»Blüthenstaub«: Rezeption und Wirkung des Werkes von Novalis [Reprint 2010 ed.] 9783110940220, 9783484108271

»Blüthenstaub«, the title of the famous collection of fragments by Novalis, stands here for the entire oeuvre of the Rom

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German Pages 438 [440] Year 2000

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»Blüthenstaub«: Rezeption und Wirkung des Werkes von Novalis [Reprint 2010 ed.]
 9783110940220, 9783484108271

Table of contents :
Vorwort
Einleitung
Novalis und die Moderne. Seghers - Hilbig - Benn - Bachmann
Heine und Novalis
Novalis und die bildende Kunst
Novalis und der Katholizismus
›Blüthenstaub‹: Dekonstruktion der Symbolik
Die Stimme eines Fremden. Zur Novalis-Rezeption in Großbritannien und Amerika
Novalis und die Dichterinnen
Literarische Novalis-Rezeption in Italien
Zur Novalis-Rezeption in Polen. Forschungsstand und Aufgaben
Novalis in Rußland. Ein schwieriger und unvollendeter Weg
Novalis-Vertonungen. Die musikalische Rezeption der Texte Friedrich von Hardenbergs - Anzeige eines Foschungsdesiderats
Novalis und Musil
Novalis-Rezeption in der deutschen Moderne
Hofmannsthal und Novalis. Zur Ambivalenz des Erbes
Novalis und die Anthroposophie
Liebe und Tod auf dem Staubfaden Erde. Zu Ernst Meisters Novalis-Lektüre
Romantisierung als Inszenierung. Magisches Welttheater bei Novalis und Botho Strauß
Novalis-Zitate in Caribaldis Gesprächen. Zur Novalis-Rezeption in Thomas Bernhards ›Die Macht der Gewohnheit‹

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»Blüthenstaub«

»Blüthenstaub« Rezeption und Wirkung des Werkes von Novalis

Herausgegeben von Herbert Uerlings

Max Niemeyer Verlag Tübingen 2000

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft Schriften der Internationalen Novalis-Gesellschaft, Bd. 3

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme »Blüthenstaub« : Rezeption und Wirkung des Werkes von Novalis / hrsg. von Herbert Uerlings. - Tübingen: Niemeyer, 2000 (Schriften der Internationalen Novalis-Gesellschaft ; Bd. 3) ISBN 3-484-10827-4 © Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2000 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Satz und Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Heinrich Koch, Tübingen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

VII

Herbert Uerlings Einleitung

i

Herbert Uerlings Novalis und die Moderne. Seghers - Hilbig - Benn - Bachmann

7

Ralph Martin Heine und Novalis

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Konrad Feilchenfeldt Novalis und die bildende Kunst

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Ludwig Stockinger Novalis und der Katholizismus

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Wm. Arctander O'Brien >Blüthenstaub Die Macht der Gewohnheit < 411

Vorwort

Der vorliegende Band dokumentiert die zweite Fachtagung der Internationalen Novalis-Gesellschaft. Sie fand vom i. —5.10.1997 in der Forschungsstätte für Frühromantik auf Schloß Oberwiederstedt statt und war dem Thema »Blüthenstaub< - Rezeption und Wirkung des Werkes von Novalis< gewidmet. Die Tagung wäre nicht zustandegekommen ohne die tätige Mithilfe der Forschungsstätte für Frühromantik. Deren Leiterin, Frau Dr. phil. habil. Gabriele Rommel, und ihren Mitarbeiterinnen sei für ihre Bereitschaft, über einen längeren Zeitraum hinweg bis an die Grenzen des Zumutbaren und darüber hinaus zu arbeiten, noch einmal nachdrücklich gedankt. Herzlicher Dank gebührt außerdem Frau Gerda Krieger und Frau Astrid Majerus für ihre Mitarbeit bei der Erstellung des satzfertigen Manuskripts und vor allem Frau Sabine Krämer für die Mühen der Korrektur. Ohne finanzielle Unterstützung hätte die Internationale Novalis-Gesellschaft ihre zweite Fachtagung nicht in der Form, in der sie dann stattfand, durchführen können. Für die großzügige Förderung ist sie der DFG und dem Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes SachsenAnhalt zu Dank verpflichtet. Aus den Werken Friedrich von Hardenbergs wird in den Beiträgen dieses Bandes zitiert nach: Novalis. Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs. Begründet von Paul Kluckhohn und Richard Samuel. Hrsg. von Richard Samuel in Zusammenarbeit mit Hans-Joachim Mahl und Gerhard Schulz. 3., nach den Handschriften ergänzte, erweiterte und verbesserte Auflage in vier Bänden mit einem Begleitband. Stuttgart, Bd. I: 1977, Bd. 2: 1981, Bd. 3: 1983. Bd. 4 wird nach der 2. Aufl. 1975, Bd. 5 nach der i. Aufl. 1988 zitiert.

