche und entwirft dabei eine Charakterisierung im Blick auf die Mitarbeiter (vgl. DCE, n. 32–39). Als ekklesiales Grundprinzip finde Caritas notwendig ihren Ausdruck auf allen Ebenen kirchlichen Lebens: Ortsgemeinde, Partikular- und Universal­ kirche (vgl. DCE, n. 20). Wie oben bereits erwähnt bedarf es dafür ebenfalls auf allen Ebenen einer entsprechenden Organisationsform. Diese sei bzgl. der Gesamtkirche in Form des Päpstlichen Rates Cor Unum gegeben. In den Pompey (Hrsg.), Liebe bewegt … und verändert die Welt. Programmansage für eine Kirche, die liebt. Eine Antwort auf die Enzyklika Papst Benedikts XVI. „Deus ca­ ritas est“, Paderborn 2008, 85–98, 88. 327  Vgl. DCE, n. 20. Als „ekklesiologisches Prinzip“ ist die Caritas über das indi­ viduelle Handeln des Gläubigen gestellt. Daraus folgt, dass man sie nicht der Ent­ scheidung des Einzelnen überlassen kann, ob er sie ausübt oder nicht, sondern es er­ folgt notwendigerweise der Schritt von der reinen Spontanität zur Organisation. Aller­ dings ohne die spontane Praxis des Einzelnen zu verdrängen. Vgl. Karl Gabriel, Wenn Liebe Gestalt gewinnt, 88. Vgl. auch Lehmann, Im Zentrum der christlichen Botschaft, 129. Auch DCE, n. 20.

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Teilkirchen liege die erste Verantwortung für den caritativen Dienst beim jeweiligen Diözesanbischof.328 Da die Organisationsformen in den einzelnen Diözesen verschieden sind, schließt der Papst an die Aussage zum Dienst der Bischöfe eine Charakteris­ tik der Mitarbeiter im caritativen Dienst an, weil die Enzyklika als Weltrund­ schreiben nicht die jeweilige Situation in den Partikularkirchen beleuchten kann. Daher finden sich auch keine direkten Aussagen zu der Ausprägung der Caritas in den deutschen Bistümern, die sich durch die verbandlich organi­ sierte Caritas (Ortsvereine, Diözesancaritasverbände, Deutscher Caritasver­ band) deutlich von anderen Ländern bzw. Teilkirchen unterscheidet. c) Die dreigliedrige Sendung der Kirche In den beiden vorangegangenen Abschnitten wurde zunächst anhand des ersten Teils von DCE das dort entwickelte Wesen der Liebe analysiert, um dann die Nächstenliebe als in der Gottesliebe verankertes und bleibendes Merkmal kirchlichen Lebens aufzuzeigen. Der von Benedikt XVI. verwen­ dete Begriff zur Kennzeichnung der Caritas als „ekklesiales Grundprinzip“ (DCE, n. 21) wurde bereits eingeführt. Dieses Wortpaar impliziert dabei zunächst eine Aussage über die Bedeutung der Caritas im Leben der Kirche an sich. Es gilt daher zu hinterfragen, welchen Stellenwert der Caritas im Vergleich zum Dienst an den Sakramenten und an der Verkündigung zuzu­ messen ist. Das erste Weltrundschreiben von Benedikt XVI. enthält zu dieser Fragestellung wegweisende Aussagen: „Die Kirche kann den Liebesdienst so wenig ausfallen lassen wie Sakrament und Wort.“ (DCE, n. 22) „Das Wesen der Kirche drückt sich in einem dreifachen Auftrag aus: Verkündigung von Gottes Wort (kerygma-martyria), Feier der Sakramente (leiturgia), Dienst der Liebe (diakonia). Es sind Aufgaben, die sich gegenseitig bedingen und sich nicht von einander trennen lassen. Der Liebesdienst ist für die Kirche nicht eine Art Wohlfahrtsaktivität, die man auch anderen überlassen könnte, sondern er gehört zu ihrem Wesen, ist unverzichtbarer Wesensausdruck ihrer selbst.“ (DCE, n. 25a)

Diese Bekundungen können nicht genug hervorgehoben und bedacht werden. Denn DCE ist zwar ein Weltrundschreiben, wird aber innerhalb der 328  Die bischöfliche Verantwortung und deren rechtliche Ausprägung werden im Abschnitt C. und D. dieser Arbeit im Rahmen der universal- und partikularrechtli­ chen Untersuchung beleuchtet. Den Ansatzpunkt für die nähere Analyse bildet der durchaus als Desiderat zu verstehende Hinweis Benedikts in DCE, n. 32, dass der CIC / 1983 die Caritas als Aufgabe des Bischofs nur implizit in c. 394 CIC (c. 203 CCEO) – und eben nicht „ausdrücklich“ – benennt, indem sie unter das munus regendi subsumiert wird. Demgegenüber werde die „Pflicht zum karitativen Tun“ im Direktorium für den Hirtendienst der Bischöfe „konkret entfaltet“.



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deutschen Teilkirchen auch im Kontext der dort vorhandenen Situation ge­ lesen. So treffen die Aussagen hierzulande auf Verhaltensmuster, die in der Gefahr stehen, dass die Caritas innerhalb der Kirche wegrationalisiert wird, weil sie eben nicht dem Kerngeschäft der Verkündigung und der Liturgie angehört.329 In diesem Sinne richtet sich das Bekenntnis des Papstes zur Caritas als Wesensäußerung der Kirche auch gegen jegliche Entwicklung der διακονία zur Zweitkirche, dies ergibt sich aus dem Wort selbst, denn als „Wesensausdruck“ ist der Liebesdienst nicht nur eine Funktion oder eine Aufgabe der Kirche, sondern wesensmäßig in ihr verankert. In letzter Konsequenz bedeutet demnach die dreigliedrige Sendung der Kirche, dass von der Realpräsenz Jesu gesprochen werden kann in Bezug auf seine Gegenwart im Wort, im Sakrament und im leidenden Menschen (vgl. Mt 25,31–46).330 Es ist durchaus nicht selbstverständlich von dieser Gleichwesentlichkeit der Gotteserfahrungen in einem Lehrschreiben des Papstes zu lesen, denn „bislang [war dies] als Aussage des Lehramtes nicht so klar zu hören gewesen“331. 329  In den deutschen Teilkirchen habe aufgrund eines Veränderungsdrucks, der durch zurückgehende Finanzmittel verursacht wurde, ein Bewusstsein eingesetzt, so Karl Gabriel, das nach dem „Unverzichtbaren im Handeln der Kirche“, dem „Kern­ geschäft“ sucht. Dabei hat sich jedoch, was die Caritas anbelangt, eine verhängnis­ volle Überlegung eingestellt: „Die Tendenz ist unverkennbar, im primären Kernge­ schäft das zu verorten, was sich irgendwie zu den Geschäften des Glaubens rechnen lässt. Die Geschäfte der Caritas gelten sicherlich als wichtig, aber da sie in das Reich der Folgen des Glaubens gehören, könnte man sie zur Not auch anderen überlassen.“ (Karl Gabriel, Wenn Liebe Gestalt gewinnt, 86.) Diese Neigung findet jedoch in den Worten Benedikts XVI. ihre deutliche Absage. In diesem Zusammen­ hang ist auch eine zweite, von Gabriel benannte, Tendenz erwähnenswert, obgleich sie mehr auf einem persönlichen Erfahrungswert, als auf einer empirischen Untersu­ chung fußt: „Das neu erwachte Interesse an der Religion hat spürbar zu ihrer Spiri­ tualisierung beigetragen. Deutlich ablesbar ist dies bis in die Mentalität der jetzt nachwachsenden Theologie Studierenden. Sich mit Fragen der Caritas zu beschäfti­ gen, rangiert nicht unbedingt auf den ersten Plätzen der Prioritätenliste“ (ebd., 91). 330  Vgl. Pompey, Kommentar, 82. Hinsichtlich der Realpräsenz gibt es zwar theo­ logische Unterschiede, so wird der Gläubige in der Eucharistie aufgrund der Trans­ substantiation in eine direkte Begegnung mit Christus hineingenommen und in der Kommunion Teil des Leibes Christie, während sich angesichts des leidenden Men­ schen keine Wesensverwandlung vollzieht. Die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen dem Leidenden und Christus auf psychologischer und theologischer Ebene wurde bereits weiter oben ausgeführt. Da Benedikt XVI. aber in DCE keinerlei Unterscheidungen vornimmt, ist davon auszugehen, dass es ihm in erster Linie um die Betonung der grundsätzlichen Gleichwesentlichkeit gegangen ist (vgl. dazu auch ebd.). 331  Ebd. Hinzu kommt die Beobachtung, dass sich die Enzyklika DCE von 2005 einreiht in eine Trias, wenn die beiden Rundschreiben von Johannes Paul II. hinzu­ genommen werden: Fides et ratio (Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio – Über das Verhältnis von Glaube und Vernunft, 14.09.1998, in: AAS 91 (1999) 5–88,

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Die dreigliedrige Sendung wird jedoch nicht allein als Faktum festgehal­ ten, sondern der Papst bezieht auch die Verbindung der διακονία zur λειτουργία sowie zur μαρτυρία in seine Überlegungen mit ein. Denn die drei Grundvollzüge der Kirche stehen nicht unverbunden nebeneinander, sondern sie sind gekennzeichnet durch einen jeweiligen gemeinsamen Be­ zug. Sie bilden eine Wirkeinheit, in der sich gleichsam der ganzheitliche Ansatz der christlichen Botschaft widerspiegelt. Sie stehen zusammen im Dienst der – zumindest ansatzweisen – Verwirklichung der Verheißung Christi, das Reich Gottes erfahrbar werden zu lassen, sodass die Menschen „das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Im Rahmen der päpstlichen Äußerungen zum Wesen der Liebe wird die grundlegende Verbundenheit zwischen διακονία und λειτουργία bedacht, insofern – wie oben ausgeführt – die in der Gottesliebe verankerte Nächs­ tenliebe einen zentralen Ursprung in der sozialen Dimension der Eucharistie hat: „Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib, denn wir alle haben teil an dem einen Brot“ (1 Kor 10,17). So theologisch nachvollziehbar die Aussagen Benedikts XVI. zu diesem Aspekt sind, bleibt doch die Frage, ob dieses Verständnis einer Gleichwesentlichkeit und Wesensverbundenheit der beiden Grundsendungen in den Ortsgemeinden so empfunden wird oder ob dort nicht vielfach das „Leitbild einer exklusiven ‚Seelsorge vom Altare‘ “ existiert, welches sich als äußerst „caritasschwach“332 erweist. Ein Sakra­ ment wird nicht einzig um seiner selbst willen gefeiert und reicht zudem über die personale Christusbegegnung des einzelnen Gläubigen hinaus.333 Das sich in den sakramentalen Feiern ereignende Heilsgeschehen ist nie singulär, sondern eingebettet in das große Heilsgeschehen zwischen Gott dt. Übersetzung: VApSt 135, Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Bonn 1998) und Ecclesia de eucharistia (ders., Enzyklika Ecclesia de eucharistia – Über die Eucharistie in ihrem Verhältnis zur Kirche, 17.04.2003, in: AAS 95 (2003) 433–475, dt. Übersetzung: VApSt 159, Sekretariat der Deutschen Bischofs­ konferenz (Hrsg.), Bonn 2003). „Drei Themen pointiert die Kirche am Übergang zum neuen Jahrtausend: Glaubensvermittlung, Eucharistie und Diakonie“ (ebd., 14). 332  Isidor Baumgartner, „Seht wie sie einander lieben“. Wirkmächtig oder folgen­ los? Überlegungen zu einer diakonischen Pastoral, in: Peter Klasvogt / Heinrich Pom­ pey (Hrsg.), Liebe bewegt … und verändert die Welt. Programmansage für eine Kirche, die liebt, Paderborn 2008, 99–113, 102. Baumgartner diagnostiziert in den Gemeinden ein Gegenüber: die „ ‚eigentliche‘, weil sakramentale Seelsorge“ durch den Priester auf der einen Seite, und das im Vorfeld angesiedelte caritative Engage­ ment, „das man meint, getrost auch den Laien und Ehrenamtlichen überlassen zu können“ auf der anderen Seite (ebd., 102 f.). 333  Das Bestreben einer Vereinzelungs- und Privatisierungstendenz bzgl. der Sa­ kramentenspendung entgegenzutreten, wird dort sichtbar, wo z. B. versucht wird, das Taufsakrament wieder als Ereignis der Gemeinde zu begehen, indem mehrere Täuf­ linge eine gemeinsame Feier haben oder innerhalb der Messfeier das Sakrament gespendet wird.



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und den Menschen. Dementsprechend unterstreicht Benedikt XVI.: „Eucha­ ristie, die nicht praktisches Liebeshandeln wird, ist in sich selbst fragmen­ tiert“ (DCE, n. 14). Dass diese Aussage in sich nicht neu ist, sondern anknüpft an eine „gro­ ße caritastheologische Tradition“ verdeutlicht Isidor Baumgartner unter Zuhilfenahme zweier Zitate. Das eine stammt von Johannes Chrysostomus (349–407): „Das Sakrament des Altares ist nicht zu trennen vom Sakrament des Bruders“ und das andere wird Gregor dem Großen zugeschrieben: „Wenn ein Mensch in Rom des Hungers stirbt, ist der Papst nicht würdig, die Messe zu feiern.“334 Die Intention, dass letztlich der „Gottes-dienst zum Menschen-dienst hinführen“335 soll, wird auch heute noch deutlich in den Schlussworten des Priesters bzw. Diakons einer Eucharistiefeier: „Ite missa est“336. Frei über­ setzt bedeuten die Worte: Ihr seid gesendet. Damit soll zum Ausdruck ge­ bracht werden, dass die gerade begangene Feier des Wort Gottes und der Eucharistie keinen in sich geschlossenen Bereich bildet, sondern geöffnet ist auf die Sendung der Gläubigen in den Alltag. Dort sollen die Gesendeten in Wort und Tat davon Zeugnis geben, was sie erfahren haben.  Die Aussagen zur Wesensverbundenheit zwischen διακονία und μαρτυρία sind in der Enzyklika weniger umfangreich als die gerade behandelten. In DCE n. 31 c spricht Benedikt XVI. das Verhältnis der beiden Sendungsauf­ träge der Kirche genau in Bezug auf den Punkt an, der oftmals als besonders spannungsreich empfunden wird, wenn der Nächstenliebe unterstellt wird, sie werde „als Mittel für das […], was man heute als Proselytismus bezeichnet“ 334  Baumgartner,

Seht, wie sie einander lieben, 103. Kommentar, 83. 336  In der gängigen deutschen Form: Gehet hin in Frieden wird die Stoßrichtung der Aussage nicht deutlich. Der Begriff „Frieden“ wird all zu häufig mit „Ruhe“ konnotiert. An dieses Missverständnis knüpft auch der Gedanke von Paul Zulehner an, der schlussfolgert, dass der gläubige Teilnehmer an einer Eucharistiefeier nur dann nicht in die praktizierte Nächstenliebe gelangt, wenn er in der Feier etwas wesentliches nicht verstanden hat, dass die Wandlung der Gaben, die Gegenwärtig­ setzung von Christi Tod und Auferstehung mit ihm selbst zu tun hat. Denn sonst wird aus der Person, die Christi Leib kommuniziert, „Leib Christi, randvoll mit dessen liebender Hingabe für das Leben der Welt“. Entspricht die Haltung aber mehr einem: „Verwandle die Gaben, aber uns lass in Ruh“, dann sei so Zulehner unter Heranziehung eines Wortes von Helmut Schüller, dem ehemaligen österreichischen Caritaspräsidenten, der Gottesdienst – ganz im Sinne einer Wellnessfrömmigkeit – einem „religiös verschönten Konditoreibesuch[…]“ zu vergleichen (vgl. Paul M. Zulehner, Gemeinde lebt, die liebt. Anmerkungen zum Modell einer diakonischen Pastoral, in: Peter Klasvogt / Heinrich Pompey (Hrsg.), Liebe bewegt … und verän­ dert die Welt. Programmansage für eine Kirche, die liebt. Eine Antwort auf die Enzyklika Papst Benedikts XVI. „Deus caritas est“, Paderborn 2008, 142–146, 144). 335  Pompey,

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(ebd.) praktiziert. Dieser Verzweckung der Caritas tritt der Papst entschieden entgegen: „Die Liebe ist umsonst, sie wird nicht getan, um damit andere Zie­ le zu erreichen.“ (ebd.) Kann diesem Verdacht also nur begegnet werden, indem beide Bereiche strikt von einander getrennt werden? Diese These kann nicht aufrecht erhalten werden, weil, wie bereits gesagt, die Wesensäußerun­ gen in ihrer Wirkeinheit einen Ausdruck für die ganzheitliche Zuwendung zum Menschen darstellen. Das bedeutet einerseits nicht, dass die Bekundung des Glaubens im Wort zeitgleich mit dessen Bekundung durch die Tat erfol­ gen muss, aber andererseits muss das karitative Wirken „Gott und Christus“ nicht „beiseite lassen“. Es zeigt sich, dass die Wesensverbundenheit zwischen Verkündigung und Caritas ein sensibler Bereich ist, der dem Christen viel Fingerspitzengefühl abverlangt, damit „eine glückliche Verbindung von Evangelisierung und Liebeswerk gelingt“ (DCE, n. 30). Einen Orientierungs­ punkt bietet dafür die frühe Kirchengeschichte, in der oftmals die positive Resonanz, auf den christlichen Umgang mit den Mitmenschen, der expliziten Verkündigung des Wortes Gottes vorausging. Dem hingegen ist die Formulierung von Heinrich Pompey, „[a]ndererseits soll die Liebe des Helfers den Leidenden an­stecken, sich trotz Leid und Not wieder zu lieben und seine Mitmenschen auch“,337 zu stark auf ein Ziel ori­ entiert und verzweckt damit bereits wieder die Nächstenliebe. Es gilt, den Satz Benedikts XVI., dass die Liebe umsonst ist, in seiner Radikalität erst einmal auszuhalten. Was diese Worte darüber hinaus zulassen, ist zum einen, dass das praktizierte Zeugnis der Liebe offen gehalten wird für die Bedürf­ nisse der anderen Person. Das bedeutet, dass der Helfer ein Gespür dafür hat, „wann es Zeit ist, von Gott zu reden, und wann es recht ist, von ihm zu schweigen und nur einfach die Liebe reden zu lassen“ (DCE, n. 31c).338 Zum anderen erfordert die Nächstenliebe eine Verankerung des Helfers in der Got­ tesliebe; nur aus dem Wissen, „dass Gott die Liebe ist und gerade dann ge­ genwärtig wird, wenn nichts als Liebe getan wird“, erwächst schließlich die Möglichkeit, dass die Vertreter der Caritas „durch ihr Tun wie durch ihr Re­ den, ihr Schweigen, ihr Beispiel glaubwürdige Zeugen Christi werden“ (ebd.). In einer Ansprache bei dem internationalen Kongress, der wenige Ta­ ge vor Veröffentlichung der Enzyklika in Rom stattfand, brachte Benedikt XVI. die notwenige Durchdringung dieser beiden Wesensäußerungen der Kirche deutlich zum Ausdruck: „Die Wirksamkeit der Caritas hängt von der Glaubenskraft all ihrer Mitglieder und Mitarbeiter ab.“339 337  Pompey,

Kommentar, 86. Aussage sollte nicht leichthin als Freifahrtsschein verstanden werden, als dass damit gesagt wäre, nur dann sei das eigene Wortzeugnis gefragt, wenn es einen explizit ausgesprochenen Wunsch des Gegenübers dazu gibt. Vielfach ist es einfacher zu schweigen, als vom eigenen Glauben zu sprechen. 339  Benedikt XVI., Ansprache, 10. 338  Diese



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Die Quintessenz dieses Abschnittes besteht darin, dass sich die Grund­ vollzüge kirchlichen Lebens – διακονία, λειτουργία und μαρτυρία – durch eine Gleichwesentlichkeit auszeichnen. Dies zieht die Frage hinsichtlich der sich daraus ergebenen Konsequenzen nach sich und zwar unter dem Fokus dieser Arbeit, speziell im Blick auf die kirchenrechtliche Bedeutung dieser Aussage. Zunächst werden nun aber die Aussagen der Deutschen Bischöfe vorge­ stellt und bewertet, die sie 2009 als Reaktion auf die päpstliche Enzyklika veröffentlichten. d) Berufen zur caritas340 Die im Dezember 2009 erschienene Schrift der Deutschen Bischöfe steht ganz unter dem Eindruck der Enzyklika Benedikts XVI. Diese stellt den konkreten Anlass für die Verfassung dar.341 Der Titel Berufen zur caritas lässt im Verlauf des Dokumentes die Perspektive der Verfasser deutlich werden, dernach alle Getauften und letztlich alle Menschen unter der uni­ versalen Berufung zur Caritas stehen (vgl. Bzc, 51). Der den Text durchzie­ hende Begriff der Berufung zur Caritas ist Ausdruck des Gerufen-Seins durch Christus und wehrt gleichzeitig einer möglichen Verschiebung oder Delegation des eigenen Auftrags. Die Intention der Bischöfe liegt darin, die Botschaft des päpstlichen Lehrschreibens auf ihre konkrete Bedeutung für die Christen in Deutschland zu hinterfragen. „Welche Impulse können […] für die Praxis in den Pfarrgemeinden, Verbänden, Initiativen und Projekten im kirchlichen Bereich fruchtbar gemacht werden?“ (Bzc, 5 f.). Es handelt sich also sozusagen um ein Anwendungsschreiben342, das zudem an eine 1999 verfasste Vorgängerschrift anknüpft, deren Titel lautete: Caritas als Lebensvollzug der Kirche und als verbandliches Engagement in Kirche und Gesellschaft.343 340  Die Deutschen Bischöfe (91), Berufen zur caritas (05.12.2009), Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Bonn 2009. Im Folgenden abgekürzt mit Bzc. 341  Vgl. ebd., Vorwort, S. 6. 342  In der Besprechung der Enzyklika klang bereits an, dass es einem Univer­ salschreiben nicht möglich sein kann, die verschiedenen partikularkirchlichen Gege­ benheiten zu berücksichtigen. Ihm haftet unweigerlich der Charakterzug des Allge­ meinen an. Daher ist es sinnvoll und notwendig, gerade in einem Bereich der primär in praktischer Gestalt existiert wie der der Caritas, in den Teilkirchenverbänden konkretisierende Schriften zu verfassen, damit die Aussagen des Papstes wirklich zu „gelebter caritas“ (Bzc, 12) führen. 343  Die Deutschen Bischöfe (Nr. 64), Caritas als Lebensvollzug der Kirche und als verbandliches Engagement in Kirche und Gesellschaft, 23. September 1999, Se­

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

In beiden Schriften geben die Bischöfe eine weitere Motivation zur Be­ handlung des gewählten Themas an, indem sie dieses in direkter Verbindung zu ihrem eigenen Amt sehen.344 Bereits 1999 verstehen sie Caritas als akti­ ve Aufgabe des Bischofs, dem als Garant für die Einheit aller Dienste die Verantwortung gleichermaßen für die Caritas wie für Verkündigung und Liturgie zukomme. Aufgrund der veränderten kirchenpolitischen und gesell­ schaftlichen Rahmenbedingungen könne er seiner Berufung zum pater pauperum heute nur nachkommen, „indem er sich in den Dienst der Beru­ fung und Charismen der vielen Getauften stellt, um mit ihnen ein Netzwerk der helfenden Hände zu knüpfen“.345 Dieser letzte Gedanke findet sich auch im Schreiben von 2009. Wiederum bekennen sich die Bischöfe zu ihrer tätigen Rolle innerhalb der Caritas, die sie explizit verankert sehen in ihrem bischöflichen Leitungsdienst. So liegt es in ihrer Verantwortung „die Struk­ turen und Abläufe innerhalb der Kirche und aller ihrer Glieder an der Be­ rufung zur caritas zu messen und aktiv zu fördern, so wie Gottes Geist sie in unserer Kirche und unserer Zeit realisieren möchte“ (Bzc, 17). Neben diesen grundsätzlichen Bemerkungen kennzeichnen die Bischöfe zunächst die Situation in Deutschland. Die unterschiedlichen Formen cari­ tativen Wirkens und caritativer Verfassung beschreiben sie als „Netzwerk der helfenden Hände“, als „Netz der Caritas“ (Bzc, 19)346. Es seien bereits konkrete Umsetzungen der päpstlichen Impulse auszumachen, die Zeugnis ablegen von einer „wirksamen Realität“ der Enzyklika.347 Gleichzeitig drü­ kretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Bonn 1999. Beide Schreiben der Deutschen Bischöfe verstehen sich auch als Gelegenheit, um den caritativ Engagier­ ten Danke zu sagen, ihren Dienst anzuerkennen und um gleichzeitig zur Caritas zu ermutigen.  344  Zu den Konsequenzen dieses Selbstverständnisses wird im Kapitel drei im Zusammenhang der grundsätzlichen und auch kirchenrechtlichen Besprechung des Verhältnisses zwischen Bischof und Caritas eingegangen.  345  Die Deutschen Bischöfe, Nr. 64, 22 f. 346  Vgl. ebd., 23–28. Dort werden die Knotenpunkte im Netz der Caritas ausführ­ lich beschrieben. 347  In den genannten Beispielen erwähnen die Bischöfe u. a. die 2005 in der Zen­ trale des Deutschen Caritasverbandes gegründete Abteilung für theologische und verbandliche Grundlagen, deren Hauptaufgaben in der „theologischen und sozial­ ethischen Reflexion und der Inspiration der Caritas“ (Bzc, 13) liegen. Sie heben aber auch die Profilierung der geistlichen Begleitung und die Intensivierung der theolo­ gischen Bildung der Caritas-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter hervor.  Bemerkenswert ist zudem, dass an dieser und gegen Ende des Dokumentes das Amt des Ständigen Diakons hervorgehoben wird (vgl. Bzc., 13,39). In ihnen sehen die Bischöfe die Einheit der drei Wesensvollzüge verkörpert und zugleich eine Schlüsselfigur für „vom Geist gelebter caritas durchdrungene Atmosphäre und er­ fahrbare, solidarische Gemeinschaft in unseren Gemeinden und pastoralen Räumen“ (Bzc, 39). Da davon ausgegangen werden muss, dass die Bischöfe um die Schwie­



II. Grundlegung der Caritas109

cken die Bischöfe aber auch ihre Sorge darüber aus, dass Caritas nur als „uneigentliche kirchliche Aktivität“ verstanden und aus dem konkreten Gemeindeleben „ausgelagert und delegiert“ wird (vgl. Bzc, 14). „Es gibt zu denken, wenn in der innerkirchlichen Wahrnehmung die verbandliche Cari­ tas manchmal nicht als Teil unserer katholischen Kirche identifiziert wird“ (ebd.).348 Schließlich zeigen sich die Bischöfe besorgt, wenn λειτουργία und μαρτυρία der Gemeinde nicht mehr „zu tätigen Werken der Liebe führen“ (ebd., 15). Diese Gegebenheiten sehen die Verfasser als Schwächung der kirchlichen Sendung und laut Deus caritas est als Fragmentierung der kirch­ lichen Wesensvollzüge (vgl. DCE, 14). Die Schrift soll demnach die positiven Tendenzen stärken und die zuletzt genannten Gefahren beseitigen. Dazu werden die zentralen Aussagen des Lehrschreibens, zur Verankerung der Caritas im ‚Zuerst‘ der Liebe Gottes und der menschlichen Antwort in Gottes- und Nächstenliebe (vgl. Bzc, 17–21) sowie die Notwendigkeit einer Profilierung der organisierten Caritas (vgl. Bzc, 21–25), noch einmal hervorgehoben.  In besonders intensiver Weise betonen die Bischöfe, im Anschluss an Benedikt XVI., die Zusammengehörigkeit und Gleichwertigkeit der drei Wesensvollzüge kirchlichen Lebens. Bereits zu Beginn verweisen sie dar­ auf, dass in Folge von Deus caritas est in den Diözesen der Deutschen Bischofskonferenz sowie innerhalb des Deutschen Caritasverbands zunächst rigkeiten der Profilentwicklung des Amtes des Ständigen Diakons in den deutschen Diözesen wissen, kann diese Betonung nur im Sinne einer Hilfe zur Standortbestim­ mung gewertet werden. 348  Eine bemerkenswerte Ergänzung zu dieser Aussage findet sich in einem mit Prälat Dr. Peter Neher, dem Präsidenten des Deutschen Caritasverbandes geführ­ tem  Interview (Domradio, 8.  Januar 2010, http: /  / www.domradio.de / includes / audio player_popup.asp?beitrag=21963 [Zugriff: 25.01.2011]). Darin spricht er von einer Spannung zwischen Außen- und Innenwahrnehmung der Caritas. Während sie in der Außenwahrnehmung eindeutig als „Teil der katholischen Kirche verstanden wird“, es hier aber im innerkirchlichen Bereich ein Defizit gibt. Dieses müsse, so Neher, behoben werden, „indem wir unsere Fixierung auf Liturgie und Verkündigung eben überwinden und die Caritas als Teil unseres kirchlichen Selbstverständnisses auch tatsächlich wahrnehmen“. Eine Anmerkung zur sprachlichen Formulierung sei hier noch angefügt: Natürlich impliziert die Art der Formulierung, dass die Bischöfe, indem sie diese Haltung bedenklich finden, davon ausgehen, dass verbandliche Caritas Teil der Kirche ist. Eine positive formulierte Stellungnahme wäre allerdings sprachlich wie didaktisch nachdrücklicher gewesen. Vgl. DBK, 64, 27: „Er [der Deutsche Caritasverband] ist der von den deutschen Bischöfen anerkannte Zusammenschluß der kirchlichen Ca­ ritas und von daher eindeutig Caritas der Kirche […].“ [Herv. N. H.] Dieser Sach­ verhalt wird im partikularrechtlichen Abschnitt noch eingehender zu behandeln sein, auch unter dem Fokus, dass sich die Bischöfe zwar mehr oder weniger direkt zur Kirchlichkeit des Verbandes bekennen, aber an beiden Stellen nicht über die daraus entstehenden Konsequenzen (Mitarbeiterfragen, Autonomie, etc.) sprechen.

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

einmal die „Bedeutung organisierter Caritas als kirchlicher Wesensvollzug stärker erkannt“ werde (Bzc, 12 f.). Darüber hinaus werde im Sinne einer Verbindung von Caritas und Eucharistie (vgl. Bzc, 30 ff.) in der Ostkirche die „Diakonie (bzw. Caritas) als die Liturgie nach der Liturgie“ (ebd., 31) aufgefasst, andererseits stelle die Eucharistie die Kraftquelle der Caritas dar (vgl. ebd.).349 Unter den Vorzeichen, dass eine Verbundenheit von Ca­ ritas und Verkündigung nötig sei und dass diese nicht unter dem Vorzei­ chen des Proselytismus stehen dürfe (vgl. Bzc, 35; DCE, n. 31c), fassen die Bischöfe diesen Zusammenhang wie folgt zusammen: „Denn die Art und Weise, wie die Botschaft weitergegeben wird, muss ihrem Inhalt ent­ sprechen“ (Bzc, 34). Abschließend werden im Schreiben die Ausführungen des Papstes zur Frage nach der Spiritualität und des persönlichen Umgangs mit der Caritas inhaltlich näher bestimmt (vgl. Bzc, 37–50). Dabei richten die Bischöfe den Fokus auf die Erläuterung des Begriffes der „Herzensbildung“ (DCE, n. 31a), den sie mit Persönlichkeitsbildung übersetzen und in seiner Bedeu­ tung unterstreichen.350 Zusammenfassend stellt das Schreiben der Deutschen Bischöfe eine Ver­ stärkung sowie eine – durch den eingeschränkten partikularkirchlichen Fo­ kus ermöglichte – Konkretisierung und Intensivierung des päpstlichen Textes dar. e) Konsequenzen der Enzyklika für das kirchliche Recht? Es stellen sich nunmehr folgende Fragen: Welche Konsequenzen zieht das päpstliche Lehrschreiben nach sich? Beziehen sich diese auf den Bereich der Kanonistik? Mehrfach wurde bereits unterstrichen, dass das Augenmerk Benedikts XVI. als auch das der Deutschen Bischöfe u. a. auf den Sachverhalt gerich­ tet ist, dass die Kirche durch einen dreifachen Sendungsauftrag geprägt ist: Verkündigung, Heiligungsdienst und Dienst der Nächstenliebe. Wenn dieser Umstand in Verbindung gebracht wird mit den Überlegungen zur theologi­ 349  Als Konkretisierungsvorschlag sprechen die Verfasser von den verschiedenen gemeindlichen Möglichkeiten, dass in liturgischen Feiern Raum gegeben wird vom Engagement der caritativ tätigen Gläubigen zu sprechen (vgl. Bzc, 32). 350  Herzensbildung bzw. Persönlichkeitsbildung umfasse vor allem drei Ebenen des Liebeshandelns, die im Geschehen selbst nicht zu trennen sind: „Das methodisch richtige Handeln, das zwischenmenschliche Beziehungsgeschehen und der Kontakt mit der Persönlichkeit des Handelnden und seiner ganzen Wertewelt“ (Bzc, 40). Hinzu komme aber auch die grundsätzliche Bereitschaft mich auf die Situation und Person einzulassen und ein Achtsam werden gegenüber dem Anderen und mir selbst.



II. Grundlegung der Caritas111

schen Grundlegung des Kirchenrechtes, so ist offensichtlich, dass die ersten beiden Dienste sich deutlich in der theologischen Konzeption der Kanonis­ tik widerspiegeln.  Wenn das Kirchenrecht dementsprechend theologisch in Wort und Sakra­ ment gründet, inwiefern trifft dies auf den Bereich der Caritas zu?351 Zur Beantwortung dieser Frage sei an die Ausführungen Benedikts XVI. zum Wesen der Liebe und zur elementaren Bedeutung der Nächstenliebe, die sich, angefangen von den neutestamentlichen Schriften, bis in die Gegen­ wart niedergeschlagen hat sowie an seine Aussagen zum dreigliedrigen Sendungsauftrag der Kirche, der Wesensgleichheit und Wesensverbunden­ heit von διακονία, λειτουργία und μαρτυρία, erinnert. Im Bedenken dieser eindeutigen Worte bleibt letztlich nur die Schlussfolgerung übrig, dass Ca­ ritas das dritte Element zur theologischen Grundlegung des Kirchenrechts bilden kann und muss.352 Christoph Ohly macht die Fortschreibung der theologischen Grundlegung vor allem an folgendem Umstand fest: „Wesenselemente der Kirche sind zugleich Bausteine ihrer Verfassung.“353 Durch sie wird kirchliche Gemein­ schaft „herbeigeführt, gestärkt und dargestellt“ (c. 840 CIC). Die Caritas baue demnach – wie Wort und Sakrament – die Kirche auf.354 Aber wie kann die Caritas als Konstitutivum für die Grundlegung des Kirchenrechts näher gefasst werden? Es kann schließlich nicht darum ge­ hen, diesen Dienst, der von sich aus danach strebt Grenzen und Enge zu überwinden, der zweckfrei geschieht und damit der Gefahr wehrt, des Pro­ selytismus verdächtigt zu werden, in enge rechtliche Beschränkungen und Normen zu gießen.355 In diesen Kontext gehört auch die Frage nach dem Verpflichtungsgrad des Gebotes zur Gottes- und Nächstenliebe. Trägt dies eine rechtliche Komponente in sich? Erwächst aus dem Faktum des „Zu­ 351  Diese Fragestellung greift auch Christoph Ohly in einem Aufsatz auf: „Steht die Liebe, wie sie Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika und in anderen seiner Schriften analysiert, in einer wahrnehmbaren Verbindung zum Kirchenrecht?“ (Ohly, Deus Caritas Est, 127) 352  „Der Nachweis, dass die in Wort und Sakrament ergehende bevollmächtigte Sendung der Kirche kraft ihres Wesens das Kirchenrecht fordert, kann und muss aufgrund der Überlegungen von Papst Benedikt XVI. ergänzt werden“ (ebd.). 353  Ebd., 120. 354  Vgl. ebd. 355  Allein die Äußerung, dass das Kirchenrecht sich mit der Nächstenliebe be­ schäftigt, wirft vielfach besorgte Fragen nach der damit verbundenen Absicht auf: „Soll die Liebe nun auch noch verrechtlicht werden?“ Hinter solchen Befürchtungen steht eine bestimmte Sicht des Kirchenrechtes, die stärker dessen restriktive Seite betont und positive Ausrichtung auf Rechtsschutz und Freiheit innerhalb eines Rechtsraumes ausblendet.

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B. Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas

erst“ der Liebe Gottes eine Verpflichtung zur Antwort des Menschen und ein Recht auf Caritas von Seiten der anderen Gläubigen, also im Sinne einer Analogie zum Recht und Pflicht des Gottes Volkes zur Verkündigung (vgl. c. 747 § 1)? Ohly sieht einen weiteren Zusammenhang wie folgt gegeben: „Die innere und untrennbare Verbindung von Liebe und Wahrheit bringt für unse­ re Überlegungen eine wichtige Konsequenz hervor. Die Liebe, deren Grundlage die Wahrheit Gottes und ihr autoritativer Anspruch gegenüber dem Sein ist, trägt demzufolge immer auch das Phänomen des Rechtes und der Gerechtigkeit Gottes in sich.“356

Und weiter: „Als gleichsam sakramentale Werkzeuge stehen Kirche und Mensch unter dem Anspruch der göttlichen Liebe, die Wahrheit, Recht und Barmherzigkeit umgreift.“357

Die Gedanken von Ohly aufgreifend, verweist Ludger Müller auf den Communio-Gedanken Winfried Aymanns: „Alle rechtlichen Beziehungen in der Kirche müssen daher darauf ausgerichtet sein, daß die Menschen in der Kirche Gott begegnen können – in der Verkündi­ gung seines Wortes, in der Feier seiner Sakramente und in der Ausübung der Caritas.“358

Diese Aussage, dass ein geschützter Rechtsraum gewährt werden muss, indem die Begegnung zwischen Gott und Mensch möglich ist, lässt bereits erahnen, dass es nicht damit getan ist, die hohe Bedeutung und Gleichwe­ sentlichkeit der Caritas zu betonen und anzumahnen. Vielmehr gilt es dann auch die Konsequenzen herauszuarbeiten, die dies in der konkreten Rechts­ ausprägung nach sich zieht. Dem soll in den beiden folgenden Kapiteln nachgegangen werden. 

356  Ohly,

Deus Caritas Est, 124. 127. 358  Ludger Müller, Rechte in der Kirche. Die Begründung kirchlichen Verfahrens­ rechts, in: ders. (Hrsg.), Rechtsschutz in der Kirche, Wien 2011, 9–24, 19. 357  Ebd.,

C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive Aufgrund der Ausarbeitungen zur Grundlegung des Kirchenrechts und der Caritas zeichnet sich insbesondere unter der Perspektive der Enzyklika Deus caritas est eine Verbindung der beiden Bereiche, ja sogar ein wesenhafter Zusammenhang ab. Dieser besteht in der für das kirchliche Recht konstituti­ ven Bedeutung der Caritas als einer der Grundvollzüge kirchlichen Lebens, welches wiederum im Wesen der Kirche selbst mitgegeben ist. An diesen Ausgangsbefund schließt sich folgerichtig die Frage an, inwie­ fern sich Caritas im Kirchenrecht wiederfindet. Dabei gilt es zu unterschei­ den zwischen Caritas in der Bedeutung des oben definierten Begriffs als Ver­ körperung der Gottes- und Nächstenliebe, in diesem Sinn auch göttliche Tu­ gend genannt, und einem speziellen Teil dieser Caritas, insofern sie in orga­ nisierter bzw. institutionalisierter Form auftritt. Dass letztere einer Ordnung, insbesondere rechtlicher Art, bedarf, dürfte allgemeiner Konsens sein, schon allein aufgrund der vielfältigen Bezüge zum weltlichen Bereich.1 Zunächst soll aber ein Befund erhoben werden, der beide genannten Berei­ che umfasst. Welcher Stellenwert wird der Caritas in den Gesetzbüchern zu­ gemessen? Dies lässt sich anhand einer Analyse der aktuellen Gesetzbücher für die Lateinische Kirche beantworten, sodass der Codex Iuris Canonici (CIC) von 1983 und der Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (CCEO) von 1990 daraufhin untersucht werden. Als Vergleichsbasis für eine mögliche Veränderung wird zudem die erste Kodifizierung des römisch-katholischen Rechts im Codex Iuris Canonici von 1917 (CIC / 1917) in diesem Kontext befragt.2 Die erhobenen Ergebnisse gilt es zu bewerten und in den abzuleiten­ den Konsequenzen zu präsentieren. Klein, Christ und Kirche, 97. Beispiel erwähnt Hierold, dass erst nach dem Inkrafttreten des CIC / 1917 eine Diskussion darüber einsetzte, „welchen kirchlichen Rechtsstatus die Caritasver­ bände hätten“, diese musste „aber wegen der widrigen Zeitumstände abgebrochen werden […], da die Caritasorganisation von außen bedroht war“ (Alfred E. Hierold, Der Deutsche Caritasverband und die Diözesancaritasverbände als Vereine von Gläubigen, in: Winfried Aymans / Karl-Theodor Geringer / Heribert Schmitz [Hrsg.], Das konsoziative Element in der Kirche. Akten des VI. Internationalen Kongresses für kanonisches Recht, St. Ottilien 1989, 939–948, 941). Dementsprechend gilt es zu überprüfen, ob sich im CIC / 1983 die Ergebnisse einer solchen Diskussion in den Normtexten widerspiegeln. 1  Vgl.

2  Zum

114

C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

Eine der leitenden Fragen für diesen dritten Abschnitt der Arbeit ist es demnach, „ob das Gebot der Nächstenliebe als allgemein, absolut verpflich­ tendes Gesetz menschlicher Normierung zugänglich ist, ob es in den Kreis der religiös-ethischen Pflichten zu rechnen ist, um deren Verwirklichung die Kirche mit den ihr wesensmäßigen Mitteln [zu denen das Kirchenrecht zu zählen ist] besorgt sein kann.“3

I. Caritas im CIC / 1917 1. Intention und Systematik des CIC / 1917 Innerhalb des ersten Kapitels wurde bereits der Werdegang der Entwick­ lung des Kirchenrechts über das Decretum Gratiani, der Sammlung ver­ schiedener mittelalterlicher Gesetzbücher im Corpus Iuris Canonici hin zum Codex Iuris Canonici von 1917 nachgezeichnet. Letzterer wurde durch Papst Benedikt XV. mit der Apostolischen Konstitution Providentissima Mater Ecclesia4 vom 27. März 1917 promulgiert und trat am 19. Mai 1918 in Kraft. Die Intention, die hinter dem Gesetzbuch stand, war der Wunsch, die zahlreichen Sammlungen an Rechtsmaterie, die eine unübersichtliche und verstreute Menge an Rechtsstoff beinhalteten, in Form einer Kodifikation zusammenzufassen und damit in eine systematische Ordnung zu bringen. Nach einem vorangestellten „Allgemeinen Teil“ folgt das aus insgesamt fünf Büchern bestehende Gesetzbuch der Gliederung in ein Personen-, Sa­ chen-, Prozess- und Strafrecht.5 Neben dem unbestrittenen Vorteil, dass diese Konzeption die notwendige Systematisierung ermöglichte, ergaben sich auch Schwierigkeiten, da sie nicht aus dem und für das Kirchenrecht entwickelt worden war, sondern nur auf dieses angewendet wurde. So wurde das kirchliche Verfassungsrecht in das Personenrecht eingefügt, ohne dass jedoch die hierarchische Gliederung an sich hätte deutlich werden können. Daneben umfasste das Sachenrecht alle 3  Klein,

Christ und Kirche, 44. XV., Apostolische Konstitution Providentissima Mater Ecclesia (27. Mai 1917), in: AAS 9 (1917) Pars II, 5–8. 5  Für diese Einteilung hatte das römische Privatrecht Pate gestanden, das die Kategorien personis, res und actiones vorsah. Diese war von Giovanni Paolo Lan­ celotti (1522–1590) für sein Lehrbuch angewendet worden und bereits von ihm in die später im CIC / 1917 angewandte Gliederung gebracht worden (vgl. Winfried Aymans / Klaus Mörsdorf, Kanonisches Recht. Lehrbuch aufgrund des Codex iuris canonici. Begr. von Eduard Eichmann, fortgef. von Klaus Mörsdorf, Bd. 1, Wien / Zü­ rich 131991, 133). 4  Benedikt



I. Caritas im CIC / 1917115

„Mittel kirchlichen Heilswirkens“, da es vom römischen Verständnis über die reinen Sachen hinausging und auch geistige Wirklichkeiten umfasste.6 2. Analyse des Caritasbegriffs im CIC / 1917 Angesichts der Tatsache, dass das Gesetzbuch insgesamt 2.414 Canones umfasste, ist eine wörtliche Erwähnung der Caritas mit 20 Belegen selten. Im CIC / 1917 wird der lateinische Terminus caritas verwendet. Ein Begriff wie Apostolat, der im späteren Codex von 1983 eingesetzt wird und dort teilwei­ se Caritas mit einschließt, findet sich hier nicht. Markus Lehner weist in sei­ ner Theoriegeschichte zur Caritas darauf hin, dass sich der Begriff des Apos­ tolats um die Wende zum 20. Jahrhundert für das soziale Engagement der Laien einbürgert, während „die Soziale Arbeit des Klerus theologisch unter dem Aspekt einer Seelsorgspflicht behandelt“ wird.7 Somit erklärt sich das Fehlen des Apostolatsbegriffs, da er zum einen erst neu aufkam, und zum anderen sich der handelnde Personenkreis im CIC / 1917 auf die Kleriker er­ streckt. Neben der direkten Begriffsnennung der Caritas ist in einigen ande­ ren Normen noch eine implizite Erwähnung der Caritas gegeben (cc. 1235 § 2; 1439 § 1; 1473 CIC / 1917 u. a.), d. h. der Terminus wird nicht als solcher verwendet, ist aber in die Aussage der Norm eingeschlossen.8 Zunächst muss festgehalten werden, dass sich keine systematische Be­ handlung der Caritas im Gesetzbuch von 1917 findet. Die Mehrzahl der direkten wie indirekten Erwähnungen der Caritas ist in den Büchern II (De personis, cc. 87–625 CIC / 1917) und III (De rebus, cc. 726–1551 CIC / 1917) gegeben. In den insgesamt eher verstreut angeleg­ ten Aussagen können durchaus gewisse Klassifizierungen ausgemacht wer­ den. Franz Klein spricht von „allgemeinen Normen mit caritativem Ein­ schlag“, deren Adressatenkreis sich allerdings in den Klerikern erschöpfe.9 6  Vgl.

ebd. Lehner, Caritas – Die soziale Arbeit der Kirche. Eine Theoriege­ schichte, Freiburg i. Br. 1997, 210. 8  Vgl. dazu z. B. c. 1235 § 2 CIC  / 1917, demnach beim Begräbnis von Armen keine Gebühr verlangt werden darf: „Pauperes gratis omnino ac decenter funerentur et sepeliantur, cum exsequiis, secundum liturgicas leges et dioecesana statuta, praescriptis.“ 9  Dies hängt mit der Ausrichtung des früheren Gesetzbuches zusammen, das die Gläubigen in der Rolle der Empfangenden sah und daher, gegenüber den aktiv han­ delnden Klerikern, rein passiv verstand. Dies ist besonders hinsichtlich der Caritas problematisch, da sie von ihrem Selbstverständnis her das aktive Tun des einzelnen Christen voraussetzt. Es brauchte aber erst noch die Aussagen des Zweiten Vatika­ nischen Konzils zum Apostolat, damit sich dieses Bild im Gesetzbuch von 1983 niederschlagen konnte. 7  Markus

116

C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

Er teilt die betreffenden Normen in zwei Gruppen auf: zum einen die Amtspflichten des Pfarrers, und zum anderen Aussagen zur institutionali­ sierten Fürsorge.10 Dieser Ansatz von Klein11 wird im Folgenden um die Gruppen der Normen mit einem betont sozial-caritativen Impetus und derer mit der Formulierung ex caritate ergänzt. Der erstgenannte Bereich an Normen sieht die Caritas als Schwerpunkt innerhalb der Amtspflichten des Klerikers, näherhin des Pfarrers. In der Beschreibung der Amtsrechte und -pflichten des Pfarrers wird die Caritas gleich dreimal erwähnt. So in c. 467 § 1 CIC / 1917, wo es heißt, dass er sich „den Armen und Elenden in väterliche Liebe zuwenden soll“12. Die Wort­ wahl erinnert in direkter Weise an die Aussage des Trienter Konzils, welches die Pflicht der Seelsorger zu eben dieser Sorge ermahnt.13 Des Weiteren muss er mit „effusa caritate“ den Kranken in seiner Pfarrei, insbesondere den Sterbenden, zur Seite stehen14 (c. 468 § 1 CIC / 1917) und schließlich hat er aufmerksam darüber zu wachen, dass die opera caritatis des Glau­ bens und der Frömmigkeit gefördert sowie errichtet15 (c.  469 CIC / 1917) werden. 10  Klein,

Christ und Kirche, 99 f. Beschränkung der zweiten Gruppe auf arme und kranke Personen, wie Klein sie vornimmt, ist nicht zwingend. 12  C. 467 § 1 CIC / 1917: „Debet parochus officia divina celebrare, administrare Sacramenta fidelibus, quoties legitime petant, suas oves cognoscere et errantes prudenter corrigere, pauperes ac miseros paterna caritate complecti, maximam curam adhibere in catholica puerorum institutione.“ 13  Vgl. Trid. Sess XXIII. c. 1. de ref. (DH XXX). Lehner greift diese Verwendung des Trienter Konzils auch auf im Kontext seiner Besprechung der pastoraltheologischen Handbücher. So wird dieser Handlungsauf­ trag von dem Pastoraltheologen Amberger zurückgeführt auf das göttliche Gebot und die kirchliche Tradition (vgl. Joseph Amberger, Pastoraltheologie, Regensburg 3 1866–70, 1240). Im Umstand, dass also nicht die sozialen Probleme der Zeit als Begründung benannt werden, sieht Lehner ein „bezeichnendes Symptom der Kir­ chenorientierung“ der Epoche zwischen 1848 und 1945 (vgl. Lehner, Caritas, 208). Aufgrund der wenigen Stellen im früheren kirchlichen Gesetzbuch, die die Caritas­ thematik aufgreifen, muss es fraglich bleiben, ob sich diese Sichtweise hier wider­ gespiegelt findet. Gleichwohl kann aber von einer priesterlich geprägten Caritas gesprochen werden, die binnenkirchlich und nicht gesellschaftlich ausgerichtet ist. 14  C. 468 § 1 CIC / 1917: „Sedula cura et effusa caritate debet parochus aegrotos in sua paroecia, maxime vero morti proximos, adiuvare, eos sollicite Sacramentis reficiendo eorumque animas Deo commendando.“ 15  C. 469 CIC / 1917: „Parochus diligenter advigilet ne quid contra fidem ac mores in sua paroecia, praesertim in scholis publicis et privatis, tradatur, et opera caritatis, fidei ac pietatis foveat aut instituat.“ Mit Hierold kann die Aussage des Verbs instituere dahingehend konkretisiert werden, als dass der Pfarrer verpflichtet ist, „wenn nötig, Einrichtungen der Caritas in seiner Pfarrei zu gründen“ (Hierold, Grundlegung und Organisation, 116). 11  Eine



I. Caritas im CIC / 1917117

Darüber hinaus wird die Caritas in Bezug auf den Pfarrer mehrfach im­ plizit erwähnt und angemahnt, denn die Armen der Pfarrei sind kostenlos, gleichzeitig aber würdig zu bestatten nach den entsprechenden Vorschriften und Diözesansatzungen (vgl. c. 1235 § 2 CIC / 1917). Im Kontext der Frage nach einem Zusammenhang zwischen Dienst und möglichen Kosten stehen auch die Aussagen des c. 463 CIC / 1917, der über die Stolgebühren handelt. Zwar sind diese eine „Pflichtleistung“ der Gläubigen als Beitrag zum Le­ bensunterhalt des Pfarrers, und der Pfarrer hat ein „klagbares Recht“ darauf, gleichwohl „darf die Vornahme der geistlichen Handlung doch nicht von der Entrichtung der Gebühr abhängig gemacht werden, und von Armen soll nichts gefordert werden“ (vgl. c. 463 § 4 CIC / 1917).16 In beiden Fällen konnten also z. B. anfallende Stolgebühren beim Begräbnis entfallen. Die Benefizien und andere Güter dienen dem angemessenen Lebensunter­ halt des Pfarrers, aber er ist nicht der Eigentümer derselben, sondern viel­ mehr ihr Nutznießer.17 Doch dies ist er wiederum nur insoweit, als damit sein standesgemäßer Lebensstil gesichert wird. Hinsichtlich des darüber hinaus gehenden Anteils sind die Pfarrer gehalten (obligatione tenentur) diesen „für die Armen oder fromme Zwecke“ zu verwenden (c. 1473 CIC / 1917). Gemäß c. 447 § 3 CIC / 1917 hat allerdings nicht nur der Pfarrer eine ausgeprägte caritative Amtspflicht gegenüber seinen Gläubigen, sondern auch der jeweilige Dechant hat Sorge zu tragen für schwer erkrankte Pfarrer in seinem Dekanat.18 In einem weitergefassten Kontext gehört auch c. 2303 § 2 CIC / 1917 zu den Caritas einschließenden Normen. Er ist im Abschnitt zur Verhängung von Klerikerstrafen verortet und enthält die Aufforderung an den Ordinarius, dass dieser, wenn ein Kleriker wirklich bedürftig ist, aufgrund seiner Liebe (pro sua caritate) auf bestmögliche Weise für ihn sorgen soll. Ebenfalls an die Bischöfe ist c. 2214 § 2 CIC / 1917 adressiert, der ein Zitat des Trienter Konzils umfasst und eine Mahnung an jene dar­ stellt, in der Ausübung der Strafgewalt „pastores non percussores“ zu sein. Die Bischöfe sollen in allem Herzensgüte und Geduld sowie mehr caritas denn potestas ausüben (vgl. ebd.). Neben dieser ersten Gruppe an caritativ geprägten bzw. die Caritas ein­ schließenden Normen existiert eine zweite Einheit an Gesetzesaussagen, die eine im Recht grundgelegte institutionalisierte Fürsorge für hilfsdürftige Menschen bezeugen.  16  Eichmann-Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici, Bd. I., Paderborn 61949, 437. 17  Vgl. ebd., Bd. 2, Paderborn 61950, 444. 18  Mörsdorf weist darauf hin, dass eine Unterlassung dieser Sorgepflicht eine Haftung seitens des Dechants nach sich zieht (ebd., Bd. 1, 423).

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

Zu dieser Gruppe ist zunächst die Bestimmung des c. 100 § 1 CIC / 1917 zu zählen, demnach der Katholischen Kirche und dem Apostolischen Stuhl aufgrund göttlicher Anordnung die Natur einer rechtlichen Person zukommt. Die übrigen Personen erlangen diesen Charakter von Rechts wegen oder durch ein eigenes Dekret des zuständigen Oberen. Dabei wird festgelegt, dass diese Konzession an die Verfolgung eines religiösen oder caritativen Zieles gebunden ist.19 C. 1489 § 1 CIC / 1917 ist im Anschluss an diese Norm zu lesen, insofern Krankenhäuser, Waisenhäuser und ähnliche Ein­ richtungen, als religiöse oder caritative Werke, seien sie geistlich oder zeitlich bestimmt, vom Ortsordinarius errichtet und durch dessen Dekret als juristische Personen anerkannt werden können. Eine institutionelle Form von Fürsorge verkörpern auch Vereine.20 Ne­ ben den Dritten Orden und den Bruderschaften werden die Frommen Ge­ meinschaften erwähnt. Diese Vereinigungen der pia unio dienen der Aus­ übung irgendeines Werkes der Frömmigkeit oder der Caritas (vgl. c. 707 § 1 CIC / 1917). Sie bedürfen der Errichtung oder wenigstens der Approbation durch den Ordinarius (vgl. c. 708 § 1 CIC / 1917).21 Grundsätzlich wird den Gläubigen nahe gelegt, sich Vereinigungen anzu­ schließen, die von der Kirche errichtet oder wenigstens empfohlen sind (vgl. c. 684 CIC / 1917). Dabei können Vereinigungen, die von denen der Ordens­ christen und denen der Gesellschaften zu unterscheiden sind, von der Kirche errichtet werden, wenn sie unter den Mitgliedern das christliche Leben fördern, Werke der Frömmigkeit oder der Caritas ausüben oder zum Wachs­ tum des öffentlichen Kultes beitragen (vgl. c. 685 CIC  /  1917). Demnach können Laien sich an körperschaftlichen Zusammenschlüssen beteiligen und sollen dies unter den beschriebenen Bedingungen auch tun. Allerdings wur­ de der in c. 684 CIC / 1917 normierte kirchlich empfohlene private Verein alsbald als rein privat und teilweise sogar außerhalb des kirchlichen Ver­ einsrechtes angesiedelt.22 19  Die Unterscheidung „finem religiosum vel caritativum“ bezieht sich auf eine eher spirituelle Ausrichtung bzw. eine Ausübung tätiger Nächstenliebe. 20  Das Gesetzbuch von 1917 verfügte nicht über ein dem späteren CIC  / 1983 gleichwertiges Vereinsrecht. Der CIC / 1917 hatte „spezielle Regelungen für histo­ risch gewachsene Sonderformen“ wie „Drittorden, Bruderschaften und Fromme Ver­ eine, Erzbruderschaften und Hauptvereine“ getroffen (Krämer, Kirchenrecht I, 145). Diese Einteilung hatte „den Nachteil, nie erschöpfend alle Ausdrucksformen des Vereinigungsphänomens erfassen und regeln zu können“ (ebd., 146). 21  Vgl. Baldus, Gründung des Diözesancaritasverbandes für das Erzbistum Köln e. V. – 1904, 1916 oder wann?, 13. 22  Vgl. ebd. Diese Aussage kann durch ein Beispiel von Heinemann konkretisiert werden: „Beispielsweise sollte darauf hingewiesen werden, […], daß die Genossen­ schaften des hl. Vinzenz von Paul (Vinzenzkonferenzen) nach einer Entscheidung der Konzilskongregation vom 13. November 1920 keine eigentliche kirchliche Ver­



I. Caritas im CIC / 1917119

Gegenüber diesen privaten Vereinigungen normiert c. 686 § 1 CIC / 1917 die associatio ecclesiastica als: Nulla in Ecclesia recognoscitur associatio quae a legitima auctoritate ecclesiastica erecta vel saltem approbata non fuerit.

Demnach braucht es die Errichtung oder wenigstens Genehmigung durch die zuständige Autorität, damit ein kirchlicher Verein sich als solcher be­ zeichnen kann. Des Weiteren verweist Klaus Mörsdorf in seinem Kommen­ tar darauf, dass eben diese Errichtung oder Genehmigung das „maßgebliche Kennzeichen des kirchlichen Vereins [sei und] nicht die kirchliche Zwecksetzung“23. Neben diesen zwei Formen, der juristischen Person und der Vereinigung, ist noch die fromme Stiftung im Sinne einer institutionalisierten Fassung der Caritas zu nennen (vgl. c. 1544 § 1 CIC / 1917). Dabei wird Vermögen einer moralischen Person mit der Auflage übergeben, dass für eine längere Zeit aus den jährlichen Erträgen entweder Messen zu applizieren sind, be­ stimmte kirchliche Funktionen damit unterstützt werden sollen oder schließ­ lich „pietatis et caritatis opera“ durchzuführen sind. Wenn auch nicht direkt als fromme Stiftung, so können doch Ordinarien zu Vollstreckern für Verfügungen bestimmt werden, die von Gläubigen zu­ gunsten allgemein gefasster causae piae getroffen wurden. Darunter fallen neben Gottesdienst und Werken der Frömmigkeit – wie nun bereits mehr­ fach beschrieben – auch solche der Caritas.24 Das oben entwickelte Bild wird komplettiert durch den in c. 2346 CIC  /  1917 beschriebenen Straftatbestand des unrechtmäßigen Gebrauchs kirchlicher Güter, d. h. der Anmaßung von Kirchengut.25 Dieser zieht die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation nach sich und soll zur Suspendierung eines Klerikers durch seinen Ordinarius führen.26 Als dritte aus einigen wenigen Normen bestehende Gruppe können solche mit einem sozial-caritativen Impetus zusammengefasst werden. Dazu gehört einigung darstellten.“ [SC Conc v. 13.11.1920, vgl. AAS 13 (1921) 136–141] (He­ ribert Heinemann, Die Stellung der Caritas im Verfassungsrecht der Kirche, in: Norbert Feldhoff / Alfred Dünner (Hrsg.), Die verbandliche Caritas. Praktisch-theolo­ gische und kirchenrechtliche Aspekte. Freiburg i. Br. 1991, 150–167, 155. Auch Mörsdorf kommentiert, dass „selbst die Vinzenzvereine die kirchlich so empfohlen und mit Ablässen ausgestattet“ sind, keine kirchlichen Vereine seien (vgl. EichmannMörsdorf, Lehrbuch, Bd. I, 518). 23  Ebd. (Herv. NH) 24  Vgl. auch Klein, Christ und Kirche, 99 f. 25  Vgl. Eichmann-Mörsdorf, Lehrbuch, Bd. III, 441. 26  Im Hintergrund steht dabei der Gedanke, dass das Kirchengut seiner Zweck­ bestimmung erhalten bleiben soll (vgl. ebd.).

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

c. 1914 CIC / 1917, der für Arme das Recht auf eine kostenlose Verteidigung im kirchlichen Prozess formuliert. Des Weiteren können Prälaten und Rek­ toren nur dann aus den beweglichen Gütern ihrer Kirche Schenkungen vornehmen, wenn sie dazu aufgrund von zwei Ausnahmen berechtigt sind. Dazu gehört das Vorliegen eines gerechten Grundes (iusta causa) in Entloh­ nung, Frömmigkeit oder Caritas. Andernfalls kann der Amtsnachfolger die Schenkung widerrufen (vgl. c. 1535 CIC / 1917). Dieser dritten Kategorie gehört auch c. 1524 CIC / 1917 als Bestimmung über soziale Gerechtigkeit an. In besonderer Weise sind Kleriker, Ordensleute und Verwalter kirchli­ cher Güter verpflichtet, bei der Beschäftigung von Arbeitskräften sittlich gerechtfertigte Arbeit, gerechten Lohn und angemessene Arbeitsbedingun­ gen zu gewährleisten.  Sehr weit gefasst ist die Bestimmung des c. 1639 § 1 CIC / 1917 über die Gerichtsferien. Es handelt sich um eine Verbotsnorm, die die Zeiten be­ stimmt, an denen kirchliche Prozessführung untersagt ist.27 Dagegen kann nur ein Notstand, die christliche Caritas oder das öffentliche Wohl etwas anderes fordern.  Diese Klassifizierung schließt eine vierte Normgruppe ab, die eine Ver­ pflichtung ex caritate vornimmt.28 Diese ist zum Beispiel bezüglich der Titularbischöfe anzutreffen, die keine Vollmacht in ihrer Diözese ausüben können, weil sie von ihr keinen Besitz ergriffen haben. Trotz dieses Um­ standes, so heißt es in c. 348 § 2 CIC / 1917, geziemt es sich für sie – aus Gründen der Caritas – der Verpflichtung nachzukommen, manchmal die Heilige Messe für ihre Diözese zu applizieren. Ebenfalls aus Gründen der Caritas muss (debet) ein Orden einem ausge­ schiedenen Mitglied bei Vermögenslosigkeit das geben, was es in der un­ mittelbar folgenden Zeit für ein achtbares Leben braucht (c. 643 § 2 CIC / 1917).29 27  Angegeben werden die gebotenen Festtage sowie Gründonnerstag bis Kar­ samstag. 28  Im Folgenden wird „ex caritate“ mit „aus Gründen der Caritas“ wiedergege­ ben, weil die Begriffsanalyse gezeigt hat, dass Caritas eine breite inhaltliche Aussa­ ge enthält, die aber zugleich konkretisiert werden kann. So gründet sie in der vor­ gängigen Liebe Gottes zum Menschen und stellt zugleich die menschliche Antwort auf diese empfangene und in Christus menschgewordene Liebe dar. Sie ist nicht in die Beliebigkeit des Gläubigen gestellt, sondern durch die Taufe für den Christen gleichsam Recht und Pflicht (vgl. Mk 12,28–31par). 29  Klein erwähnt diese Norm noch einmal im Zusammenhang mit einigen wei­ teren, die insgesamt einen besonderen Schutz des Gesetzbuches gegenüber Klerikern und Religiosen ausdrücken würden. Tatsächlich knüpfen die nn. 5 und 7 des c. 671 CIC / 1917 an c. 643 § 2 CIC / 1917 an. Sie mögen „caritativum subsidium“ von dem zuständigen Ortsordinarius erhalten, wenn sie sich nicht anderweitig versorgen kön­



I. Caritas im CIC / 1917121

c. 415 CIC / 1017 regelt die Abgrenzung der Befugnisse zwischen Kapitel und Pfarrei. Nach § 5 kommt es den Kanonikern „ex caritate“ zu, in der Pfarrseelsorge mitzuhelfen. Der Ortsordinarius kann weitere Bestimmungen dazu erlassen. Zweimal wird die Formulierung im Sakramentenrecht angewendet. So innerhalb des Bußsakramentes, denn nach c. 892 § 2 CIC / 1917 sind in einer dringenden Notlage alle mit Beichtfakultas ausgestatteten Priester aus Grün­ den der Caritas dazu verpflichtet, die Beichten der Gläubigen zu hören; in Todesgefahr sogar alle Priester. Zum anderen ist in der Aussage des c. 939 CIC  /  1917 die Wendung eingefügt, dernach der ordentliche Spender der Letzten Ölung, im früheren Gesetzbuch wurde als solcher der Pfarrer be­ zeichnet, aus Gründen der Gerechtigkeit gehalten ist, dieses Sakrament selbst oder durch einen anderen zu spenden. Im Falle einer Notwendigkeit ist dazu jedweder Priester aus Gründen der Caritas verpflichtet. Hier wird die Formulierung ex caritate durch die Gegenüberstellung zu ex iustitia im ersten Satzteil besonders hervorgehoben. Gerade die letzte Stelle zeigt das Charakteristikum dieses vorgenommen Einschubs auf, durch den eine Weitung in die Gesetzesaussage hineingetra­ gen wird. Zumindest indem der Sakramentenspendung und auch im Fall des ausgetretenen Ordensmitgliedes wird jeweils die Gesamtsituation mit be­ trachtet. Jedoch ergibt sich die Frage nach der speziellen Motivation, die hinter diesem Einschub liegt. Der Gesetzgeber wollte offensichtlich jeweils eine Ausnahme einfügen und suchte diese ex caritate zu begründen. Wie ist der Verpflichtungsgrad zu bewerten? Wiegt eine Verpflichtung ex caritate schwerer, da sie offenbar über eine Verpflichtung ex iustitia hinausgeht? Und zudem ist die Frage zu stellen, ob – vorausgesetzt es liegt dem Ein­ schub eine bestimmte Intention zugrunde – neben diesen vier Stellen nicht noch weitere einen solchen Zusatz hätten erhalten können? Franz Klein versteht diese Art der Verpflichtungsnormierung ex caritate als „Möglich­ keit die Beziehung von Caritas und geistlichem Recht anzudeuten“, sieht aber gleichzeitig zwei weitere Fragen dadurch gegeben: „Und scheint sich der Problemkreis nicht durch Fragen der Art zu erweitern, wie etwa, ob ein ex caritate gegebenes Votum dem Zugriff des geistlichen Rechts unterliegt oder ein seine Caritaspflichten verletzender Christ bei öffentlichem Ärgernis in foro externo erfaßt werden kann?“30 nen. Die übrigen von Klein genannten Normen (cc. 637; 643 § 2; 647 § 2 n. 2; 2156 § 2 CIC / 1917) handeln von dem Austritt bzw. der Entlassung aus einem Orden so­ wie von der Versetzung kranker Pfarrer. Diese können aber ohne weiteres auch un­ ter die Amtspflichten der Kleriker, insofern diese durch die Religiosen ergänzt wer­ den, subsumiert werden. 30  Klein, Christ und Kirche, 42.

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

3. Ergebnisse In der Zusammenschau des dargestellten Befundes treten zwei Aspekte in den Vordergrund: Zum einen das deutliche Anliegen des Gesetzgebers, bei den Amtspflichten des Pfarrers deren caritative Bestandteile zu unterstrei­ chen, sodass diese selbstverständlich und verpflichtend zu seinen Aufgaben gehören. Nicht verständlich ist jedoch der Umstand, dass, während die ca­ ritative Verantwortung des Pfarrers relativ breit dargestellt wird, die des Bischofs gänzlich unerwähnt bleibt. Zum anderen findet sich die Eigenart der ex caritate Bestimmungen, die die Kleriker aus Gründen der Caritas auf die Einhaltung einer Norm verpflichten. Die sich daraus ergebenden Fragen werden im Zusammenhang der Analyse des geltenden Gesetzbuches noch einmal thematisiert werden müssen. Im Übrigen gibt es vereinzelte Normen, die einen mehr oder weniger ausgeprägten caritativen Einschub, wie Klein es nennt, besitzen. Aber auch darin gibt es Tendenzen, an die angeknüpft werden könnte, so im Bereich der institutionalisierten Form der Caritas aufgrund der Errichtung einer ju­ ristischen Person oder eines Vereins. Ein tragendes theologisches und rechtliches System für die Benutzung der Caritas-Terminologie ist nicht erkennbar, dies ist aber innerhalb des Gliede­ rungssystems, das eine speziell kirchenrechtlich-theologische Systematik nicht implizierte, nicht verwunderlich. Mit Alfred Hierold muss schließlich noch darauf hingewiesen werden, dass „bei dieser Konzeption die Beteiligung der Laien am caritativen Han­ deln der Kirche“ nicht geklärt wird. Die Begründung dafür sieht er darin gegeben, „daß zu dieser Zeit die Fragen des Apostolates der Laien noch weithin unbearbeitet und ungelöst waren.“31 Insgesamt geht die Berücksichtigung der Caritas im Gesetzbuch von 1917 über einige Ansätze, die jedoch für sich genommen durchaus beachtenswert sind, nicht hinaus. Dieser Befund kann nun unterschiedlich bewertet werden; entweder als defizitär oder als ein Zuviel an caritativer Berücksichtigung, um nur die Extreme zu benennen. Dabei hängt die Bewertung von den Erwartun­ gen an ein kirchliches Gesetzbuch ab. Unter den gegebenen Bedingungen des CIC von 1917 – keine eigene theologische Konzeption zur Systematisierung und keine Schaffung von sogenannten theologischen Fundamentalnormen, wie sie sich zu Beginn der jeweiligen Abschnitte im späteren Gesetzbuch finden – ist das Ergebnis durchaus positiv zu bewerten. Auch Franz Klein kommt insgesamt zu einer positiven Einschätzung, wenngleich aus einer an­ deren Motivation heraus. In seinen Schriften zur verbandlichen Caritas im 31  Hierold,

Grundlegung und Organisation, 126 f.



II. Caritas im CIC / 1983123

Zeitraum 1956–1966 legt er den Schwerpunkt auf die aktive Mitarbeit und vor allem die Verantwortung der Laien für die Caritas, die er speziell durch das Zweite Vatikanum und seine Aussagen zum Laienapostolat bestätigt sieht. Daher beschreibt er im Folgenden die Gegenposition: „Wer in [der Caritas] in erster Linie das Liebeswirken der hierarchisch geordneten Rechtskirche sieht, wird der Auffassung folgen, daß die organisierte Caritas auch in der Hierarchie verankert sein müsse.“32

Die Konsequenz daraus liegt nach Klein in einer nur begrenzt aktiven Rolle des Laien als „mittätige[m], verantwortliche[m] Subjekt“, wie es dem Verständnis des früheren kirchlichen Gesetzbuches entsprach. Bei Anschluss jedoch an seine eigene Position von der aktiven Rolle des Laien, einem Verständnis von Caritas als Sache des ganzen Kirchenvolkes und der An­ nahme einer „zweckmäßige[n] Stufenfolge“ der Caritas zur Hierarchie, er­ gibt sich notwendig die Folge, die „Werke und Einrichtungen [der Caritas] stärker in den weltlichen Raum hineinzuverlegen“33, anstatt in ein kirchli­ ches Gesetzbuch. Entsprechend dieser Intention wundert es nicht, dass Klein mit dem Be­ fund des CIC / 1917 zufrieden ist, denn dieser stützt seine favorisierte Lö­ sung, indem „bewußt die Werke und Einrichtungen der Caritas nicht zwin­ gend zum Gegenstand des geistlichen Rechts“34 gemacht werden.

II. Caritas im CIC / 1983 1. Intention und Systematik des CIC / 1983 Entgegen der anderslautenden Absicht35 wurden die Gesetze, die nach dem Inkrafttreten des CIC / 1917 veröffentlicht wurden, nicht in den Codex eingefügt.36 Daher entstand mit der Zeit erneut eine recht unübersichtliche Situation, was den aktuellen Normbestand anbelangte. Papst Johannes XXIII. war es schließlich, der zusammen mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Überarbeitung und Anpassung des kanonischen Rechtes an die zeitlichen Erfordernisse ankündigte.37 32  Klein, 33  Ebd. 34  Ebd.

Christ und Kirche, 104.

35  Vgl. Benedikt XV., Motu proprio Cum iuris canonico vom 25. September 1917, in: AAS 9 (1917) 483 f. 36  Es gab nur wenige Ausnahmen. Vgl. dazu Heribert Schmitz, Der Codex Iuris Canonici von 1983, in: HdbkathKR, Regensburg 21999, 49–76, 52. 37  Vgl. Johannes XXIII., Ansprache vom 25. Januar 1959, in: AAS 51 (1959) 65–69, 68 f.

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

Die Reformkommission, die von Papst Paul VI. zur Überarbeitung des kirchlichen Gesetzbuches eingesetzt worden war, sah sich u. a. vor die Auf­ gabe gestellt, die bisherige Einteilung des Codex von 1917 zu überarbei­ ten. Besonders hinsichtlich der Bücher II und III war eine ausgeprägte Unzufriedenheit aufgetreten, da – wie oben bereits erwähnt – der Liber: De personis eine strukturelle Gliederung in das Verfassungsgefüge des Gottes­ volkes nicht ermöglichte und der Liber: De rebus an einer zu verschieden­ artigen Zusammenstellung unterschiedlichster Materien krankte.38 Letztendlich umfasst der CIC von 1983 nun sieben Bücher.39 Dabei wur­ den der allgemeine Teil und das Prozess- sowie Strafrecht aus der alten Gliederung übernommen. Das Buch II wurde in Volk Gottes umbenannt und inhaltlich umstrukturiert. Der Inhalt des dritten Buches wurde schließlich auf drei eigenständige Bücher verteilt (Verkündigungsdienst und Heili­ gungsdienst der Kirche sowie Kirchenvermögen). Das ursprüngliche System des römischen Privatrechts wurde also aufgebrochen, aber nicht gänzlich aufgegeben. Ebenso weist Aymans die Ansicht zurück, dass das sog. juristi­ sche durch das sog. theologische Gliederungsschema, welches sich an der tria munera Lehre orientiert, schlicht ersetzt worden sei.40 Denn letzteres wird zwar angewendet, aber nicht konsequent durchgehalten, was nicht al­ lein daran schon sichtbar wird, dass es kein eigenes Buch zum Leitungs­ dienst gibt. „Die teilweise Verwendung eines dreigliedrigen Prinzips ist ein Widerspruch in sich.“41 In der Zusammenschau ergibt sich für Aymans eine „rechtlich brauchbare und ekklesiologisch vertretbare Gesamtsystematik“42 für das geltende kirchliche Gesetzbuch. Beim Blick auf die Systematik fällt bereits an dieser Stelle auf, dass „die Verpflichtung zur Diakonia, zum Dienst am Nächsten weder durch ein ei­ genes Buch noch durch einen eigenen Abschnitt des Gesamtwerkes erkenn­ bar gemacht wird.“43 So kommentiert Heribert Heinemann die „Neuorien­ tierung“ innerhalb der Gliederung des CIC als begrüßenswert, sieht aber die Notwendigkeit zu einer kritischen Betrachtung bereits aufgrund des ersten Eindrucks zur Behandlung der Caritas gegeben. Während der Sachverhalt bei Heinemann zu einer durchaus kritischen Haltung führt, sieht Heribert Aymans-Mörsdorf, KanR I, 137. dazu Peter Krämer, Kritische Anmerkungen zur Systematik eines neuen kirchlichen Gesetzbuches, in: AfkKR 147 (1978) 463–470. 40  Vgl. Aymans-Mörsdorf, KanR I, 138 f. 41  Ebd., 139. 42  Ebd. 43  Heinemann, Die Stellung der Caritas im Verfassungsrecht der Kirche, 151. „In einzelnen Rechtssätzen, die im ganzen Gesetzbuch verteilt untergebracht sind, wird auf diesen Dienst verwiesen. Nur sehr spärlich leuchtet dieser diakonische Auftrag der Kirche auf.“ 38  Vgl. 39  Vgl.



II. Caritas im CIC / 1983125

Hallermann diese Klage ins Leere laufen44, weil sich die zugrunde gelegte Einteilung in die Grundfunktionen διακονία, λειτουργία und μαρτυρία „aus­ drücklich auf die Ebene des kirchlichen Lebens und Handelns“ beziehe. Damit handele es sich aber um „pastoraltheologische, nicht aber kirchen­ rechtliche Kategorien“45. Es muss zugestanden werden, dass ein Rückschluss von der Benennung der Bücher III und IV des CIC als äußeres Faktum zunächst nicht hinreichend ist für das Einfordern eines weiteren Buches zur Caritas bzw. der Grundfunktion der διακονία. Tatsächlich war es die in den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils grundgelegte tria munera-Lehre, die als Orientierung für ein Ordnungssystem diente. Aber wie bereits gese­ hen, wurde sie nicht in extenso umgesetzt und bildete auch nicht die einzi­ ge Grundlage. Daher greift auch die Argumentation von Helmuth Pree zu kurz. Nach ihm ist die Gesetzessystematik des CIC die tria munera-Lehre und diese sei „ungeeignet […] die karitative Grunddimension in ihrer Ei­ genständigkeit zur Geltung zu bringen“.46 Wie ist jedoch das Argument von Hallermann zu bewerten, wonach die Grundfunktionen pastoraltheologische und keine kirchenrechtlichen Katego­ rien verkörpern und sie daher – so die zu vermutende Schlussfolgerung – in einem Gesetzbuch keine Anwendung finden können? Hinsichtlich einer Beurteilung muss im Vordergrund stehen, dass die Gliederung zum Inhalt passt. Das war die bekannte Schwierigkeit innerhalb des CIC / 1917, bei dem die Eigenheiten der kirchlichen Struktur durch die reine Anwendung des römischen Privatrechtes besonders im Liber II und III nicht die richtige Zuordnung fanden. Also wurde innerhalb der Revision versucht, ein neues theologisches System zu benutzen, wobei gleichzeitig bewährte Ansätze der ersten Kodifizierung beibehalten werden sollten. Zwei­ tens ist zu berücksichtigen, dass es vom Gedanken der theologischen Grundlegung des Kirchenrechts im Wesen der Kirche selbst, genauer in der biblisch festgehaltenen Sendung in Wort, Sakrament und Caritas, keine ka­ tegorische Trennung zwischen pastoraltheologischen und kirchenrechtlichen Gliederungssystemen geben kann. Eine formalistische Feststellung ist nicht hinreichend. Vielmehr müsste inhaltlich nachgewiesen werden, dass sich die Gliederung in die drei Grundfunktionen nicht eignet. Vielfach wird der Umstand, dass es kein eigenes Buch zur Caritas gibt, mit der Aussage kommentiert, dass es zwar eigene Bücher zu μαρτυρία und λειτουργία gibt, jedoch nicht zur διακονία. Angesichts dieses Argumentati­ onsgangs stellt sich jedoch die Frage, ob hier nicht eine Vermischung von zwei Gliederungskonzepten vorliegt, nämlich das der tria munera Lehre und 44  Hallermann, 45  Ebd.

46  Pree,

Strukturen kirchlicher Caritas im geltenden Recht, 443 f.

Die Caritas im CIC und im CCEO, 119.

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

das der drei Grundfunktionen kirchlichen Lebens. Hinzu kommt eine gewis­ se Beliebigkeit in der Begriffswahl, sodass Caritas bisweilen nahtlos mit διακονία ausgetauscht wird. Im Interesse sprachlicher Eindeutigkeit und zum Nutzen gegenseitiger Verständigung sollte hieran gearbeitet werden: Einerseits, indem die beiden Gliederungssysteme auseinander gehalten wer­ den, und andererseits durch eine Verständigung in der Begriffswahl, wie sie im ersten Kapitel dieser Arbeit versuchsweise dargeboten wurde. Diesen Einstieg zur Untersuchung des geltenden Gesetzbuches und der Darstellung einiger Bewertungen zur Berücksichtigung der Caritas in der Gesamtsystematik abschließend, soll noch eine Einschätzung von Helmuth Pree aufgegriffen werden. Dieser weist den Vorwurf zurück, dass die feh­ lende Berücksichtigung der Caritas in einem eigenen Buch bzw. Abschnitt Ausdruck einer Geringschätzung im Vergleich zu den übrigen Grundfunkti­ onen seitens des Gesetzgebers sei.47 Dies hänge vielmehr mit einem spezi­ fischen Charakteristikum der Caritas zusammen, insofern diese keine „hie­ rarchische Exklusivkompetenz“ besitze bzw. diese für sie „nicht denkbar“ sei.48 An diese Aussage schließt er den Hinweis auf die Möglichkeit der Caritas an, „die ganze Bandbreite denkbarer Erscheinungs- und Handlungs­ formen von Kirche“ ausfüllen zu können.49 In der Annahme, dass die letzt­ genannte Möglichkeit aufgrund der vorgängigen hierarchischen Exklusiv­ kompetenz gegeben ist50, ergibt sich die Frage, warum Caritas diese Kom­ petenz nicht besitzt. Dies müsste im Wesen der Caritas begründet liegen. Zur Klärung mag die von Alfred Hierold eingebrachte Unterscheidung zwischen kirchlicher Caritas, die jede Person ausübt, weil „Caritas sich vollziehendes Wesen der Kirche und Leben der Kirche ist“51, und Caritas im Namen der Kirche, die an die Hierarchie gebunden ist und daher notwendig im Zusam­ menhang mit dem Bischof steht, dienen. Bezüglich des zweiten Aspektes könnte daher von einer hierarchischen Exklusivkompetenz gesprochen wer­ den. Allerdings ist die Voranstellung des Adjektivs „exklusiv“ insgesamt kritisch zu bewerten. Trifft es in dieser Zuspitzung auf Verkündigungs- und Heiligungsdienst zu? Sind nicht vielmehr in beiden Büchern Bereiche kirch­ lichen Lebens genannt, die ähnlich wie bei der Caritas auch in der Verant­ wortung des einzelnen Gläubigen liegen, gleichwohl sie hinsichtlich der Letztverantwortung an den Bischof gebunden sind? 47  Vgl.

48  Ebd. 49  Ebd.

Pree, Die Caritas im CIC und CCEO, 133.

50  Es ist grammatikalisch nicht eindeutig zu bestimmen, ob die hierarchische Exklusivkompetenz aus letzterem folgt oder umgekehrt (vgl. Pree, Die Caritas im CIC und CCEO, 133). 51  Hierold, Grundlegung und Organisation, 63.



II. Caritas im CIC / 1983127

2. Analyse des Caritasbegriffs im CIC / 1983 Im Vergleich mit dem CIC / 1917 wird die Caritas im geltenden Gesetz­ buch von 1983 eindeutig öfter erwähnt. In 41 der 1.752 Canones fällt der Terminus caritas in direkter Weise, dabei sind sieben Stellen, wo von apostolatus die Rede ist, mit eingerechnet.52 Es gibt über die direkten Nennun­ gen hinaus auch indirekte Erwähnungen. Diese hat Pree in drei Gruppen eingeordnet: Weiter gefasste Ausdrücke wie z. B. Apostolat (vgl. c. 216 CIC), kirchliche Sammlungen oder Almosen (vgl. c. 1265 § 1 CIC), dane­ ben wird bisweilen auf Canones verwiesen, die die Caritas enthalten und schließlich „Ausdrücke, welche Caritas unter irgend einem [!] Gesichtspunkt zum Regelungsinhalt haben, ohne sie namentlich zu nennen“, z. B. der Hin­ weis auf die Armenunterstützung in c. 222 § 2 CIC.53 Die Betrachtung der Verteilung innerhalb des Gesetzbuches zeigt, dass sich knapp drei Viertel der Normen im zweiten Buch zum Volk Gottes be­ finden. Im ersten sowie sechsten Buch wird der Begriff nur einmal, im siebten gar nicht genannt und in den übrigen finden sich drei bis fünf Ein­ träge.54 Bei einer genaueren Untersuchung der Bezüge im zweiten Buch fällt auf, dass sie sich zwar einigermaßen gleichwertig auf die drei Teile „De christifidelibus“ (cc. 204–329 CIC), „De Ecclesiae constitutione hierarchica“ (cc. 330–572 CIC) und „De institutis vitae consecratae et de societatibus vitae apostolicae“ (cc. 573–746 CIC) aufgliedern, wenn auch der dritte Teil mit zwölf gegenüber acht einen leichten Überschuss hat.55 Ein Überblick zur Verwendung der caritativen Begrifflichkeit muss mit der Feststellung beginnen, dass der Begriff caritas grundsätzlich nur als Nomen benutzt wird. In knapp der Hälfte der Fälle wird er eingesetzt, um die göttliche Tugend zu beschreiben und wird dabei bisweilen verbunden mit verschiedenen Adjektiven („humilis“, „filialis“ c. 245 § 2; „effusus“ 52  Diese Einbeziehung ist legitim, weil der Begriffsanalyse entsprechend Apos­ tolat, verstanden als Sendung zur Tätigkeit in verschiedenartigen Werken, dasjenige der Caritas an diesen Stellen miteinschließt. Dieser Meinung ist auch Pree unter Verweis auf die entsprechenden Konzilstexte (vgl. Pree, Caritas im CIC und CCEO, 120). 53  Vgl. ebd., 120. 54  Angesichts dieses Ergebnisses ist es erstaunlich, dass Hallermann schreibt: „[…] ordnet der Codex die Caritas primär dem Heiligungsdienst der Kirche zu, der nicht nur von den Klerikern, sondern auch von den übrigen Gläubigen nach Maß­ gabe des Rechts ausgeübt wird“ (Hallermann, Strukturen kirchlicher Caritas im geltenden Recht, 451). 55  Diese Beobachtung ist durch den Hinweis zu ergänzen, dass im Bereich der hierarchisch verfassten Kirche keine der acht Nennungen in der ersten Sektion zu Papst und Bischofskollegium (cc. 330–367 CIC) zu finden ist, sondern alle im teil­ kirchlichen Bereich verortet sind (cc. 368–572 CIC).

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

c. 529 § 1; „perfectus“ cc. 573 § 1, 710; 731 § 1) sowie mit anderen Tugen­ den zusammengestellt („fides“, „spes“, „pietas“, vgl. cc. 206 § 1; 215; 788 § 2; 1285 CIC). Insgesamt elf Mal begegnet der Terminus im Sinne der „opera caritatis“ (vgl. z. B. cc. 114 § 2; 222 § 1; 282 § 2; 298 § 1; 683 § 1; 785 § 1; 839 § 1; 1249; 1253; 1254 § 2; 1340 § 1 CIC). Anders als die erste Verwendung steht diese im Horizont der Caritas als „Organisations­ form christlichen Helfens und Dienens“56. Der Begriff caritas wird ergänzt durch apostolatus. Dabei existieren zwei Varianten: Zum einen werden sie nebeneinander genannt (z. B. „opera apostolatus et caritatis“ c. 222 § 1 CIC), zum anderen wird aber die Caritas an einer Stelle unter die Apostolatswerke subsumiert („apostolatus opera, scilicet ad evangelizationis incepta, ad pietatis vel caritatis opera exercenda“, c. 298 § 1 CIC).57 Nachdem nun ein Überblick zur Systematik des geltenden Gesetzbuches und das Vorkommen sowie die Verteilung des Wortes „Caritas“ skizziert wurden, werden im Folgenden die einzelnen Erwähnungen innerhalb der Canones exegetisiert. Es stellen sich in diesem Zusammenhang vielfältige Fragen: Muss weiterhin von „allgemeinen Bestimmungen mit caritativem Einschlag“ gesprochen werden, wie es Franz Klein hinsichtlich des CIC / 1917 tat? Welches Gewicht haben sie in den Gesetzestexten? Werden sie nur am Rande, beiläufig erwähnt oder bilden sie Kernaussagen und steht dahinter ein erkennbares Gesamtkonzept? Diese Aspekte werden innerhalb der Be­ funderhebung zutage treten müssen. Da der Schwerpunkt der Erwähnungen im Bereich des zweiten Buches „Volk Gottes“ liegt, wird zunächst dieser Teil analysiert, ihm schließen sich in zusammengefasster Form die Stellen in den übrigen Büchern an.  a) Caritas in der Verantwortung des Volkes Gottes Innerhalb des zweiten Buches des Codex Iuris Canonici konnte eine im Vergleich zum übrigen Text überdurchschnittlich hohe Verwendung des Begriffs caritas verzeichnet werden. Dieses Buch nimmt in seinem Titel jene zentrale Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils auf58, dass dem Gottesvolk eine grundlegende Gemeinschaft eigen ist, die sich durch ein heilsgeschichtliches Kontinuum auszeichnet (vgl. LG 9). Vor aller Unter­ scheidung ist dem Volk Gottes die Gemeinschaft aller Gläubigen (communio fidelium) eigen. 56  Heinemann,

Die Stellung der Caritas im Verfassungsrecht der Kirche, 153 f. scheint sich zunächst gegenseitig auszuschließen, muss aber innerhalb der Exegese der entsprechenden Canones genauer untersucht werden. 58  Vgl. die Beschreibung der Bildaussagen im ersten Kapitel. 57  Dies



II. Caritas im CIC / 1983129

Das Gesetzbuch behandelt in den cc. 204–746 CIC, wenngleich der eini­ gende Titel voransteht, die innere Struktur, d. h. die Verfassung der Kirche und untergliedert dazu das Buch in drei Teile über die Gläubigen (cc. 204– 329 CIC), die hierarchische Verfassung (cc. 330–572 CIC) sowie über die Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens (cc. 573–730 CIC).59 Eine direkte Entsprechung zum Wortsinn des Buchti­ tels ist allerdings im ersten Titel über die Pflichten und Rechte aller Gläu­ bigen (cc. 208–223 CIC) gegeben, der einer später folgenden Unterschei­ dung in Laien und Kleriker vorangestellt ist. aa) Caritas in der Verantwortung der Christgläubigen Vier einleitende Canones (cc. 204–207 CIC) sind dem ersten Teil des Liber II vorangestellt. Diese stellen zunächst in zwei Normen Grundaussa­ gen über die Kirche zusammen, indem sie den Begriff christifideles definie­ ren und die Kirche näher charakterisieren in ihrer sichtbaren Verfassung als societas, in der Verwirklichung der Kirche in der Ecclesia catholica sowie in ihrer Leitung durch den Papst und die Gemeinschaft der Bischöfe. Schließlich beschreibt c. 205 CIC die plena communio, die verwirklicht wird in den drei vincula des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung. Mittels c. 206 CIC wird dieser genannte Fokus durch den Blick auf die Katechumenen geweitet, die noch nicht in der vollen Gemeinschaft mit der Ecclesia catholica stehen. Die Beschäftigung des Gesetzbuches mit den Katechumenen ist gegenüber dem CIC / 1917 neu und hat seinen Bezug im Zweiten Vatikanum, das zunächst in der Kirchenkonstitution im Zusammen­ hang der Heilsnotwendigkeit der Taufe auf sie zu sprechen kommt (vgl. LG 14,3). Die Konzilsväter sehen die Katechumenen bereits durch ihr Begehren (votum) mit der Kirche verbunden, was durch die Bezeichnung als „die Ihrigen“ (LG 14,3) unterstrichen wird. Im späteren Dekret über die Missi­ onstätigkeit der Kirche wird dieser Gedanke noch einmal aufgegriffen und dahingehend spezifiziert, dass im überarbeiteten Codex ihre Rechtsstellung „klar umschrieben“ (AG 14,5) werden soll. Dem kommt der Canon nach, indem dort die Katechumenen in ihrer Verbindung zur Kirche beschrieben werden. Dabei wird das votum aufgegriffen, allerdings unter Hinzufügen 59  Winfried Aymans weist darauf hin, dass die gewählte Gliederung den „funda­ mentalen Unterschied“ nicht sichtbar werden lässt, der zwischen Verfassungs- und Vereinigungsrecht besteht. Letzteres ist dem ersten Teil des zweiten Buches als Titel V zugeordnet. Die zu treffende Unterscheidung bestehe darin, dass das Verfassungs­ recht „die rechtliche Struktur der Kirche als solcher“ behandle, währenddessen das Vereinigungsrecht „eine Struktur in der Kirche“ darstelle (vgl. Aymans-Mörsdorf, KanR II, 1).

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

einer Erweiterung, sodass nicht allein dieses Begehren sie mit der Kirche verbindet, sondern auch eine „vita fidei, spei et caritatis“. Durch das Hin­ zunehmen der drei göttlichen Tugenden60 wird der Text geweitet; während der Wunsch nach Aufnahme stärker das innere Moment betont, tritt hierbei die äußere Dimension als christliche Lebensführung hinzu, die zusammen­ gefasst ist in den drei Tugendbegriffen, welche in der Praxis einer konkre­ tisierenden Ausgestaltung bedürfen. Beide Aspekte zusammen begründen die Sonderstellung des Katechumenen, der, obwohl er nicht kanonisches Rechtssubjekt ist, im Vorausgriff auf die volle Eingliederung über gewisse Vorrechte (c. 206 § 2 CIC) verfügt.61 Im Kontext der allen Gläubigen gemeinsamen Pflichten und Rechte wird erneut die Caritas aufgegriffen. Dieser Katalog stellt insgesamt Pflichten und Rechte dar, die im Getauftsein des Einzelnen gründen und damit als besondere „Christenrechte“ zu klassifizieren sind.62 Dies gilt auch für die Rechte auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit (c. 215 CIC) sowie auf eigene Unternehmungen (c. 216 CIC). Es geht bei jenen zunächst und vordergründig um den Sachverhalt, dass christifideles aus ihrem allgemeinen Sendungsauftrag in Taufe und Firmung das Recht haben, consociationes frei zu gründen und zu leiten.63 Der Canon 60  Die Tugenden sind aus biblisch-theologischem Verständnis ein Maßnehmen am Handeln Gottes und zugleich eine Antwort auf sein vorausgehendes Han­ deln. Neutestamentlich verkörpert die Trias Glaube – Hoffnung – Liebe (1 Kor 13,13; Kol 1,4) eine prägnante Zusammenfassung der übrigen genannten Tugenden (vgl. 2 Kor 6,6 f.; Gal 5,22 f.; Kol 3,12 u. ö.). Bereits im biblischen Kontext kommt den Tugenden, nach Marlies Gielen, die Eigenart zu, dass sie nicht primär das Indi­ viduum in die Pflicht nehmen, als dass dieses nach sittlicher Vervollkommnung zu streben hätte, sondern sie sind auf die Gemeinde ausgerichtet, die verwurzelt ist im erlösenden Heilshandeln Christi. Dies wird in den paulinischen Schriften besonders deutlich und zeigt sich schließlich bei der Kollekte für Jerusalem darin, dass die Korinther gemeinschaftlich ihre Liebe darin bewähren sollen. Thomas von Aquin charakterisiert die caritas dann später als Wurzel und Form aller anderen Tugenden (vgl. Thomas von Aquin, S. th. II-II, 23). (Vgl. Marlies Gielen, Art.: Tugend, I. Philosophisch, II. Biblisch-theologisch; Art.: Tugendkataloge, in: LThK3, Bd. 10, 2001, 293–297, 302 f.). 61  Dazu gehören das Recht auf Bestattung (c. 1183 § 1 CIC), das Recht auf Segnungen (c. 1170 CIC), als auch mögliche partikularrechtliche Regelungen durch die Bischofskonferenzen (c. 788 § 3 CIC). 62  Vgl. Heinrich J. F. Reinhardt, Einführung vor c. 208, in: MK CIC (Stand: 6. Erg.-Lfg., Oktober 1987). 63  Darüber hinaus beinhaltet die Norm die Garantie, dass die Gläubigen Ver­ sammlungen abhalten können, um die vorher genannten Zwecke gemeinschaftlich zu verfolgen (vgl. c. 215 CIC). Dieses Recht muss an dieser Stelle nicht näher betrach­ tet werden, da der inhaltliche Schwerpunkt auf der Caritas liegt, die als Zweck be­ reits unter der Vereinigungsfreiheit untersucht worden ist. Entgegen der aufgrund der Infinitivkonstruktion naheliegenden Vermutung, dass die Versammlung der Vereini­



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greift den vom Konzil formulierten Gedanken des gemeinschaftlich ausge­ übten Apostolates auf, denn es sei ein menschliches (allgemeine Ausrichtung des Menschen auf Gemeinschaft) wie christliches (Berufung des Volkes Gottes) Bedürfnis, in Gemeinschaft tätig zu werden (vgl. AA 18,1). Gerade weil aber die Sendung zum Apostolat die Ursache der Gründung von Ver­ einigungen ist, sind diese an einen jeweiligen Zweck gebunden, der wiede­ rum nicht frei wählbar ist. Damit unterscheidet sich dieses Grundrecht der Gläubigen auch z. B. von dem Recht auf Vereinigungsfreiheit in der Erklä­ rung der Menschenrechte. Es ist kein Gut in sich, sondern muss entspre­ chend der Formulierung im Laiendekret verstanden werden: „Die Vereini­ gungen sind sich nicht selbst Zweck, sollen [!] vielmehr der Erfüllung der Sendung der Kirche an der Welt dienen“ (AA 19,2). Die Gesetzesnorm konkretisiert diese Ausrichtung, insofern es sich um Zwecke der Caritas, der Frömmigkeit oder der Förderung der christlichen Berufung in der Welt handelt. An diese Reihung anknüpfend sind in c. 298 § 1 CIC weitere Ziele aufzufinden, so „ein Leben höherer Vollkommenheit zu pflegen“, „den amt­ lichen Gottesdienst bzw. die christliche Lehre zu fördern oder andere Apo­ stolatswerke […] zu betreiben und die weltliche Ordnung mit christlichem Geist zu beleben“. Diese letztgenannte Norm eröffnet den Titel V im ersten Teil des zweiten Buches, der das Vereinigungsrecht der Gläubigen umfasst (cc. 298–329 CIC) und gehört damit zu den das Grundrecht in c. 215 CIC näher ausfüh­ renden Bestimmungen. Auch die Apostolatswerke werden spezifiziert, als dass darunter zu verstehen sind „Vorhaben zur Evangelisierung, Werke der Frömmigkeit oder der Caritas“ (c. 298 § 1 CIC). Die Normen bringen zu­ sammen drei Aspekte deutlich zum Tragen: so unterstreicht die Wiederho­ lung der Orientierung an und auf die opera caritatis vel pietatis deren Be­ deutung, zugleich benennt der c. 298 § 1 CIC ausdrücklich die Verbindung zum ursächlichen Apostolat und kennzeichnet den begrifflichen Zusammen­ hang zwischen Apostolatswerk und Werk der Caritas im Sinne des Verhält­ nisses von Ober- und Unterbegriff.64 In seinem Kommentar zu c. 215 CIC betont Heinrich J. F. Reinhardt, dass die Zielausrichtung der allgemeinen Versammlungsfreiheit zu unterscheiden sei von derjenigen, die Vereinigungen zukomme, die von der Kirche selbst gung nachfolgt, handelt es sich um zwei eigenständige Grundrechte. Zu diesem Urteil kommt Helmut Schnizer im Zuge der vergleichenden Beschäftigung mit den Formulierungen anlässlich des Projektes der Lex Ecclesiae Fundamentalis, für die der Canon zunächst vorgesehen war. Zudem könnten sich aus mehrmaligen Ver­ sammlungen durchaus auch Vereinigungen ergeben (vgl. Helmut Schnizer, Allgemei­ ne Fragen des kirchlichen Vereinsrechts, in: HdbkathKR, Regensburg 21999, 563– 578, 573). 64  Vgl. die Begriffsbestimmung unter B. II. 1. a) und e).

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

errichtet worden sind und damit im Namen der Kirche handeln.65 Letztere sieht er mit c. 301 § 1 CIC „in der Vermittlung der christlichen Lehre im Namen der Kirche“, „der Förderung des amtlichen Gottesdienstes“ oder in der Zuwendung zu anderen Zielen gegeben, „deren Verfolgung ihrer Natur nach der kirchlichen Autorität vorbehalten wird“. Die Frage dürfte hier sein, ob der Unterschied in der Zielausrichtung selbst liegt. Dies würde z. B. hinsichtlich der Caritas bedeuten, dass dieser Zweck entsprechend dem Normwortlaut nur der allgemeinen Vereinigungsfreiheit zukomme. Letztlich bringt Reinhardt den Unterscheidungsgrund selbst mit ein, der darin liegt – auch wieder am Beispiel der Caritas – ob sich der einzelne Gläubige, aufgrund seiner Sendung zum Apostolat, gemeinschaftlich an Werken der Caritas beteiligt und somit, mit Alfred Hierold gesprochen, kirchliche Cari­ tas ausübt66 oder, ob das kirchliche Amt eine Vereinigung zum Zweck der Caritas errichtet, die dann im Namen der Kirche Caritas ausübt. Des Weiteren bietet die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung des c. 301 § 1 CIC hinsichtlich der Ziele, „deren Verfolgung ihrer Natur nach der kirchlichen Autorität vorbehalten wird“ Raum für eine genauere Festle­ gung. Winfried Aymans versteht darunter Ziele, „die ihrer Natur nach zu ihrer Verwirklichung eines kirchenamtlichen Auftrages bedürfen“67. Aller­ dings könne die Kirche auch von sich aus solche Vereine amtlich errichten, „für deren Verfolgung ihrer Natur nach ein privater Verein genügen könnte“68. Interessant ist, dass er für diese Aussage auf das Beispiel der Caritas verweist. Dies stützt indirekt die oben getroffene Argumentation, dernach die kirchenamtliche Rückbindung der Ausübung und nicht der Zweck als solcher das Unterscheidungsmerkmal zwischen öffentlicher und privater Vereinigung ausmacht. Im Anschluss an die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit spricht der Gesetzgeber vom Recht der Gläubigen auf Unternehmungsfreiheit (c. 216 CIC). Dieses wird eingeleitet und zugleich rückgebunden an die allen christifideles teilhaftige Sendung im Apostolat. Ihnen kommt das Recht zu, apostolische Tätigkeiten zu initiieren und auch durchzuführen.69 Dem Be­ griff „inceptum“ (c. 216 CIC) ist keine Legaldefinition mitgegeben, was auch die Abgrenzung von „consociatio“ (c. 215 CIC) schwierig macht.70 65  Heinrich J. F. Reinhardt, zu c. 215, MK CIC (Stand: 6. Erg.-Lfg., Oktober 1987). 66  Dies kann auch im persönlichen, individuellen Tun geschehen. 67  Aymans-Mörsdorf, KanR II, 489. 68  Ebd., 490. 69  Winfried Aymans hebt diese Aussage besonders hervor, da es somit Gläubigen nicht nur zukommt, sich an Initiativen des geistlichen Amtes zu beteiligen, sondern auch, selbst welche zu begründen (vgl. ebd., 103). 70  Vgl. Schnizer, Allgemeine Fragen, 569.



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Dem Text nach ist er aber zumindest mit der apostolischen Tätigkeit zu identifizieren und zugleich weiter gefasst als eine Vereinigung, die bereits eine bestimmte Form bedingt. Unter Rückgriff auf cc. 215 und 298 § 1 CIC kann der Begriff der apostolischen Tätigkeit inhaltlich konkreter gefüllt werden. Des Weiteren ist noch auf c. 394 CIC zu verweisen, der u. a. die Aufgabe des Bischofs in der Förderung des Apostolats sieht.71 In der Ge­ samtbetrachtung der beiden Normen ist dem Urteil von Winfried Aymans zuzustimmen, dass eine vertauschte Reihenfolge der cc. 215 f. CIC aus systematischen Gründen zutreffender wäre, weil die Verfassungsform der Vereinigung konkreter ist, als die der Unternehmung.72 Neben diesen beiden Normen, die Rechte benennen, gibt es noch einen dritten Canon innerhalb dieses Laien und Kleriker umfassenden Katalogs, der eine Pflicht im Zusammenhang mit der Caritas normiert und zugleich eine sprachliche Schwierigkeit mit sich bringt. Die Kernaussage des c. 222 CIC liegt zunächst in der Bestimmung der Pflicht der Gläubigen, die Kirche finanziell zu unterstützen, damit sie über die notwendigen Mittel für die anstehenden Erfordernisse verfügt. Diese Verpflichtung der Gläubigen hat eine lange kirchengeschichtliche Tradition,73 da sich mit ihrer Entwicklung auch ein Bedarf an materiellen Mitteln ergab, sei es zur Unterstützung in Not geratener Gemeindemitglie­ der, sei es zur Finanzierung der Amtsträger, um nur die größten Bereiche zu nennen. Im CIC / 1917 wurde das Recht der Kirche auf eine finanzielle Unterstützung seitens der Gläubigen formuliert (c. 1496 CIC / 1917). Dies wurde in den CIC / 1983 übernommen (c. 1260 CIC), wo es als ein ius nativum charakterisiert und durch die dem Recht auf Seiten der Kirche ent­ sprechende Pflicht seitens der Gläubigen ergänzt wird (c. 222 § 1 CIC). Die 71  Vgl.

zu dieser Norm die weiteren Ausführungen unter C. II. 2. a) bb). Aymans-Mörsdorf, KanR II, 104. 73  Die folgende Aussage von Reinhardt ist allerdings zu pauschal formuliert: „Die in § 1 genannte Grundpflicht ist eine seit Bestehen der Kirche allen Kirchengliedern obliegende Verpflichtung“ (ders., zu c. 222, Rdnr. 1, in: MK CIC [Stand: 6. Erg.-Lfg., Oktober 1987]). Es gab gerade in der Urkirche, wie der biblische Befund gezeigt hat, ein allgemeines Bewusstsein der Gläubigen zur gegenseitigen Hilfe. Auch Paulus ar­ gumentierte nicht aufgrund einer Pflicht, sondern christologisch-theologisch. Nach Erwin Gatz kann davon ausgegangen werden, dass es zunächst „freiwillige Naturaloder Geldleistungen beim Gottesdienst“ gab. Allerdings zeuge bereits die Didache für Ansätze, die für eine Veränderung hin zu einer Pflichtabgabe sprechen. Ab dem frü­ hen Mittelalter sei dann der Zehnt belegt, welcher eine Abgabe vom Einkommen und dem landwirtschaftlichen Ertrag an die Kirche darstellte. Bis über das Mittelalter hin­ aus seien die Abgaben in den Pfarreien in Naturalien erfolgt, die sich vorher schon beigesellte zusätzliche Abgabe an Bischof und Papst sei hingegen seit dem späten Mittelalter in Bargeld vorgenommen worden (vgl. Erwin Gatz, Art.: Finanzwesen, kirchliches. I. Geschichte, in: LTHK3, Bd. 3, 1995, 1287 f.). 72  Vgl.

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

Normierung erfolgt unter Angabe der Begründung, wofür die Mittel benötigt werden: für den Gottesdienst, Werke des Apostolats und der Caritas; zudem sind sie erforderlich, um den in Dienst stehenden Personen einen angemes­ senen Lohn zu zahlen. Es sind klassische Aufgaben74, die zugleich auch recht unspezifisch sind.75 An dieser Stelle fällt auch die sprachliche und inhaltliche Schwierig­ keit auf. Denn die „opera apostolatus et caritatis“ sind gleichwertig neben­ einander gesetzt,76 während in den vorangegangenen Canones eine unterbzw. übergeordnete Beziehung ausgemacht worden war, wie sie auch der begrifflichen Analyse, bezogen auf eine Verwendung im Sinn der organi­ sierten Caritas, entspricht. Ein einheitlicher Gebrauch wäre gegeben, wenn entweder nur die opera apostolatus genannt worden wären – damit wäre ein möglichst weiter Bereich eingeschlossen – oder der Gesetzgeber hätte z. B. opera caritatis et pietatis gewählt – damit wäre der Rahmen jedoch etwas enger gesteckt. Die Grundpflichten des zweiten Paragraphen von c. 222 CIC versteht Helmuth Pree als „naturrecht­lich begründete, moralisch-rechtliche Grund­ pflichten jedes Menschen“77. Die Gläubigen sind dem Normtext entspre­ chend verpflichtet, die soziale Gerechtigkeit zu fördern, d. h. im Sinne von Gaudium et spes (Art. 29) gegen die verschiedenen Formen gesellschaftli­ cher oder kultureller Diskriminierung der Grundrechte der Person einzutre­ ten. Als zweites führt der Gesetzgeber die Verpflichtung eines jeden Chris­ ten zur Unterstützung der Armen noch einmal explizit vor Augen (vgl. GS 74  Vgl. Reinhardt, zu c. 222, Rdnr. 2, in: MK CIC (Stand: 6. Erg.-Lfg., Oktober 1987). 75  Dies ist aber durchaus sinnvoll, da die Norm primär die Pflicht als solche festhalten will und die angeführten Bereiche einen ersten Eindruck von der begrün­ deten Notwendigkeit vermitteln. Darüber hinaus werden bereits im CIC verschiede­ ne Arten genannt, wie die Gläubigen dieser Pflicht nachkommen: Gebühren für Akte der freiwilligen Rechtspflege und den Vollzug von Reskripten des Apostolischen Stuhls (c. 1264 n. 1 CIC), Stolgebühren anlässlich der Spendung von Sakramenten und Sakramentalien (c. 1264 n. 2 CIC), Steuern, die der Diözesanbischof öffent­ lichen juristischen Personen auferlegen kann (c. 1263 CIC) sowie sonstige außer­ ordentliche und maßvolle Abgaben, die allen natürlichen und juristischen Personen im Fall großen Notstandes auferlegt werden können (c. 1263 CIC). Im Übrigen ist auf die Partikulargesetzgebung zu verweisen (c. 1263 CIC), dernach verschiedene Systeme der Kirchenfinanzierung angewendet werden können (Kirchensteuer, Kir­ chenbeiträge, Spenden, Kollekten u. a.). 76  Gleichwohl kann eine inhaltliche Füllung der beiden Begriffe auch in dieser Weise vorgenommen werden. Vgl. dazu Aymans-Mörsdorf, KanR II, 113. Er weist dem Apostolat die Bildungseinrichtungen und der Caritas die Krankenpflegebereiche sowie die Katastrophenhilfe zu. Der Hinweis zur sprachlichen Verwendung ist je­ doch grundsätzlicher Art. 77  Pree, Caritas im CIC und CCEO, 122.



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42,2). Beide stellen ureigenste Verpflichtungen jedes einzelnen Christen dar, die daher nicht dem kirchlichen Amt überantwortet werden können.78 Da es sich gleichsam um allgemeine Bürgerpflichten handelt, soll noch einmal auf den Urgrund in der Sendung zum Apostolat aus Taufe und Firmung hinge­ wiesen werden. Zudem bildet das christliche Menschenbild einen weiteren zentralen Hintergrund für diese herausgestellte Verpflichtung. Auch hier beschränkt sich der Gesetzgeber auf die faktische Gebotsformulierung, ohne nähere Angaben zur Art und Weise der Ausfüllung dieses Auftrages zu machen. Demnach ist eine Vielzahl an Verwirklichungsformen denkbar und zulässig.79 Der Stellenwert der Verantwortung zur Unterstützung der Armen, die in c. 222 § 2 CIC als Aufgabe aller christifideles benannt ist, wird auch da­ durch unterstrichen, dass sie sich erneut als explizite Pflicht der Kleriker (c. 282 § 2 CIC), der Ordensmitglieder (c. 640 CIC), als auch der Pfarrer (cc. 528 § 1; 529 § 2 CIC) in den jeweiligen Abschnitten wiederfindet. bb) Caritas in der Verantwortung von Bischof und Pfarrer Im ersten Abschnitt der Untersuchung der einzelnen Gesetzesnormen des CIC  /  1983 stand der Abschnitt „De christifidelibus“ des Liber II. Daran schließt sich nun die Beschäftigung mit dem zweiten Teil über die „Hierar­ chische Verfassung der Kirche“ (cc. 330–572 CIC) an. Da die Untersuchung speziell die Verantwortung von Bischof und Pfarrer für die Caritas in den Blick nimmt, werden die beiden Belegstellen aus dem ersten Teil innerhalb der Ausbildung der Kleriker und deren Pflicht zur einfachen Lebensführung hier eingefügt. C. 245 CIC spricht in § 1 die geistliche Bildung der Alumnen an, deren Ziele in der „fruchtbringende[n] Ausübung des Hirtendienstes“ sowie in einem „missionarischen Geist“ gesehen werden. Grundlage dafür bildet ein Leben aus dem Glauben und der Caritas. Diese wird hier also neben dem Glauben erneut als Tugend verwendet und bringt in der inhaltlichen Aussa­ ge, wie auch schon in c. 206 § 1 CIC, eine Rückbindung und Grundlegung an die elementare Basis eines christlichen Lebens. 78  Vgl. Reinhardt, zu c. 222, Rdnr. 4, in: MK CIC (Stand: 6. Erg.-Lfg., Oktober 1987). 79  Vgl. Pree (Caritas im CIC und CCEO, 122) nennt verschiedene Möglichkei­ ten und weist zugleich bzgl. des Begriffs pauperes darauf hin, dass es sich dabei nicht nur um Arme im finanziellen Sinn, sondern einem ganzheitlichen Verständnis entsprechend, um „Umstände jedweder Art, die der Entfaltung der menschlichen Person und ihrer (auch endgültigen) Bestimmung hinderlich im Wege stehen“ (ebd.), handeln kann. 

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

Bilden diese göttlichen Tugenden den Verankerungsgrund für den pries­ terlichen Dienst, so weist der Canon im zweiten Teil darauf hin, dass ein Erlernen weiterer Tugenden, die das Zusammenleben mit Menschen gestal­ ten, notwendig und darauf zu achten ist, diese mit den erstgenannten in Einklang zu bringen.80 In § 2 steht die innere Verbundenheit der Alumnen mit Papst, Bischof und Presbyterium im Mittelpunkt. Auf diese soll auch die geistliche Ausbildung hinwirken. Die Formulierung der Norm lautet bzgl. des Papstes, dass die Seminaristen ihm in „humili et filiali caritate“ ergeben sein sollen. Wenn die Formulierung in § 1 sich im Rahmen der üblichen Verwendung der verschiedenen Tugenden bewegt, so ist diese Aussage für einen Gesetzes­ text, auch im kirchlichen Bereich, doch recht larmoyant. An den zu Beginn erwähnten und teilweise besprochenen Katalog der Rechte und Pflichten der Christgläubigen schließen sich zwei weitere Kata­ loge sowohl für die Laien (cc. 224–231 CIC) als auch für die Kleriker (cc. 273–289 CIC) an. Der bereits erwähnte c. 282 CIC steht demnach in­ nerhalb des letztgenannten Katalogs und enthält die Pflicht des Klerikers zur einfachen Lebensführung. Als Quellen für die Norm dienten das Priesterdekret des Zweiten Vatika­ nums (PO 17) sowie c. 1473 CIC  /  1917, der bereits im entsprechenden Abschnitt dieser Arbeit genannt wurde.81 In Art. 17 des Dekrets schildern die Konzilsväter mit eindringlichen Beschreibungen im Kontext einer geist­ lichen Lebensführung, wie das Leben eines Priesters hinsichtlich der mate­ riellen Güter im Idealbild gestaltet sein soll. Denn durch die bona temporalia sind gewisse Gefahren gegeben, die primär in oberflächlicher Betrieb­ samkeit und Veräußerlichung bestehen.82 Bereits das Konzil betont „mit besonderem Nachdruck“83 die Sendung und Verantwortung des Priesters für die Armen (vgl. PO 17, 3). Die materiellen Kirchengüter dürfen dement­ 80  Der Gesetzestext steht in Bezugnahme zum Dekret über die Priesterausbildung Optatam totius (OT 11,1) (in: AAS 58 (1966) 713–727; dt. Übers. in: LThK­VatII / 2, 314–355). Auch dort wird von Tugenden gesprochen, auf die die Menschen Wert legen. Das Schreiben der Sacra Congregatio Institutione catholica (Bildungskongre­ gation), Ratio fundamentalis institutionis sacerdotalis von 1970 bestimmt näher hin, wie diese Tugenden aussehen: ein wacher Sinn für Gerechtigkeit, gute Umgangsfor­ men, das Einhalten gegebenen Wortes, das mit Liebe verbundene und mit Beschei­ denheit zu führende Gespräch, das bereitwillige Dienen, Bereitschaft zu arbeiten, die Fähigkeit, mit anderen zusammenzuarbeiten etc. (vgl. ebd. Art. 51, in: AAS 62 (1970) 321–384). 81  Vgl. C. I. 2. 82  Vgl. Michael Schmaus, Kommentar zu den Artikeln 17–22 des Dekrets PO, in: LThKVatII / 3, 222–237, 222. 83  Ebd., 223.



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sprechend einzig für die Zwecke verwendet werden, aufgrund derer diese zeitlichen Güter überhaupt nur erworben werden dürfen: „für den rechten Vollzug des Gottesdienstes, für den angemessenen Lebensunterhalt des Kle­ rus und für die apostolischen und caritativen Werke, besonders für jene, die den Armen zugute kommen“ (ebd.). Die Priester sollen von ihren Einkünf­ ten zunächst den eigenen Unterhalt und sogenannte Standespflichten finan­ zieren, den Überschuss aber dem Wohl der Kirche oder opera caritatis zukommen lassen (vgl. ebd.). Diese Formulierung wurde vom Gesetzgeber fast wortwörtlich in c. 282 § 2 CIC übernommen.84 C. 1473 CIC / 1917 äu­ ßerte sich ähnlich, wenngleich diese Norm die Verwendung auf die Armen oder fromme Zwecke und somit konkreter zugeschnitten hatte. Insgesamt hält c. 282 CIC also zwei Verhaltensweisen, „das einfache Leben“ und „den rechten Umgang mit Gütern“, fest, an die sich alle Kleriker, Bischöfe, Pries­ ter sowie Ständige Diakone, zu halten haben. Der Umgang mit den Gütern stellt sich als Folge des geführten Lebenswandels dar. Wird die Perspektive nach diesen zwei Nachträgen aus dem ersten Teil des Liber II wieder auf dessen Teil II gerichtet, so kommt dort die Grund­ struktur der Kirche in ihrer hierarchischen Gliederung (vgl. LG 20a; 8a) in der Unterteilung in Sektion I „Die höchste Autorität der Kirche“ (cc. 330–367 CIC) und Sektion II „Teilkirchen und deren Verbände“ (cc. 368–572 CIC) voll zum Tragen. Ziel und Zweck der Hierarchie besteht in ihrer Dienstfunktion. Die kirchlichen Amtsträger sind zum Dienst am Volk Gottes bestellt (vgl. LG 18a).85 Dies veranschaulicht das Zusammen­ kommen der zwei Bilder des Leibes Christi und des Volkes Gottes. Die ekklesiologischen Bilder des Zweiten Vatikanischen Konzils schließen sich nicht aus, sondern stehen in Ergänzung zueinander, da keines allein fähig ist, die Kirche als Ganze zu erfassen und zu beschreiben. So finden sie sich auch in den Gesetzestexten teilweise verbunden wieder (vgl. c. 204 §§ 1 und 2 CIC). Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich im Zusammenhang mit dem Amt des Papstes keine Erwähnung der Caritas findet.86 Mit Blick auf 84  Beispielhaft und gleichzeitig konkretisierend erwähnt Aymans, dass im Vor­ dergrund für den Kleriker nicht „die Beglückung der eigenen Verwandtschaft“ ste­ hen solle. Die überschüssigen Güter seien den genannten Zwecken zuzuführen und in gleichem Maße testamentarisch zu regeln (vgl. Aymans-Mörsdorf, KanR II, 162). 85  Vgl. Oskar Stoffel, Einleitung vor c.  330, Rdnr. 2, in: MK CIC (Stand: 14. Erg.-Lfg., April 1991). 86  Dieser Befund verwundert auf der einen Seite, kann aber auf der anderen Seite mit dem Hinweis auf das Bischofsamt des Papstes erklärt werden, da schließ­ lich die näheren Ausführungen dazu auch auf ihn zutreffen und insofern dort die Caritas Erwähnung findet, dies auch auf ihn zu beziehen wäre. Des Weiteren kann auf c. 331 CIC verwiesen werden, der das Papstamt auch hinsichtlich seiner Voll­

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

die Teilkirchen finden sich sieben Stellen in Bezug auf den Bischof, die die Caritas bzw. das Apostolat erwähnen (cc. 383 §§ 3,4; 387; 394 §§ 1,2 CIC), sowie eine die Caritas erwähnende Norm, die sich an den Pfarrer richtet (c. 529 § 1 CIC). Wie wird der Begriff dort jeweils eingesetzt und welche Bedeutung wird der Caritas zugemessen? Die benannten Normen zum Bischofsamt sind alle dem Artikel 2 „De Episcopis Dioecesanis“ (cc. 381–402 CIC) innerhalb des Kapitels II „De Episcopis“ (cc. 375–411 CIC) entnommen. Georg Bier untergliedert den Artikel, der insgesamt einen Bogen vom Amtsantritt des Diözesanbischofs (c. 381 § 1 CIC) über dessen Aufgaben und Aufgabenbereiche bis hin zu seinem Amtsverzicht (cc. 401 f. CIC) zeichnet, in acht Abschnitte und ord­ net sie u. a. den drei munera zu bzw. sieht in den cc. 383–385 CIC allge­ meine Aspekte des diözesanbischöflichen munus pastorale gegeben.87 Der Kerngedanke des c. 383 CIC besteht in der Aussage, dass der Hirten­ dienst88, die pastorale Verantwortung des Bischofs, sich auf alle Personen erstreckt, die sich in seinem Bistum, seinem Zuständigkeitsbereich, aufhal­ ten. In der breiten Aufzählung an Zuständigkeit für ganz unterschiedliche Personen und deren Lebensumstände, denen sich der Bischof in je verschie­ dener Weise zuwenden soll, sieht Bier die Bedeutung des Canons, da die „Bandbreite bischöflicher Hirtenverantwortung eindrucksvoll illustriert“ machten charakterisiert. Die plena potestas „umgreift alles, was für die Sendung der Kirche, für das dreifache Amt des Lehrens, des Heiligens und des Leitens erforder­ lich ist“, sodass die Caritas dort subsumiert werden könnte (vgl. Hugo Schwendenwein, Der Papst, HdbkathKR, Regensburg 21999, 331–346, 333). 87  Vgl. Georg Bier, vor c. 381, Rdnr. 1 u. 3, in: MK CIC (Stand: 30. Erg.-Lfg., Dezember 1998). Bier kommt anhand seines Befundes zu dem Ergebnis, dass der Artikel insgesamt „etwas unausgewogen“ wirkt. Dies findet er in zwei Umständen widergespiegelt. Zum einen durch den unterschiedlichen Stellenwert der Nor­ men. Besonders cc. 386 und 387 CIC würden bereits an anderer Stelle im Codex „eingehend und detailliert geregelt“, zudem komme den cc. 383 ff. CIC eher der Charakter einer „pastoralen Mahnung“, denn der „einer Rechtsnorm“ zu. Daneben stehen entscheidende und unverzichtbare Normen wie cc. 388; 395–400 CIC. Die verschiedenen munera sind zum anderen in einer gänzlich unterschiedlichen Vertei­ lungszahl vorhanden, bei denen diejenigen zum Leitungsdienst eindeutig überwie­ gen. Heribert Schmitz wertet es im Gesamturteil positiv, dass „der neue ‚Bischofs­ spiegel‘ […] ‚pastoraler‘ [erscheint], als der des CIC von 1917“ (Heribert Schmitz, Der Diözesanbischof, in: HdbkathKR, Regensburg 21999, 425–442, 435). 88  Der Terminus „Hirtendienst“ (munus pastorale) greift das Bild des Bischofs, der zum Hirten bestellt ist und dem seine Teilkirche als Hirte anhängt, aus den cc. 369, 375 § 1 CIC auf. Bier gibt im Kommentar zu c. 381 CIC eine Art Defini­ tion zum Hirtendienst: „Ebenso wie die munera-Trias in 375 § 2 dient der Begriff ‚munus pastorale‘ in 381 dazu, die umfassende Hirtenverantwortung des Diözesan­ bischofs klarzustellen. Der Begriff ist mithin zusammenfassender Ausdruck für den gesamten Aufgabenbereich des Bischofs.“ (Vgl. Bier, ebd.)



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werde.89 Dazu gehören zunächst die Gläubigen in seiner Diözese (c. 383 § 1 CIC), dann aber auch Migranten und Menschen, die zur religiösen Praxis auf Abstand gegangen sind (§ 1), des Weiteren Gläubige eines anderen Ri­ tus (§ 2). Die Hirtensorge geht sogar soweit, dass sie Menschen zukommt, die nicht zur römisch-katholischen Kirche gehören, weil sie entweder einer anderen Konfession angehören, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche steht (c. 383 § 3 CIC) oder weil sie die Taufe nicht empfangen haben (c. 383 § 4 CIC). Der Text beinhaltet also eine fortschrei­ tende Öffnung nach außen.90 Inhaltlich ist der Fokus speziell auf die Erwähnung der Caritas in den Paragraphen drei und vier zu richten. Der Bischof soll denjenigen „Brüdern“91, die nicht in voller Gemeinschaft stehen, „Freundlichkeit und Caritas“ zukommen lassen. Besonders im Vergleich zu § 2, der eine deutlich formulierte Handlungsanweisung gibt, hinterlässt die Formulierung einen unkonkreteren Eindruck. Trotzdem ist die Charakterisierung der Norm von Bier als „nichtssagend“92 überzogen, weil der Hinweis auf die Tugend der Caritas an dieser Stelle u. a. die theologische Aussage in sich birgt, dass Caritas als Haltung über den Bruder und die Schwester im Glauben hinaus­ geht und auf alle Menschen gerichtet ist. Erstaunlicher ist der erste Begriff, ,humanitas‘, denn dieser Habitus soll­ te tatsächlich eine selbstverständliche Umgangsform in der Begegnung mit allen Menschen sein.93 Der Normtext erhält jedoch durch die Erklärung der Amtspflicht des Diözesanbischofs zur Förderung des Ökumenismus eine fassbarere Schlusswendung, die zudem in ihrer Bedeutung hoch anzusetzen ist, da sich im CIC, im Gegensatz zum CCEO, kein eigener Abschnitt zur Ökumene findet. 89  Georg Bier, zu c. 383, Rdnr. 2; in: MK CIC (Stand: 30. Erg.-Lfg., Dezember 1998). 90  Vgl. Aymans-Mörsdorf, KanR II, 344. 91  Das Fehlen der „Schwestern“ wird auch von Georg Bier thematisiert. Er sieht zwar dafür eine Begründung in der Übernahme der Wendung „fratres seiuncti“ aus dem Konzilstext (CD 16,6), die eine feststehende Bezeichnung darstelle und daher keine grundsätzlich geschlechtsspezifische Diskriminierung beinhalte. Allerdings ist ihm in der Forderung beizupflichten, dass dennoch „eine geschlechtsneutralere und deshalb exaktere Formulierung (etwa analog zu 205: baptizati) den Vorzug verdient“ (Georg Bier, zu c. 383, Rdnr. 8, in: MK CIC (Stand: 30. Erg.-Lfg., Dezember 1998). 92  Ebd. 93  So auch Georg Bier, der den Terminus mit „Menschlichkeit“ übersetzt. Denn wenngleich die aus dem Bischofsdekret Christus Dominus 16 entlehnte Aufforde­ rung in der Zeit des Konzils etwas Neuartiges gewesen sei, so solle sie dem christ­ lichen Selbstverständnis entsprechend allgemein das menschliche Miteinander prä­ gen (vgl. ebd., Rdnr. 9).

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

Es schließt sich in § 4 die Aussage über die Nichtgetauften an. Durch die Zuwendung seitens des Bischofs soll auch ihnen die „caritas Christi“ auf­ leuchten. Auch hier handelt es sich um eine fast bis in die Formulierung gleich lautende Aussage zum bereits genannten Konzilsdekret (vgl. PO 16,6). Bier hält es zwar für konsequent, auch diese Gruppe zu nennen, zu­ mal es dem Duktus des Konzilstextes folgt, zu dem die Norm insgesamt eine starke Bindung hat, aber im rechtstechnischen Sinne sei dies durchaus fragwürdig, da es sich inhaltlich wie sprachlich lediglich um eine „Empfeh­ lung oder Ermahnung an den Bischof“ handele.94 Tatsächlich ist die Wen­ dung, dass der Bischof sich die Nichtgetauften „anempfohlen“ sein lassen soll, äußerst unspezifisch. Sprachlich und inhaltlich unter dem Fokus dieser Arbeit zu berücksichtigen ist aber die Wortkombination hinsichtlich der Caritas, da sie die Tugend der Caritas wörtlich rückbindet an ihre Verwur­ zelung im Heilsgeschehen, in der wechselseitigen Bezogenheit von Gottesund Nächstenliebe. Unter der gleichen Perspektive ist dann der letzte Teil­ satz des Paragraphen bemerkenswert: „cuius testis coram omnibus Episcopus esse debet“ (§ 4). Es kann sich kaum des Eindrucks erwehrt werden, dass diese Aussage sowohl im Codex wie im Konzilsdokument, wo sie auch das Ende des Art. 16 PO bildet, nachklappend wirkt. Das mag auch der Grund sein, weswegen sie in den Kommentaren nicht hinterfragt wird. Ein diesbe­ züglicher Textvergleich zwischen PO und CIC ergibt einen Unterschied, was den Verpflichtungsgrad anbelangt. Das vom Gesetzgeber eingefügte „debet“ zieht einen hohen Verpflichtungsgrad nach sich. Die Botschaft ist, dass der Bischof Zeuge der Liebe Christi sein muss.95 Damit enthält der 94  Vgl.

ebd., Rdnr. 11. sei ergänzend auf die Übersetzungsschwierigkeiten zum Normtext des c. 383 § 4 CIC (c. 383 § 4 CIC) hingewiesen. Dieser lautet: „Commendatos sibi in Domino habeat non baptizatos, ut et ipsis caritas eluceat Christi, cuius testis coram omnibus Episcopus esse debet“. Die Schwierigkeit bezieht sich dabei genau genom­ men auf den letzten Halbsatz „cuius … debet“. Die von der DBK autorisierte Über­ setzung lautet: „damit auch ihnen [den Nichtgetauften] die Liebe Christi aufleuchte, dessen Zeuge vor allen der Bischof sein muß“. Georg Bier überträgt den Halbsatz im MK CIC mit: „dessen Zeuge vor allen der Bischof sein muß“. In sinngemäßer Übersetzung lautet er bei Winfried Aymans: „denen [den Nichtgetauften] vor allen der Bischof ein Zeuge der Liebe Christi zu sein hat“ (Aymans-Mörsdorf, KanR II, 345). Zur Variante von Aymans ist zu sagen, dass die Grammatik die Rückbindung des „cuius“ an die Nichtgetauften nicht ermöglicht. Schließlich entscheidet sich Hel­ muth Pree für folgende Variante: „deren Zeuge vor allem der Bischof sein muss“ (ders., Caritas im CIC und CCEO, 132). Nicht geklärt sind demnach zum einen die Bezugnahme des „cuius“, und zum anderen die inhaltliche Aussage von „coram omnibus“. Die erste Fragestellung ist aus syntaktischen Überlegungen im Sinne von Pree wiederzugeben, weil die Liebe Christi eine Begriffseinheit bildet. Hinsichtlich der zweiten Frage heißt diese konkret: Bezieht sich „coram omnibus“ auf Personen, vor denen der Bischof Zeuge sein muss oder ist es eine Vergleichsaussage in Bezug auf andere Felder der Zeugenschaft des Bischofs. Grammatikalisch ist es nicht ein­ 95  Es



II. Caritas im CIC / 1983141

genannte Teil der Norm einen fundamentalen Grundsatzcharakter, der an dieser Stelle vom Kontext her nicht richtig zur Geltung kommt und damit unbeabsichtigt übersehen werden kann. Der später in der Gesamtbetrach­ tung genauer zu analysierende Sachverhalt wird u. a. darin liegen, ob und inwiefern sich hier die grundlegende Verantwortung des Bischofs für die Caritas widerspiegelt. Doch zunächst werden die übrigen Verbindungen zwischen Caritas und Bischofsamt zu betrachten sein. Innerhalb der Gruppe von Normen zum Amt des Diözesanbischofs geben die cc. 387 ff. CIC Auskunft über die bischöflichen Aufgaben in Bezug auf das munus sanctificandi.96 Wie bereits bei dem vorangegangenen Canon bildet für c. 387 CIC das Priesterdekret die Quelle (vgl. PO 15). Die Norm benennt im ersten Haupt­ satz eine zweiseitige Bewegung, indem zum einen der Bischof ein Beispiel der Heiligkeit geben, und er zum anderen die Gläubigen im Streben nach Heiligkeit fördern soll. Dieser Pflicht des Bischofs entspricht die allgemeine Pflicht auf Seiten der christifideles, sich um die eigene Heiligkeit zu bemü­ hen (vgl. c. 210 CIC). In ihrem grundlegenden Charakter zeigt die Norm einen direkten Bezug zum Liber IV des Codex Iuris Canonici, das als Gan­ zes dem Heiligungsdienst gewidmet ist. Heiligkeit des Menschen ist dabei als „gnadenhafte Anteilhabe des Menschen an der Heiligkeit Gottes“97 zu verstehen. Diese Anteilhabe kann wiederum gefördert werden durch die Ausübung der Gottes- und Nächstenliebe. Der Bischof soll Vorbild sein und die Gläubigen durch sein eigenes Tun und Lebensbeispiel animieren, selbst nach Heiligkeit zu streben. Diese sieht der Gesetzgeber verkörpert in Cari­ tas, Demut und einem einfachen Leben. Caritas als Synonym der angewand­ ten Gottes- und Nächstenliebe steht dabei an erster Stelle Pate für ein die Heiligkeit steigerndes Leben.  Hinsichtlich des Bischofs ist schließlich noch der c. 394 CIC in den Blick zu nehmen. Er ist Teil der Normen, die Aussagen über das munus regendi des Bischofs treffen (cc. 391–400 CIC). Auch hier ist die inhaltliche und sprachliche Nähe zum Konzilstext augenscheinlich (vgl. PO  17), der deutig. Die Satzstruktur lässt jedoch folgenden Vorschlag als angemessen erschei­ nen: „deren (der Caritas Christi) Zeuge im Angesicht aller der Bischof sein muss“. Diese Übersetzung bringt die Bedeutung der oberhirtlichen Verantwortung für die Caritas durch ihren engen Bezug zur Ursprungsverankerung der Caritas im wechsel­ seitigen Bezug von Gottes- und Nächstenliebe deutlich zum Ausdruck. Zugleich ist ein Missverständnis in der deutschen Sprache vermieden, demnach das „vor“ eine Vorordnung des Bischofs vor anderen Menschen in der Zeugenschaft implizieren könnte. Dies schließt aber das lat. „coram“ nicht ein.  96  Vgl. Georg Bier, vor c. 381, Rdnr. 1, in: MK CIC (Stand: 30. Erg.-Lfg., De­ zember 1998). 97  Bier, zu c. 387, Rdnr. 3, in: ebd.

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

Schwerpunkt der Aussage liegt in beiden Fällen in der Verpflichtung des Bischofs zur Förderung des Apostolats. Dabei umfasst der Canon in seinen beiden Paragraphen jeweils eine zweiteilige Konkretisierung dieser allge­ meinen Ausrichtung. Während der erste Teil (§ 1) zwei eher formale Tätig­ keiten bestimmt, sind die Pflichten des § 2 stärker paränetisch ausgerichtet. Nach § 1 hat der Bischof die Pflicht, die in seiner Diözese ausgeübten Formen des Apostolats zu fördern, indem er, wie Georg Bier sagt, ein Kli­ ma schafft, das die Ausübung des Apostolats begünstigt; gleichzeitig soll der Bischof die bestehenden Apostolatswerke koordinieren, um unnötige Dopplungen oder gegenseitige Behinderungen zu vermeiden.98 Im zweiten Paragraphen wird die Verantwortung des Bischofs in Bezug gesetzt zu ver­ schiedenen Rechten und Pflichten der christifideles, so z. B. dem Recht, apostolische Unternehmungen zu initiieren (vgl. c. 216 CIC).99 In der Nach­ drücklichkeit, mit der der Gesetzgeber den Bischof anhält, diese Pflicht auszuüben („urgere“ und „adhortare“), wird auch noch einmal die Bedeu­ tung der Ausübung des Apostolats durch die Gläubigen unterstrichen. Die Norm hat ihren Bezug in CD 17, wo die Aspekte beider Paragraphen genannt werden. Zudem bilden die Ausführungen der Konzilsväter im De­ kret über das Apostolat den zugehörigen Hintergrund. Mit der Begrifflichkeit sind jedoch gewisse Schwierigkeiten verbunden. Es stellt sich zunächst die Frage, ob „rationes apostolatus“ bewusst unterschie­ den werden muss von „opera apostolatus“?100 Davon ist nicht auszugehen, denn es ist bereits angeklungen, dass gewisse Versäumnisse oder sogar Wi­ dersprüchlichkeiten in der Begriffsverwendung im Bereich Caritas und Apo­ stolat zu verzeichnen sind.101 Von daher kann an dieser Stelle angenommen werden, dass die Termini unspezifisch eingesetzt wurden. Die Norm selbst enthält seitens des Gesetzgebers keine weiterführende Erklärung oder einen Hinweis, wie und ob die Termini zu unterscheiden sind. Weitere Klärung verschaffen auch nicht die Konzilstexte zum Laienapostolat. Das dort ver­ fasste Kapitel „De variis apostolatus modis“ (AA 15–22) scheint diese For­ men zwar zunächst im einzeln geübten (AA 16 f.) und dann im gemeinschaft­ lich geübten Apostolat (AA 18–22) unterschieden zu sehen, aber spaltet dann die letzte Gruppe noch einmal in verschiedene Formen (AA 20).102 ähnlich Georg Bier, zu c. 394, Rdnr. 4, in: ebd. sind aber auch zu nennen die Pflicht, das Wachstum der Kirche zu fördern (c. 210 CIC) sowie das Recht und die Pflicht, die Heilsbotschaft zu verbrei­ ten (c. 211 CIC). Der letztgenannte Aspekt ist noch einmal im c. 225 CIC, im Ka­ talog der Pflichten und Rechte der Laien, normiert. 100  Vgl. auch c. 447 CIC: „per apostolatus formas et rationes“. 101  Vgl. c. 298 i. V. m. c. 222 § 1 CIC. 102  Vgl. Bier, zu c. 394, Rdnr. 3, in: ebd. 98  Vgl.

99  Daneben



II. Caritas im CIC / 1983143

Neben der Frage nach der Begriffsverwendung stellt sich auch noch die nach der Begriffsbedeutung von Apostolat selbst. Im ersten Kapitel dieser Arbeit wurde Apostolat als der in der Taufe gründende Auftrag verstanden, an der Ausbreitung des Reiches Gottes als Kern der kirchlichen Sendung mit­ zuarbeiten, sodass die Berufung zum Apostolat für die christliche Berufung an sich steht (vgl. AA 2). Bier sieht nun diese weite Begriffsbedeutung auch für c. 394 gegeben.103 Für diese Deutung spräche, dass der Bischof eine Ge­ samtverantwortung für die Diözese trägt. Eine Hinzunahme der für diese Norm zentralen und auch explizit wiedergegebenen Konzilsquelle Christus Dominus (Art. 17) zeigt, dass diese eine gewisse Einschränkung des Begriffs vornimmt. Es sollen die verschiedenen Formen des Apostolats gefördert wer­ den und unter der Leitung des Bischofs soll eine Abstimmung und innere Verbundenheit der Apostolatswerke erfolgen. An diese Bestimmung schließt sich eine kausale Folgerung an: „auf diese Weise werden alle katechetischen, missionarischen, caritativen, sozialen, familiären, schulischen Unternehmun­ gen und Einrichtungen und auch die, die einem a­ nderem pastoralen Zweck dienen, zu einer einheitlichen Aktion zusammen­gefasst“104 (CD 17,1). Die Vielzahl spricht dafür, dass es sich nicht um eine rein exemplarische Nen­ nung handelt, sondern dass das Konzil die Apostolatsformen bzw. -werke möglichst konkret umschreiben wollte. Hinzu kommt, dass es für eine Ver­ wendung des Apostolatsbegriffs in seiner weitesten Fassung genügt hätte, ihn als solches zu verwenden. Die Formulierung hätte danach heißen können: Der Bischof hat das Apostolat in seiner Diözese zu fördern.  Schließlich muss noch auf den Aspekt der Leitungsvollmacht eingegan­ gen werden, in deren Kontext die Norm steht. In § 2 heißt es bzgl. der Pflicht zur Koordination: „sub suo moderamine coordinentur“. Wie ist der Begriff „Leitung“ an dieser Stelle inhaltlich zu verstehen? Die von der Deutschen Bischofskonferenz autorisierte Übersetzung gibt ihn mit „unter seiner Leitung koordiniert“ wieder, während sich Georg Bier im Münsteri­ schen Kommentar für „unter seiner Lenkung koordiniert“ entscheidet. Zwar kann das Substantiv moderamen in der Bedeutung von „Leitung“ wie „Len­ kung“ wiedergegeben werden, da aber die Reformkommission, auf die sich 103  Vgl.

ebd., Rdnr. 2. dieser Aufzählung findet sich die inzwischen mehrmals besprochene Zuordnung der opera caritatis – in diesem Fall incepta caritatis – als Unterkatego­ rie der Apostolatswerke. Der lateinische Originaltext lautet: „Variae foveantur apostolatus rationes atque in universa dioecesi, vel in eiusdem peculiaribus regionibus, omnium operum apostolatus, sub moderamine Episcopi, coordinatio atque intima coniunctio, qua quidem omnia incepta atque instituta, catechetica, missionalia, caritativa, socialia, familiaria, scholastica atque quaelibet alia finem pastoralem persequentia, ad concordem redigantur actionem, qua simul clarius dioecesis unitas eluceat“. (CD 17,1) 104  Innerhalb

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

auch Bier bezieht, die ursprüngliche Variante „sub suo regimine“ durch die jetzige ersetzt hat,105 ist es konsequent, in der Übersetzung die schwächere Variante „Lenkung“ zu bevorzugen. Georg Bier sieht dies aber auch durch ein inhaltliches Argument gestützt, da es hier in erster Linie „um ein mo­ derierendes Handeln des Bischofs als desjenigen [geht], der aufgrund seiner Verantwortung für die gesamte Diözese und auch aufgrund seines Über­ blicks über die diözesane Situation dafür zuständig ist, die Werke des Apos­ tolats ordnend (co-ordinare!) miteinander zu vernetzen“106. Wie wirkt sich aber die Lenkung des Bischofs konkret aus, insbesondere in Bezug auf die ausgeübte Caritas in der Diözese? Heribert Hallermann will die Aussage unter dem Blickwinkel des Vereinigungsrechtes verstanden wissen.107 Die Verpflichtung des Diözesanbischofs stehe unter der Perspektive der Norm des c. 305 § 2 CIC, der zufolge dem Bischof eine allgemeine Aufsichts­ pflicht über diözesane und andere in der Diözese tätige Vereine zukomme. Sie umfasse „die Förderung der Communio, die Wahrung der kirchlichen Disziplin und die Förderung und Koordinierung der apostolischen Initiati­ ven innerhalb des jeweiligen Amtsbereichs“108. Dieser inhaltlichen Füllung entspreche wiederum c. 394 CIC. Zudem könne aus c. 305 § 2 ein „unmit­ telbares jurisdiktionelles Eingriffsrecht der kirchlichen Autorität […] eben­ sowenig abgeleitet werden wie ein Leitungsrecht“109. Das heißt im Umkehr­ schluss, dass der Bischof die Autonomie von privatrechtlichen Vereinigungen zu beachten habe.110 Hallermann bezieht seine Argumentation auch auf die caritativen Vereinigungen in der Diözese. Der umfassend gebrauchte Apos­ tolatsbegriff in c. 394 CIC lässt dies auch zu. Insofern es sich bei caritativen Vereinigungen um private Vereine handelt, gelten die genannten Bestim­ mungen. Hallermann geht dann aber von c. 301 § 2 CIC aus, demnach die kirchliche Autorität subsidiär in der Errichtung von Vereinen tätig werden könne, wenn das Erreichen eines bestimmten Zwecks nicht durch eine pri­ vate Vereinigung sichergestellt sei, und kommt zu folgendem Schluss: „Da die caritativen Zwecke von Rechts wegen aber allen Gläubigen aufgetragen und nicht ausschließlich der kirchlichen Autorität vorbehalten sind, genießen pri­ vate caritative Vereinigungen von Gläubigen in der Kirche im Sinne der Subsidi­ arität Vorrang vor öffentlichen Vereinen.“111

Diese Aussage beantwortet aber nicht die mit c. 301 § 2 CIC aufgewor­ fene Frage. Es handelt sich bei der Caritas nicht um irgendeinen Zweck 105  Vgl.

Communicationes XVIII (1986) 149. zu 394, Rdnr. 5, in: ebd. 107  Vgl. Hallermann, Strukturen kirchlicher Caritas im geltenden Recht, 448 f. 108  Ebd., 449. 109  Ebd. 110  Vgl. c. 321 CIC und die dazu gehörige Spezialnorm in c. 323 CIC. 111  Hallermann, Strukturen kirchlicher Caritas im geltenden Recht, 449. 106  Bier,



II. Caritas im CIC / 1983145

neben anderen, sondern um den zentralen Sendungsauftrag der Kirche neben Verkündigung und Liturgie. Daher ist sie grundsätzlich allen Gläubigen aufgegeben. Dies ist aber nicht hinreichend zur Verwirklichung des Sen­ dungsauftrages. Vielmehr muss aufgrund der Verfassungsstruktur der Kirche, ihrer hierarchischen Gliederung, eine wahrgenommene Verantwortung sei­ tens der Amtsträger, zuallererst der Bischöfe, hinzukommen. Beide Seiten können nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern müssen sich er­ gänzen.112 Unter dieser Perspektive ist es den Gläubigen unbenommen, private caritative Vereine zu gründen und zu leiten, aber diese Initiative muss von Seiten der kirchlichen Amtsträger aufgegriffen werden, sodass Caritas auch im Namen der Kirche ausgeübt wird. In den besprochenen Bestimmungen des CIC wird diese Verantwortung der kirchlichen Amtsträ­ ger nicht ausreichend deutlich, da sie nur Ansätze beinhalten.  Nach der Besprechung dieser Normbestimmungen zum Bischof wird nun das Amt des Pfarrers hinsichtlich seiner caritativen Ausprägung betrachtet. Im Gesetzbuch von 1917 bildeten die caritativen Aussagen innerhalb des Pfarreramtes einen Schwerpunkt der Erwähnung der Caritas. Der geltende CIC behandelt im zweiten Buch in den cc. 515–552 CIC Pfarreien, Pfarrer und Pfarrvikare. C. 519 CIC bildet darin eine Generalnorm, die den Pfarrer als pastor proprius der ihm anvertrauten Gemeinde definiert. In diesem Amt übt er unter der Autorität des Diözesanbischofs die Hirtensorge (cura pastoralis) aus, die die Dienste des Lehrens, Heiligens und Leitens umfasst.113 Die Norm steht im engen Zusammenhang mit c. 528 CIC, wo in § 1 der Dienst des Pfarrers am Wort und in § 2 sein Dienst an den Sakramenten in den Blick genommen wird. Im anschließenden c. 529 § 1 CIC werden eben­ falls verschiedene Aufgaben und Verpflichtungen des Pfarrers aufgezählt, die jedoch insgesamt stark pastoraler Natur sind. Als Quellen für c. 529 § 1 CIC dienten die cc. 467 § 1 und 468 § 1 CIC / 1917. Darüber hinaus behan­ delte das Konzil die Thematik im Priesterdekret Art. 6 und im Dekret über die Bischöfe Art. 30. In der Satzeinleitung des Canons wird der Gedanke der Hirtensorge (officium pastoris) des Pfarrers wieder aufgenommen und im Anschluss ausgeführt, wie diese im Bereich des Leitungsdienstes näher­ hin ausgestaltet ist und welche Aufgaben sie umfasst.114 Trotz der Vielzahl 112  Daher ist es unpassend, von einem „Vorrang“ (ebd.) der privaten vor den öffentlichen caritativen Vereinen zu sprechen. 113  Vgl. auch c. 515 § 1. Zur dortigen Legaldefinition einer Pfarrei gehört auch die Aussage, dass die Pfarrei „einem Pfarrer als ihrem eigenen Hirten anvertraut wird“. 114  Hinsichtlich der Systematik der cc. 528 f. CIC drängt sich die Frage auf, ob es nicht sinnvoll gewesen wäre, § 1 von c. 529 CIC als § 3 an c. 528 CIC anzufü­ gen. Die Aufgabe des Pfarrers, mit Blick auf die Pfarrei das Apostolat der Laien anzuerkennen und zu fördern, aber gleichzeitig auch darüber hinaus mit Blick auf

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

an Nennungen beansprucht der Gesetzestext weniger Vollständigkeit, denn vielmehr ein Zeugnis von der Fülle des Spektrums zu geben und zugleich die bedeutsamsten aufzuzählen. Der Gedanke, dass ein deutlicher Anklang zwischen dem Normtext und dem Eröffnungssatz der Pastoralkonstitution existiert, ist nicht von der Hand zu weisen, besonders weil die dortigen Stichwörter „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“ (GS 1) auch einen stellvertretenden Charakter besitzen.115 Sie versinnbildlichen die Notwen­ digkeit, dass der Pfarrer die Gesamtsituation der gläubigen Person wahrneh­ men muss und nicht ausschließlich deren religiöse Befindlichkeit.116 Wie bereits das frühere Gesetzbuch nimmt auch das geltende die beiden Gedan­ ken der Sorge des Pfarrers für Arme wie für Kranke und Sterbende auf. So soll er den erkrankten Gläubigen und in besonderer Weise den Sterbenden mit „effusa caritate“ zur Seite stehen (vgl. c. 529 § 1 CIC; c. 468 § 1 CIC / 1917). Die Caritas verwirklicht sich dahingehend auch in der Spen­ dung der Sterbesakramente von Krankensalbung, Buße und Viaticum.117 C. 427 § 1 CIC / 1917 sprach noch davon, dass der Pfarrer sich den „pauperes ac miseros“ mit väterlicher Caritas zuwenden solle. Dabei wurde die Pflicht der besonderen Sorge noch auf die Kinder ausgedehnt. Arme und Elende stehen für eine weitgefasste Gruppe an Personen, d. h. es handelt sich bei pauperes nicht nur um die finanziell Armen. Im CIC von 1983 hat sich diese Begriffsbedeutung verengt. Dies wird erkennbar an dem Um­ stand, dass eine Reihe an Personengruppen aufgezählt wird („pauperes, afflicti, solitarii, patria exsules“, c. 529 § 1 CIC), die unter dem früheren Oberbegriff „Arme“ subsumiert wurden.118 Demnach kann davon ausgegan­ gen werden, dass „pauperes“ im c. 529 § 1 primär die finanziell schlechter die Ebene der Diözese und Gesamtkirche, würde dann allein in c. 529 CIC ausge­ drückt. Dies hätte den konzeptionellen Vorteil, dass der Zusammenhang der drei Grundvollzüge kirchlichen Lebens auf der Ebene der Pfarrei in der Verantwortung des Pfarrers deutlicher zum Vorschein gekommen wäre. Schließlich sind in c. 529 § 1 CIC die Tätigkeiten innerhalb des Leitungsdienstes beschrieben, die innerhalb der Gliederung der Grundfunktionen dem Bereich der διακονία zuzuordnen sind. 115  Vgl. Reinhild Ahlers, zu c. 529, Rdnr. 3, in: MK CIC (Stand: 43.Erg.-Lfg. Ja­ nuar 2008). 116  Vgl. ebd. 117  Der Beistand besonders den Sterbenden gegenüber beinhaltet natürlich auch den Beistand in Form der Sakramente, aber der Canon lässt aufgrund seiner inhalt­ lichen Beschreibung des Dienstes des Pfarrers an seinen Gläubigen eine Zuspitzung wie: „Ihnen hat er in allen Nöten und Schwierigkeiten klug mit den Heilsmitteln von Wort und Sakrament beizustehen“ (Aymans-Mörsdorf, KanR II, 428, fasst darin § 1 zusammen) fragwürdig erscheinen. Nicht jede geforderte Handlung geht darin auf; vielmehr umfasst z. B. die Krankenseelsorge auch das Moment des Daseins oder Gesprächs, das nicht Wort und Sakrament aufgreifen oder dorthin führen muss. 118  Das Konzil hatte beide Gruppen zusammengenommen: „pauperes et infirmos paterna caritate prosequantur“ (CD 30, 7).



II. Caritas im CIC / 1983147

gestellten Menschen meint. Gleichwohl bleibt aber trotz bzw. wegen der differenzierteren Auflistung die Gruppe der „pauperes“ im umfassenderen Sinn der besonderen Sorge des Pfarrers anvertraut. cc) Caritas in der Verantwortung der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens Nachdem die ersten beiden Teile des Liber II zum Volk Gottes bereits auf ihre caritativen Beschreibungen und Aussagen hin untersucht wurden, wer­ den im Folgenden die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens im Mittelpunkt stehen.119 Der dritte Teil ist in die beiden Bereiche der Institute (Sektion I, cc. 573–730 CIC) und der Gesell­ schaften (Sektion II, cc. 731–746 CIC) untergliedert. Auf das Ganze gesehen handelt es sich beim Ordensrecht120 um ein Rahmenrecht, „innerhalb dessen dann die einzelnen Regeln, Konstitutionen und Statuten ihr Sonderrecht entfalten dürfen und sollen“121. Der Befund zu den verwendeten Begrifflichkeiten hat bereits gezeigt, dass dieser Teil des Liber II im Vergleich zu anderen beiden Teilen zahlen­ mäßig am häufigsten von der Caritas spricht.122 Es wird im Anschluss an 119  Die Gliederung des Liber II hat ein Missverständnis beseitigt, das dem frühe­ ren Gesetzbuch ob seiner Einteilung des zweiten Buches „De personis“ anhaftete. Dort folgten auf die Kleriker die Religiosen, danach wurden die Laien behandelt, sodass der Eindruck entstand, es handele sich um drei verschiedene Stände, wenn­ gleich c. 107 CIC / 1917 („Ex divina institutione sunt in Ecclesia clerici a laicis distincti, licet non omnes clerici sint divinae institutionis; utrique autem possunt esse religiosi.“) dem entgegenstand. Im CIC / 1983 verhindert also die Gliederung diesen Rückschluss, wie auch die grundlegende Aussage des c. 207 §§ 1,2 CIC. Vgl. auch LG 43, 2. 120  Die Wahl eines Oberbegriffs für diesen Rechtsbereich, den der Gesetzgeber in zwei Gruppen geteilt hat, ist umstritten und variiert primär zwischen den Begriffen „Ordensrecht“ und „kanonische Lebensverbände“. Rudolf Henseler verwendet im MK CIC die Redeweise vom Ordensrecht (vgl. die 3.–45. Erg.-Lfg., letzte: De­ zember 2009). Winfried Aymans begründet seine Entscheidung für „kanonische Le­ bensverbände“ wie folgt: „Allen Verbänden ist nicht nur gemeinsam, daß die Mit­ gliedschaft in ihnen auf lebenslange Dauer angelegt ist. Vielmehr unterstellen die Mitglieder ihr Leben der vom jeweiligen Verband vorgesehenen, kanonisch sanktio­ nierten und am Evangelium orientierten Lebensform.“ (Aymans-Mörsdorf, KanR II, 541.) Er hält „Orden“ für unpassend, da dieser sich nicht auf die Säkularinstitute sowie die Gesellschaften apostolischen Lebens anwenden ließe (vgl. ebd.). 121  Henseler, Einleitung vor c. 573, in: MK CIC (Stand: 3. Erg.-Lfg., Mai 1986). Dieses umfasst Normen „für die Organisation der klösterlichen Verbände nach innen und nach außen, für das Verhalten der Mitglieder und die Rechtsbefugnisse der In­ stitute und ihrer Mitglieder“ (ebd.). 122  Zwölf Erwähnungen, im Vergleich zu jeweils acht in den anderen beiden ­Teilen.

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

die genauere Betrachtung der einzelnen Stellen zu bewerten sein, ob sich darin der vermeintlich besondere Bezug der Orden zur Caritas widerspiegelt oder ob dies Ausdruck des Umstandes ist, dass dieser Rechtsbereich „wie kein anderer Teil des neuen Gesetzbuches einer gewissen unjuridischen frommen Versuchung“ unterliegt.123 Der erste Titel der ersten Sektion enthält ordensrechtliche Grundnormen (cc. 573–606 CIC), die in c. 573 CIC mit einer Definition des geweihten Lebens eröffnet werden. Diese Begriffsbestimmung kennzeichnet also zu­ gleich die Gemeinsamkeit zwischen Religiosen- und Säkularinstituten. Die beinhaltete Rechtsaussage muss allerdings nach Rudolf Henseler erst frei­ gelegt werden.124 Tatsächlich ist es schwierig, den inhaltlichen Kern der Norm auszumachen, dies liegt aber primär an der Satzstruktur125 und nicht 123  So Rudolf Henseler, Einleitung vor c. 573, Rdnr. 3, in: MK CIC (Stand: 3. Erg.-Lfg., Mai 1986); auch ders., Der zu erwartende neue Codex – Streiflichter, in: Theologie der Gegenwart 25 (1982) 183–190. 124  Vgl. Henseler, zu c. 573, Rdnr. 1, in: MK CIC (Stand: 2. Erg.-Lfg., Januar 1986). 125  Dies verdeutlicht eine Wiedergabe der lateinischen Struktur in der deutschen Übersetzung durch mehrere Sätze. Dazu zunächst das lateinische Original: c. 573 § 1 CIC: „Vita consecrata per consiliorum evangelicorum professionem est stabilis vivendi forma qua fideles, Christum sub actione Spiritus Sancti pressius sequentes, Deo summe dilecto totaliter dedicantur, ut, in Eius honorem atque Ecclesiae aedificationem mundique salutem novo et peculiari titulo dediti, caritatis perfectionem in servitio Regni Dei consequantur et, praeclarum in Ecclesia signum effecti, caelestem gloriam praenuntient.“ c. 573 § 2: „Quam vivendi formam in institutis vitae consecratae, a competenti Ecclesiae auctoritate canonice erectis, libere assumunt christifideles, qui per vota aut alia sacra ligamina iuxta proprias institutorum leges, consilia evangelica castitatis, paupertatis et oboedientiae profitentur et per caritatem, ad quam ducunt, Ecclesiae eiusque mysterio speciali modo coniunguntur.“ Veränderte Satzstruktur in der deutschen Übersetzung: c. 573 § 1 CIC: Das durch die Profess der evangelischen Räte geweihte Leben besteht in einer auf Dauer an­ gelegten Lebensweise. In dieser geben sich Gläubige unter der Leitung des Heiligen Geistes in besonders enger Nachfolge Christi, Gott, dem höchstgeliebten, gänzlich hin. Gleichzeitig gehen sie durch diese Lebensweise zur Verherrlichung Gottes wie auch zur Auferbauung der Kirche und zum Heil der Welt eine neue und besondere Bindung ein, um im Dienste am Reich Gottes zur Vollkommenheit in der caritas zu gelangen und, ein strahlendes Zeichen in der Kirche geworden, die himmlische Herrlichkeit anzukündigen.  Ähnlich § 2: Diese Lebensweise, in von der zuständigen Autorität der Kirche kanonisch errichteten Instituten des geweihten Lebens, übernehmen Gläubige in frei­ er Entscheidung. Die Gläubigen bekennen sich nach den eigenen Satzungen der Institute durch Gelübde oder andere heilige Bindungen zu den evangelischen Räten der Keuschheit, der Armut und des Gehorsam und verbinden sich durch die caritas, zu der diese Räte hinführen, in besonderer Weise mit der Kirche und deren Heils­ werk.



II. Caritas im CIC / 1983149

ursächlich an einer theologischen Überfrachtung.126 Zusammengefasst han­ delt es sich um drei rechtliche Aussagen: die Bindung impliziert eine dau­ erhafte Lebensform in den Instituten des geweihten Lebens, die Errichtung der Institute erfolgt durch die kirchliche Autorität und schließlich wird die Lebensform selbst durch die aus freier Entscheidung gesprochenen Gelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams oder andere heilige Bindun­ gen angenommen.  In beiden Paragraphen wird auch der Terminus Caritas verwendet und zwar jeweils im Sinn der Tugend. In § 1 wird damit die theologische Zweckausrichtung der persönlichen Übereignung an Gott beschrieben. So werden die Gläubigen letztlich geweiht, um im Dienst am Reich Gottes zur Vollkommenheit in der Caritas zu gelangen. Dahinter steht die Vorstellung, ganz in die innere Struktur der Gottes- und Nächstenliebe in ihrer wechsel­ seitigen Verbundenheit einzutauchen. Sowohl die Kirchenkonstitution als auch das Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens127 spre­ chen von dem Streben nach Vollkommenheit in der Caritas auf dem Weg der evangelischen Räte. Caritas wird dabei in einschlägiger Weise rückge­ bunden an ihren Ursprung in der Lehre und dem Leben Jesu Christi (vgl. LG 43,1; PC 1,1). Dies führt wiederum dazu, dass die Gläubigen zu einem erkennbaren Zeichen der Kirche werden, die immer schon über diese Welt hinausweist. Der zweite Paragraph greift diesen Schlussgedanken im Prinzip einer Zielausrichtung, auf die diese Lebensform hin orientiert ist, wieder auf. Denn die Gläubigen verbinden sich durch diese Lebensweise auf besondere Art mit der Kirche und deren Heilswerk. Der Zielpunkt selbst wird erreicht mithilfe der Caritas, zu welcher die Evangelischen Räte den Weg weisen (vgl. LG 44, 2). Innerhalb dieser Grundregelungen wird die Caritas noch einmal in c. 602 CIC erwähnt. Die Norm handelt vom gemeinschaftlichen Leben, als Cha­ rakteristikum eines Instituts128 und beschreibt gleichzeitig die Ausrichtung, auf die hin das gemeinsame Leben geordnet werden soll, nämlich zum einen die gegenseitige Hilfe, zum anderen die Erfüllung der persönlichen Beru­ fung. Ein drittes Element, das diese innere Bezogenheit auf die Außenwelt weitet, kommt hinzu, insofern die Gemeinschaft „in caritate radicata et 126  Gegen

1986).

Henseler, zu c. 373, Rdnr. 1, in: MK CIC (Stand: 2. Erg.-Lfg., Januar

127  Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae Caritatis (PC), in: AAS 58 (1966) 702–712, dt. Übers. in: LThKVatII / 2, 266–307. 128  Dieses Merkmal ist aber in erster Linie den Religioseninstituten und den Ge­ sellschaften des apostolischen Lebens (vgl. c. 732 CIC) eigen. Den Säkularinstituten ist dies zunächst nicht eigen.

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

fundata“ ein Beispiel gibt für die universelle Versöhnung in Christus. Auch hier wird demnach die Erreichung des Zweckes an das Erfüllen der Caritas, als Praxis der Gottes- und Nächstenliebe, rückgebunden. Den Regelungen auf gemeinsamer Basis folgt der Titel II „De institutis religiosis“ (cc. 607–709 CIC), der fünf Nennungen der Caritas aufweist und damit knapp die Hälfte des Begriffsbefundes dieses drittes Teils des Liber II. Zunächst folgt in c. 607 CIC die normative Grundaussage als allgemeiner Einleitungscanon zu den Religioseninstituten, indem § 1 eine Definition der vita religiosa geben will. Diese hält Henseler jedoch für eine inhaltliche Wiederholung des oben behandelten c. 573 CIC, zumindest in Bezug auf § 1 und die Aussagen dort zur Ganzhingabe und Zeichenhaftigkeit.129 Auch der Gedanke der vollkommenen Caritas wird im Kontext der Zeichenhaftigkeit implizit wieder aufgenommen, denn in der völligen Hingabe des religiosus an Gott wird sein Leben zu einem Opfer, „quo tota ipsius existentia fit continuus Dei cultus in caritate“ (c. 607 § 1 CIC). Der erste von drei Artikeln des Kapitels II, welches der Leitung der Ins­ titute gewidmet ist, umfasst Normen, die sich mit den Oberen und den Räten der Religioseninstitute befassen (cc. 617–630 CIC). Die Visitation durch den klösterlichen Oberen sowie durch den Diözesanbischof ist das Thema von c. 628 CIC, zudem enthält § 3 einen Perspektivenwechsel, in­ dem er von den Visitierten selbst spricht. Diese sollen bei der Befragung „secundum veritatem in caritate“ (c. 628 § 3 CIC) antworten.130 Sie sind folglich aufgerufen, nichts zu verheimlichen, die Wahrheit zu sagen, aber auch im Wohlwollen zu sprechen, dies schließt üble Nachrede oder Gerüch­ te aus. Winfried Aymans verweist diesbezüglich zusätzlich auf die Gerech­ tigkeit, an der sich der / die Befragte orientieren möge.131 Es ist also zu vermeiden, in eines der beiden Extreme zu verfallen, d. h. im Sinne einer falsch verstandenen Caritas alles schön zu reden oder diese überhaupt nicht zu berücksichtigen. Dieser Pflicht entspricht das Verbot auf Seiten der Vor­ gesetzten, durch Einschüchterung oder bewusste Einschränkung der Aussage das Mitglied von seiner Pflicht abzuhalten (vgl. c. 628 § 3 2. HS).132 129  Rudolf Henseler, zu c. 607, Rdnr. 1, in: MK CIC (2. Erg.-Lfg., Januar 1986). Daher hätte man ihn sich c. 607 § 1 CIC auch „sparen können“ (ebd.). Er verweist dabei auf die Untersuchung von Domingo J. Andrés, Innovationes in Parte III libri II novi Codicis, quae est De institutis vitae consecratae et de societatibus vitae apostolicae, in: CpR 64 (1983) 5–72. Ähnlich Aymans, aber nicht wertend, sondern schlicht festhaltend, dass die Beschreibung die vita religiosa inhaltlich nicht über die vita consecrata (c. 573 § 1 CIC) hinausgeht (vgl. Aymans-Mörsdorf, KanR II, 618 f.). 130  Die Quellen zu dieser Norm im CIC / 1917 enthielten den Zusatz „in caritate“ noch nicht (vgl. cc. 511; 512 §§ 1–2; 513 § 1 CIC / 1917). 131  Vgl. Aymans-Mörsdorf, KanR II, 650.



II. Caritas im CIC / 1983151

Der Sachverhalt der Visitation wird in c. 683 CIC noch einmal aufgenom­ men, und zwar hinsicht­lich des Diözesanbischofs. Grundsätzlich leitet sich dieses Recht des Bischofs von der Bestimmung ab, dass die religiosi seiner Leitungsvollmacht hinsichtlich der Seelsorge, des öffentlichen Gottesdienstes und der übrigen Apostolatswerke (vgl. c. 678 § 1 CIC) unterstehen.133 C. 628 § 2 wurde bereits angesprochen, in dem das Visitationsrecht und korrespon­ dierend dazu die Visitationspflicht des Diözesanbischofs betreffend den recht­ lich selbständigen Klöstern nach c. 615 CIC sowie bzgl. einzelnen Niederlas­ sungen eines Instituts diözesanen Rechts normiert wird. Dieses Recht er­ streckt sich auch auf die klösterliche Disziplin. C. 683 CIC ist eine Spezial­ norm zu c. 397 § 2, dernach der Diözesanbischof Klöster päpstlichen Rechts und ihre Niederlassungen nur visitieren kann unter den im CIC genannten Bedingungen. Darunter fallen nach c. 683 CIC öffentliche Kirchen und Ka­ pellen, Schulen134, religiöse und caritative Werke geistlicher oder zeitlicher Art. Es handelt sich also um alle Einrichtungen, die nicht verbandsintern, sondern in das öffentliche Leben der Diözese hineinwirken.135 In diesen Fäl­ len besitzt der Diözesanbischof die Pflicht und das Recht zur Visitation. 132

Dieses Kapitel über die Leitung der Institute enthält eine, den Artikel 3 über Vermögen und Vermögensverwaltung (cc. 634–640 CIC) beschließende sozialcaritative Norm (c. 640 CIC), die zusammen mit cc. 634 § 2 und 635 § 2 CIC eine Rahmung um den Artikel bildet.136 Auf den ersten Blick erscheint das Thema der Norm, das kollektive Zeug­ nis der Caritas und Armut, angesichts des Armutsgelübdes fremd. Jedoch wird das Gelübde vom Mitglied abgelegt und betrifft daher nicht die Institute als solche. Diese sind entsprechend c. 116 § 1 CIC öffentliche juristische Per­ sonen, sodass ihnen unter Anwendung von c. 1255 CIC das Recht zukommt, „Vermögen zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern“ (vgl. 132  Henseler weist darauf hin, dass c. 2413 CIC  / 1917 noch das ausdrückliche Verbot mit Strafandrohung gegenüber Oberinnen kannte, die die Visitation durch Verlegung von Schwestern oder erteiltes Redeverbot beeinflussen wollten. Nach c. 6 § 2 CIC darf dieser Sachverhalt im c. 628 CIC als mit eingeschlossen gelten. Vgl. Henseler, zu c. 628, Rdnr. 4, in: MK CIC (Stand: 2. Erg.-Lfg., Januar 1986); vgl. auch Aymans-Mörsdorf, KanR II, 650. 133  Diese Gesetzesnorm ist Teil des Kapitels V, welches sich dem Apostolat der Institute widmet (cc. 673–683 CIC). Der Apostolatsbegriff in diesem Abschnitt des Codex ist in seiner weiten Fassung verwendet, dies zeigt sich insbesondere in der einleitenden Grundnorm, dernach das Leben nach den evangelischen Räten, d. h. das geweihte Leben, bereits selbst Apostolat ist (vgl. c. 673 CIC). 134  Ausgenommen sind solche Schulen, die ausschließlich der Ausbildung des Klosternachwuchses dienen. 135  Vgl. Aymans-Mörsdorf, KanR II, 703. 136  Vgl. Rudolf Henseler, zu c. 640, Rdnr. 1, in: MK CIC (Stand: 36. Erg.-Lfg., Dezember 2002).

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

auch c. 634 § 1 CIC). Dies zieht die Notwendigkeit von vermögensrechtli­ chen Regelungen nach sich, die sich zum einen auf das Institut und seine Teile, und zum anderen auf die einzelnen Mitglieder beziehen müssen. Letz­ tere haben die Verpflichtung, vor dem Ablegen der ersten Profess die Verwal­ tung ihres Vermögens an eine Person ihrer Wahl abzugeben (vgl. c. 668 § 1 CIC), aber was das Mitglied „durch eigenen Einsatz oder im Hinblick auf das Institut erwirbt, erwirbt [es] für das Institut“ (c. 668 § 3 CIC). Die Feststellung der Vermögensfähigkeit wird in § 2 ergänzt durch den ermahnenden Appell, dass „jedwede Art von Luxus, von unmäßigem Ge­ winn und von Güteranhäufung zu vermeiden“ ist. In ähnlichem Stil weist auch c. 635 § 2 CIC einen adhortativen Einschub auf, indem darauf auf­ merksam gemacht wird, dass die Institute zusätzlich zu den Vermögensre­ gelungen nach Liber V, die den grundsätzlichen Rahmen vorgeben, eigene Normen erlassen sollen über Gebrauch und Verwaltung des Vermögens. Dieses Eigenrecht soll dem Zweck dienen, die Armut des Instituts zu för­ dern, zu verteidigen und auszudrücken (vgl. c. 635 § 2 CIC). In diesen Kontext gehört schließlich auch der den Artikel beschließende c. 640 CIC.137 Wie bereits § 2 des c. 345 CIC handelt es sich um eine Über­ nahme der Aussage aus dem Dekret über das Ordensleben, welches das Recht auf Besitz zwar bestätigt, um den Lebensbedarf und zu leistende Arbeiten zu sichern, aber Luxus, ungeordnetes Gewinnstreben und Güteran­ häufung als zu vermeiden deklariert (vgl. PC 14, 6). Der Norm entsprechend sind ein „testimonium caritatis et paupertatis“ die Basis für jede Art von Vermögenserwerb, -verwaltung und -verwendung innerhalb eines Religio­ seninstituts. Die Mitglieder sollen dieses Zeugnis der Caritas und Armut durch ihre Lebensweise nicht nur für sich selbst, sondern als kollektives Beispiel nach außen hin vertreten.138 Die Hinzunahme der Caritas zur Ar­ mut wäre nicht zwingend gewesen, zumal sie auch im angeführten Konzils­ text nicht erwähnt wird. Ein Zusammenhang kann aber geschlussfolgert werden aufgrund der besprochenen Aussage, dass die Armut, wie die evan­ gelischen Räte insgesamt, zur Caritas (c. 573 § 2 CIC) und darüber hinaus zur Vollkommenheit in der Caritas (c. 573 § 1 CIC) hinführen.  Henseler sieht zwar einen inhaltlichen Unterschied, insofern die beiden Aussagen zu Beginn des Artikels die „aszetische Seite der Armut“ einbrin­ 137  C. 640 CIC: „Die Institute sollen sich bemühen, entsprechend den jeweiligen örtlichen Verhältnissen ein gleichsam kollektives Zeugnis der Liebe und der Armut abzulegen, und sollen nach Kräften aus dem eigenen Vermögen etwas beitragen für die Erfordernisse der Kirche und den Unterhalt der Bedürftigen.“ 138  Vgl. Aymans-Mörsdorf, KanR II, 616. Er verweist darauf, dass es keine ent­ sprechende Norm für die Säkularinstitute und Gesellschaften des apostolischen Le­ bens gibt. „Der moralische Appell muß jedoch als an diese in gleicher Weise gerich­ tet gelten“ (ebd.).



II. Caritas im CIC / 1983153

gen, während c. 640 CIC „sozialcaritativ“ normiert, aber er bemängelt, dass es zu einer Streuung dieser „spirituellen Rahmenbedingungen“ gekommen ist.139 Tatsächlich hätten beide Aspekte der Armut innerhalb eines einzigen Canons dem Artikel vorange­stellt werden können, als leitende Perspektive, unter der die übrigen Regelungen anzuwenden sind. Das sich anschließende Kapitel VI thematisiert die Trennung der Mitglie­ der vom Institut (cc. 684–704 CIC). Es wird unterschieden zwischen dem Übertritt (cc. 684 ff. CIC), dem Austritt (cc. 686–693 CIC) und der Entlas­ sung (cc. 694–704 CIC). Dabei ist der letzte Punkt bezogen auf die Entlas­ sung von Mitgliedern, die zeitliche oder ewige Professen abgelegt haben.140 C. 702 CIC regelt die finanziellen Aspekte des Austritts bzw. der Entlassung, insofern die betreffenden Personen keinen Anspruch auf finanzielle Rücker­ stattung für geleistete Arbeit geltend machen können. Aus der Perspektive des Instituts besteht umgekehrt nicht die Möglichkeit, entrichtete Unter­ haltszahlungen zurückzufordern.141 Den Hintergrund bildet die durch die Exkorporation vollzogene Aufhebung des geschlossenen beiderseitigen Vertrages, also das Gegenstück zur Inkorporation. Die Wirkung dieses Rechtsaktes besteht im Erlöschen der Gelübde, aber gleichzeitig auch aller Rechte und Pflichten, die ihren Ursprung in der Profess genommen haben (vgl. c. 701 CIC). Rechtlich existiert also kein Anspruch auf Entschädigung. Der zweite Paragraph des c. 702 CIC appelliert an die Institute, gegenüber den ausgeschiedenen Mitgliedern „aequitatem et evangelicam caritatem“ walten zu lassen. Die Billigkeit und evangelische Caritas sind in ihrer Aus­ richtung auf das Wohlergehen des ausgeschiedenen Mitgliedes zu verstehen, denn eine finanzielle Notsituation bis hin zur Existenzgefährdung kann sich beim Austritt bzw. der Entlassung aufgrund der vorher bestandenen Umstän­ de zeitnah ergeben. In Anwendung dieser Adhortatio sind auch noch einmal die freiwillig gewährten Übergangshilfen von den teilweise staatlich inzwi­ schen vorgeschriebenen Ausgleichszahlungen, was vor allem die Rentenan­ sprüche anbelangt, zu unterscheiden.142 Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass aus dieser Mahnung jedoch kein Rechtsanspruch abgeleitet werden 139  Vgl. Henseler, zu c. 640, Rdnr. 1, in: MK CIC (Stand: 36. Erg.-Lfg., Dezem­ ber 2002). Besonders hinsichtlich c. 635 § 2 gibt er zu bedenken, dass dieser nicht nur die Aussage von c. 634 § 2 CIC wiederhole, sondern auch systematisch nicht passe, da § 1 ein stark juristisch-technischer Charakter eigen sei (vgl. ders., zu c. 635, Rdnr. 2, in: MK CIC (Stand: 44. Erg.-Lfg., Februar 2009). 140  Vgl. Rudolf Henseler / Dominicus M. Meier, Einführung vor c. 694, Rdnr. 1, in: MK CIC (Stand: 44. Erg.-Lfg, Februar 2009). 141  Vgl. Aymans-Mörsdorf, KanR II, 722. Auch Dominicus M. Meier, zu c. 702, Rdnr. 1, in: MK CIC (Stand: 42. Erg.-Lfg., April 2007). 142  Zu den Regelungen in Deutschland und Österreich vgl. die ausführlichen An­ gaben bei Meier, ebd. Rdnr. 2.