Die Zitatnachweise erfolgen im laufenden Text in runden Klammern nach dem Muster (Bandzahl, Seite: Nr. einer Aufzeichnung). Trier, den 2. Mai 1998

Herbert Uerlings

Herbert Uerlings (Trier) Einleitung

Vom i. —5. Oktober 1997 fand auf Schloß Oberwiederstedt (Sachsen-Anhalt), der Geburtsstätte Friedrich von Hardenbergs, die zweite Fachtagung der Internationalen Novalis-Gesellschaft statt. Sie war, im Jahr des 225. Geburtstages des Dichters, dem Thema > >Blüthenstaub< — Rezeption und Wirkung des Werkes von Novalis< gewidmet. Fast auf den Tag genau 200 Jahre zuvor hatte Friedrich Schlegel an Novalis geschrieben: »Auf Deine philosophischen Mitteilungen freue ich mich mit Heißhunger«. (26.9.1797; IV,49i) Bei diesen >philosophischen Mitteilungen handelte es sich, wie Novalis Schlegel wissen ließ, um Fragmente, »Bruchstücke des fortlaufenden Selbstgesprächs in mir« (26.12.1797; IV,242). In einem Brief an August Wilhelm Schlegel bat er darum, im Falle einer Veröffentlichung unter das Ganze den Namen »Novalis« zu setzen, »welcher Name ein alter Geschlechtsnahme von mir ist, und nicht ganz unpassend« (24.2.1798; IV,25i). Ostern 1798 erschien dann im frühromantischen >Athenäum< die Fragmentsammlung >Blüthenstaub< von >NovalisKlagen eines Jünglings< (1791) einmal absieht, seine erste Veröffentlichung. Seither gibt es — nicht mehr nur für die Brüder Schlegel — die Möglichkeit einer >Rezeption und Wirkung des Werkes von NovalisBlüthenstaub< ist, wie viele Werke der Romantiker, selbst schon Produkt einer Rezeption und Wirkung. Friedrich Schlegel war nach der Ankündigung seines »Heißhungers« fortgefahren: »Aber wenn auch Symphilosophie der eigentliche Nähme für unsre Verbindung ist: so sey nicht geizig und beschneide sie nicht ängstlich auf die Gränzen derselben« (IV,49i). Daran haben sich dann die Schlegels und Novalis vor der Veröffentlichung gemeinsam begeben, und da das ursprüngliche Manuskript verlorengegangen ist, läßt sich

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Herbert Uerlings

nicht mehr säuberlich zwischen dem Anteil der beiden Brüder und dem Hardenbergs unterscheiden. Daß die rezeptionsgeschichtliche Tagung den Titel >Blüthenstaub< erhielt, hatte aber nicht nur damit zu tun, daß dies die Überschrift der ersten (romantischen) Veröffentlichung des Dichters war. Der Hauptgrund war vielmehr die Schönheit und Angemessenheit der Metapher. Sein eigenes Werk, seine Fragmente als >Blüthenstaub< zu bezeichnen, bedeutet, die Wirkungsabsicht der Literatur hervorzuheben. Das ist charakteristisch für den >MissionsWeiterleben< auf1

Dem Film >Novalis — Die Blaue Blume< von Herwig Kipping war kein Vortrag, sondern, im Anschluß an die Vorführung, eine (nicht aufgezeichnete) Diskussion mit dem Regisseur gewidmet.