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

kann.143 Wie kann nun aber die gewährte Billigkeit praktisch aussehen? Meier hält es beispielsweise für angemessen, alternativ eine einmalige Übergangshilfe, eine zeitlich befristete Unterhaltszahlung oder eine Übertra­ gung einer vom Institut abgeschlossenen Lebensversicherung zu gewähren.144 143

Im Überblick zur Gliederung des dritten Teils des Liber II wurde bereits aufgezeigt, dass die Säkularinstitute zur ersten Sektion gezählt werden und dort nach den gemeinsamen Regelungen sowie den Normen für die Religi­ oseninstitute in einem eigenen Titel besprochen werden (cc.  710–730 CIC).145 Die ersten vier Normen des Titels beinhalten Grundaussagen über die Säkularinstitute wie Definition, Mittel und Ziel. Die wesentlichen Mo­ mente eines Säkularinstituts bestehen nach c. 710 CIC darin, dass seine Mitglieder ein geweihtes, also ein Leben nach den evangelischen Räten führen und dies in der Welt tun, d. h. nicht in einer Trennung von der Welt wie in den Religioseninstituten (vgl. c. 607 § 3). Zwei weitere prägende Elemente kommen hinzu: das Apostolat und die Bindung an eine Gemein­ schaft.146 In ihrer Zielperspektive sind die Säkularinstitute auf ein Streben 143  So Meier, zu c. 702, Rdnr. 3, in: MK CIC (Stand: 42. Erg.-Lfg., April 2007), auch Aymans-Mörsdorf, KanR II, 721. Anderslautende Meinungen dazu sind singu­ lär (vgl. Paul Zepp, Überblick über das neue Ordensrecht des CIC 1983, in: Verbum SVD 24 (1983) 141–161). 144  Vgl. Meier, zu c. 702, Rdnr. 4, in: MK CIC (Stand: 42. Erg.-Lfg., April 2007). 145  Auf die an dieser Gliederung geäußerte Kritik wurde bereits oben eingegangen. 146  Zur Anzahl der Wesenselemente der Säkularinstitute existiert eine Kontrover­ se. Dabei geht es zumeist um die Einschätzung der Bedeutung der vier Aspekte Leben in der Welt, die Evangelischen Räte, das Apostolat und die Bindung an eine Gemeinschaft. Nur selten wird das Moment der Vollkommenheit der Caritas dazu gezählt (vgl. Pier Giorgio Marcuzzi, Gli instituti secolari nel nuovo Codice, in: Con­ sacrazione e Servizio 223 [1984] 29–41). Henseler erkennt als spezifische Elemente nur das Leben in der Welt (in saeculo viventes) und nach den Evangelischen Räten an (vgl. ders., zu c. 710, Rdnr. 5, in: MK CIC [Stand: 3. Erg.-Lfg., Mai 1986].) Die Bindung an eine Gemeinschaft lehnt er hingegen als spezifisches Kriterium ab, da es zwar eine Bindung an ein Institut bzw. eine Gemeinschaft gebe, aber zumeist kein gemeinsames Leben. Dies sei daher eben auch ein entscheidender Unterschied zu den Religiosen­instituten. Ein zentrales Unterscheidungskriterium sieht auch Aymans an dieser Stelle gegeben (vgl. Aymans-Mörsdorf, KanR II, 544). Mit Rudolf Wei­ gand kann jedoch gesagt werden, dass es zwar eine innere Stufung in den Kennzei­ chen gibt, doch die Bindung an eine Gemeinschaft gehört als Merkmal dazu, da es sich ansonsten um kein Institut handelt (vgl. ders., Die Säkularinstitute, in: Hdb­ kathKR, Regensburg 21999, 633–642, 637 f.). Ein Säkularinstitut besteht aus Mit­ gliedern, die sich ihm angeschlossen bzw. sich an es gebunden haben. Auch Hen­ selers Kritik am Merkmal des Apostolats wird nicht ganz deutlich. Dies mag an dem Umstand liegen, dass er sie beschreibt durch Verwendung eines Zitats von Weigand (vgl. bereits ders., Die Säkularinstitute, in: HdbkathKR, Regensburg 1983, 511–519, 514), der die Einschätzung von Henseler aber nicht teilt. Dies fällt auch Henseler im Ansatz auf, da er selbst bemerken muss, dass Weigand „an den vier Elementen festhält“. Unerwähnt lässt er die innere Unterscheidung, die Weigand in Bezug auf



II. Caritas im CIC / 1983155

nach Vollkommenheit in der Caritas147 und auf die Heiligung der Welt ausgerichtet (vgl. c. 710 CIC). Erstere wurde bereits in c. 573 § 1 als ge­ meinsames Ziel der Religiosen- wie Säkularinstitute hervorgehoben; die Heiligung wird vom Gesetzgeber näher beschrieben, da sie „praesertim ab intus“ erfolgen solle, sozusagen aus der Mitte der Gesellschaft selbst her­ aus. In einem Bildvergleich versucht c. 713 CIC diese Überlegung näher zu umfassen. So ziele die apostolische Tätigkeit, gleichsam wie ein Sauerteig (vgl. Lk 13,20 f.), auf eine Durchdringung der Welt mit dem Geist des Evangeliums. In der letzten Aussage wird bereits deutlich, dass das Apos­ tolat (vgl. c. 713 CIC) sowie das Leben in der Welt (vgl. c. 710 CIC) die primären Mittel zur Erreichung der Ziele darstellen. C. 713 CIC nimmt noch einmal die Begrifflichkeit der Caritas im Zusam­ menhang einer präzisierenden Beschreibung des Verhältnisses zwischen Wei­ he und Apostolat auf. Zunächst wird die Beziehung grundsätzlich beschrie­ ben (§ 1), bevor in den beiden folgenden Paragraphen zunächst die Laien (§ 2) und dann die Kleriker (§ 3) in den Blick genommen werden. Die kleri­ kalen Mitglieder der Säkularinstitute legen ihr Zeugnis vor allem im Presby­ terium ab und sollen sich durch „peculiari caritate apostolica“ auszeichnen, die ihren Mitbrüdern eine Hilfe sein soll. Gleichzeitig ist ihr Dienst aber auch hingeordnet auf die Vervollkommnung der Heiligung der Welt. Zum Abschluss dieses Abschnittes bleibt es noch, auf die Sektion II „De societatibus vitae apostolicae“148 des dritten Teils des zweiten Buchs des CIC zu schauen (cc. 731–746 CIC).149 Eine ausdrückliche Erwähnung des das Apostolat trifft, dieses ist Ausdruck der Weihe der Mitglieder des Säkularinsti­ tutes und kann sowohl einzeln als auch gemeinschaftlich ausgeübt werden (vgl. ebd.). Das Apostolat gehört, wie die Bindung, notwendig zu einem Säkularinstitut. Dabei spielt die Frage, ob dies von den Mitgliedern als Gemeinsames oder selbst­ verantwortlich ausgeübt wird, eine interessante, gleichwohl untergeordnete Rolle. 147  Darin liegt eine leichte Verschiebung zur Aussage des Zweiten Vatikanums. Die Konzilsväter charakterisierten „das Streben nach Ganzhingabe an Gott“ in „Caritate perfecta“ als die wichtigste Aufgabe der Institute (vgl. PC 11,1), sodass die Ganzhingabe als Ziel und die Vollkommenheit in der Caritas als Mittel auf diesem Weg verstanden werden können. 148  Zur Auswahl des Titels findet sich eine Vielzahl kritischer Stimmen. So sei die Bezeichnung im CIC / 1917 als „Gesellschaften des gemeinsamen Lebens ohne Gelübde“ treffender gewesen, weil es die beiden Merkmale deutlicher benennen würde, wohingegen das Apostolat zentrales Charakteristikum vieler Religiosen- wie Säkularinstitute sei (vgl. in diesem Sinn: Dominicus M. Meier, zu 731, Rdnr. 1, in: MK CIC [Stand: 39. Erg.-Lfg., Juli 2005]; Rudolf Henseler, Die Gesellschaften des apostolischen Lebens, in: HdbkathKR, Regensburg 21999, 642–649, 645 f.; Reinhold Sebott, Ordensrecht, Frankfurt a. M. 1995, 306; Bruno Primetshofer, Ordensrecht, Freiburg i. Br. 31988, 218 ff.). 149  Auf die Schwierigkeiten hinsichtlich der Einteilung, die in Sektion I die Re­ ligioseninstitute und Säkularinstitute zusammen behandelt und damit Sektion II, also

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

untersuchten Begriffsfeldes findet sich jedoch nur in c. 731 CIC, der eine Definition der Gesellschaften formuliert. Demnach sind die prägenden Ele­ mente in dem Leben in Gemeinschaft und der Tatsache zu sehen, dass die Mitglieder keine Gelübde ablegen.150 Dies letzte Moment unterscheidet sie in erster Linie von den Instituten des geweihten Lebens, währenddessen durch das Leben in der Gemeinschaft eine Verbindung zu den Religiosen­ instituten gegeben ist. Ähnlich der zuvor besprochenen Beschreibung der Säkularinstitute wird in c. 731 § 1 CIC das Streben nach „perfectionem caritatis“ als Ziel angegeben, dessen Erreichen mit dem Ausüben des Apo­ stolats zusammengebracht wird.151 b) Caritas in den übrigen Büchern des CIC / 1983 Das zahlenmäßige Übergewicht der Caritas Erwähnungen im Liber II rechtfertigte eine zusammenhängende und einzelne Betrachtung der entspre­ chenden Normen. Demgegenüber werden im Folgenden die übrigen Stellen in einem gemeinsamen Abschnitt besprochen, aber in einer Untergliederung den einzelnen Büchern zugeordnet.152 aa) Allgemeine Normen Wie bereits der CIC / 1917 beinhaltet das erste Buch des Codex Iuris Canonici die allgemeinen Normen (cc. 1–203 CIC). Darin finden sich insge­ samt elf Titel, die u. a. gemeinsame Begriffe, allgemeine Rechtsprinzipien sowie hermeneutische Kriterien und Verfahrensregeln, die für die übrigen Bücher in der Anwendung und Auslegung der Normen benötigt werden, die Gesellschaften des Apostolischen Lebens, davon trennt, wurde bereits hingewie­ sen, insofern die Gemeinsamkeiten zwischen Religioseninstituten und Gesellschaften des Apostolischen Lebens gegenüber denen von Religioseninstituten und Säkularin­ stituten deutlich überwiegen. 150  Zumindest in der Regel ist dies der Fall. Dem Umstand, dass es auch andere Formen gibt, trägt c. 731 § 2 CIC Rechnung. 151  Hubert Socha hält die Ausübung des Apostolats, entgegen den anderen ge­ nannten Einschätzungen, für den zentralen Aspekt der Gesellschaften und grenzt sie bzgl. des Zieles wie folgt von den anderen Instituten ab: „Die explizit apostolische und kommunitäre Ausrichtung hebt den Dienst der Gesellschaft von dem der Säku­ larinstitute ab, deren Angehörige vor allem ‚von innen‘ und ‚wie ein Sauerteig‘ zur Heiligung der irdischen Wirklichkeiten beitragen sollen. In den Ordensinstituten, auch den auf Apostolatsaufgaben hingeordneten, bildet nicht das Apostolat, sondern das Zeugnis des gottgeweihten Lebens das Hauptziel“ (Hubert Socha, Rechtlicher Kommentar zu der Gesellschaft des katholischen Apostolats, Rom 2000, 136). 152  Der Liber VII enthält keine Belegstellen.



II. Caritas im CIC / 1983157

beinhalten. In dieser Systematik normiert der Titel VI das Verständnis von physischen und juristischen Personen (cc. 96–123 CIC). Der zuerst heranzuziehende c. 114 CIC ist Teil des Kapitels II „De personis iuridicis“ (cc. 113–123 CIC). Er normiert die Entstehung juristischer Personen153, wobei es sich um Personen- oder Sachgesamtheiten handelt, die über Rechte und Pflichten verfügen. Sie werden errichtet („constituere“) aufgrund einer Rechtsvorschrift oder einer besonderen Verleihung durch Dekret. Ein weiteres Kriterium liegt darin, dass diese Gesamtheit auf ein Ziel ausgerichtet ist, welches einerseits mit der Sendung der Kirche über­ einstimmt, und andererseits die Zielsetzung Einzelner übersteigt. Helmuth Pree unterscheidet drei verschiedene Möglichkeiten, wie sich ein solcher Zweck konstituiert. Zunächst kann er von der Rechtsordnung selbst vorgegeben sein. Er kann aber auch von der Autorität festgelegt oder schließ­ lich bestimmt sein von einem privaten Gründungs- oder Stifterwillen (cc. 215 f.; 298; 1299; 1300 CIC).154 Dass sich der Zweck durch Beständig­ keit auszeichnen muss, ergibt sich folgerichtig aus der auf Dauerhaftigkeit ausgerichteten juristischen Person (vgl. c. 120 CIC). Der Zweck, auf den die Gesamtheit an Personen oder Sachen ausgerichtet ist, ist dem Gesetzgeber nach das entscheidende Kriterium zur Errichtung einer juristischen Person und wird daher in § 2 inhaltlich bestimmt. Es sind darunter Ziele zu verste­ hen, „die Werke der Frömmigkeit, des Apostolates oder der Caritas in geist­ licher oder zeitlicher Hinsicht betreffen“. Wenn folglich das Handeln der Ge­ samtheit auf einen dieser drei Bereiche ausgerichtet ist – denn schließlich umfassen alle genannten Ziele eine Vielfalt an möglichen Zuordnungen155 –,  153  Zum Verständnis der juristischen Person vgl. die Definition von Franz ­ o­toschnig: „Die juristische Person (persona iuridica) ist neben physischen Perso­ P nen jener Träger von Rechten und Pflichten, der vom kanonischen Recht als solcher anerkannt bzw. neu geschaffen wird. Es handelt sich um Rechtssubjekte, deren Rechte und Pflichten von der Rechtsordnung, der Eigenart der Gebilde, entspre­ chend festgelegt werden. Durch derartige juristische Konstruktionen, denen von der Rechtsordnung – in Analogie zu den menschlichen Individuen – Rechtspersönlich­ keit zuerkannt wird, soll die Wahrnehmung besonderer kirchlicher Aufgaben ermög­ licht werden, deren Erfüllung den Einzelnen überfordert […]“ (Franz Potoschnig, Rechtspersönlichkeit und rechtserhebliches Geschehen, in: HdbkathKR, Regensburg 2 1999, 136–149, 142). Bei ihrer Errichtung spricht das Gesetzbuch von „erigere“ bzw. „constituere“ (vgl. Helmuth Pree, zu c. 144, Rdnr. 2, in: MK CIC [Stand: 33. Erg.-Lfg., Juni 2000]). 154  Vgl. Pree, ebd., Rdnr. 5. 155  Auch Pree versteht es nicht als eine taxative Aufzählung, „sondern vielmehr als Inbegriff der mit der Sendung der Kirche übereinstimmenden Zwecke“ (ebd.). Für eine beispielhafte Konkretisierung verweist er auf ähnlich lautende Bestimmun­ gen (cc. 222 § 1 [Gottesdienst, Werke des Apostolats und der Caritas]; 298 § 1 [Got­ tesdienst, christliche Lehre, Evangelisierung, Werke der Frömmigkeit oder Caritas, weltliche Ordnung mit christlichem Geist beleben]; 301 § 1 [Gottesdienst, christliche

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

kann dies den Ausgangspunkt bilden zur Errichtung einer juristischen ­Person.156 Die Existenz des Zieles allein ist aber kein hinreichendes Kriterium zur Errichtung, weil nach c. 114 § 3 CIC zwei weitere Voraussetzungen hinzu­ kommen müssen. Das erwählte Ziel soll einen Nutzen beinhalten („finem reapse utilem“) und nach realistischer Bemessung der erforderlichen Mittel soll die juristische Person über selbige verfügen, damit das Ziel auch er­ reicht werden kann. Der erste Aspekt steht im Interesse eines möglichst effizienten Kräfteeinsatzes der Beteiligten, d. h. es muss auch überprüft werden, ob bereits Ziele dieser Art verfolgt werden, denen sich ange­ schlossen werden könnte, bzw. ob eine Notwendigkeit für das ausgesuchte Ziel hinsichtlich eines bestimmten Gebietes besteht. In diesem Sinn, also gegen eine Zersplitterung und gegen Förderungen ohne ausreichenden Grund, argumentieren auch die Konzilsväter und fügen ergänzend die Hin­ weise bei, dass ebenso von veralteten Vereinigungen und Methoden Ab­ stand zu nehmen sei, wenn sie keinen Nutzen mehr bringen und es „nicht immer zweckmäßig [ist,] Formen, die in einer Nation eingerichtet sind, unterschiedslos auf andere zu übertragen“ (vgl. AA 19,4). Sofern diese Dinge berücksichtigt und erfüllt sind, muss aber noch der Umstand hinzu­ kommen, dass die Mittel, die zur Erreichung benötigt werden – sowohl finanzieller wie personeller oder ideeller Art – von der Personen- oder Sachgesamtheit bereitgestellt werden können. Diese Einschränkungen ma­ chen deutlich, dass ein ehrenwertes Ziel im Bereich der Frömmigkeit, des Apostolats oder der Caritas allein nicht ausreicht, es muss auf seine Rea­ lisierbarkeit hin überprüft werden.

Lehre]; 327 [christlicher Geist, Verbindung von Glaube und Leben], 1254 § 2 CIC [Gottesdienst, Apostolat, Caritas]). 156  Bei der Aufzählung ist aufgefallen, dass die Apostolatswerke zwischen den Werken der Frömmigkeit und der Caritas genannt werden. Dies war – zumindest in Bezug auf die Caritas – bereits in c. 222 § 1 CIC aufgezeigt worden, während c. 298 § 1 CIC die Apostolatswerke als Oberbegriff verwendet. Dies zieht für Ay­ mans die Schlussfolgerung bzgl. c. 114 § 2 CIC nach sich, dass es sich nicht um eine „strikte Abgrenzung“ handelt. Es gehe vielmehr um „besondere Akzentsetzun­ gen“, die er in Bezug auf die Frömmigkeit „im Gebet, in Askese oder in ähnlichen Werken der persönlichen Heiligung“ gegeben sieht, während das Apostolat stärker seelsorgerlich ausgerichtet sei, z. B. in „Unternehmungen zur Förderung der Evan­ gelisierung“. Der Schwerpunkt caritativer Zielsetzung könne dem gegenüber primär in der direkten Sorge um die Abhilfe von menschlicher Not bemüht sein (vgl. Aymans-Mörsdorf, KanR II, 315).



II. Caritas im CIC / 1983159

bb) Verkündigungsdienst der Kirche Das dritte Buch des Codex handelt über den Verkündigungsauftrag der Kirche Jesu Christi (cc. 747–833 CIC), der im Anschluss an neun einleiten­ de Canones in fünf Titel aufgeteilt ist. Titel V „De actione ecclesiae missionali“ (cc. 781–792 CIC) geht über seine Vorgängerfassung im CIC / 1917 (cc. 1349 ff.) weit hinaus, da er die Missionstätigkeit der Kirche (actio missionalis) nicht nur dem Apostolischen Stuhl zuschreibt (vgl. c. 1350 § 2 CIC / 1917), sondern auf der Grundlage des Missionsdekrets des Zweiten Vatikanischen Konzils der gesamten Kirche (vgl. Mt 28,19 f.; Mk 16,15; AG 35; c. 781 CIC). Innerhalb des Themas werden in c. 785 CIC Aussagen über den Beruf und die Aufgabe des Katechisten getroffen. Dabei orientiert sich die Norm an der Definition des Missionars / der Missionarin in c. 784 CIC, der von der „zuständigen kirchlichen Autorität“ zur Missionsarbeit ausgesendet wurde. Die Katechisten und Katechistinnen werden nun von dieser Person für die Arbeit hinzugezogen und verrichten diese unter seiner Leitung.157 Der Ge­ setzgeber weist darauf hin, welche Voraussetzungen (Ausbildung, christli­ ches Leben) erforderlich sind und auf welche Aufgabenbereiche deren Arbeit ausgerichtet ist: Darlegung der Lehre des Evangeliums, Durchführung von liturgischen Feiern sowie die Ordnung der Werke der Caritas. Der Dienst umfasst also Bereiche aus allen drei Grundfunktionen kirchlichen Lebens und kann hinsichtlich der Bestimmungen zu den liturgischen Feiern anhand des CIC konkretisiert werden.  Insofern die Missionstätigkeit der Kirche im Sendungs- und Taufbefehl Jesu Christi verankert ist, zielt sie naturgemäß auf einen Zuwachs an Chris­ ten und Christinnen. Auf diesem Hintergrund ist es verständlich, dass der Titel II auch eigens auf die Katechumenen eingeht. Nachdem die jeweiligen Personen ihren Willen zur Glaubensannahme bekundet haben, können sie nach dem Vorkatechumenat in den Katechumenat aufgenommen werden. Dieser umfasst sowohl theoretische (Unterweisung) als auch praktische (Einübung) Elemente, die darauf abzielen, dass die Katechumenen „in vitam fidei, liturgiae et caritatis populi Dei atque apostolatus“ (c. 788 § 2 CIC) eingeführt werden.158 Es handelt sich bei dieser Aufzählung um die Über­ 157  Heinrich Mussinghoff weist darauf hin, dass es sich beim leitenden Missionar um einen Missionar im engeren, also einen Priestermissionar, handele, da im weite­ ren Sinne nach c. 784 CIC) alle Katechisten auch Missionare sind (vgl. Heinrich Mussinghoff, zu c. 785, Rdnr. 2, in: MK CIC (Stand: 5. Erg.-Lfg., März 1987). 158  Die paraphrasierende Wiedergabe des Ausdrucks „caritatis populi Dei“ inner­ halb des Kommentars von Heinrich Mussinghoff und Hermann Kahler als „liebende Gemeinschaft des Volkes Gottes“ verkürzt den Inhalt der Aussage zu stark (vgl.

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

nahme einer Konzilsaussage (AG 14,1)159. Sie zielt darauf, dass es nicht bei theoretisch erworbenen Kenntnissen bleibt, sondern diese direkt im christli­ chen Leben eingeübt werden. Der Terminus des Apostolates wird hier wie­ der in seiner eingeschränkten Bedeutung verwendet, da er ansonsten die anderen mit umfassen würde.160 Demgegenüber beinhaltet die Begriffszu­ sammenstellung „Caritas des Volkes Gottes“ eine äußerst grundlegende Botschaft, denn es handelt sich zwar um eine Verwendung im Sinne der Tugend, aber durch die Verknüpfung mit dem ekklesiologischen Kernbegriff und der Fokussierung auf die Wechselwirkung zwischen Gott und seinem Volk, zwischen Gottesliebe und Nächstenliebe, wird ihre Ursprünglichkeit noch einmal betont. cc) Heiligungsdienst der Kirche In ihrer Sendung ist der Kirche in gleichem Maße die Weitergabe wie die Verwirklichung des Heils aufgetragen, dass sie durch Jesus Christus empfangen hat. So ist sie „Zeichen und Werkzeug für die innigste Verei­ nigung mit Gott wie für die innigste Vereinigung der ganzen Menschheit“ (LG 1). Es wurde bereits davon gesprochen, dass Heiligung sich als dia­ logisches Geschehen zwischen Gott und Mensch vollzieht. Der Heiligungs­ dienst selbst ist der sinnenhafte Ausdruck dieser Begegnung (c. 834 § 1 CIC). Es bedarf dabei der normierenden Festlegung, weil einerseits die liturgischen Feiern im Namen der Kirche vollzogen werden (vgl. cc. 834 § 2; 837 § 1 CIC), und andererseits die Handlung durch geweihte Amtsträ­ ger oder christifideles geschieht, die sich an einer äußeren Ordnung orien­ tieren müssen.161 Insgesamt finden sich fünf Belegstellen zur Caritas im Liber IV. In den allgemeinen Aussagen zum Heiligungsdienst, die den späteren drei Teilen vorangestellt sind (vgl. cc. 834–839 CIC), findet sich die erste Erwähnung der Caritas in c. 839 CIC. Bereits das Zweite Vatikanum hielt unter Hin­ weis auf Mt 6,6 fest, dass sich das geistliche Leben nicht allein in Teil­ nahme an der heiligen Liturgie erschöpfe (vgl. SC 12). Wenngleich sich Heinrich Mussinghoff / Hermann Kahler, zu 788, Rdnr. 3, in: MK CIC (Stand: 34. Erg.-Lfg., November 2000). 159  Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad Gentes, in: AAS 58 (1966) 947–990, dt. Übers. in: LThKVatII / 3, 22–125. 160  Dies unterstützt die These, dass der Begriff im CIC in erster Linie in der eingeschränkten Fassung verwendet wird und eine Unterscheidung nur dahingehend stattfindet, ob die Werke der Caritas mit gemeint sind oder diese eigens genannt werden. 161  Vgl. Rüdiger Althaus, Einleitung vor c. 834, Rdnr. 1, in: MK CIC (Stand: 39. Erg.-Lfg., Juli 2005).



II. Caritas im CIC / 1983161

also der Heiligungsdienst in der heiligen Liturgie „in besonderer Weise“ (c. 834 § 1 CIC) erfüllt, gibt es darüber hinaus andere Formen und Mittel, mit denen dieser vollzogen wird.162 Diese werden nicht in nomine Ecclesiae vollzogen, da sie kein öffentlicher Gottesdienst sind, gleichwohl sind auch dies kirchliche Handlungen, da sie von deren Gliedern ausgeübt wer­ den.163 In c. 839 CIC werden drei Formen genannt, die die Dimensionen der „Gottesliebe und Selbstverleugnung“164 umgreifen. Zunächst das Gebet, in ihm ruft die Kirche Gott an, so der Gesetzestext, „damit die Gläubigen in Wahrheit geheiligt seien“. Gebete sind immer auch Ausdruck des wech­ selseitigen Geschehens, so Hören auf Gottes Wort, Dank und Lob für sei­ ne Zuwendung, als auch vertrauende Bitte.165 Heiligungsdienst geschieht aber auch durch „paenitentiae et caritatis operibus“. Sie helfen, „das Reich Christi in den Herzen zu verwurzeln und zu bestärken“ und tragen zum Heil der Welt bei (c. 839 § 2 CIC). Werke der Buße und Werke der Cari­ tas werden nebeneinander gestellt, deshalb können letztere nicht als Erfül­ lung oder Beispiel für die erstgenannten verstanden werden.166 Die Cha­ rakterisierung der Caritas als Heiligungsdienst entspricht dem im ersten Kapitel der Arbeit skizzierten Begriffsverständnis in seinem Hauptmerkmal der wechselseitigen Beziehung zwischen Gott und Mensch, wobei dieses im caritativen Verständnis geweitet wird auf den Nächsten als Ebenbild Gottes. Besonders beachtenswert ist § 2 der Norm, denn der Ortsordinarius hat bzgl. der „Gebete sowie [der] frommen und heiligen Übungen des christli­ chen Volkes“ dafür zu sorgen, dass diese mit den Ordnungen der Kirche übereinstimmend vollzogen werden. Natürlich steht diese Regelung unter der Erkenntnis, dass diese Aufsichtspflicht nicht in umfassender Weise er­ folgen kann, wenn es sich um private Formen der Gläubigen handelt. Daher weist Aymans auch darauf hin, dass sie der kirchenamtlichen Aufsicht, „nur in dem Maße unterstehen, in dem sie in der Öffentlichkeit vorgenommen werden“167. In der Betrachtung der Normaussage fällt auf, dass sich diese nicht mit den in § 1 angegebenen Formen deckt. Zwar könnten die Gebete mit den frommen Übungen identifiziert werden, aber Althaus weist darauf 162  Das Zweite Vatikanische Konzil betont die SC 13,1 die Praxis der Andachts­ übungen und einen Absatz weiter die gottesdienstliche Praxis der Teilkirchen.  163  Vgl. Althaus, zu c. 839, Rdnr. 2, in: MK CIC (Stand: 39. Erg.-Lfg., Juli 2005). 164  Vgl. ebd. 165  Althaus verweist hierzu auf das weite Spektrum, das unter dem Begriff der Volksfrömmigkeit zusammengefasst werde. 166  Dies ist an späterer Stelle im Kontext der Bußtage noch anders zu beobach­ ten. Vgl. cc. 1249; 1253 CIC. 167  Vgl. Aymans-Mörsdorf, KanR III, 176.

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

hin, dass sich die aus SC 12,1–2 abgeleiteten Begriffe der exercitia pia und exercitia sacra nicht in Deckung bringen lassen mit Werken der Buße und der Caritas.168 Allerdings legt der Wortlaut die Schlussfolgerung nahe, dass § 2 hinsichtlich der Regelungskompetenz des Ortsordinarius die Gebete aus § 1 aufgegriffen hat und zusätzlich „die frommen und heiligen Übungen des christlichen Volkes“ unter die Aufsicht gestellt haben will. Demnach wären die Werke der Buße und der Caritas bewusst ausgelassen worden und die „Übungen“ würden ihrem Ursprungsort im Konzilstext entsprechend zum einen Andachtsübungen, und zum anderen gottesdienstliche Feiern der Teil­ kirche umfassen, die gemäß der Gewohnheit und der rechtlich anerkannten Bücher begangen werden. Diese inhaltliche Zuordnung wäre dann Ausdruck der Überlegung, dass die Aufsichtspflicht des Ortsordinarius diese privat ausgeübten Werke der Buße und der Caritas nicht in sich einschließen könn­ te. Demgegenüber könnten Gebete, sofern es sich um gedruckte Fassungen handelt sowie Andachtsübungen und gottesdienstliche Feiern in der Öffent­ lichkeit, wie Aymans oben angemerkt hat, durchaus einer Prüfung unterzo­ gen werden. Teil I des Liber IV handelt von den einzelnen Sakramenten (cc. 840–1165 CIC), wiederum darin Titel VII vom Sakrament der Ehe (cc. 1055–1165 CIC). Die Normen anlässlich der Trennung der Ehegatten nennen an zwei Stellen den Terminus Caritas, zum einen c. 1148 CIC, zum anderen c. 1152 CIC. Die erstgenannte Norm regelt die Auflösung von Mehrehen.169 Wenn eine in Polygynie oder Polyandrie lebende Person sich taufen lässt, so gel­ ten für sie die Vorschriften des katholischen Eherechts, dazu gehört z. B. die Verpflichtung zur Monogamie. Der Gesetzgeber sieht vor, dass die bevor­ zugte Lösung in einer kanonischen Eheschließung mit der ursprünglich zuerst geehelichten Person besteht; sollte dies jedoch nur schwer möglich sein, so kann eine der anderen Personen ausgewählt werden. § 3 richtet in diesem Kontext die Aufmerksamkeit auf das Wohlergehen der übrigen Frau­ en oder Männer. Für sie hat der Ortsordinarius Vorsorge zu treffen und zwar „gemäß den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der christlichen Nächstenliebe [christianae caritatis] und der natürlichen Billigkeit“. Die Nennung der Gerechtigkeit trägt dem Umstand Rechnung, dass es in diesem Fall primär um eine wirtschaftliche Absicherung geht und dies auch in vergleichender Hinsicht, da es sich womöglich um mehr als zwei Personen handelt, mit denen die Polygamie bestand. 168  Vgl.

2005).

Rüdiger Althaus, zu 839, Rdnr. 3, in: MK CIC (Stand: 39. Erg.-Lfg., Juli

169  Der Canon gehört zu der Normgruppe, die Regelungen betreffend des Pauli­ nischen Privilegs trifft (cc. 1143–1150 CIC). Zum biblischen Bezugspunkt vgl. 1 Kor 7,12–16. Cc. 1148 f. behandeln zwei Sonderfälle, die erst im Rahmen der Fort­ entwicklung des Privilegium Paulinum hinzugekommen sind.



II. Caritas im CIC / 1983163

Bei Ehebruch des Partners / der Partnerin hat der andere Teil das Recht, sich zu trennen, abzüglich der im Gesetz genannten Gegebenheiten (vgl. c. 1152 § 1 CIC). Diesem Recht wird im Normtext allerdings die Empfeh­ lung vorangestellt, der ehebrecherischen Partei diese Tat zu verzeihen und zwar motiviert durch die christliche Nächstenliebe sowie aufgrund der Sor­ ge für das Wohl der Familie. Wenngleich eine solche Argumentationsweise in der Pastoral schnell als nicht praktikabel klassifiziert wird, muss doch darauf hingewiesen werden, dass die Caritas tatsächlich die einzige im Glauben gründende Motivation sein kann, dem Ehepartner / der Ehepartnerin zu verzeihen. Die Normen des dritten Teils des Liber IV handeln über „Heilige Orte und Zeiten“ (cc. 1205–1253 CIC). Zu den Heiligen Zeiten zählen neben den Feiertagen (cc. 1246 ff. CIC) auch die Bußtage (cc. 1249–1253 CIC). „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15; auch Mt 3,2). Dieser Aufruf zur Umkehr ist von Jesus Christus an jede einzelne Person gerichtet und trägt die Buße als Bestandteil in sich. Als „Trauer über die Sünde und Abkehr vom Bösen bereitet [die Buße] die Hinwendung zu Gott vor und ist somit Aspekt des Glaubens“170. Über den Einzelnen hinaus versteht Kirche Buße aber auch als gemeinschaftlichen Ausdruck des Bewusstseins von der Fehlhaftigkeit der Kirche, dies hat sich in den Bußtagen institutionalisiert. Diesen Entstehungshintergrund bringt auch der Eröffnungscanon der Buß­ tage zur Sprache (c. 1249 CIC), um daran anschließend festzuhalten, wie diese Tage zu gestalten sind. An erster Stelle sollen sich die Gläubigen „in besonderer Weise dem Gebet widmen“. Sie sind aufgerufen, sich in „opera pietatis et caritatis“ zu üben, sich loszusagen von Vorlieben und stattdessen ihre Pflichten zu erfüllen sowie zu fasten und enthaltsam zu leben. Die traditionelle Trias von Gebet, Fasten und Werken der Caritas wird hier er­ weitert. Auch das Zweite Vatikanische Konzil hatte darauf hingewiesen, dass sich Buße nicht nur im eigenen Innern des Menschen ereignet, sondern darüber hinaus eine „äußere und soziale“ Seite hat (vgl. SC 110). Gleich­ wohl handelt es sich bei c. 1249 CIC und auch den übrigen dieses Kapitels II um eine Rahmenordnung, die durch die Bischofskonferenzen näher be­ stimmt werden kann. Dies wird eigens von c. 1253 CIC hinsichtlich des Fastens und der Abstinenz betont. Zudem kann die Bischofskonferenz auch „andere Bußformen, besonders Werke der Caritas und Frömmigkeitsübun­ gen, ganz oder teilweise an Stelle von Fasten und Abstinenz festlegen“ c. 1253 CIC).171 Deutlich zu erkennen ist die hervorgehobene Bedeutung Probst, Art.: Bußtage und Bußzeiten, LThK3, Bd. 2, 1994, 857 f. den Bereich der Deutschen Bischofskonferenz geschah dies in den Jahren 1967, 1970, 1978 und 1986. Diese verloren jedoch ihre Rechtskraft durch das In­ krafttreten der Partikularnorm Nr. 16 am 01. Januar 1996 (vgl. z. B. KABl Essen 1995, Nr. 183; abgedruckt in: AfkKR 164 [1995] 461 f.). Darin wird für Aschermitt­ 170  Manfred 171  Für

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

der Werke der Caritas als Ausübung der Buße. In der Erkenntnis der Ver­ fehlung gegenüber Gott und dem Nächsten rückt dieser Bereich in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Büßenden, indem er sich ausdrücklich im Werk der Caritas dem Nächsten und darin auch Gott selbst zuwendet. dd) Kirchenvermögen Das fünfte Buch des Codex Iuris Canonici schließt in sachlogischer Wei­ se172 an die drei vorhergehenden an, da es die materielle Grundlage der Sendung der Kirche behandelt. Diese ist notwendig, um die Sendung aus­ üben zu können. Insgesamt handelt es sich um ein Rahmenrecht, sodass die einzelnen Teilkirchen die Möglichkeit haben, im Sinne des Subsidiaritäts­ prinzips eigene Bestimmungen konkreterer Art zu erlassen. Das Buch ist in vier Titel gegliedert, davon enthalten die ersten drei, die sich mit dem Er­ werb (cc. 1259–1272 CIC), der Verwaltung (cc. 1273–1289 CIC) und der Veräußerung (cc. 1290–1298 CIC) von Vermögen beschäftigen, je eine Norm, die die Caritas erwähnt. Vorangestellt sind fünf Canones, die als sog. Fundamentalnormen notwendig sind für die Interpretation der nachfolgen­ den, da sie Begründungen des Kirchenvermögens anführen und gleichzeitig dessen Begriff definieren.173 Der c. 1254 § 1 CIC sieht im Vermögenserwerb und -besitz sowie der Ver­ mögensverwaltung und -veräußerung ein ius nativum der katholischen Kirche verwirklicht. Dies wird bereits darin sichtbar, dass dieses Recht unabhängig von staatlichen Konzessionen gegeben ist.174 Es ist ein der Kirche eingestif­ woch und Karfreitag Fasten und Abstinenz sowie ein jährliches Fastenopfer, bevor­ zugt am Ende der Quadragesima, angeordnet. Hinsichtlich der Freitage äußern sich die Bischöfe insofern, als dass es ein verpflichtendes Freitagsopfer gibt, außer es fällt ein Hochfest auf den Tag. Dieses kann verschiedene Formen umfassen, die aber alle auf eine Einschränkung des Konsums zielen, so auch den Verzicht auf Fleisch und andere Genussmittel. Im Vordergrund sollen „Dienste und Hilfeleistungen für den Nächsten“ stehen. Die finanzielle Ersparnis soll „mit Menschen in Not geteilt werden“. Der Wert eines gemeinsamen Freitagsopfers wird unterstrichen. Zuletzt nennen die Bischöfe noch weitere Aspekte, die dem Sinn des Opfers entsprechen: „Gebet und andere Frömmigkeitsübungen, eine wirkliche Einschränkung und der Dienst am Nächsten“. Warum der Dienst am Nächsten noch einmal genannt wird, ist nicht ersichtlich und erweckt dadurch den Eindruck einer nachklappenden Dop­ pelung. Eine flüssigere Anpassung und Einfügung der letztgenannten Elemente, die in sich eine hohe Bedeutung im Kontext der Buß­übungen tragen, wäre wünschens­ wert gewesen. 172  Vgl. Rüdiger Althaus, Einleitung vor c. 1254, Rdnr. 13, in: MK CIC (Stand: 25. Erg.-Lfg., April 1996). 173  Vgl. ebd. 174  Zu Recht gibt Helmuth Pree unter Verweis auf Dignitatis Humanae 13 f. (Er­ klärung über die Religionsfreiheit Dignitas humanae, in: AAS 58 [1966] 929–946,



II. Caritas im CIC / 1983165

tetes Recht.175 Der Ausgangspunkt für die Zweckbestimmung in § 2 ist gege­ ben in der Aussage der Konzilsväter, dernach Vermögen durch die Kirche nur unter bestimmter Zwecksetzung erworben werden darf (vgl. PO 17,3). Die dort genannten Zielpunkte: rechter Vollzug des Gottesdienstes, angemessener Unterhalt der Kleriker, apostolische und caritative Werke, besonders hinsicht­ lich der Armen, finden sich genauso in dem Gesetzestext als die ihr eigenen (proprius) Zwecke wieder. Die Bestimmung, dass dies die ihr eigentlichen Ziele des Vermögenserwerbs etc. sind, versteht sich in dem Sinne, dass die Kirche aus sich heraus zur Verfolgung dieser Ziele berechtigt ist und infolge­ dessen zum Erwerb der dafür benötigten finanziellen Mittel. Sie bilden gleichsam den Grundbestand an Zweckbestimmung, schließen aber weitere nicht aus, sondern lassen diese als auf sie hingeordnet erscheinen. Dies spie­ gelt sich zudem im vorangestellten Begriff „praecipue“ wider. Jene Auffas­ sung wird auch von Winfried Schulz vertreten, der u. a. unter Hinweis auf die übrigen Kommentatoren zu dem Schluss kommt, dass es sich nicht um eine taxative Aufzählung handele.176 Zur Begründung verweist er auf die ver­ schiedentlich gegebenen Nennungen von Ziel- bzw. Zweckbestimmungen, die auch bereits in dieser Arbeit besprochen wurden177 und durch ihre Unter­ schiedlichkeit die These unterstützen. Im ersten Titel zum Vermögenserwerb wird die Caritas nicht im gerade besprochenen Kontext erwähnt, sondern in der Normierung, dass die Bi­ schöfe der Teilkirchen zur Finanzierung des Apostolischen Stuhles beitragen sollen (c. 1271 CIC). Die Teilkirchen sind in ihrer Selbständigkeit verbun­ den mit und hingeordnet auf die Gesamtkirche, deren Aufgaben sie durch finanzielle Beiträge mitermöglichen sollen. Auf diesem Hintergrund ist die Aussage zu verstehen, dass die Bischöfe mit dem Apostolischen Stuhl durch das „vinculum unitatis et caritatis“ verbunden sind.178 dt. Übers. in: LThKVatII / 2, 712–748) zu bedenken, dass es sich bei dem Vermö­ genserwerb auch um eine „Realbedingung effektiver Religionsausübung“ handele (vgl. ders., Grundfragen kirchlichen Vermögensrechts, in: HdbkathKR, Regensburg 2 1999, 1041–1068, 1055). 175  Vgl. Winfried Schulz, zu c. 1254, Rdnr. 1, in: MK CIC (Stand: 25. Erg.-Lfg., April 1996). 176  Vgl. ebd., Rdnr. 7. 177  Vgl. insbesondere die Besprechung von c. 222 § 1 CIC, aber auch c. 114 § 2; 215 f. CIC. 178  Bemerkenswert ist der Umstand, dass LG 23, als Konzilsquelle dieses Textes, nicht vom Band der Einheit und Caritas spricht, sondern die ganze Kirche ist „in vinculo pacis, amoris et unitatis“ miteinander vereinigt (vgl. LG 23,1). Die Wieder­ gabe im CIC mit Caritas wird der Aussage gerechter, da sich die inhaltliche Aussa­ ge auf die letztlich in der Gottes- und Nächstenliebe begründete Caritas bezieht (vgl. dazu die Begriffsbestimmung unter B. II. 1. a). Das lateinische amor bildet grund­ sätzlich die Entsprechung zum griechischen eros (vgl. dazu die Besprechung des

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

Innerhalb der Vermögensverwaltung und näher hin im Rahmen spezieller Verwaltungsvorschriften (cc. 1283–1289 CIC), die als Sorgfaltspflichten fun­ gieren, sind auch Schenkungen durch Verwalter normiert (c. 1285 CIC). Der Parallelcanon im Vorgänger-Codex (c. 1527 CIC / 1017) wurde bereits weiter oben besprochen. Beide Normen ähneln sich in ihrer Grundaussage, die in einer Schutzbestimmung besteht, und zwar dahingehend, dass das zum Errei­ chen des gesetzten Zieles benötigte Vermögen einer Juristischen Person, wel­ ches nach c. 114 § 3 Voraussetzung zur Errichtung einer solchen ist, gesichert wird. Schenkungen können vom Verwalter daher nur vorgenommen werden, wenn einerseits die Grenzen der ordentlichen Verwaltung, also der Haushalts­ plan, eingehalten werden, und andererseits nur das bewegliche Vermögen da­ für benutzt wird. Darüber hinaus ist es zweckgebunden an „finis pietatis aut christianae caritatis“. Im Vordergrund der Aussage stehen aber nicht die Zu­ ordnung, sondern die einschränkenden Bedingungen. Rüdiger Althaus ver­ deutlicht die Intention unter Anführung eines Beispiels: Ein äußerst sozial eingestellter oder auch frommer Verwalter könnte unter dem Fokus der Zweckbindung diese als „vorrangig vor jeder anderen Bestimmung des Ver­ mögensrechts“ ansehen.179 Dies verhindern die genannten Konzessionen.  Wie ist aber die Zweckausrichtung konkret zu verstehen? Zunächst fällt auf, dass nicht von opera pietatis et caritatis die Rede ist, sondern von finis. Nach den bisherigen Untersuchungen ist demnach der weiter gefasste Begriff Caritas verwendet, der die Werke der Caritas in sich einschließt, aber nicht in ihnen aufgeht. Dementsprechend lässt die Wortgruppe eine weite Interpreta­ tion zu, es muss lediglich gewährleistet sein, „daß der Mitteleinsatz grund­ sätzlich der Gottes- und / oder Nächstenliebe zuträglich sein muß“180. Das Verhältnisses von eros zu agape in der Enzyklika Deus caritas est unter B. II. 5. a); es wird im CIC in der Bedeutung der liebenden Zuneigung zu Christus und / oder der Kirche verwendet (vgl. cc. 245 § 2, 601, 652 § 2, 789 u. a.). 179  Vgl. Rüdiger Althaus, zu c. 1285, Rdnr. 2, in: MK CIC (Stand: 27. Erg.-Lfg., April 1997). 180  Ebd., Rdnr. 6. Althaus kommt zu dieser Einschätzung allerdings nicht über den Weg der Begriffsbestimmung, sondern anhand der vergleichenden Überlegung, dass gegenüber c. 1253 § 2 CIC weder die Bediensteten noch das Apostolat genannt würden. Bzgl. der ersten Gruppe erkläre es sich aus c. 1286 CIC, der diese behand­ le. Aus der Auslassung des Apostolats könne wiederum nicht dessen positiv-rechtli­ cher Ausschluss gefolgert werden und zwar aufgrund des Vergleichs mit cc. 114 § 1; 1254 § 2 CIC, wo eine unterschiedliche Verwendung vorliege. Dem ersten Punkt ist sicher zuzustimmen, im Hinblick auf den zweiten setzt eine terminologische Be­ gründung grundsätzlicher an. Caritas ist in ihrer weiten Bedeutung umfassender angelegt als Apostolat [vgl. B. II. 1. a) und e)] und macht dessen explizite Erwäh­ nung nicht nötig. Allerdings kann dies nicht mit allen Stellen im CIC nachgewiesen werden, da der Codex keine einheitliche Verwendung dieser Termini aufweist. Darüber hinaus ist Althaus zuzustimmen, wenn er nicht nur Schenkungen der Art gemeint sieht, die zur unmittelbaren Erreichung der Ziele beitragen, sondern auch



II. Caritas im CIC / 1983167

heißt, dass die Norm einen Interpretationsrahmen vorgibt, innerhalb dessen der Verwalter seiner Rechenschaftspflicht nachkommen muss. Schließlich findet sich noch eine Erwähnung der Caritas im dritten Titel des Vermögensrechts innerhalb der Normen über die Veräußerung von Ver­ mögen, genau genommen betreffend der Veräußerung im engeren Sinne (cc. 1291–1294 CIC). Auch in c. 1293 CIC werden, wie in der vorangegan­ genen Besprechung, Sorgfaltspflichten expliziert. Diese sind bei der Veräu­ ßerung von Vermögen zu berücksichtigen, denn eine solche Rechtshandlung steht – ähnlich der Schenkung – immer unter dem Anspruch, dass „die Existenz einer Rechtsperson und die ihr aufgetragene Zielsetzung“181 nicht gefährdet werden darf. Konkret geht es dabei um Vermögensveräußerungen, in deren Rahmen die festgesetzte Grenze, unter die die finanziellen Mittel einer juristischen Person nicht sinken dürfen, unterschritten wird. Diese dürfen entsprechend der Norm nur unter den aufgelisteten Bedingungen – Vorliegen eines gerechten Grundes oder bzw. und eines Schätzungsgutach­ tens sowie die Beachtung weiterer Sicherheitsvorkehrungen – durchgeführt werden. Die iusta causa erfährt durch den Gesetzgeber eine beispielhafte Konkretisierung. Als solche können eine dringende Notwendigkeit, ein of­ fenbarer Nutzen, Frömmigkeit, Caritas oder ein anderer gewichtiger pasto­ raler Grund verstanden werden. Gegenüber c. 1530 § 1, 3° CIC / 1917 ist die Caritas als Beispielnennung neu hinzugekommen. Insgesamt handelt es sich aber, wie bei vielen dieser Aufzählungen, nicht um eine mit Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr werden die vorrangigen Gründe genannt. Althaus systematisiert sie in zwei Gruppen, zum einen muss die Veräußerung der „Erhaltung, Konsolidierung oder Verbesserung der wirtschaftlichen Situati­ on“ dienen, zum anderen geht es um „die unmittelbare Verwirklichung der der Kirche eingestifteten Ziele“182.

hier die Möglichkeiten weiter fasst. Schon allein aus dem Grund, dass eine klare Grenzziehung kaum möglich wäre. Hierzu bestimmt er den Begriff Caritas im „un­ technischen Sinn als Hilfe in einer irgendwie gearteten Not von Personen […], sei es materiell oder seelisch, aber auch im Rahmen der Entwicklungshilfe. Dies schließt ebenfalls die Motivierung von Helfern ein.“ Nicht ganz deutlich wird jedoch, was er unter „untechnisch“ versteht, ob dies vielleicht nur die Abgrenzung zu „tech­ nisch“ als auf eine konkrete Situation bezogen meint. Die Einschränkung der Caritas im Sinn der Nächstenliebe ist hier zulässig, weil „christianae caritatis“ mit Nächs­ tenliebe übersetzt werden kann (vgl. cc. 1148; 1152 § 1 CIC), also als Zuspitzung der Caritas, die von sich aus auch einen Bezug auf Gott hin umfasst. 181  Althaus, zu c. 1293, Rdnr. 4, in: MK CIC (Stand: 28. Erg.-Lfg., August 1997). 182  Ebd. Beispielhaft nennt Althaus als Ziel der pietas die Anschaffung liturgi­ scher Geräte, während die Errichtung eines Hospizes ein caritativer Grund sei. Als pastorales Motiv könnte die Erweiterung des Pfarrheimes dienen.

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

ee) Strafbestimmungen der Kirche Der Liber VI „De sanctionibus in ecclesia“ (cc. 1311–1399 CIC) besteht aus zwei Teilen, in denen zunächst Straftaten und Strafen im Allgemeinen (cc. 1311–1363 CIC) und im Anschluss Strafen für einzelne Straftaten (cc. 1364–1399 CIC) festgehalten werden. Der Strafzweck kann dabei in zwei Richtungen näher charakterisiert werden. Es geht um den Schutz der communio fidei sowie dem der communio fidelium als Glaubensgemein­ schaft.183 Die erste Norm des Buches klassifiziert das Recht der Kirche, Strafen zu verhängen, als ein ius nativum derselben (vgl. c. 1311 CIC); dem schließt sich in c. 1312 CIC eine Aufzählung der verschiedenen Strafmittel an. So gibt es neben den Besserungs- und Beugestrafen sowie den Sühnestrafen weitere Strafsicherungsmittel und Bußen. Diese Formen werden im weiteren Verlauf des ersten Teils des Liber näher bestimmt, die beiden zuletzt ge­ nannten Maßnahmen in den cc. 1339 f. CIC. Während die Strafsicherungs­ mittel eingesetzt werden sollen, um einer Straftat vorzubeugen (vgl. c. 1312 § 2 CIC), soll eine verhängte Buße die Strafe ersetzen oder verschärfen (vgl. ebd.).184 Lüdicke definiert Buße als eine „im äußeren Bereich, d. h. beweisbar vom Betroffenen in der Gemeinschaft zu beachtende Pflicht zum Vollzug bestimmter Werke“185. In diesem Kontext normiert c. 1340 § 1 CIC, dass, wenn im forum externum Buße auferlegt wird, diese als „aliquod religionis vel pietatis vel caritatis opus“ zu verrichten ist. Die Aufnahme des ersten Elementes in eine Reihung mit Werken der Frömmigkeit und Caritas findet sich nur an dieser Stelle und legt eine Verbindung zum Heiligungs­ 183  Vgl. Klaus Lüdicke, Einleitung vor c. 1311, Rdnr. 23, in: MK CIC (Stand: 18. Erg.-Lfg., Juli 1992). 184  Zum CIC / 1917 ist an dieser Stelle eine Bedeutungsverschiebung eingetreten, weil dort die Buße einen vor Strafe verschonenden Charakter hatte oder auch an die Stelle einer nachgelassenen Strafe treten konnte (vgl. c. 2313 § 1 CIC / 1917). Bzgl. der letzten Komponente sieht Lüdicke eine Verbindungslinie zur Bedeutung des Bußwerkes im Sakrament, das dort nach dem Bekenntnis und der Lossprechung von den Sünden auferlegt wird (vgl. Lüdicke, zu c. 1340, Rdnr. 2, in: MK CIC [Stand: 20. Erg.-Lfg., April 1993). Dieses soll die nach der Feier des Sakraments fortwir­ kenden Folgen der Sünde zumindest symbolisch heilen (vgl. Dorothea Sattler, Art.: Bußsakrament, III. Systematisch-theologisch, LThK3, Bd. 2, 1994, 851 ff., 851). Nach diesem Verständnis des Bußwerkes im Zusammenhang mit dem Sakrament ist die Verbindung zur Buße im Sinne von c. 1340 CIC weniger gegeben, da das Buß­ werk nicht als Strafe zu verstehen ist und schon gar nicht eine solche verschärfen soll. Schließlich wäre die Systematik des Sakraments verschoben, wenn auf die zu­ gesagte Vergebung eine Strafe folgt. Gleichwohl können die genannten Werke in c. 1340 § 1 CIC ebenso als Bußwerk dienen. 185  Lüdicke, zu c. 1340, Rdnr. 2, in: MK CIC (Stand: 20. Erg.-Lfg., April 1993).



II. Caritas im CIC / 1983169

dienst nahe.186 Im Vergleich mit c. 2313 § 1 CIC / 1917187 sind die Bußauf­ lagen allgemeiner und damit weiter gefasst.188 3. Ergebnisse In der Gesamtbetrachtung der begrifflichen Verwendung der Caritas im CIC ergibt sich erst beim näheren Hinschauen ein zusammenhängendes Bild, da der Befund insgesamt sehr verstreut und zunächst unübersichtlich ist. Deutlich wurde, dass Caritas eines der zentralen theologisch geprägten Wörter im Codex ist. Sie weist damit Ähnlichkeit mit Termini wie Volk Gottes oder Communio auf. Caritas wird entweder als Tugend oder im Sinne der Werke der Caritas verwendet. Die inhaltliche Aussage ist deswegen jedoch nicht gleich. Es lassen sich daraus nur zwei Prinzipien ableiten, insofern erstens durch die Verwendung als Tugend zumeist eine Ausweitung und Rückbindung an theologische Grundzusammenhänge vorgenommen wird (vgl. z. B. cc. 206; 383 § 4; 573 CIC). Zweitens bildet die Rede von den opera caritatis zum einen eine Unterkategorie der Tugend, und zum anderen immer einen Hin­ weis auf organisierte bzw. institutionalisierte Formen der Caritas. Diese werden aber an keiner Stelle näher beschrieben oder in ihrem Aufbau näher aufgeführt. Kritisch zu bedenken ist die uneinheitliche Begriffsverwendung bzgl. Caritas und Apostolat, auf die an den entsprechenden Stellen hingewiesen wurde. Dies ist zwar nur gegeben in Bezug auf die Rede von den entspre­ chenden Werken, sollte aber trotzdem im Sinne einer klar zuordenbaren Rechtssprache vermieden bzw. überarbeitet werden. Im Folgenden werden die wesentlichen Ergebnisse zum CIC / 1983 zusam­ menfassend präsentiert. Bemängelte Alfred Hierold für den CIC / 1917, dass dort eine laikale Verantwortung für die Caritas nicht zum Vorschein komme, so kann dies in gleicher Weise nicht mehr für das geltende Gesetzbuch von 1983 gesagt werden. Zwar wird dies nicht ausdrücklich formuliert, aber die Möglichkeit als solche ist durchaus gegeben. Drei Normen innerhalb des 186  Vgl.

oben die Ausführungen zu den Bußtagen. § 1 CIC / 1917: „Praecipuae poenitentiae sunt praecepta:1° Recitandi determinatas preces;2° Peragendi piam aliquam peregrinationem vel alia pietatis opera; 3° Servandi peculiare ieiunium; 4° Erogandi eleemosynas in pios usus; 5° Peragendi exercitia spiritualia in pia aut religiosa domo per aliquot dies.“ § 2: „Poenitentias Ordinarius pro sua prudentia addere potest poenali remedio monitionis et correptionis.“ 188  Vgl. c. 1426 § 1 CCEO. 187  C. 2313

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

Katalogs der Pflichten und Rechte der christifideles thematisieren direkt oder indirekt den Bereich der Caritas. Sie ist nach c. 215 CIC Grund zur Vereinsbildung. Die Gläubigen haben nach c. 216 CIC das Recht, apostoli­ sche, also auch caritative, Unternehmungen zu initiieren und durchzuführen. Des Weiteren sind die Gläubigen nach c. 222 § 1 CIC verpflichtet, u. a. für Zwecke der Caritas finanzielle Beiträge zu entrichten. In der Grundsätzlich­ keit, mit der c. 222 § 2 CIC die Förderung der sozialen Gerechtigkeit und den Einsatz für die Armen fordert, tritt auch die Caritas als ureigenste Aufgabe des Christgläubigen in den Vordergrund. Bezogen auf die Alumnen und die Kleriker bildet die Caritas eine den Lebenswandel prägende Tugend, aber von einer zentralen Stellung kann nicht gesprochen werden. Es wurde darauf hingewiesen, dass sie im Zusam­ menhang mit dem Amt des Papstes keine Erwähnung findet. Wird dies durch die Bemerkungen zum Bischof aufgefangen? Der Befund zur Verbindung von Bischofsamt und Caritas ist zwiespältig. Die cc. 383 § 3 und 387 CIC gehen über Allgemeinplätze nicht hinaus, aussagekräftiger sind eindeutig die cc. 383 § 4 und 394 CIC. Bedauerlicher­ weise kommt aber die herausgearbeitete Sinnspitze, dass der Bischof Zeuge der Caritas Christi sein muss, im Kontext der Rede über die Nichtgetauften nicht zur Geltung. Es bleibt fraglich, inwiefern der Gesetzgeber an dieser Stelle eine solch grundsätzliche Aussage treffen wollte. Die Veränderung zwischen Konzils- und Gesetzestext in Form eines stark verpflichtenden „debet“ lässt jedoch den Schluss zu, dass es beabsichtigt in dieser Deutlich­ keit formuliert wurde. Bezogen auf c. 394 CIC ist der Diözesanbischof zur Förderung und Len­ kung des Apostolats in der Diözese verpflichtet. Da die Begriffsanalyse einen Einschluss caritativer Werke in die Apostolatswerke ergibt, ist die Aussage, dass der Bischof die Werke der Caritas zu unterstützen und zu leiten hat, in c. 394 CIC impliziert. Somit schälen sich zwei zunächst unscheinbare, aber dennoch profilierte Botschaften im Verhältnis zwischen Bischof und Caritas heraus: Dem Bi­ schof ist es eine strenge Pflicht, nicht nur im Angesicht der Gläubigen, sondern aller Menschen Zeuge der Caritas Jesu Christi zu sein. Dies be­ deutet ein Maßnehmen an dessen Gottes- und Nächstenliebe, die er den Jüngerinnen und Jüngern als oberstes Gebot aufgetragen hat. Als zweites trägt der Bischof Verantwortung für die Werke der Caritas in seiner Diö­ zese und dies in einer aktiven, d. h. fördernden und koordinierenden Funk­ tion.  Innerhalb des zweiten Abschnittes zur Besprechung des CIC sind noch drei weitere Normen behandelt worden, die eine Verbindung zwischen Bi­



II. Caritas im CIC / 1983171

schof und Caritas beschreiben (cc. 839 § 2; 1148 § 3; 1271 CIC).189 Die beiden letzten sehen in der Tugend der Caritas eine Handlungsorientierung für das bischöfliche Verhalten, während c. 839 § 2 CIC die Frage aufkom­ men lässt, ob die Verantwortung des Bischofs für die Caritas damit ausge­ schlossen sei, insofern sie in § 2 gegenüber § 1 nicht genannt wird. Diese Schlussfolgerung ist deshalb nicht berechtigt, weil es sich an dieser Stelle um privat geübte Werke der Caritas handelt, über die der Bischof keine umfassende Aufsichtspflicht haben kann.  Gegenüber diesem Amtsprofil wirkt die Beschreibung des Pfarrers bezo­ gen auf die Caritas blasser. Allein c. 529 § 1 CIC spricht von ihr. Der Text ist weniger von einer grundsätzlichen Aussage geprägt, sondern zählt verschie­ dene konkrete Tätigkeitsfelder des Pfarrers auf, zu denen dann auch die cari­ tative Sorge für Arme, Kranke und Sterbende gehört. Eine an ihn gebundene explizite Verpflichtung zur Caritas kommt aber nicht zur Sprache. Für die Institute des geweihten Lebens, die Säkularinstitute und die Ge­ sellschaften des apostolischen Lebens bildet die Caritas die Grundlage und die Richtschnur ihrer Lebensweise. Abgesehen von c. 683 § 1 CIC, der von den opera caritatis spricht, sprechen die Normen von der Caritas als Tu­ gend. An exponierter Stelle des jeweiligen Eröffnungscanons wird sogar das Streben nach perfectionem caritatem (cc. 573; 710; 731 CIC) festgehalten. Diese Vollkommenheit der Caritas wird erreicht über ein Leben nach den Evangelischen Räten, aber auch allgemein durch den Dienst am Reich Got­ tes. Darin sind die religiosi rückgebunden an die Lehre und das Lebensbei­ spiel Jesu Christi selbst und stehen so mit ihrem ganzen Leben in der wechselseitigen Bezogenheit von Gottes- und Nächstenliebe. Diese Grund­ lage zeitigt Konsequenzen im Umgang mit finanziellen Mitteln (vgl. cc. 634 § 2; 635 § 2 CIC) und impliziert eine Zeugnisfunktion für die Gesellschaft (c. 640 CIC). Die eingangs aufgeworfene Frage, ob die Vielzahl der Begriffsbelege in diesem Rechtsbereich gegenüber den vorher betrachteten eine besondere Hinwendung zur Caritas ausdrückt, kann also bejaht werden. Fast schon in ausdrücklicher Weise beschreiben die herangezogenen Normen die grundle­ gende Bedeutung der Caritas für die Mitglieder der genannten Institute und Gesellschaften. Umgekehrt wird allerdings nicht von deren Verantwortung für die Caritas gesprochen, schließlich werden nur an einer Stelle die opera caritatis erwähnt. Im Vordergrund steht die Prägung des Lebens und Ver­ haltens durch die Tugend der Gottes- und Nächstenliebe. 189  Diese wurden jedoch nicht in der ersten Gruppe besprochen, da sich beson­ ders in Bezug auf c. 839 CIC eine unterschiedliche Zuordnung der §§ 1und 2 erge­ ben hätte, zudem ist eine Zusammenschau im Fazit gegeben.

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

Im zweiten Abschnitt der Canon-Exegese zu den übrigen Büchern des CIC fällt erneut die prägende Bedeutung der Caritas als Tugend für das Leben des Christen, aber auch bereits für das Leben des Katechumenen, auf (vgl. cc. 206; 788 § 2 CIC). Drei markante Aspekte sollen hier in der Zu­ sammenfassung noch einmal abschließend hervorgehoben werden: zunächst die konkretisierende Bestimmung des Gesetzgebers zur Errichtung der juris­ tischen Person. Zur Vermeidung der Gefahr einer idealistischen Zuspitzung wird u. a. das Ziel im Bereich der Caritas an eine Überprüfung der Reali­ sierbarkeit gebunden (c. 114 §§ 2 und 3 CIC; vgl. ähnlich c. 1293 CIC). Zweitens ist die Caritas eigenständiger Teil des Heiligungsdienstes (c. 839 § 1 CIC), als solche kann sie die äußere soziale Seite der Buße von Gläu­ bigen verkörpern (c. 1249 CIC). Schließlich bildet sie einen der vier primä­ ren Zwecke, weswegen Kirche Vermögen erwerben, besitzen, verwalten und veräußern darf (vgl. c. 1254 § 1 CIC).

III. Die Caritas im CCEO 1. Intention und Systematik des CCEO Der Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (CCEO) wurde am 18. Oktober 1990 von Papst Johannes Paul II. mit der Apostolischen Kon­ stitution Sacri Canones190 promulgiert und trat am 01. Oktober 1991 nach fast einjähriger Legisvakanz in Kraft. Der CCEO bildet das Gesetzbuch für die 21 selbständigen mit Rom unierten katholischen Ostkirchen (Ecclesiae sui iuris). Hinsichtlich der Gliederung fällt der primäre Unterschied auf, dass das orientalische Gesetzbuch anders als der CIC nicht in Bücher, sondern in 30 Titel gegliedert ist. Wie der CIC enthält aber auch der CCEO keinen eige­ nen Abschnitt über die Caritas. 2. Analyse des Caritasbegriffs im CCEO In den insgesamt 1.546 Canones des CCEO sind 39 Stellen zu finden, die von Caritas oder Apostolat sprechen. Die Mehrzahl dieser Normen hat die­ ses Gesetzbuch mit dem CIC gemeinsam, allerdings sind 14 nur im Gesetz­ buch der unierten Ostkirchen vorhanden. Wiederum 13 Stellen des CIC sind nicht im CCEO erwähnt. Zudem gibt es auch implizite Beschreibungen. Der zahlenmäßige Befund lässt in dieser Hinsicht keine aussagekräftigen Unter­ schiede zwischen CCEO und CIC erkennen. 190  Vgl.

AAS 82 (1990) 1033–1044.



III. Die Caritas im CCEO173

Sprachlich sind die Verwendungen im CCEO denen im CIC entsprechend. Es gibt nur kleinere bemerkenswerte Details wie z. B. die häufigere Zusam­ menstellung von caritas und aequitas (cc. 490; 859 § 3; 503 § 2 CCEO) sowie die Wendung „Christi caritate“ als Caritas zu Christus (c. 346 § 1 CCEO). Im Abschnitt 3.2.2. wurden die relevanten Stellen des CIC zur CaritasBegrifflichkeit einzeln besprochen. Viele davon hat das Gesetzbuch der la­ teinischen Kirche mit dem CCEO gemeinsam, sodass sich eine kleinschrit­ tige Analyse an dieser Stelle als nicht notwendig erweist. Vielmehr soll überprüft werden, inwiefern es unterschiedliche Akzentsetzungen gibt. a) Caritas in der Verantwortung des Gottesvolkes aa) Christgläubige und ihre gemeinsamen Rechte und Pflichten Direkt im Anschluss an die einleitenden Normen (cc. 1–6 CCEO) folgen mit dem ersten Titel die für alle Christgläubigen gemeinsamen Bestimmun­ gen hinsichtlich deren Rechte und Pflichten (cc. 7–26 CCEO).191 In diesem Abschnitt sind insgesamt sieben Vermerke der Caritas zu finden. Zunächst kommt der Caritasbegriff im Zusammenhang der Rede von den Katechumenen (c. 9 § 1 CCEO) auf, dabei wird sie in einer Dreier-Aufzäh­ lung neben Glaube und Hoffnung genannt. Inhaltlich handelt es sich um eine Entsprechung zu c. 206 § 1 CIC.192 Auch die Belege im Vereinigungsund Versammlungsrecht („ad fines caritatis et pietatis“ c. 18 CCEO; vgl. c. 215 CIC), im Recht auf freie Unternehmung („apostolicam actionem“ c. 19 CCEO; vgl. c. 216 CIC) sowie bzgl. der Pflicht zur finanziellen Un­ terstützung der Kirche („ad opera apostolatus et caritatis“ c. 25 CCEO; vgl. 222 § 1 CIC) erweisen sich als identisch mit dem Gesetzbuch des lateini­ schen Rechtskreises. Ein Unterschied besteht allerdings mit Blick auf c. 10 CCEO. Dieser handelt von der gemeinsamen Pflicht der Christgläubigen, den Glauben zu bewahren und offen zu bekennen. Im Gegensatz aber zu der lateinischen 191  „Dieses Voranstellen der Grundrechte und Grundpflichten ist für sich allein genommen bereits bemerkenswert; es ist darüber hinaus aber noch zu beachten, daß die Grundrechte vor den Grundpflichten genannt werden. Damit kommt – anders als im lateinischen Gesetzbuch – zum Ausdruck, daß Grundrechte in der Kirche primär die Funktion haben, die rechtlich-institutionellen Bedingungen zu schaffen und zu sichern, die dem einzelnen und den Gemeinschaften in der Kirche die Entfaltung des Glaubens ermöglichen.“ (Richard Potz, Der Codex Canonum Ecclesiarum Orienta­ lium, in: HdbkathKR, Regensburg 21999, 77–89, 84.) 192  Vgl. C. II. 2. a) aa).

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

Norm, die bei dieser reinen Festlegung der Pflicht stehenbleibt (vgl. c. 754 CIC),193 geht die orientalische Gesetzesaussage in zwei Richtungen darüber hinaus. Zum einen benennt sie den Verankerungspunkt der Pflicht, der im Festhalten am Wort Gottes und in Anerkennung gegenüber dem Lehramt besteht, zum anderen bleibt die Norm nicht im Verkündigungsdienst stehen, sondern verpflichtet zum praktischen Tun, welches die Lehre besser verste­ hen lässt und sie in Werken der Caritas („operibus caritatis“) fruchtbringend anwendet. Es wird also eine Rechtspflicht zur Verbindung von Verkündi­ gung (μαρτυρία) und Caritas (διακονία) normiert. bb) Eparchien und Bischöfe sowie Kleriker In einem zweiten Unterpunkt werden im Folgenden die Titel VII „Epar­ chien und Bischöfe“ und Titel X „Kleriker“ zusammengenommen, um eine bessere Vergleichsbasis zum CIC zu schaffen. Nahezu identisch ist c. 197 CCEO mit c. 387 CIC; beide thematisieren die Aufgabe des Eparchial- bzw. Diözesanbischofs, die Heiligkeit der Gläubigen zu fördern und dabei selbst ein Beispiel der Heiligkeit in Caritas, Demut und Einfachheit des Lebens zu geben. Die Norm des orientalischen Rechtskreises weitet die Aussage allerdings noch am Ende durch eine Ausführung zum Verb „leben“. Die Gläubigen sollen die in den Sakramenten empfangene Gnade in ihre Lebenspraxis überführen, indem sie den einen Leib Christi „in unitate caritatis“ vollenden. Aufgrund der stark theologischen Prägung der Aussage kann nicht von einer rechtlichen Konkretisierung gesprochen wer­ den. Gleichwohl wird eine Zielrichtung der Sakramente ausgedrückt, die ei­ ner Selbstverhaftung in der Feier derselbigen wehrt. Die Aussage schließt eine Verbindung der ekklesiologischen Bilder vom Leib Christi und dem Volk Gottes ein, da ersteres stärker im Heiligungsdienst verhaftet, aber von der communio caritatis des Gottesvolkes umfangen ist. In Bezug auf den CIC wurde bereits der Umfang der pastoralen Verant­ wortung des Bischofs nach c. 383 CIC besprochen. In den §§ 3 und 4 wurde sein Verhalten gegenüber Gläubigen, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen und Nichtgetauften beschrieben. Er soll ihnen mit „Menschlichkeit und Caritas“ begegnen und gegenüber den ande­ ren sowie allgemein ein Zeuge der Caritas Christi sein. Im Vergleich mit c. 192 CCEO ist es bemerkenswert, dass dort nicht das Verhalten gegenüber den genannten Gruppen normiert wird, sondern die bischöfliche Pflicht darin besteht, die Gläubigen zu einem bestimmten Verhalten gegenüber den oben genannten Gruppen zu motivieren. Dementsprechend soll den Nicht­ 193  Vgl.

Pree, Caritas im CIC und CCEO, 122.



III. Die Caritas im CCEO175

getauften aus dem Zeugnis der Christgläubigen allgemein die „caritas Christi“ aufleuchten (vgl. c. 192 § 3 CCEO). Es stellt sich aber die Frage, ob nicht die Zeugenschaft des Bischofs selbst eine Voraussetzung für eine authentische Motivation der ihm anvertrauten Gläubigen ist. Ebenfalls in der Gruppe der Normen zu den Rechten und Pflichten der Eparchialbischöfe (cc. 190–211 CCEO) ist die Gesetzesaussage zur Förde­ rung des Apostolats platziert (c. 203 CCEO), die der im Gesetzbuch des lateinischen Rechtskreises entspricht. Im gleichen Titel VII beschäftigt sich das Kapitel III mit der Pfarrei, dem Pfarrer und Pfarrvikar (cc. 279–303 CCEO). Entgegen cc. 528 f. CIC stellt das orientalische Gesetzbuch die Anweisungen für das Verhalten der Pfarrer bzgl. des Verkündigungs-, Heiligungs- und Leitungsdienstes in einer Norm zusammenhängend dar (vgl. 289 §§ 1–3 CCEO). Bereits in der Beschrei­ bung des munus docendi findet die Caritas Aufnahme, insofern die Wortver­ kündigung des Pfarrers darauf zielt, dass die Christgläubigen jeder in seiner Person in „fide, spe et caritate“ verwurzelt werden und in Christus wachsen. Ist hiermit gleichsam die innere Perspektive angesprochen, nimmt der Ca­ non die äußere im Anschluss hinzu, in der Beschreibung der Wirkung der Verkündigung nach außen hin: „communitas christiana illud testimonium caritatis reddat, quod Dominus commendavit“. Diese direkte Rückbindung der Caritas an das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe ist nur an dieser Stelle gegeben.  Der Leitungsdienst enthält die zentrale Sorge des Pfarrers für das Apos­ tolat, indem er sich den Vereinigungen, die dieses pflegen, besonders wid­ men und die Christgläubigen in diesem Dienst unterstützen soll. Darüber hinaus weist der Gesetzgeber auf die Pflicht des Pfarrers zur „väterlichen Caritas“194 gegenüber Armen und Schwachen hin. Diese Gruppen wurde zwar auch in c. 529 § 1 CIC aufgezählt, aber ihnen wurde dort eine „peculiari diligentia“ seitens des Pfarrers zuerkannt, die hinter der umfassenden Bedeutung der Caritas allerdings zurücksteht. Demgegenüber werden im CCEO die Kranken und Sterbenden, denen sich der Pfarrer nach dem CIC mit „effusa caritate“ widmen soll, nicht erwähnt. Während c. 571 CIC in nüchterner Weise normiert, dass der Kaplan bei der Ausübung seines Dienstes die gebotene Verbindung zum Pfarrer einzu­ halten hat, führt der CCEO in breiter und anschaulicher Weise aus, von 194  Die Wiedergabe der „paterna caritate“ mit „väterlicher Sorge“ durch die au­ torisierte Übersetzergruppe greift unter der Perspektive der Begriffsbestimmung von Caritas zu kurz. Der Begriff Sorge hätte sich nahe gelegt bei cura oder diligentia. Eine Entscheidung für caritas ist darüber hinaus zu begrüßen, da die Armen und Schwachen seit Christi Beispiel den Mittelpunkt kirchlicher Caritas gebildet haben.

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

welchen Eigenschaften das Verhältnis zwischen Pfarrvikar und Pfarrer ge­ prägt sein soll. Dazu gehören brüderlicher Umgang, eine gegenseitig von Caritas und Achtung geprägte Haltung, sich durch Rat, Hilfe und Beispiel zu unterstützen, um so schließlich in einmütigem Willen und gemeinsamem Eifer sich um die pfarrliche Seelsorge zu bemühen (vgl. c. 302 § 3 CCEO).195 Im Titel X des CCEO können weitere Belege zur Caritas ausgemacht werden. So greifen die cc. 344 und 346 CCEO in Entsprechung zu c. 245 CIC die Ausbildung der Alumnen auf. Auch hier beinhaltet das orientalische Gesetzbuch erneut eine Weitung in der Aussage, insofern diese ausgehend von einer gelebten Gemeinschaft mit Christus auf ihre Wirkung für die Menschen ausgerichtet wird. Dabei ist der zentrale Angelpunkt die Gottes­ liebe, die Caritas zu Christus, in der die Nächstenliebe ihren Ausgangspunkt nimmt. Diesen Gedanken nimmt auch c. 346 § 2, 2° auf, wenn er das Ziel der Ausbildung der Seminaristen, gestärkt durch die göttlichen Tugenden „fide, spe et caritate“, in einer Ähnlichwerdung mit Christus beschreibt.196 Derselbe Paragraph spricht erneut in 8° von der Caritas, die die übrigen Tugenden, die zum Erwerb als sinnvoll erachtet werden, umschließt (vgl. dazu ähnlich c. 245 § 1 CIC).197 Das Kapitel I „De institutione clericorum“ (cc. 328–356 CCEO) flechtet noch an zwei weiteren Stellen die Caritas ein: Zum einen im Rahmen der Norm über die pastorale Ausbildung, zu der auch die Erfüllung eines sozi­ alen oder caritativen Dienstes gehört (vgl. c. 353 CCEO)198, zum anderen bezogen auf die Ständigen Diakone, bei deren Lehre die Traditionen der jeweiligen Ecclesia sui iuris zum Dienst des Diakons in Liturgie, Verkün­ digung und Werken der Caritas zu berücksichtigen sind (vgl. c. 354 CCEO)199. In Kapitel III über die Rechte und Pflichten der Kleriker 195  Es kann in diesem Kontext auf den Protopresbyter verwiesen werden, zu des­ sen Aufgaben es u. a. gehört, sich um die schwer erkrankten Pfarrer seines Gebietes zu kümmern. Diese Bestimmung ist auch in c. 555 § 3 CIC gegeben. Beide bleiben aber bzgl. der expliziten Erwähnung der Caritas hinter c. 447 § 3 CIC / 1917 zurück (s. o.). Paarhammer verweist allerdings im Kommentar zu c. 555 CIC auf das Parti­ kularrecht, welches vielfach eine detailliertere Bestimmung zur Krankenfürsorge seitens des Dechants enthält (vgl. Hans Paarhammer, zu c. 555, Rdnr. 8, in: MK CIC [Stand: 11. Erg.-Lfg., November 1989]). 196  Das lateinische Gesetzbuch beinhaltet dazu keine Parallelnorm. 197  Der Verzicht des CCEO auf den Hinweis, dass die Alumnen dem Papst in demütiger und kindlicher Caritas gegenüberstehen (vgl. c. 245 § 2 CIC), versteht sich aufgrund des orientalischen Verfassungsrechtes (vgl. c. 346 § 2, 7°). 198  Der entsprechende Canon im CIC erwähnt nicht explizit eine auszuübende caritative Tätigkeit, sondern bezieht sich generell auf die Ausbildung zum Apostolat, die im Erlernen gewisser Seelsorgepraxis besteht (vgl. 258 CIC). 199  C. 236 CIC erwähnt die Caritas als dritte Grundfunktion der Kirche nicht, aber dies kann nicht als wesentlicher Unterschied bezeichnet werden, da der CCEO



III. Die Caritas im CCEO177

(cc. 367–393 CCEO) schließt sich eine Bestimmung zum Umgang der Kle­ riker untereinander an, bei der die Gesetzbücher nah beieinanderliegen, in­ dem sie die Art des Umgangs („vinculo caritatis uniti ad unum“ c. 379 CCEO); „vinculo fraternitatis et orationis“, c. 275 CIC) am Aufbau des Leibes Christi ausrichten. Ein deutlicher Ausdruck der Caritas, jedoch ohne selbige direkt zu nennen, bildet c. 381 CCEO § 1200. Apostolat ist hier als Ausdruck der Caritas verwendet, dabei verdeutlicht die Norm die caritative Ausrichtung des klerikalen Dienstes, indem sie an die biblische Perikope vom Weltgericht erinnert und die dort skizzierten Werke der Barmherzigkeit (vgl. Mt 15, 31–46). Zuletzt ist der Begriff der Caritas in diesem Kapitel in c. 384 § 1 CCEO eingesetzt. Dort werden die Kleriker als Diener der Aus­ söhnung für Frieden, Einheit und Eintracht und damit umfassend für Ge­ rechtigkeit eintretend beschrieben. Dies können sie nur aufgrund ihrer Ver­ haftung „in Christi caritate“ erfüllen.201 Demzufolge ist der Blick auf die Caritas ursprünglicher, da der Einsatz für Gerechtigkeit in der Perspektive der Gottes- und Nächstenliebe verwurzelt ist. Dem Gläubigen, der in der Wechselbeziehung von Gottes- und Nächstenliebe verankert ist, ergeben sich aus dieser Sichtweise die übrigen Tugenden und Visionen von mensch­ lichem Zusammenleben. cc) Mönche, andere Religiose und Mitglieder weiterer Institute des geweihten Lebens Das Gesetzbuch der unierten Ostkirchen gliedert den Titel XII in die vier Kapitel „Mönche und andere Religiose“ (cc. 410–553 CCEO), „Ordensähn­ liche Gesellschaften des gemeinsamen Lebens“202 (cc. 554–562 CCEO), „Säkularinstitute“ (cc. 563–569 CCEO) und „Andere Formen des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens“ (cc. 570 ff. CCEO) und nimmt damit eine andere Einteilung als der CIC vor. es auch nicht als Spezifikum des Diakons erwähnt, sondern lediglich festhält, dass alle Bereiche kirchlichen Lebens in der Ausbildung berücksichtigt werden müssen. 200  „Erfüllt von apostolischem Eifer sollen die Kleriker allen in Wohltätigkeit und Gastfreundlichkeit als Beispiel dienen, besonders gegenüber Kranken, Bedrängten, Verfolgung Leidenden, Vertriebenen und Flüchtlingen.“ Dazu gibt es keine Parallele im CIC. 201  C. 287 CIC stimmt mit der Aussage des orientalischen Gesetzbuches überein, nimmt jedoch keine Rückbindung an die in Christus verwurzelte Caritas vor. 202  In c. 554 § 1 CCEO gibt der Gesetzgeber eine Legaldefinition zum Verständ­ nis der ordensähnlichen Gesellschaften des gemeinsamen Lebens: „Ein Institut, in dem die Mitglieder die evangelischen Räte durch irgendeine geistliche Bindung, aber nicht durch Ordensgelübde versprechen und die Lebensweise des Ordensstan­ des unter der Leitung von Oberen gemäß den Statuten nachahmen, ist eine ordens­ ähnliche Gesellschaft des gemeinsamen Lebens.“

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

Das Charakteristikum innerhalb des Eröffnungscanons der verschiedenen Institute und Gesellschaften, das Streben nach vollkommener Caritas zu erwähnen, wie dies im CIC der Fall ist (vgl. cc. 573 § 1; 710; 731 § 1 CIC), findet sich nicht in gleicher eindeutiger Weise im orientalischen Gesetzbuch. Zwar trifft es für die erste Norm des Kapitels I zu (vgl. c. 410 CCEO), nicht hingegen mit Blick auf die Säkularinstitute. Dort wird nur deren apostoli­ sche Tätigkeit in ihrer Wirkung nach Art des Sauerteigs beschrieben (vgl. c. 563 § 1, 2° CCEO; c. 713 § 1 CIC). Das Kapitel IV nimmt die Rede von der caritatis perfectionem wieder auf, aber erst im dritten Canon (vgl. 572 CCEO; c. 731 § 1 CIC). Identisch ist die Aussage der beiden Gesetzbücher zur Visitation, bei der die Befragten „veritatem in caritate“ (c. 420 § 2 CCEO; c. 628 § 3 CIC) zu antworten haben. Im Kontext der Visitation, zu der auch der Eparchialbi­ schofs bzw. Diözesanbischof unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt ist, spricht der CCEO zusammenfassend von den verschiedenen Werken des Apostolates, während der CIC von den an die Religiosen übertragenen reli­ giösen und caritativen Werken sprach (c. 415 §§ 1, 2 CCEO; c. 683 § 1 CIC). Diese Verwendung von Apostolat als Oberbegriff impliziert keine inhaltliche Differenzierung. Innerhalb des Kapitels I folgen auf die allgemeinen Canones (cc. 410–432 CCEO) die Normen zu den Klöstern (cc. 433–503 CCEO) einerseits und diejenigen zu Orden und Kongregationen (cc. 504–553 CCEO) andererseits. Beide treffen Aussagen im Rahmen der jeweiligen Aufnahmebestimmungen zu dem Novizenmeister. Dieser soll Mitglied des Klosters, des Ordens, der Kongregation und seit zehn Jahre Professe sein. Bei der zweiten Gruppe kommt noch die empfangene Priesterweihe hinzu, wenn es sich um einen klerikalen Orden bzw. eine Kongregation handelt. Bis hierhin sind die Re­ gelungen denen des CIC ähnlich, auch hier soll die betreffende Person Mitglied des Instituts sein, die ewigen Gelübde abgelegt haben und recht­ mäßig bestellt sein (vgl. c. 651 § 1 CIC). Der CCEO geht jedoch noch da­ rüber hinaus, indem er eine Reihe von Tugenden benennt, die ebenfalls als Voraussetzung zur Amtsübernahme dienen: prudentia, caritas, pietas, scientia. Hinzu kommt noch eine weitere, die je nach Gruppe variiert: „vitae monasticae“ (c. 458 § 1 CCEO) bzw. „status religiosi“ (c. 524 § 1 CCEO). Zwar haftet den Tugenden stets eine gewisse Allgemeinheit an, sie bieten aber innerhalb eines Auswahlverfahrens durchaus weitere Kriterien, die rechtlich beachtet werden können und müssen.  Wenn einem Mitglied die Exklaustration203 auferlegt wird oder wenn dieses aus dem Kloster austritt bzw. aus diesem entlassen worden ist, so soll 203  Unter Exklaustration ist die „zeitlich begrenzte rechtliche Aussonderung eines Professen mit ewigen Gelübden aus einem Ordensinstitut“ zu verstehen. Dieser kann



III. Die Caritas im CCEO179

ihm mit „aequitate et caritate“ begegnet werden (vgl. cc. 490; 503 § 2; 553; 562 § 3 CCEO; vgl. auch ebenso c. 702 § 2 CIC). b) Zusammenfassung der übrigen Stellen zur Caritas Neben diesen vier besprochenen Titeln wird in zehn weiteren die Caritas erwähnt. Titel IV über die Patriarchatskirchen (cc. 55–150 CCEO) be­ schreibt in c. 88 CCEO das Verhältnis zwischen Patriarch und seinen Bi­ schöfen. Während diese dem Patriarchen „honorem et obsequium“ erweisen sollen, ist es an ihm, den Bischöfen in Achtung beiseite zu stehen und sie mit „fraterna caritate“ zu führen (§ 1). Wie diese Stelle findet die nächs­ te im Blick auf das Einbringen der Caritas keine Entsprechung im CIC. Im Titel XI über die Laien (cc. 399–409 CCEO) handelt c. 401 CCEO über die Beschaffenheit des den Laien eigenen Dienstes an der Sendung der Kirche, welcher als solcher bereits in c. 399 CCEO festgehalten wur­ de.204 Die gezeichnete fünffache Ausrichtung des laikalen Dienstes (Su­ chen des Reiches Gottes, Zeuge sein für Jesus Christus, Verkündigung, Einsatz für Gerechtigkeit, Förderung der Heiligung der Welt) ist grundge­ legt in ihrer eigenen Berufung und entspringt einer Verankerung in den drei göttlichen Tugenden.205 Der Eröffnungscanon des Titels XIV, der der Evangelisierung der Völker gewidmet ist (cc. 584–594 CCEO), setzt nicht beim ius nativum der ganzen Kirche zur Evangelisierung an (vgl. c. 781 CIC), sondern beschreibt diesen Auftrag der ganzen Kirche ausgehend von der göttlichen Dreifaltigkeit, wobei die Gnade und Caritas des Heiligen Geistes diesen Dienst bewegt (c. 584 § 1 CCEO). Der anschließende Titel XV über das Lehramt (cc. 595–666 CCEO) führt in c. 620 CCEO aus, dass Christgläubige, die sich in Vereinen, Bewegungen und Gruppen zusammengeschlossen haben, unter der Leitung des Ortshier­ archen eine Bildungspflicht gegenüber ihren Mitgliedern haben. Dabei werden die Vereinigungen eingeschränkt auf die, die Zwecken der Fröm­ migkeit und des Apostolats oder den opera caritatis und der Hilfeleistung auf Antrag des Professen stattgegeben werden oder auch zwangsweise auferlegt wer­ den (vgl. Reinhold Sebott, Art.: Exklaustration, in: LThK, Bd. 3, 31995, 1119). 204  Es muss kritisch darauf hingewiesen werden, dass sich weder in cc. 399 noch 401 CCEO die explizite Verankerung der Sendung der Laien in Taufe und Firmung (vgl. c. 225 CIC) findet. 205  Zusätzlich nimmt der Gesetzgeber hier das Motiv des Sauerteiges erneut auf, das auch im Zusammenhang mit den Säkularinstituten eingesetzt wird (vgl. c. 563 § 1, 2° CCEO; c. 713 CIC). Durch ihr Leben in „fide, spe et caritate“ durchdringen und prägen Laien die Gesellschaft.