Einleitung

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grund nicht-intendierter, >unbewußter< Rezeption. Die Abgrenzungen sind natürlich schwierig, denn manche Stoffe und Motive, allen voran die blaue Blume und die Nachtbegeisterung, kennt man auch ohne direkte Rezeption. Ferner ist Gerhard Schulz darin zuzustimmen, daß sich schwer entscheiden läßt, ob es Zufall oder Folge einer unbewußt gewordenen Novalis-Rezeption ist, daß Brechts Galilei auf die Frage Sagredos, wo sich Gott in seinem Weltsystem befinde, antwortet: »In uns oder nirgends!«2 Und der 1995 verstorbene Michael Ende, der mit der >Unendlichen Geschichte< (1979) einen der populärsten Gegenwartsromane geschrieben hat, hat erst durch die Lektüre einer Magister-Arbeit über dieses Buch erfahren, daß er stellenweise »Novalis wörtlich plagiiert« habe: »Mir war die verblüffende Text-Ähnlichkeit tatsächlich nicht bewußt, da ich [...] Novalis seit Jahrzehnten nicht mehr intensiv studiert habe.«3 Hinzu kommt, daß die rezeptionsgeschichtliche Forschung häufig gewinnt, wenn sie Kontexte jenseits des positivistisch Feststellbaren in den Blick nimmt oder nach dem Muster der vergleichenden Unterscheidung zweier Autoren verfährt. Wegen der Breite und Vielfalt dieser Rezeption ist es nicht möglich, diese in einem Sammelband annähernd vollständig zu repräsentieren; angesichts der bereits geleisteten Forschung wäre es aber auch nicht sinnvoll, und schließlich sollten auf der Tagung nicht nur Desiderata bearbeitet, sondern auch neue aufgezeigt werden. Ein erster Schwerpunkt lag in dem Bereich >Novalis-Rezeption in der RomantikNovalis und Hölderlin< von Manfred Engel kurz vor der Tagung im Rahmen eines Festvortrages vor der Gesellschaft behandelt worden war.4

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Schulz, Gerhard: Der Fremdling und die blaue Blume. In: Romantik heute. Friedrich Schlegel, Novalis, E. T. A. Hoffmann, Ludwig Tieck. Bonn-Bad Godesberg 1972, S. 3147, hier S. 46. 3 Aus einem Brief Michael Endes an Hans Joachim Mahl vom 21.12.1994. Hans Joachim Mahl sei für die Genehmigung der Veröffentlichung dieser Passage freundlich gedankt. Die Magister-Arbeit wurde von Frau Annette Sander, Heidelberg, verfaßt. 4 Diese Studie ist inzwischen im Druck erschienen: Engel, Manfred: Novalis und Hölderlin. In: Mitteilungen der Internationalen Novalis-Gesellschaft 2 (1999), S. 7-30.