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

gewidmet sind.206 Der Titel enthält zudem ein eigenes Kapitel III zur katho­ lischen Erziehung (cc. 627–650 CCEO). Eine katholische Schule zeichnet sich dabei u. a. durch eine spürbare Prägung aus dem „spiritu evangelico libertatis et caritatis“ aus (c. 634 § 1 CCEO). Innerhalb des Sakramentenrechts (cc. 667–866 CCEO) des Titels XVI (cc. 667–895 CCEO) wird die Caritas dreimal erwähnt. Die zwei Stellen im Eherecht (cc. 859 § 3; 863 § 1 CCEO)207 sind identisch mit den besproche­ nen Normen des lateinischen Rechtskreises (vgl. cc. 1148; 1152 § 1 CIC). Hinzu kommt c. 701 CCEO, der die Konzelebration zwischen Priestern und Bischöfen verschiedener Ecclesiae sui iuris bei Vorliegen einer iusta causa erlaubt. Diese besteht insbesondere bei dem Anliegen, damit die Caritas der Kirchen zueinander zu fördern und die Einheit zu veranschaulichen. Titel XVIII verkörpert eine Eigenart des orientalischen Gesetzbuches, insofern er einen eigenen Abschnitt über den Ökumenismus bildet (cc. 902– 908 CCEO). Trotz seiner Kürze hebt er die Bedeutung des Themas unter­ streichend hervor. Die letzte Norm (c. 908 CCEO) ist als Wunsch des Ge­ setzgebers an alle christifideles catholici gerichtet. Diese mögen alle Vorha­ ben, die eine Zusammenarbeit gestatten, nutzen und die Anliegen in Ge­ meinschaft durchführen bzw. voranbringen. Beispielhaft werden an erster Stelle die Werke der Caritas und der sozialen Gerechtigkeit genannt, dem schließen sich die Verteidigung der Würde der menschlichen Person und ihrer Grundrechte, die Förderung des Friedens, Gedenktage für das Vater­ land und nationale Feiertage an.208 Wie bereits gesehen, sind dem Gesetzbuch der unierten Ostkirchen keine allgemeinen Normen vorangestellt. Daher sind z. B. die Äußerungen zu den 206  Im CIC gibt es keine Parallelnorm. Interessant ist die paarweise Gegenüber­ stellung durch die Satzkonstruktion „sive … sive“, so bilden die Zwecke der Fröm­ migkeit und des Apostolats die eine, die Werke der Caritas und der Hilfe die zwei­ te Gruppe. Dabei bildet die erste Paarung die umfassendere, da auch allgemein von Apostolat die Rede ist, während die zweite ausgerichtet ist auf konkrete Hilfestel­ lung, wie insbesondere durch „adiumentum“ ersichtlich wird. 207  Es ist nicht erkennbar, warum sich die Übersetzergruppe in beiden Canones für die Übersetzung mit „Nächstenliebe“ entschieden hat. Denn davon ist ansonsten nur die Rede, wenn die Begriffskombination „caritas christiana“ vorliegt, wie es der Fall in den entsprechenden Eherechtsnormen des CIC ist. Auch wenn sich die in­ haltliche Aussage stark ähnelt, rechtfertigt dies nicht eine begriffliche Übertragung. 208  Die Norm greift die Aussage der Konzilsväter aus dem Dekret über die ka­ tholischen Ostkirchen (vgl. OE 24) auf (vgl. Dekret über die katholischen Ostkir­ chen Orientalium Ecclesiarum [OE], in: AAS 57 [1965] 76–89, dt. Übers. in: LThKVatII / 1, 364–392). Innerhalb der Aufzählung verwundern die beiden letztge­ nannten Aspekte, da sie nicht in den sozialcaritativen bzw. sozialethischen Bereich passen, sondern stärker staatlich-nationale Prägung implizieren. Dies muss im Zu­ sammenhang der primären Verortung der unierten Kirchen gesehen werden. Jenes kann es jedoch lediglich erklären und nicht rechtfertigen.



III. Die Caritas im CCEO181

physischen und juristischen Personen in einem eigenen Titel zusammen mit Rechtshandlungen angeordnet (Titel XIX, cc. 909–483 CCEO). Der Defini­ tion einer juristischen Person folgt die Regelung in c. 921 CCEO, dass diese für ein Ziel errichtet wird, das der Sendung der Kirche entspricht. Anders als c. 114 § 2 CIC werden aber diese Ziele nicht – auch nicht in beispielhafter Weise – aufgezählt. Die vier Belegstellen (cc. 1007; 1029; 1035 § 1, 1°; 1047 § 1, 1° CCEO) im Vermögensrecht (Titel XXIII, cc. 1007–1054 CCEO) entsprechen den bereits besprochenen des CIC.209 Schließlich folgt noch eine Nennung der Caritas. So besteht im Bereich der Strafverhängung (Titel XXVII, cc. 1401–1467 CCEO) nach c. 1426 § 1 CCEO die Möglichkeit, dass auch eine Strafe auferlegt werden kann, die in der Ausführung eines „grave opus religionis vel pietatis vel caritatis“ be­ steht. Dazu folgen beispielhafte Explikationen wie „bestimmte Gebete, eine Wallfahrt, ein besonderes Fasten, Almosen, geistliche Einkehrtage“. In die­ ser Aufzählung ähnelt die Norm c. 2313 § 1 CIC / 1917 bzw. der gestraffteren Fassung im heutigen c. 1340 § 1 CIC.  3. Ergebnisse Die bereits vergleichend angelegte Erarbeitung des Befunds zum CCEO zeigte, dass die Begrifflichkeit selbst nahezu identisch verwendet wird, leider auch bezüglich der sprachlichen Ungenauigkeiten in der Verhältnisbe­ stimmung von Caritas und Apostolat (vgl. u. a. 25 § 1 CCEO). Überdies hat die Untersuchung deutlich werden lassen, dass die Verant­ wortung der Gläubigen für die Caritas im Bereich der Pflichten und Rechte derjenigen im CIC entspricht, da die Normen diesbezüglich gleich sind. Bemerkenswert ist darüber hinaus die in c. 10 CCEO vollzogene Verbindung von Verkündigung und Caritas. Diese Sichtweise, dass die Verkündigung des Wortes Gottes nicht in sich selbst verhaftet bleiben darf, sondern auf praktische Erfüllung in Werken der Caritas zielt, findet sich auch in c. 197 CCEO in Bezug auf die Feier der Sakramente. Auch diese beinhalten eine Zielrichtung auf die Caritas. Die Befundstellen zeigen eine hervortretende Mehrheit im Bereich der Aussagen zu Bischof, Pfarrer und Klerikern allgemein. Hinsichtlich des 209  Vgl. dazu cc. 1254; 1285; 1293 § 1, 1°. Im Eröffnungscanon ist lediglich die Reihenfolge der vier Zwecke dahingehend geändert worden, als dass der Unterhalt für die Amtsträger im CCEO an vierter Stelle steht. Zudem wurde das Zitat aus PO 17,3 „praesertim erga egenos“ ausgelassen. Die Bestimmung zu den frommen Stif­ tungen in c. 1047 § 1, 1° CCEO entspricht c. 1303 § 1 CIC, der aber nicht selbst von der Caritas spricht, sondern auf c. 114 § 2 CIC verweist.

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C. Caritas und Kirchenrecht in universalrechtlicher Perspektive

Bischofs wird neben der gerade genannten Norm auch in c. 203 CCEO die Verpflichtung ausgesprochen, dass er die Gläubigen zur Caritas anhalten soll, sodass die gesamte Glaubensgemeinschaft in der Verantwortung steht, Zeuge der Liebe Christi zu sein.210 Identisch sind die Gesetzbücher darin, dass der Bischof für die Förderung und Lenkung des Apostolats verantwort­ lich ist (vgl. cc. 203 CCEO; 394 CIC). Der Pfarrer ist in seinem Amt rückgebunden an das Gebot Jesu Christi zur Gottes- und Nächstenliebe und es ist seine Aufgabe, innerhalb des Ver­ kündigungsdienstes eine Verbindung zur Caritas herzustellen (vgl. c. 289 § 1 CCEO) sowie aufgrund seines Leitungsdienstes das Apostolat zu fördern (vgl. c. 289 § 3 CCEO). Die Tugend der Caritas prägt allgemein das Ver­ halten der Kleriker und dient dem Aufbau des Leibes Christi (c. 379 CCEO). Das Streben nach Vollkommenheit der Caritas ist auch für die orientali­ schen Institute und Gesellschaften eine wesentliche Größe (vgl. cc. 410; 572 CCEO). Gleichwohl ist die Caritas als Tugend innerhalb der Gesetzestexte nicht stark ausgeprägt. Im übrigen Teil des orientalischen Gesetzbuches tritt die Caritas überwie­ gend als Tugend in Erscheinung, die das Verhalten prägen soll (vgl. u. a. 401; 701 CCEO). Hervorzuheben ist noch ihre Rolle im Ökumenismus, wo es ihr zukommt, das gemeinsame Tun zu stärken (vgl. c. 908 CCEO). Im Vermögensrecht genießt sie die gleiche hervorgehobene Stelle wie im CIC als eine der vier kirchlichen Rechtfertigungsgründe, Geld zu erwerben.

IV. Vergleichende Zusammenschau der drei untersuchten Gesetzbücher Wie bereits mehrfach erwähnt, wird der Begriff Caritas entweder als Tugend oder als Werk, also in einem organisierten Sinn, verwendet. Dabei drängt sich der Eindruck auf, dass bisweilen die Caritas auch als wahllos theologisch verschönernde Begrifflichkeit eingesetzt wird. Mit anderen Worten: Hinter der Verwendung steht nicht in allen Fällen ein durchdachtes Konzept. Bisweilen nimmt aber der Gesetzgeber eine theologische Rückbindung der Caritas an ihren zentralen Bezugspunkt in der Caritas Christi vor. Ver­ einzelt erfolgt sogar eine ausdrückliche Anknüpfung an das Doppelgebot (Mk 12, 28–31; vgl. c. 289 § 1 CCEO). Auf die sprachlichen Ungenauigkeiten hinsichtlich Caritas und Apostolat wurde mehrfach hingewiesen. 210  Vgl.

hierzu die unter C. II. 2. a) bb) benannten Unterschiede zu c. 383 CIC.



IV. Vergleichende Zusammenschau der drei untersuchten Gesetzbücher 183

Der Vergleich der beiden lateinischen Kodifikationen von 1917 und 1983 lässt eine Weiterentwicklung bzgl. der Caritas erkennen. Im Gegensatz zum CIC  /  1917 ist dem CIC  /  1983 eine Verantwortung der christifideles, also Laien wie Klerikern, für die Caritas zu entnehmen. Caritas als Amtspflicht des Pfarrers tritt tatsächlich am deutlichsten im Gesetzbuch von 1917 hervor, danach folgt der CCEO. Im CIC wird seine Beziehung zur Caritas nur im c. 529 § 1 in den Blick genommen und dort auch nur implizit. Der CIC / 1917 erwähnte die Caritas nicht im Zusammenhang mit dem Bischofsamt. Dies ist in der Kodifikation von 1983 und im CCEO anders. In beiden, wenngleich etwas markanter im CIC, kann eine Verantwortung des Diözesan- bzw. Eparchialbischofs für die Caritas als Tugend wie in der organisierten Form herausgearbeitet werden. Wie jedoch gesehen, bleiben die Gesetzbücher hinter einer hinreichenden Darstellung der bischöflichen Verantwortung zurück. Eine direkte Formulierung zu einer „amtlichen Caritas“ dergestalt, dass „ein Bischof in seiner Teilkirche neben den privat­ rechtlichen caritativen Vereinen ergänzend oder konkurrierend amtliche Strukturen caritativer Sorge einrichten müßte“211, gibt es tatsächlich nicht. Das bedeutet aber eben nicht, dass die bischöfliche Aufgabe hinsichtlich der Caritas einzig darin besteht, die „privatrechtlichen Strukturen so zu fördern, zu unterstützen und zu koordinieren, daß diese in der Lage sind, allen cari­ tativen Aufgaben in der betreffenden Teilkirche gerecht zu werden“212. Denn eine solche Herangehensweise wird, wie bereits beschrieben, dem kirchlichen Sendungsauftrag zur Caritas nicht hinreichend gerecht. Weder bei den alle Gläubigen betreffenden Gesetzestexten, noch bei den Klerikern allgemein, dem Pfarrer oder Bischof wird eine explizite Verant­ wortung für die Caritas ausgesprochen. Aber sie kann im CIC und im CCEO in Ansätzen herausgearbeitet werden. Die Wahl der Überschrift ist demnach zumindest teilweise berechtigt, da durchaus von einer Verantwortung der Christgläubigen insgesamt als auch speziell des Bischofs gesprochen wer­ den kann. Abschließend ist die mehrfach eingebrachte Verbindung im CCEO zwi­ schen den kirchlichen Grunddiensten positiv hervorzuheben, die sich in dieser Art nicht in den anderen beiden Gesetzbüchern findet. 211  Hallermann, Strukturen kirchlicher Caritas im geltenden Recht, 452. Die von Hierold beschriebenen ergänzenden Strukturen seitens der kirchlichen Hierarchie unter den Generalverdacht einer konkurrierenden Struktur zu stellen, wird der Sach­ lage nicht gerecht, da dies weder so intendiert noch in dieser Weise umgesetzt wer­ den muss. 212  Ebd.

D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive In den vorangegangenen Untersuchungen konnten bereits charakteristi­ sche Merkmale der Caritas herausgearbeitet werden. Ausgehend von der Bestimmung als einem der zentralen Sendungsaufträge der Kirche Jesu Christi ist sie sowohl in die Verantwortung jedes einzelnen Gläubigen als auch in die Verantwortung des Bischofs gelegt. Dies konnte jedoch in den herangezogenen universalkirchlichen Gesetzbüchern, obwohl es durchaus positiv zu bemerkende Tendenzen gibt, nur in begrenzter Weise wiederge­ funden werden.  Weil die Gesamtkirche in und aus Teilkirchen besteht (vgl. LG 23,1) und diese je eigene Ausprägungen auch im rechtlichen Bereich durch die Schaf­ fung von Partikularrecht aufweisen, müssen die Aussagen des Universal­ rechtes ergänzt werden durch eine zumindest beispielhafte Beschäftigung mit dem Partikularrecht. Die zu behandelnden Fragen lauten daher: Wie wird dieser Wesensvollzug in den Diözesen umgesetzt? Welche Rolle kommt dabei dem Bischof und den übrigen Gläubigen zu? In diesem Kapitel wird die Organisation der Caritas im deutschsprachigen Raum, also in Deutschland, Österreich und der Schweiz, analysiert. Nach der Betrachtung der gesamtstaatlichen Situation werden einzelne Diözesen zur Einzeluntersuchung herausgegriffen.1 Für Deutschland sind dies die Erzdiözesen Köln sowie München und Freising.2 Innerhalb der österrei­ 1  Unter dem Abschnitt B. II. zur Organisation der Caritas wurde darauf einge­ gangen, dass es stets einer Zusammenfassung und Koordinierung der Caritas auf der Ebene der Bischofskonferenz bedarf, weil die Aufgaben über den einzelnen Bereich der Teilkirchen hinausgehen. 2  Es ist sinnvoll, für diesen Bereich zwei Bistümer näher zu betrachten, da sich die Organisation teilweise signifikant unterscheidet, insofern es neben der Mehrzahl an nur in das staatliche Vereinsregister eingetragenen Diözesancaritasverbänden (DiCV) auch den kirchlich errichteten Diözesancaritasverband für das Erzbistum Köln gibt. Die Situation im Erzbistum München und Freising ist insofern besonders, als der Diözesancaritasverband in den Landescaritasverband Bayern eingebettet ist, der historisch zunächst eine Parallelstruktur zum Deutschen Caritasverband bildete. Gegenüber den übrigen DiCVs, die dem Landescaritasverband angehören, bietet sich der der gewählten Erzdiözese in besonderer Weise an, weil er im Hinblick auf die erzbischöflichen Rechte eine interessante Vergleichsbasis zu dem kirchlich errichte­ ten Kölner DiCV eröffnet.



D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive 185

chischen Bischofskonferenz wird das Bistum Innsbruck3 und die dortige Caritas-Organisation untersucht und schließlich werden die Verhältnisse im Bereich der Schweiz expliziert am Bistum St. Gallen4. Diese Betrachtungen zielen darauf, neben einer bloßen Faktenerhebung der Organisation, die damit gegebenen Implikationen herauszuarbeiten. Da­ zu gehört unter Anknüpfung an den biblischen Befund, der u. a. die carita­ tive Beteiligung des einzelnen Christen erkennen ließ, die Frage, wie die Gläubigen in den Vollzug der Caritas eingebunden sind. Wird dies durch die gegebene Organisation eher gefördert oder eher unterbunden?5 Bemerkenswert ist zudem eine Hinzunahme der Außenperspektive und zwar unter zweierlei Hinsicht. Denn das sozial-caritative Engagement der Kirchen ist besonders in Deutschland ein weithin wahrnehmbares gesell­ schaftliches Phänomen, welches zugleich auch finanziell gesehen eine aus­ geprägte Verknüpfung mit dem Staat aufweist. Wie wird dies bewertet, insbesondere bezogen auf das Drittel der Bevölkerung, das keiner christ­ lichen Konfession angehört?6 3  Die österreichischen DiCVs wurden nach dem Zweiten Weltkrieg, wie noch besprochen werden wird, als diözesane Ämter errichtet. Die Organisation der Caritas des Bistums Innsbruck wird herausgegriffen, da es hier in den letzten Jahren zu einer signifikanten Änderung der Rechtsform hin zu einer kirchlichen Stiftung gekommen ist. Auf dem Hintergrund des allgemeinen Wachstums von Stiftungen ­ – kirchlicher wie staatlicher Art – ist dies zusätzlich bemerkenswert. 4  Für die partikularrechtliche Untersuchung in der Schweiz wurde das Bistum St. Gallen ausgewählt, weil sich an ihm – wie zu zeigen sein wird – bemerkenswer­ te Unterschiede im Vergleich zur gesamtschweizerischen Situation, die durch ein ausgeprägtes Autonomiebewusstsein seitens der Leitung der Caritas Schweiz geprägt ist, aufzeigen lassen. In der Diözese St. Gallen findet sich nämlich demgegenüber eine interessante Zusammenstellung von bischöflicher und laikaler Verantwortung in der Caritasorganisation. 5  Bereits 1954 hinterfragte Franz Klein diese für ihn außerordentlich bedeutsame Beteiligung der Laien, da er in der Verbandsstruktur zugleich eine Gefahr für die Motivation des Einzelnen sah. „Die Verwirklichung dieses Zieles bereitet des­ halb erhebliche Schwierigkeiten, weil der größte Teil der Christen entwöhnt ist, persönliche Caritas zu üben, statt dessen glaubt, mit der Entrichtung einer Geldspen­ de an die organisierte Caritas ihrer Liebespflicht Genüge getan zu haben. Diese Situation ist wesentlich dadurch herbeigeführt worden, daß die äußeren Werke der Barmherzigkeit in unserer Zeit vornehmlich durch Organisationen verschiedenster Prägung geübt werden und dabei die Pfarrgemeinde nach dem Vorbild der urchrist­ lichen Zeit den Charakter des Liebeszentrums verloren hat“ (Klein, Christ und Kir­ che, 93). 6  „Warum ist den Kirchen das sozial-caritative Engagement in unserer Gesell­ schaft und in der übrigen Welt so wichtig? Was – so wird politisch gefragt – sind die möglichen Absichten der Kirchen, sich so umfangreich zu engagieren? Denn das ‚Sozialimperium‘ der Kirchen ist unübersehbar und löst bei nicht unbedeutsamen gesellschaftlichen Gruppen und Parteien Befürchtungen und Ängste aus und läßt

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

Ergänzt wird diese Beschreibung durch die Frage nach der Identität, an­ ders gesagt, durch die Frage nach dem katholischen Profil der Organisation, besonders wenn sie in Verbandsform auftritt. Der schweizerische Historiker Urs Altermatt verweist auf den Zusammenhang zwischen fortschreitender Säkularisierung und zunehmend verblassendem katholischen Profil der Ver­ bandscaritas, ohne dass es jedoch zu einer grundsätzlichen Infragestellung desselbigen gekommen wäre.7 Dieser Umstand bietet gleichzeitig die Gele­ genheit zu einer ungewöhnlichen Begegnung zwischen der verfassten Kirche und Personen, die dieser eher fern stehen, da über die organisierte Caritas „eine gewisse Verbindung zu christlichen Werken und Werten“8 ermöglicht wird. Es ist zu berücksichtigen, dass die Diskussion um das katholische Profil, die auch von Benedikt XVI. aufgegriffen wird9, vielfach um der Abgrenzung von anderen sozial tätigen Organisationen willen geführt wird. Zugleich wird sie teilweise als Bedrohung erlebt, insofern Caritasmitarbeiter und Caritasmitarbeiterinnen eine rigide Einordnung unter die hierarchisch verfasste Kirche befürchten.10 Die benannten Aspekte lassen sich schließlich im Rahmen einer partiku­ larrechtlichen Untersuchung in der Frage bündeln, ob der Weg der jeweils gegebenen Organisation der Caritas „für die Bewährung der Kirche in der immer wieder nach der Abschaffung der staatlichen Unterstützung der Kirchen, ins­ besondere der in Deutschland von staatlichen Stellen eingezogenen Kirchensteuer, rufen.“ (Heinrich Pompey, Caritas – das menschliche Gesicht des Glaubens. Öku­ menische, internationale, interreligiöse und interdisziplinäre Anstöße einer Diakonie­ theologie, in: ders. [Hrsg.], Caritas – das menschliche Gesicht des Glaubens. Öku­ menische und internationale Anstöße einer Diakonietheologie, Würzburg 1997 [Stu­ dien zur Theologie und Praxis der Caritas und Sozialen Pastoral, 109], 9–18, 9.) 7  Urs Altermatt, Caritas Schweiz: Von der katholischen Milieuorganisation zum sozialen Hilfswerk 1901–2001, in: ders. / Albert Schnyder (Hrsg.), Von der katholi­ schen Milieuorganisation zum sozialen Hilfswerk, 100 Jahre Caritas Schweiz, Lu­ zern 2002, 15–42, 34 f. 8  Ebd. Altermatt nimmt hier einen Gedanken von Karl Gabriel auf und schreibt weiter: „Man kann sogar davon ausgehen, dass die soziale Diakonie für kirchenfer­ ne Katholiken einen wichtigen Grund darstellt, um trotz der Distanz zur Amtskirche weiterhin die formale Kirchenmitgliedschaft aufrechtzuerhalten. Kirchenferne Katho­ liken blieben über das Fürsorge- und Sozialwesen, d. h. konkret über die Caritas, lose mit dem Katholizismus verbunden.“ (ebd.) 9  Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Deus caritas est, n. 31. 10  Speziell die Fragen nach Einstellungsvoraussetzungen und die damit im Zu­ sammenhang stehende Berücksichtigung der „Grundordnung des kirchlichen Diens­ tes im Rahmen kirchlicher Aktivitäten“ stehen hier im Raum, können aber im Rah­ men dieser Arbeit nicht weiter ausgeführt werden (vgl. Die Deutschen Bischöfe [Nr. 51], Hirtenschreiben, Erklärung der deutschen Bischöfe zum kirchlichen Dienst [22. September 1993], Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz [Hrsg.], Bonn 1993).



I. Caritas in Deutschland187

modernen Gesellschaft auf Dauer zielführend“11 ist. Dazu sind eine regel­ mäßige Überprüfung der Strukturen und ihre Ausrichtung am Sendungsauf­ trag Christi unter Berücksichtigung der soziologischen Gegebenheiten not­ wendig.

I. Caritas in Deutschland 1. Geschichtliche Entwicklung der organisierten Caritas In Deutschland ist die Entstehung der Verbandsstruktur innerhalb der organisierten Caritas untrennbar mit der Person Lorenz Werthmann (1858– 1921) verknüpft.12 Auf seine führende Initiative hin wurde am 9. November 1897 der ‚Charitasverband für das katholische Deutschland‘ in Köln ge­ gründet.13 Dieses zeitgeschichtliche Ereignis bündelte die in der Mitte des 11  Walter Fürst, Diakonische Pastoral und pastorale Diakonie. Bewährung der Kirche in der modernen Gesellschaft, in: Norbert Feldhoff / Alfred Dünner (Hrsg.), Die verbandliche Caritas. Praktisch-theologische und kirchenrechtliche Aspekte. Freiburg i. Br. 1991, 52–80, 56. Diese allgemein bedeutsame Frage bezog Fürst ­speziell auf die deutsche Situation und weitete sie auf die europäische Lage: „Ist [der Weg kirchlicher Caritasorganisation, wie er in der deutschen Kirche bestritten wird,] geeignet, die weltweiten religiösen und sozialen Herausforderungen, denen vor allem das europäische Christentum in Zukunft ausgesetzt sein wird, zu beste­ hen? Hat die sozialstaatlich engagierte kirchliche Caritas Modellcharakter für Euro­ pa oder wird sie den europäischen Einigungsbestrebungen zum Opfer fallen? Wird sie die politischen und kulturellen Veränderungen in unserem Land überleben?“ (ebd.) 12  Manfred Eder zählt Lorenz Werthmann „zu den großen Sozialpolitikern und Priestergestalten seiner Zeit“ (Manfred Eder, Art.: Werthmann, Lorenz, in: LThK3, Bd. 10, 1111). Er war nach seinen Studien bischöflicher Sekretär in Limburg und später erzbischöflicher Sekretär in Freiburg i. Br. Als die beiden zentralen, mit sei­ nem Wirken verbundenen Ereignisse sind die Gründung der Zeitschrift „Charitas“ im Jahr 1895 sowie die Initiierung des „Charitasverband[es]“ 1897. 13  Seit 1921 trägt der Verband den Namen „Deutscher Caritasverband“ (DCV). Eine Durchsicht der zum hundertjährigen Bestehen des DCV herausgegebenen Denkschriften ergibt, dass bis zum Jahr 1906 die alte Schreibweise („Charitas“) verwendet wurde, während die Denkschriften ab 1910 die bis heute aktuelle Schreib­ weise („Caritas“) belegen. Der Unterschied in der begrifflichen Herkunft, demnach „Charitas“ vom griechischen Begriff χάριϚ (Gnade) abgeleitet ist, spiegelt sich nicht in der Verwendung wider. Der Hintergrund dieser unterschiedlichen Schreibweise wurde 1909 von Franz Schaub in seiner Veröffentlichung „Die katholische Caritas und ihre Gegner“ aufgeklärt. Demnach wurde bis zum 15. Jahrhundert die Schreib­ weise „caritas“ verwendet. Erst die offizielle Vulgata Ausgabe von 1592 weist die schreibweise „charitas“ auf. Dies hing, so Schaub, mit einer Wiederentdeckung Isi­ dors von Sevilla (um 560–636) und einer etymologischen Erklärung in einem da­ mals verbreiteten Wörterbuch zusammen, dass plötzlich „charitas“ im Sinn von „charis“ mit Gnade und Liebe wiedergab (vgl. dazu Franz Schaub, Die katholische

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

19. Jahrhunderts entstandenen Bestrebungen, die verschiedenen caritativ tätigen Gruppierungen in einem zentralen Organ zusammenzufassen.  Zur besseren Einordnung der damaligen wegweisenden Entwicklung wird im Folgenden zunächst das Caritas-Verständnis von Werthmann skizziert.14 In seinen Schriften, die in vielfacher Zahl in den Denkschriften15 zusam­ mengestellt worden sind, bewirbt er den DCV als eine notwendige Organi­ sationsform für die Bündelung der katholischen Liebestätigkeit. Die Texte lassen eine zweiseitige inhaltliche Ausrichtung erkennen: Zum einen erfol­ gen Beschreibungen in definitorischer Art „Was ist Charitas?“16, die die „religiöse Grundlage“17 und kirchliche Einbindung18 hervorheben, zum an­ deren wird auf dem Hintergrund der Verbindung von Kirche und Caritas an einer Profilierung und Sicherung der Unabhängigkeit bzw. Eigenständigkeit gegenüber staatlicher Wohlfahrtspflege und Fürsorge gearbeitet, insofern von der Caritas als „freier Caritas“19 die Rede ist. In der Metaphorik vom „Dom[…] der christlichen Charitas“20 werden diese beiden Stränge miteinander verbunden, insofern das Fundament der Caritas im Kreuzestod Christi gelegt wurde, während die über die Zeiten Caritas und ihre Gegner, Köln 1909, 1–5). Es ist wahrscheinlich, dass Lorenz Werth­ mann auf der Grundlage der Schrift von Schaub die Schreibweise ändern ließ. 14  Die Bedeutung dieses Verständnisses ist auch darin zu sehen, dass Werth­ manns Überlegungen und die Vorgehensweise in Deutschland beispielhaft auf die angrenzenden Länder wirkte und diese die Entwicklung aufmerksam verfolgten und sich teilweise daran orientierten. 15  Die in zwei Bänden erschienenen Denkschriften und Standpunkte wurden zum 100jährigen Bestehen des DCV herausgegeben und enthalten Schriften von Lorenz Werthmann und weiteren zentralen Persönlichkeiten des DCV. Vgl. Denk­ schriften und Standpunkte der Caritas in Deutschland, Deutscher Caritasverband (Hrsg.), 2 Bde., Bd. 1: Die Zeit von 1897 bis 1949 bearbeitet von Mathias Reinin­ ger, Freiburg i. Br. 1997. 16  Lorenz Werthmann, Der Charitasverband und die örtliche Organisation der katholischen Charitas (Freiburg, Januar – März 1901), in: Denkschriften und Stand­ punkte der Caritas in Deutschland, Deutscher Caritasverband (Hrsg.), Bd. 1: Die Zeit von 1897 bis 1949 bearbeitet von Mathias Reininger, Freiburg i. Br. 1997, 26–37, 28. 17  Ders., Die Organisation der katholischen Caritas (Breslau, 16. Januar 1910), in: ebd., 41–45, 42; „Caritas als Teilnahme am Erlösungswerk Christi“, ebd. 18  Vgl. Allgemeiner Deutscher Caritasverband, Leitsätze für die Organisation der katholischen Caritas (Freiburg 1915), in: ebd., 77; „Caritas [als] eine Teilnahme […] an der Heilstätigkeit der Kirche“, ebd.; „älteste Tochter der katholischen Kirche“, ebd. 19  Lorenz Werthmann, Grundsätzliches über staatliche Wohlfahrtspflege und freie Caritas (Freiburg, Juli-September 1917), in: ebd., 158–167, 158, 163. Vgl. auch ders., Die Caritas und die neue Zeit (Freiburg, Oktober–Dezember 1918), in: ebd., 167–173, 168. 20  Lorenz Werthmann, Der Charitasverband, 27.



I. Caritas in Deutschland189

entstandenen „kirchlichen Anstalten, Stiftungen und Vereine“ die „Steine, Mauern, Pfeiler und Bogen“ dieses Bauwerkes bilden. Bezieht sich letzteres folglich auf die verschiedenen Organisationsformen der Caritas, auch in der rechtlichen Form des Caritasverbandes, so umfasst ersteres den „Geist der Caritas“21. Beide Dimensionen gehören zusammen, sodass der Geist nicht hinter der Organisation zurücktreten darf, sondern „neben Caritaswissen auch Caritasgeist in die Herzen der Caritasjünger und -jüngerinnen“ getra­ gen werden soll.22 Ohne Zweifel sind sowohl die Bestrebungen innerhalb der kirchlichen Caritas in Bezug auf die organisatorische Straffung und Bündelung im DCV als auch die Ermahnungen zur profilierten Entwicklung in wissenschaftli­ cher, praktischer und organisatorischer Hinsicht23 vor dem Hintergrund staatlicher Entwicklungen zu sehen. So ist den Texten vielfach das Bemühen zu entnehmen, in die Arbeit der Caritas eine Professionalisierung und Kon­ kretisierung einzubringen: „Caritas ist nicht Betätigung eines dunklen Ge­ fühls, nicht allein Übung eines warm fühlenden Herzens, Caritas ist Wis­ senschaft, Caritas ist Kunst.“24 Die Quellentexte berühren auch mehrfach das Beziehungsverhältnis zwi­ schen Caritas und Kirche, jedoch mehr in allgemeiner und selbstverständli­ cher, denn in expliziter Form.25 Des Weiteren erwähnen die Autoren die gemeinsame Abstammung von Caritas und Kirche sowie die ursprüngliche Verbundenheit der beiden zueinander.26 „Charitas bildet das Herz des Katholizismus“27. In ihrer Herkunft unterscheidet sich die Caritas somit grundlegend von anderen Arten der Fürsorge und Wohlfahrtspflege, wie sie z. B. staatlicherseits eingerichtet werden, denn als „älteste Tochter der ka­ tholischen Kirche“28 hat sie zugleich Anteil an der „Heilstätigkeit der 21  Zentralrat des Caritasverbandes für das katholische Deutschland, Die Notwen­ digkeit einer jährlichen Caritaskollekte (Freiburg, 12. Dezember 1918), in: ebd., 116–119, 116. 22  Vgl. ebd., 118. 23  Vgl. Lorenz Werthmann, Die Aufgaben der örtlichen Caritasverbände und Se­ kretariate, ihre Nützlichkeit für die übrigen Vereine und die gesamte Caritasarbeit, in: ebd., 146 ff., 147. 24  Lorenz Werthmann, Die Organisation, 43; vgl. auch: ders., Die Bedeutung der Fuldaer Bischofsbeschlüsse über die Organisation der Caritas im katholischen Deutschland, in: ebd., 99–105, 102. 25  Sichtbar wird dies bei der Voranstellung der Adjektive „katholisch“ und „kirchlich“ vor den Terminus „Caritas“. 26  Vgl. das bereits oben genannte Bild vom „Dom der christlichen Charitas“. 27  Lorenz Werthmann, Charitas und Katholizismus (Regensburg, 24. August 1904), in: ebd., 38–41, 38. 28  Allgemeiner Deutscher Caritasverband, Leitsätze für die Organisation der ka­ tholischen Caritas (Freiburg 1915), in: ebd., 77.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

Kirche“29 und erschöpft sich nicht in der materiellen Hilfe, sondern hat, so schreibt es Constantin Noppel (1883–1945)30, „konfessionell gerichtete Zie­ le und Aufgaben der Seelenrettung und Seelenpflege“31. Nach Werthmann versteht sich der Caritasverband selbst als Apostolat mit der Aufgabe der Verteidigung der Kirche, indem er die Werke der Caritas veröffentlicht.32 Im Rahmen einer Organisationsschaffung musste zudem auch das Ver­ hältnis zwischen Caritas und Staat bedacht werden. Wenn das gezeichnete Bild von Caritas und Kirche harmonisch und verankert im gemeinsamen Ursprung wirkt, so wird im Blick auf das Verhältnis zwischen Caritas und Staat doch eine zweiseitige Anlage sichtbar: einerseits ein Miteinander, andererseits eine Opposition.  Ein Miteinander spiegelt sich z. B. darin wider, dass die staatliche, gesetz­ liche Armenpflege in Bezug auf die materielle Unterstützung gegenüber der Caritas im Vordergrund steht.33 Mit anderen Worten, dem Staat wird die materielle Unterstützung der Armen als Aufgabe zuerkannt. Ein weiterer Beleg für ein gewünschtes Miteinander ist die folgende grundlegende Aus­ sage betreffend der Kriegsverletzten: „Und vernünftige, weitschauende Fürsorge muss hier eingreifen, sowohl von Seiten der Staates, wie der Ge­ meinden, wie der freiwilligen Caritas.“34 Schließlich wird die Zusammen­ arbeit der Caritas mit der staatlichen Wohlfahrtspflege als „heilige Pflicht“ charakterisiert.35 Diese Bemerkungen zeugen von einer Reflexion über das eigene Vermögen der Caritas, als auch von einer genauen Beobachtung der sozialen Lage, denn eine strikte Trennung von staatlicher und kirchlicher Wohlfahrtspflege wäre weder in Bezug auf die Effizienz noch im Hinblick auf die Quantität der Aufgaben sinnvoll gewesen. Vielmehr muss die ge­ meinsame Konzentration auf die Beseitigung gesellschaftlicher und sozialer Gefahren im Vordergrund stehen. Werthmann, Die Organisation, 41–45. Jesuit Constantin Noppel war von 1922–1932 Landescaritasdirektor in Bayern. Vorher hatte er bereits mit Werthmann zusammen gearbeitet. Er war auch der Verfasser der Schrift „Denkschrift über den Ausbau der kath. Caritasorganisati­ on“ (1915; in: ebd., 53–68), die die Grundlage für den späteren Anerkennungsbe­ schluss der Fuldarer Bischofskonferenz (1916) bildete. 31  Constantin Noppel, Denkschrift über den Ausbau der katholischen Caritasor­ ganisation (Freiburg 1915), in: Denkschriften, 53–68, 60. 32  Vgl. Lorenz Werthmann, Die Ziele des Charitasverbandes (Danzig, 25. Sep­ tember 1906), 138 ff., 139. 33  Vgl. ders., Grundsätzliches, 163. 34  Ders., Die neue Frohbotschaft für die Kriegsverstümmelten (Freiburg, Febru­ ar / März 1915), in: ebd., 214 f., 214. 35  Vgl. ders., Unser Caritasprogramm an der Neige des Weltkrieges (Freiburg, Mai 1917), in: ebd., 152–158, 155. 29  Vgl. 30  Der



I. Caritas in Deutschland191

Diese überblicksartige Skizzierung lässt die Entstehung des Deutschen Caritasverbandes plastischer erscheinen. Dass in der Gründungssituation kein Zweifel an der Herkunft und der Verortung des Verbandes bestand, belegen die Aussagen eindeutig. Erst in den späteren Jahren wurde das Spannungspotenzial zwischen Professionalisierung auf der einen, und katho­ lischer Profilierung auf der anderen Seite sichtbar. Wenngleich die kirchliche Einordnung des Verbandes unzweideutig ist, er­ folgte die Gründung nicht als kirchlicher Verein. 1903 wurde der DCV in das Vereinsregister Freiburg eingetragen. Der Umstand, dass der DCV erst 1916, also 18 Jahre nach der Gründung, durch einen Beschluss der Fuldaer Bi­ schofskonferenz anerkannt wurde, lässt auf ein nicht spannungsfreies Ver­ hältnis zwischen Verband und kirchlicher Hierarchie schließen. Catherine Maurer hat dies in ihrer Untersuchung zur geschichtlichen Entwicklung ein­ gehend analysiert.36 Darin beschreibt sie auch den Konflikt mit dem Erzbi­ schof von Freiburg im Vorfeld der Verbandsgründung. So sei dem Erzbischof die Organisation trotz der Aussagen zur Beziehung zwischen Verband und kirchlicher Hierarchie als zu unabhängig erschienen. „Es sei nicht mehr der Bischof, der die Werke der Diözesancaritas leite und kontrolliere, sondern der Vorstand des Verbandes.“37 Erst durch Zusicherungen von Seiten Werth­ manns konnte schließlich das Scheitern des Vorhabens der Verbandsgründung abgewendet werden.38 Gleichwohl erfolgte aber keinerlei offizielle Stellung­ nahme oder Würdigung der Gründung oder der Verbandsarbeit in den nächs­ ten Jahren. Erst zur Zeit des Ersten Weltkrieges konnten von Seiten der Bi­ schöfe bestimmte Vorbehalte gegenüber dem Verband aufgegeben werden und der recht nüchtern klingende Anerkennungsbeschluss erfolgen: „Die Bi­ schofskonferenz anerkennt den Caritasverband für das katholische Deutsch­ land als die legitime Zusammenfassung der Diözesanverbände zu einer ein­ heitlichen Organisation.“39 Dieser war allerdings nicht bedingungsfrei ge­ währt worden, sondern geknüpft an bestimmte „Einschränkungen der Frei­ heiten der Zentrale [des Verbandes in Freiburg i. Br.] und der Aufwertung der Diözesanverbände [sowie] begleitet von der strikten Weigerung der Bischöfe, für Fehler in der Verwaltung geradezustehen“40. 36  Catherine Maurer, Der Caritasverband zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik. Zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte des caritativen Katholizismus in Deutschland, Freiburg i. Br. 2008, bes. 45–161. 37  Ebd., 65. 38  Vgl. ebd., 64–70. 39  Redaktion, Der Caritasverband in seiner Ausgestaltung, in: Caritas 22 (1917) 117–121, 119. 40  Maurer, Der Caritasverband, 158. Zu den Einschränkungen zählte zum einen eine Aufwertung der Diözesanverbände, und zum anderen die Einrichtung eines Kontrollorgans für Vorstand und Zentrale (vgl. ebd., 157).

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

Im Zeitraum bis 1922 wurden zudem in allen deutschen (Erz-)Bistümern eigene Diözesancaritasverbände (DiCV) eingerichtet, angefangen im Bistum Straßburg, dessen Diözesancaritasverband 1903 gegründet wurde.41 2. Die Caritas im deutschen Staatskirchenrecht Der Deutsche Caritasverband (DCV) ist ein rechtsfähiger, nicht wirt­ schaftlicher Verein im Sinne des § 21 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).42 Innerhalb der Freien Wohlfahrtspflege verkörpert er einen von sechs Spitzenverbänden.43 Hinzuweisen ist zudem auf die von Wolfgang Rüfner eingebrachte Über­ legung zur Bedeutung der Caritas im Kontext der Garantie zur Religions­ freiheit. Demnach ist die kirchliche Ausübung der Caritas durch Art. 4 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (GG) geschützt, weil „das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtssprechung herausgearbeitet hat, daß die diakonische und karitative Tätigkeit der Kirchen Teil der Reli­ gionsausübung ist. Die tätige Nächstenliebe ist nach dem Neuen Testament eine wesentliche Aufgabe für den Christen und deshalb als eine legitime Aufgabe der Kirchen anerkannt.“44 Diese Festlegung bezieht sich aber nicht 41  1903 Freiburg; 1906 Ermland, 1909 Metz, 1910 Breslau, 1914 Limburg, 1915 Paderborn; 1916 Fulda, Köln, Münster, Trier, Osnabrück; 1917 Delegatur Berlin, Hildesheim, Mainz; 1918 Eichstätt, Rottenburg; 1920 Passau, Speyer, Würzburg; 1921 Augsburg, Bamberg; 1922 Regensburg, München-Freising. 42  Franz Klein, Die Verfassung der deutschen Caritas. Ihre Bedeutung für die zeitgerechte Erfüllung des Caritasauftrages, Freiburg i. Br. 1966, 43 f. § 21 BGB lautet: „Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts.“ (Gesetzesstand: 18.08.2010.) 43  Gemäß der Satzung der BundesAG der Freien Wohlfahrtspflege e.  V. wird unter Wohlfahrtspflege die „planmäßige, zum Wohl der Allgemeinheit und nicht des Erwerbs wegen ausgeübte Hilfe“ verstanden. „Die Hilfe erstreckt sich auf das ge­ sundheitliche, sittliche, erzieherische oder wirtschaftliche Wohl und bezweckt Vor­ beugung oder Abhilfe.“ (Vgl. § 1 Abs. 3–4 der Satzung in der Fassung vom 18.05.1999, zuletzt geändert 2002.) Weitere Mitgliedsverbände der Freien Wohl­ fahrtspflege sind: Die Arbeiterwohlfahrt, der Paritätische Wohlfahrtsverband, das Deutsche Rote Kreuz, das Diakonische Werk und die Landesverbände der jüdischen Gemeinden.  44  Wolfgang Rüfner, Die Bedeutung der verbandlichen Caritas als Teil des Sozi­ alstaates unter Berücksichtigung staatskirchenrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Aspekte, in: Norbert Feldhoff  /  Alfred Dünner (Hrsg.), Die verbandliche Caritas. Praktisch-theologische und kirchenrechtliche Aspekte, Freiburg i. Br. 1991, 168–186, 170. Vgl. dazu folgende Urteile: BVerfGE 24, 236, 247 ff.; 56, 366, 392 f.; 70, 138, 163; vgl. dazu Joseph Listl, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Rechtsspre­ chung der Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1971.



I. Caritas in Deutschland193

nur auf die direkten und selbst ausgeübten Tätigkeiten der Kirchen, sondern auch auf die Tätigkeit von ihnen zugeordneten Einrichtungen. Das bedeutet, dass „auch kirchliche Anstalten, Stiftungen, Orden, Vereine und sonstige juristische Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts, wenn sie mit der Kirche verbunden sind und in ihrem Auftrag arbeiten“45, geschützt sind. Auch die Caritasverbände sind laut der ausdrücklichen Rechtsprechung als kirchlich anzusehen und zwar aufgrund ihres Zweckes sowie des Ausmaßes der institutionellen Verbindung mit der katholischen Kirche.46 Rüfner kommt daher zu folgendem Schluss: „Die Tätigkeit der verbandlichen Caritas ist darum nicht nur nach den allgemeinen Prinzipien des pluralistischen Sozialstaats geschützt. Sie hat auch Teil am Schutz der Religionsfreiheit und an der um des Schutzes der Religionsfreiheit willen gewährleisteten Eigenständigkeit der Kirchen.“47

Neben diesen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen kommt aber auch ein gegenseitiger Nützlichkeitsaspekt für Staat und Kirche hinzu. Schließlich übernimmt die organisierte Caritas viele Aufgaben des Sozial­ staates und stellt damit ein erhebliches Entlastungspotential für den Staat dar. Auf der anderen Seite erweist sich eine Unterstützung der Kirche sei­ tens des Staates als hilfreich.48 Wenngleich der Staat die Kirchlichkeit der Caritasverbände eindeutig anerkennt und diese aufgrund des zuerkannten Selbstbestimmungsrechtes einen weitgehenden Freiraum von staatlicher Bevormundung genießen, kann es zu Differenzen kommen, insofern die Gesprächspartner aus unterschiedlicher Perspektive auf ihr Tätigkeitsfeld schauen. Besteht das vorrangige Ziel des Staates in einer gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit möglichst einheitlichen Standards, so nimmt die Prägung eines katholischen Profils für die Verbandsarbeit der Caritas einen wesentlichen Stellenwert ein. Nach Rüfner ergibt sich daraus zwar kein Grundsatzkonflikt, weil „die bestmögliche Hilfe sowohl für den Staat wie für die Kirche im Vordergrund steht“, aber es komme bisweilen 45  Vgl. Rüfner, Die Bedeutung der verbandlichen Caritas, ebd. Sowie folgende Urteile: BVerfGE 24, 236, 246 f.; 46, 73, 85 ff.; 53,366, 391 ff.; 70, 138, 162 ff. 46  Vgl. Rüfner, ebd., 171 sowie die Urteile: BVerfGE 24, 236, 246; 46, 73, 86 f.; 53, 366, 391 f. 47  Vgl. Rüfner, ebd. sowie Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV. 48  Helmut Schüller spricht in pointierter Weise von der Kirche als „Lückenfül­ lerin des Sozialstaates“ und weiter: „Die nützliche Kirche mit einer nützlichen Ca­ ritas – das kann ein betörendes Kompliment sein.“ Dabei sieht er eine Gefahr darin gegeben, dass die Caritas den Blick auf die Ganzheitlichkeit des Menschen verlieren könnte und damit vom selben Leiden befallen werden könnte, wie der Sozialstaat (vgl. Helmut Schüller, Caritas, eine „verlorene“ Dimension der Kirche?, in: Markus Lehner  /  Wilhelm Zauner [Hrsg.], Grundkurs Caritas, Linz 1993 [Linzer philoso­ phisch-theologische Reihe, Bd. 19], 75–82, 77).

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

zu divergierenden Einschätzungen im Bereich von „Einzelfragen, die der säkulare Staat anders beurteilt als die Kirche“49. Die gegebene Lage beinhaltet eine Doppelrolle der Caritasverbände, näm­ lich einerseits gemeinnütziger Verein, andererseits „institutionalisierte Trä­ gerin der christlich-kirchlichen Liebestätigkeit“ zu sein. Darin ist möglicher­ weise ein Konflikt insoweit gegeben, als „im Interesse des staatlichen Für­ sorgesystems“ zu handeln und „zugleich im Interesse der Klienten gegebe­ nenfalls ein […] spezifisch christliche[r] Standpunkt zu vertreten“50 ist. Gleichzeitig ist aber auch die Chance einer wichtigen Brückenfunktion der Verbände zwischen verfasster Kirche und Staat gegeben.51 3. Rechtliche Struktur des Deutschen Caritasverbandes Ziel der folgenden Untersuchung der geltenden Satzung des Deutschen Caritasverbandes vom 16. Oktober 2003 in der Fassung vom 18. Oktober 2005 ist es, die Organisation des Verbandes sowie seine rechtliche Stellung aufzuzeigen. Darüber hinaus ist zu überprüfen, ob und wenn ja welche Verbindungen sich zwischen Deutschem Caritasverband und der Deutschen Bischofskonferenz herauslesen lassen. Werden den deutschen Bischöfen Rechte und Pflichten zuerkannt? Welche Rolle nimmt der Präsident bzw. die Präsidentin des DCV ein,52 besonders unter dem Fokus seiner bzw. ihrer Verbindung zur Kirche? Der DCV stellt die Aussage der deutschen Bischöfe, die in ihm die „an­ erkannte institutionelle Zusammenfassung und Vertretung der katholischen Caritas in Deutschland“ (Satzung DCV, Präambel) sehen, in der Satzungs­ präambel voran. Des Weiteren charakterisiert dieser Abschnitt den Verband in seiner Doppelrolle, insoweit er einerseits die Vertretungsrolle der katho­ 49  Rüfner, Die Bedeutung der verbandlichen Caritas, 173. Als Beispiele greift Rüfner das Arbeitsrecht heraus, insofern es sich nicht um Angehörige von Instituten des geweihten Lebens oder Mitglieder der Gesellschaften des Apostolischen Lebens handelt. Des Weiteren richten sich die Rechte und Pflichten der Betreuten nach staatlich bürgerlichem Recht. 50  Fürst, Diakonische Pastoral und pastorale Diakonie, 57 f. 51  Vgl. ebd. 52  Erst mit dem Statut von 1921 wurde der erste Vorsitzende als Präsident be­ zeichnet. Nach geltendem Recht ist dieses Amt nicht an die Besetzung mit einem Priester gebunden. Verdeutlicht wird dies durch die Verwendung der weiblichen Be­ griffsform seit der Satzung von 2003. Gleichwohl waren bzw. sind die bisherigen acht Amtsinhaber Priester (Prälat Lorenz Werthmann 1897–1921, Prälat Benedict Kreutz 1921–1949, Prälat Franz Müller 1949–1951, Prälat Alois Eckert 1951–1959, Prälat Albert Stehlin 1959–1969, Prälat Georg Hüssler 1969–1991, Prälat Hellmut Puschmann 1991–2003, seit 2003 Prälat Dr. Peter Neher).



I. Caritas in Deutschland195

lischen Caritas innehat, andererseits Verband der Freien Wohlfahrtspflege ist. Beide Perspektiven werden in zusammenfassender Weise umschrieben. Die theologische Rückbindung geschieht in der Verankerung der Caritas neben Gottesdienst und Verkündigung sowie dem Verweis auf das ausfor­ mulierte Selbstverständnis im Leitbild.53 Zielen die Funktionen im staatli­ chen Bereich primär auf die gesellschaftliche Entwicklung, so geht es im kirchlichen Bereich um den „Aufbau und [die] Weiterentwicklung kirchli­ cher Strukturen und [die] Verlebendigung von Gemeinden“ (Satzung DCV, Präambel). Den Orientierungspunkt bildet dabei das Subsidiaritätsprinzip. Die Satzung enthält mit § 2 einen eigenen Abschnitt über die kirchen­ rechtliche Stellung des Verbandes.54 Abs. 1 wiederholt die Aussage der Präambel in der Anerkennung durch die deutschen Bischöfe. Nachfolgend wird der DCV klassifiziert als „privater Verein von Gläubigen im Sinne der Canones 299, 321–326 des Codex Iuris Canonici“ (§ 2 Abs. 2). Aus dieser Feststellung ergibt sich allerdings nicht direkt eine Aussage darüber, ob der DCV als privater Verein die Rechtspersönlichkeit gemäß cc. 322 i. V. m. 312 CIC besitzt. Aus dem Schweigen der Satzung könnte die Nichterteilung geschlussfolgert werden. Als hinreichender Beweis kann dies gleichwohl nicht angesehen werden. Weitergehende Nachforschungen führten zu dem Ergebnis, dass laut eines 1988 erstellten Gutachtens zur kanonischen Rechtsstellung des DCV bis zu dem damaligen Zeitpunkt kein Dekret zur Erteilung der Rechtspersönlichkeit ergangen ist.55 Darüber hinaus konnte der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) die mündliche Auskunft erteilen, dass dieser Rechtsakt auch nicht seit 1988 erfolgt ist. Der anschließende Absatz unterstreicht die der Deutschen Bischofskonfe­ renz zukommende Aufsicht über den Verband, für deren nähere Ausgestal­ tung in allgemeiner Weise auf das kirchliche Gesetzbuch verwiesen wird (vgl. § 2 Abs. 3).56 Gemäß diesem umfasst das Aufsichtsrecht u. a. die Überprüfung und Approbation der Statuten (vgl. cc. 299 § 3, 322 § 2 CIC). Der genannte Abschnitt ist zudem der einzige Ort in der Satzung, in dem 53  Das Leitbild wurde zum ersten Mal 1991 vom Zentralrat verabschiedet. Es umfasst die Ziele, Aufgaben und theologischen Grundlagen sowie ein Organisationsund Leistungsprofil. Das aktuell geltende Leitbild wurde am 6. Mai 1997 durch den Zentralrat in Limburg beschlossen.  Vgl.: http: /  / www.caritas.de / 2501.html (Zugriff: 05.09.2010). 54  Die dort getroffenen Aussagen zur Rechtsstellung als privatem Verein von Gläubigen und die Aufsicht der Deutschen Bischofskonferenz werden im fünften Abschnitt dieser Untersuchung in einer Zusammenschau der universal- und partiku­ larrechtlichen Befunde zu bewerten sein.  55  Das Gutachten wurde nicht veröffentlicht. Die Information entstammt einem Telefonat am 08.02.2011 mit dem Justitiar des DCV Herrn Sans. 56  Diese Zuordnung ergibt sich aus cc. 322 iVm 312 § 1, 2° CIC.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

ein Bezug zur Bischöflichen Kommission XIII für caritative Fragen herge­ stellt wird. Dem Kommissionsvorsitzenden kommt ein Sitzungsrecht in den Verbandsorganen zu (vgl. § 2 Abs. 4).57 Bezüglich dieses Vorsitzenden der Kommission XIII ist eine gewisse Verschiebung in der Satzungsäußerung zu konstatieren, weil seine Zuständigkeit weniger breit beschrieben wird. Inso­ fern nach der geltenden Satzung das Aufsichtsrecht der gesamten Bischofs­ konferenz zugewiesen wird, wurde dies gemäß der Satzungsfassung von 1996 durch den Vorsitzenden der Kommission XIII ausgeübt. Dieser führte noch bis zur Satzung von 1993 den Titel „Protektor des Deutschen Caritas­ verbandes“ (§ 2 Abs. 1). Neben dem Sitzungsrecht, auf das sich die aktuel­ le Satzung beschränkt, kam es ihm zu, „über Geist und Wirken des Deut­ schen Caritasverbandes“ zu wachen und die „Verbindung zwischen dem Deutschen Caritasverband und den zuständigen Stellen des Episkopates“ zu bilden (vgl. § 2 Abs. 2; Satzung 1993). Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass diesem Amt nach wie vor eine zentrale Verbindungsposition zwischen Bischofskonferenz und DCV zukommt. Schließlich braucht es von Seiten des Präsidenten bzw. der Präsidentin einen festen Ansprechpartner bei der Bischofskonferenz. Eine arbeitsrechtliche Bemerkung beschließt den § 2 der Satzung, dernach die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Ar­ beitsverhältnisse“ auf die Mitarbeiter / innen des DCV Anwendung findet. Der DCV stellt als Organisation einen Zusammenschluss verschiedener Vereinigungen und Gremien dar. Es handelt sich dabei um vier Gruppen: Die Diözesancaritasverbände, anerkannte zentrale Fachverbände sowie ka­ tholische caritative Vereinigungen, alle jeweils mit den dazugehörigen Glie­ derungen und Mitgliedern sowie der überdiözesan tätigen Orden (vgl. Sat­ zung § 4, Abs. 1).58 In vertikaler Perspektive gliedert sich der Verband zu­ nächst in die Diözesancaritasverbände und diese wiederum in Ortscaritas­ verbände. Die in den Pfarreien teilweise vorhandenen Arbeitsgruppen oder Ausschüsse können sich laut Satzung „der jeweiligen regionalen Struktur zuordnen“ (§ 4, Abs. 2).59 57  Dieses Recht impliziert die Pflicht zur Einladung auf Seiten des Verbandes, schließt jedoch eine Teilnahme an Beschlussfassungen aus. 58  Zwar kann davon ausgegangen werden, dass der Begriff „Orden“ an dieser Stelle sowohl die Institute des geweihten Lebens als auch die Gesellschaften des Apostolischen Lebens in sich einschließt, aber unter dem Aspekt der Eindeutigkeit und damit im Interesse der Rechtssicherheit wäre eine sprachliche Präzisierung wün­ schenswert. 59  Damit trägt der Text dem Umstand Rechnung, dass sich die einheitliche Glie­ derung der Diözesancaritasverbände nicht nach unten in gleicher Weise fortsetzt, als dass es in jeder Pfarrei einen Caritasausschuss geben würde. Auf diese Weise wird aber das rechtliche Gliederungsschema Kirchenverfassung verlassen. Es stellt sich



I. Caritas in Deutschland197

Der Zweck und die Aufgaben des DCV sind auf das gesamte Spektrum „sozialer und caritativer Aufgaben“ gerichtet (vgl. § 6, Abs. 1), diese wer­ den in 12 einzelnen Punkten näher spezifiziert (vgl. ebd., Abs. 2).60 Da der Deutsche Caritasverband in seiner Konstitution primär als Zusammenschluss fungiert, ist es naheliegend, dass sich seine Funktionen in den vier Aspekten der Koordinierung, der Interessenvertretung, der Qualitäts- und Strukturent­ wicklung bündeln lassen (vgl. § 6, Abs. 3). Hinsichtlich der Mitgliederstruktur umfasst der Verband persönliche und korporative Mitglieder (vgl. § 7).61 Werden in § 9 die vier Organe, Präsident bzw. Präsidentin, Vorstand, Caritasrat und Delegiertenversammlung des Deutschen Caritasverbandes aufgezählt, so spezifizieren die §§ 10–19 diese in ihrem Aufbau, ihren Funktionen und ihrer Wahl. Die primäre Funktion des Präsidenten bzw. der Präsidentin liegt in der Repräsentation des DCV in der Öffentlichkeit (vgl. § 10, Abs. 1). Darüber hinaus bildet dieses Amt die zentrale Verknüpfungsstelle zwischen Deut­ schem Caritasverband und Deutscher Bischofskonferenz. Dies bringt der Satzungstext eindringlich zum Ausdruck, wenn es dort heißt, dass der Prä­ sident bzw. die Präsidentin „der Deutschen Bischofskonferenz gegenüber die Frage, ob eine einheitliche Ausrichtung nicht kohärenter wäre. Anstatt der Ebene der Ortscaritasverbände würden dann Dekanatscaritasverbände dienen, da die Orts­ caritasverbände zumeist von ihrer räumlichen Umfassung diejenigen der Pfarreien überschreiten. In den neuen pastoralen Räumen muss dies allerdings nicht mehr der Fall sein. Kritisch anzumerken ist noch die Verwendung des Terminus „Pfarrgemein­ de“ in der Satzung (§ 4, Abs. 2), die Bezeichnung „Pfarrei“ wäre kirchenrechtlich zutreffender. 60  Es werden u. a. genannt die Hilfe und Unterstützung für Menschen in Not (1), Anwalt- und Partnerschaft für Benachteiligte (2), Förderung des sozialen Bewusst­ seins in der Gesellschaft (3). Aber auch die spirituelle Begleitung der Mitarbeiter / in­ nen wird eigens aufgezählt (7). Fraglich ist jedoch, warum unter Punkt 10 von der „diakonischen Praxis in Gremien und Gemeinden“ die Rede ist, die in Entwicklung und Reflexion gefördert werden soll [Herv. NH]. Ansonsten verwendet das Doku­ ment durchgehend das Adjektiv „caritativ“. Würde es sich nur auf die Gemeinden beziehen, hätte eine Bezugnahme auf die drei Wesensvollzüge weiterhelfen können. Durch die Erwähnung der Gremien wird diese Erklärung schwieriger. 61  Im Statut von 1913 wurde noch unterschieden zwischen Mitgliedern, Ehren­ mitgliedern und Teilnehmern. Klein wies aber bereits darauf hin, dass das oberste Kriterium zur Bestimmung der Mitgliedschaft nur in der persönlichen Ausübung eines caritativen Dienstes liegen könne (vgl. Klein, Die Verfassung, 64 f.). Dies spie­ gelt sich in der geltenden Satzung wider, da die Beschreibung der persönlichen Mitglieder die Erfüllung des Auftrages der Caritas an erster Stelle nennt, während­ dessen die Zahlung von Mitgliedsbeiträgen zuletzt erwähnt wird (vgl. § 7, Abs. 1, n. 1). Die korporativen Mitglieder sind jene, die bereits benannt wurden in der Or­ ganisation des DCV.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

verantwortlich [ist] für die Arbeit des Deutschen Caritasverbandes“62 (§ 10, Abs. 2). Ihm kommt eine Informationspflicht hinsichtlich wesentlicher An­ gelegenheiten zu.63 Aus diesen beiden Aufgaben folgt in logischer Konse­ quenz, dass der Präsident bzw. die Präsidentin eine „enge Verbindung“ zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, zur zuständigen Kom­ mission der DBK und deren übriger Organe sowie zum Verband der Diö­ zesen Deutschlands (VDD) (vgl. § 10, Abs. 2) unterhält. Für die Wahl die­ ses Amtes durch die Delegiertenversammlung erlässt selbige eine eigene Wahlordnung.64 Bezüglich der Frage nach der Beziehung zwischen DCV und Deutscher Bischofskonferenz ist zu erwähnen, dass dieser die maximal fünf Personen umfassende und vom Personalausschuss erstellte Liste der Kandidatinnen und Kandidaten vorgelegt werden muss. Die Zustimmung der Bischofskonferenz zur Liste „ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Wahl“ (Wahlordnung § 3, Abs. 1). Im Falle eines verweigerten Placet wer­ den vom Personalausschuss Ergänzungsvorschläge erstellt (vgl. ebd. Abs. 2). Gegenüber dieser entscheidenden Funktion der Deutschen Bi­ schofskonferenz hat deren zweite, Beteiligung an der Wahl des Präsidenten bzw. der Präsidentin, einen stärker symbolischen Charakter, insofern die gewählte Person durch einen Vertreter der Konferenz in das Amt einge­ führt wird (vgl. Wahlordnung § 6, Abs. 3). Aufgrund des Satzungstextes wird erkennbar, dass das Amt des Präsidenten bzw. der Präsidentin in ex­ ponierter Weise die Verbindung des Deutschen Caritasverbandes zur kirch­ lichen Autorität herausstellt.65 62  Herv.

N. H. versteht diese Rechtspflicht zur Information, die als solche ebenfalls im Statut von 1966 (§ 11 Abs. 1) zu finden war, auch dahingehend, dass sie die Befra­ gung des Vorsitzenden der Kommission XIII einschließe. Der Präsident sei gehalten, die Meinung der Bischöfe in Erfahrung zu bringen und diese im Verband kund zu tun (vgl. Klein, Die Verfassung, 51 f.). In der Satzungsfassung von 2003 wurde in § 11 eigens festgehalten, dass der Präsident über den Vorsitzenden der Bischöflichen Kommission die Auffassung der Bischöfe erfährt. Der frühere Satzungstext brachte demnach den wechselseitigen Austausch deutlicher zum Ausdruck, da er in der gel­ tenden Satzung nur implizit eingeschlossen ist, wenn von der „engen Verbindung“ (§ 10, Abs. 2) zum Vorsitzenden der DBK und der entsprechenden Kommission ins­ gesamt die Rede ist.  Fraglich ist die Handhabung kontroverser Auffassungen, denn aus dem Informa­ tionsrecht ist nicht ohne Weiteres ein Eingriffsrecht abzuleiten. Dies ist auch nicht aufgrund des Aufsichtsrechts gegeben. 64  Sie ist der Satzung angefügt und gemäß § 10 Abs. 5 Bestandteil derselbigen. 65  Auffallend ist auch, dass außer der Bemerkung zur Repräsentation keine wei­ teren Beschreibungen zur Rolle des Präsidenten / der Präsidentin in der Funktion des DCV als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege erfolgen. Dies unterstreicht die kirchliche Herkunft und Verortung. Gerade diese Ausführungen zum Präsidenten, so beschreibt es Franz Klein in den 1960er Jahren, verdeutlichen die Stellung des Deut­ schen Caritasverbandes innerhalb der Kirche. Er erwähnt zudem eine Veränderung 63  Klein



I. Caritas in Deutschland199

In einigen Bemerkungen werden im Folgenden die drei weiteren Organe des Deutschen Caritasverbandes vorgestellt.66 Die Delegiertenversamm­ lung, früher Vertreterversammlung genannt, ersetzt seit der Satzungsände­ rung von 1966 die Mitgliederversammlung.67 Ihre Aufgaben bestehen in der Beratung und Entscheidung über „grundlegende Fragen der Caritas“ und der Erteilung der entsprechenden „Aufträge an den Caritasrat und den Vor­ stand“ (§ 12, Abs. 1). Wenn die Versammlung sich mit Fragen des kirchli­ chen Selbstverständnisses beschäftigt, können Beschlüsse in diesem Bereich nur mit der und nicht gegen die Mehrheit der Stimmen des Präsidenten bzw. der Präsidentin, der Vorsitzenden und Direktorinnen bzw. Direktoren der DiCVs gefasst werden (vgl. § 13 Abs. 10). Bei diesem Organ liegt auch die Kompetenz zur Änderung der Satzung, des Vereinszwecks als auch zu des­ sen Auflösung (vgl. § 12 Abs. 2, n. 10). Allerdings bedarf es dazu einer innerhalb des Wahlvorgangs und den Einbezug der deutschen Bischöfe, insofern das Statut von 1913 „noch die Wahl des Vorstandes durch den Verbandsausschuß vorsah (§ 10), in den jeder deutsche Bischof einen Vertreter entsenden konnte“. Demgegen­ über bedurfte „die Bestellung des Vorsitzenden und seines Stellvertreters durch den Zentralausschuß der Genehmigung der deutschen Bischöfe“ entsprechend dem Statut von 1917. Durch die politischen Umstände in der nationalsozialistischen Zeit wurde der Präsident sogar durch die deutschen Bischöfe selbst bestellt: § 7 „Die Bestellung des Präsidenten erfolgt durch den römisch-katholischen Episkopat.“ Dies diente, so Klein, vor allem der „Absicherung des Verbandes gegenüber staatlichen Eingriffen“. Der Text von 1954 erhielt wieder eine Änderung, sodass laut § 7 Abs. 1 die Bestel­ lung des Präsidenten „auf Vorschlag des Zentralausschusses durch den römisch-ka­ tholischen Episkopat“ erfolgt. Seit 1966 findet sich die heute noch geltende Rege­ lung. (Vgl. Klein, Die Verfassung, 70). Die Bezugnahme und Anbindung an die Amtskirche ist demnach unzweifelhaft und kann – wie gesehen – entsprechend den äußeren gesellschaftlichen Bedingungen auch noch stärker ausgeprägt sein, wenn die Gefahr von staatlichen Übergriffen besteht. 66  Die Amtsdauer aller Organe beträgt sechs Jahre (§ 10 Abs. 5; § 11 Abs. 9; § 14 Abs. 6; § 18 Abs. 5). 67  Nach § 12 der Satzung von 1954 war eine ordentliche Mitgliederversammlung vorgesehen, wenngleich Klein darauf hinweist, dass es durch § 5 Abs. 1 der Satzung bereits den Hinweis gab, dass persönliche Mitglieder ihre Rechte und Pflichten in erster Linie in der Pfarr- und Ortscaritas ausüben sollten. Mit mehr als 100.000 Personen war eine ordentliche Versammlung ein logistisches Problem. „So war die bisherige Mitgliederversammlung eine vereinsrechtlich zwar legitime Regelung, stellt sich aber in ihrer Realisierbarkeit als eine Fiktion dar.“ Mit der Satzung von 1966 (§ 8 Abs. 2) wurde dieses Problem gelöst. Die Befugnisse der Mitgliederver­ sammlung gingen auf die Vertreterversammlung über (vgl. Klein, Die Verfassung, 67).  Die heutige Delegiertenversammlung setzt sich zusammen aus Mitgliedern kraft Amtes (Präsident / in, Vorstand, Vizepräsident / inn / en sowie die Vorsitzenden und Di­ rektoren der DiCVs und des Landescaritasverbandes Oldenburg), entsandten Mitglie­ dern (Vertreter / innen der Fachverbände, Vereinigungen und Orden) sowie gewählten Mitgliedern (Vertreter / innen der Ortsebene, weitere Persönlichkeiten).

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Dreiviertelmehrheit der Delegiertenversammlung und der Zustimmung der Deutschen Bischofskonferenz (vgl. § 22 Abs. 2).68 Die Delegiertenversammlung wählt den Caritasrat.69 Dieser „berät und entscheidet über verbandliche, politische und fachliche Fragen von beson­ derer Bedeutung im Rahmen der von der Delegiertenversammlung beschlos­ senen Ordnungen, Richtlinien und Entscheidungen“ (§ 15 Abs. 1). Ihm steht ebenfalls die Aufsicht und Kontrolle über den Vorstand zu (vgl. ebd.), dabei wird er unterstützt durch die Finanzkommission, die auch von ihm gewählt wird (§ 17 Abs. 1; § 15 Abs. 2, n. 9). Die Befugnisse des Caritasrates umfassen auch die Wahl des Vorstandes, der sich aus dem Präsidenten bzw. der Präsidentin, dem Generalsekretär bzw. der Generalsekretärin und bis zu drei weiteren Vorstandsmitgliedern zusammensetzt (vgl. § 18 Abs. 1). Seine Aufgabe besteht in der Führung der Geschäfte des Verbandes „im Rahmen der Gesetze, der Satzung sowie der Beschlüsse der Delegiertenversammlung und des Caritasrates“ (§ 19 Abs. 1). War die Beschreibung des Präsidentinnen- bzw. Präsidentenamtes schwer­ punktmäßig auf die Verbindung zur Kirche ausgerichtet, so wird in der Aufgabenskizze des Vorstandes die Vertretung in staatlicher und gesell­ schaftlicher Hinsicht hervorgehoben, wenngleich die Vertretung in der Kir­ che an erster Stelle genannt wird.70 4. Caritas auf Bistumsebene am Beispiel der Erzdiözese Köln Besteht die primäre Aufgabe des Deutschen Caritasverbandes in der Re­ präsentation, Koordination und Vernetzung der Caritasarbeit in Deutschland, so wird das Bild der Caritas in der Ausübung der einzelnen (Erz-)Diözesen in Deutschland konkreter. Bereits im geschichtlichen Überblick wurde auf 68  Vgl. auch § 23 Abs. 1, wo u. a. der ausdrückliche Hinweis erfolgt, dass die vorliegende Satzung erst nach der Genehmigung durch die Deutsche Bischofskon­ ferenz in Kraft tritt. Insofern von ihrer Seite Änderungen gewünscht werden, wird der Zentralrat des DCV mit der Prüfung und Änderung beauftragt (vgl. § 23 Abs. 11). 69  Der Caritasrat umfasst 29 Mitglieder: Präsident  /  in und Generalsekretär  /  in, Vorsitzende und Direktor / inn / en der DiCVs, Vertreter / innen der Fachverbände und Vereinigungen, Vertreter der Ortsebene, Vorsitzende / r der Finanzkommission, Vertre­ ter der Orden. 70  Vgl. § 19 Abs. 2: „Dem Vorstand obliegt insbesondere:“ n. 2: „die Vertretung des Verbandes in Kirche, Staat und Gesellschaft, insbesondere gegenüber den Regie­ rungsstellen des Bundes und der Europäischen Union sowie den entsprechenden parlamentarischen Gremien“; n. 3: „die Zusammenarbeit mit den auf Bundes- und Europaebene tätigen kommunalen Spitzenverbänden […]“.



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die Entwicklung der Diözesancaritasverbände in Deutschland hingewiesen, deren Gründung 1922 abgeschlossen war.71 Im Diözesancaritasverband kann die Verbindung zwischen Bischof und Caritas, aber auch zwischen dem Gottesvolk und seiner Verantwortung für die Caritas am deutlichsten zum Vorschein kommen. Eine Art Definition des Diözesancaritasverbandes findet sich bei Benedict Kreutz: „In der Diözese ist der Bischof ‚der Vater der Witwen und Waisen‘ und übernimmt kraft seiner Weihe bei seinem Amtsantritt ausdrücklich die Pflicht caritativer Für­ sorge. Als Organ dient ihm der Diözesan-Caritas-Verband, dessen Vorsitzender und Direktor (Geistliche der Diözese) vom Bischof beauftragt werden. Die DiözesanCaritasverbände haben ihren technisch-organisatorischen Mittelpunkt in einem Di­ özesan-Caritas-Sekretariat. Der Diözesan-Caritas-Verband umfaßt organisatorisch alle Einrichtungen und Vereine der Pfarrgemeinden, die diözesanen Caritas-Anstal­ ten, die Diözesanzusammenschlüsse der caritativen Fachvereine und alle sonstigen Caritas-Anstalten und Einrichtungen, die als Träger kirchlicher Caritas-Arbeit anzu­ sehen sind. Er hat in Verantwortung gegenüber dem Bischof alle die Aufgaben zu lösen, die innerhalb des Bistums einheitlich und gemeinsam erfüllt werden müssen. Im Auftrage des Bischofs obliegt den leitenden Persönlichkeiten des Diözesan-Ca­ ritas-Verbandes in der Regel auch die Aufsicht über die Diözesananstalten und Einrichtungen der Caritas und die arbeitsrechtlichen Verhältnisse der in ihnen täti­ gen Kräfte. Die Diözesan-Caritas-Verbände erfüllen auch wichtige Schulungsaufga­ ben durch Veranstaltung von Schulungskursen und Konferenzen.“72

Kreutz unterstreicht die Bedeutung des Bischofs innerhalb der diözesanen Ausübung der Caritas, die ausgehend von der Ebene der Pfarrei organisiert 71  In Deutschland existieren insgesamt 27 Diözesancaritasverbände. Hinzu kom­ men sechs Landescaritasverbände. Dabei sind die Landescaritasverbände SchleswigHolstein, Mecklenburg und Hamburg zusammengefasst im Diözesancaritasverband für das Erzbistum Hamburg. Dieser DiCV verfügt weder über Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter noch ist er Träger von Einrichtungen. Des Weiteren ist er auch kein Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege. Der DiCV Hamburg handelt durch die drei Landescaritasverbände.  Der Landescaritasverband Bremen wird als solcher vom DCV bezeichnet, trägt aber den offiziellen Namen „Caritasverband Bremen e. V.“ und ist die „vom Bischof von Osnabrück begründete, anerkannte und unter seiner Aufsicht stehende instituti­ onelle Zusammenfassung und Vertretung der katholischen Caritas in dem zum Bis­ tum Osnabrück gehörenden Teil der Freien Hansestadt Bremen“ (vgl. § 1 Abs. 3 der Satzung vom 28.11.2007).  Der Landescaritasverband für Oldenburg e.  V. ist entstanden im Zuge der ge­ schichtlichen Umstände, dass der Bischof von Münster über zwei Verwaltungsbehör­ den verfügt (Generalvikariat Münster, Offizialat in Vechta). Für den nordrhein-west­ fälischen Teil des Bistums existiert ein DiCV.  Schließlich gibt es noch den Landescaritasverband Bayern, dessen Gründung 1917 erfolgte. Näheres zu diesem Landescaritasverband in der Besprechung des DiCV München und Freising unter D. I. 5. 72  Benedict Kreutz, Art.: Caritas, in: Hermann Althaus  / Werner Betcke (Hrsg.), Handwörterbuch Wohlfahrtspflege, Berlin 3o. J. 1937–1940, 191–215, 197 f.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

wird. Bemerkenswert ist der Hinweis, der den Vorsitzenden wie den Cari­ tasdirektor als Kleriker kennzeichnet. Die Leitung agiert im Auftrag des Bischofs und damit in nomine Ecclesiae. Wird im Folgenden die Verfassung und Organisation des Diözesancaritas­ verbandes des Erzbistums Köln vorgestellt, so ist zu betonen, dass dieser Verband eine Besonderheit in der Landschaft der deutschen Diözesancari­ tasverbände darstellt, weil er kirchlich errichtet wurde. Daher liegt das be­ sondere Augenmerk auf seiner Beziehung zum Erzbischof und den daraus gegebenenfalls resultierenden rechtlichen Konsequenzen. a) Geschichtliche Entwicklung Anfang des 20. Jahrhunderts stand für den Bereich des Kölner Erzbistums die Frage im Raum, wie die örtlichen Caritas-Aktivitäten73 auf Bistumsebe­ ne abgestimmt werden können. Allerdings war damals noch das Corpus Iuris Canonici in Geltung. Manfred Baldus bringt die damalige Situation prägnant auf den Punkt: „Von dort waren Anregungen zu einem Organisationsmodell der Caritasarbeit, das modernen Anforderungen entsprach, schwerlich zu erwarten. Ein kirchliches Ver­ einsrecht, das am ehesten als Leitlinie hätte dienen können, war aus dem Corpus Iuris Canonici nicht zu gewinnen.“74

Die Vorgeschichte der Gründung des Diözesancaritasverbandes des Erz­ bistums Köln fiel aber bereits in die Zeit der Ankündigung einer Revision des kirchlichen Rechts durch Pius X. Allerdings gibt die zeitliche Bestim­ 73  Die erste Gründung eines Ortscaritasverbandes innerhalb des Erzbistums er­ folgte bereits im Herbst 1897 im in Essen. Mit Schreiben vom 27. Oktober 1897 wurde dem Erzbischof die Gründung des Verbandes samt Satzung und Mitglieder­ liste mitgeteilt. Bruno Splett fasst diesen Vorgang dahingehend zusammen, dass der Verband zwar primär von Laien initiiert wurde, aber diese sich gleichzeitig in einer engen Verbindung zu den „örtlichen Repräsentanten der Kirche“ sahen (vgl. Bruno Splett, Zur Chronik des Diözesan-Caritasverbandes für das Erzbistum Köln. Quellen und Erinnerungen zum Auf- und Ausbau in den letzten 90 Jahren, Köln 1987, 17. Bei Splett findet sich auch eine Fotographie des erwähnten Briefes).  Interessanterweise wurde die Gründung weiterer Ortscaritasverbände durch den Kölner Generalvikar Kreutzwald blockiert. Zunächst wirkte sich dies in Bezug auf die Gründung eines Caritas Komitees für die Stadt Köln, für das sich der damalige Provinzialvorsitzende der Vinzenz-Vereine, Franz Rody, einsetzte, aus, sodann hin­ sichtlich Bestrebungen in Krefeld und Bonn. Die letztgenannten Anfragen beantwor­ tete der Generalvikar mit Schreiben vom 21.04.1898 und der dort genannten Auffor­ derung „sie hätten bis zur weiteren Klärung der Frage der Organisation lokaler Caritas-Vereinigungen stillzuhalten“ (vgl. Splett, Zur Chronik, 17 ff.). 74  Baldus, Gründung des Diözesancaritasverbandes für das Erzbistum Köln, 13. Die sog. Erzbruderschaften wären sicher kein geeignetes Vorbild gewesen (vgl. ebd.).



I. Caritas in Deutschland203

mung der Gründung des Verbands Anlass zur Diskussion, da es im Abstand von 12 Jahren zum Erlass zweier Dekrete kam. Das Erste erfolgte im Jahr 190475 durch Antonius Kardinal Fischer.76 Der Text gliedert sich in die zwei Abschnitte ‚Situationsbeschreibung‘ und ‚Erlass der Neuerungen samt Mitgliedsernennung‘. An den Beginn des Textes stellt der Erzbischof seine persönliche Motivation zur Caritasarbeit, indem er an das Weiheversprechen eines Bischofs – sich der Armen, Rei­ senden und aller Bedürftigen anzunehmen – erinnert. Dem schließt sich eine Skizze der damaligen Situation in der Erzdiözese an, die in das Fazit mündet, dass „ein reges Leben nach allen Richtungen christlicher Liebestä­ tigkeit und sozialen Schaffens“ herrscht. Gleichzeitig bildet dieser Befund aber auch den Ausgangspunkt für Kardinal Fischer, um aufzuzeigen, woran es dem Ganzen letztlich mangelt: „Nur eines fehlt uns: die Organisation.“ Eine ausreichende Möglichkeit zur Information bestehe nicht, die aber sei nötig, damit der Bischof „imstande sei, seinerseits mit Einsicht zu urteilen und gegebenen Falles mit Umsicht zu handeln“. Fischer sieht die Verknüp­ fung der caritativen Dienste mit dem Amt des Bischofs als „eine Pflicht [seines] Hirtenamtes“: „Der Bischof ist nach den kirchlichen Satzungen der geborene Anwalt der Bedürftigen seiner Diözese“.77 Auf dieses Entree folgt eine Mitteilung über die neuen Anordnungen, dernach ein „Diözesan-Ausschuß […] für die Werke christlicher Liebe und die christlich-sozialen Bestrebungen innerhalb der Erzdiözese“ sowie ein Diözesan-Komitee gegründet werden sollen. Dem Ausschuss kommen die Aufgaben zu, die gesamten caritativen Tätigkeiten zu beobachten, Bedürf­ nisse zu eruieren, Anregungen zu geben, zum Thema veröffentlichte Litera­ tur zu kennen. Dies alles mündet in einer Informationspflicht gegenüber dem Erzbischof. Fischer ernennt Weihbischof Joseph Müller78 (1845–1921) zum Vorsitzenden des Ausschusses, vier Kleriker als ordentliche und weite­ re außerordentliche Mitglieder. Er behält sich selbst das Recht vor, an Sit­ zungen teilzunehmen. 75  Antonius Fischer, Oberhirtlicher Erlaß betreffend Organisation der Werke christlicher Liebe und sozialer Fürsorge innerhalb der Erzdiözese (Nr. 21), in: Kirch­ licher Anzeiger für die Erzdiözese Köln 44 (1904), Nr. 3 vom 01. Februar 1904. 76  Antonius Kardinal Fischer (1840–1912) war von 1902–1912 Erzbischof von Köln. 77  Fischer untermauert diese Auffassung mit dem Verweis auf eine Aussage des Trienter Konzils, einem Zitat von Karl Borromäus und schließlich damit, dass sich nach Leo XIII. diejenigen eng an den Bischof anschließen sollen, die einer Tätigkeit nachgehen, die auf eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse abzielt. Dies habe Pius X. in seinem Motu proprio vom 18.12.1904 noch wiederholt. Gegenüber dieser breiten Ausführung erscheint die Begründung einer Anbindung recht kurz gefasst, da sich damit Irrungen vermeiden ließen (ebd.). 78  Joseph Müller war von 1903 bis 1921 Weihbischof des Erzbistums Köln.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

Aus verschiedenen Städten und Bezirken des Erzbistums beruft der Kar­ dinal Mitglieder für das Komitee des Erzbistums; sie setzen sich fast voll­ ständig aus Dechanten, Definitoren und Pfarrern zusammen. Demnach be­ stehen beide Gremien nahezu ausschließlich aus Klerikern. Die ernannten Personen sollen nach dem Willen des Erzbischofs als Korrespondenten für den Diözesan-Ausschuss dienen, insofern sie in ihren pastoralen Tätigkeiten vor Ort die verschiedenen Bedürfnisse wahrnehmen, die vorhandenen cari­ tativen Tätigkeiten in den Blick nehmen und mit diesen in Kontakt treten. Ihre jeweiligen Erkenntnisse sollen sie dem Ausschuss zuleiten. Das Komi­ tee und der Ausschuss treffen sich wenigstens einmal im Jahr auf Einladung des Vorsitzenden des Ausschusses zu einer Generalversammlung. Zusammenfassend lässt der Erlass von Januar 1904 eine deutliche Gliede­ rung in der Organisation erkennen, in der das Komitee gleichsam Beauftragte an der Basis hat, die über die aktuellen Entwicklungen informieren, die in­ nerhalb des Ausschusses gebündelt und über ihn dem Erzbischof übermittelt werden. So laufen die verschiedenen caritativen Tätigkeiten im Erzbistum nicht ohne Kenntnis des Oberhirten, aber auch nicht im eigentlichen Sinn unter seiner Leitung. Des Weiteren werden sie durch diese Maßnahmen auch nicht in einer übergeordneten Organisation zusammengefasst. Dem Erzbi­ schof eröffnet sich aber aufgrund der umfassenden Information seinerseits die Möglichkeit, Maßnahmen zu ergreifen, die er für notwendig erachtet. Felix Kardinal von Hartmann79 (1851–1919) folgte Kardinal Fischer auf dem Stuhl des Erzbischofs von Köln. Von 1914 bis zu seinem Tod leitete er zudem die Fuldaer Bischofskonferenz, die – wie bereits mehrfach vermerkt – am 23.08.1916 die Anerkennung des „Charitasverbandes für das katholi­ sche Deutschland“ beschlossen hat. Bereits mit Unterschrift vom 12. März 1916 veröffentlichte Kardinal Hartmann im Kirchlichen Anzeiger für die Erzdiözese Köln den „allgemeinen Plan der neu beschlossenen Organisation“ des Diözesancaritasverbandes, den er am 27. Februar 1916 in Köln während einer Versammlung anlässlich des ersten Diözesan-Caritastages proklamiert habe.80 Den Erlass von Ausführungsbestimmungen behält er sich vor. Seinen Entschluss bindet er zurück an den „einstimmigen Beschluss […] der Fuldaer Bischofskonferenz vom vorigen Jahre“, demnach eine „umfassende Organi­ sation aller caritativen Vereine, Anstalten und Einrichtungen für alle dem auf der Konferenz vertretenen Episkopate unterstellten Kirchensprengel alsbald in die Wege geleitet werden“81 sollte. In allen Bistümern sollen, so Hart­ 79  Felix

Kardinal von Hartmann war von 1912–1919 Erzbischof von Köln. von Hartmann, Caritas-Organisation in der Erzdiözese, in: Kirchlicher Anzeiger für die Erzdiözese Köln, 15.03.1916, Nr. 74, S. 45 f., S. 45. 81  Ebd. Auffällig ist die Diskrepanz zwischen der Bezugnahme von Hartmann und dem Datum des eigentlichen Anerkennungsbeschlusses im August 1916. Um 80  Felix



I. Caritas in Deutschland205

mann, gemäß dem Beschluss Diözesancaritasverbände errichtet werden, die wiederum ihren „Zusammenschluß in der gemeinsamen Caritaszentrale in Freiburg finden“82. Steht die Caritaszentrale unter der „Aufsicht des Gesamtepiskopates“83, welche ausgeübt wird durch den Erzbischof von Frei­ burg und den Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, so steht der Köl­ ner Diözesancaritasverband aufgrund der Bestimmung des Erzbischofs „un­ ter der unmittelbaren Oberaufsicht und Leitung des jeweiligen Oberhirten der Erzdiözese, wie es dem Geist unserer heiligen Kirche entspricht“84. Jedoch übt Hartmann die Oberaufsicht nicht in eigener Person aus, sondern bestellt als seinen Stellvertreter Weihbischof Peter Lausberg85 (1852–1922) zum „Vorsitzenden des Diözesanverbandes Köln“86. Neben der Bezugnahme auf den Beschluss der Fuldaer Bischofskonferenz führt der Erzbischof noch eine zeitgeschichtliche Begründung für die neue Einrichtung an: „Gegenüber den säkularisierenden und radikalen Bestrebungen der modernen Zeit gilt es, einen schützenden Wall um die christliche Caritas aufzurichten durch dies erklären zu können, muss auf die Versammlung der Fuldaer Bischofskonferenz im August 1915 hingewiesen werden. Dort wurden sowohl das von Constantin Nop­ pel SJ verfasste Memorandum, welches u. a. die Gefahren einer Monopolisierung der staatlichen und interkonfessionellen Wohlfahrtspflege skizzierte, als auch die Leit­ sätze des Freiburger Erzbischofs Thomas Nörber (1846–1920; Erzbischof von 1898– 1920) besprochen. Letzterer betonte auch eine „zweckmäßige Verbindung von Anschluß an die kirchliche Autorität und ungehinderter Bewegungsfreiheit“ (vgl. ­ Thomas Nörber, Organisation der katholischen Caritas, in: Erwin Gatz [Hrsg.], Ak­ ten der Fuldaer Bischofskonferenz, Mainz 1985 [Veröffentlichungen der Kommissi­ on für Zeitgeschichte, Reihe A, Quellen, Bd. 39], 251 f.). Im Anschluss kam es je­ doch nicht zu einer Beschlussfassung seitens der Konferenz, wenn auch den Leitsät­ zen der ausdrückliche Konsens der Mitglieder bescheinigt wurde. Umso bemerkenswerter ist die Aussage Werthmanns in der Zeitschrift „Caritas“: „Die im August 1915 zu Fulda versammelten deutschen Bischöfe haben die Organisation der Caritas in ihren Diözesen und den Anschluß dieser Diözesanorganisationen an den allgemeinen Caritasverband einmütig zum Beschlusse erhoben. […] [D]er wirkliche Ausbau der Caritasorganisation ist damit als Aufgabe der kirchlichen Behörden an­ erkannt.“ (Lorenz Werthmann, Die hochwürdigsten deutschen Bischöfe und die Ca­ ritasorganisation. Gründung des Caritasverbandes für die Diözese Paderborn, in: Caritas 21 (1915 / 16) 157–163, 157.) Erstaunlich ist zudem, dass auch Hartmann die Vorgänge 1915 bereits als „Beschluß“ charakterisiert, obwohl er als Vorsitzender um die Beschlusslage wissen musste. 82  Hartmann, Caritas-Organisation, 46. 83  Ebd. 84  Ebd., 45. (Herv. N. H.) Zu beachten sind die unterschiedlichen Charakterisie­ rungen hinsichtlich der Rolle der Bischöfe bzw. des Erzbischofs, die eine Gegen­ überstellung von Leitung und Aufsicht beinhaltet. 85  Peter Joseph Lausberg war von 1914–1922 Weihbischof im Erzbistum Köln. 86  Hartmann, Caritas-Organisation, 45.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

Schaffung einer systematischen Organisation, was den engen Anschluß an die Leitung der heiligen Kirche, der von Gott gesetzten Hüterin der christlichen Güter, bedingt.“87

Diese wahrgenommene Bedrohung durch gesellschaftliche Umbrüche und Tendenzen findet sich in verstärktem Maße auch in den erwähnten Text­ zeugnissen von Lorenz Werthmann und den übrigen führenden Gestalten des Deutschen Caritasverbandes zur damaligen Zeit.88 In dem erzbischöflichen Schreiben werden bereits Angaben zur Organisa­ tion des Verbandes gemacht, der in Zukunft „örtliche Caritasverbände“ umfassen soll, deren „Unterbau“ wiederum aus Pfarrausschüssen gebildet wird.89 Mit der Einrichtung dieser Untergliederungen soll unmittelbar be­ gonnen werden, jedoch in Anbindung an das Generalvikariat, wo die Ge­ schäftsstelle des Verbandes eingerichtet wird. Der Kardinal beschließt seine Ausführungen mit einem motivierenden Aufruf zur Orientierung an Christi Vorbild und der Befolgung seines Gebotes (Joh 15,9).90 In der Gesamtwürdigung dieses Schreibens gilt es, hervorzuheben, dass es eine Errichtung eines Diözesancaritasverbandes durch den zuständigen Erzbischof darstellt, aber anders als die Bischofskonferenz in ihrem Be­ schluss im August 1916 in Bezug auf den „Charitasverband für das katho­ lische Deutschland“ festlegte, wird nicht nur ein Aufsichtsrecht, sondern dem Erzbischof von Köln wird die Leitung des Diözesancaritasverbandes zuerkannt. Einschränkender Weise muss aber auf die Begrenztheit der Be­ fugnisse der damaligen Bischofskonferenz hingewiesen werden.91 Im Ge­ gensatz zu der Regelung in Köln hätte sie damals aus rechtlichen Gründen nicht die Leitung des Charitasverbandes übernehmen können. Im Vergleich zum Dokument von Hartmanns Vorgänger im Amt, Kardi­ nal Fischer, ist es zunächst bemerkenswert, dass er nicht auf diesen ein­ 87  Ebd. 88  Vgl.

D. I. 1. Hartmann, Caritas-Organisation, 45. „Diese Organisation soll nun so gegliedert werden, daß in den größeren Gemeinden mit zwei oder mehreren Pfarrei­ en sogen. örtliche Caritasverbände gebildet werden als örtliche Zentralstellen für alle daselbst entstehenden oder bestehenden caritativen Vereine, Anstalten, Einrichtungen usw.“ (ebd). „Den Unterbau für die Ortszentrale werden Pfarrausschüsse abgeben müssen, d. h. engere, aus caritativ wirkenden Männern und Frauen unter der Leitung der Pfarrer oder ihrer Stellvertreter bestehende Komitees, welche in jedem Pfarrort oder Pfarrektorat das caritative Arbeitsfeld in seinen Leistungen und Bedürfnissen überschauen und in den Beziehungen zur höheren Organisation vertreten. Die Bil­ dung solcher Pfarrausschüsse soll unverzüglich von den Herren Pfarrern und Pfar­ rektoren in den Einzelgemeinden, sowohl auf dem Lande wie in der Stadt, veranlaßt werden“ (ebd.). 90  Vgl. ebd., 46. 91  Vgl. dazu E. I. 1. a). 89  Vgl.



I. Caritas in Deutschland207

geht oder ihn auch nur erwähnt.92 Aus rechtlicher Perspektive ist das Re­ sümee von Splett kritisch einzuschätzen, demnach der DiCV Köln bereits 1904 gegründet worden sei und 12 Jahre später nur seine heutige Rechts­ form erhalten habe.93 Denn zwischen der Organisation, die Erzbischof Fi­ scher ins Leben rief, und derjenigen des Diözesancaritasverbandes von 1916 bestehen wichtige Unterschiede: Lief es 1904 primär auf eine umfas­ sende Information des Bischofs hinaus, finden sich 1916 deutliche Aussa­ gen über die Leitung und Oberaufsicht des Bischofs. Zudem erhält der Verband sowohl eine Untergliederung in Ortsverbände und Pfarrausschüsse als auch eine Anbindung an den Deutschen Caritasverband. Die Organisa­ tionselemente von 1904 finden sich in Ansätzen wieder, sind aber einge­ bettet in eine weitaus professionellere und umfassendere Organisations­ form. Es bleibt noch die Frage nach der Rechtsform von 1916 zu klären.94 Diese kann jedoch nur sozusagen nachträglich unter Anwendung der beiden Kodifizierungen von 1917 und 1983 beantwortet werden, da es innerhalb des Corpus Iuris Canonici – wie bereits erwähnt – kein eigen­ ständiges Vereinsrecht gab. Selbst im CIC / 1917 ist dieses Thema noch grundsätzlich schwierig. Gleichwohl ist eine Qualifizierung des Diözesancaritasverbands als kirchlicher Verein aufgrund der Errichtung durch den Erzbischof eindeu­ tig. Dieser Rechtsakt behält auch über die Kodifizierung des CIC von 1983 ihre Gültigkeit.95 Den geltenden Normen entsprechend würde aufgrund der Errichtung seitens der kirchlichen Autorität von einem öffentlichen kirch­ lichen Verein gesprochen werden. Seit 1927 handelt es sich beim Diözesancaritasverband um einen einge­ tragenen Verein weltlichen Rechts, da damals die Eintragung ins Vereinsre­ gister des Kölner Amtsgerichts erfolgte. auch Heinemann, Die Stellung der Caritas, 157 f. Splett, Zur Chronik, 20. Fraglich ist die dortige Datumsangabe des 04.05.1905, da die Anordnungen mit Veröffentlichung im Kirchlichen Anzeiger Rechtskraft erlangen und damit das angegebene Datum vom 17.01.1904 maßgeblich ist. 94  Sie wird im Folgenden kurz gefasst beantwortet, da sie in der partikularrecht­ lichen vergleichenden Zusammenschau noch einmal eigens thematisiert wird [vgl. E. I. 1. b)]. 95  Diese Aussage berührt die Frage nach der Rechtsüberleitung im Rahmen der Kodifizierung von 1983. Helmut Schnizer weist darauf hin, dass die Anwendung des CIC / 1983 aktuell wird, „wenn ein altrechtlicher oder kodikarischer Verein seine Statuten zu ändern wünscht oder kirchliche Hoheitsträger ihm gegenüber Amtshand­ lungen vornehmen“ (vgl. Schnizer, Allgemeine Fragen, 577). Vgl. dazu auch Win­ fried Schulz, Der neue Codex und die kirchlichen Vereine, Paderborn 1986, 68–82; Wilhelm Dütz, Kirchliche Vereine nach neuem Kirchenrecht. Zur Zuordnung nach den Typisierungen des CIC 1983, in: ThGl 78 (1988), 352–365. 92  Vgl. 93  Vgl.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

Aus der weiteren Geschichte des DiCV soll noch erwähnt werden, dass der Nachfolger im erzbischöflichen Amt, Karl-Josef Schulte96 (1871–1941), 1922 eine Diözesansynode durchführte, die einen Schwerpunkt im Bereich Caritas besaß. Die Bedeutung der Pfarrei für die Caritas wurde eingehend mit dem erneuten Impuls zur Gründung der genannten Caritasausschüsse unter­ strichen.97 Dies lässt den Rückschluss zu, dass in dem dazwischen liegenden Zeitraum noch nicht viel in diese Richtung umgesetzt worden war. Des Weiteren ist die Begebenheit bemerkenswert, dass sich Erzbischof Jo­ seph Frings98 (1887–1978) Anfang der 1940er Jahre beim Präsidenten (da­ mals noch Vorsitzender genannt) des Deutschen Caritasverbandes, Benedikt Kreutz, bezüglich der Amtsbefugnisse eines Diözesancaritasdirektors und dessen Stellung erkundigte.99 Diese Auskunft erbat sich der Erzbischof im Vorfeld der Amtsübernahme durch Karl Boskamp (1907–1983) im Februar 1943. Vom Diözesancaritasverband Köln wurde sie als „relativ selbständig“ eingeschätzt. Die Beschreibung wurde nun durch Kreutz näher konkretisiert: „Der Caritasdirektor ist demnach Leiter des Verbandes der Erzdiözese Köln und soll diesen mittels Anregungen und Aufträgen als Ausdruck des praktischen Chris­ tentums stets aufrechterhalten. Er ist hauptamtlich und ausschließlich zum Leiter bestellt. Der Caritasdirektor ist der unmittelbare Leiter des Caritasverbandes. Er leitet die Geschäftsstelle. Nach Rücksprache mit dem Vorstand stellt er das Per­ sonal an. Der Caritasdirektor ist verantwortlich für die Vorbereitung und die Durchführung der Beschlüsse.“100

Darüber hinaus ist die Bemerkung zum Vorsitzenden des DiCV zu be­ rücksichtigen, da Kreutz auch zu seiner Position, vor allem im Hinblick auf dessen Verortung im Bistum, eine wichtige Aussage macht: Er werde vom Bischof ernannt und sei für gewöhnlich Mitglied des Ordinariates, wo er dem Referat für Caritas vorstehe. Zwischen Vorsitzendem und Direktor besteht ein wechselseitiges Verhältnis. Dieser bespricht „Fragen von grund­ sätzlicher oder praktisch weittragender Bedeutung“ sowohl mit dem Vor­ stand als auch mit dem Vorsitzenden. 96  Er

war Erzbischof von Köln in den Jahren 1920–1941. Hermann-Josef Scheidgen, Die verbandliche Caritas und die katholische Kirche in Deutschland in den letzten 100 Jahren unter besonderer Berücksichtigung der Erzdiözese Köln, in: Norbert Feldhoff / Alfred Dünner (Hrsg.), Die verbandliche Caritas. Praktisch-theologische und kirchenrechtliche Aspekte, Freiburg i. Br. 1991, 21–51, 27 f. 98  Joseph Frings war von 1942 bis 1969 Erzbischof von Köln. 99  In seinem Brief heißt es: „Seiner Zeit deuteten Sie an, die Stellung des Diö­ zesancaritasdirektors sei in der Erzdiözese Köln anders und unselbständiger als in den anderen deutschen Diözesen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn sie mir diesen Un­ terschied genauer präzisieren wollten“ (Archiv DCV 125.50 M.2). 100  Scheidgen, Die verbandliche Caritas, 32, nach Splett, Zur Chronik, 61. 97  Vgl.



I. Caritas in Deutschland209

b) Rechtliche Struktur Nach diesem Blick auf die historischen Anfänge des Kölner Diözesanca­ ritasverbandes, soll im Folgenden die geltende Satzung des DiCV Köln untersucht werden.101 Die Frage, inwiefern sich der geschichtliche Umstand der erzbischöflichen Errichtung in inhaltlichen Aussagen des Textes wider­ spiegelt, wird im Vordergrund des Interesses stehen.  Die geltende Satzung vom 19.03.2009 ist mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt des Erzbistums Köln am 1. September 2009 in Kraft getreten.102 In Anlehnung an die Analyse der Satzung des DCV wird der Text auf die verschiedenen Organe und ihre Funktionen sowie besonders auf die Aussa­ gen zu den Befugnissen des Erzbischofs und den Verbindungen des Verban­ des zu selbigem zu hinterfragen sein. In der Präambel wird zunächst Bezug genommen auf die Verankerung der Caritas als „unverzichtbarer Wesensausdruck der katholischen Kirche“ zu­ sammen mit Verkündigung und Liturgie. Wie in der Satzung des DCV wird bereits an dieser Stelle die Verbindung zum Bischofsamt aufgezeigt, aber nicht in der Form der Anerkennung der Vertretung, sondern in der expliziten Zuordnung des Diözesancaritasverbandes zum Bischof, denn Caritas ist „Pflicht des ganzen Gottesvolkes und jedes einzelnen Christen“. Weiter heißt es: „Ihrer vollen Erfüllung in der Diözese gilt die besondere Sorge des Bischofs.“103 Aus dieser Aussage wird der Umstand abgeleitet, dass „dieser Caritasverband unter dem Schutz und der Aufsicht des Erzbischofs von Köln steht“. Die Auslassung des Begriffs der „Leitung“, den Kardinal Hart­ mann verwendete, und seine Ersetzung durch „Aufsicht“ sind augenfällig. Eine weitere Ähnlichkeit zur Satzung des DCV besteht in der Beschrei­ bung der Stellung und des Zwecks des Kölner DiCV: „Der Verband ist die vom Erzbischof von Köln anerkannte institutionelle Zusam­ menfassung aller der Caritas dienenden Einrichtungen und Dienste sowie die Vertretung der Caritas innerhalb des Erzbistums Köln. Er ist Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege auf Landesebene.“ (Satzung Köln, § 2 Abs. 1)

Der DiCV umfasst alle Stadt- und Kreis-Caritasverbände sowie die dem DCV angeschlossenen, anerkannten zentralen katholischen caritativen Fach­ 101  Satzung des Diözesan-Caritasverbandes für das Erzbistum Köln vom 24.02.2005 in der Fassung vom 19.03.2009, veröffentlicht im Amtsblatt des Erzbis­ tums Köln, Stück 11, 01.09.2009, Nr. 184. 102  Vgl. Amtsblatt für das Erzbistum Köln, Stück 11, 1. September 2009, Nr. 184, 202 ff. 103  Satzung Köln, Präambel. Beide Sätze sind auch im Original völlig unverbun­ den nebeneinander gestellt, sodass sich eine Zuordnung dieser Verantwortlichkeiten und ihr Zusammenspiel nicht ableiten lassen.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

verbände und Vereinigungen (vgl. Satzung § 4 Abs. 1). Mitglieder können sowohl persönliche wie korporative Mitglieder sein (vgl. Satzung § 5). Im Unterschied zu der Gliederung der Organe des Deutschen Caritasverbandes umfasst der DiCV nur drei Organe, da das Amt des Vorsitzenden nicht als eigenes Organ gezählt wird. Es findet auch keine Erwähnung in Form eines eigenen Abschnittes in der Satzung. Der Vorstand setzt sich aus fünf Personen zusammen: dem Vorsitzenden, dem stellvertretenden Vorsitzenden, dem Diözesan-Caritasdirektor und zwei weiteren Mitgliedern.104 Dem Vorstand ist die Erfüllung der Verbandsaufga­ ben anheimgestellt. Dazu gehören Tätigkeiten im Bereich der Vernetzung, also die Einbindung des Verbands zum DCV als auch zu den Stadt- und Kreis-Caritasverbänden (vgl. Satzung § 10 Abs. 1) sowie die „Vorbereitung und Durchführung der Beschlüsse des Diözesan-Caritasrates und der Vertre­ terversammlung“ (ebd.). Hinzu kommen Auswertungs-, Berichts- und Be­ schlusspflichten (vgl. ebd.). Die laufende Verwaltung gehört nicht zu den Vorstandsaufgaben; es gibt aber dazu eine Verbindung durch den DiözesanCaritasdirektor, der zum Vorstand gehört und gleichzeitig die Geschäftsstel­ le leitet, der die Geschäftsführung obliegt (vgl. Satzung § 12). Im Rahmen der Wahl des Vorstandes kommt dem Erzbischof eine wich­ tige Funktion zu, indem er den Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und den Diözesan-Caritasdirektor, demnach also drei der fünf Personen, ernennt und abberuft (vgl. Satzung § 9 Abs. 2). „Bei vorzeitigem Ausscheiden eines vom Erzbischof ernannten Vorstandsmitglieds ernennt dieser einen Nachfolger“ (ebd.). Die zwei weiteren Mitglieder werden vom Caritasrat gewählt. Wäh­ rend deren vorzeitige Abberufung an das Vorliegen eines wichtigen Grundes geknüpft ist, der anhand dreier Möglichkeiten beispielhaft konkretisiert wird105, finden sich in Bezug auf den Erzbischof und dessen Recht zur Abberufung keine näheren bzw. einschränkenden Angaben. Auch die durch den Caritasrat gewählten Vorstandsmitglieder bedürfen zur Ausübung ihres Amtes einer schriftlichen Bestätigung durch den Erzbischof (vgl. Satzung § 9 Abs. 3). Es werden zwar keine fachlichen Qualifikationen zur Ausübung dieses Amtes angeführt, aber Abs. 4 nennt drei persönliche Voraussetzun­ gen, so die Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche, keine Beein­ trächtigung innerhalb der Ausübung der Gliedschaftsrechte106 sowie ein 104  Vgl. § 9 Abs. 1. Es fällt die durchgehende männliche Bezeichnung der Ämter auf. Eine Begründung findet sich dafür nicht. 105  Satzung § 9 Abs. 3: „Als wichtige Gründe sind insbesondere grobe Pflichtver­ letzung, Verstoß gegen die Grundordnung des kirchlichen Dienstes oder die Unfä­ higkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung anzusehen.“ 106  Dies betrifft Gläubige, die mit einer Beugestrafe belegt sind (vgl. cc. 1331– 1333 CIC), greift aber weiter auf den Personenkreis der Geschiedenen-Wiederver­



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Lebensalter unter 68 Jahren.107 Zu den Aufgaben des Vorstandes gehört es, die Erfordernisse zur Erfüllung der Verbandsaufgaben zu veranlassen und durchzuführen (vgl. § 10 Abs. 1). Die laufende Geschäftsführung gehört zu den Aufgaben der Geschäftsstelle, die vom Diözesan-Caritasdirektor geleitet wird. Der Diözesan-Caritasrat wurde mit der Satzungsänderung 1979 eingerich­ tet108 und setzt sich aus 12 Mitgliedern zusammen. Zehn davon werden von der Vertreterversammlung gewählt, die übrigen zwei werden kooptiert. Die Gruppe muss letztlich Mitglieder aus allen vier Mitgliedergruppen (Caritas­ verbände, Fachverbände, Orden, sonstige Träger bzw. Mitglieder) aufweisen (vgl. § 14 Abs. 2). Weiterhin ist unter dem Gesichtspunkt des vertretenen Anteils an Klerikern erwähnenswert, dass die Kreis- und Stadtdechanten gemäß § 17 Abs. 2, n. 4 der Vertreterversammlung angehören. Mit dem Amtsantritt von Norbert Feldhoff als Vorsitzendem des Diöze­ san-Caritasverbandes 1983 wurde auch das Amt des Geistlichen Beirats geschaffen, das in der Satzung unter § 19a näher bestimmt wird. Seine Aufgabe ist „die Förderung und Unterstützung der Arbeit des DiözesanCaritasverbandes im geistlichen und seelsorglichen Bereich“ (§ 19a Abs. 1). Dies wird in sechs Punkten näher konkretisiert, die die Funktion als zustän­ dig für die theologische Fundierung der Caritasarbeit und die geistliche Begleitung der Mitarbeiter / innen ausweisen, auch in Bezug auf die Ausbil­ dung der Priester und Diakone. Dem Geistlichen Beirat ist ein Sitzungsrecht in allen Organen eigen (§ 19a Abs. 2). Gemäß § 8 Abs. 2 der Satzung wird der jeweilige Amtsinhaber vom Erzbischof „in Abstimmung mit dem Vor­ stand“ ernannt. Neben den bereits besprochenen Stellen, an denen der Erzbischof erwähnt wird, finden sich noch mehrere Bezugnahmen: So die Bindung des Verban­ des an dem Erzbischof vorbehaltene Genehmigungen (vgl. § 2 Abs. 4), die Anerkennung von bischöflich erlassenen Dokumenten, wie die „Grundord­ nung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ heirateten. Dort existiert die kanonistische Diskus­sion, inwiefern diese vom Sakra­ mentenempfang ausgeschlossen sind (vgl. c. 915 CIC). 107  Es mag mit dieser Regelung der Wunsch nach einer gewissen Kontinuität in der Vorstandsbesetzung verbunden sein. Trotzdem ist sie – besonders in der Wahl der Jahreszahl – nicht nachzuvollziehen, da es sich nicht um das allgemeine Ren­ teneintrittsalter handelt. Zudem üben die zwei vom Caritasrat gewählten Mitglieder das Amt ehrenamtlich aus. Darüber hinaus umfasst die Amtszeit stets sechs Jahre mit der Möglichkeit auf Wiederwahl. Eine solche Regelung impliziert auch keine Garantie, da jüngere Personen von sich aus, nach Ablauf der sechs Jahre oder bereits vorher das Amt niederlegen können. Die Regelung besitzt aufgrund des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes keine Rechtsgrundlage. 108  Vgl. Splett, Zur Chronik, 139.

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(vgl. § 2 Abs. 5) oder auch hinsichtlich der Beauftragung z. B. bei der Ausübung von Aufsichtsaufgaben gegenüber den Verbandsmitgliedern (vgl. § 3 Abs. 3). Der Vorstand kann auch zur vorgängigen schriftlichen Bestäti­ gung des Vorstandsamtes innerhalb der Stadt- und Kreis-Caritasverbände beauftragt werden (vgl. § 10 Abs. 1, n. 10). Diese häufige Verknüpfung mit dem Amt des Ortsordinarius ist ein mar­ kanter Unterschied zur Satzung des DCV. Ein weiterer besteht in dem Umstand, dass sich keinerlei kanonistische Zuordnung findet.109 Dies ist umso erstaunlicher, als sich der Diözesancaritasverband des Erzbistums Köln als kirchlich errichtet versteht. 5. Caritas auf Bistumsebene am Beispiel der Erzdiözese München und Freising Als zweites Beispiel für den Bereich der Deutschen Bischofskonferenz wird im Folgenden der Diözesancaritasverband für die Erzdiözese München und Freising besprochen. Dies bietet sich an aufgrund der geschichtlichen Umstände hinsichtlich der Entstehung des Landescaritasverbandes.110 a) Geschichtliche Entwicklung Es war bereits die Rede vom Beschluss der Fuldaer Bischofskonferenz zur Anerkennung des Deutschen Caritasverbandes. In diesem Zusammen­ hang ist zu berücksichtigen, dass es neben dieser Bischofskonferenz seit 1873 im Königreich Bayern eine selbständige Bischofskonferenz unter dem Namen Freisinger Bischofskonferenz gab. Zwar hatten die österreichischen, preußischen und bayrischen Bischöfe zunächst zusammen getagt, doch seit dem Kulturkampf gingen sie getrennte Wege. Zu einem ständigen Zusam­ menschluss zwischen dem bayrischen und preußischen Gebiet kam es erst auf dem Hintergrund der nationalsozialistischen Bedrängnis im Jahr 1933.111 Der Charitasverband für das katholische Deutschland musste 1916 / 1917 mit der Freisinger Bischofskonferenz eigens verhandeln. Dabei entsprach 109  Vgl.

dazu die Satzung des DCV § 2. ergibt eine Sichtung der 27 Satzungen der Diözesancaritasverbände eine große Ähnlichkeit, sodass eine Auswahl der benannten Erzdiözesen begründet erscheint, zum einen aufgrund der erzbischöflichen Errichtung in Köln, und zum anderen auf dem Hintergrund der zunächst zum DCV pa­rallel angelegten Struktur des bayrischen Landescaritasverbandes. 111  Vgl. Erwin Gatz, Art.: Bischofskonferenz, I. Historisch, in: LThK3, Bd. 2, 1994, 496 f.; vgl. auch: Manfred Eder, Helfen macht nicht ärmer. Von der kirchli­ chen Armenfürsorge zur modernen Caritas in Bayern, Altötting 1997, 324. 110  Ansonsten



I. Caritas in Deutschland213

eine mögliche Parallelstruktur in Form eines Landescaritasverbandes nicht dem Interesse Lorenz Werthmanns, was er in einer eigenen Denkschrift mit dem Titel „Ist ein bayrischer Landescaritasverband wünschenswert?“112 auch deutlich zum Ausdruck brachte. In seiner Schrift unterstreicht Werth­ mann die Notwendigkeit einer Bündelung der Kräfte des katholischen Deutschlands in seiner caritativen Tätigkeit. Nach ihm sind die „großen Fragen der katholischen Caritas keine spezifisch bayrischen, sondern allge­ mein Deutsche“113. Zudem würde der bayrische Einfluss durch eine Ab­ spaltung gefährdet.114 Dieser durchaus pathetisch geprägten Schrift folgte eine Erwiderung, die nicht unterzeichnet, aber – so vermutet Manfred Eder – wahrscheinlich vom bereits im Dezember 1916 gewählten Vorstand des Landescaritasverbandes auf seiner ersten Zusammenkunft am 14.03.1917 verfasst wurde. In dieser wurden alle Argumente Werthmanns einzeln be­ sprochen und zurückgewiesen, so auch die Vorstellung einer Parallelstruk­ tur ohne Anschluss an den „Caritasverband für das katholische Deutsch­ land“: „Das Verhältnis zwischen beiden Verbänden soll vielmehr so gestaltet werden, daß die Solidarität der Interessen in den das ganze Reich angehenden Fragen gewahrt und der ‚Einfluß der 5 Millionen bayrischen Katholiken‘ dem deutschen Caritas­ verband erhalten bleibt.“115

Manfred Eder macht aber neben diesem Umstand der Eigenständigkeit der Freisinger Bischofskonferenz noch einen zweiten Sachverhalt aus, der zur Gründung des bayrischen Landesverbandes führte: „der Expansions­ drang des ältesten bayrischen Ortsverbandes in München“116. Die Proklama­ tion des „Katholischen Caritasverbandes für das Königreich Bayern e. V.“ erfolgte im Juni 1917. Ziel des Landescaritasverbandes war es sodann, den Ausbau der regiona­ len und lokalen Organisationen von Caritas voranzubringen, indem Diöze­ san- und Ortscaritasverbände gegründet werden sollten.117 Auch hier, wie bereits in Köln beobachtet, wurde eine hohe Bedeutung in der Schaffung einer Basisstruktur gesehen: „Jede Pfarrgemeinde Bayerns, keine einzige 112  Lorenz Werthmann, Ist ein bayrischer Landescaritasverband wünschenswert? (11. März 1917), in: Denkschriften I, 85–89. 113  Ebd., 86. 114  Vgl. ebd., 88. 115  Kurze Erwiderung auf das Promemoria des Herrn Prälaten Dr. Werthmann an die Hochwürdigsten Herrn Erzbischöfe und Bischöfe sowie an die hochwürdigsten Ordinariate Bayerns vom 11. März 1917. (Archiv DCV 124.030 Fasz. 01). Vgl. dazu Eder, Helfen macht nicht ärmer, 325 f. Dort sind auch die Quellen abgedruckt (587–593). 116  Eder, Helfen macht nicht ärmer, 326. 117  Vgl. ebd., 339.

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ausgenommen, soll mit der Zeit ihren wohlorganisierten, gut funktionieren­ den Caritasausschuß erhalten.“118 Die Zusammenarbeit mit dem DCV gestaltete sich in der Weise, dass der bayrische Landesverband korporatives Mitglied desselben wurde, zwei Ver­ treter sowie je einen Delegierten der acht bayrischen Diözesen in den Zent­ ralrat des DCV entsandte sowie einen finanziellen Beitrag leistete. Allerdings traten bereits 1920 finanzielle Probleme auf, die eine jährliche Caritaskollek­ te als notwendig erscheinen ließen. Dem bayrischen Episkopat kamen Zwei­ fel an der Notwendigkeit eines Landesverbandes, wenn dessen Überleben bereits nach drei Jahren von einer Kollekte abhängig gemacht wurde. Gleich­ zeitig bestand aber die Befürchtung „durch das blamable Eingeständnis einer Fehlkalkulation das Gesicht zu verlieren und sich vor allem gegenüber Werthmann eine peinliche Blöße zu geben“119. Als letzteres Argument im April 1921 durch den Tod Werthmanns hinfällig geworden war, wurden di­ rekt Gespräche mit dem DCV aufgenommen. Die Auflösung des Verbandes als eingetragener Verein erfolgte zwar erst 1924, aber bereits am 07.09.1921 erklärte der bayrische Episkopat sein Einverständnis mit der Auflösung. Die bayrischen Diözesancaritasverbände wurden daraufhin dem DCV eingeglie­ dert und bildeten untereinander eine Arbeitsgemeinschaft.120 Eine rechtliche Form erhielt die Gruppierung aber erst 1951 und zwar als eingetragener Ver­ ein „Deutscher Caritasverband-Landesverband Bayern e. V.“.121 Die acht Diözesancaritasverbände hatten sich erst nach der Gründung des Landescaritasverbandes in einem relativ kurzen Zeitraum von 1918 bis 1922 entwickelt.122 Dies ist umso erstaunlicher, als dass der Episkopat die Grün­ dung von Diözesancaritasverbänden hinter die Errichtung und den Ausbau der Ortscaritasverbände gestellt bzw. sogar vorerst gar nicht gewünscht hatte.123 Speziell beim Diözesancaritasverband der Erzdiözese München und Frei­ sing verhielt es sich so, dass dieser aus dem im Dezember 1899 gegründeten Ortscaritasverband der Stadt München erwachsen ist. Aufgrund der vermehr­ 118  Philipp Friedrich, Der Katholische Caritasverband für das Königreich Bay­ ern. Sein Werden, Wesen und Wollen auf Grund der Quellen dargestellt, München 1919, 49. Vgl. Eder, Helfen macht nicht ärmer, 339. 119  Eder, Helfen macht nicht ärmer, 344. 120  Vgl. dazu ebd., 345 f. 121  Vgl. Festschrift 90 Jahre Landes-Caritasverband Bayern (1917–2007), 12 f.: www.lvbayern.caritas.de / 36094.html (Zugriff: 30.09.2010). 122  Eichstätt September 1918, Würzburg März 1920, Speyer und Passau De­ zember 1920, Augsburg März 1921, Bamberg Mai 1921, München und Freising Februar 1922, Regensburg Juli 1922. 123  Vgl. Eder, Helfen macht nicht ärmer, 361 f.



I. Caritas in Deutschland215

ten Aufgaben im Zuge des Ersten Weltkrieges wurde im Anschluss an einer Erweiterung in Form einer Umwandlung in einen Diözesanverband gearbei­ tet, die auf einer Generalversammlung am 10. Februar 1922 durchgeführt wurde.124 Waren innerhalb des Ortscaritasverbandes der Vorsitzende und Di­ rektor gewählt worden, so wurden diese Positionen mit dem Umbau zum Diözesancaritasverband durch den Erzbischof ernannt.125 Direkt zu Beginn wurde beschlossen, dass in den Pfarreien jeweils ein Caritasausschuss zu gründen und darüber bis Juni 1922 dem Ordinariat zu berichten sei.126 b) Rechtliche Struktur Die geltende Satzung wurde am 20.11.2009 von der Vertreterversamm­ lung beschlossen und sechs Tage später oberhirtlich genehmigt. Am 27.01.2010 erfolgte die Eintragung der Satzung­sänderung in das Vereinsre­ gister des Amtsgerichts München.127 Der Satzung ist eine Präambel vorangestellt, innerhalb derer drei Aspekte auffallen, die sich auch im entsprechenden Abschnitt des Kölner DiCV und teilweise bei dem DCV finden: Caritas richtet sich als Auftrag sowohl an die einzelne Person als auch an die gesamte kirchliche Gemeinschaft; Ver­ kündigung, Liturgie und Caritas sind unverzichtbarer Ausdruck kirchlichen Lebens und schließlich kommt dem Bischof wesentliche Bedeutung für die Caritas zu. Während dieser letzte Aspekt allerdings beim DCV nur in der Erwähnung der Anerkennung seitens der deutschen Bischöfe erfolgt und in der Kölner Präambel in einem Satz einzig der Hinweis zu finden ist, dass der Caritasverband unter dem Schutz und der Aufsicht des Bischofs stehe, wird in dem Münchener Einleitungstext der Bezug des Bischofs zur Caritas theologisch motiviert: „Der Bischof hat als Zeuge der Liebe Christi dafür zu sorgen, dass der Geist der Nächstenliebe durch geeignete Werke, Vereinigungen und Organisationen verwirk­ licht wird.“128 124  Vgl.

dazu detaillierter ebd., 414–428. Kardinal Faulhaber (1869–1952, Erzbischof von München und Frei­ sing 1917–1952) ernannte zum ersten Vorsitzenden den Domkapitular Johannes Ev. Müller (1922–1923), der den Diözesancaritasverband charakterisierte als „das offizi­ elle Organ des Bischofs in Caritassachen“ (vgl. Protokoll der Umbildungsgeneralver­ sammlung des Münchener Caritasverbandes vom 10. Februar 1922, in: Zum Bischofs­ jubiläum unseres Hochwürdigsten Herrn Kardinals, in: MüCst 5 (1936) 13–27). 126  Bis Ende 1922 hatten sich bereits 251 Caritasausschüsse gebildet. Vgl. Eder, Helfen macht nicht ärmer, 417 f. 127  Die Satzung ist veröffentlicht auf der Homepage des DiCV München und Freising unter: www.caritasmuenchen.de / Page003472.htm (Zugriff: 30.09.2010). 128  Auffällig ist die Aufnahme der Wendung aus dem Konzilstext CD 16,6. 125  Michael

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

Daraus folgt für den Caritasverband, dass dieser ein „wichtiges Instru­ ment des Erzbischofs von München und Freising ist“, um seinen oben ge­ nannten Auftrag zu erfüllen (DiCV München, Präambel). Wenngleich die Verbindung zwischen Caritasverband und Bischof aufgezeigt wird, so bleibt sie doch rechtlich unscharf, weil es sich bei der Begriffswahl „Instrument des Erzbischofs“ nicht um einen Rechtsterminus handelt und somit nicht definiert werden kann, wie die Beziehung rechtlich gestaltet ist. Eine schär­ fere Beschreibung findet sich durch die Aussage, dass der Verband, der am 12.02.1922 gegründet und am 17.03.1922 oberhirtlich genehmigt wurde, „der Aufsicht des Erzbischofs von München und Freising“ untersteht (vgl. § 1 Abs. 3). Zugleich handelt es sich um einen eingetragenen Verein der freien Wohlfahrtspflege (vgl. § 1 Abs. 6). Dem Caritasverband gehören die anerkannten katholischen caritativen Fachverbände an (vgl. § 2 Abs. 1). Dabei wird in demselben Paragrafen die Zusammenarbeit mit den Pfarrgemeinden und Pfarrverbänden eigens hervor­ gehoben (vgl. Abs. 3). Hinsichtlich der Mitglieder setzt sich der Verband aus geborenen, korporativen und persönlichen zusammen. Gegenüber den beiden bereits besprochenen Satzungen bilden die geborenen Mitglieder eine neue Gruppe. Darunter sind zum einen die Pfarreien „als lebendiger Ort kirchlicher Caritas“ (§ 5 Abs. 1 d) zu verstehen, daneben findet der Begriff innerhalb der Besetzung des Caritasrates Verwendung, dem eben­ falls geborene Mitglieder angehören (vgl. § 13 Abs. 2 a). Wie der Kölner Caritasverband umfasst der Münchener DiCV drei Orga­ ne (Vertreterversammlung, Caritasrat und Vorstand). Der markanteste Unter­ schied besteht innerhalb der Zusammensetzung und Bestellung des Vor­ stands. In München besteht dieser aus drei Mitgliedern, wobei der Vorsit­ zende vom Erzbischof auf unbestimmte Zeit ernannt wird (vgl. § 17 Abs. 2). Laut Satzung trägt das Amt des Vorstandsvorsitzenden auch den Titel Diö­ zesan-Caritasdirektor (vgl. ebd.). Dies ist ungewöhnlich, da es in den übri­ gen DiCVs stets zwei Ämter gibt, d. h. den Vorsitzenden sowie den Caritas­ direktor. Letzterer ist gemäß der Kölner Satzung für die Geschäftsführung zuständig (vgl. Köln DiCV, § 12), jedoch werden keine näheren Bestimmun­ gen zur Funktion des Vorstandsvorsitzenden gegeben. Es kann allerdings vermutet werden, dass sie neben den formellen Aufgaben wie Einberufung und Leitung von Sitzungen (vgl. Köln DiCV, § 13) in der Repräsentation des Verbandes in Kirche und Gesellschaft bestehen. Demnach ist eine Ver­ bindung beider Aufgaben nicht ausgeschlossen. Die zwei übrigen Vorstandsmitglieder werden ebenfalls vom Erzbischof auf fünf Jahre mit Möglichkeit auf Wiederbesetzung berufen, jedoch „unter Würdigung des Vorschlags des Caritasrats“ (München DiCV, § 17 Abs. 3). Bei einem Abweichen des Erzbischofs von diesem Vorschlag muss er zu­



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nächst den Caritasrat hören. Der Erzbischof kann die betreffenden Personen nach Anhörung derselben, der übrigen Vorstandsmitglieder sowie des Cari­ tasrates abberufen (vgl. ebd.).129 Im Vergleich zu den Kölner Bestimmungen fällt auf, dass die Besetzungs­ rechte des Erzbischofs nahezu identisch ausgeprägt sind. Da es aber in Köln innerhalb des Vorstandes noch zwei weitere Mitglieder gibt, die durch den Caritasrat gewählt werden, sind die erzbischöflichen Befugnisse in Mün­ chen sogar stärker ausgeprägt als in dem kirchlich errichteten Caritasver­ band des Erzbistums Köln. Der Caritasrat besteht in Köln wie in München aus 12 Mitgliedern.130 Auch bei diesem Organ ist die Mitsprache des Erzbischofs in größerem Um­ fang gegeben als im Kölner DiCV. Während im Kölner DiCV zehn Mitglie­ der von der Vertreterversammlung gewählt und die übrigen zwei durch diese kooptiert werden (vgl. Köln, § 14 Abs. 2 und 3), trifft dies in München nur auf neun Personen zu, sieben wählt die Vertreterversammlung, zwei kooptiert diese. Bei den übrigen drei handelt es sich um geborene Mitglieder des Cari­ tasrates: einerseits ist dies der bzw. die vom Erzbischof bestellte Vorsitzende, andererseits benennt der Diözesan-Steuerausschuss der Erzdiözese zwei Ver­ treterinnen bzw. Vertreter (vgl. München, § 13 Abs. 2 a). Der Einfluss des Erzbischofs wirkt sich durch diese Berufung auch indirekt aus, da innerhalb von Beschlussfassungen bei Stimmengleichheit die Stimme des bzw. der Vor­ sitzenden entscheidet (vgl. München, § 15 Abs. 3). Ansonsten findet der Erzbischof keine solch durchgehende Erwähnung wie in der Kölner Satzung.131 Vielmehr werden in Analogie zum dortigen § 20, der mit der Überschrift „Aufsicht“ versehen ist, in § 21 der Satzung des Münchener Diözesancaritasverbandes unter dem Titel „Vorbehaltsge­ schäfte“ die Rechtsakte zusammengetragen, die der Zustimmung des Erzbi­ schofs zur allgemeinen Gültigkeit bzw. zur Gültigkeit mit Wirkung im In­ nenverhältnis bedürfen.132 129  Kritisch zu hinterfragen ist der Befund, dass zwar bzgl. der zwei weiteren Mit­ glieder des Vorstandes auch eine weibliche Besetzung möglich erscheint aufgrund der Verwendung der männlichen wie weiblichen Form, dies aber nicht zutrifft hinsichtlich des Vorstandsvorsitzenden. Da aber auch kein Hinweis erfolgt, dass dieses Amt mit einem Kleriker zu besetzen sei, handelt es sich entweder um einen Druckfehler oder um eine anfecht­bare, weil unzulässig einschränkende, Bestimmung. 130  Allerdings lautet die Bestimmung in München, dass es „bis zu zwölf Mitglie­ der“ sein können (München, § 13 Abs. 1). 131  Es findet sich aber z. B. auch in der Münchener Satzung der Hinweis auf die Anerkennung der vom Erzbischof erlassenen „Grundordnung des kirchlichen Diens­ tes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ (vgl. München, § 1 Abs. 10). 132  Zur ersten Gruppe gehören primär finanzielle Rechtsgeschäfte wie Grund­ stücksangelegenheiten, Kreditaufnahmen, Bürgschaften und Investitionen jeweils in

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

Grundsätzlich mangelt es dieser Satzung, wie auch der des Kölner Diöze­ sancaritasverbandes, an einer Bestimmung zur kanonistischen Rechtsstellung.

II. Caritas in Österreich 1. Geschichtliche Entwicklung der organisierten Caritas Die Beschreibung der geschichtlichen Entwicklung der organisierten Cari­ tas in Österreich kann mit der Gründung der „Zentralstelle der katholischen Vereine für freiwillige Wohltätigkeit“ im Jahr 1900 begonnen werden. Diese veranstaltete im selben Jahr auch den ersten von fünf Caritaskongressen im Zeitraum bis 1914.133 Johannes Schmidle verdeutlicht in seiner Dissertation zur Caritas in Tirol, die sich auch eingehend mit der Entwicklung in Öster­ reich beschäftigt, dass hinter der Zentralstelle ein so genanntes „katholisches Wohltätigkeits-Comite“ in Wien stand, das über eine zunächst provisorische Geschäftsordnung verfügte.134 Bereits der Beginn dieser Entwicklung lässt eine deutliche Einbeziehung des österreichischen Episkopates erkennen, in­ sofern diese Komitee-Einrichtung über den Wiener Kardinal Gruscha135 der Österreichischen Bischofskonferenz zur Begutachtung vorgelegt wurde. In ihrer Reaktion vom November 1901 ließen die Bischöfe mitteilen, dass sie „die Mittheilungen des Comites zur befriedigenden Kenntnis“136 genommen haben. Das Komitee solle im ausgesprochenen episkopalen Auftrag weiterhin seiner Tätigkeit nachgehen.137 Am ersten Caritaskongress nahm sodann Kar­ dinal Gruscha teil, indem er das Amt des Ehrenpräsidiums bekleidete.138 Auf einem bestimmten Rahmen sowie Satzungsänderungen und die Aufhebung des Ver­ eins (vgl. München, § 21 Abs. 1). Die zweite Gruppe beinhaltet den Bereich der verschiedenen Ordnungen und Satzungen, die erlassen werden, Rechtsstreitigkeiten, Errichtung von Orts- und Kreiscaritasverbänden sowie die Festlegung des Wirt­ schaftsplans (vgl. ebd., Abs. 2). 133  Vgl. Michaela Kronthaler, Caritasorganisation in Österreich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, in: Erwin Gatz, Geschichte des kirchlichen Lebens, Bd. V: Caritas und soziale Dienste, 213–226, 213. 134  Johannes E. Schmidle, Caritas in Tirol. Der Caritas-Gedanke im 19. Jahrhun­ dert und seine Verwirklichung im „Tiroler Karitasverband“, Wien / Salzburg 1990. 135  Anton Joseph Kardinal Gruscha (1820–1911) war von 1890 bis 1911 Erzbi­ schof von Wien. 136  Das Zitat wird von Schmidle verwendet unter Bezugnahme auf: DAW, Proto­ koll der Bischöflichen Versammlung in Wien vom 12. bis zum 20. November 1901. Samt Beilagen. Als Manuskript gedruckt, Brünn 1902, 165. 137  Vgl. Schmidle, Caritas in Tirol, 66 f. 138  Vgl. ebd., 67. Auch auf den übrigen Caritaskongressen war es den Organisa­ toren, nach Schmidle, wichtig, dass der jeweilige Ortsordinarius seine Zustimmung zur Veranstaltung gab (vgl. ebd. 77).



II. Caritas in Österreich219

dieser Veranstaltung wurden eine Geschäftsordnung und Instruktion erarbei­ tet, „die als Richtlinie für die weitere Arbeit dienen sollte[n]“139. Bemerkens­ wert ist dabei vor allem § 1 der Geschäftsordnung, demnach sich die Komi­ teemitglieder „in allen Fragen der Charitas“ der bischöflichen Autorität un­ terstellten.140 Die primären Aufgabenbereiche des Komitees lagen in der Or­ ganisation des nächstfolgenden Caritaskongresses sowie darin, die Beschlüsse des ersten Kongresses österreichweit durchzusetzen. Dazu gehör­ te auch die Schaffung von Landeskomitees, die wiederum innerhalb des Ge­ samtkomitees vertreten sein sollten.141 Die Aufgaben der Vertreter der Lan­ deskomitees waren gekennzeichnet durch ihren wechselseitigen Charakter, da sie zum einen eine Wahrnehmung der konkreten Situation und Bedürfnisse vor Ort gewährleisteten, und zum anderen gemäß der Geschäftsordnung und der Instruktion die verschiedenen Sektionen für „Kinderschutz, Jugendfürsor­ ge und Volksbildungswesen, sociales Hilfswesen, Armen- und Krankenpfle­ ge“ im entsprechenden Gebiet initiieren bzw. fördern sollten.142 Bereits auf dem zweiten Caritaskongress im Juni 1903 wurde das Wohl­ tätigkeitskomitee in den „Reichsverband der katholischen Wohltätigkeitsor­ ganisationen in Österreich“ mit Sitz einer Geschäftsstelle in Wien umge­ wandelt. Dieser Vorgang wurde den Bischöfen durch den Generalsekretär des Reichsverbandes, Robert Perkmann (1866–1928), am 11. November 1903 mitgeteilt.143 Einige Monate später schloss sich ein zweites Schreiben an den Wiener Kardinal an, in dem dieser um die Konstituierung des Reichsverbandes gebeten wird.144 Wie bereits für Deutschland und die Schweiz besprochen, stand auch in Österreich der Caritasverband unter dem Zweck, die verschiedenen Werke und Vereine in ihrer Organisation durch Koordination und Professionalisierung zu stärken. Gleichzeitig kam der Gedanke hinzu, „sich durch ein katholisches Verständnis von anderen Wohl­ 139  Ebd.,

67. Schmidle zitiert: Diözesanarchiv Wien (DAW), Biko 1900–1903, 9 / 2, Provisorische Geschäftsordnung und Instruction des katholischen WohlthätigkeitsComites für Österreich, der Landes-Comites und der Sectionen. Das Provisorium wurde am 4. Januar 1901 angenommen und erhielt Gültigkeit bis zum zweiten Ca­ ritaskongress 1903. 141  Nach § 6 der Geschäftsordnung bildete das Komitee einen permanenten Aus­ schuss mit Sitz in Wien, dessen Mitglieder erstens auf dem ersten Kongress gewählt wurden, zweitens vom Komitee kooptiert wurden und drittens aus den sogenannten Obmännern der Landeskomitees bestanden. 142  Vgl. Schmidle, Caritas in Tirol, 68 sowie § 7d der Geschäftsordnung, 5 f. 143  Vgl. Schmidle, Caritas in Tirol, 69 sowie DAW, Biko 1900–1903; 9 / 2. Perk­ mann an Biko, 11.11.1903. 144  Vgl. Schmidle, Caritas in Tirol, 70 sowie DAW, Biko 1904–1907, 10 / 1, Brief Max Freiherr Vittinghoff-Schell und R. Perkmann an Kardinal, 25.3.1904. Schmidle vermerkt jedoch keinerlei Reaktion seitens der amtskirchlichen Autorität. 140  Nach

220

D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

tätigkeitsorganisationen ab[zu]grenzen“145, wobei die christlichen Grundla­ gen der Caritasarbeit betont wurden.146 1909 kam es zu einer verfassungsrechtlichen Änderung des Reichsver­ bandes, als dieser dem Verband der Gesamtorganisation der Katholiken Österreichs, die seit demselben Jahr den Namen „Katholischer Volksbund“ trug, als Sektion angegliedert wurde.147 Wie die Zuordnung als Sektion bereits vermuten lässt, bestand zwischen Reichsverband und Volksbund eine enge Verbindung, die sich u. a. darin zeigte, dass nur ein Mitglied des Exe­ kutivkomitees des Volksbundes Präsident des Reichsverbandes werden konnte. Die Ämter des Generalsekretärs und des Kassiers bekleiden in beiden Bereichen dieselben Personen. Die Führung der Verbandsgeschäfte wird dem Exekutivkomitee des Volksbundes übertragen.148 Von einer Eigen­ ständigkeit des Verbandes kann demnach nicht mehr die Rede sein. Im Jahr 1913 bestanden in Österreich Landeswohltätigkeitsverbände in Nieder- und Oberösterreich, Tirol und Krain bzw. Laibach.149 Sie waren im Reichsverband mit Sitz in Wien zusammengeschlossen. Bereits 1903, noch vor dem zweiten Caritaskongress, wurde am 24. März der älteste „Landes­ verband der katholischen Wohltätigkeitsunternehmungen von Tirol, Barm­ herzigkeit“ gegründet, woran der damalige Weihbischof Sigismund Waitz150 beteiligt gewesen ist. Johannes Schmidle verbindet eine einschneidende Veränderung mit dem Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie 1918, in deren Folge es bis 1930 „an allen österreichischen Bischofssitzen“ zur Gründung von Caritas­ verbänden kam. Diese Entwicklung sei einerseits in der kriegsbedingten Notsituation verwurzelt gewesen, sei aber andererseits auch auf vielfältige Schmidle, Caritas in Tirol, 66. wurde z. B. auf dem 5. Caritaskongress in Brünn (14.–16.11.1913) in der Resolution zur vinzentinischen Armenpflege grundsätzlich festgehalten, „daß die christliche Caritas von Gott ausgeht und sich aus Liebe zu Gott für den Nächsten opfert, sowie daß diese Caritas ‚selbstlos‘, ‚allgemein‘ und ‚sich auf die leiblichen und geistigen Werke‘ erstrecke“. Caritas-Kongreß V, Wien 1913, 8, zitiert nach Schmidle, Caritas in Tirol, 79. 147  Vgl. Kronthaler, Caritasorganisation in Österreich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, 215. Schmidle, Caritas in Tirol, 71. 1905 war auf dem 5. Katholikentag die „Nichtpolitische Zentralorganisation der Katholiken Österreichs“ gegründet wor­ den. 1909 entstand daraus der „Katholische Volksbund“. 148  Vgl. Schmidle, Caritas in Tirol, 71. Die Bestimmungen zur Zusammenarbeit wurden abgedruckt im Caritasblatt 3 (1909) 57. 149  Vgl. Schmidle, Caritas in Tirol, 77. Krain ist heute Teil der Republik Sloweni­ en, bei Laibach handelt es sich um das heutige Ljubjana, die Hauptstadt Sloweniens. 150  Sigismund Waitz (1864–1941) wurde 1913 in Brixen zum Weihbischof ge­ weiht, war von 1921 bis 1938 Apostolischer Administrator von Innsbruck-Feldkirch und schließlich 1934–1941 Erzbischof von Salzburg. 145  Vgl. 146  So



II. Caritas in Österreich221

bischöfliche Initiativen zurückzuführen gewesen.151 Durch die episkopale Beteiligung sieht er die Caritas in den kirchenamtlichen Bereich gerückt: „ ‚Caritatives Tun‘ wurde straff organisiert und bekam durch die Bestellung von Caritasdirektoren bzw. durch die Einrichtung von Caritaszentralen in den Landes­ hauptstädten und / oder an den Bischofssitzen ein vollkommen anderes Erschei­ nungsbild als zur Gründung der österreichischen Caritasbewegung um die Jahr­ hundertwende. Die ehemalige Caritasbewegung, die eine ausgeprägte Laienbewegung der katho­ lischen Basis war, erfuhr eine Änderung insofern, als die Bischöfe einen bestim­ menderen Einfluß auf die Entwicklung der einzelnen Caritasverbände nahmen.“152

In diesem Zitat wird die bereits mehrfach aufgeworfene Frage nach dem möglichen Zusammengehen zwischen Bischöfen, als Verkörperung der kirchlichen Autorität, und den Laien in den Raum gestellt. Diese Fragestel­ lung gehört zu den prägendsten innerhalb der Behandlung der organisierten Caritas. Es darf aber nicht vergessen werden, dass sich die vielfach hervor­ gehobene Betonung der Laieninitiative auf die Entwicklungen besonders seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bezieht. Im Blick auf die ge­ samte Kirchengeschichte relativiert sich diese Beurteilung, da es innerhalb dieser auch immer Initiativen seitens der kirchlichen Amtsträger gegeben hat.153 In diesem Sinn wird das polarisierende Urteil von Schmidle auch von Markus Lehner kritisch hinterfragt, denn laut der Forschung von Mi­ chaela Kronthaler habe bereits „bei den Verbandsgründungen der Vorkriegs­ zeit […] bischöfliche Initiative und Förderung eine wesentliche Rolle“154 gespielt. Außerdem widerspreche der hohe Klerus-Anteil auf den Rednerlis­ ten der Caritaskongresse und in den Führungsetagen der katholischen Wohl­ tätigkeitsverbände eindeutig dem Bild einer ausgeprägten Laienbewegung.155 Lehner geht sogar noch einen Schritt weiter und erklärt im Anschluss an den Kirchenhistoriker Maximilian Liebmann die „Dominanz von Klerus und Bischöfen [zu einem] entscheidenden Unterschied zwischen dem österrei­ chischen und dem deutschen Katholizismus“156. Schmidle, Caritas in Tirol, 81. 81. 153  Vgl. dazu die Ausführungen unter B. II. 3. 154  Lehner, Caritas, 224, unter Bezugnahme auf Michaela Kronthaler, Caritasor­ ganisationen in Österreich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, unveröffentlichtes Manuskript, Graz 1995, 4 ff. 155  Demnach seien neun der 17 Referenten auf dem ersten Caritaskongress 1900 Kleriker gewesen. Vgl. Karl Mayer, Christliche Charitas auf socialem Gebiete, in: ThPQ 53 (1900) 707–714, 707 ff. 156  Lehner, Caritas – die soziale Arbeit der Kirche, 225. Vgl. Maximilian Liebmann, Österreichische Katholikentage, in: Alois Kraxner / Eduard Ploier / Walter Schaf­felhofer / Österreichischer Katholikentag 1983, Eine Dokumentation, Graz / Wien / Köln 1984, 15–53, 17 f. 151  Vgl.

152  Ebd.,

222

D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

Im weiteren Verlauf der Entwicklung wurde im November 1919 der Katholische Wohltätigkeitsverband für Niederösterreich durch dessen General­ versammlung umgebildet und umbenannt zu Österreichischer Karitasverband für Wohlfahrtspflege und Fürsorge.157 Seine Tätigkeit wurde mit die­ sem Akt entsprechend der Aussage in § 1 auf das gesamte österreichische Gebiet ausgedehnt. Wiederum im Rahmen einer Generalversammlung wur­ den 1921 die Statuten erneut geändert, sodass der Karitasverband gleichzei­ tig als Diözesancaritasverband des Erzbistums Wien installiert wurde. Der Verband war direkt dem Ortsordinarius von Wien unterstellt. 1924 wurde durch den Direktor des Wiener Diözesancaritasverbandes die Gründung eines Reichsverbandes der österreichischen Caritasverbände beim Bundeskanzleramt für Inneres beantragt.158 Dies ist allerdings nicht als individueller Vorstoß zu charakterisieren, vielmehr war der Antrag Ausdruck eines allgemeinen Bestrebens der Diözesan- bzw. Landescaritasverbände.159 Bis zur formellen Konstituierung sollten jedoch noch fünf Jahre ins Land ziehen, da dazu der behördliche Beschluss abgewartet werden musste, der am 13. Mai 1929 erfolgte. Damit verbunden war auch eine Statutenände­ rung, da eine Umbenennung des bisherigen Reichsverbandes in Österreichischer Caritasverband erfolgte.160 Die Statuten sahen vor, dass die Verbands­ leitung „alle drei Jahre in alphabetischer Reihenfolge der Caritasverbände der einzelnen Bundesländer bzw. Diözesen, beginnend mit Feldkirch über Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz, Salzburg, St. Pölten bis Wien“ wech­ selt.161 Der damalige Österreichische Caritasverband kann als Dachverband charakterisiert werden, in dem die selbständigen Diözesan- bzw. Landes­ caritasverbände zusammengeschlossen waren. In seinen Beschlüssen war er allerdings an das Votum der Bischöfe gebunden.162 157  Auch staatlicherseits wurde der Verband genehmigt durch einen Erlass des Staatsamtes für Inneres und Unterricht am 06.12.1919. Vgl. Schmidle, Caritas in Tirol, 82; Allgemeines Verwaltungsarchiv (AVA), Deutschösterreichisches Staatsamt des Innern, Abteilung 5, Zahl 42350 / 6 ex 1919. Max Freiherr Vittinghoff-Schell an Deutschösterreichisches Staatsamt für Inneres und Unterricht, 18.11.1919. 158  Vgl. Schmidle, Caritas in Tirol, 82; AVA, Bundeskanzleramt, Abteilung 16, Zahl 74114–16 / 24 ex 1924, Tongelen an Bundeskanzleramt, 17.5.1924. 159  Vgl. Kronthaler, Caritasorganisation in Österreich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, 219. 160  Vgl. Schmidle, Caritas in Tirol, 82; AVA, Bundeskanzleramt (Inneres), Abtei­ lung 9, Zahl 107.679–9 ex 1929. Tongelen an Bundeskanzleramt, 21.3.1929. 161  Schmidle, Caritas in Tirol, 82. Bis 1930 waren in allen (Erz-)Diözesen Cari­ tasverbände gegründet worden: Caritasverband der Diözese St. Pölten 1917, Salz­ burger Caritasverband Weihnachten 1919, Kärtner Caritasverband, Wiener Caritas­ verband, Caritasverband für Vorarlberg 1.03.1924, Steirischer Caritasverband 19.09. 1924, Karitasverband für die Apostolische Administratur des Burgenlandes 12.03. 1930.



II. Caritas in Österreich223

In einer Zusammenschau der Entwicklung wird deutlich, dass die Dyna­ mik in Österreich „schwerpunktmäßig auf diözesaner bzw. auf Länderebe­ ne“ lag. Schließlich bestanden 1930 in allen Diözesen Caritasverbände in unterschiedlicher organisatorischer Form.163 162

Die weitere Entwicklung bestand darin, dass unter dem nationalsozialis­ tischen Regime zunächst einzelne Diözesan- und Landesverbände aufgelöst wurden. Dies betraf im April 1942 auch den Österreichischen Caritasver­ band. Damit verlagerte sich die caritative Arbeit zwangsläufig auf die Ebe­ ne der einzelnen Pfarreien.164 Von wegweisender Bedeutung für die weitere Entwicklung der österrei­ chischen Caritas ist die erste Bischofskonferenz nach Kriegsende im Herbst 1945. Unter dem Eindruck der Ereignisse beschlossen die Bischöfe, in allen (Erz-)Bistümern Caritasstellen als „grundsätzlich bischöfliches Werk ohne Vereinsstatut“ zu errichten.165 Damit sollte der Gefahr einer erneuten staat­ lichen Einmischung gewehrt werden. Die leitenden Positionen, wie Caritas­ 162  Vgl. Kronthaler, Caritasorganisation in Österreich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, 219. 163  Vgl. Lehner, Caritas, 224. Nach Lehner liegt in diesem Umstand, d. h. der unterschiedlichen Ausprägung der Verbandsformen, die zudem ein ausgeprägtes Au­ tarkiestreben auszeichnete, u. a. die Begründung, warum der Österreichische Caritas­ verband nicht über den Status eines losen Koordinierungsorgans hinausgekommen ist. Vgl. ebd., 225. 164  Vgl. Kronthaler, Caritasorganisation in Österreich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, 226. Markus Lehner versteht diese Verlagerung der Caritasarbeit auf die Pfarreiebene als Endpunkt einer Entwicklung, die bereits in den 1920er Jahren einsetzte. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war die österreichische Situation stark föderalistisch geprägt, das Armenwesen lag in der Länderkompetenz, zudem kam es nicht zu einer Aufwertung der Freien Wohlfahrtspflege wie in Deutschland, sondern die Betonung lag auf der kommunalen Struktur. „Vor allem aber wird ab den 20er Jahren in Österreich die Einbindung des caritativen Vereinswesens in die pastorale Arbeit auf diözesaner und pfarrlicher Ebene forciert. Kardinal Piffl von Wien ruft schon 1923 zur Gründung von Pfarrcaritasausschüssen auf“ (Lehner, Ca­ ritas, 226). Die Situation wurde durch eine allgemein vereinskritische Stimmung zusätzlich verstärkt, sodass Lehner zu dem Resümee gelangt: „Natürlich existiert weiterhin neben der pfarrlichen Caritasarbeit eine Vielzahl von Vereinen, Komitees, Anstalten und Werken mit spezifischer Aufgabensetzung in allen Zweigen der Für­ sorge. Schon der zunehmende Druck zu professioneller qualifizierter Arbeit macht diese Spezialisierung nötig. […] Doch mit der Machtübernahme der Nationalsozia­ listen ist nach einiger Hinhaltetaktik das Schicksal der katholischen Wohlfahrtspfle­ ge bald besiegelt. […] 1942 wird schließlich auch der Österreichische Caritasver­ band aufgelöst, und damit liegt die kirchliche Soziale Arbeit völlig auf den Pfarren und bei den bischöflichen Hilfsstellen“ (Lehner, Caritas, 227). 165  Vgl. Kronthaler, Caritasorganisation in Österreich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, 378. Unter Verwendung DAG, Bischofskonferenz-Akten, Protokolle und Niederschriften, 20. / 21.9.1945.

224

D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

direktor und Caritassekretär, werden vom Bischof bestellt und letztgenannter wird aus Kirchenmitteln besoldet. Darüber hinaus hatte die Bischofskonfe­ renz an die Konferenz der Caritasdirektoren den Auftrag weitergegeben, dass diese eine Einigung hinsichtlich der Begrifflichkeit erzielen. Zur Aus­ wahl standen die Termini „Caritasverband“, „Caritasamt“ oder „Caritasstel­ le“. Auch hier ergaben die Beratungen eine deutliche Abneigung gegen eine vereinsmäßige Konstituierung und eine Ausrichtung auf eine Organisation der Caritas als bischöfliches Amt.166 Lag nach Kriegsende die Leitung der gesamtösterreichischen Caritas noch in Wien, so wurde dieser Sitz zwischenzeitlich 1952 aufgrund von Verstim­ mungen nach Linz verlegt. Seit 1964 und damit der Präsidentschaft von Leopold Ungar167 (1912–1992) befindet er sich wieder in Wien. Mit dem Amtsantritt von Franz Küberl hat seit 1995 erstmals ein Laie das Amt des Präsidenten inne.168 2. Die Caritas im österreichischen Staatskirchenrecht Das Verhältnis von Kirche und Staat in Österreich ist in zentraler Weise geregelt durch die Art. 14 und 15 des Staatsgrundgesetzes (StGG) vom 21. Dezember 1867. Während Art. 14169 die individuelle Religionsfreiheit normiert, benennt Art. 15170 die korporative Religionsfreiheit der gesetzlich 166  Vgl. Kronthaler, Caritasorganisation in Österreich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, 378 f. 167  Leopold Ungar war von 1950 bis 1988 Leiter der Caritas der Erzdiözese Wien, Präsident der Österreichischen Caritas von 1964–1991. Ab 1969 war Ungar auch Vizepräsident von Caritas Internationalis für Europa. „Ungar gelang es, aus der Caritas ein Unternehmen zu machen, das mit großem Ansehen und Vertrauensvor­ schuß in höchstem Maße effizient zu arbeiten vermochte.“ Kronthaler, Caritasorga­ nisation in Österreich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, 391. Vgl. auch: Max J. Hiti, Leopold Ungar. Ein Porträt, Graz / Wien / Köln 1992. 168  Seit 1994 ist Küberl Caritasdirektor der Diözese Linz. 169  Art. 14 StGG: „Die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit ist jedermann ge­ währleistet. Der Genuss der bürgerlichen und politischen Rechte ist von dem Reli­ gionsbekenntnisse unabhängig; doch darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntnis kein Abbruch geschehen. Niemand kann zu einer kirchlichen Handlung oder zur Teilnahme an einer kirchlichen Feierlichkeit gezwungen werden, insofern er nicht der nach dem Gesetze hierzu berechtigten Gewalt eines anderen untersteht.“ 170  Art. 15 StGG: „Jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft hat das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung, ordnet und verwaltet ihre inneren Angelegenheiten selbständig, bleibt im Besitze und Genusse ihrer für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds, ist aber, wie jede Gesellschaft, den allgemeinen Staatsgesetzen unterwor­ fen.“ (Art. 15 StGG)



II. Caritas in Österreich225

anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften. Ein Staatskirchentum ist demnach ausgeschlossen. Aus Art. 15 ergibt sich des Weiteren die Stellung der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften als Kör­ perschaften öffentlichen Rechts.171 In der Betrachtung der Verortung der Caritas im österreichischen Staats­ kirchenrecht fällt zunächst ein prägender Unterschied zu den Verhältnissen in Deutschland auf, denn dort ist das sozialstaatliche Prinzip grundgesetzlich verankert.172 In der österreichischen Verfassung gehört dieses aber nicht zu den fünf Verfassungsprinzipien: demokratisch, republikanisch, bundesstaat­ lich, rechtsstaatlich und gewaltenteilig.173 Gemäß § 20 der österreichischen Bundesverfassung ist die Gesetzgebung über die Grundsätze des Armenwe­ sens Bundessache. Landessache ist der Erlass von Ausführungsgesetzen in diesem Bereich. Demnach verfügen die Bundesländer über je eigene Lan­ dessozialhilfegesetze. Dieser Organisation entspricht positiv die deutlich föderalistische Prägung der Caritas in Österreich. Allerdings ist die Stellung der Caritas innerhalb der Freien Wohlfahrts­ pflege in Österreich nicht analog zu Deutschland abgesichert, wo das Sub­ sidiaritätsprinzip gemäß den Aussagen im Sozialgesetzbuch (SGB) XII § 5 schriftlich verankert ist.174 3. Die rechtliche Struktur der Caritas Österreich Der geschichtliche Überblick zeigte bereits auf, dass der Österreichische Caritasverband 1924 gegründet und 1929 als solcher behördlich konstituiert worden ist. Zu einem prägenden Strukturwandel kam es in der Folge des Zweiten Weltkrieges, der zunächst zur Aufhebung des Verbandes führte, dem schließlich eine Neugründung in veränderter Verfassung folgte. Die organisierte Caritas wurde als bischöfliches Amt geordnet. 171  Vgl. Hans R. Klecatsky, Das Verhältnis von Kirche und Staat in der Republik Österreich, in: HdbkathKR, Regensburg 1983, 1081–1096, 1086. 172  Art. 20 (1) GG: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ Auch Art. 28 (1), Satz 1: „Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozi­ alen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen.“ 173  Vgl. Josef Bauer, Caritas und Sozialstaat in Österreich, in: Markus Leh­ ner / Wilhelm Zauner (Hrsg.), Grundkurs Caritas, Linz 1993 (Linzer philosophischtheologische Reihe, Bd. 19), 64–74, 66. Bauer macht aber auch darauf aufmerksam, dass die Verfassung durchaus dem Bund und den Ländern soziale Aufgaben zuweist. So in den §§ 10 und 12 die Bereiche Armenwesen, Jugendwohlfahrt, Gesundheits­ wesen, Arbeit und Soziales. 174  Vgl. Bauer, Caritas und Sozialstaat, 66. Vgl. auch Gantner, Die verbandliche Caritas in Österreich, 29.

226

D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

Michaela Kronthaler fasst die Rechtsstellung der Caritas Österreich in ihren wesentlichen Aspekten zusammen: „Die Österreichische Caritaszentrale ist ein Institut kirchlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, das aufgrund des Beschlusses der Bischofskonferenz vom 26. / 27. März 1958 errichtet wurde. Sie koordiniert die neun selbständigen Diözesancaritasstellen, die dem jeweiligen Diözesanbischof unterstehen und gemäß der föderalistischen Struktur finanziell und personell eigenständig sind, verhandelt mit dem Bundesbehörden, Ämtern und kirch­ lichen Stellen über überdiözesane Caritasangelegenheiten, ferner mit internationalen Organisationen, organisiert die zweimal jährlich stattfindenden Konferenzen der Caritasdirektoren und nimmt gesamtösterreichische Projekte und Aufgaben wahr.“175

Zu Beginn des Statuts der Österreichischen Caritaszentrale wird zunächst die Rechtsstellung festgehalten, insofern es sich mit Dekret vom 01.03. 1976176 um ein Institut mit eigener Rechtspersönlichkeit gemäß c. 1489 CIC / 1917 handele (Statut § 1). Die Errichtung erfolgte durch Erzbischof König177 unter Zustimmung der Österreichischen Bischofskonferenz. In der Sichtung des Statuts tritt die „Koordinierung und Förderung österreichischen Caritasstellen“ als Hauptaufgabe hervor (vgl. Statut § 4a). Neben dieser systematischen Aufgabe nach innen ergibt sich, in Bezug auf die Caritasor­ ganisationen benachbarter Länder wie auch solcher im internationalen Be­ reich, eine entsprechende nach außen (vgl. Statut § 4c). Caritas Österreich verfügt über drei Organe (vgl. Statut § 6): Die Caritas­ direktorenkonferenz als beschlussfassendes Organ, diese wählt auf drei Jahre aus ihrem Kreis den Präsidenten und schließlich den Generalsekretär, der von der Caritasdirektorenkonferenz bestellt wird und mit der laufenden Geschäftsführung betraut ist. Die Auflösung der Caritas Österreich bedarf einer Zweidrittelmehrheit der Caritasdirektorenkonferenz sowie der Zustimmung der Bischofskonferenz (vgl. Statut § 11). Hinsichtlich der Koordinierung und Bündelung der Aufgaben besteht eine Vergleichbarkeit zum Deutschen Caritasverband. Ein primärer Unterschied ist hingegen in der einheitlichen Untergliederung in Form der Diözesanca­ ritasverbände gegeben, die sich nicht in gleicher Weise in Österreich findet. 175  Michaela Kronthaler, Caritas in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Erwin Gatz (Hrsg.), Caritas und soziale Dienste, 5 Bde., Freiburg i. Br. 1997 (Ge­ schichte des kirchlichen Lebens in den deutschsprachigen Ländern seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Bd. 5), 378–393, 392 f. 176  Das Statut von 1976 ist das bis heute gültige. Eine Überarbeitung hinsichtlich der Einfügung weiblicher Formen wäre allerdings sinnvoll. 177  Franz Kardinal König (1905–2004) war von 1956 bis 1985 Erzbischof von Wien.



II. Caritas in Österreich227

4. Caritas auf Bistumsebene am Beispiel der Diözese Innsbruck a) Geschichtliche Entwicklung Wie bereits im Rahmen der gesamtösterreichischen Entwicklung beschrie­ ben, bildet der 1903 geschaffene Tiroler Karitasverband die älteste Grün­ dung in Österreich. Ein Jahr früher war bereits im Anschluss an den Tiroler Wohltätigkeitstag ein „Centralcomité“ eingerichtet worden178, aus dessen Initiative der Verband gegründet wurde. Der vollständige Errichtungsname lautete: Landesverband der katholischen Wohltätigkeitsunternehmungen von Tirol, Barmherzigkeit. Erst 1920 erhielt er den Namenszusatz: Tiroler Karitasverband. Unter Beibehaltung der Statuten von 1903 handelte es sich in der Grundform um einen bürgerlichen Verein, d. h. er besaß eigene Rechts­ persönlichkeit und große Selbständigkeit. Johannes Schmidle beleuchtet in seiner Untersuchung eigens die Rechtsstellung des Verbandes, indem er die damalige in Deutschland geführte Diskussion um das „Verhältnis von (ins­ titutionalisierter) Caritas zum Codex Iuris Canonici 1917“ aufgreift.179 Da die Untersuchung der Archivverzeichnisse des fürstbischöflichen Ordinariats in Brixen kein Dekret habe auffinden lassen, welches für eine kirchliche Errichtung und Approbation gemäß c. 687 i. V. m. c. 100 CIC / 1917 nötig gewesen wäre, sei davon auszugehen, dass eine solche nicht erfolgt sei und es sich bei dem Karitasverband Tirol um einen privaten Verein mit bürger­ lich-rechtlichem Status gehandelt habe. Dieser habe nur der allgemeinen bischöflichen Jurisdiktion unterstanden, wenngleich er durch diese beson­ ders empfohlen und belobigt werden könne.180 1939 wurde der Verband durch das nationalsozialistische Regime zwangs­ weise aufgelöst. Aufgrund dieser Situation wurde in der folgenden Zeit zunächst das Seelsorgeamt der Apostolischen Adminis­ tratur InnsbruckFeldkirch, die als solche 1921 errichtet worden war, mit den caritativen Aufgaben betraut.181 Schmidle, Caritas in Tirol, 60 f. ebd., 144–151, 145. Er verortet die Diskussion speziell in den Jahren 1924 / 25 unter Berücksichtigung folgender Literatur: Joseph Löhr, Kirchenrecht und Caritas, in: Caritas 31 (1926) 97–104; 134–139; 168–174; Karl Neundörfer, Die jüngste innerkirchliche Entwicklung und Organisation der Caritas, in: Kölnische Volkszeitung 65 (1924) Nr. 810, 2; Wilhelm Wiesen, Lebensfragen der Caritasbewe­ gung und Caritasorganisation, in: Kölnische Volkszeitung 66 (1925) Nr. 64, 1. 180  Vgl. Schmidle, Caritas in Tirol, 147; Löhr, Kirchenrecht und Caritas, 102, 138. 181  Vgl. Schmidle, Caritas in Tirol, 249. Am 06. August 1964 wurde diese zum Bistum Innsbruck umgewandelt. 178  Vgl.

179  Vgl.,

228

D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

1945 wurde in der Apostolischen Administratur Innsbruck die Caritas durch den apostolischen Administrator Paulus Rusch182 als „Diözesanes Amt“ neu konstituiert und damit in die Diözesanstruktur eingebettet. Der Priester Josef Steinkelderer (gest. 1972) wurde von Rusch „zum Leiter der zentralen Caritasstelle beim bischöflichen Seelsorgeamt […] in Innsbruck bestellt“183. Dabei kam der Caritasstelle selbst keine eigene Rechtspersön­ lichkeit mehr zu, vielmehr war sie direkt dem Diözesanbischof unterstellt. Dies war zum einen eine Konsequenz aus den Kriegserfahrungen und vor allem aus der Verbandsauflösung 1939: „Der Staat sollte nie wieder die Möglichkeit […] haben, durch die Auflösung des Verbandes die gesamte organisierte Sozialarbeit der Kirche lahm zu legen.“184

Zum anderen war diese Maßnahme Ausdruck des Bewusstseins, dass „der Dienst an den Benachteiligten und Armen nicht an eine Organisation oder eine ‚kirchliche Sozialfirma‘ delegiert werden kann, sondern integrierender Bestandteil jedes kirchlichen Lebens sein muss.“185 Erstaunlicherweise bestand seit 1945 auch wieder der Tiroler Karitasver­ band. Er wurde trotz der diözesanen Strukturen für die Caritas zum zwei­ ten Mal gegründet, weil er bei seiner Auflösung eine Immobilie besaß, in der sich der Geschäftssitz befand. Um diese nach Kriegsende zurückzuer­ halten, musste der Verband bestehen. Die Besetzung der Leitungsämter stimmt mit den Inhabern der Leitungsämter innerhalb der Stiftung überein, der Ortsordinarius ist der erste Vorsitzende und Caritasdirektor der Ge­ schäftsführer des Verbandes. Daneben umfasst der Verband etwa drei bis vier Mitglieder und trifft sich alle zwei Jahre zu einer Sitzung. Der Ver­ band vermietet das Haus an die inzwischen gegründete Stiftung, die wie­ derum Miete an den Verband zahlt. Insgesamt handelt es sich hierbei um eine Hilfskonstruktion.186

182  Paulus Rusch (1903–1986) war seit Oktober 1938 Apostolischer Administrator und wurde einen Monat später zum Weihbischof geweiht. 1964 wurde er der erste Diözesanbischof des neuen Bistums Innsbruck. 183  Diözesanarchiv Innsbruck, Ordner III  / 988, Abschrift des Ernennungsdekrets für Johannes Steinkelderer, 6.6.1945. 184  Zitat entnommen der Chronik bis 2006: http: /  / www.caritas-tirol.at / fileadmin /  user / tirol / 06_UEber_Uns / Geschichte / 42_20Chronik_2006.pdf (Zugriff: 04.10.2010). 185  Ebd. 186  Die Auskunft über den Verband erteilte der Diözesancaritasdirektor der Cari­ tas Stiftung Innsbruck Dr. Georg Schärmer im Rahmen eines Telefoninterviews am 07.01.2011. Die Nachfrage, ob es nicht sinnvoll wäre, wenn die Stiftung das Haus kaufe, verneinte er, da dies zu kompliziert sei.



II. Caritas in Österreich229

b) Rechtliche Struktur der Caritas in der Diözese Innsbruck Petra Gantner beleuchtet in ihrer Dissertation überblicksartig die einzel­ nen Organisationen der Caritas in den neun Diözesen Österreichs, dabei fallen allerdings ihre Bemerkungen zum Bistum Innsbruck kurz aus: „Die Caritas der Diözese Innsbruck gehört als bischöfliches Amt dem Ordinariat an und genießt weder im Kirchenrecht noch im staatlichen Recht eigene Rechts­ persönlichkeit. Der nach dem zweiten Weltkrieg wiedererrichtete Tiroler Caritasverband, der so­ wohl im kirchlichen als auch im staatlichen Recht Rechtspersönlichkeit besitzt, existiert zwar auf dem Papier, die caritativen Tätigkeiten werden jedoch aus­ schließlich von der Caritas der Diözese Innsbruck angeboten und ausgeführt.“187

Diese Charakterisierung bildete den status quo bis 2009. Denn auf der Grundlage des Errichtungsde­kretes vom 30. April 2009 ist die Caritas der Di­ özese Innsbruck eine Kirchliche Stiftung und gleichzeitig öffentliche juristi­ sche Person (Körperschaft des öffentlichen Rechts). Zudem genießt sie Rechtspersönlichkeit im staatlichen Bereich. Es ist nun zu klären, warum es zu dieser Änderung kam, d. h. welche Motive dafür leitend waren. Des Weite­ ren ist der Rechtsstatus der organisierten Caritas als Stiftung in den Blick zu nehmen sowie auf seine Implikationen und Konsequenzen hin zu befragen. Den Hintergrund für die Änderung bildet eine vorausgegangene Novellie­ rung des Steuergesetzes in Österreich zum 01.01.2009. Damit wurden Spen­ den entsprechend § 4a Z. 3 und 4 Einkommensteuergesetz (EStG) an be­ stimmte „mildtätige Einrichtungen bzw. Einrichtungen, die Entwicklungsoder Katastrophenhilfe betreiben oder für solche Zwecke Spenden sammeln, steuerlich absetzbar“188. Näherhin muss eine Einrichtung bestimmte Voraus­ setzungen erfüllen, um zu denjenigen Organisationen gerechnet zu werden, die steuerlich abzugsfähig sind. Ein primärer Aspekt ist, dass die Einrich­ tung „im Wesentlichen (= zumindest 75% der Gesamtressourcen) bestimm­ te begünstigte Ziele verfolgen bzw. Spenden sammeln“189 muss. Betreffend der Organisation selbst muss es sich „um eine österreichische juristische Person des privaten Rechts (AG, GmbH, Verein, Stiftung nach Bundes- oder Landesrecht, kirchliche Stiftung, Privatstif­ tung, Fonds, Anstalt), einen Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öf­ fentlichen Rechts oder eine vergleichbare Körperschaft eines EU- bzw. EWRStaates handeln.“190 187  Gantner,

Die verbandliche Caritas in Österreich, 53. das Informationsblatt der Abteilung Spendenbegünstigungen: http: /  / fund raising.at / Portals / 0 / InfoBlatt%20Spendenabsetzbarkeit.pdf (Zugriff: 01.11.2010). 189  Vgl. Informationsblatt. 190  Ebd. 188  Vgl.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

Ein Abgleich dieser Bestimmungen mit der Caritas Tirol ergibt, dass diese gemäß dem Dekret in eine kirchliche Stiftung umgewandelt wurde. Die Kirchliche Stiftung „Caritas der Diözese Innsbruck“ wurde mit Wirk­ samkeit vom 1. Mai 2009 „als öffentliche juristische Person gemäß c. 116 § 1 und § 2 CIC i. V. m. c. 114 § 1 und § 2 CIC“ durch den unterzeichnen­ den Bischof von Innsbruck, Manfred Scheuer, errichtet.191 Die herangezo­ genen Normen im Errichtungsdekret definieren dabei zum einen das Wesen einer persona iuridica publica und nehmen zum anderen die ihr gesetzten Ziele in den Blick. C. 116 § 1 bietet zunächst eine Legaldefinition zur öffent­lichen juristischen Person und grenzt gleichzeitig von dieser die pri­ vate juristische Person negativ ab. Als Unterscheidungsmerkmal kann nach Pree nur die der öffentlich juristischen Person übertragene Aufgabe im Hinblick auf das bonum publicum verstanden werden, welche im Namen der Kirche zu erfüllen ist.192 Diese Zweckumschreibung wird in Artikel I der Satzung ausgeführt. Ausgehend von der Grundlage für die Arbeit der Stif­ tung, die in der christlichen Nächstenliebe gesehen wird, wird in Abs. 1 und 2 zwischen primären und ergänzenden Zwecken der Stiftung unterschie­ den. Zur ersten Gruppe gehören mildtätige Zwecke193 vorrangig innerhalb der Europäischen Union oder im europäischen Wirtschaftsraum sowie „die Bekämpfung von Armut und Not in Entwicklungsländern durch Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung“, als auch die Unterstützung in Katastrophenfällen (Statut, Art. I, Abs. 1). Ergänzend werden diesem Bereich die Verfolgung gemeinnütziger194, also die Allgemeinheit fördernde, Zwecke zur Seite gestellt.195 191  Die Veröffentlichung erfolgte im Diözesanblatt der Diözese Innsbruck 84 (Mai / Juni 2009) Nr. 3, 37. 192  Vgl. Helmuth Pree, zu c. 116, Rdnr. 3, in: MK CIC (Stand: 33. Erg.-Lfg., Juni 2000). 193  Zur inhaltlichen Klärung des verwendeten Adjektivs wird im Statut auf § 37 der Bundesabgabenordnung (BAO) verwiesen, wo der Begriff definiert wird: „Mild­ tätig (humanitär, wohltätig) sind solche Zwecke, die darauf gerichtet sind, hilfsbe­ dürftige Personen zu unterstützen.“ Jedoch handelt es sich um eine abstrakte Be­ schreibung, da die Möglichkeiten von Unterstützung weitreichend sind. 194  BAO § 35 Abs. 1: „Gemeinnützig sind solche Zwecke, durch deren Erfüllung die Allgemeinheit gefördert wird.“ 195  Die Zweckausrichtung der Stiftung wird demnach allgemein deutlich. Gleich­ wohl weist der erste Absatz des Art. I eine Unstimmigkeit auf, und dies nicht nur in Bezug auf grammatikalische Setzungen („Die Stiftung […] verfolgt mildtätige Zwe­ cke […]. Ergänzend zu diesem wesentlichen zentralen Zweck der Stiftung […]“). Inhaltlich ist die Kategorisierung der mildtätigen Zwecke als primäre und der ge­ meinnützigen als ergänzende Zwecke zu hinterfragen. Entsprechend den genannten Definitionen können die gemeinnützigen Zwecke als der Oberbe­griff zu den mildtä­ tigen erachtet werden. D. h. letztere sind eine Spezifikation, da sie auch der Allge­ meinheit dienen. Demnach trifft die Bezeichnung „untergeordnet“, im Gegensatz zu



II. Caritas in Österreich231

Deutlich erkennbar ist demnach, dass die Stiftung entsprechend den Er­ fordernissen des c. 114 § 2 CIC caritative Zielsetzungen verfolgt. Darüber hinaus spiegelt sich in den Formulierungen zur Zwecksetzung eine äußerst enge Anlehnung an die Vorgaben seitens des österreichischen Staates zum Steuer- und Abgabenrecht sowie den dort genannten Voraussetzungen wider. In Ergänzung zu diesen Beschreibungen unterstreicht Art. I, Abs. 2, dass die „Tätigkeit der Stiftung […] nicht auf die Erzielung von Gewinnen gerich­ tet“ ist. Damit ist der staatlichen Forderung nach Ausschluss einer Gewinn­ erzielungsabsicht Genüge getan.196 Das Statut muss neben dem Zweck der Kirchlichen Stiftung auch Aus­ kunft über die Organe, Verwaltung und eine mögliche Auflösung geben.197 Unter dieser Berücksichtigung und in Entsprechung zu den staatlichen Vor­ gaben werden im Statut in Art. III eigens die Mittel zur Erreichung der beschriebenen Zwecke benannt und zwar in der vorgesehenen Unterschei­ dung zwischen ideellen und materiellen Mitteln. Die erste Gruppe wird in­ haltlich gefüllt mit der Beschreibung bestimmter Dienstleistungen gegenüber hilfsbedürftigen Personen. Des Weiteren gehören aber auch wissenschaft­ liche Arbeiten, d. h. der Bereich der Information und Reflexion des eigenen Handelns zu den vorgesehenen Mitteln der Stiftung. In der Erwähnung der pfarrlichen und diözesanen Caritastätigkeit (Statut Art. III, Abs. 1.9) sowie in dem Hinweis, dass sich weitere Mittel aus mildtätigen und / oder gemein­ nützigen Aufträgen seitens des Diözesanbischofs ergeben (Statut Art. III, Abs. 1.10), wird die kirchliche Bindung der Stiftung und ihr episkopaler Rückbezug kenntlich gemacht. Die materiellen bzw. finanziellen Mittel gehören in erster Linie dem Be­ reich des Fundraising an, d. h. die Stiftungszwecke werden finanziert durch „Spenden, Sammlungen, Schenkungen und Erbschaften“ (Statut, Art. III, „ergänzend“, nicht zu, denn andere Spezifizierungen von gemeinnützigen Zwecken können durchaus ergänzend zu den mildtätigen hinzukommen. Der primäre Fokus liegt auf den mildtätigen Zwecken. Diese Anmerkung mag den Eindruck von sprachlicher Kleinlichkeit erwecken. Un­ ter der Perspektive, dass es sich bei der Form eines Statuts jedoch um einen Rechtstext handelt, sollte das Interesse im Hinblick auf die Rechtsanwendung und -sicherheit auf sprachlicher Klarheit und Eindeutigkeit liegen. 196  Vgl. Informationsblatt. 197  Vgl. Rüdiger Althaus, zu c. 1303, Rdnr. 7, in: MK CIC (Stand: 29. Erg.-Lfg., Mai 1998). Unter die Kategorie Verwaltung zählt Althaus sowohl „die unmittelbare Verwaltung, die einer oder mehreren Einzelperson(en) oder einem Kollegium [nach c. 115 § 3 CIC] obliegt“ als auch die Aufsichtsführenden Instanzen. Bezogen auf die Kirchliche Stiftung der Caritas käme demnach die unmittelbare Verwaltung dem Direktor bzw. der Direktorin und die Aufsichtsfunktion dem Konsultorenkollegium sowie dem Vermögensverwaltungsrat zu. Dies zieht in Konsequenz eine Entspre­ chung zwischen Organen und Verwaltung der Stiftung nach sich.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

2.1.). Als weitere Kategorien werden Sponsoren sowie Subventionen ge­ nannt, wobei nicht näher gefasst ist, woher letztere kommen.198 Schließlich kommen noch Entgelte aus angebotenen Dienstleistungen sowie Erträge aus dem Stiftungsvermögen bzw. aus eigenen Veranstaltungen hinzu (vgl. Sta­ tut, Art. III, 2.4.–6.). Auffällig ist, dass dem Errichtungsdekret bzw. dem Statut keine Umschreibung der Vermögensmasse zu entnehmen ist. Es ist aber gerade diese universitas rerum, die durch die Stiftungserrichtung selb­ ständig wird (vgl. c. 1303 § 1, 1°).199 Ferner umschließt die Verfassung der Stiftung drei Organe: einerseits den Direktor bzw. die Direktorin als leitendes Organ, andererseits fungie­ ren das Konsultorenkollegium der Diözese Innsbruck und der Vermögens­ verwaltungsrat des Bistums als aufsichtsführende Organe (vgl. Statut, Art. IV, Abs. 1). Die in Art. V näher umschriebenen Aufgabenbereiche des Direktors bzw. der Direktorin bestehen in der laufenden Geschäftsführung der Stiftung; dabei wird mehrfach für Entscheidungen die Verbindung der Stiftung mit dem Bistum herausgestellt.200 Das Konsulto­renkollegium be­ steht gemäß c. 502 § 1 CIC aus sechs bis zwölf Mitgliedern des Pries­ terrates. Sie werden vom Diözesanbischof frei ernannt, ihm kommt darüber hinaus der Vorsitz über dieses Gremium zu (vgl. c. 502 § 2 CIC). Es han­ delt sich um ein vom Priesterrat unabhängiges, d. h. ihm nicht rechen­ schaftspflichtiges Organ, dem spezifische Aufgaben eigen sind, die primär beratender, teilweise aber auch entscheidender Natur sind. Die Bischofskon­ ferenzen von Deutschland, Österreich und der Schweiz haben, entspre­ chend der Möglichkeit gemäß c. 502 § 3 CIC, die Aufgaben des Konsul­ torenkollegiums den jeweiligen Domkapiteln der (Erz-)Diöze­ sen übertra­ gen.201 Im Zusammenhang der späten Errichtung des Bistums Innsbruck gibt es dort kein Domkapitel, sodass aus dem Priesterrat ein eigenständiges Konsistorium ge­bildet worden ist, das eine Aufsichtsfunktion über die Stif­ tung ausübt. 198  Nicht ersichtlich ist zudem, nach welchen Kategorien die Sponsoren ausge­ wählt werden. 199  Nach Auskunft von Dr. Georg Schärmer im oben erwähnten Telefoninterview wurde der Stiftung Vermögen übertragen, wenngleich dies nicht in dem Statut ver­ merkt ist. In Abstimmung mit dem Vermögensrat wurden Vermögen aus dem Haus­ halt, der bereits in der früheren Verfassung der Caritas als diözesanes Amt existier­ te sowie Liegenschaften in das Vermögen der Stiftung überführt. 200  So gelten z. B. für die „Budgetplanung, den Vollzug und die Rechnungslegung der Stiftung […] die Richtlinien der Diözese Innsbruck sowie des Konsultorenkol­ legiums und des Vermögensverwaltungsrates der Diözese Innsbruck“ (Statut, Art. V, Z. 3). 201  Vgl. die entsprechenden Entscheide. Für Deutschland: AfkKR 152 (1983) 542; für Österreich: ÖAfKR 34 (1983 / 84) 377; für die Schweiz: SKZ 153 (1985) 472.