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Herbert Uerlings

Ein zweiter Schwerpunkt der Tagung lag in dem Bereich NovalisRezeption im Auslands Es scheint sie vor allem in Frankreich, England und Amerika (Dennis F. Mahoney) gegeben zu haben und, wie Penelope Fitzgeralds von der Kritik enthusiastisch gefeierter Roman >The Blue Flowen (1995) zeigt, immer noch zu geben (Gerhard Schulz). Innerhalb der französischen Literatur ist die Novalis-Rezeption im Symbolismus von besonderem Interesse; leider ist es nach der Absage des ursprünglich vorgesehenen Referenten nicht mehr gelungen, diesen Vortrag, zu dem wohl auch eine kritische Sichtung der einschlägigen Forschung gehört hätte, neu zu vergeben. Völliges Neuland wurde mit den Beiträgen zur Novalis-Rezeption in Italien (Luciano Zagari), Polen (Marek Jaroszewski) und Rußland (Sergej A. Romaschko) betreten. Ein dritter Schwerpunkt der Tagung lag im Bereich >Novalis und die ModerneNovalis und die Moderne. Seghers — Hilbig — Benn - Bachmann< (Herbert Uerlings), die meisten Vorträge gewidmet. Dabei ging es zunächst um die frühe Moderne unseres Jahrhunderts mit Vorträgen zu Musil (Ulrich Karthaus), Hofmannsthal (Johannes Endres), Trakl und Ernst Jünger (Hans Esselborn). Ein weiterer Vortrag war der Novalis-Rezeption bei Ricarda Huch, Thomas Mann und Hermann Hesse gewidmet (Georg Wenzel); er war aber nicht zur Aufnahme in diesen Band gedacht, da er auf einer — durch die Gesellschaft angeregten - eigenständigen und zur Tagung erschienenen Publikation beruhte.5 Abschließend wurde die Novalis-Rezeption in der Moderne nach 1945 in den Blick genommen, mit Vorträgen zur Rolle von Novalis in der DDR-Literatur (Gabriele Rommel),6 bei Ernst Meister (Jürgen Egyptien), Botho Strauß (Lothar Pikulik) und Thomas Bernhard (Ira Kasperowski). Ein Beitrag über die Rekonstruktion der Symbolik< (William A. O'Brien) zeigte neben frühromantischen und modernen auch postmoderne Tendenzen im Werk von Novalis selbst auf. Ein Desiderat bleiben, zumal nach der Absage eines Referenten, weitere Untersuchungen zu Novalis' Bedeutung für die Kunstgeschichte, vor allem die der Moderne, obwohl es viele Bezüge gibt und Novalis noch häufi5

Wenzel, Georg: Novalis in den Anschauungen von Ricarda Huch, Thomas Mann und Hermann Hesse. Halle 1997 (Texte aus dem Novalis-Schloß, Bd. 2). 6 Dieser Beitrag wird voraussichtlich in Heft 3 der Mitteilungen der Internationalen Novalis-Gesellschaft < erscheinen.

Einleitung

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ger von Kunsthistorikern herangezogen wird, um >Romantisches< in der Kunst beschreiben zu können. Einen eindrucksvollen Beleg für beides bietet der Katalog zur Ausstellung >Ernste Spiele. Der Geist der Romantik in der deutschen Kunst 1790— I99OBlauen Reiter< und bei Max Ernst, der Novalis 1942 auf der berühmt gewordenen Doppelseite der Zeitschrift >View< nennt, die die Überschrift >Max Ernst's Favourite Poets Painters of the Past< hat. Die größte Bedeutung aber dürfte Novalis für Joseph Beuys7 gehabt haben und damit für die Befreiung des Blicks der Gegenwartskünstler auf die Romantik von der Erblast ihrer nationalsozialistischen Indienstnahme. »Ein wesentlicher Beitrag von Joseph Beuys besteht darin, daß er mitgeholfen hat, die Romantik aus dieser ideologischen Schublade zu befreien, und so andere Künstler in die Lage versetzte, ihren positiven Seiten Rechnung zu tragen: ihrem utopischen Eifer, ihrem intellektuellen und emotionalen Beziehungsreichtum, ihrer Unabgeschlossenheit.«8 Zu diesen anderen Künstlern< gehören Baselitz, Kiefer und Polke, vor allem aber, was den Novalis-Bezug betrifft, der Beuys-Schüler Blinky Palermo. Drei weitere Desiderata der Rezeptionsgeschichte wurden auf der Tagung mit den Vorträgen zu >Novalis und der Katholizismus< (Ludwig Stockinger), >Novalis und die Anthroposophie< (Sophia Victor) und >Novalis-Vertonungen< (Josef Schreier) behandelt. Einige dieser Kompositionen, darunter bislang unveröffentlichte Lieder von Paul Hindemith aus dem Jahre 1933, wurden im Rahmen eines Liederabends von Johann Werner Prein und Alexander Martin (Klavier) vorgetragen. Zusammenfassen lassen sich die Ergebnisse einer solchen Tagung nicht. Es darf aber festgehalten werden, daß sie gezeigt hat, daß das Werk von Novalis in einem beeindruckenden, bislang nicht bekannten Ausmaß und auf sehr vielfältige Weise im In- und Ausland zum Gegenstand produktiver Anverwandlungen und kritischer Auseinandersetzungen geworden ist. Es bleibt zu hoffen, daß mit der Publikation des Bandes der Rezeptionsforschung nicht nur zu Novalis neue Impulse gegeben werden. Abhandlungen, Tagungen und Sammelbände zur Rezeptionsgeschichte prominenter Autoren pflegen mit einem »N. N. und kein Ende« zu schlie7 8