II. Caritas in Österreich233

Die rechtliche Grundlage für das zweite Organ mit Aufsichtsfunktion bilden die cc. 492 f. CIC, demnach in jeder Diözese ein Vermögensverwal­ tungsrat einzusetzen ist, dem ebenfalls der Diözesanbischof oder eine von ihm beauftragte Person vorsitzt und der aus mindestens drei fachkundigen und integeren Personen besteht. Die letzten beiden Artikel des Statuts thematisieren die Auflösung (Art. VI) und Liquidation (Art. VII) der Stiftung. Die Auflösung erfolgt durch den Bischof von Innsbruck und zwar aufgrund zweier Optionen. Zum einen handelt es sich um eine Notwendigkeit, insofern der „Vermögensver­ waltungsrat feststellt, dass die Führung von Einrichtungen durch die Stiftung wirtschaftlich insgesamt nicht mehr verantwortet werden kann“ (Statut, Art. VI, 1.). Zum anderen kommt dem Bischof aber auch die Möglichkeit zu, „aus jedem anderen gewichtigen, im Interesse der Kirche liegenden Grund die Auflösung der Stiftung zu verfügen“ (Statut, Art. VI, 2.). Die Liquidation wird durch die Finanzkammer des Bistums Innsbruck durchge­ führt (vgl. Statut, Art. VII, 1.).202 Die Besprechung des Errichtungsdekrets und des Statuts der kirchlichen Stiftung „Caritas der Diözese Innsbruck“ lässt in der Zusammenschau zwei Merkmale hervortreten: Deutlich zu erkennen ist der Beweggrund, der hinter der Änderung der Rechtsform der Caritas Innsbruck steht. Beredtes Zeugnis legt dafür der Statutstext der kirchlichen Stiftung ab, der teilweise eine wört­ liche Übernahme der staatlichen Vorgaben darstellt. Den Hintergrund für die rechtliche Modifikation bildete, wie erwähnt, die Reform der Steuergesetzge­ bung in Österreich, durch die die Möglichkeit bestand, dass Spenden an die Caritas in Zukunft abgesetzt werden können. Die Option der Absetzbarkeit ist allerdings an verschiedene Bedingungen bzgl. der entsprechenden Organi­ sation geknüpft, was deren Rechtscharakter anbelangt, d. h. die Caritas be­ durfte eines selbständigen Rechtsstatus, bei dem zusätzlich gewährleistet ist, dass 75% der Gesamtressourcen Spenden darstellen. Ersteres konnte durch die Errichtung einer kirchlichen Stiftung ermöglicht werden. Dabei bestand die Option für die organisierte Caritas im Bistum Innsbruck sicherlich auch in der Überlegung, für potentielle Spenderinnen und Spender einen Anreiz zu schaffen.203 Caritas Innsbruck gehört laut eigener Aussage bescheidmäßig 202  Wie auch in den bereits besprochenen Satzungen ist die Verwendung der in diesem Zusammenhang anfallenden Mittel an mildtätige Zwecke gebunden.   Hinzuweisen ist zudem noch auf die Bemerkung der „behördlichen Auflösung oder Aufhebung“ (Statut, Art. VII, 3.), demnach dem österreichischen Staat dazu die Möglichkeit zukommt. Dies wird im Zusammenhang der abschließenden Betrach­ tung unter dem Stichwort Stiftungsaufsicht noch einmal genauer zu betrachten sein.  203  Dies wird durch die ausführlichen Erläuterungen bis hin zu dem erwähnten Spendenrechner auf der Homepage der Caritas Innsbruck bestätigt.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

seit dem 01.01.2009 zu den steuerbegünstigten Organisationen.204 Dies deckt sich mit dem Eintrag auf der Liste der steuerbegünstigten Spendenempfänger des Bundesministeriums für Finanzen.205 Damit sind an sie getätigte Spenden steuerabzugsfähig. Wenn demnach hinter der Umwandlung der Caritas in der Diözese Innsbruck von einem bischöflichen Amt zu einer kirchlichen Stif­ tung in erster Linie steuerrechtliche Motive standen, so ist doch die Frage zu stellen, welche übrigen kirchenrechtlichen Implikationen mit dieser Verfas­ sungsänderung gegeben sind. Hinsichtlich der kirchlichen Stiftung unterscheidet der Gesetzgeber in Form einer Definition in c. 1303 CIC zwischen der selbständigen (§ 1, n. 1) und der unselbständigen (§ 1, n. 2) Stiftung. In Bezug auf die Caritas Inns­ bruck handelt es sich um die erste Variante, da kein Rechtsakt dergestalt vollzogen wurde, dass einer „bereits bestehenden Rechtsperson zeitliche Güter treuhänderisch übergeben“206 wurden. Die selbständige Stiftung ist ausgerichtet auf einen der in c. 114 § 2 CIC genannten Zwecke, d. h. Werke der Frömmigkeit, des Apostolats oder der Caritas in geistlicher oder zeitli­ cher Hinsicht. Zudem ist sie gekennzeichnet durch eine Errichtung als ju­ ristische Person seitens der zuständigen kirchlichen Autorität.207 Für den Zusammenhang zur Caritas Innsbruck sind zwei Aspekte entscheidend, ei­ nerseits der gerade erläuterte Umstand, dass die Stiftung durch die Errich­ tung rechtlich selbständig wird; dementsprechend ist das Vermögen „in seinem Umfang und in seiner Verwaltung genau zu unterscheiden von dem einer anderen juristischen Person“208. 204  Auf der Homepage der Caritas Tirol findet sich eine Informationsseite über die Steuerabsetzbarkeit getätigter Spenden (vgl.: http: /  / www.caritas-tirol.at / spen den / spendenabsetzbarkeit /  [Zugriff: 01.11.2010]). Kritisch zu hinterfragen ist aller­ dings der dort angegebene Spendenrechner, der für eine bestimmte Spendensumme unter Eingabe des Arbeitsverhältnisses und der Einkommenshöhe den steuerlichen Vorteil angibt, wenn auch ohne Gewähr. Diese Kalkulationen stellen den eigenen Vorteil des Spenders / der Spenderin allzu sehr in den Vordergrund und verdecken die an sich zweckfrei erfolgende Intention der Spende nach christlicher Überzeu­ gung. 205  Vgl. http: /  / www.bmf.gv.at / Service / allg / spenden / (Zugriff: 01.11.2010). 206  Althaus, zu c. 1303, Rdnr. 9, in: MK CIC (Stand: 29. Erg.-Lfg., Mai 1998). 207  Rüdiger Althaus weist darauf hin, dass der Gesetzgeber weder an dieser Stel­ le noch in c. 116 CIC näher angibt, wer unter dieser Autorität zu verstehen ist. Unter Berücksichtigung der cc. 1301 f. CIC sowie c. 1489 § 1 CIC / 1917 ist aber davon auszugehen, dass es sich um den zuständigen Ortsordinarius handelt. Ergän­ zend nennt Althaus dann noch den Ordinarius im ordensrechtlichen Bereich (vgl. c. 1302 § 3 CIC) und verweist für überdiözesane Einrichtungen auf die Bestimmun­ gen in c. 312 § 1 CIC (vgl. Rüdiger Althaus, zu c. 1303, Rdnr. 7, in: MK CIC (Stand: 29. Erg.-Lfg., Mai 1998). 208  Ebd.



II. Caritas in Österreich235

Andererseits stand bei der Erwägung der Verfassungsänderung von einem diözesanen Amt zu einer kirchlichen Stiftung gleichzeitig die Frage im Raum, ob weiterhin die gewünschte enge Verbindung zwischen Caritas und Bischof gegeben ist. Schließlich gründete der Entschluss der Nachkriegszeit zur Errichtung der Caritas in den Bistümern als diözesane Ämter in dem Sicherheitsbedürfnis, zukünftig staatliche Einmischungen zu verhindern. Insofern Caritas als diözesanes Amt gänzlich in der kirchlichen Verfas­ sungsstruktur eingefügt war, bestanden keine Verknüpfungen zur rechts­ staatlichen Seite, wie es noch bei der Verbandsstruktur als eingetragener Verein vorzufinden war. Die Rechtsform der kirchlichen Stiftung stellt zwar zunächst eine eigen­ ständige Vermögensmasse dar, ist aber dennoch nicht gänzlich losgelöst vom Stifter und zudem in vordringlicher Weise an der im Statut festgelegten Zweckbindung orientiert. Hinzu kommt die Aufsichts­ funktion des Ordinarius. Nach c. 1301 CIC ist der Ordinarius der Vollstre­ cker „aller frommen Willensverfügungen sowohl von Todes wegen als auch unter Lebenden“ (§ 1). Dies impliziert sowohl das Recht als auch die Pflicht zur Vigilanz (vgl. § 2).209 Im Statut selbst wird die Verbindung zum Bischof in dreifacher Weise verankert: Erstens ist es der Ortsordinarius selbst, der durch seine Unter­ schrift das Dekret sowie das Statut in Kraft setzt und damit die Stiftung, gemäß der Forderung von c. 1303 § 1, n. 1 CIC, errichtet. Des Weiteren wird unter Art. III Z. 9 erklärt, dass dem Bischof das Recht zukommt, der Stiftung weitere mildtätige und gemeinnützige Aufgaben zuzuweisen. Dem­ entsprechend kann er sich gestalterisch in die Arbeit der Stiftung, wenn auch im Rahmen der im Statut festgelegten Zwecke, einbringen. Dieses Recht wird im Statut auch nur ihm zuerkannt. Schließlich übt er nach dem Statut Aufsichtsfunktion aus, auch wenn dies nicht in expliziter Weise ge­ nannt ist. Denn wie gerade benannt, kommt ihm die allgemeine Aufsichts­ funktion über die Verwaltung von Vermögensmassen sowie über fromme Verfügungen im Speziellen zu. Daneben ist er aber durch den Text des Statuts in die Aufsicht durch seinen Vorsitz im Konsultorenkollegium als auch im Vermögensverwaltungsrat, einmal abgesehen von der Möglichkeit, dass er diesen delegieren kann, direkt eingebunden. Die enge Verbindung zwischen Ortsordinarius und Caritas im Bistum Innsbruck kann also auch in der Rechtsform der Kirchlichen Stiftung als bestehendes Merkmal ange­ geben werden. Zu ergänzen ist dieser Befund noch mit dem Verweis auf das österreichische Konkordatsrecht, das diese enge Anbindung deckt, da Art. XIII, Abs. 3, § 3 des Konkordates von 1933 lautet:

209  Vgl.

auch c. 1276 CIC.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

„Die Ordnung und Verwaltung der kirchlichen Stiftungen steht den kirchlichen Organen zu.“210

Insgesamt verkörpert also die Umwandlung der Caritas Innsbruck von einem diözesanen Amt in eine kirchliche Stiftung eine Reaktion auf staat­ liche Veränderungen unter dem Fokus der Spendenrequirierung sowie der Beibehaltung der direkten Zuordnung der Caritas zur kirchlichen Auto­ rität.

III. Caritas in der Schweiz211 1. Geschichtliche Entwicklung der organisierten Caritas212 Die Anfänge der geschichtlichen Entwicklung der organisierten Caritas in der Schweiz lassen viele Gemeinsamkeiten mit der damaligen Situation in Deutschland erkennen. So wurde in der Schweiz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgrund der im Zuge der gesellschaftlichen und industri­ ellen Umbrüche entstandenen Notlagen eine Vielzahl an caritativen Werken mit christlicher Ausrichtung gegründet.213 Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die 1857 vollzogene Gründung des Schweizerischen Pius­ vereins, ein Katholikenverein, „der sich nicht politisch, sondern rein reli­ giös-kirchlich verstand“214 und eine ausgeprägte caritative Tätigkeit ausübte, sodass Stefan Oetterli zu dem Urteil gelangt, dass der Piusverein „ab der Jahrhundertmitte zum eigentlichen Förderer der organisierten Caritas wurde 210  Vgl. i. V. m. Art. II öst Konkordat 1933. Vgl. auch Helmuth Pree / Bruno Primetshofer, Das kirchliche Vermögen, seine Verwaltung und Vertretung. Eine Hand­ reichung für die Praxis, Wien u. a. 22010, 166. 211  In die Untersuchung ist ein Gespräch mit dem Bischof von St. Gallen, Markus Büchel und dem dortigen Fachmitarbeiter für Recht und Kirchenrecht, Dr. Claudius Luterbacher Maineri, eingeflossen, das die Vf.in am 26. Mai 2010 in der Bischofs­ wohnung im Klosterbezirk St. Gallen geführt hat. 212  Grundlage für die geschichtliche Entwicklung der organisierten Caritas in der Schweiz bilden drei unveröffentlichte Lizentiatsarbeiten, die anlässlich des 100jäh­ rigen Bestehens der Caritas Schweiz erarbeitet wurden: Stefan Oetterli, „Tuet Gutes allen, vor allem den Glaubensgenossen!“ Der Schweizerische Caritasverband in den Spannungsfeldern seiner Gründungsjahre bis 1928, Freiburg (CH) 1997; Christian Marti, Aufbau und Entwicklung des Schweizerischen Caritasverbandes, 1928 bis 1964, Freiburg (CH) 1997; Matthias Schmidhalter, „Wir müssen uns darin üben, Experten der Menschlichkeit zu sein.“ Die Schweizerische Caritas zwischen Bestän­ digkeit und Wandel 1964–1988, Freiburg (CH) 1999. 213  Vgl. Urs Altermatt, Caritas Schweiz: Von der Katholischen Milieuorganisation, 15. 214  Oetterli, Tuet Gutes allen, 17.



III. Caritas in der Schweiz237

und dadurch letztlich das Fundament für den späteren Schweizerischen Caritasverband legte“215. Gegen Ende des Jahrhunderts wurde in der Schweiz die Zersplitterung der unterschiedlichen Werke und Vereine zunehmend als Belastung empfun­ den, sodass sich eine „bessere Koordination“ aufdrängte, wobei „der deut­ sche Katholizismus in Europa wegweisend voran [ging] und auf den Schweizer Katholizismus impulsgebend“216 wirkte. Der Kapuzinerpater Rufin Steimer (1866–1928) setzte sich vehement für die Schweizerische Caritas ein, da ihr Schicksal von einer eingehenden Organisation abhänge und sie zugleich nötig sei, um die caritativen Werke nicht den Andersgläu­ bigen zu überlassen.217 Auf seinen Antrag hin wurde 1897 eine ständige Caritas-Kommission geschaffen. Zu ihr gehörten sowohl Vertreter des Pius­ vereins als auch Vertreter der katholischen Männer- und Arbeitervereine.218 Der Überzeugungsarbeit von Rufin Steimer ist es letztlich zuzuschreiben, dass trotz der anfänglichen Schwierigkeiten in der Kommission nicht das Projekt als solches beiseite gelegt wurde, sondern Steimer sogar innerhalb des Schweizerischen Katholikenvereins219 seinen Vorschlag zu einem Cari­ tasverband voranbringen konnte. Am 27. September 1901 wurden die von Steimer ausgearbeiteten Statuten genehmigt und somit die formelle Grün­ dung des Schweizerischen Caritasverbandes (SCV) vollzogen. Stefan Oet­ terli weist aber darauf hin, dass es damals nicht zur Einrichtung eines Dachverbandes – wie es zumindest rechtlich in Deutschland der Fall war – gekommen war, da der Verband gemäß § 1 des Statuts weiterhin als Sek­ tion unter der Protektion des Katholikenvereins stand.220 Als Zweck wurde die „planmäßige Förderung der christlichen Nächstenliebe“ (§ 1) genannt. Zur Erreichung dieses Zieles wird in § 5 u. a. die Gründung von Filialver­ bänden in den einzelnen Diözesen aufgezählt. Auch der übrige Satzungstext zeugte von einer engen Anbindung an den Katholikenverein. Gleichwohl also die Situation dem Namen nach Ähnlichkeiten mit der 1897 erfolgten Gründung in Deutschland aufwies, zeigt eine genauere Be­ trachtung, dass diese Vergleichbarkeiten weder in formeller noch in inhalt­ 215  Ebd. Seit 1878 gab es innerhalb des Piusvereins eine eigene Sektion für die Caritas (vgl. ebd. 20). 216  Altermatt, Caritas Schweiz: Von der Katholischen Milieuorganisation, 16. 217  Die Ähnlichkeit dieser Argumentationsgründe mit den Aussagen Werthmanns ist augenscheinlich. Vgl. Oetterli, Tuet Gutes allen, 35 f. 218  Vgl. ebd., 37. 219  Es handelt sich bei dem Schweizerischen Katholikenverein um die Nachfol­ georganisation des Piusvereins, der 1899 eine Umstrukturierung erfahren hatte (vgl. ebd., 39). 220  Vgl. den Satzungstext im Anhang bei Oetterli, Tuet Gutes allen, 194 f.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

licher Art bestanden, sondern in der Intention von Steimer zu suchen sind. Tatsache ist, dass es in den nächsten zwei Jahrzehnten zu einer „Stagnation“221 innerhalb der Schweizerischen Caritasorganisation kommen sollte.222 Zwei Ereignisse sind aus dieser Zeit hervorzuheben: Erstens wurde 1905 der Verband bereits wieder aufgehoben. Seine Tätigkeit sollte durch die CaritasSektion des ebenfalls 1905 gegründeten Schweizerischen Katholischen Volksvereins übernommen werden.223 Zweitens erwies sich die Kriegs- und auch die Nachkriegshilfe als bedeutsam, weil durch die Vielzahl an neuen Hilfsorganisationen der Aspekt einer notwendigen Koordinierung erneut sichtbar wurde, die sich in der Einrichtung einer Caritaszentrale im Jahr 1919 widerspiegelte und schließlich den Gedanken an einen eigenständigen Caritasverband wieder aufleben ließ.224 Zunächst entstanden jedoch in Zü­ rich, Basel, St. Gallen und Fribourg regionale Caritasorganisationen, die sich in den beiden erstgenannten Orten zu städtischen Caritasverbänden auswuchsen. In den Diözesen St. Gallen und Lausanne-Genf-Freiburg kam es in den 1920er Jahren sogar zur kurzfristigen Bildung von Diözesancari­ tasverbänden.225 Anfang der 1920er Jahre wurde die Kontaktaufnahme von 221  Ebd.,

44. grundlegende Schwierigkeit bestand darin, dass das Zentralkomitee des Katholikenvereins die Statuten von 1901 als unverbindlich erachtete und nicht ge­ willt war, Kompetenzen an den Caritasverband abzugeben. Dies stellte sich jedoch erst 1903 während einer Aussprache heraus (vgl. ebd., 49 f.). Daher kann Oetterli resümierend festhalten: „Der Schweizerische Caritasverband war 1901 geschaffen worden, um auf nationaler Ebene caritative Bestrebungen zu fördern und organisa­ torisch zu erfassen. Da er aber bloß als Sektion des Schweizerischen Katholikenver­ eins gegründet worden war und zudem grundsätzliche Fragen von Anfang an unge­ nügend geklärt waren, musste dieses Vorhaben zunächst scheitern“ (ebd.). 223  Es handelte sich dabei um den Spitzen- und Dachverband aller katholischen Vereine in der Schweiz: „Die Organisation des Volksvereins bestand aus zwei Hauptpfeilern: Erstens aus dem eigentlichen Volksverein, der aus den drei grossen Zentralverbänden Katholikenverein, Verband der Männer- und Arbeitervereine und Fédération romande entstanden war und zweitens aus den anderen katholischen In­ stitutionen und Organisationen, die autonom und auf föderaler Basis dem Volksver­ ein angeschlossen waren. Die Kernorganisation zerfiel wiederum in Kantonalverbän­ de und Ortsvereine“ (ebd., 51.). 224  Vgl. dazu die detaillierten Ausführungen von Oetterli, Tuet Gutes allen, 56– 81. 225  Vgl. ebd., 88 unter Verweis auf Caritas 5 (1927) 209.  Die Kanzlei der Diözese Lausanne – Genf – Freiburg konnte auf Anfrage nur begrenzt zu diesem historischen Ereignis Auskunft geben. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang die Entstehung des Bistums selbst, welches in seiner jetzi­ gen Form und seinem Namen seit 1924 besteht. Allerdings beschreibt der Kanzler, Louis Both, die Ereignisse soweit, dass das „Bureau de Charité de Fribourg“ seine Aktivitäten im Jahre 1920 unter der Beförderung von Bischof Marius Besson (1876– 1945) und der freiburgischen Sektion des Schweizerischen Katholischen Volksver­ eins (SKVV) angefangen habe. Des Weiteren habe es in Lausanne eine Caritas ge­ 222  Eine



III. Caritas in der Schweiz239

Seiten der Caritas-Sektion mit anderen caritativen Verbänden zunehmend intensiviert, die Mitgliederzahlen der Sektion verzeichneten erheblichen Zuwachs sowie die gereifte Überzeugung, dass eine Systematisierung der Arbeit unumgänglich sei.226 Diese Umstände führten schließlich im Jahr 1927 zur Konstituierung des Schweizerischen Caritasverbandes und damit zum Abschluss des bald drei Jahrzehnte umfassenden Gründungszeitraums. Die Statuten des Verbandes waren bereits vom Volksverein und vom Frauenbund227 im Herbst 1927 genehmigt worden. Das Placet der Schwei­ zerischen Bischöfe verzögerte sich allerdings noch bis Ende Mai 1928.228 Bevor auf den Inhalt des Statuts von 1928 eingegangen wird, soll zu­ nächst noch die Frage beleuchtet werden, welche Rolle die Schweizerischen Bischöfe in diesem Gründungszeitraum spielten?229 Eine direkte Parallele zur Situation in Deutschland bestand für die Schweiz darin, dass es sich bei der Caritasbewegung nicht um eine Initiative seitens der kirchlichen Autorität handelte. Sie entwickelte sich vielmehr von unten, d. h. aus dem caritativen Einsatz der Katholikinnen und Katholiken.230 In den Anfangsjahren des Verbandes nahmen die Schweizerischen Bi­ schöfe kaum Notiz von den Ent­wicklungen und konzentrierten sich mehr auf ihre eigenen Bistümer, denn auf die nationale Caritas­organisation. Erst geben. Diese zwei Caritasverbände seien mit der Caritas Luzern, die auch unter Anstoß des SKVV entstanden sei, verbunden gewesen. Nähere Angaben zu einem Diözesancaritasverband konnte der Kanzler nicht machen (vgl. Auskunft per Email vom 25.01.2011). Ein weiteres Forschungsprojekt wäre demnach die Aufarbeitung der Unterlagen im Diözesanarchiv Freiburg (CH). 226  Vgl. Oetterli, Tuet Gutes allen, 94 f. 227  Beim Frauenbund handelt es sich um einen schweizerischen Verein, der 1912 als eigenständige Frauenorganisation gegründet wurde. 1920 erfolgte durch eine Sta­ tutenrevision eine Anbindung an die Caritas-Sektion. § 1 der neuen Statuten legte fest, dass sich die Sektion aus Mitgliedern des Volksvereins, des Frauenbundes und den jeweils angeschlossenen Verbänden zusammensetzt (vgl. Abdruck des Statuts bei Oetterli, Tuet Gutes allen, 196). 228  Zunächst musste noch eine Anfrage seitens des St. Galler Bischofs Robert Bürkler (1863–1930, Bischof von St. Gallen 1913–1930) bearbeitet werden, der die Einfügung des Adjektivs „katholisch“ in die Satzungsüberschrift, also „Statuten des Schweizerischen katholischen Caritasverbandes“ wünschte. Nach einem Austausch dazu konnte er aber überzeugt werden, dass es sich um eine Tautologie handeln würde, und der Begriff ‚Caritas‘ „der allgemein anerkannte ‚technische Ausdruck‘ für die ‚katholische, freiwillige Fürsorge‘ sei“ (Oetterli, Tuet Gutes allen, 103, mit Verweis auf das Protokoll der Sitzung der Schweizerischen Bischofskonferenz, 3. / 4. Juli 1929; Archiv Schweizerische Bischofskonferenz). 229  Vgl. dazu Oetterli, Tuet Gutes allen, 150–159. 230  Altermatt spricht vom Werk der „katholischen Laienbewegung und des niede­ ren Klerus“ (ders., Caritas Schweiz: Von der Katholischen Milieuorganisation, 16).

240

D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

im Zusammenhang der durch den Ersten Weltkrieg verursachten Notlagen und der zunehmenden Interkonfessionalität konnte auf der episkopalen Sei­ te ein gesteigertes Interesse aus­gemacht werden. Besonders hervorzuheben ist das Engagement von Joseph Ambühl231 (1873–1936), der 1925 zum Bischof von Basel ernannt wurde. Ihm war die caritative Arbeit aus seinen vorangegangenen Arbeits­stätten vertraut, da er ein Mitbegründer der CaritasSektion sowie Mitarbeiter der Caritaspräsi­denten Wilhelm Meyer232 (1870– 1912) und Franz Joseph Bühler233 (1881–1925) war. Bemerkenswerterweise kam es 1922 sogar zu einem – wenn auch einsei­ tigen – Versuch, in Anlehnung an Deutschland und auch Österreich eine diözesane Gliederung der Caritas im Land vorzunehmen. Caritas-Sekretär Innozenz Maria Räber234 OP (1886–1949) informierte den Generalmeister der Dominikaner in Rom darüber, dass er einen Statutenentwurf für eine diözesane Verbandsstruktur ausarbeite, die im Einvernehmen mit dem Bas­ ler und Luganer Bischof Jakob Stammler235 (1840–1925) der Bischofskon­ ferenz vorgelegt werden solle.236 Als Caritaspräsident Franz Joseph Bühler davon erfuhr, reagierte er seinerseits mit einem eigenen Schreiben, dem zu entnehmen ist, dass das Dargestellte nicht die Meinung der anderen Träger des Caritasverbandes wiedergebe; zudem entspreche dieser Plan nicht den kleinen schweizerischen Verhältnissen.237 Stefan Oetterli fasst die weitere Argumentation des Briefes zusammen: „Die Bischöfe hätten in der Caritas-Sektion Einsitz und Stimmrecht, alle Caritas­ vereine seien dort vertreten, die Tuchfühlung mit den religiösen caritativen Orden sei hergestellt und im Leitenden Ausschuss wären die beiden Dachverbände Volksverein und Frauenbund vertreten.“238

Dieser Briefwechsel lässt die Befürchtung auf Seiten der Leitung des Caritasverbandes sichtbar werden, durch eine diözesane Gliederung zu sehr unter den Machteinfluss der Bischöfe zu geraten.239 Die Sichtweise von 231  Joseph

Ambühl war Bischof von Basel und Lugano von 1925–1936. Meyer war Präsident in den Jahren 1905–1909. 233  Franz Bühler war Präsident in den Jahren 1909–1925. 234  Innozenz Räber war Sekretär von 1919–1922. 235  Jakob Stammler war Bischof von Basel und Lugano von 1906–1925. 236  Vgl. Oetterli, Tuet Gutes allen, 156; unter Verwendung der Quelle: Brief von Räber an Ceslaus Hansen OP (Collegio Angelico in Rom), 28. Januar 1922 (Archiv SKVV PA 287 / 147). 237  Vgl. Oetterli, Tuet Gutes allen, 156; unter Verwendung der Quelle: Brief von Bühler an Ceslaus Hansen OP (Collegio Angelico in Rom), 2. Februar 1922 (Archiv SKVV PA 287 / 147). 238  Vgl. Oetterli, Tuet Gutes allen, 156. 239  Eine signifikante Begebenheit also, da sich dieser Zug durch die gesamte ver­ bandliche Caritasgeschichte durchzieht und das nicht nur bezogen auf die Schweiz. 232  Wilhelm



III. Caritas in der Schweiz241

Frauenbund und Volksverein war deutlich: Mitsprache der Bischöfe, aber keine einseitige Leitung durch sie.240 Zu überprüfen ist, ob dieser Vorfall in den Statuten des Schweizerischen Caritasverbandes von 1928 Niederschlag gefunden hat? Zumindest kann davon ausgegangen werden, dass die Bischöfe ihre Rechte gewahrt sahen, da sie die Statuten approbierten. Bereits unter Art. 1 wurde festgehalten: „Gemäß kirchlichem Recht untersteht er [der SCV] den hochwürdigsten schwei­ zerischen Bischöfen.“

In Art. 4 erfolgt sodann eine zweite Anknüpfung an das kirchliche Recht: „Für den Verband sind maßgebend die Vorschriften des Codex Juris Canonici.“

Daneben gelten aber aufgrund seines Status als eingetragener Verein die Normen des Zivilgesetzbuches. Der Verband umfasst sechs Organe241, wobei die Wahl des Präsidenten der Mitgliederversammlung zufällt (vgl. Art. 13 a). Die Wahl des Präsiden­ ten wie des Direktors der Caritaszentrale muss von den Bischöfen geneh­ migt werden. Die Bischöfe haben des Weiteren das Recht, sieben Vertreter in den Vorstand zu entsenden. Diesem „obliegt das Recht und die Pflicht der Leitung des Verbandes und dessen Vertretung nach außen“ (Art. 14a). Da dieses Organ aber eine Zahl von etwa 59 Personen242 umfasst, fallen die sieben bischöflichen Vertreter nicht übermäßig ins Gewicht. Hinzu kommt eine weitere Beschränkung, weil es im leitenden Ausschuss keine festgeleg­ te Vertretung der kirchlichen Autorität gibt (vgl. Art. 15). Ein bischöflicher Vertreter könnte allerdings über den Weg der vier gewählten Mitglieder aus dem Vorstand Zugang zum leitenden Ausschuss erhalten. Im Rahmen der Finanzierung des Verbandes fällt den Bischöfen die Auf­ gabe der Caritaskollekte zu (vgl. Art. 20). Eine Auflösung des Caritasver­ bandes bedarf ihrer Genehmigung (vgl. Art. 21). Zusammenfassend zeugen also die Statuten von 1928 von einer Einbezie­ hung der Bischöfe, die der erwähnten Einschätzung von Stefan Oetterli hinsichtlich der Absicht von Volksverein und Frauenbund entspricht: kont­ rollierte Einbeziehung der römisch-katholischen Kirche. Nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind die Konsequenzen, die sich aus den beiden grundlegenden Bestimmungen in Bezug auf die Unterstel­ lung des Verbandes unter die Bischöfe (Art. 1 Abs. 2) sowie dessen Ausrich­ tung an den Normen des CIC  /  1917 (Art. 4 Abs. 2) ergeben. Schließlich Oetterli, Tuet Gutes allen, 158. Mitgliederversammlung, Vorstand, Leitender Ausschuss, Schweizeri­ sche Caritaszentrale, Kontrollstelle, Fachgruppen. 242  Vgl. Marti, Aufbau und Entwicklung, 15. 240  Vgl.

241  Art. 11:

242

D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

handelt es sich bei dem Verb „untersteht“ nicht um einen kirchenrechtlich definierten Begriff. Die Aussageabsicht mag aber durchaus in Richtung ei­ ner Aufsichtsfunktion gehen.243 Deutlich sichtbar werden zumindest eine Verbindung zwischen SCV und Schweizerischen Bischöfen und auch eine Verantwortung von Seiten der Bischöfe. Die Orientierungen, die sich aus dem früheren kirchlichen Gesetzbuch ergaben, müssen zuerst in c. 686 § 1 CIC / 1917 gesehen werden. Demnach handelte es sich um einen kirchlichen Verein, weil die Bischöfe die Statuten approbiert haben. Hinzuzunehmen ist zudem c. 690 § 1 CIC / 1917 in seiner Aussage, dass der Verein der Jurisdik­ tion und Vigilanz des Ortsordinarius unterstellt ist. Gleichwohl greift auch hier die bereits für Deutschland angesprochene Problematik, dass zum da­ maligen Zeitpunkt die Schweizerische Bischofskonferenz keine Rechtsakte setzen konnte, da sie noch keinen universalkirchlichen Rechtsstatus besaß. Im Jahr nach der Approbation der Statuten wurde das Amt des Protektors eingerichtet, das eine Verbindungsstelle zwischen der Schweizerischen Bi­ schofskonferenz und dem Caritasverband verkörpern sollte. Der erste Amts­ inhaber war Bischof Ambühl.244 Ohne einen umfassenden Einblick in die weitere geschichtliche Entwick­ lung des Schweizerischen Cariatsverbandes an dieser Stelle leisten zu wol­ len, sollen im Folgenden in gebündelter Form einige zentrale Aspekte her­ vorgehoben werden. Im Zusammenhang der Schilderung der deutschen Entwicklung wurde das Projekt Pfarrcaritas bereits mehrfach erwähnt. Auch in der Schweiz stand dieser Aufgabenbereich der Caritas in den 1930er Jahren im Fokus der Aufmerksamkeit und zwar im Kontext der Befürchtung einer inneren Säkularisierung der Caritas. Jonas Arnold betont die herausragende Bedeu­ tung der „richtigen Caritasgesinnung“245 in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts und die vielfältigen Anstrengungen, diese zu fördern. Wie im deutschen Bereich, sah sich die Caritas in der Schweiz durch weltan­ schaulich neutrale Wohlfahrtseinrichtungen als auch durch „innere Säkulari­ sierungstendenzen“ innerhalb der Vereinscaritas bedroht.246 Dieser Bedro­ 243  Zum Begriff der Aufsicht vgl. die Ausführungen im sechsten Abschnitt dieser Untersuchung. 244  Vgl. Oetterli, Tuet Gutes allen, 154. Ihm sollte die Kompetenz zufallen, ei­ genständig Fragen mit dem Verband klären zu können, damit die oft langwierige Beschlussfassung seitens der Bischofskonferenz zumindest in den meisten Fragen umgangen werden konnte. 245  Jonas Arnold, Der Schweizerische Caritasverband 1933–1945, in: Urs Alter­ matt / Albert Schnyder (Hrsg.), Von der katholischen Milieuorganisation zum sozialen Hilfswerk, 100 Jahre Caritas Schweiz, Luzern 2002, 105–160, 106. 246  Vgl. ebd. 107.



III. Caritas in der Schweiz243

hung wurde entgegen getreten durch eine Herausarbeitung des katholischen Profils der Caritas, das in der inneren Gesinnung des Gläubigen verankert werden sollte. In diesem Kontext forderte der Verband eine Wiedervereini­ gung von „Altar und Opfer bzw. von Gottes- und Nächstenliebe“247. Es ging um eine „institutionelle Verflechtung“248 von Caritasverband und Gemeinde, die durch eine Anbindung an den Pfarrer bzw. Einrichtung eines Caritasaus­ schusses zu sichern versucht wurde. Letzterer wurde zwischen 1931 und 1935 zur verbindlichen Pflicht.249 Dies änderte allerdings nur wenig an der schleppenden Umsetzung.250 Die Überlegungen zielten darauf, die Gemeindemitglieder nicht nur ma­ teriell, sondern auch „ideell mehr in die Pflicht zu nehmen“251 und münde­ ten in konkreten Ideen zur Umsetzung: „So sollte es in den Augen einiger Autoren für die Kirchenmitglieder nicht mehr mit einer anonymen Spende getan sein: Um der wachsenden Entfremdung zwi­ schen Gebenden und Beschenkten entgegenzuwirken, suchte man vielmehr nach verschiedenen Modellen der persönlichen Liebestätigkeit von Mensch zu Mensch und diskutierte neben einer katholischen Armensteuer das urchristliche Brauchtum des persönlichen Caritasopfergangs zum Altar, durch den Nächstenliebe und Got­ tesliebe wieder miteinander verschmelzen sollten.“252

Die religiöse Fundierung der Caritasarbeit muss also unter den zwei As­ pekten des Versuchs der Sicherung gegen Säkularisierungstendenzen von außen und gegen Profanisierungstendenzen von innen, d. h. aus der Ver­ 247  Ebd.

248  Ebd.,

108. zitiert den Auftrag von Bischof Franziskus von Streng: „So ist also der Caritasausschuss bindende kirchliche Pflicht für die ganze Schweiz.“ (Marti, Aufbau und Entwicklung, 24; Quelle des Zitats: Wilhelm Kissling, Geschichte der Caritas in der Schweiz, S. 21, in: Mappe Geschichte der Caritas Schweiz im Archiv des Schweizerischen Caritasverbandes in Luzern.) 250  Es ist interessant zu beobachten, dass in der damaligen Zeit das bischöfliche Augenmerk in besonderer Weise auf die Pfarrcaritas gerichtet war und zumeist den Auftrag zur Gründung von Caritasausschüssen beinhaltete. Das Resultat dieser Be­ mühungen in der Schweiz ist beispielhaft, denn zu einer vollständigen Umsetzung kam es weder hier noch in Deutschland. Im Jahresbericht von 1937 hieß es, dass es zwar manchmal gelungen sei, einen Caritasausschuss zu etablieren, aber oftmals sei diese Aufgabe den Vinzenz- und Elisabethenvereinen überlassen worden. Als ein Grund mag der gestiegene Lebensstandard gelten, aber mit Christian Marti müssen besonders die bereits bestehenden Organisationen in den Gemeinden vor Ort berück­ sichtigt werden. Es ist nachvollziehbar, dass keine Notwendigkeit gesehen wurde, in funktionierende Strukturen einzugreifen, insbesondere dann nicht, wenn die Arbeit durch katholische Vereine gewährleistet wurde (vgl. Marti, Aufbau und Entwick­ lung, 24 f.). 251  Ebd. 252  Ebd. 249  Marti

244

D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

bandsarbeit heraus gesehen werden. In dieser Abwehrhaltung gründete auch das Bedürfnis nach einer eigenen katholischen Fürsorge. Das katholische Profil sollte sich in einem ganzheitlichen Umgang mit den betroffenen Men­ schen zeigen, sodass neben der leiblichen Sorge auch immer die weitere Perspektive auf seine religiöse Bindung bzw. Orientierung hinzugenommen wurde. Es wurde den Verantwortlichen jedoch schnell deutlich, dass gerade im Wettbewerb mit anderen Wohlfahrtsunternehmen eine fachliche und materielle Professionalität unabdingbar ist. Des Weiteren zeigte sich, dass durch das explosionsartige Wachstum des SCV zu einem „bedeutenden, modernen Unternehmen der schweizerischen privaten Fürsorge“253 in den Jahren 1938 bis 1945 eine Öffnung auf Zusammenarbeit mit anderen Insti­ tutionen unumgänglich wurde, da die eigenen Kapazitäten besonders unter fachlicher Perspektive nicht ausreichten.254 Eine zweite Entwicklung ist innerhalb der schweizerischen verbandlichen Caritas bedenkenswert, besonders unter der Fragestellung der Verbindung von Amtskirche und Caritas. Der bereits erwähnte Bischof Joseph Ambühl und sein Nachfolger im Bischofsamt, Franziskus von Streng255 (1884–1970), zeigten ein engagiertes Eintreten für die Caritas. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass der episkopale Einfluss auf die Schweizerische Caritas im Anschluss an diese Amtszeiten stetig zurückging, und das, obwohl die Än­ derung der Statuten von 1971 / 72 sowie die Schweizer Synode von 1972 in ihren Texten etwas ganz anderes nahelegten. Der Anlass für die Statutenänderung ist in der tiefgreifenden Krise inner­ halb des SCV zum Ende der 1960er Jahre zu sehen, die letztlich zur Statu­ tenrevision von 1971 / 72 führte.256 Unter dem thematischen Fokus dieser Arbeit ist bei den Statuten des Vereins Schweizerische Caritas vom 10. März 1972 die Zieldefinierung besonders interessant. Danach heißt es in Art. 2 Abs. 1: „Die Tätigkeit der Caritas im Sinne der Diakonie der Kirche dient: 1. Der Förde­ rung des Caritasgedankens und eines entsprechend sozialen Verhaltens und Han­ delns; 2. der Planung und Entwicklung, Führung und Koordinierung von Caritas­ werken und -einrichtungen der Kirche mit entsprechend fachgerechten sozialen Hilfeleistungen im In- und Ausland.“ 253  Arnold,

Der Schweizerische Caritasverband 1933–1945, 149 f. ebd., 117. 255  Franziskus von Streng war Bischof von Basel und Lugano von 1937 bis 1967. 256  Im Rahmen der Hungerkatastrophe in Biafra glaubte Caritas Schweiz mehr leisten zu müssen, als sie aufgrund ihrer Mittel – besonders infrastruktureller Art – zu leisten imstande war. Der Verband hatte sich schlichtweg übernommen. Im An­ schluss wurde eine Untersuchungskommission eingesetzt, die im Ergebnis u. a. zu der Notwendigkeit einer Statutenrevision gelangte. Vgl. zu den Vorgängen detaillier­ ter: Schmidhalter, Wir müssen uns darin üben, 27–61. 254  Vgl.



III. Caritas in der Schweiz245

Unter Außerachtlassung der begrifflichen Verwirrung („Tätigkeit der Ca­ ritas im Sinne der Diakonie“) im Einleitungssatz bringt diese Zweckbestim­ mung in eindeutiger Weise die Beziehung zwischen Caritas und Kirche zum Ausdruck. Die verbandlich organisierte Caritas dient der Ausübung des ca­ ritativen Auftrages der Kirche. Hinzu kommt noch der zweite Absatz des­ selben Artikels, in dem sozusagen eine Arbeitsaufteilung im Sinne von territorialen Zuständigkeiten beschrieben wird: „Diese Tätigkeit wird vollzogen: 1. im Bereich des Bistums primär durch die diözesane, bzw. regionale Caritas, subsidiär durch die schweizerische Caritas; 2. im interdiözesanen Bereich durch die Schweizerische Caritas in Zusammenarbeit mit der diözesanen, bzw. regionalen Caritas.“

Die Zuständigkeit des national angelegten Schweizerischen Caritasver­ bandes bezieht sich demnach primär auf die diözesanübergreifenden Projek­ te und agiert innerhalb der Bistümer nach dem Subsidiaritätsprinzip. Die Aussage spiegelt also eine ineinandergreifende Zusammenarbeit wider. Neben diesem Statutentext wurde oben bereits auf das Synodenpapier verwiesen. Dabei handelt es sich um ein Dokument, das im Rahmen der zwischen 1972 und 1975 durchgeführten Synoden in den schweizerischen Bistümern erarbeitet wurde. Das Synodenpapier VIII „Soziale Aufgaben in der Schweiz“ wurde von einer Arbeitsgruppe unter Beteiligung des SCV erstellt.257 Das Papier stellt den Entscheidungen und Empfehlungen einen Kommissi­ onsbericht voran, der zunächst die soziale Situation der damaligen schweize­ rischen Gegenwart beschreibt. Die sozialen Gegebenheiten fordern von der Kirche, dass sie ihrer Mitverantwortung für die Gesellschaft, als Teil dersel­ bigen, nachkomme (vgl. Synodenpapier [SP] 2). Die soziale Sendung der Kirche sei grundgelegt in und rückgebunden an die Botschaft und den Auf­ trag Jesu Christi zur Gottes- und Nächstenliebe (Mt 22,37 ff.) (vgl. SP 2.1.1). Den Stellenwert dieses sozialen Auftrages verorten die Synodenteilnehmerin­ nen und -teilnehmer in den drei Wesensfunktionen der Kirche: Verkündigung – Liturgie – Diakonie (vgl. SP 2.1.3). Nach der Aussage der Pastoralpla­ nungskommission müssen sich diese drei Grundfunktionen gegenseitig durchdringen, damit nicht ein Zerrbild von Kirche entstehe (vgl. ebd.). Die Träger der sozialen Sendung werden in dem Dokument in vier Grup­ pen beschrieben (vgl. SP 2.2): Der Ausgangspunkt wird bei dem einzelnen Christen, der einzelnen Christin verortet, der bzw. die sich „dem Grundge­ setz der Liebe“ unterstellen müsse, wenn er bzw. sie zu Christus gehören 257  Synode 72, Sachkommission 8 (Hrsg.), VIII. Soziale Aufgaben der Kirche in der Schweiz, Solothurn 1975. Es ist sinnvoll, im Folgenden die theologische Einbet­ tung des Caritasgedankens durch die Synode zu beschreiben, weil dadurch die Span­ nung zur heutigen Stellung des SCV deutlich wird.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

wolle. Kirche als Organisation müsse hingegen die logistischen Mittel und Möglichkeiten zur Verwirklichung dieser Sendung bereitstellen, während die kirchlichen Amtsträger – speziell Bischof und Pfarrer, eine „besondere Ver­ antwortung dafür [tragen], dass die Gottes- und Nächstenliebe auf allen Stufen des kirchlichen Lebens verwirklicht wird und dass die dazu notwen­ digen oder dienlichen strukturellen Voraussetzungen geschaffen werden“ (SP 2.2.3). Die Verfasserinnen und Verfasser unterstreichen die Verantwor­ tung des Bischofs unter Erinnerung an sein Weiheversprechen sowie die des Pfarrers als rechtliche Norm unter Hinweis auf die entsprechenden Normen des früheren Gesetzbuches (vgl. cc. 467 ff. CIC / 1917). Interessant ist, dass das Charisma die vierte Gruppe der Trägerschaft ausmacht. Es soll so einer Eigenart des diakonischen Auftrags Rechnung getragen werden, demnach es immer wieder Menschen gab und gibt, die ohne Auftrag der kirchlichen Autorität, „allein getrieben vom persönlichen inneren Anruf des Heiligen Geistes, einen besonderen christlichen Dienst“ (SP 2.2.4) erfüllen. Es sei die Aufgabe der Diözesanleitung, den jeweils nötigen Freiheitsraum zu schaffen. Der dritte Gliederungspunkt des Dokuments geht der Frage nach der Verwirklichung des sozialen Auftrags der Kirche nach. Ausgeübt werde die Caritas durch den Dienst des einzelnen Christen, der die Grundlage bildet für die gesamte Caritastätigkeit (vgl. SP 3.1.3.). Hinzu komme die organi­ sierte Caritas, die ihre „Ausgangsbasis“ in der Pfarrei und Diözese habe (vgl. SP 3.2.1). Letztere sei aber gewissen Gefahren ausgesetzt: „Während die ausserberufliche Caritas immer wieder die Gefahr des Dilettantis­ mus droht, hat sich die berufliche Caritas gegen die Gefahren der Institutionali­ sierung und der Professionalisierung zu wehren.“ (SP 3.2.6).258

In diesem Kontext wird unter Punkt 3.7 des Synodenpapiers die Schwei­ zerische Caritas besprochen, die auf der Grundlage der Subsidiarität arbeite und im Kontakt zu den 14 regionalen Caritasstellen stehe. Zu ihren Aufga­ ben würden u. a. die „Erarbeitung der theologischen Grundlagen für die soziale Arbeit der Kirche“ sowie die „Förderung der Planung und Koordi­ nation der Caritasaufgaben in der Schweizer Kirche“ (SP 3.7) gehören.259 258  Die inhaltliche Härte der Zitataussage ist der Beschreibung von Extremen geschuldet. Denn nicht jede außerberuflich geübte Form der Caritas ist als dilettan­ tisch zu bezeichnen. Zudem sind Professionalisierung und Institutionalisierung nicht grundlegende Übel im Bereich der Caritas, sondern notwendige Begebenheiten, wenn Kirche ihrem Sendungsauftrag nachkommen will. Gleichwohl ist es sinnvoll, diese Gefahren zu benennen, um vor Selbstverständlichkeiten und Selbstgenügsam­ keit zu warnen. 259  Im Zuge dieser Entwicklung kam auch die Pfarreicaritas wieder verstärkt in den Fokus des Interesses: „Die Pfarreien wurden aufgefordert, Caritasausschüsse zu bilden und in der Fürsorge, beispielsweise in der Arbeitslosenhilfe, tätig zu werden.



III. Caritas in der Schweiz247

Abschließend beurteilt der Kommissionsbericht kritisch das soziale Enga­ gement der Schweizerischen Kirche.260 Der zweite Teil des Dokuments umfasst die Entscheidungen und Empfeh­ lungen, die von der Synode am 9. Mai 1975 verabschiedet und von Bischof Anton Hänggi (1917–1994)261 genehmigt wurden. Dabei werden zunächst die Grundlagen für das soziale Engagement der Kirche benannt, um im Anschluss die „ursprüngliche Verantwortung“ auf Seiten der christlichen Dem Schweizerischen Caritasverband kam die Rolle einer Unterstützung und Förde­ rung der Pfarreien zu. Eine Aufgabe, die nach der Synode 72 als Animation bezeich­ net wurde und heute noch von einem großen Teil der Regionalen Caritas-Stellen wahrgenommen wird.“ (Jürg Krummenmacher, Nachwort: Die Zeichen der Zeit ständig neu erkennen, in: Urs Altermatt / Albert Schnyder (Hrsg.), Von der katholi­ schen Milieuorganisation zum sozialen Hilfswerk, 100 Jahre Caritas Schweiz, Lu­ zern 2002, 211–219, 217.)  Nach Matthias Schmidhalter konnte sich die Caritas in der Folgezeit einer deut­ lich höheren Anerkennung und Rückhalt in Kirche und Gesellschaft versichern (vgl. Schmidhalter, Wir müssen uns darin üben, 78). Besonders in der Pfarreicaritas wur­ de dies sichtbar. Erinnert sei daran, dass die Pfarreicaritas in den 1930er Jahren zwar mehr oder minder verpflichtend eingeführt worden war, aber sich eine Umsetzung als äußerst schwierig erwies. Ist dies nun als Beleg dafür zu verstehen, dass Caritas, wenn sie nicht der Initiative von Laien entspringt, sondern von kirchlicher Autorität verordnet wird, nicht angenommen wird? Diese Argumentation ist nicht durchgrei­ fend. Es müssen beide Seiten – also kirchliche Amtsträger und Laienengagement – zusammenkommen. Die damaligen Vorstöße scheiterten eher daran, dass sich einige „Pfarrherren […] mit der Einsetzung eines Ausschusses [begnügten] und […] die Arbeit im Wesentlichen weiterhin der lokalen Laienfürsorge“ überließen (vgl. Arnold, Der Schweizerische Caritasverband 1933–1945, 116). Demnach lebt Caritas also u. a. davon, dass kirchliche Amtsträger sie zu ihrem eigenen Anliegen machen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich Parallelwelten entwickeln: Die Laien in der Gemeinde kümmern sich um die caritativen Aufgaben, die Amtsträger bzw. das Pas­ toralteam versehen Verkündigung und Liturgie. 260  Der Bericht spricht von einem mangelnden sozialen Bewusstsein in der Kir­ che. Dieses wird einerseits verortet in der Gleichsetzung von kirchlichem Engage­ ment und Treue zu formalen Abläufen, sodass der Schwerpunkt christlichen Verant­ wortungsbewusstseins zu sehr „in einem individuellen Heilswillen, in einer vertika­ len Gottesverehrung ohne zwischenmenschlich soziale Bezüge, im ichbezogenen Verständnis von Busse und Eucharistie“ (SP 4.2.1) liege. Eine der Ursachen für diesen Zustand sehen die Synodenteilnehmer / innen im Amtsverständnis gegeben, wenn sich kirchliche Amtsträger „häufig noch zu ausschließlich als Hüter des Glau­ bens, als Wächter der christlichen Moral und als Vorsteher in liturgischen Feiern“ (SP 4.2.2) verstehen. Aus dieser Verkürzung kann der christlichen Gemeinde an erster Stelle nur die Orientierung an Jesus Christus selbst helfen: „Der Dienst am Menschen in Not, wie Christus ihn gelebt, gelehrt und testamentarisch vermacht hat, muss zur Selbstverständlichkeit in der Kirche werden“ (SP 4.3). Diese Befunderhe­ bung verdeutlicht wie sehr Caritas im Rahmen der Synode als Auftrag der Kirche theologisch durchdacht und auf ihre praktischen Konsequenzen hin befragt wurde. 261  Anton Hänggi war von 1968 bis 1982 Bischof von Basel.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

Gemeinschaft und der Ortskirche, d. h. der Diözesen, Pfarreien – diese wer­ den in Punkt 6.2 des Synodenpapiers als Basis der christlichen Liebestätig­ keit bezeichnet – und der Gruppen, zu betonen. Aber der einzelne Christ, die einzelne Christin ist in gleicher Weise zur Caritas berufen (vgl. SP 5.1). Herausgestellt wird zudem, dass eine bloße Kreation an caritativen Werken nicht ausreiche, um der Verantwortung gerecht zu werden; vielmehr müsse den Ursachen der Nöte auf den Grund gegangen werden (vgl. SP 5.3). Im Kontext dieser Arbeit ist der Fokus schließlich auf den Gliederungs­ punkt 6.8. des Synodendokuments zu richten, der eigens am 1. / 2. März 1975 gesamtschweizerisch verabschiedet worden ist und die Überschrift trägt: „Kirchliche Zentralstelle für soziale Tätigkeit“. Es handelt sich um ein klares Bekenntnis zum Schweizerischen Caritasverband, der von der Schweizerischen Bischofskonferenz mit der Aufgabe der sorgfältigen Pla­ nung und Koordination der kirchlich sozialen Tätigkeit in der Schweiz be­ treut sei (vgl. SP 6.8). Hervorgehoben wird die Funktionsweise im Sinn des Subsidiaritätsprinzips, demnach der SCV dort tätig wird, „wo der Auf- und Ausbau kirchlicher sozialer Tätigkeit einer Hilfe bedarf“ (SP 6.8.1). Nicht Abgrenzung von, sondern Koordination und Kooperation mit bereits beste­ henden Einrichtungen soll die Arbeit der Schweizerischen Caritas prägen, dazu gehören die „Mithilfe bei der Aus- und Weiterbildung von Seelsorgern und sozial Tätigen im kirchlichen Dienst für die besonderen Belange der kirchlichen Sozialarbeit“, wie u. a. auch „die Gewährung ideeller und struk­ tureller Hilfen für die soziale Tätigkeit“ (SP 6.8.2). Die Besprechung der beiden Dokumente, die in der ersten Hälfte der 1970er Jahre verfasst wurden, vermittelt den Eindruck, dass Caritas zum einen als genuiner Auftrag der Kirche in ihrer Gleichwertigkeit zu den an­ deren Grundvollzügen λειτουργία und μαρτυρία verstanden wurde und zum anderen die Notwendigkeit einer Organisation der Caritas in der verband­ lichen Form als Schweizerischer Caritasverband würdigend anerkannt und wertgeschätzt wird und in einen wechselseitigen Austausch hinsichtlich der Aufgabenverteilung getreten ist. Umso erstaunlicher ist die Entwicklung der Beziehung zwischen Bi­ schofskonferenz und SCV seit dieser Zeit, die auch Matthias Schmidbauer in dieser Weise wahrnimmt: „Obwohl die Bistümer im Rahmen der Reorganisation grössere Verantwortung für Caritas übernahmen, flachte sich ihre Beziehung zur Caritas immer mehr ab. Die Hoffnung, dass der konziliare Schwung mit Hilfe der ‚Synode 72‘ gerettet werden konnte, war nur von kurzer Dauer. Die Entfernung zwischen den Bischöfen mit ihrer hierarchischen Kirchenstruktur und der Schweizerischen Caritas wurde im­ mer größer.“262 262  Schmidbauer,

Wir müssen uns darin üben, 83 f.



III. Caritas in der Schweiz249

Der eigenschaftliche Vermerk Schmidbauers zur hierarchischen Kirchen­ struktur wirkt an dieser Stelle als Gegenpol zur Schweizerischen Caritas. Er ergänzt die Beschreibung des Missverhältnisses durch die Bemerkung, dass der Vertreter der Bischofskonferenz „nicht einmal immer an der Generalver­ sammlung anwesend“263 war. Demnach wären Systemverschiedenheiten und Desinteresse seitens der bischöflichen Amtsträger zentrale Gründe, die eine Verschlechterung des beiderseitigen Verhältnisses nach sich zogen.  Ein bestehender Vorbehalt gegen den Einfluss der römisch-katholischen Kirche kann auch in den Äußerungen des früheren Caritasdirektors Jürg Krummenacher wiedergefunden werden.264 Deutlich erkennbar ist seine In­ tention, dass dem Schweizerischen Caritasverband als kirchliche Laienorga­ nisation seine Eigenständigkeit bewahrt werden müsse.265 Er erwähnt im Zusammenhang der geschichtlichen Entwicklung die „Gefahr einer zuneh­ menden Bevormundung durch die Bischöfe“, die aber abgewehrt werden konnte, da die Bischöfe z. B. „lediglich eine bestätigende Funktion“ bei der Wahl des Präsidenten und des Direktors erhalten haben. Das Ergebnis der Regelungen des Vertrages zwischen Bischöfen und Caritasverband besteht nach Krummenacher in der Bewahrung der Eigenständigkeit der Caritas. Dies ist für ihn notwendig, weil sie zum einen dem „Entstehungszusammen­ hang als Laienorganisation entspricht“, und zum anderen „für die Wahrneh­ mung ihrer Aufgaben unerlässlich ist“.266 263  Ebd.

264  Jürg Krummenacher war Caritas-Direktor von 1991 bis 2008. Vgl. dazu sei­ nen Beitrag in der Schrift zum hundertjährigen Bestehen der Caritas Schweiz: Krummenmacher, Nachwort: Die Zeichen der Zeit ständig neu erkennen, 211–219. 265  Vgl. ebd., 213. 266  Diese letzte These ist durchaus diskussionswürdig, denn sie bedeutet im Um­ kehrschluss, dass Caritas ihre Aufgaben nicht wahrnehmen könnte, wenn sie sich nicht durch eine ausgeprägte Eigenständigkeit gegenüber der Amtskirche auszeich­ net. Anzuerkennen ist, dass eine nicht allzu stark ausgeprägte ka­tholische Identifi­ zierung der Caritas Schweiz aufgrund der staatskirchlichen Situation günstig sein mag. Diese Einschätzung wurde auch innerhalb des erwähnten Gesprächs mit Bi­ schof Büchel in St. Gallen vorgebracht. Darüber hinaus zeigt sich in Deutschland, dass die Caritas ein wichtiges Bindeglied zwischen Kirche und Gesellschaft darstel­ len kann, indem sie auf beiden Seiten angebunden ist. Fragwürdig ist der weitere Gedankenschritt Krummenachers: „Die Legitimation von Organisationen wie der Caritas basiert letztlich darauf, ob es ihnen gelingt, in der Bevölkerung Solidarität zu wecken.“ (Krummenacher, Nachwort: Die Zeichen der Zeit ständig neu erkennen, 218.) Diese Schlussfolgerung greift zu kurz. Sie ist das Resultat, wenn Caritas „nur“ staatlich rechtlich verankert und nicht in die Ver­ fassungsstruktur der Kirche integriert ist. Caritas als Christenpflicht legitimiert sich nicht aus dem Umstand, ob sie Solidarität weckt, sondern aus dem Auftrag Jesu Christi. Um sie über den Dienst des Einzelnen im Namen der Kirche zu vollziehen, ist eine Organisation unabdingbar und zwar auf pfarrlicher, teilkirchlicher und ge­ samtkirchlicher Ebene. Nach Krummenachers Ansatz unterscheidet sich die Caritas

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

Aufschlussreich waren zu diesem Thema auch die Bemerkungen von Bischof Büchel zur Wahrnehmung der verbandlichen bzw. organisierten Caritas in der Schweiz.267 Diese werde nicht als kirchliche Einrichtung verstanden und sei es auch nicht. Vielmehr handele es sich um ein neutrales Hilfswerk, welches eine katholische Herkunft besitze und von daher ein katholisches Gepräge in sich trage.268 Letztlich sei die Schweizer Caritas eben nicht konfessionell bestimmt, was aber wiederum der Grund dafür sei, weswegen sie intensiv mit der öffentlichen Hand kooperieren könne. Es entstand in dem Gespräch der Eindruck, dass die Aufmerksamkeit gegen­ über der Caritas Schweiz u. a. deswegen von Seiten der schweizerischen Bischöfe nicht besonders ausgeprägt ist, weil deren Interesse primär auf das nicht von anderen wohltätigen Vereinen. Natürlich zielt Caritas auch auf Nachah­ mung (vgl. die frühchristlichen Gemeinden und der Eindruck, den die von ihnen geübte Nächstenliebe bei der Umwelt hinterließ), aber diese ist weder der Quellnoch der Rechtfertigungsgrund ihrer Existenz. Ein anderes Legitimationsverständnis, als es Krummenacher äußert, ist bei Arnold zu finden. Er spricht auch von Legitimation (vgl. ders., Der Schweizerische Caritas­ verband 1933–1945, 106), allerdings in der Art, dass sich Kirche durch Caritas le­ gitimiert. Und tatsächlich ist Kirche nicht Selbstzweck, sondern Zeichen und Werk­ zeug (vgl. LG 1). Sie steht in der Sendung Christi und hat seinen Auftrag zu erfül­ len. Dazu gehören wesensmäßig Liturgie, Verkündigung und Caritas. Besonders in den Augen der Gesellschaft legitimiert sich Kirche durch ihren Dienst am Nächs­ ten. Sie erhält ihr Existenzrecht nicht von der Gesellschaft, sondern von Christus selbst, und sie verliert es, wenn sie seinen Auftrag nicht erfüllt. 267  Eingangs der Untersuchung zur Situation der Caritas in der Schweiz wurde auf das Gespräch mit Bischof Büchel im Mai 2010 verwiesen.  268  Urs Altermatt spricht diesbezüglich von einem katholischen Profil: „Von sei­ ner Geschichte her gesehen besitzt der Caritasverband bis heute ein katholisches Profil. 1901 als Sektion des damaligen Katholikenvereins gegründet, war die Caritas seit ihren Anfängen im Verbandskatholizismus verwurzelt […]. Trotz seiner unbe­ strittenen Verbindung mit der katholischen Kirche war aber der Caritasverband nie eine Institution der Amtskirche. Als Gründung der katholischen Laienbewegung war er stets darauf bedacht, zwar die kirchliche Anerkennung durch die Approbation der Bischöfe zu erhalten, aber nicht unter die Leitung der kirchlichen Hierarchie zu geraten. Die Verbundenheit mit der katholischen Laienbewegung äußerte sich in personeller Hinsicht darin, dass die Verbandspräsidenten in der Regel […] aus dem Vereins- und Parteikatholizismus stammten. […] Sieht man von den ersten beiden Caritaspräsidenten Rufin Steimer und Wilhelm Meyer und dem einjährigen Interre­ gnum des Domherrn Dr. Emil Tscherrig 1969 ab, lag die Präsidentschaft des Ver­ bandes stets in den Händen von katholischen Laien.“ (Altermatt, Caritas Schweiz: Von der katholischen Milieuorganisation, 33 f.) Anders sieht es bei der Besetzung des Caritasdirektors aus: „Im Unterschied dazu waren von den acht Caritas-Direkto­ ren im Zeitraum von 1919 bis 2001 sechs Geistliche.“ (Urs Altermatt, Erfolgsge­ schichte einer C-Organisation. Der Weg der Caritas Schweiz zum Sozialunterneh­ men, in: Neue Zürcher Zeitung, Ausgabe 127, 05.06.2001, Blatt 1–3, Blatt 2: http: /  / www.kirchen.ch / pressespiegel / nzz / 2001060515.pdf [Zugriff: 04.10.2010]). Inzwischen sind sechs der neun Direktoren Kleriker gewesen.



III. Caritas in der Schweiz251

Fastenopfer gerichtet ist.269 Dabei handelt es sich um ein katholisches Hilfswerk in der Rechtsform einer kirchlichen Stiftung, die 1964 durch die Schweizerischen Bischöfe errichtet wurde.270 Dieses werde, so Bischof Bü­ chel, von der Bevölkerung im Vergleich zum SCV als eindeutig katholisch wahrgenommen. Der Einfluss der Bischöfe im Bereich des Fastenopfers ist über den Stiftungsrat entsprechend hoch. Diese beiden Einschätzungen zur momentanen Situation der Beziehung zwischen Caritas Schweiz und den Schweizerischen Bischöfen geben Zeug­ nis von einem gelebten Nebeneinander und weniger von einem Miteinander. Dabei mag es sich um zugespitzte Meinungspositionen handeln, die aber dennoch ernst zu nehmen sind. Während folglich die eine Seite um eine stetige Behauptung der Selbständigkeit besorgt ist, hat sich die andere Seite ein anderes Tätigkeitsfeld gesucht. Fraglich ist nur, ob dies der Idee der organisierten Caritas, besonders auf theologischem Hintergrund, entspricht. 2. Die Caritas im schweizerischen Staatskirchenrecht Caritas Schweiz ist entsprechend der Aussage in den geltenden Statuten Art. 1 Abs. 1 ein gemeinnütziger, privatrechtlicher Verein nach Art. 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB).271 Anders als in Deutsch­ land, wo der DCV einen Verband innerhalb der Freien Wohlfahrtspflege verkörpert, bildet der SCV ein Hilfswerk im Sinne des zivilgesetzlichen Vereinsrechts. Die 26 Kantone der Schweiz genießen aufgrund Art. 3 der Bundesverfas­ sung Souveränität, welche sich auch auf die Regelung der staatskirchen­ rechtlichen Angelegenheiten bezieht. Dadurch ergibt sich für die Schweiz insgesamt ein vielfältiges Bild an staatskirchenrechtlichen Strukturen. Außer in den Kantonen Genf und Neuenburg, wo eine Trennung zwischen Kirche und Staat besteht und die Kirche damit in den privatrechtlichen Bereich verwiesen ist, ist die römisch-katholische Kirche öffentlich-rechtlich aner­ 269  Diese Theorie wird unterstützt durch die Aussage von Bischof Büchel, dass es momentan keine Bestrebungen geben würde, die bestehenden Strukturen inner­ halb der organisierten Caritas zu verändern. Eine Option bestünde nur, wenn z. B. das Sammelergebnis des Fastenopfers sinken würde und zwar unter 10 Mio Franken. Dann könnte überlegt werden, ob dieses Hilfswerk mit dem SCV fusioniert würde. 270  § 1 des Stiftungsstatuts in der Fassung vom 12. Juni 2002 lautet: „Unter dem Namen ‚Fastenopfer, Katholisches Hilfswerk Schweiz‘ besteht im Sinne von Artikel 80 ff. ZGB und der Canones 1303 § 1 1° und 116 des Codex Iuris Canonici eine von der Schweizer Bischofskonferenz am 8. Mai 1964 errichtete kirchliche Stiftung mit Sitz in Luzern.“ Quelle: http: /  / www.fastenopfer.ch / data / media / dokumente / uber_ uns / stiftungsstatut.pdf (Zugriff: 28.12.2010). 271  Im ZGB behandeln die Art. 60–79 die Vereinsthematik.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

kannt.272 Bilden die Pfarreien aus kirchenrechtlicher Perspektive die Unter­ gliederung der Bistümer, so gibt es daneben aus staatskirchenrechtlicher Sicht die Kirchgemeinden273. Besteht die Gliederung demnach aus kanonis­ tischer Sicht aus: Pfarrei – Bistum – Bischofskonferenz, findet sich dazu auf staatskirchenrechtlicher Seite eine Parallelstruktur aus: Kirchgemeinde – kantonalkirchlicher Organisation – Römisch-Katholischer Zentralkonferenz. Vielfach wird daher von einem dualen System gesprochen, das je nach Einschätzung mehr als Miteinander, Nebeneinander, teilweise auch als Ge­ geneinander charakterisiert wird. Eine praktische Verdeutlichung dieses Systems wird im Folgenden am Beispiel des Bistums St. Gallen aufgezeigt.274 1803 wurde der Kanton St. Gallen und zehn Jahre später der Katholische Konfessionsteil im Kanton gegründet.275 Dieser bildet die erwähnte kanto­ nalkirchliche Organisation als Vertretung der römisch-katholischen Christin­ nen und Christen. Er ist untergliedert in 113 Kirchgemeinden. Es handelt sich um eine demokratisch organisierte Institution, indem die wahlberech­ tigten Christinnen und Christen ein katholisches Kollegium im Sinne der Legislative wählen, welches wiederum den Administrationsrat als Exekutiv­ organ wählt. Im Jahr 1823 war das Bistum St. Gallen als Doppelbistum Chur – St. Gal­ len gegründet worden.276 Allerdings erwies es sich nur von kurzem Bestand, da der Vertrag einseitig von St. Gallen 1833 gekündigt wurde. Dies machte eine Reorganisation notwendig, die 1847 in die Gründung des Bistums St. Gallen mündete. Der Vertrag wurde zwischen dem Nuntius und dem Katholischen Konfessionsteil vereinbart.277 Der Administrationsrat vermag Louis Carlen, Art.: Schweiz, II. Kirche und Staat, in: LThK3, Bd. 9, 342 ff., 343. 273  Der Begriff Kirchgemeinde „entspricht als Institut des Staatskirchenrechts in den Kantonen der Schweiz der deutschen Kirchengemeinde“ (Helmuth Pree, Art.: Kirchgemeinde, in: LThK3, Bd. 6, 86). 274  Das Bistum St. Gallen wurde gewählt, weil es im weiteren Gang der parti­ kularrechtlichen Untersuchung in der Schweiz noch eingehender besprochen wird. Es bedarf daher einer Sichtung der staatskirchenrechtlichen Umstände in dieser Diözese. 275  http: /  / www.sg.kath.ch / default.asp?id=0&siteid=1&langid=de (Zugriff: 03.10. 2010). 276  Der Bezirk des Kantons St. Gallen gehörte ursprünglich zum Bistum Kons­ tanz. 1815 erfolgte jedoch die Abtrennung der Schweizer Quart vom Bistum Kons­ tanz und schließlich dessen Suppression 1821. 277  Grundlage der Bistumsgründung bildet die „Übereinkunft über die Reorgani­ sation des Bistums St. Gallen“, die vom Nuntius und den Vertretern des Adminis­ trationsrates am 7. November 1945 unterzeichnet wurde (vgl. Urs Josef Cavelti, Die 272  Vgl.



III. Caritas in der Schweiz253

sowohl Bistumsangelegenheiten selbständig zu regeln als auch von Seiten des Apostolischen Stuhls als anerkannter Vertreter des Staates aufzutreten.278 1911 wurde die Zentralsteuer eingeführt, mit der die Aufgaben des Katho­ lischen Konfessionsteils finanziert werden. 3. Die rechtliche Struktur der Caritas Schweiz Die geltenden Statuten der Caritas Schweiz vom 01.06.2007 enthalten keine Präambel.279 In Art. 1 Abs. 1 wird zunächst festgehalten, dass es sich bei der Caritas Schweiz um einen gemeinnützigen Verein nach Art. 60 ff. des Zivilgesetzbuches (ZGB) handelt. Eine kirchliche Bezugnahme findet sich erst unter der Zweckbestimmung, insofern dem Verein die Aufgabe der „Förderung des sozialen Engagements der römisch-katholischen Kirche“ (Art. 2 Abs. 1 d) zukommt.280 Art. 3 enthält zwei Verweise auf andere Dokumente, zum einen auf das erstellte Leitbild, welches die Vision, den Auftrag und das Selbstverständnis der Caritas Schweiz zum Ausdruck bringt. Zum anderen informiert Abs. 2 darüber, dass das „Verhältnis zwischen Caritas Schweiz und der Schweizer Bischofskonferenz […] in einem Vertrag geregelt“ ist. Eine Durchsicht des Leitbildes: „Ich bin Caritas.“281 lässt innerhalb der Beschreibung zum Auftrag und zum Selbstverständnis der Caritas Schweiz den Bezug zur katholischen Kirche erkennen. Hinsichtlich des Auftrags werden die Ausrichtung am Evangelium und die Orientierung an der kirch­ lichen Sozialverkündigung genannt sowie die erwähnte Formulierung aus der Satzung (Art. 2 Abs. 1 d) wieder aufgenommen. Deutlich konkreter ist die Aussage zum Selbstverständnis: „Wir sind ein eigenständiges katholi­ sches Hilfswerk“ und weiter: „Wir sind tätig im Auftrag der Schweizer Bischofskonferenz“. Es ist bemerkenswert, dass sich diese Deutlichkeit nicht in den Statuten findet. staatsvertragliche Grundlage des Bistums St. Gallen, in: Urs Josef Cavelti / René de Pahud Mortanges [Hrsg.], Kirchenrecht im demokratischen Umfeld. Ausgewählte Aufsätze, Freiburg [Schweiz] 1999 [Freiburger Veröffentlichungen zum Religions­ recht, Bd. 7], 45–109, 45). 278  Vgl. ebd., 58 f. 279  Die Statuten wurden freundlicherweise von der Caritas Schweiz zur Verfü­ gung gestellt. 280  Diese Formulierung überrascht, da vom theologischen Verständnis die ver­ bandliche Caritas als Verkörperung des caritativen Sendungsauftrags der Kirche Ausdruck des sozialen bzw. caritativen Engagements sein sollte. So entsteht der Eindruck, als würde es sich um zwei getrennte Institutionen handeln.  281  http: /  / web.caritas.ch / media_features / fce / CS-Leitbild_D.pdf (Zugriff: 02.10. 2010).

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

Bei der Statutenrevision von 1992 wurde zum ersten Mal ein eigener Vertrag aufgesetzt, der die Rechte und Pflichten zwischen Caritas Schweiz und Schweizerischer Bischofskonferenz regelt. Er sieht vor, dass die Bi­ schöfe das Leitbild sowie die Statuten genehmigen müssen. Die Wahl des Präsidenten bzw. der Präsidentin und des Direktors bzw. der Direktorin der Caritas-Zentrale werden von ihnen bestätigt. Die Bischofskonferenz ist des Weiteren in den Organen des Vorstands und des Präsidiums vertreten und zwar mit beratendem Stimmrecht.282 Die Caritas Schweiz verfügt über keine persönlichen, sondern nur über korporative Mitglieder und ist daher als klassischer Dachverband zu charak­ terisieren. Zu den Mitgliedern gehören die sechs römisch-katholischen Bis­ tümer sowie die beiden Gebietsabteien283 St-Maurice und Einsiedeln. Regi­ onale Caritas-Organisationen, römisch-katholische und andere Organisatio­ nen, die eine caritative Zwecksetzung verfolgen und auch der Personalver­ band der Caritas Schweiz können nach Art. 4 Abs. 2 Mitglied werden. Innerhalb der fünf Organe284 der Caritas Schweiz wählt die Delegierten­ versammlung als oberstes Organ alle übrigen (vgl. Art. 10 Abs. 1) sowie den Präsidenten bzw. die Präsidentin. Die Delegiertenversammlung geneh­ migt darüber hinaus den Vertrag mit der Bischofskonferenz (vgl. Art. 12 Abs. 5). Die römisch-katholische Kirche ist in diesem Organ vertreten, in­ dem sie als Mitglied des Vereins Vertreter bzw. Vertreterinnen in die Dele­ giertenversammlung schickt. Innerhalb des Vorstandes befindet sich je ein Vertreter oder eine Vertreterin der Bistümer und der beiden Abteien.285 Hinzu kommt noch ein Vertreter oder eine Vertreterin der Schweizer Bi­ schofskonferenz mit beratendem Stimmrecht (vgl. Art. 14 Abs. 5). Das sie­ benköpfige Präsidium, zu dessen Aufgaben die Repräsentanz des Vereins in der Öffentlichkeit gehört, sieht eine Person in Vertretung der Schweizer Bistümer und der Territorialabteien vor. Zusätzlich hat auch hier die Vertre­ tung der Bischofskonferenz beratendes Stimmrecht (vgl. Art. 16 Abs. 4). Über die Präsidiumsteilnahme sind die Bistümer an der Ernennung des Direktors bzw. der Direktorin beteiligt, die auf Antrag des Präsidiums durch den Vorstand (vgl. Art. 15 Abs. 5) erfolgt. 282  Vgl. zu dem Vertragsinhalt: Krummenacher, Nachwort: Die Zeichen der Zeit ständig neu erkennen, 213 f. Der Vertrag gibt damit, abgesehen von dem Recht zur Genehmigung der Statuten und des Leitbildes, nicht weitreichend mehr Informatio­ nen als es die Statuten bereits tun. Der Vertrag selbst wurde nicht zur Einsicht freigegeben. 283  Vgl. cc. 368, 370 CIC. 284  Art. 8 Abs. 1: Delegiertenversammlung, Vorstand, Präsidium, Geschäftsprü­ fungskommission, Revisionsstelle. 285  Der Vorstand ist auf 30 Personen beschränkt (Art. 14 Abs. 5), davon werden acht von der Kirche bestellt.



III. Caritas in der Schweiz255

Eine weitere Erwähnung der kirchlichen Verbindung ist schließlich im Rahmen der Finanzen gegeben, da Kirchenkollekten zu den Einnahmequel­ len der Caritas Schweiz gehören (Art. 23 Abs. 2). Eine Vereinsauflösung kann nur im Rahmen einer außerordentlichen De­ legiertenversammlung erfolgen, „wenn zwei Drittel aller Mitglieder, darun­ ter alle Bistümer, die Abtei St-Maurice und das Kloster Einsiedeln, der Auflösung zustimmen“ (vgl. Art. 25). In dem Fall würde das Vermögen caritativ gebunden der Schweizer Bischofskonferenz zufallen (vgl. Art. 26). Im Rahmen einer vergleichenden Bewertung zum DCV fällt auf, dass eine theologische Bezugnahme innerhalb der Satzung des SCV nicht gege­ ben ist. Dies ist primär dem Umstand der fehlenden Präambel geschuldet. Aber auch darüber hinaus ist der Sprachstil bei der Caritas Schweiz deutlich nüchterner und knapper gehalten. Eine pointierte Aussage zum Verhältnis zwischen Caritas Schweiz und der Schweizerischen Bischofskonferenz wäre im Vergleich zu der Darstellung im Leitbild sinnvoll gewesen und hätte immer noch mit dem Hinweis auf den umfassenderen Vertrag ergänzt wer­ den können. Darüber hinaus könnte dieser im Anhang beigefügt wer­ den. Wenn die Caritas Schweiz im kirchlichen Auftrag tätig ist, muss dies in der Satzung erwähnt werden, da es zumindest kanonistische Konsequen­ zen nach sich zieht. Anhand der jetzigen Fassung kann ein kirchenrechtli­ cher Status der Caritas Schweiz nicht ausgemacht werden. Ansonsten geht aus den bisherigen Statuten durchaus die besondere Rol­ le der katholischen Kirche für die Caritas Schweiz hervor, dies lässt sich implizit an den Personen ablesen, die als Vertretung in verschiedenen Orga­ nen mit bzw. ohne Stimmrecht teilnehmen sowie an den übrigen oben er­ wähnten Äußerungen. 4. Caritas auf Bistumsebene am Beispiel der Diözese St. Gallen a) Geschichtliche Entwicklung Es gibt in der Schweiz keine Diözesancaritasverbände. Die erwähnte Existenz dieser Form der organisierten Caritas in den Bistümern LausanneGenf-Freiburg und St. Gallen ist historisch nicht aufgearbeitet und es exis­ tieren nur spärliche Hinweise wie die von Stefan Oetterli angeführte Proto­ kollnotiz: „In St. Gallen solle zudem der im Werden begriffene Diözesancaritasverband klar unter die kirchliche Autorität der Diözese gestellt werden, was konkret heisse, dass der Sekretär und Präsident künftig vom Bischof selbst ernannt werde.“286 286  Protokoll

LA Caritas, 17. Februar 1925. Vgl. Oetterli, Tuet Gutes allen, 158.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

Diese Bestimmung erinnert zwar an die Verbandsform in den Erzdiözesen Köln sowie München und Freising, aber die Entwicklung in der Schweiz nahm einen anderen Weg, indem sich ein sogenanntes Caritas Netz ausge­ bildet hat. Die erste regionale Caritas-Stelle wurde 1926 in Zürich errichtet; acht weitere folgten bis zur Mitte der 1950er Jahre. Eine Vielzahl der Stel­ len ist im Zuge der Impulse durch das Zweite Vatikanische Konzil bzw. durch die Synode 72 entstanden, also im Zeitraum der Reorganisation der Schweizer Caritas. Im Jahr 2010 umfasst das Caritas Netz 15 regionale Caritas-Stellen. Die Zahl lässt bereits erkennen, dass das Gebiet der jewei­ ligen Stellen nicht mit der Fläche der sechs Bistümer identisch ist. St. Gal­ len bildet darin insofern eine Ausnahme287, dies hängt primär mit dem Umstand zusammen, dass es sich hier um ein Kantonalbistum handelt. In rechtlicher Hinsicht handelt es sich bei den Regionalstellen in der Mehrzahl um Vereine, die rechtlich und führungsmäßig von der Caritas Schweiz autonom sind. Die einzelne Struktur ist stark heterogen ausge­ prägt.288 b) Rechtliche Struktur Im Bistum St. Gallen gehört die organisierte Caritas unter dem Titel Fachstelle für Diakonie zu den vier Fachstellen, die sozusagen pastorale Schwerpunktfelder bzw. „Kompetenzzentren“289 darstellen.290 Die Fachstel­ le ist aus der Synode 72 hervorgegangen. Vorher wurde Caritas über einzel­ ne Vereine organisiert.291 Sie befindet sich in Trägerschaft des Katholischen Konfessionsteils und des Bischofs. Diese beiden Parteien, erste vertreten durch den Administrationsrat, haben eine „Vereinbarung über die Führung der Caritas als Fachstelle für Diakonie des Bistums St. Gallen“ geschlossen, die am 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist.292 287  Ebenso

im Tessin und im Wallis. Schmidbauer, Wir müssen uns darin üben, 80. 289  Vgl. http: /  / www.caritas-stgallen.ch / p108001379.html (Zugriff: 28.12.2010). 290  Daneben gibt es noch die Fachstellen Partnerschaft-Ehe-Familie, kirchliche Jugendarbeit und die Fachstelle für Katechese und Religionsunterricht. 291  Dazu gehörten Vinzenzverein, Volksverein, KAB mit eigenem Hilfswerk „Die Brücke“. Nach Auskunft von Bischof Büchel war die christlich soziale Bewegung in den 1920 / 1930er Jahren in St. Gallen besonders stark ausgeprägt. Die caritativen Unternehmungen seien aus dem katholischen Milieu entstanden. Allerdings habe dann der Rückgang desselbigen zur Institutionenbildung geführt, um den status quo halten zu können. Die Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils hätten diesen Prozess ergänzt. 292  Das Dokument wurde freundlicherweise von der Caritas St. Gallen zur Verfü­ gung gestellt. 288  Vgl.



III. Caritas in der Schweiz257

Die Vereinbarung enthält drei grundlegende Aussagen. So definiert Art. 1 zunächst den Zweck der Caritas St. Gallen. Sie „gewährleistet, unterstützt und fördert […] die diakonische Tätigkeit im Bistum St. Gallen und in der Administratur Appenzell293“. Die Aufgaben der Fachstelle werden in einer eige­nen Leistungsvereinbarung zwischen Bischof, Katholischem Konfessi­ onsteil und der Caritaskommis­sion vereinbart (vgl. Art. 2). Schließlich un­ terstehen drittens sowohl die Caritaskommission als auch die Caritasstelle der Aufsicht von Bischof und Administrationsrat (vgl. Art. 13). Die Caritaskommission bildet neben der Kontrollstelle eines der zwei Organe der Caritas St. Gallen. Hinzu kommt ein Stellenleiter bzw. eine Stellenleiterin für die laufende Geschäftsführung (vgl. Art. 3). Das erstge­ nannte Gremium besteht aus fünf bis sieben Mitgliedern; Bistum und Ad­ ministrationsrat entsenden je eine Person. Die übrigen, inklusive dem Prä­ sidenten bzw. der Präsidentin, der bzw. die die Fachstelle zusammen mit der stellenleitenden Person nach außen hin vertritt (vgl. Art. 7), werden von den beiden Institutionen einvernehmlich gewählt (vgl. Art. 5). Die Wahl des Stellenleiters bzw. der Stellenleiterin obliegt ebenfalls dem Bischof und dem Administrationsrat (vgl. Art. 8). Hinsichtlich der Finanzlage wurde bereits auf die 1911 eingeführte Zent­ ralsteuer hingewiesen. Diese Steuer umfasst nach geltendem Stand 4% zur sog. einfachen Steuer294 und wird vom Katholischen Konfessionsteil dem Bistum zugewiesen. Das Bistum selbst besitzt keine Finanzabteilung. Die Caritas St. Gallen erhält Beiträge aufgrund von Leistungsvereinbarungen mit dem Katholischen Konfessionsteil, dem Bischof sowie weiteren Part­ nern. Darüber hinaus finanziert sie sich durch Aktionen, Sammlungen, zweckbestimmte Spenden und Legate sowie dem Erlös aus dem Verkauf von Produkten und Dienstleistungen (Art. 12). In der Zusammenschau der Vereinbarung ergibt sich folglich das Bild einer Organisation, die den staatskirchenrechtlichen Verhältnissen Rechnung 293  Zur Administratur Appenzell gehören die beiden schweizerischen Kantone Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden. Das Gebiet ist rechtlich als Apostolische Administration gemäß c. 371 § 2 CIC gefasst. Dabei handelt es sich um eine provisorische Verwaltung der vom Bistum Konstanz nach dessen Auflösung (1817) abgetrennten Teile. Zu einer Neueinteilung der schweizerischen Bistümer ist es aber bis heute nicht gekommen. So wurde das Gebiet der beiden Kantone Appen­ zell erst vom Bischof von Chur bzw. vor­ übergehend vom Doppelbistum ChurSt. Gallen geleitet. Seit dem 5. Januar 1866 untersteht es der Verwaltung des Bi­ schofs von St. Gallen.  294  Die einfache Steuer berechnet sich aufgrund des steuerbaren Einkommens und des steuerbaren Vermögens. Vom Nettoeinkommen und dem Vermögen können ver­ schiedene Abzüge gemacht werden, was den steuerbaren Betrag ergibt. Die einfache Steuer ist dann ein festgelegter Teil davon. Sie ist damit zu vergleichen mit der Lohnsteuer in Deutschland.