Vgl. dazu schon Vischer, Theodora: Joseph Beuys und die Romantik. Köln 1983. Hartley, Keith: Einführung in die Ausstellung in Edinburgh und London. In: Ernste Spiele. Der Geist der Romantik in der deutschen Kunst 1790-1990. 2. Aufl. München 1995, S. 15-19, hier S. 17.

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Herbert Uerlings

ßen. Das ist ein schöner Brauch, der mit dem Hinweis auf drei bemerkenswerte Beispiele einer Novalis-Rezeption in den letzten Jahren fortgesetzt werden soll, die auf der Tagung nicht Thema waren: 1994 erschien Marion Titzes >Unbekannter VerlustNovalis — Die blaue Blume< sind deutlich, nicht nur im Stofflichen, sondern vor allem bei dem Versuch, die Erfahrung eines >Verlustes< durch eine Rückwendung auf Novalis darstellbar zu machen. Im Jahr 1996 hat eine der bedeutendsten deutschsprachigen literarischen Zeitschriften unseres Jahrhunderts, die >Neue RundschauDie Christenheit oder Europa< gewidmet, das auch den vollständigen Text der Rede enthält. Daß diese noch einmal zum Katalysator eines Nachdenkens über Europa werden würde, war schwerlich zu erwarten. Andererseits war der Zeitpunkt kein Zufall. Der Prozeß der Vereinigung Europas hat sich, nach Maastricht und kurz vor der Einführung des Euro, beschleunigt, damit aber ist auch die Frage immer dringlicher geworden, was denn außer Ökonomie und Staatlichkeit diese Einheit ausmachen kann und soll. Novalis hat in einer nicht ganz unähnlichen Ausgangssituation als erster eine kulturelle Europa-Vision entworfen. Sie besitzt, wie die Beiträge des Heftes zeigen, immer noch genug Reibungsfläche für eine Auseinandersetzung mit ihr im Lichte heutiger Erfahrungen und Probleme. Im Jahr 1997 schließlich, in dem die Tagung stattfand, ist das umfangreichste Gedicht in der Geschichte der deutschen Lyrik erschienen, Paul Wührs >Salve Res Publica Poetica< (München 1997), ein universalpoetischer Versuch von über 800 Seiten Umfang. Auf seinen Novalis-Bezug macht schon der >poetische Staat< des Titels aufmerksam. Ob und inwieweit hier wirklich >Blüthenstaub< zu einer Frucht geworden ist, mögen Leser und künftige Forschung entscheiden. 200 Jahre Dissemination sind mehr als auf einer ersten Tagung zur Rezeption und Wirkung des Werkes von Novalis bewältigt werden kann.

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Vgl. dazu die erweiterte Druckfassung des Beitrages von Gerhard Schulz in diesem Band.

Herbert Uerlings (Trier)

Novalis und die Moderne Seghers — Hilbig — Benn — Bachmann

>Novalis und die Modernes das ist natürlich ein Thema für mindestens ein Buch, nicht für einen Vortrag. Für einen solchen ist das Thema zu komplex, d.h. die Rezeption in der Moderne ist viel zu breit und zu vielschichtig, außerdem ist fraglich, was >die Moderne< eigentlich bedeuten soll. Gibt es >die< Moderne oder nicht vielmehr mehrere Modernen? Ist Sprachskepsis modern oder >Sprachgläubigkeit