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D. Caritas und Kirchenrecht in partikularrechtlicher Perspektive

trägt. Bischof und Katholischer Konfessionsteil, vertreten durch den Admi­ nistrationsrat, kommen die gleichen Rechte und Pflichten zu, wenngleich zu berücksichtigen ist, dass es der Konfessionsteil ist, der über die Finanzen verfügt.295 Die gleichberechtigte Beteiligung des Konfessionsteils mag zu­ nächst darüber hinwegtäuschen, dass diese Struktur eine große Nähe zwi­ schen der Caritasorganisation und dem Bischof ermöglicht. Es bedarf zwar einer Abstimmung mit dem Konfessionsteil, d. h. der Bischof kann nicht eigenmächtig Entscheidungen treffen, aber dies muss nicht grundsätzlich negativ konnotiert sein. Vielmehr ergibt sich in diesem System die Gelegen­ heit, die Verantwortung des Bischofs auf der einen Seite und die Verantwor­ tung der Laien für die Caritas auf der anderen Seite in Verbindung bzw. sie sogar in einen kreativen Austausch miteinander zu bringen und sie nicht als konkurrierende Pole gegenüberzustellen, wie es in der allgemeinen Diskus­ sion oft geschieht. Beide Seiten müssen durch gegenseitige Abstimmung ihrer Verantwortung gerecht werden. Im Vollzug kann dies natürlich in un­ terschiedlicher Weise umgesetzt werden und hängt stark von dem persönli­ chen Interesse und Engagement des jeweiligen Ortsordinarius ab, da er sich der Meinung des Konfessionsteils auch schlicht anschließen kann.

295  Dazu korrespondiert die Bemerkung von Bischof Büchel, dass er seinen Ein­ fluss innerhalb der Caritas St. Gallen für ausreichend erachte, besonders aufgrund der Tatsache, dass er über kein Geld verfüge.

E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung Sowohl in der Untersuchung der universalrechtlichen Gesetzeslage als auch in der Analyse der drei ausgewählten partikularrechtlichen Beispielfel­ der, haben sich zwei Themenbereiche als stets wiederkehrend erwiesen. Zum einen die Frage nach der Rechtsform der organisierten Caritas: ist sie Teil der kirchlichen Verfassungsstruktur und angesiedelt innerhalb des Vereini­ gungsrechts? Begleitend kam zum anderen die Frage nach der Verantwort­ lichkeit der kirchlichen Autorität hinzu. Steht die organisierte Caritas über­ haupt im Horizont oberhirtlicher Zuständigkeit? Gibt es ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Verantwortung aller Christgläubigen für den carita­ tiven Sendungsauftrag der Kirche Christi und der speziell bischöflichen Verantwortung? Beide Fragekreise besitzen gleichsam einer Ellipse eine gemeinsame Schnittmenge, insofern die gewählte Rechtsform immer eine spezifische Form der amtskirchlichen Beteiligung nach sich zieht vice versa eine Ent­ scheidung für eine bestimmte Form hierarchischer Mitwirkung eine entspre­ chende Rechtsform bedingt. In den folgenden Ausführungen können diese beiden Brennpunkte also nicht strikt getrennt besprochen werden, vielmehr werden unter beiderseitiger Berücksichtigung die herausgearbeiteten Aspek­ te zusammengeführt, gewichtet und daraufhin befragt, welche Konsequen­ zen daraus abgeleitet werden können.

I. Die Rechtsform der organisierten Caritas Die Frage nach der Rechtsstellung – insbesondere der kirchenrechtlichen – der organisierten Caritas erweist sich als eine regelmäßig wiederkehrende. Sie bezieht sich primär auf die Situation in Deutschland hinsichtlich des Deutschen Caritasverbandes sowie der Diözesancaritasverbände1 und ist zumeist angesiedelt im oben genannten Spannungsbogen zwischen Professi­ onalisierung und katholischem Profil der Verbände oder auch zwischen bi­ schöflicher und laikaler Verantwortung. Virulent wurde sie insbesondere im 1  Dabei wird sie aber stets nur beiläufig angeschnitten. Eine ausführliche und Behandlung ist selten. In ausdrücklicher Weise ist dies geschehen in der mehrfach erwähnten Untersuchung von Alfred E. Hierold, Grundlegung und Organisation kirchlicher Caritas von 1979.

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E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

Anschluss an die Kodifizierung von 19172, die Thematisierung der Caritas auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil, die im Rahmen der Würzburger Synode noch einmal erfolgte sowie in der Folge der Promulgation des kirchlichen Gesetzbuches von 1983. Während es auf dem Zweiten Vatika­ nischen Konzil, der Würzburger Synode und auch der Schweizer Synode 1972 stärker um die theologische Gewichtung und den theologischen Stel­ lenwert der Caritas ging, wurde im Zusammenhang der Kodifizierungen ein Abgleich zwischen bestehender Struktur und Norm vorgenommen, um die Rechtmäßigkeit der gegebenen Struktur zu überprüfen. Dass sich die Frage nach dem Rechtsstatus der organisierten Caritas nicht in gleicher Weise für Österreich und die Schweiz stellt, lässt sich anhand der Befunderhebung in den beiden Ländern erklären. Die jeweiligen Situa­ tionen stehen – zumindest auf den ersten Blick – eher in einem konträren Verhältnis zueinander, insofern Caritas in ihrer organisierten Form in Öster­ reich möglichst eng an die kirchliche Autorität angelehnt ist, während in der Schweiz das Verhältnis in der expliziten Betonung der Selbständigkeit der Caritas als eher distanziert eingestuft werden muss. Deutschland bildet in diesem Szenario sozusagen ein Mittelmaß, da insbesondere der Deutsche Caritasverband als Bindeglied zwischen Staat und Kirche – allerdings mit eindeutig katholischer Prägung – wahrgenommen wird. Somit lässt sich erklären, warum sich die Diskussion vielfach auf die deutsche Lage bezieht und auch im Folgenden breiter entfaltet wird. 1. Die Rechtsform der organisierten Caritas in Deutschland Bevor die aktuelle Situation noch einmal zusammengefasst und miteinan­ der verglichen wird, muss zunächst noch einmal an die Anfänge der orga­ nisierten Caritasgeschichte in Deutschland angeknüpft werden.  a) Die erste Diskussion zur Rechtsform Auf den ersten Blick mutet es seltsam an, dass der Charitasverband für das katholische Deutschland 1897 nicht als öffentlicher kirchlicher Verein errichtet wurde, schließlich sah auch Werthmann den Verband eindeutig im Sendungsauftrag der Kirche verwurzelt und damit eine Heilsaufgabe aus­ übend. Der Verband wurde 1903 lediglich in das Vereinsregister des Amts­ gerichts Freiburg einge­tragen. Aus der Berücksichtigung der zeitgeschicht­ lichen kanonistischen Umstände ergibt sich jedoch, dass 1897 kein kodifi­ 2  Vgl.

Klein, Die Verfassung, 45.



I. Die Rechtsform der organisierten Caritas261

ziertes Vereinigungsrecht existierte, in das dieser Verband hätte eingegliedert werden können. Gleichzeitig war es aber notwendig einen gewissen Rechts­ status zu erlangen, um am allgemeinen Rechtsverkehr teilnehmen zu kön­ nen, sodass die Errichtung als Verein im zivilen Recht eine naheliegende Konsequenz war.3 Für die im unmittelbaren bzw. weiter entfernten Umfeld der Gründung des DCV entstandenen Diözesancaritasverbände traf eine ähnliche Situation zu. So fiel ihre Errichtung teilweise in die vorkodikarische Zeit, teil­weise aber auch in die Zeit als der CIC / 1917 bereits in Kraft getreten war. Die Kodifizierung implizierte, dass die faktisch geschaffenen Strukturen mit den verfassten Normen verglichen wurden. In der Bewertung kam es zu unter­ schiedlichen Ergebnissen, wodurch sich Mitte der 1920er Jahre eine öffent­ lich geführte Diskussion um die Rechtsstellung der Caritasverbände ergab. Die Kontroverse wurde eröffnet durch drei in der Kölnischen Volkszeitung in Folge ver­öffentlichte Aufsätze, die von dem damaligen ersten Vorsitzen­ den des Mainzer Diözesancari­ tasverbandes und Pfarrer Karl Neundörfer4 5 (1886–1926) verfasst wurden. Wilhelm Wiesen, damals Generalsekretär beim Deutschen Caritasverband reagierte mit zweifacher Erwide­rung.6 Er­ gänzend schaltete sich etwas später Joseph Löhr7 (1878–1956) in den wissenschaftli­ chen Austausch ein. Er veröffentlichte 1922 einen Aufsatz 3  Auch Hierold beschreibt es in der Weise, dass zwar die Vielzahl an neuen im 19. Jahrhundert entstandenen Ordensgemeinschaften kirchenrechtlich geordnet wur­ den, demgegenüber blieben aber „die übrigen Vereinigungen teilweise ohne jede rechtliche Organisation oder sie organisierten sich nach dem zivilen Recht […] das kanonische Recht spielte für die gemeinschaftliche Strukturierung kaum eine oder gar keine Rolle“ (Hierold, Der Deutsche Caritasverband, 940). 4  Karl Neundörfer hatte im Vorfeld seines Theologiestudiums Jura studiert und wurde 1910 in Mainz zum Priester geweiht. Er war zunächst von 1922 bis 1924 Direktor des Mainzer Diözesancaritasverbandes, bevor er 1924 zu dessen erstem Vorsitzenden berufen wurde. Vgl. zu Neundörfer: Reinhild Ahlers, Kirchenrecht im Gegensatz. Karl Neundörfers Beitrag zu einer Begründung des Kirchenrechts, in: IKZ 19 (1990) 175–183; dies., Neundörfer, in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999) 175 f.; Alexander Hollerbach, Der Mainzer Priester Dr. iur. Karl Neundörfer (1885– 1926). Aspekte seines Lebens und Wirkens, in: Albert Raffelt (Hrsg.), Weg und Weite. Festschrift für Karl Lehmann, Freiburg i. Br. 2001, 313–326. 5  Karl Neundörfer, Amt und Verein in der Geschichte der Caritas, in: Kölnische Volkszeitung 65 (1924) Nr. 810, 2; ders., Die jüngste innerkirchliche Entwicklung und Organisation der Caritas, in: ebd. 65 (1924) Nr. 835, 1; ders., Der Deutsche Caritasverband und seine Stellung zur Caritasorganisation der Diözesen, in: ebd. 65 (1924) Nr. 869, 2. 6  Wilhelm Wiesen, Lebensfragen der Caritasbewegung und Caritasorganisation, in: Kölnische Volkszeitung und Handelsblatt, 66. Jg., 25.01.1925, Nr. 64, 1. Ders., Die Caritasorganisation in der Gegenwart, in: Caritas 30 (1925) 73–82. 7  Joseph Löhr war von 1926–1956 Ordinarius für Kirchenrecht in Tübingen.

262

E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

über Geist und Wesen der Caritas8 und untersuchte vier Jahre später in ei­ ner weiteren Publikation das Verhältnis von Kirchenrecht und Caritas9. Karl Neundörfer stellt seinem Überblick zur geschichtlichen Entwicklung der Caritas folgenden Satz voran: „Solang es ein Christentum gibt, ist die Uebung der Wohltätigkeit nicht nur Pri­ vat-, sondern auch Gemeindesache gewesen.“10

Von dieser Behauptung ausgehend, zieht er sodann einen kirchenge­ schichtlichen Bogen von der Zeit Jesu bis hin zum Deutschen Caritasver­ band, wobei er die Bedeutung und den Stellenwert des bischöflichen Amtes sowie seine Verantwortung für die Caritas unterstreicht. Ergänzend kommt das Amt des Diakons hinzu, welches, so Neundörfer, in den Quellen „im­ mer als Organ des Bischofs“ erscheint. Erst das 8. Jahrhundert erweise sich, so Neundörfer, als Zeitraum einer „wesentlichen Umformung der öffentlichen Armenfürsorge“, insofern die „amtliche Armenfürsorge auf weltliche Stellen“ übergegangen sei. Kirchli­ che Wohltätigkeit habe sich danach in Genossenschaften und im Vereinswe­ sen geäußert. Wenngleich die geschichtliche Form der Caritasübung sich demnach in zwei prägenden Formen widerspiegele, so sei doch hervorzuheben, dass die „Verbindung von Caritasübung und kirchlicher Verwaltung sich dem Wesen nach gleich blieb“11. Diese Verknüpfung ist es sodann, die zum Dreh- und Angelpunkt in der Neundörferschen Konzeption wird, und zwar speziell unter seiner Beobachtung, dass er „eine rückläufige Bewegung von der Vereins- zur Amtsform der Caritasübung“12 diagnostiziert. Diese Tendenz, die er zwar nicht näher beschreibt, aber die er im inhaltlichen Zusammen­ hang mit der „immer allgemeiner werdenden Trennung von Kirche und Staat“13 sieht, steht zum einen auf dem angesprochenen historischen Hinter­ grund, und bildet zum anderen für Neundörfer den Zielpunkt für die orga­ nisierte Caritas. Gleichzeitig entzündet sich an ihr auch die Kritik von Wilhelm Wiesen, weil er darin ein Zurückdrängen, wenn nicht gar ein Hemmen des Laienen­ gagements in der Caritas impliziert sieht. Interessant ist, dass er dies bereits aus der reinen Erwähnung bzw. dem Eintreten Neundörfers für eine stärkere 8  Joseph 9  Ders.,

Löhr, Geist und Wesen der Caritas, in: Caritas Beihefte 1922. Kirchenrecht und Caritas, in: Caritas 31 (1926) 97–104, 134–139,

168–174. 10  Neundörfer, Amt und Verein, 2. 11  Ebd. 12  Ebd. 13  Neundörfer, Die jüngste innerkirchliche Entwicklung, 1.



I. Die Rechtsform der organisierten Caritas263

Einbindung des bischöflichen Amtes abzuleiten scheint, da jener sich nicht ausdrücklich in dieser Weise gegenüber den Laien äußert14, sondern zunächst nur die Perspektive der kirchlichen Autorität hinein­bringt. Wiesen ist aller­ dings zuzugestehen, dass Neundörfer missverstanden werden kann, indem er die genannte Polarisierung in vereinsmäßig und amtsmäßig geübte Caritas einführt. Diese Begrifflichkeit vermittelt ein Gegeneinander von laienverant­ worteter Caritas einerseits und klerikerverantworteter Caritas andererseits. Daher ist es nachvollziehbar, dass Wiesen die folgende Frage formuliert: „Ist es übrigens denn ein solches Ideal, die Caritas zu ‚veramtlichen‘? Nach un­ serem Dafürhalten muß gerade das Amtliche auf das unbedingt Notwendige be­ schränkt werden.“15

Damit ist aber weder die Intention noch die Aussage Neundörfers in ih­ rem Kern getroffen. Eine Verständigungsbasis für beide werden die von Wiesen eingebrachten Kriterien, inwiefern die Vorschläge der Caritasarbeit von Nutzen sind und sie zweitens dem Wohl der Kirche dienen.16 Einen zentralen Diskussionsgegenstand bildet unter diesem Fokus die Frage nach dem Amt des Diözesancaritasdirektors17 und dessen Stellung zum Ortsordi­ narius. Der Caritasdirektor ist auf der einen Seite geschäftsführender Leiter eines Vereins, und auf der anderen Seite „Organ des Bischofs“, wie Neun­ dörfer es ausdrückt. Dieser schlägt vor, das Amt nach den Kriterien des CIC / 1917 festzulegen18 und zieht dafür argumentativ verschiedene Normen heran. Den Ausgangspunkt verortet er im Leitungsamt des Bischofs über seine Diözese nach c. 334 § 1 CIC / 191719. Die Leitung umfasse gemäß cc. 1489 und 1491 CIC / 1917 auch alle caritativen Werke, welche wiederum unter die kirchliche Vermögensverwaltung fallen (c. 1489 § 3 CIC / 1917). 14  Dies erfolgt erst in einer Erwiderung Neundörfers in einem späteren Aufsatz ausgelöst durch die Kritik Wiesens. (Vgl. Karl Neundörfer, Die Stellung des Laien in der katholischen Caritasarbeit, in: Kölnische Volkszeitung und Handelsblatt 66. Jg., 28.02.1925, Nr. 156, S. 2.) 15  Wiesen, Die Caritasorganisation der Gegenwart, 76. 16  Zu berücksichtigen ist diesbezüglich Neundörfers Anmerkung, dass ein Kon­ sens gefunden werden muss zur Frage, was unter „Wohl der Kirche“ verstanden wird (vgl. Karl Neundörfer, Caritas und Kirche, in: Caritas 30 (1925) 240 f., 240. 17  Dass dieses Amt mehrfach Anlass zu Nachfragen hinsichtlich seiner näheren Bestimmung gegeben hat, wird z. B. an der Nachfrage von Erzbischof Frings beim DCV deutlich [vgl. D. I. 4. a)]. 18  Neben dieser Argumentation anhand der Kodifizierung formuliert Neundörfer noch die pauschale Behauptung, dass das Amtsmäßige innerhalb dieses Amtes das Vereinsmäßige zu seiner Zeit immer mehr zurückdränge. Indem dies so wäre, wür­ den die altkirchlichen Formen in caritativer, disziplinärer und vermögensrechtlicher Hinsicht wieder neue Belebung erfahren. Aufgrund mangelnder Belegung bzw. Be­ gründung wird an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen. 19  Irrtümlicherweise gibt Neundörfer c. 325 CIC / 1917 als Belegcanon an.

264

E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

Für letztere bestimme aber der Bischof einen Verwalter (c. 1521 ff. CIC / 1917), der ihm Rechenschaft ablegen müsse (c. 1525 CIC / 1917). In dieser Argumentationslogik ist die Stelle des Diözesancaritasdirektors die eines Verwalters von Kirchengut. Neundörfer nimmt allerdings noch einen zweiten Aspekt hinzu: „Insofern er außer dieser Verwaltungsarbeit auch anregend auf den Geist der Nächstenliebe in der Diözese tätig ist, gründet sich seine Stellung auf c. 1327 § 2, wonach der Bischof sich bei Ausübung des Predigtamtes außer den Pfarrern auch andere geeignete Männer erwählen kann.“20

In der Erweiterung über den reinen Verwaltungsdienst hinaus, sieht Neun­ dörfer die Grundlage für folgende Conclusio: „Der Diözesan-Caritasdirektor ist somit nach jeder Richtung seiner Tätigkeit kein gewählter Verbandsangestellter, sondern ein vom Bischof berufener Inhaber eines kirchlichen Amtes.“21

Wiesen wehrt sich in seiner Replik gegen die ausdrückliche Verankerung des Diözesancaritasdirektors im bischöflichen Amt. Dabei bezieht sich sein Hauptargument auf die Diskussion um den Begriff des kirchlichen Amtes.22 20  Neundörfer, Die jüngste Der c. 1327 § 2 CIC  / 1917

innerkirchliche Entwicklung, 1. gehörte zu den beiden einleitenden Normen des 20. Titels des dritten Buchs De divini verbi praedicatione. In ihnen wurde festgehalten, dass die Verkündigung in erster Linie mit Blick auf die Universalkirche dem Papst und in Bezug auf die Diözese den Bischöfen zukommt (c. 1327 § 1). § 2 lautete: „Episcopi tenentur officio praedicandi per se ipsi Evangelium, nisi legitimo prohibeantur impedimento; et insuper, praeter parochos, debent alios quoque viros idoneos in auxilium assumere ad huiusmodi praedicationis munus salubriter exsequendum.“ Demnach konnten sich die Bischöfe in ihrem Amt helfend durch Pfarrer sowie von anderen geeigneten Männern unterstützen lassen. Innerhalb der Codexreform wurde die Aussage des Canons mehrfach geweitet, indem zum einen die Aussage des § 1 um das Bischofskollegium (vgl. c. 756 § 1 CIC) und die Bischofskonferenzen (vgl. c. 756 § 2 CIC) ergänzt wurde, und zum anderen wurde die Bezeichnung viros idoneos (§ 2) inhaltlich konkreter gefasst, indem sie Religio­ se (vgl. c. 758 CIC) als auch grundsätzlich Laien beiderlei Geschlechts (vgl. c. 759 CIC) umfasst (vgl. dazu auch Christoph Ohly, Der Dienst am Wort Gottes. Eine rechtssystematische Studie zur Gestalt von Predigt und Katechese im kanonischen Recht, St. Ottilien 2008 [Münchener theologische Studien III, Kanonistische Abtei­ lung, Bd. 63], 157–160). Im CIC / 1917 waren Frauen vom Verkündigungsdienst aus­ geschlossen (vgl. Heinrich Mussinghoff, Einführung vor c. 756, Rdnr. 3, in: MK CIC [Stand: 5. Erg.-Lfg., März 1987]). 21  Neundörfer, Die jüngste innerkirchliche Entwicklung, 1. 22  In einer Nebenargumentation gibt er an, dass Neundörfers Interpretation der benannten Canones „zu gezwungen“ erscheine (vgl. Wiesen, Die Caritasorganisation der Gegenwart, 75). Er übt Kritik an der Auslegung von c. 1489 CIC / 1917, der „lediglich von einem Recht des Bischofs, caritative Einrichtungen zu schaffen“ spre­ che und keine Leitung des Bischofs über diese Wohlfahrtsanstalten impliziere. Die­ se Sicht von Wiesen geht aber an der Sinnspitze der cc. 1489 und 1491 CIC / 1917



I. Die Rechtsform der organisierten Caritas265

Er lehnt die Leitung des Diözesanverbandes durch ein kirchliches Amt ab, weil der Inhaber eines solchen kirchlichen Amtes im engeren Sinn „nur ein Geistlicher“23 sein könne. Neundörfer fordert aber nicht die Anwendung des Amtsbegriffes im engeren Sinne. Gleichwohl kann der Terminus im weiter gefassten Verständnis durchaus auf den Caritasdirektor angewendet werden, da seine Aufgaben zumindest „mittelbar geistlichen Zwecken dienen“24. In dieser Perspektive konnte ein kirchliches Amt bereits unter der ersten Kodi­ fizierung von Laien ausgeübt werden.25 vorbei, da der erstgenannte zum Ausdruck bringt, dass die reine Stiftung einer Ein­ richtung nicht ausreicht, um eine kirchliche Anstalt zu konstruieren, vielmehr bedarf es dafür der Errichtung bzw. Anerkennung seitens des Ortsordinarius. C. 1491 CIC / 1917 normiert die allgemeine Vigilanz des Diözesanbischofs über die kirchli­ chen Einrichtungen, die das Recht und die Pflicht zur Visitation impliziert (§ 1) (vgl. Mörsdorf, Kirchenrecht II, 451 f.). Des Weiteren meint er anhand der cc. 335 § 1 und 344 CIC / 1917 die Gründung von Werken der Barmherzigkeit zu den Amtsauf­ gaben des Bischofs zählen zu können. Die erste Norm beinhaltet aber, dass sich das Visitationsrecht und die -pflicht auch auf exempte Personen bezieht, wenn sie nicht dem apostolischen Stuhl unterstellt sind. C. 335 § 1 CIC / 1917 hält fest, dass sich die Oberhirtengewalt in den Funktionen der Gesetzgebung, Rechtssprechung und Verwaltung wiederfindet. Neben diesem fehlerhaften Beleg ist die Argumentation, dass die Pflichten des Bischofs und Pfarrers (c. 467 CIC / 1917) in Bezug auf die Caritas zwingend nur im Zusammenhang mit c. 685 CIC / 1917 gelesen werden dür­ fen, nicht nachzuvollziehen. Denn die Sorge der kirchlichen Amtsträger um die Caritas, muss sich nicht notwendig in der Gründung kirchlicher Vereine zum Zweck der Caritas widerspiegeln, sondern könnte auch andere Formen finden, um speziell auch die Laien an diesem Sendungsauftrag zu beteiligen.  23  Wiesen, Die Caritasorganisation der Gegenwart, 74 f. Innerhalb des CIC / 1917 wurde unterschieden zwischen einem kirchlichen Amt im engeren und weiteren Sinne (vgl. c. 145 CIC / 1917), jenes umfasste einen „Aufga­ benkreis, der in der Rechtsordnung dauerhaft eingerichtet war und eine Teilhabe an der Kirchengewalt mit sich brachte“, dazu gehörte dementsprechend das Papstamt und das Bischofskollegium. Kirchenamt im weiteren Sinne war ein Dienst, der „rechtmäßig zu einem geistlichen Zweck ausgeübt wurde“ (Hubert Socha, Einfüh­ rung vor c. 145, Rdnr. 3, in: MK CIC [Stand: 8. Erg.-Lfg. August 1988]). Diese Differenzierung ist im geltenden Gesetzbuch weggefallen, indem in c. 145 CIC bei­ de Momente – Dauerhaftigkeit und geistliche Zielsetzung – konstitutiv miteinander verbunden worden sind. 24  Mörsdorf, Kirchenrecht II, 260. Es sei an dieser Stelle bereits darauf hinge­ wiesen, dass das Amt des Diözesancaritasdirektors innerhalb des verfassungsrechtli­ chen Status eines privaten Vereins kein kirchliches Amt darstellt, weil der private Verein nicht in nomine Ecclesiae agieren kann (vgl. Hubert Socha, zu c. 145, Rdnr. 7, in: MK CIC [Stand: 8. Erg.-Lfg., August 1988]). Socha begründet seine Einschätzung mit dem Hinweis, dass die Dienste auch nicht durch die kirchliche Autorität übertragen würden (vgl. ebd.). Dieser Umstand stimmt jedoch nicht mit den Regelungen in vielen Diözesancaritasverbänden in Deutschland überein, da dort vielfach der Diözesancaritasdirektor vom Ortsordinarius ernannt wird. Dieser Um­ stand entspricht also nicht dem Status eines privaten Vereins. 25  Vgl. Mörsdorf, Kirchenrecht II, 260.

266

E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

Wiesen befürchtet, dass ein Caritasdirektor, der lediglich ein „Organ des Bischofs“ bildet, dazu führen wird, dass „grundsätzlich der Vereinscharakter der Caritasorganisation“ schwindet.26 Dabei ist es nicht so, dass er den Ein­ fluss der kirchlichen Autorität grundsätzlich innerhalb der Caritas ablehnt. Dieser sei sogar „in der Natur der Sache begründet“ und zudem „notwendig und für die Förderung der Arbeit überaus nützlich“, aber er möchte ihn sehen „zugleich mit der Erhaltung wertvoller verantwortlicher Mitarbeit der Gläu­ bigen in der Form des organisatorischen Zusammenschlusses“. Wie Neundör­ fer stützt Wiesen diese Position für eine Stärkung des Laienengagements mit den entsprechenden Normen aus dem Vereinigungsrecht des CIC / 1917.27 Ge­ rade aus diesen Bestimmungen geht aber auch der bischöfliche Einfluss klar hervor, besonders da es keinen kirchlichen Verein ohne eine ausdrückliche Genehmigung seitens der kirchlichen Autorität geben kann. Beide Positionen sind also gar nicht so weit von einander entfernt, wenngleich Wiesen dies durch seine Fokussierung auf die angebliche von Neundörfer anvisierte „grundsätzliche Ausschaltung des Vereinscharakters der kirchlichen Wohl­ fahrts­pflege“28 nicht zu bemerken scheint. Die Motivation für dieses Unter­ fangen, die Caritas in die kirchliche Verfassung einzugliedern, sieht Wiesen im „Streben, den kirchlichen Einfluß zu stärken“29. Da dies aber kein tragfä­ higes Fundament bilde, lehnt er einen Einbau der Caritas in die kirchliche Verwaltung ab bzw. hält diese schlicht nicht für notwendig. Stattdessen wer­ de, und so lautet dann auch das Fazit von Wiesen, eine „möglichst fruchtbare Entwicklung der Caritasbewegung“ durch „die innere Gestaltung der Caritas­ verbände zu kirchlichen Vereinen“ ermöglicht.30 In einer Zusammenschau der Diskussion zwischen Neundörfer und Wie­ sen bleibt zunächst festzuhalten, dass Wiesen bei Neundörfer in der Aus­ schaltung des Laienengagements eine Intention gegeben sah, die dieser gar nicht vertreten hat. Daher stellte Neundörfer in einer späteren Veröffentli­ chung ausdrücklich klar: 26  Wiesen,

Die Caritasorganisation der Gegenwart, 74 f. Diözesanorganisation der Caritas bedarf als kirchlicher Verein der aus­ drücklichen Gutheißung durch die kirchliche Autorität (Kan. 686 § 1,2). Er unter­ steht der Jurisdiktion und der Aufsicht des Ortsordinarius (Kan. 690). Alljährlich muß ein Bericht über die Verwaltung der Güter an ihn erstattet werden (Kan. 691). Der Bischof hat das Recht, den Leiter zu ernennen (Kan. 698). Er kann Mitglieder ausschließen (Kan. 696) und selbst den Verein aufheben (Kan. 699). Im übrigen [sic] ist der Verein berechtigt, im Rahmen der Satzungen und des kanonischen Rechtes, Versammlungen abzuhalten, sich besondere Statuten zu geben und die Inhaber der Vereinsämter zu wählen […] (Kan. 697 § 1)“ (Wiesen, Die Caritasorganisation der Gegenwart, 75). 28  Wiesen, Lebensfragen der Caritasbewegung und Caritasorganisation, 1. 29  Ebd. 30  Ebd. 27  „Die



I. Die Rechtsform der organisierten Caritas267 „In der Sache selbst liegt mir nichts ferner als – nennen wird das Gefürchtete ruhig beim Namen – eine Klerikalisierung der kirchlichen Wohlfahrtspflege.“31

In der selbstverständlichen tätigen Mitwirkung der Laien innerhalb der Ca­ ritas dürfe nur nicht der „organische Zusammenhang der Laienarbeit in der Kirche mit der sakramentalen Verfassung und dem sakramentalen Leben derselben“32 verloren gehen. Bistum und Pfarrei seien aber inzwischen hinter Vereins- und Verbandsbezirken zurückgetreten. Es ist also Neundörfers An­ liegen diese Schieflage in der Verhältnisbestimmung wieder zurecht zu rü­ cken, indem er die bischöfliche und pfarrliche Verantwortung für die Caritas profiliert. Kritisch zu werten ist jedoch die ergänzend eingebrachte Sicht von Neundörfer auf die Position der Laien, deren Aktivität sich primär auf die Fachverbände bezieht. Diese bilden als Organisationsform in seinem Konzept die Querverbindungen zu den tragenden Pfeilern an Organisationsformen wie Diözese und Pfarrei.33 Dies könnte als Zurücksetzung der Laien gewertet werden, allerdings wird diese Bemerkung abgeschwächt durch seine Aussa­ ge, dass Laien auch in leitender Stellung tätig werden könnten (vgl. c. 145 §  1 CIC / 1917).34 Die Differenz zwischen ihm und Wiesen sieht er primär im jeweiligen Verständnis vom Wohl der Kirche begründet. Anstatt das Ent­ scheidende – wie Wiesen es tue – im Bezug auf die Caritas in dem Organisa­ torischen zu erblicken, müsse vielmehr die „Caritasgesinnung“35 im Vorder­ grund stehen. Demnach darf nicht der Nutzeneffekt das Handeln bzw. die Verfassungsform der Caritas bestimmen, sondern „die Caritasarbeit [muss] möglichst unmittelbar von den religiösen Grundsätzen der Kirche“36 aus ge­ nährt und geordnet werden.  Beide sind durchaus innerhalb des damals geltenden Rechtssystems auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, der in der Kreierung der Caritasver­ bände als kirchliche Vereine liegt. Wiesen bringt dies selbst ein und inner­ halb der Ausführungen Neundörfers kann anhand des vorgestellten Befundes davon ausgegangen werden, dass er sich dieser Regelung anschließen könn­ te, da der Vorteil in einer stärkeren Verbindung von geistlichem Amt und Laienengagement liegt. Joseph Löhr nahm diese Diskussion ein Jahr später noch einmal auf, in­ dem er sowohl zu Aussagen Neundörfers als auch zu solchen von Wiesen kritisch Stellung bezogen hat.37 So weist er die Auffassung Neundörfers, 31  Neundörfer, 32  Ebd. 33  Vgl.

Die Stellung des Laien, 2.

ebd. ebd. 35  Neundörfer, Caritas und Kirche, 240. 36  Neundörfer, Die Stellung der Laien, 2. 37  Vgl. Joseph Löhr, Kirchenrecht und Caritas, in: Caritas 31 (1926) 97–104, 134–139, 168–174. 34  Vgl.

268

E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

dass es sich beim Diözesancaritasdirektor um den Inhaber eines kirchlichen Amtes handle, als „irrig“38 zurück. Er sei zwar auch kein „gewählter Ver­ bandsangestellter“, aber die Ernennung durch den Bischof erfolge aufgrund diesem gewährter Rechte innerhalb der Vereinssatzung. Damit übe der Ortsordinarius Vereinsrechte aus, die ihm übertragen wurden und handle nicht qua seines Amtes.39 Dies ziehe allerdings die Konsequenz nach sich, dass dem Direktor das Amt nicht kanonisch übertragen wurde. Demnach handelt es sich auch nicht um ein Kirchenamt im engeren Sinn. Wie bereits Wiesen bezieht sich Löhr auf das enge Amtsverständnis, auf das sich aber Neundörfer nicht festgelegt hat.40 Des Weiteren argumentiert Löhr in pauschaler Weise, insofern die Vor­ schläge Neundörfers „für die Entfaltung der ‚freien‘ Liebestätigkeit nicht nur nicht förderlich, sondern geradezu schädlich wären“41,

da die Vereinsziele gelähmt und vermindert würden. Diese Behauptung könne er aber nicht weiter begründen, da eine solche in einer kanonistischen Abhandlung nicht ihren Ort hätte.42 Hinsichtlich der Aussagen von Wiesen verweist Löhr u. a. auf einen Über­ tragungsirrtum; denn Wiesen subsumiert die Caritasvereine unter die Norm des c. 1489 CIC / 1917, der von kirchlichen Anstalten spricht. Es handele sich aber nicht um solche, weil die Vereine als Laienvereine gefasst und ohne Mitwirkung der kirchlichen Autorität ins Leben getreten seien.43 Von daher können die oben von Wiesen zitierten Belegstellen aus dem Vereins­ recht nicht angewendet werden, da sie sich auf kirchliche Vereine beziehen.  Unter dieser Perspektive ist aber auch die Argumentationsfolge von Neundörfer – wie sie oben besprochen wurde – zu hinterfragen. Er bezieht sich ebenfalls auf c. 1489 CIC / 1917, demnach sich die Leitungsbefugnis des Bischofs auf kirchlich errichtete bzw. genehmigte Anstalten beziehe, die in der Folge über einen Verwalter verfügen und dieses Amt wurde von ihm auf den Caritasdirektor als Verwalter von Kirchengut übertragen. Tatsächlich 38  Ebd.,

169. ebd. 40  Es kann aber davon ausgegangen werden, dass ihm durchaus der Unterschied, samt der Konsequenz, dass Laien ein Kirchenamt im engeren Sinn nicht bekleiden konnten (c. 118 CIC / 1917), bekannt war. Leider hat er eine präzise Angabe an die­ ser Stelle versäumt. 41  Löhr, Kirchenrecht und Caritas, 170. 42  Dass er sich damit nur all zu leicht aus der Affäre zieht, muss nicht eigens gesagt werden. Zudem wirft diese Vorgehensweise die Frage nach dem Verhältnis von Kirchenrecht und Theologie im Löhrschen Verständnis auf. 43  Vgl. Löhr, Kirchenrecht und Caritas, 172. 39  Vgl.



I. Die Rechtsform der organisierten Caritas269

können diese kirchlichen Anstalten, die oftmals caritative Werke darstellen, nicht mit den Caritasverbänden identisch gesetzt werden. Von daher muss die Schlussfolgerung hinsichtlich des Diözesancaritasdirektors zurückgewie­ sen werden, insofern es sich nicht um einen Verwalter von bona Ecclesiae handelt, sondern um einen durch die Satzungen vorgesehenen Dienst. Dieser konnte gleichwohl als kirchliches Amt im weiteren Sinne (c. 145 CIC / 1917) betrachtet werden.  Erweisen sich die erwähnten Anmerkungen von Löhr als hilfreich, so ist sein Gesamturteil zur Diskussion, welches sich primär gegen Neundörfer richtet, kritisch zu betrachten: Es werde versucht „von innen heraus, aus den Reihen der Caritasjünger selbst, im Widerspruche mit der Tradition und dem Kirchenrechte, der katholischen Liebestätigkeit ihre Frei­ heit, die ihre Größe bildet, zu mindern oder zu nehmen und sie kirchlich zu veramtlichen.“44

Dass eine Veramtlichung nicht die Intention von Neundörfer bildete, wur­ de bereits mehrfach erwähnt und durch Zitate belegt. Eine Einbeziehung des Bischofs und eine stärkere Verbindung des Laienengagements mit der kirch­ lichen Verfassung auf der Grundlage theologischer Erwägungen zur Caritas, widerspricht in keiner Weise der kirchengeschichtlichen Tradition und auch nicht dem damals geltenden Kirchenrecht, da dieses sich nicht – wie Löhr selbst festhält – mit caritativen Einzelgebieten befasst, sondern sich nur in sehr allgemeiner Weise dazu äußert.45 Löhrs Einschätzung, dass die prak­ tisch, leidlindernde Arbeit „viel wichtiger“ sei, als „unnötigerweise Organi­ sationsfragen und -änderungen aufzurollen“46, mag ein Begründungsindiz in der Nachkriegszeit haben, kann aber nicht als hinreichend angesehen werden, da Caritas aus der zugrundeliegenden Caritasgesinnung47 – nach Neundörfer – lebt, die der Organisationsform notwendig vorangeht. Heute wird diesbezüglich von theologischer Grundlegung der Caritas gesprochen.48 44  Ebd.,

173. ebd., 98. 46  Vgl. ebd., 173. 47  Alfred Hierold kommt in seiner Besprechung der Neundörferschen Position (vgl. ders., Grundlegung und Organisation, 125 ff.) zu einer zweiteiligen Einschät­ zung, da er einerseits das Anliegen begrüßt „das caritative Tun wieder als Handeln der Kirche als Kirche zu sehen“ (ebd., 126), andererseits bemängelt er die Verkür­ zung des Problems durch eine Fokussierung auf das Amt des Diözesancaritasdirek­ tors sowie die nicht ausreichende theologische Begründung. Tatsächlich liefert Neundörfer nur eine anfängliche theologische Begründung bzw. weist darauf hin, dass diese notwendig ist. Gleichzeitig ist ihm aber genau dies, im Vergleich zu Wiesen und Löhr, zugute zu halten. 48  Alexander Hollerbach zieht in seiner Besprechung der Person Neundörfers folgendes Fazit: „Die damals geführte Diskussion, zu der Neundörfer den Anstoß gegeben hatte, hat heute neue theologische und kanonistische Dimensionen bekom­ 45  Vgl.

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E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

Abschließend kann festgehalten werden, dass die damalige Diskussion erkennen lässt, dass es sich bei dem skizzierten Austausch um ein beispiel­ haftes Vorgehen im Bereich der organisierten Caritas und ihrer Rechtsstel­ lung handelt. Viele der vorgebrachten Argumente finden sich so oder in ähnlicher Weise bis in diese Tage wieder, trotz der inzwischen erfolgten weiteren Kodifizierung. Demnach hat sich der Wunsch von Joseph Löhr, dass „der Streit, der nichts war als eine Episode“ mit seiner Stellungnahme „für immer beendet“49 sei, nicht erfüllt. Innerhalb dieser Diskussion kam ein Gedanke erstaunlicherweise nicht zum Tragen, der erst Jahrzehnte später von Heribert Heinemann eingebracht wurde: Es mangelte um die Wende zum 20. Jahrhundert einer wesentlichen Bedingung, damit der Caritasverband kirchlichen Rechtsstatus hätte anneh­ men können, denn: „Welche kirchliche Institution [hätte] dem Deutschen Ca­ ritasverband die Verleihung der Rechtspersönlichkeit […] erteilen können“50? Schließlich haben sich die deutschen Bischöfe seit 1848 nur unregelmäßig zu Bischofskonferenzen zusammengefunden. Heinemann konstatiert, dass die Bischöfe als Konferenz zum damaligen Zeitpunkt keine rechtliche Legitima­ tion zu einem solchen Rechtsakt besessen hätten.51 Daher kommt er zu dem Urteil, dass die Bischofskonferenz 1897 bzw. 1916 eine Approbation, die Rechtswirkungen beinhaltet, nicht aussprechen konnte, „da sie keine rechtliche Organisationsform besaß […]. Zweifelsohne kann aber der Deutsche Caritasverband seitens der Bischöfe die Qualifikation ‚Anerken­ nung‘, ‚Empfehlung‘ in Anspruch nehmen, nachdem eine solche Empfehlung auf der Konferenz in Fulda 1916 ausgesprochen worden war.“52 men. Aber einfach abhaken kann man sie nicht. In ihrem theologisch-kanonistischen Kern ist sie nach wie vor relevant. Die Konzeption Neundörfers erinnert jedenfalls an die undelegierbare Verantwortung des kirchlichen Amtes für die kirchliche Lie­ bestätigkeit. Zugleich stützt und rechtfertigt sie die Forderung nach dem Schutz der theologisch-kirchlichen Eigenart caritativen Wirkens im Bereich des staatlichen Rechts, und zwar sowohl in grundrechtlicher wie in institutionell-organisatorischer Hinsicht.“ (Hollerbach, Der Mainzer Priester, 319.) 49  Löhr, Kirchenrecht und Caritas, 173 f. 50  Heinemann, Die Stellung der Caritas im Verfassungsrecht der Kirche, 156. 51  Vgl. ebd. und ders., Bischofskonferenz – Überlegungen zu einer verfassungs­ rechtlich bedeutsamen Diskussion, in: AfkKR 158 (1989) 91–121, 91 ff. 52  Heinemann, Die Stellung der Caritas im Verfassungsrecht der Kirche, 156. Im Folgenden werden in Form einer historischen und rechtlichen Skizze zentrale Aspekte innerhalb der Entwicklung der Bischofskonferenz in Deutschland benannt. Eine erste Versammlung deutscher Diözesanbischöfe wird für das Jahr 1848 in Würzburg ausgemacht. Dazu kam es aufgrund einer Einladung des Kölner Erzbi­ schofs Johannes Geissel (1796–1864; Erzbischof 1845–1864), der im Vorfeld ein Treffen der Bischöfe seiner Kirchenprovinz durchgeführt hatte. Hinsichtlich der Form wurde ein Nationalkonzil oder eine Synode in Erwägung gezogen, diese recht­ lichen Formen wurden dann aber zugunsten einer schlichten Konferenz fallengelas­



I. Die Rechtsform der organisierten Caritas271

Seit diesen Anfängen und der Lokalisierung der Caritasverbände im welt­ lichen Recht als eingetragene Vereine wird also die Frage nach der Veror­ tung der organisierten Caritas in der Kirche immer wieder aufgeworfen und dieses Phänomen kann, wie die Ausführungen zur theologischen Grundle­ sen. (Vgl. dazu Heribert Heinemann, Die Bischofskonferenz, Streiflichter zur vor­ konziliaren Situation und Diskussion, in: Winfried Aymans  /  Georg May [Hrsg.], Fides et ius. Festschrift für Georg May zum 65. Geburtstag, Regensburg 1991, ­ 407–422, 411.) Heinemann konstatiert, dass sich die rechtliche Form dieser sich entwickelnden Fuldaer Bischofskonferenz letztlich aus dem Gewohnheitsrecht gebil­ det habe, denn für die durchgeführte Veranstaltung bot das spätere Gesetzbuch ­keinen rechtlichen Rahmen (vgl. ebd., 412). Seit 1850 trafen sich ebenfalls die Bi­ schöfe Bayerns und der Pfalz in einer eigenen Freisinger Bischofskonferenz. Der CIC  / 1917 enthielt den Begriff der Bischofskonferenz nur in Bezug auf die Aufsichtsfunktion der Konzilskongregation (vgl. c. 250 § 4 CIC / 1917). Allerdings erlangte die Bischofskonferenz „gemeinrechtliche Anerkennung“ (Wilhelm Rees, Die Bischofskonferenzen. Entwicklungen, Tendenzen, Kontroversen, in: Heinrich J. F. Reinhardt / Heribert Heinemann (Hrsg.), Theologia et ius canonicum. Festgabe für Heribert Heinemann zur Vollendung seines 70. Lebensjahres, Essen 1995, 325–338, 328), insofern c. 292 CIC / 1917 normierte, dass sich die Ortsordinarien einer Kir­ chenprovinz alle fünf Jahre u. a. zum Zwecke der einheitlichen Wahrnehmung kirch­ licher Belange treffen sollen. Zu beachten ist allerdings der Wortlaut, demnach es um Versammlungen der Kirchenprovinz und nicht um nationale Zusammenkünfte ging. Des Weiteren waren die Bischöfe nicht in rechtlicher Weise an gefasste Be­ schlüsse gebunden, die Konferenzen verfügten allein über einen beratenden Status. Erst im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils kam es schließlich zu einem universalkirchlichen Ausbau der nationalen Bischofskonferenzen, die als „kollegiale […] hierarchische […] Mittelinstanzen mit selbständigen Gesetzgebungs-, Verwal­ tungs- und Rechtssprechungskompetenzen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Einzelbischof“ gefasst sind (vgl. Rees, Die Bischofskonferenzen, 325). In der gel­ tenden Kodifizierung des lateinischen Rechtskreises ist die Rechtsstellung niederge­ legt in den cc. 447–459 CIC, deren Quelle im Dekret zur Hirtenaufgabe der Bischö­ fe (CD 38) zu finden ist. Demnach bilden die Bischofskonferenzen ständige Einrich­ tungen dar (vgl. c. 447 CIC), denen in Folge der Errichtung durch den Apostolischen Stuhl (c. 449 § 1 CIC) Rechtspersönlichkeit zukommt (c. 449 § 2 CIC). Rees fasst im Anschluss an Aymans die Kompetenzen in zwei Bereiche zusammen: Normset­ zungsvollmachten und Verwaltungsvollmachten für Einzelfälle und Mitwirkungs­ rechte (vgl. Rees, Die Bischofskonferenzen, 331; Winfried Aymans, Wesensverständ­ nis und Zuständigkeiten der Bischofskonferenz im Codex Iuris Canonici von 1983, in: AfkKR 152 [1983] 46–61, 46 ff.). Die Diskussion um die Lehrautorität der Kon­ ferenzen wurde 1998 durch das Motu Proprio Apostolos Suos geklärt, demnach ge­ mäß c. 753 CIC i. V. m. Apostolos Suos nn. 21–23 Bischöfe als Einzelne wie auch die Konferenzen authentische Lehrautorität besitzen (Johannes Paul II., Motu Prop­ rio Apostolos Suos über die theologische und rechtliche Natur der Bischofskonferen­ zen [23. Juli 1998], in: AAS 90 [1998] 641–658, dt. Übers. in: L’Osservatore Ro­ mano, Wochenausgabe in deutscher Sprache Nr. 31 / 32 vom 31. Juli 1998, 9–12; vgl. dazu: Peter Krämer, Wer sind die Träger des kirchlichen Verkündigungsdienstes?, in: Karl-Theodor Geringer / Heribert Schmitz [Hrsg.], Communio in Ecclesiae Mys­ terio, Festschrift für Winfried Aymans zum 65. Geburtstag, St. Ottilien 2001, 247– 267, bes. 260–267).

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E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

gung der Caritas in ihrem Charakter als zentralem Sendungsauftrag der Kirche gezeigt haben, nicht als Quisquilie beiseite gelegt werden. Unter diesem Fokus ist die Entwicklung im Deutschen Caritasverband Ende der 1960er Jahre bemerkenswert. 1966 wurde auf der Herbstversamm­ lung des Zentralrates des DCV beschlossen, das 1946 gegründete Referat Pfarrcaritas gegen das neu geschaffene Referat Caritas und Pastoral aus­ zutauschen. Letzteres nahm seine Arbeit am 01.09.1969 auf. Walter Fürst sieht darin eine Reaktion auf die konziliare Neubesinnung von Caritas als Grundfunktion der Kirche. Das Referat sollte mithelfen, diese Einsicht in den Pfarreien zu verankern, umzusetzen und gleichzeitig auch eine „Ge­ meindeorientierung des Caritasverbandes selbst“ zu befördern.53 Tatsächlich traf die Referatsgründung den Nerv der Zeit, da sich auch die Würzburger Synode mit der Caritas beschäftigte. Diese Umstände hätten durchaus auf eine stärkere Verbindung zwischen verfasster Kirche und organisierter Cari­ tas schließen lassen, aber bereits Walter Fürst weist kritisch auf die nur zurückhaltende Beteiligung der Bischöfe und der Bischofskonferenz inner­ halb dieses vom DCV angestoßenen Kommunikationsprozesses hin.54 In der Folge ergab sich daher weder aus dieser Entwicklung noch aus der neuen Kodifizierung von 1983 eine Veränderung hinsichtlich der kirchen­ rechtlichen Stellung des Verbandes. Dabei wurde die Frage gerade auf dem Hintergrund des veränderten Vereinigungsrechtes im CIC / 1983 diskutiert. Dieses schien, nach Fürst, eine Neuordnung der DiCVs – zu ergänzen ist auch des DCV selbst – aufgrund der Frage notwendig zu machen, ob ihre rechtliche Stellung noch mit der neuen Rechtssystematik zu vereinbaren ist.55 Dies bedeutet konkret: Können der DCV und die Mehrzahl der DiCVe wei­ terhin als private kirchlich empfohlene Vereinigungen angesehen werden oder müssen sie als öffentlich kirchliche Vereinigungen behandelt werden?56 Tatsache ist, dass bis dato der Deutsche Caritasverband neben seiner Rechts­ stellung nach weltlichem Recht keine Rechtsperson des kirchlichen Rechtes 53  Fürst,

Diakonische Pastoral und pastorale Diakonie, 66. ebd., 70. Immerhin kann Fürst zum einen das Engagement von Karl Lehmann positiv hervorheben, der in seinem Aufsatz „Theologische Reflexionen zur Integration von Pastoral und Caritas“ (in: Caritas 80 [1979] 242–248) herausarbeitet, dass die Einbeziehung von Caritas in die kirchliche Arbeit neuen Auftrieb bekom­ men habe aufgrund der theologischen Reflexion der drei kirchlichen Grundfunktio­ nen (vgl. ebd. 242). Zum anderen wurde von der Deutschen Bischofskonferenz 1983 eine Tagung zum Thema: Caritas und Pfarrgemeinde veranstaltet. Sie ist veröffent­ licht: DCV im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Caritas und Pfarr­ gemeinde. Dokumentation des Studientages der Deutschen Bischofskonferenz. Feb­ ruar 1983, Freiburg i. Br. 1983. 55  Vgl. Fürst, Diakonische Pastoral und pastorale Diakonie, 70. 56  Vgl. ebd., 70 f. 54  Vgl.



I. Die Rechtsform der organisierten Caritas273

darstellt.57 Dies haben die Deutschen Bischöfe durch den Hinweis auf die fehlende kirchenamtliche Errichtung bestätigt. Demnach sei der DCV nur empfohlen, nicht aber im kanonistischen Sinn approbiert worden.58 Die im Beschluss von 1916 ausgesprochene Anerkennung und Vertretung besteht bis heute und beinhaltet die rechtliche Konsequenz, dass der Deutsche Caritas­ verband nicht im kirchenamtlichen Auftrag tätig ist. Stattdessen erfolgt inner­ halb der Satzung des DCV die Klassifizierung als „privater Verein von Gläu­ bigen im Sinne der Canones 299, 321–326“ CIC (DCV Satzung § 2, Abs. 2). b) Die organisierte Caritas im Fokus des kirchlichen Vereinigungsrechts Um diese Selbsteinordnung auf dem Hintergrund der geltenden Rechtsla­ ge bewerten zu können, müssen zunächst die Normen des Vereinigungsrech­ tes herangezogen werden. Das Vereinigungsrecht des geltenden kirchlichen Gesetzbuches wurde bereits im Rahmen der Besprechung der Gesetzbücher in seiner Grundausrichtung thematisiert. Eine Legaldefinition zum Begriff des Vereins findet sich allerdings nicht, und so versucht es Martínez mit folgendem Vorschlag: „Ein Verein ist ein dauerhafter Zusammenschluss von Personen, die sich vereinen, um mithilfe einer rechtlich anerkannten Organisationsform bestimmt Ziele zu erreichen.“59

Martínez macht fünf konstitutive Bestandteile eines Vereins aus: die Mit­ glieder, eine gemeinsame Zielsetzung, eine strukturelle Unterstützung und Organisation, eine Mitwirkung der kirchlichen Autorität und eine gewisse Dauerhaftigkeit.60 Die gemeinsame Zielsetzung verdeutlicht, dass ein kirchlicher Verein nie um seiner selbst willen gegründet wird, vielmehr muss er „dem Sendungsauftrag dienen, den die Kirche in der Welt zu erfül­ len hat“ (AA 19). Diese Partizipation am Sendungsauftrag der Kirche ist offensichtlich bei den Caritasverbänden in zentraler Weise gegeben, da sie ausgehend vom Gebot Jesu Christi einem der drei Grundvollzüge kirchli­ chen Lebens gewidmet sind. 57  Diese bereits 1966 von Franz Klein getroffene Aussage hat bis zur Verfassung dieser Arbeit ihre Gültigkeit behalten. „Mangels eines kirchlichen Jurisdiktionsaktes, durch den der Verband zum kirchlichen erklärt worden wäre, hat der Deutsche Ca­ ritasverband von seinem Bestehen an immer nur die Rechtsstellung nach dem welt­ lichen Vereinsrecht innegehabt.“ (Vgl. Klein, Die Verfassung, 45.) 58  Vgl. Klein, Die Verfassung, 72; Hierold, Der Deutsche Caritasverband, 945; Heinemann, Die Stellung der Caritas im Verfassungsrecht der Kirche, 156. 59  Lluís Martínez Sistach, Die Vereine von Gläubigen, Paderborn 2008 (Kirchenund Staatskirchenrecht, 8), 39. 60  Vgl. ebd.

274

E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

Eine weiterführende Frage ist es, ob anhand der Zielsetzung zwischen einem privaten und einem öffentlichen kirchlichen Verein differenziert wer­ den kann. Eine Unterscheidung von Vereinen anhand ihrer Ausrichtung trägt nach Martínez nicht in Gänze, weil selbst das Gesetzbuch dieses Kriterium nicht vollständig anwende.61 In den cc. 299 § 1 i. V. m. 298 § 1 und 301 § 1 CIC finden sich Beschreibungen der Zielsetzungen, die in eine Klassifizie­ rung von privaten und öffentlichen Vereinen münden. Der erste Canon des Abschnittes zu den Vereinen von Gläubigen beschreibt verschiedene Aus­ richtungen, auf die ein Verein hingeordnet sein kann: „ein Leben höherer Vollkommenheit zu pflegen oder den amtlichen Gottesdienst bzw. die christliche Lehre zu fördern oder andere Apostolatswerke, das heißt Vorhaben zur Evangelisierung, Werke der Frömmigkeit oder der Caritas, zu be­ treiben und die weltliche Ordnung mit christlichem Geist zu beleben.“ (c. 298 § 1 CIC)

Um diese Ziele zu verfolgen, können Gläubige, entsprechend dem Grund­ recht in c. 215 CIC und der Norm im Vereinigungsrecht c. 299 § 1 CIC, eigene Vereine gründen. Bei dieser Vereinsart spricht das Gesetzbuch von privaten Vereinen. Demgegenüber wird die Zielsetzung von öffentlichen Vereinen in c. 301 § 1 CIC angegeben mit: Vereine, „die sich der Vermittlung der christlichen Lehre im Namen der Kirche oder der Förderung des amtlichen Gottesdienstes widmen oder die sich anderen Zielen zuwenden sollen, deren Verfolgung ihrer Natur nach der kirchlichen Autorität vorbehalten wird.“

Nun kann aber nach Martínez der private Verein aufgrund der Zielsetzung nicht hinreichend von dem öffentlichen Verein unterschieden werden.62 Dies bezieht er vor allem darauf, dass der Gesetzgeber wie im Text angegeben nicht eindeutig die einzelnen Ziele benennt, sondern vielmehr charakteristi­ sche Gruppen und Merkmale anführt. Im Kontext dieser Arbeit legt sich eine Überprüfung der These von Mar­ tínez anhand der organisierten Caritas nahe. Zunächst fällt auf, dass eine Zuordnung der organisierten Caritas unter die Aussage von c. 301 § 1 CIC in mehrfacher Hinsicht schwierig ist. Würde sie unter diese Norm fallen, so schließe dies die Möglichkeit einer Gründung durch christifideles aus, da sie sich nur auf solche Vereine bezieht, deren Errichtung „ausschließlich“ der kirchlichen Autorität vorbehalten ist. Entscheidender ist jedoch, dass die caritative Tätigkeit zu den Zielen gerechnet werden müsste, „deren Verfol­ gung ihrer Natur nach der kirchlichen Autorität vorbehalten wird“. Von ei­ nem Vorbehalt zu sprechen scheint aber dem Quellgrund der Caritas im jesuanischen Gebot der Gottes- und Nächstenliebe nicht gerecht zu werden. 61  Vgl. 62  Vgl.

ebd., 42. ebd., 42, 94 f.



I. Die Rechtsform der organisierten Caritas275

Andererseits erwähnt die Norm daneben auch die Bereiche der Liturgie und Verkündigung, demnach sind Vereine von Gläubigen, die diese Bereiche in Form des amtlichen Gottesdienstes oder der Verkündigung im Namen der Kirche zur Zielsetzung haben, an die Errichtung durch die kirchliche Auto­ rität gebunden. Im Umkehrschluss heißt dies, dass es im Bereich von Litur­ gie und Verkündigung durchaus Laieninitiative hinsichtlich von Vereins­ gründungen geben kann und demnach auch hier das allgemeine Grundrecht der Gläubigen auf Vereinigungsfreiheit greift, der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass diese Vereine nicht in nomine Ecclesiae agieren.  Die Bezugnahme dieser Unterscheidung auf die Caritas würde in Konse­ quenz bedeuten, dass die bereits besprochene Differenzierung zwischen allgemein ausgeübter Caritas der Gläubigen und der explizit geübten im Namen der Kirche – also zwischen kirchlicher und amtlicher Caritas – hier ihren Platz findet. Es müsste in der Folge abgewogen werden, welchen Stellenwert der jeweilige caritative Verein besitzt. Insofern es sich um die offizielle Ausübung des caritativen Sendungsauftrages des jeweiligen (Erz-) Bistums in Form eines Diözesancaritasverbandes handelt, müsste dieser im Namen der Kirche, also kirchenamtlich agieren, und wäre damit an die Errichtung seitens der kirchlichen Autorität gebunden. Handelt es sich hin­ gegen um einen Verein mit allgemein caritativer Zielsetzung, könnten Gläu­ bige dafür einen privaten Verein errichten. In diesem Zusammenhang ist ergänzend auf eine von Peter Krämer eingebrachte Problematisierung hin­ zuweisen, in der er die aus dem weltlichen Recht übernommene Einteilung in öffentliche und private Vereine kritisch beleuchtet. Sinn und Zweck dieser Differenzierung könne es schließlich nicht sein, „einem Teil der kirchlichen Vereinigungen eine Hinordnung auf das öffentliche Wohl der Kirche zu bescheinigen, dem anderen Teil aber eine Beschränkung auf ‚pri­ vate Ziele‘ “63. Diese grundsätzliche Problematisierung berücksichtigend, gilt es speziell zu hinterfragen, ob eine eindeutigere Unterscheidungsmög­ lichkeit zwischen privatem und öffentlichem Verein anhand der Zielsetzung zweckmäßig wäre. Vielmehr entspricht die momentane Gesetzgebung dem Sachverhalt, dass alle Gläubigen Anteil haben an den drei Wesensvollzügen der Kirche und sich daher ihr Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit auch auf diese drei Bereiche erstreckt. Insofern es sich jedoch um ein Agieren im Namen der Kirche, also mit amtlichem Charakter handelt, kommt der kirch­ lichen Autorität eine Errichtung entsprechender Vereinigungen zu. Ein ebenso entscheidendes Kriterium innerhalb des Vereinigungsrechtes ist die Mitwirkung der amtlichen Autorität, weil eine irgendwie geartete 63  Krämer, Kirchenrecht I, 148. Gleichwohl liegt aber auch nach Krämer der Nutzen der Unterscheidung in öffentliche und private Vereine, in der Charakterisie­ rung „von amtlichen und nicht-amtlichen Handeln der Kirche“ (ebd.).

276

E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

Beteiligung gegeben sein muss, damit der Verein überhaupt einen Rechts­ status in der kirchlichen Gemeinschaft zuerkannt bekommt.64 Die Art und Weise der Ausprägung dieser Mitwirkung gibt sodann Auskunft über den genaueren Status des Vereins innerhalb der kirchlichen Communio. Die Einbeziehung der kirchlichen Hierarchie kann in einer reinen Aufsichtsfunk­ tion des Ortsordinarius bestehen, die ihm per se über alle Gläubigen zu­ kommt und zwar unabhängig davon, ob sie sich in einer Vereinigung zu­ sammengeschlossen haben oder nicht (vgl. c. 305 § 1 i. V. m. c. 381 § 1 CIC). Die Beteiligung kann des Weiteren nach Maßgabe von c. 299 § 3 CIC eine Überprüfung der Statuten beinhalten und gipfelt letztlich in der Errichtung des Vereins seitens der zuständigen kirchlichen Autorität (vgl. c. 301 CIC). Damit ein privater Verein in der Kirche anerkannt wird, muss eine Über­ prüfung (recognitio) seiner Statuten durch die zuständige kirchliche Autori­ tät erfolgt sein (vgl. c. 299 § 3 CIC).65 Diese Aussage stellt ein Novum gegenüber dem CIC / 1917 dar, da gemäß c. 686 CIC / 1917 nur errichtete oder zumindest genehmigte Vereine als kirchlich bezeichnet wurden. Das Verb recognoscere impliziert aber keine Genehmigung, sondern beschränkt sich in seiner Bedeutung tatsächlich auf eine Überprüfung der Statuten.66 Nach Schulz handelt es sich um eine Art „Unbedenklichkeitsentscheidung hinsichtlich des Satzungsinhaltes“67. Anhand welcher Kriterien werden aber die Statuten überprüft und was sind die hinreichenden Umstände für einen positiven Bescheid? Grundlegender Ausgangspunkt einer inhaltlichen Überprüfung ist die Vergewisserung, dass die aufgestellte Satzung nicht universalem bzw. parti­ kularem Recht widerspricht. Da sich des Weiteren keine eigene Rechtsnorm zur Durchführung der Überprüfung findet, muss aus den übrigen Bestim­ mungen geschlussfolgert werden, dass die Statuten die Aspekte der allge­ meinen Aufsichtspflicht erfüllen müssen (vgl. c. 305 § 1 CIC). Zudem ist zu überprüfen, ob evtl. durch die Vereinigung eine Zersplitterung der Kräfte gegeben und ob der Verein in seiner Apostolatsausübung auf das Gemein­ wohl hingeordnet ist (vgl. c. 323 § 2 CIC). Zur ersten Kategorie zählt der Gesetzgeber die Gewährleistung, dass Glaube, Sitte und kirchliche Disziplin bewahrt werden. Hinsichtlich der Zersplitterung geht es darum, einen unnö­ Martínez Sistach, Die Vereine von Gläubigen, 40. Bestimmung ist nicht unumstritten, da sie die Frage nach sich zieht, ob es in der Kirche nicht auch Vereine geben kann, die von der kirchlichen Autorität nicht anerkannt sind. Grundsätzlich muss es diese vorgängige Initiative geben, da es ansonsten keine spätere Anerkennung geben kann (vgl. ebd., 100 f.). 66  Vgl. ebd., 96 f. 67  Winfried Schulz, zu c. 299, Rdnr. 6, in: MK CIC (Stand: 10. Erg.-Lfg., Mai 1989). 64  Vgl.

65  Diese



I. Die Rechtsform der organisierten Caritas277

tigen Kräfteverschleiß zu verhindern und stattdessen die vorhandenen Kräf­ te möglichst gebündelt und effizient einsetzen zu können. Welche Aussage lässt sich aufgrund dieser Bestimmungen hinsichtlich des Rechtscharakters des DCV treffen? Wie oben gesagt, handelt es sich entsprechend der geltenden Satzung um einen privaten Verein von Gläubi­ gen gemäß cc. 299 § 1, 321–326 CIC. Dieser Klassifizierung mangelt es jedoch an der nötigen Präzision, da nicht angezeigt wird, ob der private Verein Rechtsfähigkeit in der Kirche nach c. 322 CIC besitzt. Weitere Un­ tersuchungen ergaben aber, dass der DCV diese Rechtspersönlichkeit nicht besitzt. Auf welcher Grundlage der Anerkennungsbeschluss der Fuldaer Bischofs­ konferenz von 1916 fußte, ist nicht klar zu benennen. Wenn er auf einer Genehmigung der Satzung gründete, hätte er der späteren Kodifizierung in c.  686 CIC / 1917 entsprochen.68 Jedenfalls spricht auch die geltende Satzung von einem Genehmigungsakt seitens der Bischofskonferenz, durch den die Satzung in Kraft tritt (vgl. Satzung, § 23 Abs. 1). Ein solcher Rechtsakt geht aber über eine reine Überprüfung (c. 299 § 3 CIC) hinaus und entspricht der Forderung des c. 322 § 2 im Sinne einer nötigen „probatio“ der Statuten, die der Verleihung der Rechtspersönlichkeit vorgängig ist. Vor allem aber stimmt die Bindung an eine Genehmigung, auch was eine eventuelle Ände­ rung der Statuten anbelangt (vgl. Satzung § 22 Abs. 2), mit c. 314 CIC überein, der dies als notwendiges Kennzeichen des öffentlichen Vereins normiert. Als privater Verein unterliegt der DCV der Aufsicht und Leitung der zuständigen Autorität (vgl. cc. 323 § 1 i. V. m. 305 CIC). Dies wird in der Satzung zumindest hinsichtlich der Aufsicht in § 2 Abs. 3 festgehalten.69 Die Normen bzgl. der privaten Vereine sehen in c. 324 § 1 CIC vor, dass dieser „sich frei den Vorsitzenden und Amtsträger nach Maßgabe der Statu­ ten“ bestellt. Im Vergleich mit der Satzung des DCV, die im Anhang die Wahlordnung für den Präsidenten bzw. die Präsidentin enthält, ist aber zu lesen, dass nach § 3 die Vorschlagsliste der Kandidaten und Kandidatinnen zunächst der Deutschen Bischofskonferenz vorzulegen ist. Deren Zustim­ mung zur Liste bildet eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die anschließen­ de Wahl. Diese Einflussnahme auf die Kandidatur enthält demnach eine größere Nähe zu der Aussage bzgl. der öffentlichen Vereine, wo der Vorsit­ zende bei Wahl durch den Verein von der entsprechenden Autorität zu be­ 68  Die Problematik der Rechtssetzungskompetenz der Fuldaer Bischofskonferenz wurde bereits unter E. I. 1. a) thematisiert. 69  Die inhaltliche Bedeutung dieser allgemein gefassten Aussage zur Aufsicht wird weiter unten in diesem Abschnitt der Arbeit eigens analysiert.

278

E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

stätigen, bei Vorschlag einzusetzen ist oder auch frei ernannt werden kann (vgl. c. 317 § 1 CIC). Diese Tendenz unterstützend ist noch der Hinweis hinzuzufügen, dass die gewählte Person durch einen Vertreter der Bischofs­ konferenz in das Amt eingeführt wird (vgl. Satzung Wahlordnung § 6 Abs. 3). In Bezug auf das Präsidentenamt ist zudem die oben herausge­ arbeitete enge Verbindung zwischen diesem und der Bischofskonferenz in Erinnerung zu rufen (vgl. Satzung, § 10 Abs. 2). Das heißt, dass der DCV Wert legt auf eine ausgesprochene Nähe zur verfassten Kirche. In der Zusammenschau der Faktenlage ergibt sich ein erstaunliches Bild. Gemäß Satzung handelt es sich bei dem DCV um einen privaten kirchlichen Verein. Die inhaltlichen Aussagen der Satzung entsprechen zum überwie­ genden Teil den normativen Bestimmungen eines öffentlichen kirchlichen Vereins.70 Der zentrale Mangel besteht einzig im Fehlen der kirchlichen Errichtung. Dies scheint zunächst nicht zusammen zu passen. Es muss hier­ bei aber betont werden, dass es sich jedoch um qua Satzung den bischöfli­ chen Amtsträgern gewährte Rechte handelt und nicht um solche Rechte, die dem Amt selbst entspringen.71 Dieser Hinweis ist in sich bereits ambiva­ lent, weil es keine Kriterien gibt, aufgrund derer die Genehmigung von Statuten erfolgt, d. h. es ist nicht zu eruieren, inwiefern die Inhalte der Satzung z. B. dem Willen des DCV entstammen oder inwiefern er an man­ chen Stellen, um der Genehmigung seitens der Deutschen Bischofskonfe­ renz willen, Zugeständnisse gemacht haben könnte. Da diese letzte Überle­ gung jedoch keinen verändernden Einfluss auf die satzungsgemäße Dekla­ rierung als privater kirchlicher Verein hat, kommt ihr auch keine ausschlag­ gebende Bedeutung zu. Anders sieht es mit Blick auf die obige Analyse zur Fragestellung der Zielsetzung aus, dernach entsprechend dem theologisch-systematischen Stel­ lenwert der Caritas innerhalb des kirchlichen Sendungsauftrages diese so­ wohl vom einzelnen Christen und der einzelnen Christin als auch von amtlicher Seite in nomine Ecclesiae ausgeübt werden muss, und damit unter die Bestimmung von c. 301 § 1 i. V. m. c. 312 § 1, 2° CIC fällt. Dieser Um­ stand lässt sich nicht mit dem Rechtsstatus als privater kirchlicher Verein in Übereinstimmung bringen, sodass die entsprechenden Konsequenzen gezo­ 70  Bereits auf der Grundlage des Befundes von 1979 kam Alfred Hierold daher zu dem Fazit: „Um einerseits der angestrebten Repräsentation der Caritas des unter der Leitung der Deutschen Bischofskonferenz stehenden Teilkirchenverbandes durch den DCV gerecht zu werden, andererseits der Wirklichkeit der freien Wohlfahrtspfle­ ge in der Bundesrepublik Deutschland Rechnung zu tragen, empfiehlt sich die Um­ gestaltung des DCV zu einer öffentlichen, d. h. kirchenamtlichen Vereinigung, damit er auch von seiner Verfassung und seinem Selbstverständnis her fähig ist, im Namen der Kirche zu handeln“ (ders., Grundlegung und Organisation, 177). 71  Vgl. dazu die Ausführung von Joseph Löhr in der Diskussion 1925 / 1926.



I. Die Rechtsform der organisierten Caritas279

gen werden müssen. Mit anderen Worten: Der Deutsche Caritasverband ist als öffentlicher kirchlicher Verein durch die zuständige kirchliche Autorität zu errichten. Es sei dabei hervorgehoben, dass es sich unter Berücksichti­ gung dieser zusammenge­tragenen Umstände nicht um eine bloße Möglich­ keit, sondern um eine Notwendigkeit im pastoralen wie im kanonistischen Sinn handelt. Wie verhält es sich nun hinsichtlich der beiden besprochenen deutschen Diözesancaritasverbände? Der Kölner Diözesancaritasverband, so wurde es oben mit den historischen Dokumenten herausgearbeitet, besitzt sein zent­ rales Merkmal in seiner Gründungsgeschichte, da es sich um eine Errichtung durch den Erzbischof handelt. Kardinal Hartmann reklamierte für sich bzw. für den von ihm beauftragten Weihbischof die Leitung und Oberaufsicht über den Verein. Demgegenüber liegt beim Diözesancaritasverband des Erzbistums München und Freising keine kirchenamtliche Errichtung vor. Er entstand 1922 durch Beschluss der Generalversammlung des Ortscaritasver­ bandes München. In der Untersuchung wurde oben bereits angemerkt, dass die Stellung des Erzbischofs im bayrischen Erzbistum durch seine komplet­ te Ernennung des Vorstandes aufgrund satzungsgewährter Rechte noch stärker ausgeprägt ist als in der Erzdiözese Köln. Diese freie Bestellung würde als öffentlicher Verein in beiden Fällen c. 317 § 1 CIC entspre­ chen. Hinsichtlich der Satzung handelt es sich für beide Vereine um einen Genehmigungsakt seitens des Ortordinarius. In beiden Fällen ist demnach in der Zusammenschau eine mögliche Einordnung als öffentlich kirchlicher Verein noch eindeutiger als beim DCV. Durch die kanonische Errichtung in der Erzdiözese Köln handelt es sich de facto auch um eben diesen Rechts­ status, währenddessen er für das Erzbistum München und Freising nachge­ holt werden müsste. Es ist für beide Satzungstexte ausdrücklich zu bemängeln, dass die kano­ nische Rechtsstellung nicht Eingang in die Satzungen gefunden hat und dass für den Diözesanverband Köln sogar die kirchliche Errichtung keine Erwäh­ nung findet. Der einzige diesbezügliche Hinweis erfolgt in der Weise, dass die durch den Erzbischof gewährte eigene Rechtspersönlichkeit (vgl. Sat­ zung Köln, § 2 Abs. 4) benannt wird. Nicht allein aus Gründen der Rechts­ sicherheit sollte die Zuordnung nicht der jeweiligen Interpretation der Kir­ chenrechtlerinnen und Kirchenrechtlern überlassen bleiben.  Im Ergebnis besteht also für die beiden untersuchten Diözesancaritasver­ bände eine ähnlich seltsame Situation wie für den DCV. Alle drei Vereine umfassen Bestimmungen, die für die Rechtsform des öffentlichen kirchli­ chen Vereins ausreichen würden, nur müsste für den DCV und den DiCV des Erzbistums München und Freising die kirchliche Errichtung nachgeholt werden. Wie gesagt, ist diese Erkenntnis der gegebenen Widersprüchlichkeit

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E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

in sich nicht neu, umso erstaunlicher ist daher der Umstand, dass eine Ver­ änderung des Rechtsstatus keine Handlungsoption zu sein scheint. 2. Die Rechtsform der organisierten Caritas in Österreich Die Rechtsform der organisierten Caritas in der Diözese Innsbruck ist – wie gesehen – die der kirchlich errichteten Stiftung. Zwar gibt es in der Caritas-Landschaft inzwischen relativ viele Caritasstiftungen, diese stellen aber in der Regel nur einen Teilbereich der Caritasarbeit in den Diözesen dar. Welche Beweggründe im Hintergrund der Veränderung der Rechtsform von dem diözesanen Amt zur Stiftung standen, wurde bereits dargelegt. Primär waren es steuerrechtliche Gründe, die zum Wechsel führten, dabei immer unter der aufgrund historischer Erfahrungen gesetzten Prämisse ei­ ner möglichst engen Anbindung an den Ortsordinarius, die gleichzeitig ei­ ne Einmischung staatlicher Seiten verhindern soll. Da der Rechtsstatus eindeutig ist, ist der Frage nachzugehen, inwiefern sich diese gewählte Form für die organisierte Caritas als geeignet erweist. Was sind die we­ sentlichen Merkmale einer Stiftung? Was sind die Vor- und Nachteile, wenn die Caritas einer Ortskirche als Stiftung organisiert wird? Könnte das Stiftungsmodell eine neue Option für den Rechtsstatus der organisierten Caritas bilden? Im Kontext der Beantwortung dieser Fragestellungen ist zunächst auf den allgemeinen „Stiftungsboom“72 hinzuweisen, der sich nicht nur auf die bür­ gerschaftliche Initiativen erstreckt, sondern auch im innerkirchlichen Be­ reich anzutreffen ist. Bei diesem aktuellen Trend in der Rechtsform der Stiftung handelt es sich historisch gesehen um eine sehr alte Form, die sowohl ein universalgeschichtliches als auch ein speziell kirchliches Phäno­ men verkörpert.73 In Deutschland hat sich die Situation inzwischen derart entwickelt, dass speziell für die caritative Verbandslandschaft eine Vielzahl an Caritasstiftungen in den Diözesen auszumachen ist. Sie bilden ein Ele­ ment in der Verbandsstruktur und stehen unter dem Fokus der „Förderung 72  Vgl. Kristin Meyer, Katholische Stiftungslandschaft in Deutschland, in: Ans­ gar Hense / Martin Schulte (Hrsg.), Kirchliches Stiftungswesen und Stiftungsrecht im Wandel, Berlin 2009 (Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Bd. 47), 59–81, 59. 73  Vgl. zu weiterführenden historischen Details: Ansgar Hense, Katholische Stif­ tungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte, in: Wolfgang Rainer Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland. Beiträge und Diskussionen des Workshops in der Bucerius Law School am 9. Juni 2006, Köln 2006 (Schriftenreihe des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen, Bd. 1,5), 1–40, 2 f. Hense verweist zudem auf den Artikel von Hans Klagendörfer, Zum Wohle der Gesellschaft, in: Katholische Sonntagszeitung Nr. 36 vom 4. / 5.09.2004, S. 3.



I. Die Rechtsform der organisierten Caritas281

der verbandlichen und pfarrgemeindlichen Arbeit der Caritas“74. Die heuti­ gen Stiftungsgründungen müssen besonders im Kontext finanzieller Erwä­ gungen gesehen werden, denn, so fasst Ansgar Hense seine Diagnose zu­ sammen, die „Erwartung, dass Stiftungen finanzielle Deckungslücken kompensieren sollen, dürfte von nicht geringer Bedeutung gewesen sein“75. Dies sieht er sowohl für den öffentlich-staatlichen als auch innerkirchlichen Bereich für gegeben an: „Demographischer Wandel und andere Faktoren führen auch bei den Kirchen zu stärkeren Sparmaßnahmen und nicht selten zum Rückzug der Kirche aus bisher betriebenen Sozialeinrichtungen.“76

Hinsichtlich des kanonistischen Kontextes hat der kirchliche Gesetzgeber in c. 1303 § 1 CIC definiert, was das er unter einer Stiftung versteht. Dabei hält er den Rechtsakt sowie die Einrichtung selbst fest und unterscheidet zwischen selbständiger und unselbständiger Stiftungsform:77 „Unter der Bezeichnung fromme Stiftung [piarum fundationum] werden im Recht verstanden: 74  Meyer, Katholische Stiftungslandschaft, 73. Innerhalb dieser Caritasstiftungen der Diözesen werden sog. Zustifter gesucht, d. h. Menschen, die sich persönlich mit ihren finanziellen Mitteln in die caritative Arbeit unter einer bestimmten Ausrichtung einbringen. Diese Stiftungen werden also unter der Intention errichtet, dass sie zum einen der Requirierung finanzieller Mittel dienen, und zum anderen durch die Mög­ lichkeit des persönlichen Einbringens gleichzeitig eine Motivationshilfe darstellen. Diese „Gemeinschaftsstiftungen der Caritas in den Diözesen […] dienen als Träger­ stiftungen, unter deren Dach jedermann Stifter einer unselbständigen Stiftung wer­ den kann. Die Gemeinschaftsstiftungen verwalten dann treuhänderisch das Vermö­ gen und setzen es für die sozial-karitativen Aufgaben des Caritasverbandes ein“ (ebd., 76). Diese Form der Stiftung erweist sich zumeist als korporiertes Mitglied des DiCV, so z. B. die CaritasStiftung im Erzbistum Köln, die 1999 vom DiCV des Erzbistums Köln gegründet wurde. Sie unterliegt laut der Satzung und der Regelung im Erzbistum Köln für kirchliche Stiftungen der Aufsicht des Erzbischofs. (Vgl. http: /  / www.caritasstiftungen.de / aspe_shared / form / download.asp?nr=104&form_typ =stiftungen&ag_id=5616) (Zugriff: 02.01.2011). Auch die Caritas Stiftung Deutschland, die 1999 vom DCV gegründet wurde, untersteht als kirchliche Stiftung des privaten Rechts rechtlich der Erzdiözese Frei­ burg und der Aufsicht des Erzbischofs von Freiburg (http: /  / www.menschlichkeitstiften.de / 47581.html) (Zugriff: 02.01.2010). 75  Ansgar Hense, Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft kirchlicher Stiftungen, Einleitende Bemerkungen, in: Ansgar Hense  /  Martin Schulte (Hrsg.), Kirchliches Stiftungswesen und Stiftungsrecht im Wandel, Berlin 2009 (Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Bd. 47), 7–15, 7. 76  Ebd. 77  Während im geltenden Gesetzbuch zwischen selbständigen und unselbständi­ gen Stiftungen unterschieden wird, waren die Bestimmungen des CIC / 1917 auf die letztere Form eingeengt.

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E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

1° selbständige fromme Stiftungen, das heißt Gesamtheiten von Sachen, die zu den in can. 114, § 2 aufgezählten Zwecken bestimmt und von der zuständigen kirchlichen Autorität als juristische Person errichtet worden sind; 2°  unselbständige fromme Stiftungen, das heißt Vermögen, das einer öffentlichen juristischen Person auf irgendeine Weise übergeben worden ist mit der Auflage, für längere, im Partikularrecht zu bestimmende Zeit aus den jährlichen Erträgnis­ sen Messen zu feiern und andere bestimmte kirchliche Funktionen durchzuführen oder sonst in can. 114, § 2 bestimmte Zwecke zu verfolgen.“

Die in c. 114 § 2 CIC genannte Zwecktrias wurde bereits in der Untersu­ chung der Gesetzbücher besprochen. Es wurde festgehalten, dass es sich da­ bei um eine taxative und nicht abschließende dreiteilige Aufzählung handelt.78 Die selbständige kirchliche Stiftung kann als private oder auch als öffent­ liche juristische Person errichtet werden (vgl. c. 116 § 1 CIC). Als persona iuridica publica wird die Stiftung von der kirchlichen Autorität errichtet, um in nomine Ecclesiae Aufgaben wahrzunehmen, die dem Gemeinwohl zugute kommen. Zudem ist das Vermögen als Kirchengut gemäß c. 1257 § 1 CIC zu betrachten. Helmuth Pree weist in diesem Zusammenhang auf eine Unterscheidung hin, die im Gesetzbuch nicht anzutreffen ist. Es kann sich nämlich um „Stiftungen im eigentlichen Sinne, welche auf einer frommen Willensverfügung eines Stifters beruhen, handeln oder um der Verfassungsstruktur der Kirche zuge­ ordnete Zweckvermögen, welche genauer als ‚Anstalten‘ zu bezeichnen wären.“79

Eine begriffliche Differenzierung ist an dieser Stelle u. a. deshalb wichtig, weil die der Rechtsform zugeordnete Aufsicht verschieden geartet ist. Ori­ entiert sie sich bei der frommen Willensverfügung primär am Stifterwillen und der Stiftungssatzung, bildet im anderen Fall das Gesetzbuch selber den Rahmen. Demnach liegt die Grenze der Aufsichtspflicht des zuständigen Ortsordinarius z. B. in dem ihm übergeordneten Recht sowie in der Rege­ 78  Hense verweist in seinem Aufsatz auf die Enzyklika Deus caritas est, die sich einreiht in den historischen Befund, dass Caritas „immer ein besonderes Anliegen eines katholischen Stiftungswesens“ gewesen sei (vgl. Hense, Katholische Stiftun­ gen, 34). 79  Der Begriff der Anstalt findet sich nicht im kanonischen Recht, sondern ist der allgemeinen deutschen Rechtssprache entnommen. Vgl. Helmuth Pree, Aufsicht über kirchliche Stiftungen, in: Andreas Weiß / Richard Puza (Hrsg.), Flexibilitas iuris canonici. Festschrift für Richard Puza zum 60. Geburtstag. Frankfurt a. M. 2003 (Adnotationes in Ius Canonicum, Bd. 28), 421–437, 433. Kritisch zu hinterfragen ist in diesem Kontext die Feststellung von Hense, dass es sich bei einer Stiftung um ein Rechtsinstitut außerhalb der amtskirchlichen Struk­ tur, um einen so genannten „kirchlichen Satelliten“ handele. Er spricht daher von einer „Umfeldorganisation“, die „aber in einem Abhängigkeits- bzw. Zuordnungsver­ hältnis, wie das Tochter- oder Enkelgemeinwesen zum Muttergemeinwesen“ stehe (vgl. Hense, Katholische Stiftungen, 29).



I. Die Rechtsform der organisierten Caritas283

lung des Bestandschutzes einer juristischen Person, nicht aber in der Auto­ nomie des Vermögens.80 Die inhaltliche Konkretisierung der Aufsicht er­ folgt im kirchlichen Gesetzbuch nicht in umfassender Art und Weise, son­ dern dieses beschreibt, nach Pree, eher die Mindestanforderungen an den Aufsichtsträger.81 In der Anwendung dieser Bestimmungen auf die Situation in Innsbruck, ergibt sich folgendes Bild: Laut Stiftungsdekret handelt es sich bei der Caritas Innsbruck um eine persona iuridica publica. Dieses Kriterium war insbesondere deswegen wichtig, weil das Vermögen der Stiftung damit Kir­ chengut bleibt und damit ein entscheidendes Prae für diese Rechtsform auf dem Entscheidungshintergrund in Österreich unter den Stichwörtern ‚Spen­ denabsetzbarkeit‘ und ‚Anbindung an Kirche‘ bildet. Gemäß der Unter­ scheidung handelt es sich gleichzeitig um ein der Verfassungsstruktur der Kirche zugeordnetes Zweckvermögen und damit korrekt gesprochen um eine Anstalt. Es ist naheliegend, dass sich die Aufsicht der kirchlichen Autorität über eine Anstalt nicht an der Willensverfügung des Stifters zu orientieren hat. Vielmehr ist sie im Horizont der Wahrung von Kirchlichkeit, von Katholi­ zität des Rechtsinstituts und der Rechtsnormen insgesamt zu verstehen.82 Innerhalb eines Resümees zum Rechtsinstitut der Stiftung ist auch zu erwähnen, dass Stiftungen im staatlichen Bereich Konnotationen nach sich ziehen. Dafür sind im Einzelfall die jeweiligen staatlichen Regelungen, die hinsichtlich Stiftungsrecht und Stiftungslandschaft sehr unterschiedlich aus­ geprägt sein können, zu berücksichtigen.83 80  Vgl.

ebd. Pree, Aufsicht über kirchliche Stiftungen, 433. 82  Vgl. Felix Hammer, Entfaltung der Stiftung zwischen Stifterwillen und Stif­ tungsaufsicht. Determinanten des Wirkens kirchlicher Stiftungen, in: Richard Puza (Hrsg.), Kirchliche Stiftung zwischen kirchlichem und staatlichem Recht. Zur zeit­ gemäßen Profilierung eines alten Finanzierungs- und Rechtsinstituts, Berlin 2008 (Tübinger kirchenrechtliche Studien, Bd. 5), 65–87, 81. 83  Pree / Primetshofer, Das kirchliche Vermögen, seine Verwaltung und Vertre­ tung, 164. Darauf verweist auch Stefan Ihli, wenn er schreibt: „Prinzipiell unaufge­ löst und ein potentieller Streitfall bleibt die Frage der Aufsicht über Stiftungen und der diesbezüglichen Konkurrenz von Staat und Kirche“. Beispielhaft verweist er auf den Streit über den Rechtsstatus der Stiftung Liebenau, der 2009 durch den Verwal­ tungsgerichtshof Mannheim entschieden wurde (vgl. Stefan Ihli, Stiftungen im Kir­ chen- und Zivilrecht des 19. Jahrhunderts. Mit einem Ausblick auf den CIC / 1917 und den CIC / 1983, in: Richard Puza [Hrsg.], Kirchliche Stiftung zwischen kirchli­ chem und staatlichem Recht. Zur zeitgemäßen Profilierung eines alten Finanzie­ rungs- und Rechtsinstituts, Berlin 2008 [Tübinger kirchenrechtliche Studien, Bd. 5], 41–64, 64). Vgl. zur Frage nach der staatlichen Aufsicht bei kirchlichen Stiftungen: Pree, Aufsicht über kirchliche Stiftungen, 422. 81  Vgl.

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E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

Daneben ist positiv hervorzuheben, dass dieses Rechtsinstitut über eine ausgeprägte „Leistungsfähigkeit“ verfügt, die sich in seiner „Anpassungsfä­ higkeit und Flexibilität“84 zeigt, mit der auf aktuelle gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen reagiert werden kann.85 Des Weiteren hebt Ansgar Hense die Fähigkeiten der kirchlichen Stiftung hervor, einerseits „sich eng an ‚amtskirchliche‘ Kern-Strukturen anlegen“ zu können und andererseits „Freiraum für pfarrliche bzw. kirchengemeindliche Aktivitäten [zu bieten], ohne die kirchliche Zwecksetzung zu vernachlässigen“86. Diese strukturellen Kennzeichen, die für die Caritas eine hohe kirchenamtliche Identifizierung mit sich bringen – und dies muss sicherlich als der große Vorteil dieser Struktur ausgemacht werden87 –, werden ergänzt durch die Chance einer Stiftung als Motor und Aktivator88 für die einzelne Person zu dienen, sich in den Stiftungsgedanken einzubringen. Dieses Element steht allerdings hinter dem erstgenannten zurück und ist stark abhängig von der jeweiligen Umsetzung in den Pfarreien vor Ort. 3. Die Rechtsform der organisierten Caritas in der Schweiz Hinsichtlich einer Bewertung der herausgearbeiteten Situation in der Schweiz, lassen sich in der geschichtlichen Entwicklung der dortigen or­ 84  Hense,

Vergangenheit, 10. anderer Meinung ist Markus Lehner: „Die Stiftung als klassi­ sche Rechtsform privater Wohltätigkeit erweist sich durch die enge Zweckbindung als eher starres Instrument, das dem immer rascheren gesellschaftlichen Wandel nicht mehr gerecht wird. Bei einem Verein hingegen können die Aufgaben flexibel festgelegt und bei Bedarf variiert werden.“ Lehner schließt sich damit der Meinung von Georg Ratzinger in dessen Standardwerk „Die Geschichte der Armenpflege“ von 1884 an. Ratzinger hält das Stiftungswesen für überholt und ineffizient (vgl. Ratzinger, ebd., 415). Hinsichtlich der engen Zweckbindung ist jedoch auf die von Helmuth Pree eingebrachte Unterscheidung hinzuweisen, insofern es sich um die beschriebenen Zweckvermögen und damit um Anstalten handelt, gibt es zwar auch eine Ausrichtung am Stifterwillen, aber nicht in der engen Form wie bei der from­ men Willensverfügung. Zudem zeigt die momentane Expansion an Stiftungen, dass dieses Rechtsinstitut nicht überholt ist, vielmehr ist die Äußerung Ratzingers auf dem geschichtlichen Hintergrund des damaligen neu aufgekommenen und florieren­ den Vereinswesens zu lesen, das das mittelalterliche Stiftungswesen als überholt erscheinen ließ (vgl. Lehner, Caritas, 217 ff.). 86  Ebd., 9. 87  Dadurch wird das „Bewusstsein für die diakonische Verantwortung“ einer ge­ samten Ortskirche sichtbar, wie sie Norbert Greinacher und Norbert Mette einfor­ dern bzw. durch den differenzierten organisatorischen Ausbau des Engagements von Einzelnen oder Gruppen bzw. Verbänden gefährdet sehen. (Vgl. Norbert Greinacher / Norbert Mette, „Rückkehr der Kirchen in die Diakonie“, Vermächtnis und Auftrag, Vorwort, in: Concilium 24 [1988] 255 ff., 256.) 88  Vgl. ebd. 85  Diesbezüglich



I. Die Rechtsform der organisierten Caritas285

ganisierten Caritas Parallelen zu Deutschland ausmachen. Konnten in den 1920er Jahren sogar Tendenzen ausgemacht werden, eine diözesane Glie­ derung vorzunehmen, hat doch seit den 1970er Jahren89 ein Prozess des Auseinanderdriftens eingesetzt, der aktuell in einem Zustand des Gegen­ übers von Caritas und verfasster Kirche stagniert ist. In diesem Sinn hat es mehr den Charakter einer Dienstleistung, den die Caritas Schweiz der römisch-katholischen Kirche entgegenbringt, wenn es in den Statuten von 2007 heißt, dass Caritas Schweiz u. a. den Zweck „der Förderung des so­ zialen Engagements der römisch-katholischen Kirche“ (Statuten, Art. 2, 1 d) hat. Während der weltliche Rechtsstatus als gemeinnütziger Verein nach Art. 60 ff. ZGB in den geltenden Statuten in Art. 1, 1 eindeutig benannt ist, schweigt sich der Text zu einer kanonistischen Einordnung aus. Welche Indizien für eine Einordnung können zusammengetragen werden? Die Ap­ probation der Statuten im Jahr 1928 implizierte die Anerkennung des Schweizerischen Caritasverbandes seitens der kirchlichen Hierarchie. Darü­ ber hinaus lässt die Aussage des aktuellen Leitbildes, dass die Caritas Schweiz im Auftrag der Schweizer Bischofskonferenz tätig ist, auf eine Anerkennung seitens der zuständigen Autorität rückschließen. In dem Ver­ trag zwischen Caritas Schweiz und der Schweizerischen Bischofskonferenz ist weiterhin festgehalten, dass die Bischöfe das Leitbild als auch die Sta­ tuten genehmigen müssen. Dies stellt – wie bereits mehrfach unterstrichen wurde – im Vergleich zu einer Überprüfung einen weitreichenden Rechtsakt seitens des kirchlichen Amtes dar. Ist diese Bestimmung zu der der DCV Statuten identisch, so ist die Einflussmöglichkeit der Schweizerischen Bi­ schöfe in Bezug auf die Wahl des Präsidenten bzw. der Präsidentin schwä­ cher ausgeprägt, insofern die Wahl von ihnen lediglich bestätigt werden muss. Insgesamt lässt sich demnach eine Tendenz in Richtung eines privaten kirchlichen Vereins ausmachen, dieser läuft einzig die Genehmigungsklausel als satzungsgewährtes Recht konträr. Andererseits besitzen private Vereini­ gungen durchaus das Recht – wie an den besprochenen Satzungen beobach­ tet werden konnte – die zuständige kirchliche Autorität über die bestehenden Normen hinaus einzubeziehen bzw. sich an diese zu binden. Anders als auf Landesebene stellt sich die Situation in den Diözesen dar. Beispielhaft wurde das Kantonalbistum St. Gallen untersucht. Die Caritas bildet dort eine der vier diözesanen Fachstellen, d. h. sie ist direkt in die Bistumsorganisation integriert und besitzt keine Vereinsform. Es ergibt sich 89  Auf die erstaunliche Koinzidenz, dass die zu Beginn der 1970er Jahre verfass­ ten Dokumente wie die überarbeiteten Statuten und die Texte der Synode 72 in eine andere Richtung, nämlich ein verstärktes Zusammengehen von römisch-katholischer Kirche und Caritas Schweiz, deuteten, wurde oben eingegangen.

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E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

somit eine ausgeprägte Ähnlichkeit zu den Gegebenheiten in Österreich, als dort die Caritas noch als diözesanes Amt gefasst war. Allerdings mit dem staatskirchenrechtlichen Unterschied, dass im Bistum St. Gallen der Ortsor­ dinarius nicht der Alleinverantwortliche ist. Die Aufsicht über die Fachstel­ le liegt zu gleichen Teilen bei dem Katholischen Konfessionsteil des Kan­ tons St. Gallens, vertreten durch den Administrationsrat (vgl. Vereinbarung, Art. 13). In „gegenseitigem Einvernehmen“ wählen beide Parteien sowohl den Präsidenten bzw. die Präsidentin der Caritaskommission (vgl. Vereinba­ rung, Art. 4) als auch den Stellenleiter bzw. die Stellenleiterin (vgl. Verein­ barung, Art. 7). Um das System in der Diözese St. Gallen zu bewerten, müssen die Ge­ fahr wie die Chance, die ihm innewohnt, erwähnt werden. Die beschriebene Organisationsstruktur funktioniert nur unter bestimmten Voraussetzungen, dazu gehört vor allem, dass beide Seiten die gleichen Interessen verfol­ gen. Eine solche Regelung wäre z. B. für die Diözese Innsbruck undenkbar, weil die historischen Erfahrungen bzgl. des staatlichen Eingreifens bis hin zur Auflösung zu prägend waren, wenngleich hervorgehoben werden muss, dass es sich im Hinblick auf das Regime des Dritten Reichs um eine aus­ gesprochene Extremsituation handelte. Zudem setzt sich der Administrati­ onsrat aus gewählten, engagierten Katholiken zusammen. Solange sich Ad­ ministrationsrat und Bistumsleitung über die theologischen Grundlagen der Caritas einig sind und aus diesen ihre Arbeit erwachsen lassen, dürfte sich keine Gefährdung für die Verwirklichung des caritativen Sendungsauftrags ergeben. Ein Vorteil liegt in dem oben bereits benannten Umstand, dass die Ver­ antwortlichkeit für die Caritas an die kirchliche Hierarchie im Sinne des Ortsordinarius90 und gleichzeitig an ein staatskirchenrechtliches Laiengremi­ um gebunden ist. Demnach ist der Bezug zwischen Laien und Caritas trotz der nicht gegebenen Vereinsform gesichert. 4. Zusammenschau Diese Befunderhebung und -bewertung zusammenfassend muss konsta­ tiert werden, dass die Diskussion um die Rechtsstellung ein wiederkehren­ des Thema darstellt, aber mehr in dem Sinn, dass die Frage zwar bisweilen aufgeworfen wird, jedoch ohne einen durchgehaltenen und zu Ende gedach­ ten Austausch darüber, dafür mit dem ein oder anderen kolportierten Vorur­ 90  Bischof Büchel bejahte die Frage, ob er seiner Ansicht nach als Ortsordinari­ us genügend Mitspracherecht in Bezug auf die Caritas habe, und fügte den Hinweis hinzu, dass er dies insbesondere unter dem finanziellen Aspekt so wahrnehme, da er selber über keine Geldmittel verfüge.



I. Die Rechtsform der organisierten Caritas287

teil91. Die Ursachen für dieses Phänomen sind sicherlich verschieden. Das offensichtliche Funktionieren der etablierten Situation – speziell bezogen auf die Situation in Deutschland – hat einen starken Anteil daran, dass ein Bewusstsein für eine evtl. Änderung nicht vorhanden ist oder auch nicht gesehen wird. Bedenkenswert sind die bereits 1991 festgehalten Überlegun­ gen von Walter Fürst: Es „wird mit Recht auf eine generelle politische und soziale Effizienz der organisier­ ten kirchlichen Diakonie und Caritas in Deutschland verwiesen. Zweifellos kommt ihr eine erhebliche Bedeutung für das Funktionieren des Sozial- und Wohlfahrts­ staates zu, namentlich für die soziale Integration von Unterpriveligierten und Randgruppen. Nicht weniger Anteil hat sie an der langfristigen Sicherung der staatsrechtlichen Stellung sowie an der Konsolidierung des öffentlichen Ansehens der beiden gro­ ßen Kirchen in der Bundesrepublik. Man ist daher in kirchenoffiziellen Kreisen nach wie vor von ihrer politischen Notwendigkeit, ihrer kirchlichen Funktionalität und ihrer sozialen Leistungsfähig­ keit überzeugt […]. Dies mag der Hauptgrund dafür sein, daß von den Kirchen­ leitungen, soviel man weiß, in letzter Zeit kaum Überlegungen zu einer grundsätz­ lichen Neuorganisation der kirchlichen Diakonie und Caritas angestellt wurden.“92

An diesem Befund hat sich in den vergangenen 20 Jahren nichts Nen­ nenswertes verändert. Kritisch zu hinterfragen ist allerdings, ob diese Argu­ mente ausreichend sind, um den status quo zu konservieren. Setzen sie nicht primär beim Nutzen der Caritas an? Dieser hat sicherlich seinen besonders auch kirchenpolitischen Wert und darf nicht außer Acht gelassen werden, aber der Ausgangspunkt sollte gleichwohl ein anderer sein, insofern die Caritas auf ihren systematisch-theologischen Ort zu hinterfragen ist. Dieser schließt den skizzierten Nutzen nicht aus, relativiert ihn aber. Ansonsten besteht die Gefahr, wie sie von dem früheren Caritaspräsidenten Österreichs, Helmuth Schüller, beschrieben wird. Sie knüpft unbewusst an die obige Beschreibung von Fürst an: 91  Als besonders beliebt erweist sich das Beharren auf den Umstand, dass sich die Verbandsform der heutigen Caritas in Deutschland aus einer reinen Laieninitia­ tive entwickelt habe. Dem trat Markus Lehner in seiner Untersuchung zur Caritas entgegen: „Die beliebte Vorstellung, das Vereins- und Verbandswesen des 19. Jahr­ hunderts sei aus der Eigeninitiative von Laien, quasi spontan und von unten gewach­ sen, erweist sich bei näherer Analyse als Mythos.“ (Markus Lehner, Vom Bollwerk zur Brücke. Katholische Aktion in Österreich, Thaur / Tirol 1992, 27 f.) „Von Beginn an lebt es überwiegend von der gezielten Organisationstätigkeit des Klerus. Kein Handbuch der Epoche verzichtet darauf, den Priestern die Gründung und Förderung von Vereinen ans Herz zu legen bzw. ausdrücklich zur Pflicht zu machen.“ Lehner zeichnet ein detailliertes Bild des Pfarrklerus und dessen Aufgaben, besonders auch dessen Mitgehen innerhalb des Vereinswesens (vgl. Lehner, Caritas, 196). 92  Fürst, Diakonische Pastoral und pastorale Diakonie, 59.

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E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

„Es kann […] sein, daß die Kirche ihre diakonale Dimension verliert an den Irr­ tum, die Caritas könne eine Pufferzone gegenüber der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung abgeben, eine Art Knautschzone in der Konfrontation, hinter der man das kirchliche Leben möglichst autonom und abgesichert erhält. Man überläßt es der Caritas, darum zu kämpfen, worum eigentlich die ganze Kirche kämpfen sollte.“93

Schüller verortet die Caritas grundlegend innerhalb von Kirche und tritt gegen eine Abspaltung dieser Dimension zugunsten des zu erwartenden Nutzens ein. Entgegen dieser Gefahr muss der grundlegende Zusammen­ hang zwischen Kirche und Caritas profiliert werden, ansonsten droht folgen­ des Missverständnis einzutreten: „Die Kirche kann ihre caritative Dimension verlieren an ein Mißverständnis, das da lautet: Caritas als innerkirchlicher Sozialstaat. Es werden innerhalb der Kirche Zuständigkeiten geschaffen, an die die sozialen Aufgaben immer mehr delegiert werden. Wenn Kirche ihre Diakonie im großen wie im kleinen an eine deutlich abgrenzbare Caritas-Organisation, vielleicht sogar in Form eines Privatvereins zu delegieren versucht, hat das schwerwiegende Konsequenzen. Die Caritas wirkt dann wie eine ‚Plünderin‘ der Kirche, die deren Schokoladenseite mitgenommen hat auf ihre Wanderung und für viele Menschen die scheinbar bessere Kirche re­präsentiert.“94

Nach Schüller könnten die Menschen anschließend diesem Rest von Kir­ che ihre Zuwendung geben. Dabei wäre die institutionelle Abgrenzung be­ sonders hilfreich, um nicht mit der Kirche konfrontiert zu werden. Caritas würde auf diese Weise zu einer „Ersatzadresse für die Kirche“95, weil die Gefahr besteht, dass die Kirche, deren Caritas zuerst institutionalisiert und im zweiten Schritt noch einmal delegiert wird, als unglaubwürdiger Rest zurück bleibt. Reine kirchenpolitische Nutzenerwägungen greifen also zu kurz, um dar­ aus die angemessene Rechtsform der organisierten Caritas abzuleiten. Es bedarf in erster Linie einer theologischen Grundlegung der Caritas, um daraus unter Einbeziehung der momentanen gesellschaftspolitischen und staatskirchenrechtlichen Situation die entsprechenden Konsequenzen abzu­ leiten. Dabei hat die Untersuchung deutlich werden lassen, dass es nicht die eine allzeit gültige Form geben kann. Allerdings gilt es notwendige Konse­ quenzen zu ziehen und Strukturen zu verändern, wenn die theologischen Grundlagen dies erfordern.

93  Ebd.

94  Schüller, Caritas, eine „verlorene“ Dimension der Kirche?, 76. Zu berücksich­ tigen ist Schüllers uneinheitliche Begriffsverwendung. 95  Ebd.



II. Die bischöfliche Verantwortung für die Caritas289

II. Die bischöfliche Verantwortung für die Caritas Eingangs des fünften Abschnittes dieser Untersuchung wurde darauf hin­ gewiesen, dass innerhalb einer Beschäftigung mit der Caritas sich die Frage nach deren Rechtsform stets überschneidet mit der Frage nach der zustän­ digen kirchlichen Autorität und wie sich deren Verantwortung für die Cari­ tas zeigt. Nachdem daher bereits mehrfach das Thema Laienbewegung versus bischöfliche Leitung angeklungen ist, soll auch dieser Befund noch einmal gebündelt dargestellt werden und zwar mit einem besonderen Fokus auf der Frage nach dem kanonistischen Terminus der Aufsicht. Die Diskussion um die Zuständigkeit schließt sich direkt an die Frage nach der Rechtsform an, denn ein öffentlicher kirchlicher Verein steht in einer anderen Zuordnung zum Diözesanbischof als ein privater kirchlicher Verein. Aber die Frage nach der Beziehung zwischen Bischof und Caritas hat auch einen eigenen Stellenwert, dem in diesem Abschnitt aufgrund des Befundes resümierend und zugleich im Sinne eines Ausblicks nachgegangen werden soll. Wie ist dieses Aufsichtsrecht, das bereits in der Besprechung der ver­ schiedenen Satzungen erwähnt wurde, näher zu bestimmen? Franz Klein versteht das Recht zur Aufsicht als „Ausfluß der Hirtengewalt“96. Dabei sei die Aufsicht bzgl. der Caritas an die konkrete Wohlfahrtssituation in Deutschland und die ihr gemäße Organisations- und Rechtsform97 angepasst. In grundsätzlicher Weise muss die Frage nach der Aufsicht auf dem Hinter­ grund der Kodifizierung von 1983 beantwortet werden, denn innerhalb der Diskussion um den Deutschen Caritasverband und die Normen des CIC / 1983 schien sich die „überraschende Möglichkeit“ zu bieten, „die Caritas organi­ sationsrechtlich stärker in die (bischöfliche) Pastoral einzubinden und sie auf diese Weise wieder als Grundfunktion der Kirche kenntlich zu machen“98. Wird die geltende Rechtslage mit dem Begriff der Aufsicht der bischöfli­ 96  Klein,

Die Verfassung, 50 f. 51. Dies werde u. a. bestätigt durch den Beschluss der deutschen Bi­ schöfe zur Billigung der Satzungsreform von 1966: „Die Konferenz vergewissert sich in der Aussprache nochmals, daß in der Satzung die Aufsicht der Bischöfe hinreichend gesichert ist, und erteilt der Neufassung der Satzung ihre Zustimmung“ (ebd.). In der Satzung von 1966 war dem Protektor des DCV, dem heutigen Vorsitzenden der Kommission XIII, nach § 2 Abs. 2 die Aufgabe eigen, über Geist und Wirken des Vereins zu wachen. Dies war aber, nach Klein, nicht im Sinn eines direkten Eingriffsrechtes, sondern mehr als moralische Überwachung zu verstehen: In der Hauptsache obliegt ihm „die Kontrolle über die moralische Beachtung des christli­ chen Sittengesetzes, der christlichen Moralauffassung und des Gemeinwohls der Kirche“ (Klein, Die Verfassung, 50 f.). 98  Fürst, Diakonische Pastoral und pastorale Diakonie, 70. 97  Ebd.,

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E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

chen Verantwortung für die Caritas hinreichend gerecht? Diese Frage stellt sich seit Erscheinen der Enzyklika Deus caritas est erneut in ausdrücklicher Weise. Es müssen an dieser Stelle die geschichtlichen Bemerkungen innerhalb der theologischen Grundlegung der Caritas nicht wiederholt werden. Hein­ rich Pompey verweist diesbezüglich auf die Perikope in Apg 4,32–35, als Dokument für das caritative Engagement der urchristlichen Gemeinde, welches geprägt gewesen sei durch ein Miteinander der Apostel als Vorste­ her und Verantwortliche im caritativen Dienst, und der übrigen Gläubigen, die die Caritas als Ausdruck ihres Glaubens übten.99 „So bildet sich seit den Urtagen der Kirche neben der individuellen eine communial-amtliche Dia­ konie heraus.“100 Die herausragende Bedeutung des Bischofs für die Caritas entwickelte sich in den ersten Jahrhunderten der Kirchengeschichte und änderte sich erst im 8. Jahrhundert durch eine Verlagerung hin zur entste­ henden Klosterkultur.101 Für eine aktuelle Verhältnisbestimmung zwischen Caritas und Bischof sind besonders die Entwicklungen seit dem 19. Jahrhundert zu berücksich­ tigen, weil sich mit ihnen die Beurteilung der Verantwortlichkeit des Bi­ schofs für die Caritas verändert hat. Zunächst wächst die Bedeutung der Laien durch das neu aufgekommene Verständnis des Laienapostolates. Um dessen Bedeutung wissend, den Anteil der Laien aber gleichwohl nicht zum Alleinstellungsmerkmal erklärend, hebt Lorenz Werthmann im Zusammen­ hang mit der Anerkennung des Deutschen Caritasverbandes durch die Ful­ daer Bischofskonferenz die Stellung des Bischofs innerhalb der Caritas her­ vor.102 Gemäß diesen Ausführungen gibt der Bischof zum einen ein persön­ liches Zeugnis durch die eigene Caritasübung103, zum anderen bildet er die kirchenamtliche Bezugsgröße für die Caritas des Bistums, auf die er in verschiedener Weise einwirkt. Dabei beschränkt sich seine Kompetenz nach Werthmann nicht auf eine reine Koordinierung der verschiedenen Caritas­ werke, sondern versteht sich als gestaltendes und zugleich begleitendes Tun. Ein weiterer verändernder Aspekt soziologischer Art wird von Markus Lehner dahingehend eingebracht, als dass die Frage nach dem Stellenwert 99  Vgl.

Pompey, Der Bischof als „Pater pauperum“, 340.

100  Ebd. 101  Vgl.

B. II. 3. dazu das Zitat der Aussage Werthmanns am Ende der historischen Skiz­ ze zur Caritas (B. II. 3.). Lorenz Werthmann, Die Bedeutung der Fuldaer Bischofs­ beschlüsse. Über die Organisation der Caritas im katholischen Deutschland, in: Caritas 22 (1916) 2–7, 3. 103  Die gewählte Formulierung ähnelt stark der späteren Konzilsaussage und dem Normierungstext in c. 383 § 4 CIC. 102  Vgl.



II. Die bischöfliche Verantwortung für die Caritas291

der Caritas innerhalb des kirchlichen Handelns in dem Moment virulent werde, in dem die „Kirche ihre Rolle als inspirierende und normierende Kraft der öffentlichen Wohlfahrtspflege verliert“104. Dies liegt darin begrün­ det, dass sich zwangsläufig der Fokus verschiebt, wenn die äußeren gesell­ schaftlichen Implikationen wegfallen und die Kirche damit genötigt ist, auf sich selbst zu schauen. Eine erste weitgehende Diskussion über die Verhältnisbestimmung von Amt und Caritas bzw. Amt und Verein erfolgte – wie oben gesehen – Mit­ te der 1920er Jahren zwischen Karl Neundörfer, Wilhelm Wiesen und Jo­ seph Löhr. Viele der damals eingebrachten Argumente finden sich in glei­ cher bis sehr ähnlicher Weise bis heute wieder. 1. Das Direktorium für den bischöflichen Hirtendienst Im Folgenden wird an die theologisch-systematischen Grundlagen erin­ nert, wie sie sich speziell in der päpstlichen Enzyklika Deus caritas est finden. Sie werden mit den Aussagen des Direktoriums für den bischöfli­ chen Hirtendienst in Verbindung gebracht; auf die entsprechenden Normen des geltenden Gesetzbuches ist ergänzend hinzuweisen. Gegen Ende des zweiten Hauptteils seiner Enzyklika nimmt Benedikt XVI. die Träger des caritativen Handelns der Kirche in den Blick (vgl. DCE nn. 32–39). Ist das eigentliche Subjekt der caritativen Dienste und Organi­ sationen die Kirche selbst, so entspricht es ihrer bischöflich verfassten Struktur, dass in den „Teilkirchen die Bischöfe als Nachfolger der Apostel die erste Verantwortung dafür tragen, dass das Programm der Apostelgeschichte (vgl. 2,42–44) auch heute realisiert wird: Kirche als Familie Gottes muss heute wie gestern ein Ort der ge­ genseitigen Hilfe sein und zugleich ein Ort der Dienstbereitschaft für alle der Hilfe Bedürftigen, auch wenn diese nicht zur Kirche gehören.“ (DCE n. 32)

Durch die vorgenommene Anknüpfung an die apostolische Sukzession und Rückbindung an die urchristlichen Gemeindeverhältnisse erhält die Aussage des Papstes einen Grundlagencharakter hinsichtlich des bischöfli­ chen Profils im Bereich der Caritas. Zugleich gibt Benedikt XVI. den Ziel­ punkt des episkopalen Wirkens vor: „Kirche als […] Ort der gegenseitigen Hilfe“ (DCE n. 32) und zwar einer Hilfe, die nicht an der Grenze der Glaubensbrüder und -schwestern aufhört, sondern darüber in die Welt hin­ aus weist. Trägt der Bischof als oberster Hirt seiner Ortskirche die erste 104  Lehner, Caritas, 208. Zu dieser Entwicklung gehört auch, dass „Soziale Arbeit […] primär aus der Perspektive einer Seelsorgspflicht betrachtet [wird]. Sie wird als integraler Teil des Hirtenamtes gesehen“ (vgl. ebd., 208 f.).

292

E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

Verantwortung für die dortige Verwirklichung der Caritas, findet dies be­ reits in der Bischofsweihe seinen Ausdruck, indem der Weihekandidat ver­ spricht, sich diesem Dienst zu widmen.105 Gleichzeitig wird damit in der Weihe die Gleichwertigkeit der Grundvollzüge kirchlichen Lebens sichtbar, da neben Verkündigung und Liturgie auch der „Nächsten-Dienst Teil seines bischöflichen Leitungsamtes“106 ist. Benedikt XVI. konstatiert, dass das kirchliche Gesetzbuch die caritative Verantwortung des Bischofs nicht in entsprechender Weise normiert, denn diese wird „nicht ausdrücklich als eigenen Sektor des bischöflichen Wir­ kens“ behandelt, sondern der CIC spricht in c. 394 CIC „nur ganz allgemein von dem Auftrag des Bischofs, die verschiedenen apostolischen Werke unter Wahrung ihres je eigenen Charakters zu koordinieren“ (DCE n. 32). Der anschließende Verweis auf die konkreteren Entfaltungen innerhalb des Direktoriums für den pastoralen Dienst der Bischöfe107 „zum karitativen Tun als Wesensauftrag der Kirche im ganzen und des Bischofs in seiner Diöze­ se“, kann durchaus als Hinweis auf eine nicht ausreichende Normierung im kirchlichen Gesetzbuch verstanden werden.  Das Direktorium für den Hirtendienst der Bischöfe – Apostolorum Successores (AS) –, welches Anfang 2004 durch die Kongregation für die Bischöfe veröffentlicht wurde, behandelt in den Kapiteln V–VII die drei munera in Bezug auf das episkopale Amt. Den Ausführungen zum munus regendi zugeordnet findet sich ein eigener Abschnitt zur Caritas, der in der offi­ ziellen deutschen Ausgabe mit „Die Ausübung der Nächstenliebe“108 überschrieben ist (vgl. AS, nn. 193–197)109. Wie auch das päpstliche Schrei­ben greift das Direktorium als Ausgangspunkt für die Beschreibung 105  Vgl. Die Liturgischen Institute Salzburg – Trier – Zürich (Hrsg.), Die Weihe des Bischofs, der Priester und der Diakone. Pontifikale I. Handausgabe mit pasto­ ralliturgischen Hinweisen, Freiburg / Basel / Wien 1994, 32. 106  Pompey, Der Bischof als „Pater pauperum“, 339. 107  Kongregation für die Bischöfe, Direktorium für den Hirtendienst der Bischöfe Apostolorum Successores (22. Februar 2004), dt. Übers. in: VApSt 173, Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Bonn 2006. 108  Unter Verweis auf die Begriffsanalyse im Abschnitt zur Theologischen Grund­ legung der Caritas (vgl. B. II. 1.) sei darauf verwiesen, dass die gewählte Begriff­ lichkeit in der deutschen Ausgabe unzureichend ist, da der Abschnitt nicht nur die Nächstenliebe in den Blick nimmt, sondern bei deren Herkunft in der Liebe Gottes zum Menschen und im Erlösungshandeln Christi ansetzt, somit hätte der Begriff Caritas gewählt werden müssen. In AS, n. 196 wird der Urgrund der Caritas direkt ins Wort gebracht, denn der Bischof muss in ihrer Praxis „die ungeschuldete Liebe Gottes gegenüber den Menschen bezeugen“. 109  Die Thematisierung der caritativen Verantwortung des Bischofs sowie dessen nähere Konkretisierung reichen allerdings über diese Nummern hinaus und umfassen im weiteren Sinn auch Apost. Suc., nn. 199–210.



II. Die bischöfliche Verantwortung für die Caritas293

der Verantwortlichkeit des Bischofs für die Caritas die Worte der Weihe­ liturgie auf. In Konsequenz charakterisiert ihn das Dokument „als Vorsitzende[n] und Diener der Nächstenliebe“ (AS, n. 194), der einerseits durch sein eigenes Tun Zeugnis seiner Verantwortung gibt, und anderer­ seits versucht, „in allen Gläubigen […] ein tiefes Gefühl der Nächstenlie­ be und der Barmherzigkeit gegenüber allen einzupflanzen“ (ebd.). Das Ziel dieses Einsatzes liegt in der gerade genannten Vision der Verwirklichung der Familie Gottes, der Gedanke, den auch Benedikt XVI. knapp zwei Jahre später in seiner Enzyklika aufgreift. Die sich anschließenden Ausfüh­ rungen präzisieren bzw. geben konkretisierende Hinweise, wie dieses Ziel erreicht werden kann, wie die Aufgaben des Bischofs näherhin aussehen. Die verwendeten Verben lassen erkennen, dass dieser caritative Dienst des Bischofs eine ihm zukommende Leitungsaufgabe darstellt, indem er z. B. dafür „sorgt“, dass die Gläubigen unterrichtet, ermahnt und unterstützt werden, „alle Werke der Barmherzigkeit auszuüben“110 und zwar persön­ lich oder auch in Formen der organisierten Caritas (vgl. ebd.). Des Weite­ ren soll er „Unternehmungen der Caritas“ in seinem Bistum „unterstützen und fördern“111 (ebd.); um die in diesen Bereichen tätigen und auch lei­ tenden Gläubigen möge er sich „kümmern“112 (ebd.). Aber nicht nur die Bewahrung bestehender Hilfswerke, sondern auch die Initiierung notwen­ diger neuer Aktionen fällt in seinen Verantwortungsbereich (vgl. AS, n. 195). Dies setzt wiederum eine umfassende Informiertheit und auch ein ausgeprägtes Interesse seitens des Oberhirten für den caritativen Bereich voraus, denn eine reine Delegation an andere Verantwortliche würde dieser Aufgabenbeschreibung nicht gerecht. In grundsätzlicher Weise „soll der Bischof in der Diözese die diözesane Caritas fördern oder andere ähnli­ che Einrichtungen, die unter seiner Leitung den Geist der brüderlichen Nächsten­ liebe in der ganzen Diözese anregen und bei den Gläubigen der Diözese die großzügige Mitarbeit in den caritativen Werken der Teilkirche fördern.“ (ebd.)113

Zwar handelt es sich bei den Aufzählungen der verschiedenen Aufgaben um eine Konkretisierung der allgemeinen Verantwortlichkeit des Bischofs für die Caritas sowie der Aussage des erwähnten c. 394 CIC samt der dort genannten Koordination, gleichzeitig lässt aber die gewählte Begrifflich­ keit, insbesondere im Hinblick auf die Verben, genügend Freiraum in der einzelnen Ausgestaltung. Erwähnenswert ist zudem die folgende Anord­ nung: 110  Hervorhebung

des Originaltextes entfernt. N. H. 112  Herv. N. H. 113  Die Hervorhebungen des Originaltextes wurden herausgenommen. Gesetzte Herv. N. H. 111  Herv.

294

E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

„Der Bischof soll ebenfalls bestimmen, dass es in jeder Pfarrei, sofern das mög­ lich ist, eine Pfarrcaritas geben soll, die in Verbindung mit der diözesanen Caritas in der Pfarrgemeinde ein Werkzeug der Anregung, der Sensibilisierung und der Koordination der Liebe Christi sein soll.“ (AS, n. 195)

Die Herausstellung der Bedeutung der Pfarrcaritas ist aus den besproche­ nen geschichtlichen Entwicklungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zwar durchaus bekannt, schien aber in den letzten Jahrzehnten nicht mehr im Vordergrund zu stehen bzw. mit nachdrücklichem Interesse verfolgt zu werden, sodass die Erwähnung an dieser Stelle positiv hervor­ zuheben ist. Denn gerade auch innerhalb der deutschen Situation ist die Pfarrcaritas ein oftmals aus dem Blick verlorenes Tätigkeitsfeld in den einzelnen Pfarreien, da Zuständigkeiten entweder durch die DiCVs als be­ reits bearbeitet betrachtet werden oder die Notwendigkeiten des eigenen Engagements nicht mehr in den Blick kommen. Die Notiz im Direktorium ist trotz ihrer Allgemeinheit Ausdruck des Wissens um die Notwendigkeit der Organisation der Caritas auf allen Ebenen der hierarchischen Kirchen­ verfassung und zudem Ausdruck dessen, dass es auf allen Ebenen einer amtlich verantworteten Caritas bedarf, da sie als Pfarrcaritas an die Lei­ tungsvollmacht des Pfarrers gebunden wird. In zweifacher Weise wird das Amt des Bischofs verknüpft mit der Figur des barmherzigen Samariters (Lk 10,25–37), den er sich zum Vorbild neh­ men soll, indem er die Gläubigen zu Werken der Barmherzigkeit animiert (vgl. AS, n. 194) und sich speziell der Kranken und Leidenden annimmt (vgl. AS, n. 205). Dabei wird die Ausübung der Caritas mit den zwei ande­ ren Grundvollzügen, der Liturgie und der Verkündigung, verbunden (vgl. AS, nn. 194, 205, 210). Dementsprechend vermag es das Direktorium den caritativen Dienst des Bischofs als eigenständigen Bereich zu präsentieren und seinen Stellenwert zu unterstreichen. Während das Dokument innerhalb der übrigen Kapitel auf entsprechende Belegstellen im Codex Iuris Canonici verweist, finden sich solche Bezüge innerhalb des Abschnitts zur Caritas nicht. Ergänzend verweist daher Heri­ bert Hallermann in seinem Kommentar zum Direktorium auf die beiden heranzuziehenden cc. 387 und 394 CIC114 zum Bischofsamt und auf die cc. 215, 298 § 1, 301 § 2 CIC im Vereinigungsrecht.115 In Apostolorum Successores, n. 195 wird die bischöfliche Verantwortung gegenüber den 114  In der oben erfolgten Analyse der Canones des CIC wurde bereits auf die Meinung Hallermanns eingegangen, dass die Caritas dem Heiligungsdienst zuzuord­ nen sei. Darauf sei an dieser Stelle verwiesen.  115  Heribert Hallermann, Direktorium für den Hirtendienst der Bischöfe, Überset­ zung und Kommentar, Paderborn 2006 (Kirchen- und Staatskirchenrecht, Bd. 7), 244 f., 247, 250.



II. Die bischöfliche Verantwortung für die Caritas295

diözesanen Hilfswerken beschrieben. Die diesbezügliche Kommentierung von Hallermann ist kritisch zu betrachten: „In Übereinstimmung mit den cc. 215, 298 § 1 und 301 § 2 CIC wird hier zum Ausdruck gebracht, dass die caritative Tätigkeit primär dem Bereich des eigenen Apostolats der Gläubigen zugehört und somit von den Gläubigen als Einzelnen oder zusammengeschlossen in Vereinigungen ausgeübt werden soll.“116

Zunächst ist anzumerken, dass die Verfasser des Direktoriums, wäre dies die Aussageabsicht gewesen, den Text auch dementsprechend hätten formu­ lieren können. Gegen eine solche Intention spricht, dass der Text nicht auf eine Charakterisierung der Caritas an sich, sondern auf die bischöfliche Verantwortung ihr gegenüber ausgerichtet ist. Dieser anderen Perspektive korrespondiert eine Fokussierung auf den Bischof. Daher ist es gerade die umfassende Beschreibung seiner Verantwortung für die diözesane Caritas, die den Text prägt sowie schließlich in Deus caritas est die wertschätzende Hervorhebung durch Benedikt XVI. gefunden hat. Naturgemäß kann der Bischof in seiner Gesamtverantwortung nicht in gleichem Maße caritativ tätig sein wie der einzelne Christ und die einzelne Christin. Ihm kommt vielmehr eine gestaltende und koordinierende Leitungsfunktion gegenüber der Caritas zu, die aber kein Gegenüber zur unmittelbaren Ausübung der Caritas darstellt. Daher ist eine vorrangige Einordnung des caritativen Laien­ engagements vor der Beziehung zwischen Caritas und kirchlicher ­Autorität in einem „primären“ Sinn nicht gerechtfertigt. Vielmehr wird ein Charakterzug von Caritas erkennbar, der von einem Miteinander von kirch­ licher Leitung und unmittelbarer Ausübung seitens der Gläubigen geprägt sein sollte. Des Weiteren ist auf eine zweite Überlegung Hallermanns hinzuweisen, die er der genannten folgen lässt: „Auch die im Direktorium immer wieder angesprochene Diözesancaritas und die Pfarrcaritas sind demzufolge zunächst nicht als öffentlich-rechtliche oder ver­fas­ sungsrecht­liche Organisationen zu verstehen, sondern als Aufgabenbereiche, die primär durch die auf den verschiedenen Verfassungsebenen tätigen privaten kirch­ lichen Vereinigungen und nur subsidiär im Sinne des c. 301 § 2 CIC durch öffent­ liche Vereinigungen wahrgenommen werden.“117

Diesbezüglich ist auf die Besprechung der Normen des Vereinigungs­ rechts im Kontext des Rechtsstatus der deutschen Caritasverbände zu ver­ weisen. Unter Hinzuziehung der Ergebnisse zum theologischen-systemati­ schen Ort der Caritas wurde bereits erörtert, dass eine Ausübung der Caritas in nomine Ecclesiae unter die Normierung von c. 301 § 1 CIC fällt und 116  Ebd., 117  Ebd.

247 (Herv. N. H.).

296

E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

diese gleichsam notwendig ist, wenn die Kirche den ihr aufgetragenen ca­ ritativen Sendungsauftrag erfüllen will.118 Darüber hinaus wird Caritas durch Christen ausgeübt, die sich zu diesem Zweck zu privaten Vereinigun­ gen zusammenschließen können. Aber auch hier erweist sich die Erklärung, dass die Form der privaten Vereinigung der öffentlich kirchlichen auf der Ebene der Diözesan- wie Pfarrcaritas vorgeordnet wäre, als theologischsystematisch nicht haltbar. Die Argumentation Hallermanns vermittelt den Eindruck einer Gegenüberstellung von Laien und kirchlicher Autorität im Bereich der Caritas, wobei ersteren Vorrang gegenüber letzteren zukommt. Die Rechte der christifideles, so z. B. c. 215 CIC, können aber nicht gegen die kirchliche Hierarchie interpretiert werden. Gemäß c. 223 CIC, der den Titel der Pflichten und Rechte der Gläubigen beschließt, sind beide Gruppen auf das bonum commune ausgerichtet, d. h. sie sind wesentlich geprägt von einer gegenseitigen Hinordnung aufeinander. 2. Zum Begriff der Aufsicht Im Kontext des Rechtsstatus wurden die Satzungen des DCV und der beiden DiCVs betrachtet, in denen die Kompetenzen der Bischöfe bzw. der Bischofskonferenz in den Blick genommen wurden. Die geltende Satzung des DCV nennt verschiedene Rechte der Bischofskonferenz. Diese bestehen – wie oben gesehen – in der Beteiligung an der Wahl des Präsidenten bzw. der Präsidentin (Wahlordnung § 3), das Sitzungsrecht des Vorsitzenden der Kommission XIII der Deutschen Bischofskonferenz (§ 2 Abs. 4), das Recht auf Information durch den Präsidenten bzw. die Präsidentin (§ 10 Abs. 2) sowie die Mitbestimmung an manchen Beschlüssen. Dazu gehören Sat­ zungsänderungen, Zweckänderung und Auflösung des Vereins (§ 22 Abs. 2). Hinzu kommt das in § 2 Abs. 3 benannte Aufsichtsrecht der Deutschen Bi­ schofskonferenz. Das Aufsichtsrecht erscheint darüber hinaus in den Satzun­ gen der DiCVs, im Statut der Caritas Stiftung Innsbruck sowie in den Re­ gelungen hinsichtlich der Schweizerischen Caritas. Im Folgenden wird der Begriff der Aufsicht noch einmal näher betrachtet. Welche Kompetenzen seitens der zuständigen kirchlichen Autorität umfasst er? Ist die oftmals anzutreffende Sorge, dass die deutschen Caritasverbände, sollten sie als öffentlich kirchliche Vereine errichtet werden, zu sehr unter 118  Gemäß c. 301 § 2 CIC kann die zuständige kirchliche Autorität Vereine errich­ ten in bzw. für Bereiche, deren Ziele sie durch private Unternehmungen nicht ausrei­ chend erfüllt sieht. Allerdings ist durch diese Bestimmung der Kerngedanke zur Cari­ tas nicht hinreichend getroffen, insofern es um die Gewährleistung geht, dass Caritas kirchenamtlich ausgeübt wird. Dazu ist aber c. 301 § 1 CIC anzuwenden.



II. Die bischöfliche Verantwortung für die Caritas297

die episkopale Aufsichtspflicht (vigilantia) fallen, die sie in ihrer Hand­ lungsfreiheit einschränken würde, berechtigt? Es konnte bereits festgehalten werden, dass eine private Vereinigung für die kirchliche Anerkennung eine recognitio ihrer Statuten braucht, während für eine Verleihung der Rechtsfähigkeit eine probatio der Rechtstexte not­ wendig ist. Grundsätzliche Auskunft über die Aufsicht gibt c. 305 § 1 CIC in seiner Bestimmung, dass „[a]lle Vereine von Gläubigen […] der Aufsicht der zu­ ständigen kirchlichen Autorität“ unterliegen. Dieser Umstand ist darin be­ gründet, dass dem Bischof gemäß c. 381 § 1 CIC eine Aufsicht über alle christifidelis seiner Teilkirche zukommt und dies zunächst unabhängig da­ von ist, ob diese Gläubigen von ihrem Vereinigungsrecht (vgl. c. 215 CIC) Gebrauch machen. Diesbezüglich wird von allgemeiner Aufsichtspflicht gesprochen.119 Demnach stehen auch die nicht anerkannten Vereinigungen von Gläubigen unter der Aufsicht des jeweiligen Ortsordinarius (vgl. c. 305 § 2 CIC). Der Inhalt, der in c. 305 § 1 benannten Aufsicht, ist ein zweitei­ liger; zum einen besteht dieser in der Sorge der Autorität, dass in dem entsprechenden Verein „die Unversehrtheit von Glaube und Sitte bewahrt wird“120 und sich zum anderen „keine Miß­bräuche in die kirchliche Diszi­ plin einschleichen“. Der letztgenannte Aspekt korrespondiert mit der Nor­ mierung von c. 392 CIC und umfasst die Einhaltung der Rechtsordnung. Schließlich wird zur allgemeinen Aufsicht auch die Aufgabe des Bischofs zur Koordinierung der verschiedenen Werke des Apostolates in seiner Diö­ zese (vgl. c. 394 § 1 CIC)121 sowie sein allgemeines Visitationsrecht nach c. 397 § 1 CIC hinzugezählt.122 Die besondere Aufsicht123 ist ungleich konkreter und umfasst mehrere Ein­ zelbestimmungen, die sich besonders im Bereich der öffentlichen Vereine 119  Winfried

1989).

120  Schulz

ebd.).

Schulz, zu c. 305, Rdnr. 2, in: MK CIC (Stand: 10. Erg.-Lfg., Mai

spricht von der Gesamtverantwortung für Glaube und Sitte (vgl.

ebd., Rdnr. 3; Schnizer, Allgemeine Fragen, 576. die Zuordnung Helmut Schnizers (vgl. ebd., 576) ist anzumerken, dass eine Einschränkung der allgemeinen Visitationspflicht des Ortsordinarius auf die öffentlichen Vereine der Vorschrift des c. 397 § 1 CIC nicht zu entnehmen ist. Die Norm ist sehr allgemein gefasst, indem sie alle Personen (zu berücksichtigen ist c. 11 CIC), katholische Einrichtungen, heilige Sachen und Orte, die sich im Bereich der Diözese befinden, der ordentlichen bischöflichen Visitation unterstellt. Demnach umfasst das Visitationsrecht auch die rein privaten Vereine. 123  Vgl. Schulz, zu c. 305, Rdnr. 4, in: MK CIC (Stand: 10. Erg.-Lfg., Mai 1989). Winfried Aymans spricht anstatt von besonderer Aufsicht von Leitungsautorität, die sich aber nicht auf den „Träger der autonomen inneren Vereinsleitung“ bezieht, son­ 121  Vgl.

122  Gegen

298

E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

finden. Dazu gehören das Genehmigungsrecht hinsichtlich der Überarbei­ tung und Änderung von Statuten (vgl. c. 314 CIC) sowie unterschiedlich weit ausgeprägte Rechte bei der Wahl bzw. Bestimmung des / der Vorsitzen­ den des öffentlichen Vereins (vgl. c. 317 CIC). Das Vermögen von öffentli­ chen Vereinen ist gemäß c. 1257 § 1 CIC Kirchenvermögen. Für die beson­ dere Aufsicht sind im Bereich des Finanzwesens die Normen der Vermö­ gensverwaltung im Liber V heranzuziehen. Bereits in c. 319 CIC – eine lex specialis zum allgemeinen Vermögensrecht – wird festgelegt, dass der kir­ chenamtlichen Autorität (vgl. c. 312 CIC) jedes Jahr ein Rechenschaftsbe­ richt über die Verwaltung allgemein wie über die „gesammelten Spenden und Almosen“ – letztere gehören als zweckgebundene Finanzmittel nicht zum Vereinsvermögen – vorgelegt werden muss.124 Schließlich ist zu fragen, worin sich das Aufsichtsrecht im Konfliktfall äu­ ßert. Das Aufsichtsrecht beinhaltet weder eine Haftung125, besonders im fi­ nanziellen Bereich, noch ein Eingriffsrecht von Seiten der Bischöfe. Welche Möglichkeiten sind z. B. den Deutschen Bischöfen gegeben, wenn ihre Auf­ fassung nicht vom Deutschen Caritasverband rezipiert wird? Franz Klein ver­ tritt die Ansicht, dass sich „kein Verbandsorgan in einer wesentlichen Ange­ legenheit über die Auffassung der Bischöfe hinwegsetzen kann“; vielmehr würden dem Präsidenten „Recht und Pflicht obliegen, ein abweichendes Be­ ratungsergebnis eines Verbandsorgans erneut dem Protektor zuzuleiten, um gegebenenfalls eine Überprüfung der bischöflichen Auffassung zu erbitten“126. Tatsache ist, dass das besagte Aufsichtsrecht kein Eingriffsrecht in Bezug auf die laufende Geschäftsführung und in die Entscheidungen der Verbandsorga­ ne in sich einschließt.127 Dem Satzungstext ist nicht zu entnehmen, was im skizzierten Fall zu tun ist. Die letzte Option wäre der Entzug der ausgespro­ chenen Anerkennung, dass der DCV die Vertretung der Caritas bildet. dern auf die für einen Verein zuständige kirchliche Autorität in Form einer bestimm­ ten hierarchischen Instanz (vgl. Aymans-Mörsdorf, KanR II, 483). 124  Aymans weist darauf hin, dass die öffentlichen Vereine hinsichtlich ihrer „Vermögensverwaltung nicht auf die diesbezüglichen Vorgaben des allgemeinen Rechts verpflichtet“ sind, da sie diese in ihren Statuten selbständig regeln können. Im Unterschied zu den privaten rechtsfähigen Vereinen, müssen die öffentlichen aber den jährlichen Rechenschaftsbericht ablegen (vgl. Aymans-Mörsdorf, KanR II, 508). 125  Ohne dass der Deutsche Caritasverband mit allgemeinem amtlichem Auftrag tätig ist, können weder die Bischofskonferenz noch ein einzelner Bischof in Mithaf­ tung genommen werden (vgl. auch Klein, Die Verfassung, 52). 126  Klein, Die Verfassung, 51 f. Diese Meinung begründet er aber nicht. Es han­ delt sich nicht um eine rechtliche Bestimmung, sondern das beschriebene Verhalten würde eher allgemeiner Umgangsform und einer Würdigung der zuerkannten Bedeu­ tung der Amtskirche für den Verband entsprechen. 127  Vgl. ebd.



II. Die bischöfliche Verantwortung für die Caritas299 „Eine solche Situation wäre etwa dann gegeben, wenn der Verband durch staatli­ che Eingriffe in seinen Entscheidungen so beeinflußt ist, daß die Freiheit der kirchlichen Liebestätigkeit wesentlich eingeschränkt und aufgehoben ist.“128

Diese Überlegung erinnert an die erwähnten möglichen Schwierigkeiten im Kontext der Situation im Bistum St. Gallen und es ist naturgemäß immer zu berücksichtigen, dass es zu solchen Konfliktfällen kommen kann, wenn verschiedene Seiten miteinander verantwortlich zusammenarbeiten. Es stellt daher keinen hinreichenden Grund dar, ein solches Zusammenwirken von vornherein auszuschließen. Hinsichtlich des Begriffs der Aufsicht hat sich gezeigt, dass es sinnvoll ist, diesen konkreter zu fassen. Oft wird er in der Diskussion um den Rechtsstatus und das Verhältnis von Laien zum Amt negativ verwendet, indem die Befürchtung geäußert wird, dass z. B. der Rechtsstatus eines öf­ fentlichen Vereins ein Maß an Aufsicht mit sich bringt, das die eigene Autonomie gänzlich zurücktreten lassen würde. Dem ist entgegenzuhalten, dass bei aller Ungeklärtheit vieler Facetten der Aufsicht129 diese sich durch­ aus in einem übersichtlichen Maß bewegt, das als solches nicht die Negie­ rung der Selbständigkeit eines Vereins mit sich bringt. Stattdessen bietet dieses Rechtsinstitut die Möglichkeit der Rechtssicherheit, der Koordination und nicht zuletzt der Sicherung des kirchlichen Auftrags. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Verhältnisbestimmung zwischen der Verantwortung der Laien und der des Bischofs für die Caritas zum einen aus dem erhobenen bzw. dem geforderten Rechtsstatus, insofern dieser jeweils eine bestimmte Form der Beteiligung der kirchlichen Autori­ tät nach sich zieht, folgt, und zum anderen aus dem theologischen Stellen­ wert der Caritas die Notwendigkeit der amtlichen Ausübung in nomine Ecclesiae hervorgeht. Es kann und soll dabei nicht um eine Vor- und Un­ terordnung der jeweiligen Seite gehen, vielmehr muss es im Kern um ein 128  Vgl. ebd. Dies deutet auf eine sensible Stelle innerhalb der Verflechtung der Caritas zwischen Kirche und Staat hin. Die Aussage von Klein erinnert an die Schwie­ rigkeiten der lutherisch-evangelischen Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus aufgrund der staatlichen Verbindungen im Zusammenhang der Trennung zwischen geistlich und weltlich. Hinsichtlich des Caritasverbandes muss aber keine ähnliche Befürchtung gegeben sein, da er zwar Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege, aber als solcher nicht einer Bevormundung seitens des Staates ausgesetzt ist. Zudem ist die Verbindung zur Kirche weitaus deutlicher unterstrichen. Die Frage wäre, ob der Verband im Konfliktfall daher nicht eher sein Mandat als Spitzenverband abgeben würde, anstatt dass die Bischöfe ihm die Anerkennung entziehen.  129  Dazu gehört u. a. der Umstand, dass zwar eine Unterscheidung zwischen recognitio und probatio getroffen wird, aber nicht näher bestimmt ist, wie diese er­ folgt, welche Kriterien berücksichtigt werden müssen oder auf welcher Grundlage letztlich eine Genehmigung von Statuten erfolgt.

300

E. Ergebnisse und kirchenrechtliche Einordnung

„sich gegenseitig inspirierende[s] Verhältnis von Laien- und Amtsdiakonie für die caritative Sendung der Kirche“130 gehen. Eine solche Beziehung stellt hohe Anforderungen an die Mitwirkenden, da es neben dem Wissen um den gemeinsamen Ursprung im Sendungsauftrag Jesu Christi und einer Ausrichtung auf das gemeinsame Ziel, nämlich der Verwirklichung dieses Auftrages, viel an Kommunikation und Wahrnehmung des Anderen bedarf, weil es letztlich keine klare Grenzziehung zwischen der Ausübung der je­ weiligen Verantwortung gibt, sondern einen weiten Bereich an Schnittmen­ ge. Es gilt caritative Initiativen von Seiten der kirchlichen Autorität zu be­ gleiten, zu inspirieren, zu animieren, aber gleichzeitig auch zu ordnen, zu koordinieren. Dabei beschränken sich die Aufgaben nicht auf eine unterstüt­ zende bzw. eine rein subsidiäre Mitarbeit, sondern eine direkte Mitwirkung und Einmischung in konkrete Initiativen ist möglich und kann sinnvoll sein.131 Diese Überlegungen werden abgeschlossen mit einem Zitat von Heinrich Pompey, der die Konsequenzen, die dieses Verhältnis nach sich zieht, präg­ nant zusammenfasst: „Die Gesellschaftsrelevanz wie die Lebensrelevanz der Kirche hängen entschei­ dend davon ab, ob dieses kreative Zueinander gelingt.“132

130  Pompey, 131  Vgl.

132  Ebd.

Der Bischof als „Pater pauperum“, 340. ebd., 361.

F. Zusammenfassung und Ausblick Im Anschluss an die Untersuchungen und deren kirchenrechtliche ­inordnung sollen nun abschließend sowohl eine Zusammenfassung als E auch ein Ausblick hinsichtlich der Perspektiven erstellt werden, die sich aus den Befunden für das Verhältnis zwischen Caritas und Kirchenrecht ergeben. Die thematische Beschäftigung mit der Caritas hat deren Ursprungsort deutlich werden lassen: Das Hineingestelltsein des Einzelnen in den wesen­ haften und wechselseitigen Bezug zwischen der von Gott ausgehenden Liebe zum Menschen und dessen Antwort in Form von Gottes- und Nächstenliebe. Dies bildet das Zentrum aller Caritas.1 Gleichzeitig bewegt sich der bzw. die einzelne Gläubige immer innerhalb der hierarchischen Verfassungsstruktur der Kirche, welcher der caritative Sendungsauftrag Christi anvertraut ist, weswegen Caritas auch stets von Seiten des kirchlichen Amtes ausgeübt wer­ den muss. Jeder und jede Christgläubige ist zunächst verortet auf der verfas­ sungsrechtlichen Stufe der Pfarrei. Dort – wie auch auf den übrigen Ebenen der Kirchenverfassung – bildet die Caritas neben Liturgie und Verkündigung eine der drei Grundfunktionen kirchlichen Lebens. Im Rahmen der in dieser Untersuchung erstellten theologischen Grundle­ gung der Caritas wurde die biblische Verankerung an ausgewählten Periko­ pen untersucht. Dass Caritas im Selbstverständnis Jesu Christi einen heraus­ ragenden Stellenwert besessen und dieser daher seinen Jüngern und Jünge­ rinnen die Caritas zum verpflichtenden Auftrag, ja zum verpflichtenden Gebot, aufgetragen hat, wurde deutlich.2 Die biblischen Textstellen aus der frühen Kirche zeugten sodann von der verbindlichen Aufnahme und Weiterführung des jesuanischen Gebots und Beispiels.3 1  In ähnlicher Weise beschreibt es auch Heinrich Pompey: „Angesichts der ein­ drucksvoll organisierten kirchlichen Caritas ist nicht zu vergessen, daß die Praxis christlicher Caritas im Nahraum eines jeden Menschen beginnt (vgl. Mt 18,20). Jedes helfende Wort und jedes praktische Zur-Hand-Gehen eines Gliedes zugunsten eines Mitmenschen ist Caritas der Gemeinde. Das unmittelbare Miteinander-Leiden und Einander-Helfen ist Hauptaufgabe von Gemeindecaritas.“ (Pompey, Art.: Caritas, LThK3, Bd. 2, 948.) 2  Vgl. dazu insbesondere die Besprechung Lk 10,25–37 unter Hinweis auf Lk 10,38–42, wo sich das Doppelgebot in Verbindung mit einer Konkretisierung des Verständnisses der Gottes- und Nächstenliebe darstellt.

302

F. Zusammenfassung und Ausblick

Die historische Skizze gab Hinweise auf den durchgehend hohen Stellen­ wert der Caritas im Christentum bzw. in der römisch-katholischen Kirche und zeichnete gleichzeitig ein Bild von anhaltender bischöflicher Verant­ wortung für die Caritas, wenngleich diese momentan nicht mehr derart ausgeprägt und selbstverständlich ist wie in den ersten Jahrhunderten. 3

Auffällig ist jedoch, dass die Caritas im deutschsprachigen Bereich inzwi­ schen vielfach aus dem direkten Gemeindeleben ausdifferenziert worden ist. Zwar wurde seit den 1960er Jahren versucht, einen gegenläufigen Prozess zu initiieren, indem eine intensive theologische Auseinandersetzung mit den drei Grundfunktionen kirchlichen Lebens erfolgte. Diese Bemühungen wurden allerdings nur mit mäßigem Erfolg belohnt.4 Die Botschaft wurde freilich gehört, aber es wurden keine Konsequenzen daraus gezogen. Helmut Schül­ ler spricht diesbezüglich von einer „mißverständlichen Interpretation“, weil „lediglich der Eindruck entstanden [ist], daß Caritas neben Verkündigung und Liturgie ‚auch‘ wichtig sei“5. An diesem status quo konnten bisher weder theologische Differenzierungen in der Art, wie sie Karl Lehmann getroffen hat, demnach sich die Grundfunktionen nicht durch eine Gleichwertigkeit, sondern durch eine Gleichursprünglichkeit auszeichnen,6 noch die ausdrück­ lichen Darlegungen von Benedikt XVI. in der besprochenen Enzyklika (vgl. DCE, n. 25) etwas – zumindest nicht in signifikanter Weise – ändern.7 Eine zweite Tendenz, die sich speziell in Deutschland aufgrund der hie­ sigen Caritasstrukturen entwickelt hat, besteht in der Übertragung der eige­ nen Verpflichtung zur Caritas an dafür eingerichtete Organisationen in Form der Diözesancaritasverbände bzw. des Deutschen Caritasverbandes. Die ei­ gene Zuständigkeit wird vielfach – natürlich gibt es auch andere Beispiele8 3  Vgl. die Zeugnisse der ersten beiden Summarien in der Apg 2,42–47; 4,32–35 sowie die „caritative Großaktion“ (Gnilka, Das Unterscheidende Merkmal, 34) des Apostels Paulus für Jerusalem (2 Kor 8 f; 1 Kor 16,1–4; Röm 15,25–28). 4  Vgl. ebd., 947. 5  Schüller, Caritas, eine „verlorene“ Dimension der Kirche?, 75. 6  Vgl. Lehmann, Nochmals: Caritas und Pastoral, 10. Lehmann will damit ei­ ner möglichen Einebnung der drei Grundfunktionen wehren. „Die drei Grundvollzü­ ge behalten gerade in ihrer Verschiedenheit die Möglichkeit, zueinander in einem inspirierenden, korrigierenden und erneuernden Verhältnis zu stehen. Das Ineinander der drei Funktionen darf darum nicht zu harmlos und zu harmo­ nistisch verstanden werden“ (ebd.). 7  Für die tiefgreifende Analyse der Hintergründe und Ursachen für diese Situa­tion bedarf es einer eigenen Untersuchung. 8  Beispiele, in denen Einzelne bzw. Pfarreien durch ihr caritatives Engagement Schlagzeilen machen wie z. B. Franz Meurer, der in den Kölner Stadtteilen Höhen­ berg und Vingst Pfarrer ist. Sein Motto lautet: „Gemeinde bedeutet für einander da zu sein“ und weiter: „Kirche ist nicht für sich selbst da. Kirche ist für die Menschen da.“ 2006 wurde ihm für sein soziales und politisches Engagement die Kardinal-



F. Zusammenfassung und Ausblick303

– verlagert auf vermeintlich ausschließlich zuständige, professionelle Ein­ richtungen. Auf diese Entwicklung passt der von Schüller geprägte Aus­ druck einer „Kaffee-häferl-Mentalität“9, d.  h. die caritative Dimension christlicher Existenz reduziert sich bzw. verschwindet und zurück bleiben reine „Sonntagsgemeinden“, die „den Gottesdienst und das Gebet als das eigentlich Religiöse“10 betrachten. In kritischer Wahrnehmung dieser Ver­ schiebung betonte Alfred Hierold 2002 ausdrücklich, dass sich das Gebot zur Nächstenliebe in erster Linie und ausdrücklich in seiner Verpflichtung an die einzelne gläubige Person richte.11 Walter Fürst hat die Situation hinsichtlich der drei Grundfunktionen kirchlichen Lebens 1991 auf den Punkt gebracht: Hinsichtlich der Verhält­ nisbestimmung zwischen den drei Grundfunktionen existiert ein Bruch zwischen Theorie und Praxis. Der Theorie zufolge sind sie „gleich wichtig, sie durchdringen sich gegenseitig und konstituieren so christliche Gemeinde und Gemeinschaft“12. Bezogen auf die Praxis geht Fürst jedoch so weit, dass er von einer „tiefe[n] Kluft zwischen den Grundfunktion“13 spricht: „Wortverkündigung und Liturgie, vielleicht noch sakramentale Restbestände der Seelsorge, sind die Domäne der parochialen und kategorialen Pastoral, die Diako­ nie hingegen, in beiden Konfessionen oftmals verkürzt und gleichgesetzt mit Caritas im Sinne sozialer Fürsorge, fällt weithin in die Zuständigkeit des Caritas­ verbandes bzw. Diakonischen Werkes.“14

Zu berücksichtigen sind vor allem die Konsequenzen, die eine solche Spaltung in μαρτυρία und λειτουργία auf der einen Seite und διακονία auf der anderen Seite nach sich ziehen würden. In der Besprechung der Caritas innerhalb des deutschen Bereiches wurde auf die Wahrnehmung der Caritas hingewiesen und dass deren Arbeit im Bewusstsein vieler Menschen positiv mit der katholischen Kirche verknüpft wird. Angewandte Caritas macht das Zeugnis der Kirche von Jesu Tod und Auferstehung, seine Hingabe und Liebe zu allen Menschen bis in den Tod, glaubwürdig.15 Demnach stünde diese Glaubwürdigkeit mit dem Verlust der Caritas auf dem Spiel.16 Frings-Medaille des Katholisch-Sozialen Instituts verliehen (vgl. http: /  / www.dom radio.de / aktuell / 4912 / kardinal-frings-medaille-an-pfarrer-meurer.html,http: /  / www. domradio.de / includes / audioplayer_popup.asp?beitrag= 4982). 9  Schüller, Caritas, eine „verlorene“ Dimension der Kirche?, 80. Die österreichi­ sche Redensart von dem Bild einer Kaffeetasse soll die Gefahr der Selbstgenügsam­ keit verdeutlichen, die mit dem Wesen christlicher Existenz nicht in Einklang zu bringen ist. 10  Lehmann, Nochmals: Caritas und Pastoral, 6 f. 11  Hierold, Ist Caritas organisierbar, 285. 12  Fürst, Diakonische Pastoral und pastorale Diakonie, 53 f. 13  Ebd. 14  Ebd.

304

F. Zusammenfassung und Ausblick

Die Gefahr zeigt sich signifikant darin, dass sich Diözesanbischöfe von Ortskirchen im außereuropäischen Raum für die Realisierung der Caritas in ihrem Verantwortungsbereich nicht zuständig fühlen.17 Diesbezüglich schließt sich direkt die Frage nach der Vollständigkeit der Teilkirche an, denn insofern diese die Kirche Christi abbildet, zu welcher aber notwendig die Caritas gehört, würde die Konsequenz lauten, dass in diesen Ortskirchen Kirche Christi nicht vollständig verwirklicht ist. 1516

Diese Situationsbeschreibung sollte aber angesichts der Grundsätzlichkeit, mit der Benedikt XVI. 2005 den Stellenwert der Caritas festgehalten hat (vgl. DCE, n. 25 a), nicht zu Resignation führen, sondern vielmehr zu Über­ legungen Anlass geben, welche Konsequenzen diese Wesensbestimmung von Caritas nach sich zieht. Unter dieser Intention stand auch die vorliegen­ de Untersuchung. Welche Perspektiven sind also den vorgenommenen Be­ sprechungen für das Verhältnis zwischen Kirchenrecht und caritativem Sendungsauftrag der Kirche zu entnehmen? Für die universalrechtliche Ebene führte dies zunächst zur Frage nach der Normierbarkeit von Caritas. Der im dritten Abschnitt dieser Arbeit erhobene Befund zu den universalkirchlichen Gesetzbüchern ließ positive Akzentset­ zungen hinsichtlich der Berücksichtigung der Caritas erkennen, aber gleich­ 15  Vgl. ebd. Des Weiteren bereits in gleicher Weise: vgl. Reisch, Caritas(wesen), 701 f. Die Konsequenz, die eine Trennung von Caritas und Verkündigung nach sich ziehen würde, beschreibt Alfred Hierold mit den Worten: „Zwischen dem Zeugnis der Kirche für das Wort und dem Tun der Caritas besteht eine wechselseitige Bezie­ hung; das eine bedingt das andere, weckt, verstärkt oder mindert es. Die Verkündi­ gung würde ohne das caritative Tun unglaubwürdig, dieses ohne die Rückbesinnung auf das Wort Gottes bloßes humanitäres Helfen.“ (Hierold, Grundlegung und Orga­ nisation, 33.) Ohne die Verbindung zur Caritas bliebe die Liturgie einzig in sich selbst verhaftet. Dabei ist Liturgie in ihrem Wesen auf die Caritas hin ausgerichtet: „Der Abschluss der Messfeier bildet die Brücke von der Feier zum Alltag. Der Se­ gen und der Ruf Ite missa est machen deutlich: Der Gottesdienst innerhalb der Kirchenmauern ist zu Ende, jetzt beginnt der Gottesdienst des Lebens. Die Gläubi­ gen sind gesandt zum Handeln und zur Verkündigung der frohen Botschaft.“ (Ulrich Müller, Gottesdienst und Nächstendienst. Wo und wie die Caritas in der Eucharis­ tiefeier konkret wird, in: Gottesdienst 44 [2010] 17–19.) 16  Ebd., 54. Der französische Bischof Jaques Gaillot (geb. 1935) drückte es in einem seiner Buchtitel in zugespitzter Form aus: „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts!“ Erfahrungen eines Bischofs. Freiburg / Basel / Wien 21991. Gaillot, der von 1982 an 13 Jahre bis zu seiner Absetzung Bischof von Évreux war, kann sicherlich mit dem alten Titel des Caritasbischofs bezeichnet werden, auch wenn sein Engage­ ment schließlich aufgrund zahlreicher Konflikte mit dem Apostolischen Stuhl zu seiner Absetzung führte. 17  Diese Beobachtung wurde innerhalb eines Recherchegespräches für die Disser­ tation von einem Caritasverantwortlichen eingebracht. Dieser Einschätzung konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter nachgegangen werden, da es sich dabei um einen eigenständigen Untersuchungsbereich handelt.



F. Zusammenfassung und Ausblick305

zeitig eine systematische Behandlung des caritativen Sendungsauftrags vermissen. Ein überwiegender Gebrauch der Caritas als wahllos verschö­ nernde Begrifflichkeit18 ist kritisch zu hinterfragen, da dies ihrem Stellen­ wert als Kernbestandteil des christlichen Glaubens nicht gerecht wird. Abschließend soll daher an dieser Stelle festgehalten werden, dass sowohl der CIC als auch der CCEO einer Profilierung des caritativen Auftrages bedürfen. Dies bedeutet nicht, dass es ein eigenständiges Buch innerhalb des CIC zur Caritas geben muss. Die oben geführte Diskussion hat ergeben, dass die damit verbundene Argumentation nicht hinreichend ist.19 Bevor überlegt wird in welcher äußeren Form, d. h. in welcher Gliederung sich die Caritas im Gesetzbuch wiederfindet, müssen die Stellen benannt werden, die einer Berücksichtigung der Caritas bedürfen. Die vollständige Ausarbei­ tung der Stellen samt Textvorschlag kann diese Arbeit nicht leisten, es sei aber darauf hingewiesen, dass die Caritas über den erhobenen Befund hin­ ausgehend einer ausdrücklichen Normierung im Hinblick auf das Amt des Bischofs, des Pfarrers und des Diakons sowie einer Verankerung im Sen­ dungsauftrag aller christifideles bedarf. Beispielhaft könnte eine theologi­ sche Grundnorm zur Caritas in Anlehnung an den Eröffnungscanon zum Verkündigungsrecht (c. 747 CIC; 595 CCEO) das Recht wie die Pflicht der Kirche Jesu Christi zur Caritas festhalten.20 Hinsichtlich einer Einordnung einer solchen Norm in die beiden Gesetzbücher ist zunächst darauf hinzu­ weisen, dass es innerhalb der Systematik des CCEO einfacher ist, eine solche Bestimmung einzubringen. Dem Ökumenismus (cc. 902–908 CCEO) vergleichbar könnte ein zusätzlicher Titel über den caritativen Auftrag ein­ gefügt werden. Demgegenüber ist eine Einreihung in den CIC, aufgrund seiner Gliederung in sieben Bücher, weitaus schwieriger. Die benannte theologische Grundnorm könnte aber im Katalog der Rechte und Pflichten aller Gläubigen (cc. 208–223 CIC) ergänzt werden. Darüber hinaus müsste die Möglichkeit geprüft werden, c. 215 CIC zur Vereinigungs- und Ver­ sammlungsfreiheit um die theologische Aussage zu erweitern, dass dieses Recht dem Wesen der Kirche entspricht, insofern darin ihr caritativer Sen­ dungsauftrag verwirklicht wird. Müsste der passende Ort für eine grundle­ gende Normierung erst gefunden werden, bereiten die weiteren Erwähnun­ gen der Caritas weniger Schwierigkeiten, da sie in die bestehenden Canones vielfach eingefügt werden könnten. Die Aussage des c. 383 CIC, dass der Bischof vor allen Zeuge der Caritas Christi sein muss, könnte zum Beispiel durch eine ausdrückliche Erwähnung in c. 394 CIC einen eigenen Stellen­ 18  Vgl.

Resümee zum Befund der Gesetzbücher unter C. IV. dazu Abschnitt C. II. 1. 20  Vgl. zum Verpflichtungscharakter der Caritas die Ausführungen im Exkurs: Recht und Moral. 19  Vgl.

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F. Zusammenfassung und Ausblick

wert erhalten. Diesbezüglich müsste jedoch vorher die Begriffsverwendung der Werke des Apostolats und der Caritas vereinheitlicht werden.21 In glei­ cher Weise müssten Aussagen zu Pfarrer22 und Diakon23 sowie für die Verfassungsebene der Diözese (c. 369 CIC) und Pfarrei (c. 515 CIC) getrof­ fen werden. Innerhalb des Vereinigungsrechts erscheint die Aussage zur Caritas als ausreichend, da sie in c. 299 CIC bereits als mögliches Ziel des Vereins benannt wird. Eingangs wurde darauf hingewiesen, dass die Aussicht auf eine caritative Normierung vielfach auf Ablehnung stößt, da eine zu enge Fassung dieses Dienstes befürchtet wird. Damit ist die grundsätzliche Frage nach der Mög­ lichkeit einer caritativen Normierung gegeben. Dem ist entgegen zu halten, dass eine rechtliche Fassung der Caritas – soweit sie notwendig ist – immer eine Gradwanderung darstellt. Einerseits bedarf es im Bereich der Caritas keiner dem Sakramenten- oder Verkündigungsrecht quantitativ gleichwerti­ gen Normierung. Es ist darauf zu achten, dass die spontanen Initiativen und das ausgeprägte Engagement vieler Gläubiger, die ein besonderes Charisma für die Caritas besitzen, nicht eingeengt werden. Andererseits erfordert die Caritas eine rechtliche Fassung aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsschutzes, indem es nicht darum geht, die Caritas in ein Korsett eng­ maschiger Rechtsvorschriften zu pressen.  Mit Blick auf die partikularrechtliche Erarbeitung konnte aufzeigen wer­ den, dass eine Festschreibung der organisierten Caritas auf eine bestimmte Form nicht sinnvoll ist. Vielmehr sind die jeweiligen Modelle das Ergebnis historischer Entwicklung und Reaktion auf zeitgeschichtliche Prägung. Im Vergleich zwischen der Verbands-, der Stiftungsform und der staatskirch­ lich bedingten Gestalt der organisierten Caritas im Bistum St. Gallen wer­ den deren jeweilige Vor- und Nachteile sichtbar. Letztlich kann ihre Ange­ messenheit überprüft werden, indem sie daraufhin hinterfragt werden, in­ wiefern sie der Caritas als Sendungsauftrag der Kirche Jesu Christi gerecht werden. Dies impliziert die Frage, ob die Organisation der Caritas eine verantwortliche Beteiligung kirchlicher Amtsträger, auf der Ebene der ­Diözese die des Bischofs, und gleichzeitig eine verantwortliche Beteiligung der Laien ermöglicht. Initiativen erwachsen dabei durchaus auf Pfarreiebe­ ne, aus dem Engagement Einzelner, die von Seiten der kirchlichen Hierar­ 21  Vgl.

die mehrfachen Belege unter Abschnitt C. II. 2. die Aussagen unter C. II. 2. a) zu den cc. 528 f. 23  Die Zuordnung einer Norm zur Caritas für den Diakon ist nicht direkt er­ sichtlich, da es zwar mit c. 757 CIC eine Bestimmung zu dessen Dienst am Wort gibt, aber eine Zuordnung zur Caritas passt an dieser Stelle nicht. Eventuell könnte der Diakon im Zusammenhang mit der theologischen Grundnorm eigens hervorge­ hoben werden aufgrund seiner besonderen Nähe zum caritativen Sendungsauftrag. 22  Vgl.



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chie aufgegriffen werden können, insofern sich darin der Sendungsauftrag Christi abbilden soll. Wenn sich nun gezeigt hat, dass die Organisation als privater kirchlicher Verein dem Stellenwert von Caritas nicht gerecht wird und stattdessen die Fassung des öffentlichen kirchlichen Vereins gewählt werden sollte, so ist noch einmal abschließend zu unterstreichen, dass dies nicht in der Intention gründet, die Caritas unter eine stärkere Kontrolle seitens des kirchlichen Amtes zu bringen. Zudem würde eine solche Umwandlung vom privaten kirchlichen Verein ohne Rechtspersönlichkeit in einen öffentlichen kirchli­ chen Verein nicht die befürchtete Strangulierung der Caritasverbände nach sich ziehen, weil die Analyse der Satzungen des DCV und der DiCVs von Köln sowie München und Freising gezeigt hat, dass die bisher aufgrund der Satzung gewährten Rechte nahezu identisch sind mit den Rechten, die dem Ortsordinarius aufgrund seines Amtes im Rahmen eines öffentlichen Vereins zukommen. Die geforderte Veränderung resultiert insbesondere aus der theologisch-systematischer Grundlegung der Caritas, dernach es nicht aus­ reichend ist, wenn dem Bischof in Bezug auf die organisierte Caritas in seiner Diözese einzig satzungsgewährte Rechte und nicht solche qua seines Amtes eigen sind. Die Arbeit begann mit dem provokanten Zitat von Joseph Löhr, der dar­ in die geläufige Meinung wiedergab, dass sich das strenge Recht und die milde Caritas als unversöhnliche Gegensätze gegenüberstünden.24 Wie be­ reits bei Löhr, so soll auch diese Arbeit dazu dienen, jenes Vorurteil zu widerlegen. Sowohl die Caritas als auch das Kirchenrecht sind im Wesen der Kirche Jesu Christi verankert. Die von Papst Benedikt XVI. in seinem Brief an die Seminaristen25 eingebrachten Charakteristika des Kirchenrechts, seine innere Notwendigkeit und seine praktischen Anwendungsformen, be­ schreiben in gleicher Weise die Caritas. Caritas und Kirchenrecht bilden keine unüberbrückbaren Gegensätze. Sie stehen durchaus in einem spannungsreichen Gegenüber, insofern sie aber in eine wechselseitige Beziehung gestellt werden, erweist sich diese für beide Seiten als fruchtbar, denn das Recht lässt die Caritas nicht folgenlos werden und die Caritas das Recht nicht abstrakt. 24  Löhr,

Kirchenrecht und Caritas, 97. XVI., Schreiben an die Seminaristen (18.10.2010). Die vollständige Bemerkung zum Kirchenrecht lautet unter Nr. 5: „Lernt aber auch das Kirchenrecht in seiner inneren Notwendigkeit und in seinen praktischen Anwendungsformen zu verstehen und – ich wage es zu sagen – zu lieben: Eine Gesellschaft ohne Recht wäre eine rechtlose Gesellschaft. Recht ist die Bedingung der Liebe.“ Vgl. http: /  /  www.vatican.va / holy_father / benedict_xvi / letters / 2010 / documents / hf_ben-xvi_let _20101018_ seminaristi_ge.html (letzter Zugriff: 06.02.2011). 25  Benedikt

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Auswahl verwendeter Internetseiten www.vatican.va (Apostolischer Stuhl) www.caritas-tirol.at (Caritas im Bistum Innsbruck) www.caritas.org (Caritas Internationalis) www.caritas-international.de (Caritas International – Hilfswerk des DCV) www.caritas.at (Caritas Österreich) www.caritas.ch (Caritas Schweiz) www.caritasstiftungen.de (Caritas-Stiftungen) www.menschlichkeit-stiften.de (Caritas Stiftung Deutschland) www.caritas-stgallen.ch (Caritasstelle St. Gallen) www.fastenopfer.ch (Das Fastenopfer) www.caritas.de (Deutscher Caritasverband) www.caritas.erzbistum-koeln.de (Diözesancaritasverband des Erzbistums Köln) www.caritasmuenchen.de (Diözesancaritasverband des Erzbistums München / Freising) www.fundraising.at (Fundraising Verband Austria) www.caritaswissenschaft.uni-freiburg.de (Institut für Caritaswissenschaften Freiburg) www.sg.kath.ch (Katholischer Konfessionsteil des Kantons St. Gallen) www.lvbayern.caritas.de (Landescaritasverband Bayern)

Personenverzeichnis Acapovi, Crépin Magloire C.  94 Ahlers, Reinhild  146, 261 Altermatt, Urs  186, 236 f., 239, 242, 247, 250 Althaus, Rüdiger  160, 162, 164, 166 f., 231, 234 Amberger, Joseph  116 Ambühl, Joseph  240, 242, 244 Andrés, Domingo  150 Arnold, Jonas  242, 244, 247, 250 Aymans, Winfried  25, 29, 33 f., 113 f., 124, 129, 132 ff., 137, 139 f., 146 f., 150–154, 158, 161 f., 271, 297 f. Baldus, Manfred  76, 118, 202 Barion, Hans  28, 34 Basilius von Caesarea  73 f. Bauckham, Richard  60 Bauer, Josef  225 Baumgartner, Alois  46 Baumgartner, Isidor  104 f. Belarmin, Robert  22 Benedict, Hans-Jürgen  44 Benedikt XV.  114, 123 Benedikt XVI.  14, 17, 39, 90, 92–100, 102 f., 105 f., 109, 111, 186, 291 ff., 295, 302, 304, 307 Besson, Marius  238 Bier, Georg  138–144 Borgmann, Karl  41, 82 Boskamp, Karl  208 Both, Louis  238 Bovon, François  59 ff. Büchel, Markus  236, 249 ff., 250 f., 256, 258, 286 Bühler, Franz Josef  240 Bürkler, Robert  239

Carlen, Louis  252 Cavelti, Urs Josef  252 f. Collins, John N.  44 Cordes, Paul Josef  17 f. Corecco, Eugenio  26 Cyprian von Karthago  73 f. Dahmen, Ulrich  61 Degenhardt, Hans-Joachim  64 Demel, Sabine  28, 32, 37, 83 Demmer, Klaus  56 Deuringer, Karl  61  Dombois, Hans  25  Dragovitija, Joan de  73 f. Dütz, Wilhelm  207 Eckert, Alois  194 Eder, Manfred  187, 212–215 Eichmann, Eduard  114, 117, 119 Engler, Egon  88 Erdő, Péter  20 f., 25 Faulhaber, Michael  215 Feine, Hans Erich  21 Feldhoff, Norbert  76, 81, 119, 187, 192, 208, 211 Fischer, Antonius  203 f., 206 f. Friedberg, Emil  21 Friedrich, Philipp  214 Frings, Joseph  208, 263, 303 Frisk, Hjalmar  58 Fürst, Walter  187, 194, 272, 287, 289, 303 Gabriel, Karl  78, 100 f., 103, 186 Gaillot, Jaques  304

330 Personenverzeichnis Gantner, Petra  87, 225, 229 Gatz, Erwin  72, 133, 205, 212, 218, 226 Georges, Heinrich  40 Gerosa, Libero  14, 83 Gielen, Marlies  130 Gnilka, Joachim  49 f., 68 f., 302 Graulich, Markus  55 Greinacher, Norbert  284 Grillmeier, Alois  32 Gruscha, Anton Joseph  218 Haering, Stephan  24, 88 Hallermann, Heribert  16, 125, 127, 144, 183, 294 ff. Hammer, Felix  283 Hänggi, Anton  247 Harris, Murray J.  65, 68 ff. Hartmann, Felix von  204 ff., 209, 279 Heckel, Martin  22 Heinemann, Heribert  51, 81, 118 f., 124, 128, 207, 270 f., 273 Hense, Ansgar  72, 75, 280 ff., 284 Henseler, Rudolf  147–155 Hierold, Alfred E.  15 f., 41 f., 68, 80, 82–89, 113, 116, 122, 126, 132, 169, 183, 259, 261, 269, 273, 278, 303 f. Hiti, Max J.  224 Hollerbach, Alexander  261, 269 f. Huber, Christian  36 Huizing, Petrus  36 f. Hünermann, Peter  33 f. Hüssler, Georg  194 Ihli, Stefan  283 Jiménez Urresti, Teodoro  36 Joerger, Kuno  87 Johannes XXIII.  31, 123 Johannes Paul II.  87 f., 90, 103, 172, 271 Kehl, Medard  24 Kissling, Wilhelm  243

Klecatsky, Hans R.  225  Klein, Franz  38, 40 f., 63, 77 f., 83, 113–116, 119–123, 128, 185, 192, 197, 199, 260, 273 König, Franz  226 Krämer, Peter  14 ff., 25, 30, 32 ff., 37, 51, 53 f., 76, 83, 118, 124, 271, 275 Kreutz, Benedict  194, 201, 208 Kreutzwald, Peter Carl Aloys  202  Kronthaler, Michaela  218, 220–224 Krummenmacher, Jürg  247, 249 Küberl, Franz  224 Kuhn, Karl-Christoph  36 Lausberg, Peter Joseph  205 Lehmann, Karl  80, 93, 101, 261, 272, 302 f. Lehner, Markus  47, 115 f., 193, 221, 223, 225, 284, 287, 290 f. Levie, Dagobert de  42 Liebmann, Maximilian  221 Liese, Wilhelm  72, 75 f. Lindemann, Andreas  46 Listl, Joseph  23 f., 192 Löhr, Joseph  13 f., 80, 227, 261 f., 267–270, 278, 291, 307 Lüdicke, Klaus  168 Luterbacher Maineri, Claudius  236 Luther, Martin  22, 26 Luz, Ulrich  58 f., 63 Mansi, Giovanni  77 Marcic, René  54 Marcuzzi, Pier Giorgio  154 Marti, Christian  236, 241, 243 Martίnez Sistach, Lluis  273 f., 276 Maurer, Catherine  191 Mayer, Karl  221 Mette, Norbert  284 Meurer, Franz  302 f. Meyer, Kristin  280 f. Meyer, Wilhelm  250 Miquel, Pierre  78

Personenverzeichnis331 Mörsdorf, Klaus  25–32, 35, 48, 114, 117, 119, 124, 129, 132 ff., 137, 139 f., 146 f., 150–154, 158, 161, 265, 297 f. Müller, Franz  194 Müller, Johannes Ev.  215 Müller, Joseph  203 Müller, Klaus  98 Müller, Ludger  28, 36 f., 52, 54 f., 57, 83, 112 Müller, Ulrich  304 Mussinghoff, Heinrich  159 f., 264 

Räber, Innozenz Maria  240 Rahner, Karl  53 Ratzinger, Georg  72, 284 Rees, Wilhelm  271 Reinhardt, Heinrich J. F.  51, 130–135, 271 Reisch, Erich  83, 304 Riedel-Spangenberger, Ilona  31, 35 Rody, Franz  202 Rouco Varela, Antonio Marίa  31 Rüfner, Wolfgang  192 ff. Rusch, Paulus  228

Neher, Peter  109, 194 Neundörfer, Karl  227, 261–270, 291 Neves de Almeida, Osvaldo  91 Noppel, Constantin  190, 205 Nörber, Thomas  205

Sattler, Dorothea  168 Schärmer, Georg  228, 232 Schaub, Franz  187 f. Scheidgen, Hermann-Josef  208 Scheller, Benjamin  75, 77 Scheuer, Manfred  230 Schmaus, Michael  136 Schmidhalter, Matthias  236, 244, 247 Schmidle, Johannes E.  218–222, 227 Schmitz, Heribert  24 f., 29, 53 f., 56, 88, 113, 123, 138, 271 Schnizer, Helmut  131 f., 207, 297 Schüller, Helmut  105, 193, 287 f., 302 f. Schulte, Karl-Josef  208 Schulz, Winfried  165, 207, 276, 297 Schwendenwein, Hugo  138 Sebott, Reinhold  155, 179 Seiler, Roger  77 Simonis, Walter  51 Sobański, Remigiusz  25, 51–55, 57, 59  Socha, Hubert  156, 265 Söding, Thomas  45, 94 Soglia, Giovanni  24 f. Sohm, Rudolph  20 f., 25–29, 31 Spindler, Wolfgang  28 Splett, Bruno  202, 207 f., 211 Stammler, Jakob  240 Stehlin, Albert  194

Oetterli, Stefan    236–241, 255 Ohly, Christoph  17 f., 39, 111 f., 264 Otte, Gerhard  56 Paarhammer, Hans  176 Paul VI.  35 f., 86, 88, 124 Perkmann, Robert  219 Pesch, Rudolf  49, 64–67, 70 Piffl, Friedrich Gustav  223 Plöchel, Willibald  21 Pompey, Heinrich  41, 43, 72 f., 75 ff., 92 f., 95 f., 98, 101, 103–106, 186, 290, 292, 300 f. Potoschnig, Franz  157 Potz, Richard  173 Pree, Helmuth  16, 52, 54 f., 125 ff., 134 f., 140, 157, 164, 174, 230, 236, 252, 282 ff. Primetshofer, Bruno  56, 155, 236, 283 Probst, Manfred  163 Puschmann, Hellmut  194 Puza, Richard  21, 282 f.

332 Personenverzeichnis Steimer, Rufin  237 f., 250 Steinkamp, Hermann  94 f. Steinkelderer, Josef  228 Sternberg, Thomas  75 ff. Stoffel, Oskar  137 Streng, Franziskus von  243 f. Strohm, Theodor  64

Vittinghoff-Schell, Max  219, 222 Völkl, Richard  74, 85, 88 Vries, Jan  36, 56 f., 59

Ungar, Leopold  224

Waitz, Sigismund  220 Wengst, Klaus  50 Werthmann, Lorenz  78 f., 187–191, 194, 205 f., 213 f., 237, 260, 290 Wichern, Johann Hinrich  78 Wiedenhofer, Siegfried  23 Wiesen, Wilhelm  227, 261–269, 291 Wolff, Christian  69 f.

Vecchiotti, Septimus M.  25 Vinzenz von Paul  78, 118 Vischer, Lukas  74

Zepp, Paul  154 Zimmermann, Ruben  60 ff. Zulehner, Paul  105

Thyen, Hartwig  62 Tscherrig, Emil  250  Turre, Reinhard  78